Aktueller Diskurs im Umweltrecht - Öffentlichkeitsbeteiligung im Umbruch

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Altenburger | N. Raschauer

Aktueller Diskurs im Umweltrecht

Ă–ffentlichkeitsbeteiligung im Umbruch Band 2 Präsentationen


Curia locuta, causa finita?

Nicolas RASCHAUER


Was folgt aus EuGH C-137/14?

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1. Dogmatische Folgerungen… • EuGH-E wirkt erga omnes, ist in ö Anlagenverfahren beachtlich. • Vorrang Art 11 UVP-RL; Art 25 IE-RL: Zeitliche Beschränkungen des AVG bzw des UVP-G für Einwendungen sind wegen Verstoßes gegen Effektivitätsprinzip unangewendet zu belassen. • Betrifft nur Verfahren, die in Anwendungsbereich der RL fallen. • S ähnlich zB EuGH Connect Austria (C-392/04); Koppensteiner (C-15/04).

• Betr Öff kann auch nach Verhandlung 1. Instanz Einwendungen erheben.

• Einwendungen bis Schluss Ermittlungsverfahren erster Instanz möglich, aber nicht erforderlich (§ zB 16 Abs 3 UVP-G). 3


2. Dogmatische Folgerungen… • Beschränkung Mitwirkungsrechte auf Parteien des Verfahrens zulässig (§ 8 AVG)  maßgeblich ist: Verletzung subjektiver Rechte möglich? • Bei UO ist auf sachlich-örtlichen Wirkungsbereich abzustellen.

• Einwendungen (abgesehen von UO) auf subjektive Rechte beschränkt. • Dem steht weder Art 47 GRC noch Art 11 UVP-RL entgegen (Gestaltungsspielraum der MS).

• Prozessuale Regelungen gegen Missbrauch von Parteirechten bzw gegen „unredliches Vorbringen“ möglich (EuGH Rz 81). • Terminologie der E ist autonom zu interpretieren; nationale „Rechtsmissbrauchsjudikatur“ ist damit nicht gemeint. 4


3. Dogmatische Folgerungen… • Art 11 UVP-RL und 25 IE-RL verlangen „Zugang“ für betr Öff zu Gericht • = Beschwerderecht, Mitwirkung im Verfahren (Parteirechte). • Beschwerderecht unabhängig von Mitwirkung in erster Instanz. • S schon EuGH C-263/08 (Djurgarden).

• „Auseinanderdividieren“ von Genehmigungsverfahren und Überprüfungsverfahren nach EuGH nahe liegend; entspricht aber nicht ö Begriffsverständnis.

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4. Dogmatische Folgerungen… • VwG hat „auf Grund der Beschwerde“ zu prüfen (§ 27 VwGVG). • „Feinprüfung“ hins ausdrücklicher Erklärungen in Beschwerde (zB VwGH Ra 2015/04/0012). • „Grobprüfung“ hins nicht vorgebrachter Erwägungen. • Sind sonstige Rechte beeinträchtigt?

• Äußerster Rahmen für Prüfbefugnis ist "Sache" des bekämpften Bescheides. •  Zu prüfen ist zunächst Zuständigkeit; dann: Parteibeschwerden (abgesehen solche von UO) sind insoweit zu prüfen, als Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten denkbar (VwGH Ro 2014/05/0062).

• VwG hat daher angefochtenen Bescheides auch wg öffentlicher Interessen aufzuheben/abzuändern, wenn nicht nur solche Partei Beschwerde erhoben hat, die auf bestimmte subjektive Rechte beschränkt ist (VwGH 2010/06/0262). 6


5. Dogmatische Folgerungen… • Beschwerdefrist (§ 7 Abs 4 VwGVG; § 40 Abs 3 S 2 UVP-G): zeitlich zulässige Zäsur für Zugang zu Gericht. • Beschwerdeverfahren ist mit jenen Parteien fortzusetzen, die sich fristgerecht bei Gericht „gemeldet“ haben. • Zweite zeitliche Zäsur für Erklärungen: Verhandlung (Unmittelbarkeitsgrundsatz) bzw Erklärung über Schluss des Ermittlungsverfahrens (zB § 40 Abs 5 UVP-G).

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6. Offene Fragen 1 • „Ausstrahlungswirkung“: EuGH-Erk betrifft nicht nur UVP-Verfahren.

• Novelle Anlagenverfahren erforderlich: „jein“ (aus Sicht des Art 4 Abs 3 EUV: ja). • Keine Pflicht, gänzlich in Verwaltungsverfahren auf Präklusionsregeln zu verzichten. • Kann zur Verfahrensbeschleunigung weiter sinnvoll sein.

• Mehrere Altverfahren (die nicht nach Großverfahrensregime behandelt wurden) gelten dzt nicht als abgeschlossen  übergangene Parteien!  können jederzeit Beschwerde „nachreichen“. • Zeitliche Schanke: ab Ablauf der Umsetzungsfrist der maßgebenden RL. • (Keine) Alternative: Legal-Genehmigungsfiktionen nach Art des § 46 Abs 20 Z 4 UVPG; am Prüfstand des EuGH (C-348/15). 8


6. Offene Fragen 2 • Gesetzgeber sollte angemessene zeitliche Schranke für „Nachholen“ einer Beschwerde vorsehen (Grundsatz der Rechtssicherheit). • Vorbild könnten entsprechende Regelungen in BauO sein.

• Novelle sollte dazu genutzt werden, Auseinanderdriften zu sonstigen Anlagenverfahren zu vermeiden. • Gleichstellung mit anderen Verfahrensparteien unionsrechtlich nicht geboten (insb Standortgemeinden; Umweltanwalt). • Fraglich ist aber, ob „Differenzierungen“ (zB Umweltanwalt-UO) rechtspolitisch sinnvoll sind.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

PrivDoz Dr. Nicolas Raschauer CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte OG Parkring 2, 1010 Wien nicolas.raschauer@chsh.com 10


EuGH 15.10.2014, C 137/14 Auswirkungen auf Umweltverfahren vor dem VwG? Wolfgang Wessely

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Übersicht • Status quo • EuGH-Ansatz • Tenor • Vorwirkungen im Verwaltungsverfahren • Beschwerdeverfahren

• Konsequenzen • künftig anfallende und derzeit anhängige Verfahren • „rechtskräftig“ abgeschlossene Verfahren • Übergangene Parteien

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Status quo • insb § 19 Abs 10 UVP-G / § 42 Abs 1 AVG • Umfang der Parteistellung von Nebenparteien ergibt sich aus • den ihnen eingeräumten „Mitspracherechten“, • eingeschränkt auf Fälle rechtzeitig erhobener zulässiger Einwendungen • unabhängig davon, ob diese die Parteistellung begründen (sog Einwenderpartei) oder aufrecht erhalten • für die weiteren Überlegungen wird § 19 Abs 10 UVP-G als Sonder-Präklusionsreglung verstanden

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Status quo • § 27 VwGVG • trotz Gesetzeswortlautes keine Einschränkung der Kognitionsbefugnis, sondern Fortschreibung der bisherigen Rechtslage (§ 66 Abs 4 AVG) • zB VwGH 18.11.2014, Ra 2014/05/0016 bis 0020; 19.11.2014, Ra 2014/22/0123; 17.12.2014, Ro 2014/03/0066

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Status quo • § 27 VwGVG • Daher bei Beschwerden von Nebenparteien • grds nur Prüfung jenes „Themenkreises“, in dem der Partei ein Mitspracherecht zusteht • „prozessuale Rechte können nicht weiter gehen als die ihnen zugrunde liegende materielle Rechte“ » VwGH 9.10.2014, 2011/05/0159; 9.9.2015, Ro 2015/03/0032

» Einschränkung der Prüfbefugnis um präkludierte Aspekte (zB VwGH 23.2.2010, 2009/05/0059)

• Geldendmachung in der Beschwerde nicht erforderlich » VwGH 27. 2. 1990, 89/08/0200; aM VwSlg 15.792 A/2002 » gleichwohl praktisch “Feinprüfung” nur hins geltend gemachter Aspekte (idS interpretierbar VwGH 9. 9. 2015, Ra 2015/04/0012)

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Status quo • § 27 VwGVG • Daher bei Beschwerden von Nebenparteien • amtswegige Wahrnehmung der Unzuständigkeit der belangten Behörde • stRsp seit VwSlg 10.317 A/1980 [verstSen]; nunmehr ausdrücklich § 27 VwGVG

• nicht auch • öffentlicher Interessen » zB VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032

• einschließlich unionsrechtlich geschützter Aspekte » zB VwGH 27.9.2013, 2010/05/0202, unter Hinweis auf eigetretene Präklusion und Annahme der Vereinbarkeit mit Unionsrecht » Spannungsverhältnis zur Rsp des EuGH (insb Peterbroeck)

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Status quo • Daher bei Beschwerden von Nebenparteien • Prüfung subjektiver Rechte geht nicht weiter als • sie dem Beschwerdeführer im jeweiligen Verfahren zukommen, • er in ihrer Geltendmachung nicht präkludiert ist und • (allenfalls) eine Verletzung derselben in der Beschwerde geltend macht.

• keine (nochmalige) Prüfung der Vereinbarkeit mit öffentlicher Interessen

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Status quo • Daher bei Beschwerden von Nebenparteien Sache des Verwaltungsverfahrens Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Trennbare Aspekte subjektive Rechtsverletzung Beschränkte Mitspracherechte zulässig geltend gemachte subjektive Rechtsverletzung

Teilrechtskraft

objektive Rechtsverletzung

Mitspracherechte ausschließlich Dritter

Präklusion

Auswirkung auf Umweltverfahren

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EuGH C 137/14 • Die Beschränkung der Klagebefugnis und des Umfangs der gerichtlichen Prüfung auf Einwendungen, die bereits innerhalb der Einwendungsfrist im Verwaltungsverfahren, das zur Annahme der Entscheidung geführt hat, eingebracht wurden, verstößt gegen Art 11 der RL 2011/92/EU und Art 25 der RL 2010/75/EU. • …auch wenn rechtzeitige Einwendungen hätten erhoben werden können… • …Allerdings kann der nationale Gesetzgeber spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen, nach denen zB ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig ist, die geeignete Maßnahmen darstellen, um die Wirksamkeit des gerichtlichen Verfahrens zu gewährleisten…

• Rechtslage im Deutschland ähnelt iW jener in Österreich

Auswirkung auf Umweltverfahren

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EuGH C 137/14 • Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit müssen unabhängig von • ihrem Prozessverhalten im Verwaltungsverfahren • von ihrer Teilnahme am Verwaltungsverfahren die Möglichkeit haben, die verwaltungsbehördliche Entscheidung bezogen auf Umweltvorschriften einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung zuzuführen.

• Vorwirkungen im Verwaltungsverfahren • Regelungen, die die Erlangung oder Aufrechterhaltung der Parteistellung hins Umweltvorschriften an ein derartiges Prozessverhalten (insb rechtzeitige Einwendungen) im Verwaltungsverfahren knüpfen, verstoßen gegen Unionsrecht und sind unangewendet zu lassen.

Auswirkung auf Umweltverfahren

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EuGH C 137/14 • Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit müssen unabhängig von • ihrem Prozessverhalten im Verwaltungsverfahren • von ihrer Teilnahme am Verwaltungsverfahren die Möglichkeit haben, die verwaltungsbehördliche Entscheidung bezogen auf Umweltvorschriften einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung zuzuführen.

• Vorwirkungen im Verwaltungsverfahren • Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit erhalten bzw behalten während des gesamten Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren Parteistellung hins Umweltvorschriften • Rechtsstellung gleicht strukturell jener der UA • betrifft insb UO, soweit das Vorhaben im örtlichen Tätigkeitsbereich liegt

Auswirkung auf Umweltverfahren

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EuGH C 137/14 • Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit müssen unabhängig von • ihrem Prozessverhalten im Verwaltungsverfahren • von ihrer Teilnahme am Verwaltungsverfahren die Möglichkeit haben, die verwaltungsbehördliche Entscheidung bezogen auf Umweltvorschriften einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung zuzuführen.

• Beschwerdeverfahren • Anforderungen an Beschwerden bleiben unberührt • Notwendigkeit einer Abstützung auf der Partei zukommende Rechte (andernfalls Zurückweisung) •

VwGH 13.12.2011, 2011/05/0136

• nach – von wem auch immer – zulässigerweise erhoben Beschwerde unveränderte Parteistellung im Beschwerdeverfahren

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Konsequenzen • künftig anfallende und derzeit anhängige Verfahren • Verwaltungsverfahren • Einbeziehung der Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit als Partei • Erlassung der verfahrensabschließenden Entscheidung auch diesen Parteien gegenüber zur Vermeidung übergangener Parteien • verwaltungsgerichtliche Verfahren • Einbeziehung der Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit als Partei • erforderlichenfalls Einbeziehung übergangener Parteien

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Konsequenzen • „rechtskräftig“ abgeschlossene Verfahren • Wiederaufnahme? • Zurückweisung von Berufungen / Beschwerden mangels Parteistellung • Gründe • Neue Tatsachen / Beweismittel? • Abweichende Vorfragenentscheidung ? » ablehnend in stRsp der VwGH (zB VwGH 22.12.2011, 2008/16/0063; 27.9.2012, 2009/16/0005) » unionsrechtlich problematisch (Notwendigkeit der Vorabentscheidung?)

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Konsequenzen • übergangene Parteien • Problem in Verfahren ohne Ediktalkundmachung • kein Verfahrensabschluss gegenüber Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit, denen gegenüber die verfahrensabschließende Entscheidung nicht erlassen wurde

• Konsequenz • grds zeitlich unbeschränkte Möglichkeit der Geltendmachung ihrer Parteienrechte • ausgenommen materienspezifische Sonderreglungen

Auswirkung auf Umweltverfahren

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Vielen Dank fĂźr Ihre Aufmerksamkeit

Auswirkung auf Umweltverfahren

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ÖFFENTLICHKEITSBETEILIGUNG IM UMBRUCH

14.01.2015, Bettina Bachl


ÜBERBLICK Öffentlichkeitsbeteiligung an UVP-Verfahren – Viele "Baustellen"  EuGH 16.04.2015, C-570/13 "Karoline Gruber"

 Bindungswirkung von UVP-Feststellungsbescheiden  Geklärte – offene Fragen?  Erste Judikate?  EuGH 15.10.2015, C-137/14 "Kommission/Deutschland"

 ua "Präklusion" in UVP-Verfahren (dritte Rüge der KOM)  Aussagen des EuGH?  Überraschendes Ergebnis?  Konsequenzen für nationale Rechtslage?


EUGH 15.10.2015, C-137/14 „KOM/DEUTSCHLAND“

„EuGH beseitigt Präklusion in UVP- und IPPC-Verfahren" (www.oekobüro.at, 19.11.2015)

"Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellt das österreichische Verfahrensrecht auf den Kopf“ (Niederhuber, Der Standard 2015/46/01) „Öffentlichkeit darf bei Großprojekten länger mitreden“ (Sander/Reichel, Die Presse 2015/43/04)

„Knalleffekt: Behördliche Genehmigungsverfahren werden zum Spießrutenlauf“ (Niederhuber/Schlatter/Suchanek, NHP – News Alert, November 2015)  Konsequenz: Umdenken notwendig!

UVP-Verfahren völlig ohne Präklusion????  Differenzierte Betrachtung notwendig!


AUSSAGEN DES EUGH  Dritte Rüge: Beschränkung der Klagebefugnis und des

Umfangs der gerichtlichen Kontrolle auf Einwendungen, die im Verwaltungsverfahren erhoben wurden, verstößt gegen Art. 11 der UVP-RL (und Art. 25 der IPPC-RL).  Widerspruch zu 2 mit Art 11 UVP-RL verfolgten Zielsetzungen:  Weiter Zugang zu Gericht

– nicht mit Rechtssicherheit rechtfertigbar!  umfassende Überprüfung der materiellen und formellen Rechtmäßigkeit von Genehmigungsentscheidungen – überwiegt Verfahrenseffizienz!


AUSNAHME? „81 Allerdings kann der nationale Gesetzgeber spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen, nach denen z. B. ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig ist, die geeignete Maßnahmen darstellen, um die Wirksamkeit des gerichtlichen Verfahrens zu gewährleisten.“  Sehr unbestimmt – Wann ist erstmalige Geltendmachung von

Einwendungen in Überprüfungsverfahren missbräuchlich?  Strenge EuGH-Judikatur zum Rechtsmissbrauch  „Bloßes Verschweigen“ reicht wohl nicht aus.


ÜBERRASCHUNG!?!  Nein! - Rs „Djurgården“ (EuGH 15.10.2009, C-263/0)  EuGH erläuterte bereits, dass es...

„Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit [....] möglich sein muss, die [...] Entscheidungen über den Antrag auf Genehmigung eines Projektes anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnten“ (Rz 39)  Die UVP-RL würde es keineswegs zulassen,

„die Anfechtungsmöglichkeiten mit der Begründung zu beschränken, dass die Betroffenen sich bereits in der Phase der Beteiligung am Entscheidungsverfahren nach Art 6 Abs 4 [Stellungnahmerecht, Anm.] äußern konnten“ (Rz 48)


VORGABEN AN NATIONALE ÜBERPRÜFUNGSVERFAHREN  Ausübung der Verfahrensautonomie durch MGS unter Beachtung  Primärrecht (Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz)  Spezifischen Vorgaben der UVP-RL (insb. Art 11): Öffentlichkeitsbeteiligung (Info, Mitwirkung,…)

Zugang zu Überprüfungsverfahren

Art 6 AK

Art 9 Abs 2 AK

Art 6 – 9 UVP-RL

Art 11 UVP-RL

Systematisch-teleologisch getrennte Regelungsbereiche


AUSSAGEN - KONSEQUENZEN  Kernaussage: Beteiligung am Verfahren darf keine Auswirkungen auf

nachträgliches Überprüfungsrecht haben!  So bereits EuGH in „Djurgarden“, Rz 38: „Zum anderen unterscheidet sich die Beteiligung am umweltbezogenen Entscheidungsverfahren […] von einer gerichtlichen Anfechtung und hat auch eine andere Zielsetzung als diese, […]. Diese Beteiligung hat daher keine Auswirkungen auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Anfechtungsrechts“

 Derzeitige Folgen der Präklusion: Einwendung(en) im

Verwaltungsverfahren = Anfechtungsbefugnis im gerichtlichen Überprüfungsverfahren  unzulässige Verknüpfung!  Präklusion ≠ Rechtsmittelfristen, Eingabegebühren,…


RESÜMEE  Ergebnis: Konflikt der nationalen Präklusionsvorschriften mit

Unionsrecht „lediglich“ hinsichtlich der dadurch bewirkten Einschränkung der Beschwerdelegitimation von Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit. Dh:  Unzulässig: Zurückweisung der Beschwerde wegen Präklusion  Zulässig: Während Verwaltungsverfahren keine weitere Einwendungsmöglichkeit + Parteistellung bei Präklusion.  Offene Fragen – erste Reaktionen:  Enorme Verzögerung des Verwaltungsverfahrens?  Beschwerde trotz Präklusion ≙ § 3 Abs. 7a UVP-G?  Tätigwerden des Gesetzgeber?  Bei Aufrechterhaltung der Präklusion: Kenntnis der präkludierten

betroffenen Öffentlichkeit von Entscheidung?  Einstweilen unmittelbare Anwendbarkeit von Art 11 UVP-RL?  BVwG 12.11.2015, W193 2013859-1; (Präklusion: ja; ordentl. Rev.)  Krtn LVwG 16.11.2015, KLVwG-1703-1704/16/2015 (Präkl.: eher nein)


EUGH 16.04.2015, C-570/13 „KAROLINE GRUBER“

 Absage an Bindungswirkung von UVP-Feststellungsbescheiden  VwGH 22.06.2015, 2015/04/002-18: UVP-Feststellungsbescheid

entfaltet gegenüber Nachbarn gemäß § 75 Abs 2 GewO 1994 keine Bindungswirkung!  Bestätigung der Judikaturwende in div. Folgeentscheidungen  Nunmehr wohl unstrittig, dass qualifiziert betroffene Öffentlichkeit

die Entscheidung über die UVP-Pflicht eines Vorhabens gerichtlich überprüfen lassen können muss.  Jedoch nicht alle Fragestellungen unmittelbar mit Rs "Gruber"

lösbar  unterschiedliche "Szenarien"


GRUBER = LÖSUNG ALLER FRAGEN

ZUM FESTSTELLUNGSVERFAHREN?  SZENARIO 1 NEGATIVER UVP-G-FESTSTELLUNGSBESCHEID

+ PARTEISTELLUNG IN MATERIENVERFAHREN (MATERIENGESETZ-PARTEIEN)   Fall „Gruber“ (wenn keine UO!)  Materienbehörde muss sich mit Frage der UVP-Pflicht auseinandersetzen  EuGH fordert in „Gruber“ nur eine fehlende Bindungswirkung für jene Parteien des Materienverfahrens fordert, die... (1.) nicht bereits die UVP-Feststellungsentscheidung bekämpfen können und (2.) der qualifiziert betroffenen Öffentlichkeit angehören.  Fraglich: Andere Entscheidung als UVP-Behörde? Unterschiedliche Rechtswege iHa selbe Fragestellung? UO?


GRUBER = LÖSUNG ALLER FRAGEN ZUM FESTSTELLUNGSVERFAHREN?  SZENARIO 2 NEGATIVER UVP-G-FESTSTELLUNGSBESCHEID

+ KEINE PARTEISTELLUNG IN MATERIENVERFAHREN (POTENTIELLE UVP-PARTEIEN)  Kein Bindungswirkungsproblem, da ohnedies keine Parteistellung in Feststellungsverfahren!  Generelleres Problem: Fehlender Rechtsschutz


ÜBERSICHT Entscheidung UVP JA/Nein?

Vorliegen eines (negativen) UVP-G Feststellungsbescheids?

Betroffene Öffentlichkeit

Entscheidung über UVP-Pflicht

UO

JA Szenario 1 + 2

Rechtschutz?

§ 3 Abs 7a UVP-G Partei in MV  „Gruber- Fälle“

sonstige Keine Partei in MV Partei in MV

Nein Szenario3

UO + sonstige

Keine Partei in MV


GRUBER = LÖSUNG ALLER FRAGEN

ZUM FESTSTELLUNGSVERFAHREN?  SZENARIO 3 KEIN UVP-FESTSTELLUNGSVERFAHREN 

gleich MATERIENVERFAHREN  Differenzierung notwendig zwischen:  „Materiengesetz-Parteien“

 keine Problematik der Bindungswirkung  Rechtschutz iRv Materienverfahren  „Potentielle-UVP-Parteien“  kein Rechtschutz gegen Unterlassen von Screening/UVPVerfahren  Lösungsvarianten?


ÜBERPRÜFUNG VON ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DIE UVP-PFLICHT  Seit 2012: § 3 Abs 7a UVP-G  Überprüfungsrecht (ohne vorherige

Parteistellung) gegen negative Feststellungsentscheidungen für UO  Dadurch von „Wahlrecht“ des Art 11 Abs 2 UVP-RL Gebrauch gemacht  Dennoch keine vollständige Umsetzung durch § 3 Abs 7a UVP-G  Effektiver Rechtsschutz? Gleichheitsgesichtspunkte?  Nur Anfechtung gegen negative Feststellungsbescheide?  idR keine Überprüfungsmöglichkeit bei Unterlassung des

Feststellungsverfahrens!  "Rest" der betroffenen Öffentlichkeit?


ÜBERPRÜFUNG VON ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DIE UVP-PFLICHT  Gänzlicher Ausschluss von Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit

von Überprüfungsmöglichkeit unzulässig (keine „Nullvariante“!!!)  Beseitigung des Umsetzungsmangels durch GG!  durch Schaffung von § 3 Abs. 7a UVP-G selbst Grenzen gesetzt  schwer, sachliche Rechtfertigung für Schaffung unterschiedlicher

Überprüfungsverfahren (in möglicherweise sogar verschiedenen Verfahrensstadien) zu finden  Problematik bei rechtswidriger Unterlassung von Feststellungsverfahren für gesamte qualifiziert betr. Öffentlichkeit (insb. bei fehlend Parteistellung in Materien-Verf.)


UMSETZUNGSALTERNATIVEN  Alternativen zum Überprüfungsrecht ohne vorherige

Parteistellung?  Parteistellung? De-facto-UVP? Bloßes Anhörungsrecht?…  Lösungsvarianten bei rw. Unterlassung von

Feststellungsverfahren  (nachträgliches) Anfechtungsrecht gg Materienbescheide  Parteistellung bereits im Materienverfahren (zumindest iHa Zuständigkeitsfrage)  VwGH 5.11.2015, Ro 2014/06/0078-7 iHa Nachbarn  Antragsrecht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides  BVwG 11.02.2015, W104 2016940-1/3E iHa UO (Analogie); nicht aber BI! (BVwG 20.11.2015, W109 2114720-1/5E)


RESÜMEE  Aussagen des EuGH in beiden Urteilen beziehen sich jeweils nur

auf Mitglieder der (qual.) betroffenen Öffentlichkeit  Kombination von Rs „Gruber“ mit Rs „Kom/Deutschland“

 Auch in Materienverfahren dürfen Mitglieder der qualifiziert betroffenen Öffentlichkeit hinsichtlich Frage der Zuständigkeit keiner Präklusion unterliegen!  Trotzdem noch viele Fragen zur Öffentlichkeitsbeteiligung unklar

+ strittig


ÖFFENTLICHKEITSBETEILIGUNG IM UMBRUCH

14.01.2015, Bettina Bachl

Institut für Staatsrecht +43 732 2468 7400 bettina.bachl@jku.at http://www.stapol.jku.at


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