Leicht verständlich werden die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Finanzstrafrechts, die Straftatbestände des Besonderen Teils sowie das gerichtliche und das finanzstrafbehördliche Finanzstrafverfahren beschrieben. Der Stoff wird anhand praktischer Beispiele verdeutlicht.
9. Auflage
Das vorliegende Skriptum Finanzstrafrecht verfolgt das Ziel, einen ersten Einblick in den Stand des österreichischen Finanzstrafrechts und Finanzstrafverfahrensrechts zu geben.
Am Ende jedes Kapitels finden sich Wiederholungsfragen. Zur Vertiefung wird auf weiterfüh-rende Literatur verwiesen. Ein umfassendes Stichwortverzeichnis ermöglicht das rasche Auffinden der gewünschten Textstellen. Das Skriptum kann Studierenden und Berufsanwärtern als ideale Lerngrundlage dienen. Es bietet auch dem interessierten Praktiker wertvolle Basisinformation.
Ebenso berücksichtigt sind (bereits) die im Gefolge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 erfolgten Änderungen im FinStrG durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012, das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 und das Verwaltungsgerichts-barkeits-Anpassungsgesetz (Inkrafttreten: 1.1.2014). Mit 1.1.2014 wird der Rechtszug an den unabhängigen Finanzsenat (UFS) als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz durch ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht (BFG) – als erste Stufe einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit – ersetzt.
Bürgerliches Recht für Anfänger
Der dritten Auflage liegt der Rechtsstand vom Jänner 2014 zugrunde. Die Änderungen durch das Abgabenänderungsgesetz 2012 und die Finanzstrafgesetz-Novelle 2013 sind eingearbeitet.
Schwimann
Dr. Oskar Maleczky ist Richter am Landesgericht Korneuburg und Vortragender im Justiz-Bildungszentrum Schwechat sowie in der Erwachsenenbildung tätig. Er war davor Universitätsassistent und Lehrbeauftragter am Institut für Strafrecht der Universität Wien und Referent in der Straflegislativsektion im Bundesministerium für Justiz.
ISBN 978-3-7007-XXXX-X
Altenburger | N. Raschauer
Aktueller Diskurs im Umweltrecht Öffentlichkeitsbeteiligung im Umbruch Band 1
Veranstalter: Dr. Dieter Altenburger, MSc, Rechtsanwalt und Partner der Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH PD Dr. Nicolas Raschauer, CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten OG Referenten: Dr. Bettina Bachl, JKU Linz PD Dr. Wolfgang Wessely, Landesverwaltungsgericht Niederösterreich MMag. Ute Pöllinger, Steirische Umweltanwältin PD Dr. Nicolas Raschauer, CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH Diskussionsteilnehmer aus dem Auditorium: Dr. Wolfgang Berger, Haslinger Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH HR Dr. Martin Köhler, Verwaltungsgerichtshof Mag. Johannes Kresbach, BMLFUW Mag. Gerald Kroneder, Magistratsabteilung 22, Stadt Wien Dr. Marlies Meyer, Grüner Parlamentsklub Mag. Andreas Netzer, ÖBB-Infrastruktur AG, Rechtsabteilung Dr. Waltraud Petek, BMLFUW Wolfgang Rehm, Umweltorganisation "VIRUS - Umweltbureau" Univ.Doz. Stephan Schwarzer, Wirtschaftskammer Österreich
Vorwort Zwei Entscheidungen des EuGH haben grundlegenden Einfluss auf die Rechte der Nachbarn bzw der betroffenen Öffentlichkeit in Umweltverfahren. Zwei Entscheidungen, die, wie es in der Natur der EuGH-Entscheidungen liegt, viele Fragen aufgeworfen haben. Zwei Entscheidungen, die uns daher für die gegenständliche Diskussionsreihe äußerst geeignet erschienen. 1. Karoline Gruber1 – Müssen Nachbarn im Feststellungsverfahren Parteistellung haben, reicht ein Beschwerderecht oder kann nicht überhaupt mit einem entsprechenden Vorbringen in einem Materienverfahren, es bestehe UVP-Pflicht, das Auslangen gefunden werden? 2. Kommission/Deutschland2 – ist die Entscheidung der Super-GAU des geordneten umweltrechtlichen Verwaltungsverfahrens oder handelt es sich nur um einen Sturm im Wasserglas? Ist die Präklusion schon herztod und wird nur mehr durch die Maschinerie der unveränderten Rechtsgrundlagen am Leben gehalten oder kommt sie in Wirklichkeit mit einem blauen Auge davon? Selten wurden Entscheidungen so umfassend besprochen. Dennoch oder gerade deswegen divergieren die Meinungen, welche Konsequenzen daraus de lege lata bzw de lege ferenda zu ziehen sind.3 Mit der Veranstaltung und der verschriftlichten Diskussion soll eine Annäherung an die Lösungsmöglichkeiten geboten werden. Zwischenzeitig, nach der Veranstaltung, hat der Gesetzgeber das Nachprüfungsrecht nach § 3 Abs 7a UVP-G 2000 im UVP-Feststellungsverfahren auch auf Nachbarn erweitert. Danach sind neben Umweltorganisationen auch NachbarInnen berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, wenn die Behörde gemäß Abs. 7 feststellt, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Flankiert wird diese neu geschaffene Beschwerdemöglichkeit durch eine komplexe Übergangsbestimmung: § 46 Abs 26 UVP-G 2000 lautet: „§ 3 Abs. 7a i.d.F. BGBl. I Nr. 4/2016 gilt auch für jene Fälle, in denen der Bescheid vor Inkrafttreten dieser Novelle erlassen wurde und die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist. In diesen Fällen beginnt die Beschwerdefrist für die Nachbarinnen/Nachbarn gegen den Feststellungsbescheid mit dem Tag des Inkrafttretens dieser Novelle zu laufen. Für Vorhaben, bei denen am 15. April 2015 noch nicht alle nach den Verwaltungsvorschriften erforderlichen Genehmigungen oder erforderlichen Zwangsrechte rechtskräftig erteilt oder bei denen am 15. April 2015 gegen Genehmigungen oder Zwangsrechte eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine 1
EuGH 16.04.2015, C-570/13. EuGH 15.10.2015, C-137/14. 3 Zu „Karoline Gruber“ siehe Kager, Neues zur Parteistellung in der UVP - Teil 1, ZVG 2016, 110; Berger, EuGH-Vorabentscheidung "Karoline Gruber" ist da - die Bindungswirkung ist weg! zB http://uvprecht.blogspot.co.at/2015/04/eugh-vorabentscheidung-karoline-gruber.html; ders, Keine Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden, RdU 2005/84; Altenburger, Vom nahenden Winter – VwGH 2015/04/0002 “Karoline Gruber”, http://www.rechtsblog.at/umweltrecht/2015/07/22/vom-nahenden-winter-vwgh-2015040002-karolinegruber.html; Sander, Keine uneingeschränkte Bindungswirkung von UVP-Feststellungsbescheiden – Vorabentscheidungsverfahren “Gruber” ist entschieden, http://www.rechtsblog.at/umweltrecht/2015/04/16/keine-uneingeschrankte-bindungswirkung-von-uvpfeststellungsbescheiden-vorabentscheidungsverfahren-gruber-ist-entschieden.html; Umweltanwaltschaften Österreichs, EuGH: UVP-Feststellungsbescheide entfalten keine uneingeschränkte Bindungswirkung, http://www.umweltanwaltschaft.gv.at/de/stellungnahmen-initiativen/stellungnahmen-niederoesterreich/147eugh-uvp-feststellungsbescheide-entfalten-keine-uneingeschraenkte-bindungswirkung. Zu „Kommission/Deutschland“: Berger, EuGH: Schlussanträge GA Wathelet zur Zulässigkeit von Präklusionsvorschriften…, http://www.rechtsblog.at/umweltrecht/2015/05/22/eugh-schlussantrage-ga-watheletzur-zulassigkeit-von-praklusionsvorschriften.html; Lindner, Wegfall der Präklusion – weniger Rechtssicherheit in UVP- und IPPC-Verfahren?, http://www.rechtsblog.at/umweltrecht/2015/10/16/wegfall-der-praklusionweniger-rechtssicherheit-in-uvp-und-ippc-verfahren.html; Altenburger, Von Faust. Der Tragödie erster Teil. Nacht. EuGH 15.10.2015, Rs C-137/14, http://www.rechtsblog.at/umweltrecht/2015/11/11/von-faust-dertragodie-erster-teil-nacht-eugh-rs-c-13714.html; weiters Schmitt, EuGH-Urteil vom 15.10.2015 in der Rs. C137/14 verbessert Umweltrechtsschutz in Deutschland, http://jean-monnet-saar.eu/?p=959. 2
Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind, gilt für den Fall der Aufhebung oder Nichtigerklärung aus dem Grund, weil darin eine nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 16. April 2015, C-570/13, als unionsrechtswidrig beurteilte bindende Wirkung von Feststellungsbescheiden nach § 3 Abs. 7 oder § 24 Abs. 5 angenommen wird, § 42a mit der Maßgabe, dass bis zur Rechtskraft des Ersatzbescheides oder Ersatzurteils, längstens jedoch drei Jahre ab der Zustellung der die Genehmigung aufhebenden oder als nichtig erklärenden Entscheidung an den Projektwerber/die Projektwerberin, das Recht zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens weiter ausgeübt werden kann.“ Nicht leicht zu lesen bringt sie folgendes zum Ausdruck: Wenn ein Feststellungsbescheid vor dem 24.2.2016 erlassen wurde und die Beschwerdefrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war, beginnt sie mit 24.2.2016 neuerlich zu laufen. In Verfahren, die am Tag vor der Erlassung von Karoline Gruber, dh am 15.4.2015, noch „anhängig“ waren, weil materienrechtliche Bewilligungen entweder noch nicht rechtskräftig waren oder eine Revision beim VwGH bzw Beschwerde beim VfGH noch anhängig war, gilt ein dreijähriges Fortbetriebsrecht- allerdings nur aus dem Grund, weil darin eine nach dem Urteil "Karoline Gruber" als unionsrechtswidrig beurteilte bindende Wirkung von Feststellungsbescheiden nach angenommen wird. In Fällen von Aufhebungen aus anderen Gründen gilt das einjährige Fortbetriebsrecht nach § 42a UVP-G 2000. Verhindert werden soll damit insbesondere, dass im Falle eines nunmehr durchzuführendem UVP-Verfahrens, bei dem eine Genehmigung inklusive Vorbereitung nicht innerhalb eines Jahres zu bewirken ist, ein Abbruchauftrag des bereits umgesetzten Vorhabens ergeht. Einige Fälle sind nicht geregelt: ZB: Verfahren, die am 15.4.2015 noch nicht anhängig waren, aber vor dem Inkrafttreten der Novelle rechtskräftig entschieden wurden. Gilt für diese Verfahren eine einjährige oder eine dreijährige Fortbetriebsfrist im Falle der Aufhebung durch ein Höchstgericht. Ebenfalls nicht geregelt wurde der Fall, in dem zwar keine materienrechtlichen Verfahren anhängig waren, aber das Feststellungsverfahren noch offen war. Da nur ein positiver Feststellungsbescheid eine Sperrwirkung entfaltet, wird ein Feststellungsverfahren nicht immer ex ante durchgeführt? Nicht zuletzt wird auch nicht zum Ausdruck gebracht, wie mit älteren Entscheidungen umzugehen ist, die nach Inkrafttreten der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie anhängig gemacht wurden, bei denen aber kein behördliches/gerichtliches Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung Karoline Gruber mehr anhängig war. Trotz der Erfassung auch von Nachbarn durch § 3 Abs 7a UVP-G 2000 und der erwähnten Übergangsbestimmungen wird es daher weiterhin einigen Diskussionsbedarf geben. Dieter Altenburger Nicolas Raschauer
Bachl Beginnen möchte ich meinen Vortrag mit dem zeitlich jüngeren Urteil „Kom/Deutschland“1 aus Oktober vergangenen Jahres und werde hierbei den Fokus insbesondere auf die dritte Rüge der Europäischen Kommission (Präklusionsthema) legen. Diesbezüglich gilt es zu klären, was der EuGH in diesem Urteil wirklich ausgesagt hat, ob die Aussagen tatsächlich so überraschend waren und was die daraus ableitbaren Konsequenzen des zur deutschen Rechtslage ergangenen Urteils für die österreichische Rechtslandschaft sind? Im zweiten Hauptteil widme ich mich dem zeitlich schon etwas älteren, aber nicht minder spannenden Urteil „Karoline Gruber“2, mit dem bekanntlich Fragen rund um das nationale Feststellungsverfahren und die Bindungswirkungsthematik vom EuGH geklärt wurden. Zu untersuchen gilt es hierbei insbesondere, welche Fragen mit dieser Entscheidung geklärt wurden, welche weiterhin offen und was die ersten spürbaren Auswirkungen, insb. in der nationalen Rechtsprechung, sind? Große Aufregung herrscht seit Mitte Oktober – wie nur eine kleine Auswahl an in unmittelbarer Reaktion auf das Urteil ergangene Schlagzeilen zeigen3 – ob des Urteils des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Die in Kritik der Kommission stehende und vom EuGH als unionsrechtswidrig qualifizierte deutsche Verfahrensregelung weist in ihrer Wirkung starke Parallelen zu den österreichischen Präklusionsvorschriften auf, weshalb viele das „Ende der Präklusion“ in Umweltverfahren eingeläutet sehen. Fakt ist, dass wohl ein Umdenken auch im nationalen UVP-Verfahren notwendig sein wird. Aber kommt es tatsächlich – wie von vielen befürchtet – jedenfalls zu einem UVP-Verfahren völlig ohne Präklusion? Ich meine, dies ist in dieser Pauschalität wohl nicht zu befürchten. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung anzustellen, und diese zeigt ein – wie ich meine – schon weit weniger drastisches Bild: Denn was hat der EuGH tatsächlich gesagt? Die Kommission hat in ihrer dritten Rüge Deutschland vorgeworfen, die maßgeblichen deutschen Verfahrensregelungen4 würden die Klagebefugnis und den Umfang der gerichtlichen Kontrolle auf jene Einwendungen beschränken, die bereits im Verwaltungsverfahren erhoben wurden, und dies würde gegen Art 11 der UVP-Richtlinie verstoßen. Der EuGH befand diese Rüge für begründet und führte für die Unvereinbarkeit der deutschen Regelung mit dem in Art 11 UVP-RL geforderten Rechtschutz im Wesentlichen 2 Argumente ins Treffen: Zum einen würden derartige Regelungen gegen den gemäß Art 11 UVP-RL der betroffenen Öffentlichkeit zu gewährenden weiten Zugang zu Gericht verstoßen und zum anderen auch gegen das in Art 11 UVP-Richtlinie festgelegte Ziel, eine umfassende Überprüfung der Genehmigungsentscheidung sowohl in materieller als auch informeller Hinsicht zu garantieren. Den von Deutschland und der als Streithelferin am Verfahren beteiligten Republik Österreich immer wieder vorgebrachten Argumenten der Rechtssicherheit und der Verfahrenseffizienz hat der EuGH eigentlich relativ klar und kurz und bündig eine Abfuhr erteilt.5 Völlig wischte der Gerichtshof das Effizienz-Argument aber dann doch nicht vom Tisch, wenn er in Randziffer 81 ausführt, dass 1
EuGH 15.10.2015, C-137/14. EuGH 16.04.2015, C-570/13. 3 Vgl zB „EuGH beseitigt Präklusion in UVP- und IPPC-Verfahren“ (www.oekobuero.at, 19.11.2015); „Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellt das österreichische Verfahrensrecht auf den Kopf“ (Niederhuber, Der Standard 2015/46/01); „Knalleffekt: Behördliche Genehmigungsverfahren werden zum Spießrutenlauf“ (Niederhuber/Schlatter/Suchanek, NHP-News Alert, November 2015). 4 Konkret die in § 2 Abs 3 dtUmwRG sowie § 73 Abs 4 dtVwVfG vorgesehenen Beschränkungen. 5 Vgl in Rz 79 bzw 80, wenn der Gerichtshof hierzu nur ausführt „genügt der Hinweis darauf, dass…“ bzw „es ist nämlich keineswegs erwiesen, dass…“. 2
ausnahmsweise der Ausschluss von erstmals im Gerichtsverfahren geltend gemachten Einwendungen doch zulässig sein könnte. Dies nämlich dann, wenn das erstmalige Vorbringen zu diesem Zeitpunkt rechtmissbräuchlich bzw unredlich wäre. Festzustellen ist, dass diese Aussage zum einen ziemlich vage gehalten wurde und zum anderen ist wohl auch interessant, dass sich diese überhaupt nicht in den Schlussanträgen des Generalanwalts befunden hat, obwohl der Gerichtshof ansonsten in seiner Begründung der dritten Rüge im Wesentlichen den Argumenten des Generalanwaltes gefolgt ist. Genaue bzw genauere Vorgaben bzw Anhaltspunkte, wann ein derartiger Ausschluss von erstmals vor Gericht geltend gemachten Einwendungen zulässig ist, lassen sich dem Urteil des EuGH also nicht entnehmen. Im Hinblick auf die bisher strenge Judikatur des EuGH zum Rechtmissbrauch wird es für den nationalen Gesetzgeber zweifelsfrei sehr schwierig sein, hier zulässige Regelungen zu normieren. Jedenfalls wird die bloße Tatsache, dass sich ein Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit bis Ende des Verwaltungsverfahrens verschwiegen hat, wohl allein nicht ausreichen, um schon als rechtsmissbräuchlich oder unredlich beurteilt werden zu können. Es wird dazu zumindest das Hinzutreten eines weiteren „besonderen Umstandes“ brauchen. Aber war dieses Ergebnis nun tatsächlich überraschend? Überraschend war vielleicht, dass der EuGH nur 7 Randziffern für seine Ausführungen zur „Präklusions-Thematik“ benötigte – das Ergebnis als solches ist jedoch im Hinblick auf die Vorjudikatur und bei Berücksichtigung der Vorgaben aus dem Unions- und Völkerrecht mE als konsequent und insofern wenig überraschend zu beurteilen. Denn die Diskussion rund um die Zulässigkeit der Präklusion im UVP Verfahren ist nicht wirklich neu. Auf den Tag genau 6 Jahre vor dem nunmehr heiß diskutierten EuGH-Urteil in der Rs „Kom/Deutschland“, hat sich der EuGH bereits in der Rs „Djurgården“ eigentlich recht klar zu dieser Fragestellung geäußert und bereits erläutert, dass es Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit möglich sein muss, die Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung anzufechten, gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnten.6 Weiters führte der Gerichtshof aus, die UVPRichtlinie würde es keinesfalls zulassen, dass die Anfechtungsmöglichkeit mit der Begründung beschränkt wird, dass sich die Betroffenen ohnedies bereits in der Phase der Beteiligung am Entscheidungsverfahren äußern konnten.7 Konkret wird hier vom Gerichtshof auf das Stellungnahmerecht in Art 6 Abs 4 der UVP-Richtlinie hingewiesen, welches offenbar also nicht als Ersatz für eine spätere gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit angesehen werden kann. Eigentlich sollte man meinen, waren dies bereits zu diesem Zeitpunkt relativ klare Aussagen von Seiten des Gerichtshofs. Dennoch war es bekanntlich auch in der „Post-Djurgården-Ära“ herrschende Ansicht in Österreich, dass die Präklusionsvorschriften im österreichischen UVP-Verfahren unionsrechtskonform ausgestaltet sind. Immer wieder begründend vorgebracht wurde hierbei die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, wozu an dieser Stelle der Hinweis genügt, dass der nationale Gesetzgeber natürlich im Rahmen seiner relativen Verfahrensautonomie die primärrechtlichen Vorschriften zu beachten hat, aber eben insbesondere auch (wenn vorhanden) spezifische Vorschriften des Sekundärrechts, in unserem Fall eben jene des Art 11 UVP-Richtlinie. Und diese Bestimmung sieht eben tatsächlich zum Teil über das Primärrecht hinausgehende Anforderungen an den Gerichtszugang vor. Um die Judikatur des EuGH richtig zu deuten, muss man sich weiters vor Augen halten, dass es sich bei der Öffentlichkeitsbeteiligung während dem Verfahren, welche durch Art 6 ff der UVP-Richtlinie geregelt wird, und beim Zugang zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren (Art 11 UVP-RL) um zwei systematisch getrennte Regelungsbereiche handelt. Zum einen werden mit beiden Bereichen jeweils andere Ziele verfolgt: Während die Öffentlichkeitsbeteiligung bis zur Entscheidungsfindung einen 6 7
Vgl EuGH 15.10.2009, C-263/08 [Djurgården] Rz 39. Vgl EuGH 15.10.2009, C-263/08 [Djurgården] Rz 48.
Informationsaustausch sichern soll, wodurch eine erhöhte Qualität der Entscheidungsfindung sowie mehr Transparenz und Akzeptanz der Entscheidung erreicht werden soll, soll durch das nachträgliche Überprüfungsrecht einerseits den Anforderungen der UVP-RL an die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Durchbruch verholfen und andrerseits eine formelle und materielle Rechtmäßigkeitskontrolle der Genehmigungsentscheidung sichergestellt werden. Auch begünstigen beide Regelungsbereiche unterschiedliche Teile der Öffentlichkeit; haben unterschiedliche Adressaten. Während im Genehmigungsverfahren teilweise Jedermannsrechte vorgesehen sind und teilweise wiederum manche Mitwirkungsmöglichkeiten lediglich für den engeren Kreis der betroffenen Öffentlichkeit eingeräumt werden müssen, zieht die UVP-Richtlinie den Kreis der Begünstigten beim nachträglichen gerichtlichen Überprüfungsrecht noch ein bisschen enger. Es wird auf eine noch engere Beziehung zum umweltrelevanten Entscheidungsverfahren abgestellt, wenn es für die Überprüfungsmöglichkeit über die „bloße“ Betroffenheit hinaus ein ausreichendes Interesse bzw die Geltendmachung einer Rechtsverletzung bedarf. Mit diesen Überlegungen im Hintergrund wird klar – und das ist auch die Kernaussage des EuGH im Urteil Kom/Deutschland – dass die Beteiligung am Verfahren gerade keine Auswirkung auf das nachträgliche Überprüfungsrecht haben darf. Der Gerichtshof hat sich bei genauer Betrachtung somit noch nie konkret zur Präklusion an sich geäußert, sondern nur viel allgemeiner zum Verhältnis dieser beiden Regelungsbereiche („Mitwirkung bis zur Entscheidungsfindung“ – „späteres, nachträgliches, gerichtliches Überprüfungsrecht“). Vielmehr hat der EuGH in der Rs „Djurgården“ in Rz 38 bereits auf die unterschiedlichen Zielsetzungen dieser beiden Regelungsbereiche hingewiesen und dann unmissverständlich betont, dass diese Beteiligung – also die Beteiligung während des Verfahrens – keine Auswirkungen auf die Voraussetzungen für die Ausübungen des Anrechnungsrechts hat. Wenn man das bisher Gesagte nun aber herunterbricht auf die derzeitige nationale Rechtslage, kommt man zum Schluss, dass durch die Präklusion jedoch genau eine derartige Verknüpfung bewirkt wird, da diese ja – salopp ausgedrückt – zur Folge hat: „Wenn du während dem Verfahren keine Einwendungen erhebst, bist du auch nicht beschwerdelegitimiert vor dem Verwaltungsgericht.“ Genau aber durch diese zwingende Formel „Einwendungen im Verwaltungsverfahren = Anfechtungsbefugnis im gerichtlichen Überprüfungsverfahren“ kommt es zu der laut Gerichtshof unzulässigen Verknüpfung. An dieser Stelle sei aber auch darauf hingewiesen, dass dies nicht auch heißen muss, dass der Gerichtzugang durch die Mitgliedstaaten überhaupt nicht beschränkt werden kann. Es ist vielmehr durchaus zulässig – natürlich im Rahmen der relativen Verfahrensautonomie – Rechtsmittelfristen, Formerfordernisse, Gebühren, usw vorzusehen. Denn durch derartige Beschränkungen kommt es ja gerade nicht zu einer derartigen unzulässigen Verknüpfung der beiden Regelungsbereiche. Als Zwischenresümee kann daher festgehalten werden, dass die nationale Präklusionsregelung im Hinblick auf UVP-Verfahren wohl nicht zur Gänze unionsrechtswidrig ist, sondern eben nur insoweit, als sie die den Zugang zu Gericht und die dort relevierbaren Gründe für die betroffene Öffentlichkeit einschränkt. Insofern wird es unzulässig sein, die Beschwerde von Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit unter Hinweis auf den Eintritt der Präklusion zurückzuweisen. Andererseits verlangt der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung gerade nicht, dass Einwendungen während dem Genehmigungsverfahren jederzeit und unbegrenzt lange erhoben bzw ausgedehnt werden können müssen. Folglich wäre es mE durchaus denkbar, eine angemessene zeitliche Schranke, bis zu der im Verwaltungsverfahren Einwendungen vorgebracht werden können, vorzusehen und als Konsequenz des Verschweigens bis zu diesem Zeitpunkt den Verlust der Parteistellung zu normieren. Eine derartige Regelung hätte natürlich dann zur Konsequenz, dass aufgrund des Verlusts der Parteistellung zwar der Genehmigungsbescheid diesen präkludierten Personen nicht mehr zugestellt wird, aber wenn diese Teil der betroffenen Öffentlichkeit sind, dennoch später eine gerichtliche Überprüfung initiieren können. Wie es daher jedenfalls zur – von vielen befürchteten – „enormen Verzögerung des UVP-
Verfahrens“ kommen soll, ist mE im Hinblick darauf nicht völlig nachvollziehbar. Gerade in UVPVerfahren wäre ja ein derartiges nachprüfendes Überprüfungsrecht, wie es eine Beschwerdemöglichkeit trotz vorheriger Präklusion und insofern Verlust der Parteistellungen im Ergebnis darstellen würde, gar nicht so neu. Man denke nur an die Regelung des § 3 Abs 7a UVP-G! Auf alle Fälle wird es eines Tätigwerden des Gesetzgebers bedürfen, um die gebotene Effizienz und Rechtssicherheit im UVP-Genehmigungsverfahren sicherzustellen. Abschließend möchte ich an dieser Stelle nur noch auf erste Entscheidungen der nationalen Verwaltungsgerichte, welche bereits Aussagen zu diesem Urteil des EUGH treffen, hinweisen.8 Nun jedoch thematisch weg von der Präklusion – hin zum Problemkreis „Feststellungsverfahren“. Die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens des VwGH im Fall „Gruber“ durch den EuGH brachte bekanntlich das Aus für die bis dahin uneingeschränkte Bindungswirkung von UVPFeststellungsbescheiden. Der VwGH hat in seiner Fortsetzungsentscheidung dem Urteil des EuGH Rechnung getragen und ausgesprochen, dass UVP-Feststellungsbescheide gegenüber Nachbarn nach der Gewerbeordnung keine Bindungswirkung mehr entfalten. Diese klare Judikaturwende wurde auch bereits in diversen Folgeentscheidungen bestätigt. Spätestens seit der Entscheidung in der Rs „Gruber“ ist es nunmehr wohl unstrittig, dass die qualifiziert betroffene Öffentlichkeit die Entscheidung über die UVP-Pflicht eines Vorhabens, mithin die Entscheidung „UVP Ja/Nein?“, gerichtlich überprüfen lassen können muss. Es zeigt sich aber bei näherer Betrachtung, dass nicht alle hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit der UVP-Pflicht eines Vorhabens auftauchende Fragestellungen unmittelbar durch Verweis auf die Aussagen des EuGH in der Rs „Gruber“ gelöst werden können. Vielmehr muss man hierbei mehrere Szenarien unterscheiden: 1. Szenario: In dieser Situation existiert ein negativer UVP-Feststellungsbescheid der UVP-Behörde und kommt der betroffenen Öffentlichkeit im Materienverfahren Parteistellung zu. Genau diese Konstellation wurde – wenn man die Umweltorganisationen, zu denen ich später noch kommen werde, außen vor lässt –durch den Fall „Gruber“ gelöst: Nunmehr muss sich die jeweilige Materienbehörde mit der Frage der UVP-Pflicht eines Vorhabens auseinandersetzen und kann den Parteien, die der betroffenen Öffentlichkeit angehören, eben gerade nicht die Bindungswirkung des UVPFeststellungsbescheides entgegenhalten. Der EuGH – und das möchte ich an dieser Stelle jedoch nochmals deutlich hervorheben – fordert im Fall „Gruber“ aber nur einen fehlende Bindungswirkung für jene Parteien, die eben nicht bereits schon die UVP-Feststellungsentscheidung bekämpfen konnten und auch der qualifizierten betroffenen Öffentlichkeit angehören. Über andere, daran anknüpfende bzw ähnlich gelagerte „Problemfelder“ hat der EuGH jedoch keine konkreten Aussagen getroffen! Trotz der Aussagen des Gerichtshofs stehen hinsichtlich „Szenario 1“ dennoch einige Fragen zur Diskussion, beispielsweise: Wie stellt sich nunmehr die Situation dar, wenn die Materienbehörde hinsichtlich der Frage der UVP-Pflicht zu einer anderen Auffassung gelangt wie zuvor die UVP Behörde? Was ist also die Folge, wenn die Materienbehörde, weil sie selbstständig die UVP-Pflicht zu beurteilen und entsprechende Ermittlungen durchzuführen hat, zum Schluss kommt, es hätte doch eine UVP durchgeführt werden müssen? Zudem ist es wohl auch unbefriedigend, dass es hinsichtlich ein und derselben Frage (UVP-Pflicht Ja oder Nein?) und bezüglich ein und dasselbe Vorhaben zu zwei unterschiedlichen Rechtswegen kommen kann, nämlich je nachdem, ob diese Frage von Umweltorganisationen im Rahmen ihres nachträglichen Überprüfungsrechts nach § 3 Abs 7a UVP-G aufgeworfen wird, oder eben zeitlich später von zur sonstigen betroffenen Öffentlichkeit zählenden Personen in (möglicherweise auch verschiedenen) Materienverfahren. Zudem steht im Raum, ob für die Verwaltungsgerichte möglicherweise in Fällen, in denen die Materienbehörde sämtliche diesbezügliche Ermittlungstätigkeiten unterlassen hat, eine Zurückverweisungsmöglichkeit besteht. 8
Vgl zB BVwG 12.11.2015, W193 2013859-1; Ktn LVwG 16.11.2015, KLVwG-1703-1704/16/2015.
2. Szenario: Hier ist von folgender Situation auszugehen: Es liegt ebenfalls ein negativer Feststellungsbescheid vor, der betroffenen Öffentlichkeit kommt jedoch keine Parteistellung im Materienverfahren zu. Diesfalls besteht überhaupt keine Bindungswirkungs-Problematik, da die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit gar nicht Teil des dem Feststellungsverfahren nachfolgenden Materienverfahrens sind. Diese Situation war vor „Gruber“ so und ist nach „Gruber“ noch genau gleich. In diesem Fall besteht vielmehr das generellere Problem, dass es diesen Personen niemals möglich ist, die Entscheidung über die UVP-Pflicht eines Vorhabens gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Übersicht auf der PPT-Folie soll die bisher dargestellten unterschiedlichen Szenarien noch einmal verdeutlichen. Bei den beiden Szenarien, in denen jeweils ein UVP Feststellungsbescheid von der UVP Behörde erlassen wurde, mit dem festgestellt wurde, dass keine UVP durchzuführen ist, muss hinsichtlich der Frage des Rechtsschutzes einerseits zwischen Umweltorganisationen, welchen ohnedies ein nachträgliches Überprüfungsrecht zukommt, und den Mitgliedern der „sonstigen betroffenen Öffentlichkeit“ unterschieden werden. Für die sonstige betroffene Öffentlichkeit ist es im Hinblick auf den Rechtsschutz weiters entscheidend, ob sie Parteien im an das Feststellungsverfahren anschließenden Materienverfahren sind oder eben gerade nicht. Dies macht für diese einen wesentlichen Unterschied im Hinblick auf ihre Möglichkeiten, die Frage der UVP-Pflicht eines Vorhabens aufzuwerfen und letztlich gerichtlich überprüfen lassen zu können, aus. Bei genauer Betrachtung gibt es aber, wie ich meine, noch ein 3. Szenario, das Umweltorganisationen und den Rest der betroffenen Öffentlichkeit gleichermaßen betrifft. Dabei handelt es sich um jenes Szenario, bei dem überhaupt kein Feststellungsverfahren durchgeführt wird, sondern (rechtswidriger Weise) gleich ein Materienverfahren eingeleitet wird. In diesem Fall muss hinsichtlich der Frage des Rechtschutzes wiederum unterschieden werden, hat die betroffene Öffentlichkeit Parteistellung im Materienverfahren – Ja oder Nein? Im ersten Fall besteht kein Problem der Bindungswirkung, denn es existiert überhaupt kein Feststellungsbescheid und es besteht eine Rechtschutzmöglichkeit im Rahmen des Materienverfahrens. Im Rahmen dessen kann letztlich die Frage der Zuständigkeit gerichtlich überprüft werden. Für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die keine Parteistellung im Materienverfahren haben, bedeutet das Tätigwerden der Materienbehörde jedoch gleichsam die Verneinung der UVP-Pflicht eines Vorhabens. Sie verlieren durch das Tätigwerden der Materienbehörde von vornherein sämtliche Rechte, die ihnen die UVP-Richtlinie gewährt und haben aber gleichsam zu keinen Zeitpunkt die Möglichkeit, die Frage der UVP-Pflicht gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Grafik verdeutlicht somit, dass in einigen Bereichen Rechtschutzdefizite bestehen. Welche Lösungsvarianten gibt es also nun, um eine unionsrechtskonforme Überprüfung von Entscheidungen über die UVP-Pflicht eines Vorhabens in allen Situationen (für alle Szenarien) zu gewährleisten? Dadurch, dass der Gesetzgeber 2012 das bereits mehrfach erwähnte nachträgliche Überprüfungsrecht gegen negative Feststellungsentscheidungen für Umweltorganisationen geschaffen hat, hat er vom im Artikel 11 Abs 2 der UVP-Richtlinie explizit erwähnten „Wahlrecht“ der Mitgliedstaaten, in welcher Phase des Verfahrens diese Überprüfung stattfinden muss, Gebrauch gemacht. Dennoch wird man wohl selbst bei der Gruppe der Umweltorganisationen im Hinblick auf das zuvor Ausgeführte nicht von einer vollständigen Umsetzung der Anforderung aus dem Unionsrecht ausgehen können. So kann bereits daran gezweifelt werden, ob die konkrete Ausgestaltung des nachträglichen Überprüfungsrechts nach § 3 Abs 7 UVP-G als solches nicht bereits mit Hürden versehen ist, die die Ausübung des Rechtsmittels wesentlich erschweren. Zum Teil wird auch in Frage gestellt, ob es überhaupt ausreicht, nur hinsichtlich negativer Feststellungsentscheidungen ein nachträgliches Überprüfungsrecht vorzusehen. Der wohl kritischste Punkt ist jedoch zweifelsfrei in jenen Bereichen zu sehen, in denen es auch für Umweltorganisationen als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit
überhaupt an einer Überprüfungsmöglichkeit fehlt (weil gar kein Feststellungsverfahren durchgeführt wird). Diese Problematik besteht natürlich genauso bzw noch in einem größeren Ausmaß für den Rest der betroffenen Öffentlichkeit. Jedenfalls ist die Tatsache, dass es in gewissen Situationen zu einem gänzlichen Ausschluss von Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit von einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Frage der UVP-Pflicht kommen kann, unionsrechtswidrig und dieser Umsetzungsmangel vom Gesetzgeber zu beseitigen. Dazu gibt es zweifelsfrei unterschiedlichste Lösungsvarianten, wobei die Auswahl der konkreten Ausgestaltungsbestimmungen natürlich letztlich eine rechtspolitische Entscheidung darstellt. Ich möchte gegen Ende meines Vortrags und im Hinblick auf die anschließende Diskussion daher lediglich einige mögliche Regelungssysteme und Überlegungen in den Raum stellen: Klar ist, dass wenn das aktuelle System des nachträglichen Überprüfungsrechts für Umweltorganisationen gegen negative Feststellungsentscheidungen aufrecht erhalten werden soll, sich der Gesetzgeber hinsichtlich der Überprüfung von negativen Feststellungsentscheidungen durch den Rest der zur betroffenen Öffentlichkeit gehörenden Personen(gruppen) schon selbst Grenzen gesetzt hat. Denn ich meine, es ist wohl schwer, eine sachliche Rechtfertigung für die Schaffung unterschiedlicher Überprüfungsverfahren (in möglicherweise sogar verschiedenen Verfahrensstadien) für die verschiedenen Gruppen der betroffenen Öffentlichkeit zu finden. Insofern wird sich der Gesetzgeber schwer tun – will er am System des derzeitigen § 3 Abs 7a UVP-G festhalten – für den Rest der betroffenen Öffentlichkeit andere, rechtskonform ausgestaltete Überprüfungsverfahren bei Vorliegen eines negativen Feststellungsbescheid vorzusehen. Davon abgesehen gilt es – wie bereits erwähnt – natürlich selbst bei Beibehaltung bzw Schaffung eines Überprüfungsrechtes gemäß § 3 Abs 7a UVP-G für die gesamte betroffene Öffentlichkeit, die Frage zu klären, wie man mit jenen Situationen umgeht, in denen überhaupt kein Feststellungsbescheid erlassen wird? Aber selbst hinsichtlich des nachträglichen Überprüfungsrechts gegen negative Feststellungsbescheide sind alternative Umsetzungsvarianten denkbar. So wird – um nur eine zu nennen – beispielsweise immer wieder vorgebracht, doch gleich der gesamten betroffenen Öffentlichkeit Parteistellung mit anschließender Beschwerdemöglichkeit im Feststellungsverfahren einzuräumen. Dies wäre wohl eine mögliche, wenn auch nicht zwingend notwendige Variante, den erforderlichen Rechtsschutz herzustellen. Die immer wieder als „Rettungsanker“ genannte de-facto-UVP vermag hingegen – wie auch die Einräumung eines bloßen Anhörungsrechts – nie einen adäquaten Ersatz für das Fehlen eines entsprechenden Überprüfungsrechts darzustellen. Aber welche Lösungsvarianten gäbe es jetzt für jene Fälle, in denen rechtswidriger Weise überhaupt kein Feststellungsverfahren bzw gleich ein UVP-Verfahren nach dem UVP-G durchgeführt wird? Bei der Unterlassung von Feststellungsverfahren eben gerade, wenn den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit keine Parteistellung im Materienverfahren zukommt, wäre eine denkbare Lösung, diesen ein nachträgliches Anfechtungsrecht gegen die Materienbescheide (ähnlich der in § 3 Abs 7a UVP-G gegen negativen Feststellungsentscheidungen verankerten Regelung) einzuräumen. Ein anderer Ansatz wäre, den zur betroffenen Öffentlichkeit gehörenden Personen(gruppen) schon während einem Materienverfahren zumindest im Hinblick auf die Zuständigkeitsfrage eine Parteistellung einzuräumen. Wiederum eine andere Herangehensweise ist es, für die betroffene Öffentlichkeit ein Antragsrecht auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides bei der UVP Behörde vorzusehen, wodurch diese so die Frage der UVP-Pflicht letztlich gerichtlich klären könnten. Das BVwG teilte bereits im Hinblick auf Umweltorganisationen in einer sehr umstrittenen Entscheidung die zuletzt genannte Variante: Umweltorganisationen soll demnach ausnahmsweise in Fällen, in denen kein negativer UVP-Feststellungsbescheid vorliegt, der von ihnen vor Gericht bekämpft werden
könnte, ein Antragsrecht auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides zukommen. Die in derartigen Fällen vorliegende Rechtschutzlücke sei laut BVwG durch Analogie zu schließen.9 Der VwGH hat sich wiederum erst kürzlich (November 2015) bezüglich Nachbarn für die 2. Variante (beschränkte Parteistellung bezüglich Zuständigkeitsfrage im Materienverfahren) entschieden.10 Für die letzten zwei Varianten würde sicher sprechen, dass hier allfälligen Rechtswidrigkeiten schon in einem sehr frühen Stadium begegnet werden könnte, während eben bei der ersten Variante (nachträgliches Überprüfungsrecht), zuvor das gesamte Materienverfahren durchlaufen werden müsste, und dann im Anschluss daran erstmalig die Frage der UVP-Pflicht und somit jene der Zuständigkeit der Behörde von der betroffene Öffentlichkeit aufgeworfen werden könnte. Für keine der Varianten gibt es jedoch aktuell im geltenden Recht eine entsprechende ausdrückliche Regelung. Abschließend möchte ich nochmal betonen, dass der EuGH in beiden Urteilen in seinen Aussage immer nur auf die Mitglieder der qualifiziert betroffenen Öffentlichkeit Bezug genommen hat und daher keine Erkenntnisse im Hinblick auf den für andere Parteien des österreichischen UVPVerfahrens zu gewährenden Rechtsschutz etc gewonnen werden können. Zudem gilt es zu bedenken, dass wenn die Aussagen des EuGH in der Rs „Gruber“ mit jenen in der Rs „Kommission/Deutschland“ kombiniert werden, dies den Schluss zulässt, dass wenn die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit selbst lediglich in Materienverfahren die Frage der UVP-Pflicht eines Vorhabens einwenden können, diese dann im Hinblick auf diese Frage auch keiner Präklusion unterliegen dürfen; mithin diese Frage von ihnen wohl selbst bei Verschweigen während dem Materienverfahren auch erstmalig erst vor dem Verwaltungsgericht aufgeworfen werden könnte. Als abschließender Befund kann somit festgehalten werden, dass einige Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung an UVP-Verfahren durch die beiden Urteile gelöst werden konnten, aber zugleich auch noch viele offen sind. Darum freue ich mich schon auf die beiden weiteren Referate bzw auf die anschließende Diskussion. Dankeschön!
Wessely Ich hatte die Aufgabe, der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen das Urteil auf Umweltverfahren vor den Verwaltungsgerichten haben könnte. Dazu möchte ich zunächst ganz kurz den Status quo in Erinnerung rufen, danach den EuGH-Ansatz in seinem Tenor nochmals wiederholen, die Vorwirkungen auf das Verwaltungsverfahren und Auswirkungen auf das Beschwerdeverfahren beleuchten und sodann Konsequenzen für drei Fallkonstellationen, nämlich für künftig anfallende oder derzeit anhängige Verfahren, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren und schlussendlich auch für solche ausloten, in denen wir ab sofort mit übergangenen Parteien zu tun haben können. Der Status quo ist uns – glaube ich – allen bekannt: Die Parteistellung der Nebenpartei bzw ihr Umfang ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung aus den ihr eingeräumten – beschränkten – Mitspracherechten, eingeschränkt wiederum auf jene Rechte, hinsichtlich derer rechtzeitig (zulässige) Einwendungen erhoben wurden. Dies unabhängig davon, ob die Unterlassung solcher Einwendungen zur Präklusion, also zum Verlust der Parteistellung, führt oder aber erst durch die Einwendung Parteistellung erlangt wird. Ich weiß, dass es hierzu § 19 UVP-G betreffend Meinungsdivergenzen gibt und gehe für den Vortrag davon aus, dass es sich dabei um eine Sonderpräklusionsregelung handelt. Die zweite Bestimmung, die man in diesem Zusammenhang nennen muss, ist § 27 VwGVG. Von seinem Wortlaut her könnte man annehmen, dass sie eine weitere Einschränkung der 9
Vgl BVwG 11.02.2015, W104 2016940-1/3E. Vgl VwGH 05.11.2015, Ro 2014/06/0078-7.
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Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte statuiert. Der VwGH vereint dies jedoch. Ihm zufolge sei – die Kognitionsbefugnis betreffend – im Wesentlichen inhaltlich gegenüber dem Regime des § 66 Abs 4 AVG keine Änderung bewirkt worden, sodass § 27 VwGVG trotz seines Wortlautes mehr oder minder keine selbstständige Bedeutung zukommt. Konsequenterweise war auch bislang, also bis zum vorliegenden Urteil des EuGH die Prüfung der Verwaltungsgerichte bei Beschwerden von Nebenparteien auf den Themenkreis eingeschränkt, hinsichtlich dessen diese ein Mitspracherecht hatten, weil – so die Argumentation des VwGH – prozessuale Rechte nicht weitergehen können, als die ihnen zugrundeliegenden materiellen Rechte. Und das ist für uns wesentlich, weil damit auf der einen Seite auch jene Aspekte, hinsichtlich derer Präklusion eingetreten ist, nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein konnten. Auf der anderen Seite war es aber auch schon bisher nicht erforderlich, in der Beschwerde alle noch verbliebenen Rechte geltend zu machen, um sie einer Kontrolle durch das Verwaltungsgericht zuzuführen. Vielmehr bildeten den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens – eine zulässige Beschwerde vorausgesetzt – alle Rechte, die sozusagen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens „hinübergerettet“ wurden. Gleichwohl ist es sicher praktisch so, dass idR nur jene Aspekte einer Feinprüfung unterzogen werden, die in der Beschwerde ausdrücklich geltend gemacht wurden, was aber nicht bedeutet, dass die übrigen Aspekte unbeachtlich wären. Amtswegig zu prüfen haben die Verwaltungsgerichte unverändert (und mittlerweile ausdrücklich in 27 VwGVG angeordnet) ausschließlich die Zuständigkeit der jeweiligen Behörde, nicht hingegen öffentlich Interessen, mögen sie im Verwaltungsverfahren vielleicht auch nicht berücksichtigt worden sein. Letzteres unabhängig davon, ob diese im Unions- oder nationalen Recht ihren Niederschlage finden. Im Verfahren wegen Beschwerden, die von Nebenparteien erhoben wurden, überprüfen die Verwaltungsgerichte daher derzeit – zusammengefasst – Bescheide lediglich auf ihre Vereinbarkeit mit jenen subjektiven Rechten, die dem Beschwerdeführer generell zukommen können, eingeschränkt auf die, hinsichtlich derer er nicht präkludiert ist, allenfalls (zumindest graduell) wiederum eingeschränkt auf jene, die er in der Beschwerde geltend macht. Öffentliche Interessen, wie gesagt, sind hier nicht mehr Prüfungsmaßstab. Anders gesehen bildet die „Sache“ des Verwaltungsverfahrens die äußerste Grenze der „Sache“ des jeweiligen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens; dies eingeschränkt um jene Aspekte, hinsichtlich derer Teilrechtskraft eingetreten ist. Ich glaube, bis hierher ist es unstrittig und wird sich auch durch das Urteil des EuGH nichts ändern. Weitere Einschränkungen ergeben sich nun auf subjektive Rechtsverletzungen, hier wiederum im Fall beschränkter Mitspracherechte auf diese, und schlussendlich auf jene Rechte, die nicht präkludiert sind. Diese drei letzten Einschränkungen sind vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH problematisch und mit dem Unionsrecht vielleicht nicht ganz vereinbar. Wir haben es heute schon gehört: Im Urteil C-737/14 führt der EuGH im Wesentlichen aus, dass eine Beschränkung der Klagsbefugnis auf den Umfang der rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen Unionsrecht verstößt, und das auch dann, wenn der Beteiligte vorher Gelegenheit gehabt hatte, Einwendungen zu erheben. Zusätzlich – und auch das haben wir heute schon gehört – findet sich im Urteil eine – ein bisschen kryptische – Passage, wonach der Gesetzgeber spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen könne, nach denen zB ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig wäre. Was genau der EuGH damit anspricht, konnte ich nicht ergründen. Ich gehe nun für die folgenden Überlegungen davon aus, dass die Rechtslage in Deutschland, so wie sie dem Urteil zugrunde liegt, unserer doch relativ ähnlich ist. Demnach müssen die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit die verwaltungsbehördliche Entscheidung jedenfalls einer gerichtlichen Kontrolle zuführen können. Dies unabhängig davon, wie das jeweilige Prozessverhalten im Verwaltungsverfahren war, ja unabhängig von der Teilnahme an diesem. Dies wiederum entfaltet Vorwirkungen im Verwaltungsverfahren, zumal die Beschwerdebefugnis – jedenfalls derzeit nach
unserer Rechtslage – grundsätzlich im Ergebnis an die Parteistellung auch im Verwaltungsverfahren anknüpft. Das hat wiederum zur Folge, dass überall dort, wo die Erlangen oder Aufrechterhaltung der Parteistellung an das Prozessverhalten der Partei geknüpft wird, derartige Regelungen derzeit – jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang – wohl unangewendet bleiben müssen. Zweite Konsequenz daraus ist, dass zumindest derzeit Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit hinsichtlich der Umweltvorschriften während des gesamten Verwaltungsverfahrens und – eine zulässige Beschwerde vorausgesetzt – während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Parteistellung erhalten bzw behalten. Eine Einschränkung ist hier nicht vorgesehen, sodass ihre Rechtsstellung im Wesentlichen jener ähnelt, wie wir es schon bei Formalparteien haben. Sie können auch nicht präkludieren, sondern nehmen am gesamten Verfahren teil, auch wenn sie nicht zur Verhandlung erscheinen. Das betrifft ua sämtliche Umweltorganisationen, in deren örtlichen Tätigkeitsbereichen das jeweilige Vorhaben liegt, also nicht nur jene, die Kraft fristgerechter Einwendung im Verwaltungsverfahren Parteistellung erlangt haben. Keine Konsequenzen ergeben sich im Beschwerdeverfahren zunächst hinsichtlich der Anforderungen an eine Beschwerde selbst. Erforderlich für eine Prüfung eines Bescheides durch das Verwaltungsgericht auch auf seine Vereinbarkeit mit Umweltvorschriften ist daher, dass von irgendjemandem eine zulässige Beschwerde erhoben wird. Ist dies der Fall, kommen den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Beschwerdeverfahren Mitwirkungsrechte – Parteistellung – zu. Als Konsequenz für derzeit laufende oder künftig anfallende Verfahren ergibt sich aus dem Urteil zunächst, dass im Verwaltungsverfahren Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit hinsichtlich der Umweltvorschriften Parteien sind. Die das Verfahren abschließende Entscheidung muss auch ihnen gegenüber ergehen, was im Fall einer Ediktalzustellung keine Problem darstellt, im Übrigen aber die Gefahr der Entstehung übergangener Parteien in sich trägt. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt nichts anderes. Wurden Parteien schließlich im Verwaltungsverfahren übergangen, muss man sie in das verwaltungsgerichtliche Verfahren gleichsam „hereinholen“. Hinsichtlich im jetzigen Zeitpunkt bereits rechtskräftig abgeschlossener Verfahren, nämlich solcher, die gegenüber den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit insbesondere durch Zurückweisen mangels Parteistellung geendet haben, könnte man hier an eine Wiederaufnahme denken. Überlegenswert wäre sowohl eine Abstützung auf das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel oder aber an eine solche auf das Vorliegen einer abweichenden Vortragsentscheidung. Beides wird vom VwGH abgelehnt, sodass wir eine entsprechende Wiederaufnahmeproblematik vorerst nicht haben. Dass das vielleicht unionsrechtlich problematisch sein könnte, sei angemerkt. Ich möchte es aber hier so stehen lassen. Die dritte Fallgruppe bringt die größten Probleme mit sich: Es handelt sich um jene Fälle, in denen die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit bereits in der Vergangenheit zu übergangenen Parteien wurden. Diese Problematik kann sich in allen Verfahren stellen, in denen keine Ediktalzustellung erfolgte. Die Konsequenzen sind dabei schwerwiegend, weil das jeweilige Verfahren hinsichtlich der Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, denen gegenüber die verfahrensabschließende Entscheidung nicht erlassen wurde, nicht abgeschlossen ist. Entsprechende Bescheide sind nicht rechtskräftig und den übergangenen Parteien steht – grundsätzlich zeitlich unbeschränkt – die Möglichkeit der Geltendmachung ihrer Parteienrechte im Rechtsmittelweg offen. Anderes gilt nur in jenen Fällen, in denen insoweit materienspezifische Sonderreglungen bestehen, wie dies etwa in einzelnen Bauordnungen der Fall ist.
Pöllinger Ich darf Sie jetzt von den Höhen der Wissenschaft zu den Niederungen des Alltags hinunterführen und Sie einladen, mir ein bisschen dabei zu folgen, wie es mir als Umweltanwältin mit diesen Neuerungen, mit den revolutionären EuGH-Entscheidungen im Bereich des Umweltrechtes geht und gegangen ist. Stellen Sie sich vor, Sie sind Umweltanwältin oder Umweltanwalt in einem südlichen Bundesland und Ihre Möglichkeiten, an einem Verfahren teilzunehmen, sind zum einen durch die landesrechtlichen Vorgaben organisiert und zum anderen dadurch, dass Ihnen in bestimmten bundesrechtlichen Materien Parteienstellungen in der einen oder anderen Weise eingeräumt wurden. Das UVP-Verfahren ist jene Verfahrensart, in der ich wirklich in allen umweltrechtlichen Belangen mitsprechen darf, während es in allen anderen Bereichen nicht so ist. Mein Alltag in meinem Büro schaut so aus, dass ich Anfragen bekomme, eine Bürgerinitiative hat zB das Problem, dass ein Steinbruch in einem Wald errichtet werden soll. Der Steinbruch ist nicht UVP-pflichtig, aber die Erwartung der Bürgerinitiative ist trotzdem, dass ich ihnen helfe und den Steinbruch verhindere. Ein anderer Verein hat sich zum Ziel gesetzt, eine sehr, sehr große Baurestmassendeponie zu bekämpfen, weil der An- und Abtransport des Materials über eine bereits jetzt sehr stark befahrene Straße vor sich gehen wird, durch das Projekt noch mehr Schwerverkehr hinkommen und die Leute jetzt schon bei Verkehrsspitzenzeiten fünf Minuten warten müssen, bis sie auf die andere Seite rüber können. Das werde sicher noch schlechter, also bitte, Umweltanwalt mach was. Ein Umweltanwalt ist in „normalen“ AWG-Verfahren aber darauf beschränkt, naturschutzrechtliche Aspekte einbringen zu dürfen und ich kann Ihnen versichern, es gibt Dinge, die lustiger sind, als einer aufgebrausten Bürgerinitiative zu erklären, dass man ihnen eigentlich gar nicht helfen kann. Das ist vom Prinzip der gesetzliche Auftrag, den ich habe – die Einhaltung der Umweltschutznormen zu kontrollieren. Jetzt ist das rechtliche Wollen und das faktische Können aufgrund eingeschränkter Parteistellungen ein enormer Unterschied. Aus dem Grund haben meine Kollegen und ich uns im Laufe der Zeit Argumentarien überlegt, wie wir in anderen Materienverfahren Fuß fassen können, Parteieinstellungen einfordern können und vor allem wie wir das der Politik schmackhaft machen können, dass es wesentlich und wichtig wäre, weil wir schlicht und ergreifend der Meinung sind, dass wir das erstens als Profis machen – wir tun ja nichts Anderes als Umweltschutznormen im Verfahren zu vertreten, weil wir gute Ansprechpartner für die Öffentlichkeit sind und weil wir eigentlich der Meinung sind, dass wir unseren Job insgesamt sehr gut machen. So, jetzt haben wir Papiere produziert, haben die auch schon ans Ministerium geschickt und dann ist der Aarhusprozess dahergekommen. Da haben wir uns zuerst gedacht: super, jetzt sind wir betroffene Öffentlichkeit! Aarhus wird uns dazu verhelfen, dass wir in allen Umweltrechtsmaterien Parteistellung bekommen, sei es weil wir das Sprachrohr für die Öffentlichkeit sind, sei es weil wir einfach so gut sind, dass sich jeder an uns wendet. Sie kennen vielleicht das Schreiben von der Kommission, dass die Umweltanwälte nützlich sind und dass sie eine zusätzliche Einrichtung sind aber gar nix mit der betroffenen Öffentlichkeit zu tun haben und daher haben wir irgendwie das Problem, dass dieser Aarhusprozess jetzt offensichtlich ohne uns läuft. Wir sind aber dennoch der Meinung, dass es sehr wichtig ist, auch in Verfahren, die vielleicht für keine NGO von Interesse sind, eine professionelle Vertretung der Umwelt sicherzustellen. Oder ein Ansprechpartner zu sein, wenn es nur Betroffene gibt, die jetzt Probleme haben, sich zu artikulieren oder nicht genau wissen, was sie eigentlich wollen - wollen sie das Projekt gar nicht, wollen sie das in anderer Weise, welche Rechte, welche Anliegen können, wollen sie in einem Verfahren jetzt wirklich darlegen. Trotz allem, trotz Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie und Aarhus und all der revolutionären Entscheidungen, die da aus Brüssel auf das österreichische Rechtssystem einstürzen, ist mir schon klar, dass es diese Stimmen gibt, dass es eigentlich doppelt gemoppelt ist. Dass die
Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit und der Umweltanwälte eigentlich Luxus sei und daher könnte man sagen, das eine ja, das andere nein. Ich denke aber, dass es mittlerweile völlig klar ist, dass die Umweltanwälte vom Aarhusprozess nicht betroffen sind und als langjährig bewährte Garanten für die Einhaltung von Umweltnormen selbstverständlich auch weiterhin Partei in den Verfahren sein müssen. Die Präklusion an sich, ist etwas, wo ich mich nicht sorge. Ich meine, ich bin ein vorsichtiger Mensch, der grundsätzlich immer Einwendungen gemacht hat – ich habe mich daher nie darauf verlassen, dass ich als Umweltanwalt nicht präkludiert sein kann. Für mich war das immer klar, dass ich mich sofort ins Verfahren einbringe, also meine Einwendungen dann vorbringe, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. In diesem Zusammenhang bekümmert mich weder der Umstand, dass ich keine betroffene Öffentlichkeit bin, noch die Entscheidung des VwGH, wonach der Umweltanwalt jetzt angeblich doch präkludieren kann – obwohl wir objektives Umweltrecht vertreten. Es macht mir auch keine Sorge und ich finde es gut und wichtig, dass die betroffene Öffentlichkeit und NGOs die Möglichkeit bekommen sollen, sich selbst die Verfahren einzubringen. Meine Sorge und ich glaube, dass es auch die Sorgen meiner Kollegen sind – ist, dass man uns ausspielt; dass man sagt, ok, entweder – oder, wenn es die einen gibt, braucht es die anderen nicht und diese Sorge ist aus meiner Sicht durchaus berechtigt. Ich möchte einfach, dass wir uns da nicht auseinanderdividieren lassen und dass man versteht, dass es beide braucht: Die einen, deren gesetzlicher Auftrag es ist, in einem Verfahren den Umweltschutznormen zum Durchbruch zu verhelfen, das sind Umweltanwälte und zum anderen die betroffene Öffentlichkeit, NGOs, Bürgerinitiativen, die das aus dem eigenen Antrieb machen. Die das machen, weil sie sich für ihre eigenen Interessen und die Umwelt einsetzen wollen, aber eben in sehr vielen Bereichen die personellen und finanziellen Ressourcen nicht haben, dies tatsächlich machen zu können. Ich hoffe, ich hab Ihnen da ein bisschen Einblick geben können und bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich schon auf eine spannende Diskussion. Altenburger Danke für das sehr interessante Statement, das uns vor Augen gehalten hat, dass es nicht nur Vorteile der Projektgegnerseite gibt, sondern auch Nachteile, zumindest wenn man meint, die betroffene Öffentlichkeit ist zukünftig schon überrepräsentiert, da könne man sich doch die Umweltanwaltschaften mit der Begründung sparen, diese seien nicht Teil der betroffenen Öffentlichkeit. N. Raschauer Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will weniger meine persönlichen Schlussfolgerungen ziehen, sondern eher neutral ein paar aktuelle – offene – Aspekte für die Diskussion aufbereiten. Und dann im Anschluss einen Wunsch ans Christkind formulieren, daher was man zu den Themenkreisen Präklusion und Feststellungsverfahren auf „seine“ persönliche Wunschliste draufschreiben könnte. Wir wissen nach aktuellem Stand, das hat Kollege Wessely bereits zutreffend angesprochen, dass derzeit in den offenen Umweltanlagenverfahren zeitliche (Mitwirkungs)Beschränkungen für die betroffene Öffentlichkeit „vorübergehend“ beseitigt sind. In diesen Verwaltungsverfahren sind Präklusionsvorschriften des UVP-G oder des AVG wegen des Effektivitätsgrundsatzes (bzw des Vorrangs des Unionsrechts) unangewendet zu belassen. Für die betroffene Öffentlichkeit heißt das, dass sie bis zum Ende des Ermittlungsverfahrens ihre Einwendungen erheben kann. Ich glaube, dass man trotz EuGH Kommission/Deutschland das Ermittlungsverfahren bei Entscheidungsreife schließen
kann; bis zu diesem Zeitpunkt dürfen daher Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Stellungnahmen abgeben, Beweisanträge stellen udgl. Das hat sich nicht geändert. Die zweite wesentliche Folgerung ist: Nach Maßgabe des EuGH-Urteils dürfen die Mitgliedstaaten die Mitwirkungsrechte von Parteien in Österreich auf subjektive Rechte beschränken, jetzt einmal von Umweltorganisationen abgesehen. Dh Nachbarn können daher in Genehmigungsverfahren nicht „irgendetwas“ geltend machen, also irgendwelche öffentlichen Interessen oder objektive Umweltschutzvorschriften einwenden; Einwendungen sind nur zulässig, wenn sie Rechte betreffen, in denen Nachbarn denkmöglich beeinträchtigt werden können (der Ortsbildschutz, etwa bei Windkraftanlagen, ist daher aus der Sicht der Nachbarn nicht Gegenstand einer Einwendung). Dem steht auch die Grundrechtscharta, die UVP-Richtlinie etc nicht entgegen. Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle hervorheben, der bereits angesprochen wurde: Liest man das aktuelle Urteil Kommission/Deutschland zu Ende, kommt in Rz 81 eine überraschende Wende, quasi als hätte der dynamisch agierende Gerichtshof in letzter Sekunde die Handbremse angezogen: Der Mitgliedstaat könne „geeignete Maßnahmen“ erlassen, „um die Wirksamkeit des gerichtlichen Verfahrens zu gewährleisten“. Das heißt, der Mitgliedstaat hat weiterhin einen – wenngleich beschränkten – Gestaltungsspielraum und kann sehr wohl auch weiterhin Regelungen erlassen, um den Ablauf des Ermittlungsverfahrens oder den Zugang zu einem Überprüfungsverfahren zu gestalten (dh man darf durchaus auch – im limitierten Umfang – Projektwerbern und der Wirtschaft „entgegenkommen“ und die Mitwirkungsrechte der betroffenen Öffentlichkeit im Hinblick auf Fristen etc beschränken). Hier ist die Fantasie des Gesetzgebers, der Legisten gefragt, was man sich „traut“… Jedenfalls folgt mE aus dem Gesagten, dass man – im gerichtlichen Verfahren (nur auf das bezieht sich der EuGH) und diesem vorgelagert – sehr wohl zeitliche Schranken für die Mitwirkung der betroffenen Öffentlichkeit einziehen kann (zB das Ende der Mitwirkung mit dem Ende der mündlichen Verhandlung zusammenfallen lässt). Man kann diesen Gedanken wohl auch auf das Verwaltungsverfahren übertragen. Das sind alles erst „erste Ansätze“; welche Gestaltungsspielräume dem Mitgliedstaat tatsächlich noch verbleiben, wird uns erst die folgende Rechtsprechung des EuGH zeigen. Selbst wenn der EuGH den Mitgliedstaaten die „Hintertür“ für die Behandlung willkürlicher Stellungnahmen bzw verfahrensverzögernden Verhaltens einer Partei eröffnet hat, sollte man in diesem Zusammenhang nicht ohne Weiteres an die strenge „nationale Rechtsmissbrauchsjudikatur“ anknüpfen, die in fast allen Kommentierungen des EuGH-Urteils angesprochen wurde. Das hatte der EuGH sicher nicht im Sinn; nur weil eine NGO öfter auf die Bedeutung der Alpen-Konvention hinweist, berechtigt das den verfahrensleitenden Beamten nicht dazu, von „mutwilligem Anbringen“ zu sprechen und jenes für unbeachtlich abzutun. Wenn eine Partei ihren Standpunkt auch hartnäckig verfolgt, darf man sie (noch) nicht als mutwillig agierenden Querulanten bewerten. Ganz im Gegenteil: Es kommt also weniger darauf an, aus welchen Motiven man eine Stellungnahme im Genehmigungsverfahren abgibt; entscheidend erscheint mir eher, ob die Stellungnahme von irgendeiner praktischen Relevanz für das Verfahren ist. Dann muss sich der verfahrensleitende Behördenjurist bzw im fortgesetzen Verfahren das VwG damit auseinandersetzen. „Leermeldungen“ dürfen daher weiter ignoriert werden (wenngleich sie protokolliert werden sollen). Das, was vielleicht noch einmal verdeutlicht werden sollte – und mehr kann man aus dem EuGHJudikat nicht herauslesen: Der europäische Gerichtshof sorgt sich um den effektiven Gerichtszugang der betroffenen Öffentlichkeit. Weniger geht es dem Gerichtshof allerdings darum, wie der österreichische Gesetzgeber das Verwaltungsverfahren ausgestaltet. Daher: Der Rechtsmittelzugang der betroffenen Öffentlichkeit muss seriös und effektiv ausgestaltet sein, unabhängig davon, in wie
weit sich die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit in erster Instanz engagiert haben. Dieser Befund ist nicht neu und kommt auch nicht überraschend; entgegen den überwiegenden Stellungnahmen ist hier anzumerken: „Das ist halt so“; das haben wir seit Djurgården gewusst. Wer hier jetzt meint, das kommt überraschend (manche sprachen vom „Paukenschlag“), liegt falsch. Die aktuelle Entwicklung war seit längerem absehbar. Abschließend noch zu einem Punkt, der ua von Onz/Berl eingeworfen wurde. Es mag zutreffen, dass man Genehmigungsverfahren und gerichtliches Überprüfungsverfahren auseinanderdividieren und unterschiedlich ausgestalten kann. Man kann daher „in erster Instanz“ weiter an bestehenden Präklusionsregeln festhalten, soweit nachher allen Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Anschluss ein umfassender Zugang zu Gericht eingeräumt ist. Diese Trennung zwischen Ermittlungsund Überprüfungsverfahren, die auch im EuGH-Judikat anklingt, ist auch in der Verfassung (Art 129 ff B-VG) so angelegt. Freilich, an der praktischen Sinnhaftigkeit dieser Trennung ist zu zweifeln: Nach der Entscheidung des EuGH und des VwGH bleibt den Verwaltungsgerichten ohnehin nicht erspart, Beschwerden von Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit umfassend zu überprüfen, selbst wenn gewisse Aspekte in der Beschwerde nicht ausdrücklich vorgebracht wurden. Daher: Eine komplett unterschiedliche Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte der betroffenen Öffentlichkeit in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren macht daher ad hoc wenig Sinn. Wichtiger wäre es, im AVG oder im MaterienG eine sachlich akzeptable zeitliche Grenze einzuziehen, ab deren Erreichen Stellungnahmen der betroffenen Öffentlichkeit nicht mehr zu berücksichtigen sind. Das kann etwa der Schluss des Ermittlungsverfahrens sein. Sinnvoller ist es daher, daher Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit von Anfang (und im gleichen Umfang) mitwirken zu lassen; dann fühlt sich die betroffene Öffentlichkeit nicht von einem Projektwerber oder der Behörde „überfahren“; und die Akzeptanz des Projekts in der Öffentlichkeit steigt. Dass dabei viele Aspekte des Projekts kritisch und transparent erörtert werden, ist ja gerade Sinn und Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung. Der österreichische Gesetzgeber muss sich also keine Sorgen machen, dass jetzt allzu viel geändert werden muss. Wenn daher Mandanten anrufen und fragen: Wann kommt denn jetzt die Novelle; brauchen wir überhaupt eine? Ich meine wohl: „jein“. Das Verwaltungsgericht hat eine Beschwerdbeschwerde schon nach geltender Rechtslage in Bezug auf subjektive Rechte des Beschwerdeführers dahingehend „fein“ zu prüfen, ob – auf Basis dessen, was der Beschwerdeführer vorbringt – eine Rechtsverletzung plausibel erscheint (anderes gilt nur hinsichtlich Umweltorganisationen; dann ist wirklich eine umfassende Überprüfung der Entscheidung erster Instanz gesollt). Hinsichtlich aller anderen subjektiven Rechte, in denen der Beschwerdeführer beeinträchtigt werden konnte, und unter der Annahme, in der Beschwerde wurde dazu nichts ausgeführt), hat das Verwaltungsgericht eine „Grobprüfung“ vorzunehmen. Der Rahmen der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts ist jedoch mit der Sache des erstinstanzlichen Verfahrens „gedeckelt“: Über mehr kann und darf das Verwaltungsgericht nicht absprechen. In diesem Zusammenhang sind nun – schon nach geltender Rechtslage – zwei zulässige Schranken für die Mitwirkung der betroffenen Öffentlichkeit im verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsverfahren zu beachten; das ist zum einen die Beschwerdefrist. Wer sich nicht fristgerecht engagiert, hat „Pech gehabt“. Dh die Beschwerdefrist gem UVP-G (als Sondervorschrift) oder die allgemeine Beschwerdefrist des VwGVG für die Erhebung der Bescheidbeschwerde markiert die erste zulässige Schranke für die betroffene Öffentlichkeit. Das Verwaltungsgericht hat das Beschwerdeverfahren grds nur mit jenen Parteien fortzusetzen, die sich rechtzeitig bei der belangten Behörde gemeldet haben
(Wiedereinsetzungen bleiben hier einmal ausgeklammert). Mit denen muss das VwG dann das Beschwerdeverfahren fortsetzen. Die zweite Schranke ist – sofern das VwG verhandelt – der Unmittelbarkeitsgrundsatz: Nur das, was in der gerichtlichen Verhandlung vorkommt, soll dann am Ende auch verwertet werden. Nach dem Ende der Verhandlung (dem Schluss des Beweisverfahrens) muss sich das Gericht nicht mehr mit nachfolgenden Stellungnahmen auseinandersetzen. Daher: eine groß angelegte Novelle des Anlagenverfahrens ist mE nicht erforderlich. Man könnte daher auch nach jetziger Rechtslage unionsrechtskonform vollziehen, wenngleich die Rechtstellung von Nachbarn und Bürgerinitiativen im Feststellungsverfahren „verbessert“ werden muss. Freilich, ein Punkt darf in diesem Zusammenhang nicht überspielt werden, den Kollege Wessely schon angesprochen hat. Mehrere Altverfahren gelten derzeit nicht als abgeschlossen, insbesondere jene, die nicht nach den Großverfahrensbestimmungen des AVG abgeführt worden sind. Man ist daher potentiell mit mehreren übergangenen Parteien konfrontiert. Da könnte es dann theoretisch möglich sein, dass plötzlich eine übergangene Partei meint, sie müsste nun ihre Beschwerde „nachreichen“. Hier wäre anzudenken, dass der Gesetzgeber der Wirtschaft/der Projektwerberseite entgegenkommt und aus Überlegen der Rechtssicherheit heraus die Mitwirkungsrechte der übergangenen Parteien zeitlich zu beschränken (was im Licht von EuGH Kommission/Deutschland zulässig sein sollte). Entsprechende Vorbildregelungen finden sich in diversen Bauordnungen. Wo die Grenze exakt gezogen werden soll, kann man nicht pauschal beantworten. Das nachträgliche Mitwirkungsrecht des Übergangenen muss jedenfalls „angemessen“ ausgestaltet sein. Im Burgenland wurde die Grenze mit einem Jahr nach Bescheiderlassung angesetzt; das einmal als Referenzwert. Ob das für Großanlagenverfahren nach UVP-G angemessen ist, könnte man natürlich bezweifeln. Eine weitere offene Frage ist, was nun mit jenen Verfahren zu erfolgen hat, die keine UVP-Verfahren sind. Ich denke an ein banales Anlagengenehmigungsverfahren nach der GewO, ein Starkstromwegeverfahren, das nicht in das UVP-G fällt und dergleichen mehr. Nun könnte man sagen, der Gesetzgeber darf zwischen UVP- und anderen Verfahren (die nicht unter die UVP- und die IndustrieemissionsRL fallen) differenzieren (zB hinsichtlich Präklusionsregeln etc); selbstverständlich darf er es. Nur ob das rechtspolitisch sinnvoll ist, ist mE fraglich. Daher sollte jede Verfahrens- bzw MaterienGnovelle dazu genützt werden, ein Auseinanderdriften der Verfahren und der Verfahrensbeteiligten zu vermeiden. Der letzte offene Punkt, der noch nicht angesprochen worden ist: Müssen nun alle Parteien in UVPoder Industrieemissionsverfahren „gleich“ behandelt werden? Muss jetzt jeder das Recht erhalten, zu jeder x-beliebigen Zeit Stellungnahmen abzugeben, Einwendungen zu erheben und Beschwerden einbringen zu können? Natürlich nicht. Das Unionsrecht verlangt das nicht; auch der EuGH nicht. Jeder, der nicht Teil der betroffenen Öffentlichkeit ist, kann also durchaus anders behandelt werden, als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit: Also etwa Nachbar versus Umweltanwalt. Aber auch hier gilt: ob eine Differenzierung rechtspolitisch sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Altenburger Bevor ich die Diskussion beginne, zwei Anmerkungen von meiner Seite. Nach EuGH Karoline Gruber hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der betroffenen Öffentlichkeit im UVPFeststellungsverfahren dennoch keine Parteistellung zukommen muss. Als Projektwerbervertreter muss ich ganz offen sagen, dass ich mit dieser Judikaturlinie des BVwG keine besondere Freude habe, mag sie für den Projektwerber auf den ersten Blick positiv erscheinen – immerhin muss er sich im Feststellungsverfahren nicht mit Nachbarn herumschlagen, Aber wenn ich
4-5 materienrechtliche Genehmigungen benötige und mich bis zum letzten Verfahren fürchten muss, dass zB die Baubehörde – vielleicht zufällig die Baubehörde der Standortgemeinde, die selbst gegen das Vorhaben ist – im Bauverfahren die UVP-Pflicht entgegen dem Feststellungsbescheid feststellt, hat das mit Rechtssicherheit reichlich wenig zu tun. Von den zahlreichen anderen Fragen, die diese Lösung aufwirft, ganz zu schweigen. Wer ist an den Feststellungsbescheid gebunden und wie lange? Was ist der Feststellungsbescheid wert, wenn die Materienbehörden ohnedies auch darüber entscheiden müssen, sofern ein Nachbar die UVP-Pflicht einwendet? Kann die UVP-Behörde das UVP-Feststellungsverfahren von Amts wegen abändern, wenn es einen materienrechtlichen Bescheid gibt, der die UVP-Pflicht als gegeben annimmt. Was ist mit den sonstigen materienrechtlichen, allenfalls bereits ergangenen Bescheiden? Wie ist das Verhältnis zwischen den einzelnen Behörden – Baubehörde, Wasserrechtsbehörde, Naturschutzbehörde? Bescheide sind nur dann nach § 3 Abs 6 UVPG drei Jahre mit Nichtigkeit bedroht, wenn die UVP-Behörde die UVP-Pflicht feststellt, nicht aber wenn dies eine andere Behörde tut oder überhaupt eine de-facto-UVP-durchführt. Was ist, wenn die Baubehörde meint, es bestünde keine UVP-Pflicht, die Naturschutzbehörde meint es bestünde eine UVP-Pflicht und die Wasserrechtsbehörde meint wieder, es gebe keine UVP-Pflicht. Was soll ich dann machen? Zur UVP-Behörde kann ich nur schwerlich gehen, denn diese ist ja der Ansicht, es sei keine UVP-Pflicht gegeben. Über ihren eigenen Bescheid – ihre eigene Rechtsansicht – wird man ihr nur kaum zumuten können hinwegzusehen. Soweit meine kurzen Anmerkungen zum UVP-Feststellungsverfahren … Zur „Präklusion“ meine Idee … es gehört nach hinten verschoben. Wo soll die Grenze sein zwischen Beteiligungsmöglichkeit und Präklusion im behördlichen Verfahren? Auch wenn der EuGH keine Aussage zur Präklusion im behördlichen Verfahren, sondern nur zur Überprüfungsmöglichkeit im gerichtlichen Verfahren getroffen hat, sollte man auch die Einwendungsmöglichkeit zeitlich nach hinten verlagern. Einerseits widerspricht die Beschwerdemöglichkeit durch eine präkludierte Partei dem österreichischen Rechtschutzregime, sodass man mE die Parteienrechte im behördlichen Verfahren und die Beschwerdemöglichkeit im gerichtlichen Verfahren nicht zu weit auseinander driften lassen sollte. Andererseits kann natürlich das Recht neue Einwendungen zu erheben, nicht endlos nach hinten verschoben werden. Sonst wird die Behörde daran gehindert, einen alle Einwendungen berücksichtigenden Bescheid zu erlassen. Allerspätestens nach der Verkündung des Schlusses des Verfahrens können deshalb keine Einwendungen mehr zugelassen werden. Dass ich dann im Beschwerdeverfahren sowieso wieder alles vorbringen kann, steht auf einem anderen Blatt Papier aber zumindest ist es nicht der Vorwurf an die Behörde, dass sie irgendetwas nicht berücksichtigt hat. Rehm Ich bin ein Vertreter einer von 50 anerkannten Umweltorganisationen, von denen wieder ca 20 UO ihre Parteistellung österreichweit ausüben können. Drei Dinge aus meiner Sicht: Wenn hier die Aussage gefallen ist, es gelten die Beschwerdefristen, dann weise ich darauf hin, dass momentan die Beschwerdefrist mit der Zustellung des Bescheides gekoppelt ist, wir das UVPFeststellungssonderüberprüfungsrecht im Internet festgelegt haben, aber keine adäquate generelle Regelung haben. Insofern darf diesen Fristen nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden. Zum Zweiten ist es auch als Umweltorganisationssicht zweckmäßig, Einwendungen zu erheben. Allerdings sind die Einwendungsfristen und die Möglichkeit, sich mit dem Projekt zu beschäftigen, auf sechs Wochen begrenzt, zu einem Zeitpunkt, wo dann andere, zB Sachverständige, das Projekt bereits jahrelang vor sich liegen haben. Insofern ist es ganz gut, sich manche Dinge noch einmal genauer anzuschauen. Und auch zu einem späteren Verfahrenszeitpunkt kann man noch gescheiter werden. Und ist die Möglichkeit gut, dann noch ein Vorbringen machen zu können. Es entsteht durch die
Entscheidung des EuGH C-137/14 jetzt nicht so viel Unterschied zum jetzigen Zustand. Was ich jetzt mache, ist, dass ich mit möglichst breiten Einwendungen in ein Verfahren gehe, um eben nicht präkludiert zu sein. In gewisser Weise kann ich mir jetzt vielleicht helfen und mir jede präventive Behördenbeschäftigung ersparen und kann ich noch nachträglich Einwendungen vorbringen. In Einzelfällen ist es zweckmäßig, wenn ich in einem Verfahren nicht beteiligt war, etwa, es kommt bei einer Bescheiderlassung bei vielen kleineren Verfahren – „Stichwort Windkraft“ – heraus, sind Aspekte enthalten, (zB bestimmte Auflage), die so nicht vorhersehbar waren. Dann begrüße ich die Möglichkeit, da eine Bescheidbeschwerde machen zu können. Und ganz zum Schluss: Umweltanwälte – aus Umweltorganisationssicht gibt’s da keine Konkurrenz – es ist unser Interesse am Verfahren nicht nur (wie angesprochen) auf offene Kapazitäten begrenzt und wäre es sozusagen schade wenn man hier Umweltorganisationen und Umweltanwälte versucht gegeneinander auszuspielen, insofern wollen wir mit Umweltanwälten arbeiten und nicht ihnen davonziehen. Altenburger Danke für dein Statement – wie gesagt, der Diskussionszeit ist ein weiter Raum eingeräumt, das heißt, es kann sich jeder so lange äußern, wie er möchte. Die Frage, die sozusagen bleibt, möchte ich an Doz. Wessely oder an dich Nicolas weitergeben, also ob die vier Wochen Beschwerdefrist ab Zustellung der Erlassung unionsrechtlich ausreichend ist oder – da hat Wolfgang eben recht – der Projektwerber bereitet sich jahrelang vor, die Behörde zwölf Monate, eineinhalb Jahre, ob man auch das überdenken müsste. N. Raschauer Das Unionsrecht verlangt vom Mitgliedstaat die Schaffung eines Gerichtszuganges. Das ist in den letzten 40 Jahren so gewesen; dieses Prinzip gilt auch heute noch. Der Mitgliedstaat hat einen relativ breiten Gestaltungsspielraum, wie er den Gerichtszugang ausgestaltet; er muss letztlich sachgerecht vorgehen und eine adäquate Mitwirkung der betroffenen Öffentlichkeit auch im Bereich Überprüfung von Umweltentscheidungen ermöglichen. Wenn nun Großprojekte betroffen sind, kann man natürlich darüber streiten, ob eine Beschwerdefrist von vier Wochen im Ergebnis noch adäquat ist. Immerhin stehen der betroffenen Öffentlichkeit im Bereich einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof zwei Wochen mehr zur Verfügung. Freilich muss man - wie Bachl bereits konstatiert hat - Partizipation im Genehmigungsverfahren und Gerichtszugang unterscheiden. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber erst kürzlich den Zugang zum BVwG eröffnet (das betreffend alle UVP-Verfahren) und die Beschwerdefrist verdoppelt hat. Eine vierwöchige Beschwerdefrist erscheint im Licht der Art 11 UVP-RL und Art 47 GRC definitiv sachgerecht und ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Natürlich kann man auf der rechtspolitischen Ebene darüber streiten, ob zwei Wochen Beschwerdefrist nicht adäquater wären, wenn man auf die Ausführungen von Rehm zurückkommt. Das ändert aber nichts am Ergebnis: im UVP-Regime ist definitiv ein adäquater Gerichtszugang geschaffen worden. Rehm Entschuldigung, vielleicht noch etwas anderes: Das eine ist die Dauer der Fristen, das andere ist aber, wie lange ich jetzt als Nichtpartei Kenntnis der Entscheidung habe, wenn es kein Großverfahren ist. Viele UVP-Verfahren sind keine Großverfahren, dann gibt’s halt irgendwann den Bescheid, wenn die Behörde gut arbeitet im Internet. Dies ist meistens nicht mit einem Datum des Hochladens versehen – das heißt, ich kann mir jetzt nur irgendwie versuchen auszurechnen, wo liege ich eigentlich, wenn ich jetzt sozusagen Kenntnis davon erlange, habe aber keine Gewissheit. Manche Seiten der Landesregierungen sind da übersichtlicher,
manche nicht. Ich bin mir jetzt auch nicht sicher, ob ich jetzt einfach Beschwerde erheben kann oder ob ich auf alle Fälle jedenfalls die Zustellung begehren muss. Und was ist, wenn ich erst Kenntnis erlange nach den vier Wochen und begehre trotzdem Zustellung? Da ist eigentlich ein gewisser unklarer Spielraum. Wenn es da klare Regelungen gibt, wie man das löst dann kann man wahrscheinlich auch bestimmte Fristen einziehen. Auf die Fristlänge kommt es nicht an, mehr auf den Bezugspunkt. Altenburger Ich verstehe, du sprichst das Thema an, wie schaut es aus mit der Publizität bzw Zustellung bei Verfahren, die nicht in Großverfahren geführt werden und vielleicht auch wenig Betroffene haben; … irgendein Kraftwerk auf der grünen Wiese, relativ wenig Anrainer, nicht viele Leute, die zu Umweltorganisationen, ein Interesse zeigen … irgendwann wurde der Bescheid eigentlich schon erlassen im Sinne des Gesetzes, aber keiner hat davon erfahren zumindest keiner, den es interessiert. Petek Ich bin unter anderem zuständig für Fragen der Umweltverträglichkeitsprüfung und daher sind natürlich die Erkenntnisse, die heute referiert wurden, von besonderem Interesse. Ich habe als erstes eine Frage an Doz. Wessely, woraus er schließt, dass die ganzen Altverfahren noch betroffen sind. Soweit ich weiß, gibt es Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Änderung der Rechtslage der EU durch EuGH-Judikatur allein nicht bewirkt, dass man einen Wiederaufnahmegrund für ein Verfahren hat. Sind da wirklich auf Jahre zurück alle Verfahren betroffen? Ich wüsste gerne, wie Sie das gemeint haben. Zur Kollegin Bachl will ich noch auf ein unlängst ergangenes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs zu Spielberg hinweisen, wo es um das Steiermärkische Veranstaltungsgesetz ging, das keine Parteistellung von Nachbarn kennt. Der Verwaltungsgerichtshof hat einem Nachbarn, der die UVPPflicht eingewendet hat, für diese Frage, obwohl das Steiermärkische Veranstaltungsgesetz keine Parteistellung vorsieht, Parteistellung zuerkannt und er kann die Bescheidzustellung verlangen. Zu dieser Frage der Zuständigkeit der Behörde haben wir jetzt die Situation, dass die Gerichte aktiv tätig werden aufgrund der Erkenntnisse des EuGH. Aber ich glaube zur Präklusion ist es wirklich vorab einmal an den Verwaltungsgerichten zu sehen, wie sie mit der neuen Rechtslage umgehen. Es gibt ja schon Judikate vom Bundesverwaltungsgericht, die darauf reflektieren, wo im Verwaltungsverfahren verspätet vorgebrachte Einwendungen oder in Beschwerden neu vorgebrachte Einwendungen zugelassen und gemeinsam mit anderen Beschwerden abgewiesen wurden. Ich stimme dem zu, dass die Frage, wie man jetzt legistisch auf das Präklusionsurteil reagieren soll, eine sehr schwierige ist. Ich glaube nicht, dass sich wirklich für das Verwaltungsverfahren viel ändert, also dass es weiterhin zulässig ist, im Verwaltungsverfahren Präklusion zu haben. Man muss die Einwendungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorbringen, damit sie im Ermittlungsverfahren behandelt werden können, das ist aus meiner Sicht zulässig. Es ist aber in UVP-Verfahren auch jetzt schon vielfach so, dass – weil die Verfahren ja manchmal länger dauern – wenn später noch relevante Unterlagen übermittelt werden, die UVP-Behörde sich diese noch anschaut und dass natürlich auch irgendwann einmal Schluss des Verfahrens sein muss. Der Schluss des Ermittlungsverfahrens ist weiter zulässig. Davon zu trennen ist, dass man jetzt mit neuen Einwendungen zum Verwaltungsgericht kommen kann und dass das Verwaltungsgericht entscheiden muss, wie es damit umgeht. Einen Punkt noch zur Umweltanwältin Pöllinger: Ich unterstütze, dass es kein Ausspielen zwischen Umweltanwälten und sonstiger Öffentlichkeitsbeteiligung geben darf. Ich möchte da noch einmal
darauf hinweisen – auch im Hinblick auf die Judikatur des EuGH im Präklusionsfall, wo er sagt, der Einzelne kann auf die Geltendmachung seiner subjektiven Rechte begrenzt werden – dass es im Verfahren eine sehr restriktive Sicht subjektiver Rechte gibt, dass es daher umso wichtiger ist, dass die Umweltanwälte und Umwelt-NGOs die Einhaltung objektiven Rechts geltend machen können. Dabei gibt es auch Diskrepanz zur EuGH-Judikatur, weil, dass der Einzelne ein subjektives Recht auf Überprüfung der UVP-Pflicht hat, ist in Österreich eine objektive Rechtsfrage, ob erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten sind, und keine Frage subjektiver Rechte des Einzelnen. Also ich glaube, da muss in Österreich noch viel nachgedacht werden über das Verständnis öffentlichen Rechts und subjektiver Rechte. Altenburger Ich glaube auch, so wie Dr. Petek, wenn alle Materienverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind, dann habe ich keine Chance mehr ins Verfahren zu kommen. Natürlich kann man anderer Ansicht sein, nur das Problem ist, dass dann eine Partei quasi ewig anfechten kann oder wenn ich die Lösung § 3 Abs 6 analog anwende, zumindest 3 Jahre, weil nur innerhalb von 3 Jahren kann man es für nichtig erklären. Also ich glaube, es muss zumindest noch ein Verfahren nicht rechtskräftig sein, damit ich in dem Verfahren sagen kann, ich bin nicht an die negative UVP-Pflichtsentscheidung gebunden und dort diese einwenden kann und damit das Verfahren von hinten aufrollen. Wenn ich 10 Genehmigungen schon habe und die letzte fehlt mir, der Projektgegner, der Nachbar wendet das mit Erfolg ein und die Baubehörde meint, das ist UVP-pflichtig, dann glaube ich – auch jetzt mit der Judikatur vom BVwG – dass er das dort machen kann und dass das richtige Verfahren ist und nicht das UVPFeststellungsverfahren. Damit könnte ich das Pferd von hinten aufzäumen und wieder reinkommen. Die Frage ist, was passiert mit allen anderen Genehmigungen; bzw brauche ich ja sowieso alle Genehmigungen, um es im Normalfall betreiben zu können, außer ich schränke oder modifiziere das Vorhaben so, dass ich plötzlich keine Einleitung mehr habe, aber indirekt – Einleitung und nicht einen Eingriff ins Grundwasser, damit ich die Genehmigungen nicht brauche. Kroneder Ich möchte eine Frage zur Entscheidung „Karoline Gruber“ stellen – gesetzt den Fall, der Gesetzgeber wollte dieser Entscheidung dadurch begegnen, dass er die Nachprüfung von Feststellungsbescheiden nicht nur Umweltorganisationen, sondern auch anderen Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit, zB Nachbarn einräumt. Habe ich damit aus Ihrer Sicht alle aus dieser Entscheidung resultierenden Probleme gelöst? Ich glaube zuerst bei den Folien gesehen zu haben, dass die Meinung vertreten wurde, dass auch irgendwo Parteistellung einzuräumen ist. Ich weiß nicht, ob das in diesem Zusammenhang war. Mich würde interessieren, ob nach Ihrer Auffassung auch ein Antragsrecht für UVP-Feststellungsbescheide inkludiert sein muss. Bachl Natürlich wird es einmal ein Ansatz sein, dass man sagt, eben auch wenn ein negativer Feststellungsbescheid da ist, dann räumt man der gesamten betroffenen Öffentlichkeit dieses nachträgliche Überprüfungsrecht ein. Aber ich würde eben meinen, diese Variante deckt dann aber trotzdem noch nicht alle Bereiche ab. Nämlich gerade diese Fälle, wo überhaupt das Feststellungsverfahren nicht durchgeführt sondern eben möglicherweise rechtswidrigerweise schon gleich das Materienverfahren durchgeführt wird. Und eben für diese Fälle ist dann fraglich, braucht man den Rechtsschutz – ich meine schon, weil man dann, wenn da die betroffene Öffentlichkeit in diesem Materienverfahren eben keine Parteistellung hat wie es eben gerade bei diesem VwGHErkenntnis Anfang November jetzt war im Steiermärkischen Veranstaltungsgesetz, dass eben da die Nachbarn keine Parteistellung hatten, gleich das Materienverfahren durchgeführt wurde und nie ein
Feststellungsverfahren. Wie bekommt man dort sonst Rechtsschutz. Also gerade diese Bereiche würden dann offen bleiben, nur dieses nachträgliche Überprüfungsrecht gegen die negativen Feststellungsentscheidungen. Köhler Ich habe mich, wie Sie den Vortrag gehalten haben, in dem Zusammenhang schon gefragt, wo wirklich der Unterschied sein soll. Das gibt jetzt Gelegenheit, die Frage aufzugreifen. Ich hätte gemeint, dass der Fall des negativen Feststellungsbescheids und der Fall, wo es gar keinen gibt, an sich gleich zu behandeln ist. Sie legen offenbar Wert, dass es eine nachträgliche Bekämpfung dieses negativen Feststellungsbescheids gibt, aber es geht doch eigentlich nur um die Frage, ob wir vor der richtigen zuständigen Behörde sind und egal, wie ich das beantworte, ob ich diesem Senat 2 folge oder nicht. Es gibt eine Uraltentscheidung vom Senat 3, der das seinerzeit schon 2003 anders gesehen hat – ist aber vereinzelt geblieben. Da ist glaube ich die Frage egal, ob ich einen negativen Feststellungsbescheid habe und Partei bin oder auch nicht. Ich bin nur Partei aufgrund des zB UVPGesetzes und möchte jetzt in ein Verfahren, egal ob Wasserrecht, Gewerberecht oder Veranstaltungsrecht, dann habe ich die Frage, wenn es einen negativen Feststellungsbescheid gibt, genau so, wie wenn es keinen gibt – ich sehe den Unterschied nicht. Das würde ich gerne erklärt haben. Bachl Ich habe mich vielleicht ein bisschen unpräzise ausgedrückt. Ich bin auch dieser Meinung, dass grundsätzlich einmal die Frage der Entscheidung durch die richtige Behörde überprüfbar sein muss. Nur eben wann man sagt, gegen den negativen Feststellungsbescheid sieht man eben dieses nachträgliche Überprüfungsrecht vor, dann habe ich eben für diesen Fall eine Lösung und für die anderen nicht. Natürlich – man muss alle Fälle erfassen und darum würde, wenn man eben nur dieses nachträgliche Überprüfungsrecht vorsieht, das nicht ausreichen. Petek Es muss nicht immer einen Feststellungsbescheid geben. Es gibt viele Fälle, wo aufgrund des UVPGesetzes bereits klar ist, ob ein Vorhaben UVP-pflichtig ist, ja oder nein. Ich glaube, das übersieht man in der Diskussion oft. Es gibt Fälle, bei denen eine UVP gefordert wird, die weit weg sind von einer UVP-Pflicht gem UVP-G oder der UVP-Richtlinie. Ich erinnere mich an einen Wiener Fall, bei dem von Nachbarn die Durchführung einer UVP für einen Kindergarten verlangt wurde, wegen Lärmbelästigung. Wenn es Kapazitätsgrenzen gibt, dann kann es in Grenzfällen vielleicht strittig sein, aber wenn ein Vorhaben tief unter dem Schwellenwert ist oder gar nicht im Katalog der UVPpflichtigen Vorhaben, da gibt es auch kein Recht auf ein Feststellungsverfahren. Ich glaube, wenn man jetzt – so wie es das für die Umweltorganisationen gibt – den Nachbarn ein Überprüfungsrecht hinsichtlich der negativen Feststellungsbescheide, also keine UVP-Pflicht, einräumt, hat man den Großteil der Fälle erfasst und für die anderen hat der Nachbar im Materienverfahren die Möglichkeit, die Unzuständigkeit der Behörde wegen UVP-Pflicht einzuwenden. Nach der VwGH-Judikatur zum Stmk. Veranstaltungsgesetz (Spielberg) kann ein Betroffener selbst als Nichtpartei des Verfahrens ja diese Fragen der UVP-Pflicht relevieren. VwGH-Hofrat Handstanger hat es beim UVP-Tag so schön erklärt: Zu Zeiten des Römischen Rechts hatte auch der Sklave bezüglich der Frage, ob er frei ist oder nicht, Parteistellung und für diese Frage, die im Prozess ja geklärt werden muss, hat es da offenbar eine Möglichkeit geben.
N. Raschauer So ist es ja auch für die Nachbarn in der Gewerbeordnung – siehe vereinfachtes Verfahren und beschränktes Mitspracherecht. Mehr ist ja auch nicht verlangt. Ich muss nur die UVP-Pflicht geltend machen können vor der Materienbehörde. Altenburger Völlig richtig, auch zur Frage, ob es eine bescheidmäßige Abklärung der UVP-Pflicht gibt. Die muss es natürlich nicht geben; jede Behörde hat von Haus aus die Frage der Zuständigkeit zu prüfen und diese Vorfrage kann von jeder Behörde zumindest nach dem AVG so lange beantwortet werden, so lange diese Vorfrage nicht von der zuständigen Behörde rechtskräftig entschieden worden ist. Da haben wir – nur am Rande gestreift – eine klare Divergenz, wenn die UVP-Behörde meint, es besteht keine UVP-Pflicht, die zuständige Behörde die Vorfrage also rechtskräftig entschieden hat, danach aber eine Materienbehörde nachträglich von der UVP-Pflicht ausgeht. Die Beantwortung einer Frage, die an sich eine Vorfrage darstellt, durch die Materienbehörde, obwohl diese Frage bereits von der zuständigen Behörde rechtskräftig entschieden wurde, lässt sich mit § 38 AVG nicht in Einklang bringen. ... Auch ein Ausfluss von "Karoline Gruber", die Bindungswirkung aus unionsrechtlichen Gründen unangewendet lassen zu müssen. Bachl Nochmals ganz kurz. Ich würde das auch alles so sehen. Nur meine Frage ist, wer eben dann, wenn es so ist, es wird eben das Materienverfahren durchgeführt – da habe ich natürlich dann hinsichtlich der Frage UVP ja/nein Parteistellung – aber was ist, wenn ich dann während diesem Materienverfahren als betroffene Öffentlichkeit nichts sage – dann gibt es den Materienbescheid. Kann ich dann eben ans Landesverwaltungsgericht gehen und erst in diesem Zeitpunkt, dann möglicherweise Jahre später dann erst sagen, das wäre UVP-pflichtig gewesen? Darum glaube ich, dass vielleicht irgendwie eine gesetzliche Regelung dann doch nicht schlecht wäre. Petek Es wäre sicher nicht schlecht, das zeigt ja auch der Fall Karoline Gruber, dass es möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof hat ja bezüglich des vereinfachten Betriebsanlagenverfahrens nach GewO ausgesprochen, dass Nachbarn hinsichtlich der Voraussetzungen ein beschränktes Mitspracherecht zukommen muss. Bachl Ja, aber im gewerblichen Verfahren sind Nachbarn ja sowieso Parteien. Schwarzer Um nicht präkludiert zu sein, möchte ich mich zu Wort melden. Die Veranstaltung ist bis dato sehr interessant, einige Dinge sind, glaube ich, so ziemlich außer Streit, andere wiederum sind sehr strittig. Es wird sicherlich die Notwendigkeit bestehen alles aufzuarbeiten, auch Kernfragen sind in den Referaten unterschiedlich beantwortet worden. Ich glaube, dass die legistische Reaktion sehr wohl notwendig ist, und zwar in beiden Fällen. Die Diskussion hier zeigt, wie viele Konstellationen es gibt, in manchen Fällen auch unterschiedliche Meinungen oder dass man dann doch zu einer gerichtlichen Anfechtung kommen muss, und ich glaube, dass die Unsicherheiten letztendlich schon ein sehr hohes Ausmaß erreicht haben. Das gilt einmal für den Fall Gruber, aber es gilt genauso auch für das Präklusionsurteil. Ich glaube, es gibt so viele Themen, der Herr Raschauer hat ja einige dankenswerterweise am Schluss aufgezeigt, wo unbedingt eine Notwendigkeit der Klarstellung besteht und auch das Referat von Frau Doktor Bacher hat gezeigt, dass wir jetzt im rechtswidrigen Zustand
verharren. Das Beschwerderecht der Präkludierten ist ja im Verwaltungsgerichtsgesetz nicht derzeit enthalten, das heißt, es ist auf jeden Fall eine EU-Rechtswidrigkeit da und es könnte jederzeit ein Vertragsverletzungsverfahren aus diesem Grunde auch gegen Österreich geführt werden. Aber daneben gibt es noch so viele andere Themen. Ich glaube, dass dieses Präklusionsurteil uns eben recht weh getan hat, weil es uns an einer Stelle trifft, wo wir eigentlich einen österreichischen Konsens hatten, dass Verfahrensparteibestimmungen, kombiniert und gepaart mit Präklusion eine sinnvolle Lösung für Partizipation und Verfahrensökonomie sind. Jetzt sind wir gezwungen dieses Konzept teilweise, aber nicht komplett über Bord zu werfen, ich glaube, man sollte es nur dort zurücknehmen, wo es eben unionsrechtlich gefordert ist. Es gibt gute Gründe dafür, so wie es auch die Frau Umweltanwältin gesagt hat: wenn man etwas zu sagen hat, dann sagt man es gleich und schiebt es nicht auf. Für mich ist ja fast schon die Unredlichkeit per se, wenn man Dinge zurück hält, weil man sie später vielleicht taktisch besser nutzen kann, um ein Verfahren oder eine Entscheidung zu verzögern. Das hat jetzt nichts mehr primär mit Redlichkeit zu tun, es ist schon von Haus aus nicht in Ordnung. Hier besteht der Verdacht des Missbrauches. Diesen Punkt sollte der Gesetzgeber durchaus auch aufgreifen, denn es ist im Interesse aller Beteiligten, dass legitime Einwände auf den Tisch kommen und man sie nicht zurück hält, um irgendwann mal die ultimative Trumpfkarte auszuspielen, das widerspricht unserem Verständnis. Letztere Bemerkung meinerseits - vielleicht auch zu der Frage des Ausspielens: vergessen wir bitte eines nicht, jawohl, das UVP-G dient dem Umweltschutz, dem Nachbarn, dem Naturschutz. Aber das ist nicht Alles. Es gibt auch noch andere Interessen, die genauso legitim sind. Es gibt das Interesse des Projektwerbers, er hat auch Rechte, er ist Träger von Grundrechten zB gemäß Grundrechtecharta, und die müssen auch irgendwo zählen. Dass wir nicht nur sagen, wir müssen überall noch etwas dazu legen und das Maximum ist das Beste, das kann es nicht sein. Man muss schon schauen, dass das Ganze in einem vernünftigen Gleichgewicht steht und es noch möglich ist, mit zügigen Erledigungen und Verfahren in Österreich zu rechnen. Neben diesem Projektwerberinteresse haben wir natürlich, dahinterstehend, das Interesse der Volkswirtschaft und das sollte man eigentlich auch nicht vergessen. Umweltanwälte vertreten öffentliche Interessen, aber es gibt auch andere öffentliche Interessen, zB an der Verringerung der Arbeitslosenzahl, an mehr Beschäftigung, und wir haben in Österreich auf dem Gebiet derzeit sehr große Probleme. Wir haben die geringsten Investitionen seit sieben Jahren und wir haben jeden Monat neue Höchststände bei den Arbeitslosen. Projekte bedeuten außerdem Einnahmen für den Fiskus, Wertschöpfung in der Region uvm. Diese Interessen dürfen auch beim UVP-Verfahren nicht durch den Rost fallen. Altenburger Die Frage ist, wie man diesen Spielraum, den der EuGH mit dem einem Satz offengelassen hat – Missbrauch darf es natürlich nicht sein – auslegt. Du, Nicolas, hast ja gesagt, dass im Sinne der österreichischen Missbrauchsjudikatur, wirklich nur ganz extreme Fälle erfasst werden können, wo man praktisch nachweisen kann, das ein Betroffener irgendwas in der Hinterhand gelassen hat, nur um das Verfahren zu verzögern. Aber die Frage aus meiner Sicht ist, ob man jemanden, der sich in erkennbarer Weise überhaupt noch nie interessiert hat für ein Verfahren, irgendwann nach der mündlichen Verhandlung kommt und einen 50-seitigen Schriftsatz abgibt, ob man dem nicht Rechtsmissbrauch unterstellen kann. Vor allem, wenn er gefragt wird, um den Missbrauch abzuklären, warum er sich erst so spät meldet, und der einzige Grund, den er angibt, er habe beruflich so viel zu tun gehabt und sei erst zum Durchsehen gekommen. Da ist dann aus meiner Sicht schon die Frage, was macht man damit? Die bisherige Missbrauchsjudikatur in der österreichischen Rechtsprechung hat auch nicht diese unionsrechtliche Judikatur im Fokus, sondern ist für ganz andere Fälle gedacht ... das nur nebenbei erwähnt.
Berger Es passt da jetzt eigentlich sehr gut dazu. Einerseits haben wir diese Handlungen mit dem Missbrauch über die wir schon diskutiert haben, es gibt nur noch eine zweite Randnummer 76, die bis jetzt eigentlich noch nicht erwähnt und auch noch nicht beachtet worden ist. Ich möchte jetzt nur noch eine Frage stellen, was man aus der allenfalls machen könnte. Dort heißt es, der EuGH sagt, es ist unionsrechtskonform, dass das nationale Recht für den Rechtsbehelf die Verpflichtung vorsieht, sämtliche Rechtsbehelfe auszuschöpfen, bevor man einen gerichtlichen Rechtsbehelf einlegen kann. Ist ein verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelf vielleicht auch eine rechtzeitige Einwendung? Und könnte daher, wenn man jetzt sozusagen die Entscheidung insgesamt sieht, die ganz zweifellos sagt, ich darf den, der den Gerichtsrechtsbehelf dann ergreift, nicht inhaltlich beschränken. Der Rechtsmittelwerber darf sicher, wenn er rechtzeitig Einwendungen erhoben hat, seine Gründe noch ausdehnen und sagen „Ich hab mich zwar mündlich beschwert, ich mache aber jetzt auch Lärm und anderes geltend.“ Aber ist es nicht vielleicht aufgrund dieser Randnummer 76 möglich, zu sagen, es wäre doch unionrechtskonform, denjenigen der sich völlig verschwiegen hat, den Du jetzt auch gerade erwähnt hast, doch auch auszuschließen vom gerichtlichen Rechtsbehelf? Ich stell das jetzt nur mal als Frage in den Raum, auch im Zusammenhang vielleicht mit Missbrauch. Und es würde auch diese Randnummer Null Sinn machen, wenn der EuGH sagt, die innerstaatliche Rechtsordnung hat die Möglichkeit, vorher im verwaltungsrechtlichen Verfahren einen Rechtsbehelf einzulegen. Ja aber wenn man sie zwar vorsehen kann, aber sie hat keine rechtlichen Auswirkungen, wozu strebt man diese Ordnung dann überhaupt an? – nur eine ketzerische Frage. Wessely Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Aber wenn ich die Rechtslage des Anlassfalls hernehme, muss ich sagen: Da steht haargenau das (Anm: Verlust der Klagsmöglichkeit bei Unterlassen von Einwendungen) drinnen. Und das ist unionsrechtswidrig. Mit der angesprochenen Möglichkeit, dass man die Anrufung des Gerichts davon abhängig machen kann, dass zuvor verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe ausgeschöpft werden müssen, könnte eine Konstruktion gemeint sein nach Art der Schlichtungsstelle, also ein Schlichtungsverfahren oder dergleichen. Nur das geht wieder verfassungsrechtlich nicht, weil damit ein Instanzenzug eingezogen würde – unionsrechtlich wäre das aber natürlich denkbar. Ich darf das gleich nutzen, um die schuldige Antwort zu geben auf die Frage der Auswirkung auf rechtskräftig abgeschlossene Verfahren: Ich gehe aufgrund der Rechtsprechung des VwGH nicht davon aus, dass hier eine Wiederaufnahme möglich ist. Ob das unionsrechtskonform ist, könnte man aber hinterfragen, also ob man nicht wirklich mit den Mitteln des Verfahrensrechts – eine analoge Anwendung wird hier diskutiert – auch durchaus derartige Fälle in die Wiederaufnahme hinein bekommen könnte. Diese Fälle sind weniger problematisch, als jene mit übergangenen Parteien. Ich glaube nicht, dass man sagen kann, die Entscheidung „gilt“ erst ab der Veröffentlichung in die Zukunft. Sondern Ihre Aussage betrifft die gesamte Zeitspanne, seit es diese Richtlinien gibt, weil im Urteil ja nur eine Rechtslage erkannt, nicht geschaffen worden ist. Das heißt, ich „ziehe“ seit dem Inkrafttreten der Richtlinien jede Menge übergangene Parteien mit. Vielleicht noch eine kleine Anmerkung zur Frage der Rechtsmittelfristen: Die 4-wöchige Rechtsmittelfrist kann durchaus in bestimmten Fällen zu kurz sein. Es gibt aber auch schon Modelle, nach denen dann, wenn es außergewöhnliche Fälle sind, über Antrag die Rechtsmittelfrist verlängert werden kann – etwa in der Strafprozessordnung. Man könnte daher – wie gesagt, die Idee ist nicht neu – durchaus überlegen, ob man nicht so etwas einführt und das Gericht entscheiden lässt: Ist es wirklich der außergewöhnliche Fall oder doch nicht? Danke.
Petek Zu den im EuGH-Urteil erwähnten „verwaltungsrechtlichen Behelfen“ – wir hatten das ja früher mit der Berufung im Instanzenzug, die gibt es ja nicht mehr, seit es die Verwaltungsgerichte gibt. Aber was es weiterhin gibt, ist die Beschwerdevorentscheidung und die könnte man ja sehr wohl nutzen, um eben Einwendungen, die erst in einer Beschwerde vorgebracht werden, auf der Ebene der Verwaltungsbehörde zu behandeln, die ja das Ermittlungsverfahren führt. Das Problem, dass mit dieser EuGH-Judikatur die Verwaltungsgerichte zu Erstinstanzen für Sachentscheidungen gemacht werden, kann mit der Beschwerdevorentscheidung, wenn da wirklich jemand in seiner Beschwerde einen neuen Aspekt bringt, eben noch auf Verwaltungsebene entscheiden. Im UVP-Verfahren wird umfassend ermittelt, wenn aber wirklich etwas Wichtiges übersehen worden ist, könnte man es auf der Sachebene durch Beschwerdevorentscheidung klären. Übrigens, nicht nur die Behörden mit guten Bescheiden, sondern vor allem auch die Projektwerber mit guter Projektvorbereitung haben die Möglichkeit, möglichst wenig Anlass zu Einwendungen und Beschwerden zu geben. Rehm Ich darf dazu auch noch sagen, wir haben gerade einen Fall, wo wir unter Berufung eben auf diese Rechtssache nachträglich Beschwerde erhoben haben, wo es darum ging, um eine Last-MinuteAuflage und wo wir explizit im Eventualantrag auch empfohlen haben, es im Wege der Beschwerdevorentscheidung zu lösen. Wahrscheinlich wird das auch passieren, auch auf Wunsch der Projektwerberin. Dieser Spielraum besteht. Ansonsten ist hier noch die Frage der übergangenen Parteien und der Altverfahren gekommen, nachdem ja die UVP-Richtlinie die maßgebliche Rechtsgrundlage ist – widersprechen Sie mir, wenn Sie da anderer Meinung sind – wäre hier wahrscheinlich die Pipeline-Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (Erkenntnis Delena-Wells etc.) generell für maßgeblich anzusehen und dementsprechend dann die Frage, ob das Vorhaben erstmals eingereicht worden ist vor Umsetzungsfrist der Richtlinie oder eben danach. Und zu guter Letzt, weil sozusagen in den Raum gestellt worden ist, es gäbe eine Unredlichkeit in Verbindung mit bewusst verspäteten Vorbringen usw. Wenn man jetzt eine legistische Lösung dieser ganzen Probleme angeht, dann möchte ich schon appellieren, sich den Prozess als Ganzes anzusehen und nicht wie ein Flickwerk. Es ist faktisch im UVP-Verfahren so, dass jahrelang die Unterlagen bei der Behörde liegen, ohne dass sie „zurückgehalten“ werden (wo ich auch argumentieren könnte, sie werden uns quasi vorenthalten), den Bestimmungen des § 13 AVG zum Trotz, was jetzt Verbesserungsaufträge betrifft. Zeitweise bekommen auch die Umweltanwaltschaften die Unterlagen nicht im Wege der gesetzlichen Weiterleitungspflicht. Dann ist die Auflage; dann sind schon zwei, drei Jahre vergangen. Dann kommt irgendwann einmal (nach einem Jahr) u.U. auch verspätet das UVP-Gutachten, meistens 4 Wochen später die Verhandlung, dann wird u.U. das Ermittlungsverfahren gleich geschlossen. Wir sind gezwungen, je nachdem in welcher Phase, dem auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, also faktisch einen Gutachter zu bestellen in einem Zeitfenster von dann 9 Wochen, falls §16 Abs 3 UVPG auf diesem Wege angewendet wird. Dass das sozusagen im Vergleich zur epischen Breite des vorigen Verfahrensverlaufs gewisse Schwierigkeiten für Umweltorganisationen mit sich bringt, um hier auch entsprechend den Fuß hineinzubekommen und dann tatsächlich, auch wenn das Ermittlungsverfahren nicht geschlossen ist, braucht sich bei diesem Zeitablauf niemand wundern, dass dann manche Gutachten von uns erst nach der Verhandlung vorgelegt werden können. Dies sollte eigentlich sehr nachvollziehbar sein und ich möchte an dieser Stelle den Vorwurf zurückweisen, dass Umweltorganisationen und Nachbarn von Vorneherein in jedem Fall nur in unredlicher Vorgangsweise sozusagen verspätete Eingaben machen würden.
Altenburger Ich glaube, pauschal war es eh nicht gemeint, also zumindest nicht von mir. Meyer Ja, wenn ich Frau Dr Petek richtig verstanden habe, dann hat sie gemeint, der Gesetzgeber müsste auf Klarstellungen durch die Gerichte warten. Das provoziert mich etwas. Von der Umweltseite her könnten wir uns freilich zurücklehnen, weil uns die Gerichte ohnehin viele Rechtsmöglichkeiten in die Hand gelegt haben. Es ist ja eher so, dass die Projektseite aus diesem Grund mit wahnsinnigen Rechtsunsicherheiten konfrontiert ist. Ich möchte auch daran erinnern, dass im Parlament schon sehr lange die Regierungsvorlage für ein EnergieinfrastrukturG liegt, die in einem Art 2 die Novellierung des UVP-G vorsieht. In den parlamentarischen Verhandlungen (das Paket ist eine 2/3-Materie) wurden ausschließlich Forderungen erhoben, um die Europarechtskonformität des Gesetzespakets herzustellen. Umso bedauerlicher ist es, dass es bis jetzt zu keinen Fortschritten gekommen ist. Man hätte mit dieser UVP-G-Novelle gleich dem EuGH-Judikat Karoline Gruber Rechnung tragen und Rechtssicherheit schaffen können. Jetzt hat der EuGH mit dem Präklusionsurteil noch einen Brocken auf den Tisch gelegt. Der Gesetzgeber muss sich also fragen: Muss ich nicht auch gleich die Präklusionsfrage miterledigen? Je länger er wartet desto größer werden die Probleme in der Praxis werden. Ich plädiere also dafür, dass der Gesetzgeber das jetzt endlich angeht. Daher meine Frage an das Podium: Liegt nicht schon genug am Tisch, damit der Gesetzgeber hier die notwendige Klarheit schaffen kann? Kresbach Also unglaublich, wieviel man noch lernen kann von den vier Vortragenden, obwohl man dachte – so wie ich – dass wir uns schon eingehend mit den ganzen Entscheidungen befasst haben. Herzlichen Dank für die wunderbaren Darstellungen. Ich habe eine Frage zu stellen. Eine Frage, die sozusagen wieder ins Ausland führt und auf die Präklusionsentscheidung, auf die ich mich beziehen möchte. Hat diese Präklusionsentscheidung oder die Frage, ob ich sozusagen gleichsam potentielle Parteien, die sich im Verwaltungsverfahren nicht beteiligt haben, dann aber als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Beschwerde erheben wollen, berücksichtigen muss, hat das auch Auswirkungen auf die ausländischen potentiellen Parteien eines österreichischen Verfahrens? Also nehmen wir an, es gab ein Espoo-Verfahren zu einem UVP-Verfahren, es wurde notifiziert etc. Das ganze Prozedere hat stattgefunden, aber da hat sich nie jemand gemeldet als Partei. Aber plötzlich kommt dann die Entscheidung, die wird wo kundgemacht? Vielleicht in Österreich oder so? Und die ausländische NGO erhebt dann Beschwerde – ist das denkbar? Wäre das sinnvoll? Also ich frage Sie. Altenburger Ich würde die Frage gern an Dich, Bettina, geben, Du hast Dich ja mit den einzelnen Säulen von Aarhus beschäftigt, ob die Konvention auch die ausländische betroffene Öffentlichkeit erfasst oder eine NGO. Bachl Ja, also für die ausländische betroffene Öffentlichkeit habe ich es mir noch nicht so im Detail überlegt – ich meine, ob es sinnvoll wäre – es ist jetzt eine ganz schwierige Frage, ich glaube die Entscheidung ist wohl eher, ob es sein muss. Und ich meine, bei den NGOs wird es am schlagendsten sein. Bei Nachbarn ist zu fragen, ob sie überhaupt betroffen sein können – ja, bei grenznahen Verfahren vielleicht, aber eher selten. Aber bei den NGOs wird man wahrscheinlich nicht drum herum kommen. Aber ich habe mir das noch nicht genau durchüberlegt.
Altenburger Aber ich denke an 380-KV-Leitung länderübergreifend Kötschach-Mauthen – wo man sagt, der Anwendungsbereich der RL ist weit und es ist egal, in welchem Land das Vorhaben zu liegen kommt. In diesem Sinn wird man auch sagen müssen, die betroffene Öffentlichkeit kann natürlich auch jenseits der Grenze sein – würde ich meinen. Netzer Ich danke Herrn Wessely für seine Anmerkung zur Entscheidung. Wiewohl ich mich mit dem Herrn Rehm zutiefst einig weiß, bezüglich seiner Bedenken, wie die reale Verfahrensführung im UVPVerfahren läuft – ich glaube, das ist ganz schlechte Projektkultur, wenn man den Parteien – den Nebenparteien – am Ende eines UVP-Prozesses mit der Kundmachung des UVP-Gutachtens erst quasi das Fleisch hinwirft, und dann jetzt friss oder stirb und sagt, jetzt hast du deine verfahrensrechtlich vorgesehenen Fristen und dann – in der Zeit – musst du dich wehren. Das funktioniert nicht, das haut nur das Verfahren zusammen. Das tut dem Verfahren von der Qualität her nicht gut und ist auch schlecht für alle Beteiligten. Gleichzeitig wie ich die Judikatur des EuGHs gelesen habe und das Schreckliche ist hier aufgeschrieben gewesen von einem gut informierten Projektgegner, der es vorzieht, das gesamte Verfahren über schweigend, bestinformiert in der Verhandlung zu sitzen und sich dann unter Umständen noch entscheidet, er wartet überhaupt bis zur Beschwerde ab, bis er etwas tut. Das ist für uns ein reales Bedrohungspotential. Ich muss es ganz offen sagen, ich würde darum den Gedanken von Wolfgang Rehm doch sehr gerne aufgreifen wollen und verbinden mit der Frage, ob es nicht zulässig wäre, die Präklusion dadurch zu stärken, dass man sagt, eine Partei, die nachweislich das effektive Recht hatte, im erstinstanzlichen Verfahren teilzunehmen, sich zu informieren und Einwendungen zu erheben, ist auch verpflichtet, diese Einwendungen auch der erstinstanzlichen Behörde zur Verfügung zu stellen und deren Entscheidung auch entsprechend eine Unterlage zu bieten. Eine Partei, die das nicht tut, trotz dieses nachweislich und effektiv gegebenen Einwendungsrechtes, Einwendungen zu erheben, der ist tatsächlich ein Missbrauchsverdacht entgegenzusprechen. Wessely Wie gesagt, ich glaube nicht, dass man das EuGH-Urteil so interpretieren kann, nachdem eben die Bestimmung in § 2 Abs 3 Umweltrechtbehelfsgesetz haargenau das anordnet: Wenn er also eine Gelegenheit hatte und nichts gesagt hat, dann ist er „draußen“. Die Beschwerdevorentscheidung wäre durchaus eine verlockende Geschichte. Der Haken ist nur, dass es sich um eine „Kann-Bestimmung“ handelt. Im Bereich UVP-G habe ich die Erfahrung nicht – außerhalb schon. Und außerhalb halten sich Beschwerdevorentscheidungen schwer in Grenzen, also die Begeisterung der Behörden ist da sehr, sehr gering. Nach dem Motto: „Hauptsache es ist weg“. Und aus Sicht des Verwaltungsrichters hätte ich das Bedenken, dass ich das Verfahren gleichsam nochmals führen müsste. Anmerken möchte ich schließlich, dass das Geld kostet und es jemand zahlen muss – das muss auch klar sein. Netzer Ad hoc: Das würde natürlich das gesamte erstinstanzliche Verfahren und auch den Bescheid der Verwaltungsbehörde zu einem unverbindlichen Serviervorschlag entwerten und zur Folge haben, dass die eigentlich rechtsrelevante Verfahrensführung im Hinblick auf Parteienvorbringen und Einwendungen erst vor den Verwaltungsgerichten stattfindet. Wessely Ja ist so, aber anders, wie gesagt, es müsste innerhalb der Verwaltung eine Art Instanzenzug sein. Nachdem es den nicht geben darf, müsste es eine Art remonstratives Rechtsmittel – wie wir es etwa im
Bereich Vorstellung im § 57-Bescheid haben; das wäre denkbar. Das kann man machen und sagen: Bitte, das musst du machen und bevor das nicht über die Bühne ist, darfst du nicht zu Gericht. Hätte zwei Vorteile: 1. die Behörde schaut es sich vielleicht doch ein zweites Mal an und 2. die Gerichte müssen nicht mehr alles nochmal spielen. Das wäre ein Ansatz. Nur das ist derzeit jedenfalls nicht machbar, da bräuchte man eine gesetzliche Änderung, die ist aber denkbar. Altenburger Doz Wessely hat genau den Punkt erwähnt, bei dem ich auch einhaken wollte. Die Beschwerdevorentscheidung ist natürlich nur remonstrativ und nicht mit gerichtlichem Rechtsschutz gemeint. Aber wenn man natürlich sagt, man muss ein Beschwerdevorentscheidungsverfahren zwingend durchlaufen, dann könnte ich zumindest jene Fälle abmildern, in denen sich eine Person im behördlichen Fall gar nicht gemeldet hat, nun aber Beschwerde erheben will und umfassend vorbringt. Das hätte auch den Charme, dass auch die Behörde die Möglichkeit und die Verpflichtung hätte, ihren Bescheid zu vervollständigen. Fakultativ ist das jetzt schon möglich. Aber wenn es nicht zwingend ist und nachträglich auftretende Projektgegner werden in Zukunft die Regel – das weiß man noch nicht – müsste man überlegen, eine entsprechende Verpflichtung vorzusehen, weil es nicht Sinn des Gerichtsmodells ist, dass wesentliche Tatsachenfeststellungen ins gerichtliche Verfahren verschoben werden. Meyer Darf ich noch eine Anmerkung machen, bevor wir jetzt ganz fantasievoll werden? Das beste Mittel, sich vor Anfechtungen zu schützen, ist ein guter Bescheid. Man tut immer so als wäre im Genehmigungsverfahren bloß über Einwendungen zu entscheiden. Die Behörde muss aber schon amtswegig eine sehr gute Entscheidung über den Projektantrag treffen. Ich kann ja mit einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht immer nur das Gesetz geltend machen, das auch die Entscheidungsgrundlage der Behörde ist. Es ist vielleicht naiv, das in Erinnerung zu rufen, aber das gilt es bei allen Lösungen auch mit zu bedenken. Altenburger Das ist völlig richtig, Marlies, du sprichst den Grundsatz der Offizialmaxime und der materiellen Wahrheit an, die Behörde muss eh alles prüfen und alles richtig machen und wenn sie das macht, besteht keine Gefahr. Der Projektwerber muss sich aber – wenn es keine Präklusion oder keine Beschneidung des Beschwerderechts gibt – natürlich vollumfänglich mit allen vorgebrachten Punkten auseinandersetzen. Ebenso das Bundesverwaltungsgericht oder die Landesverwaltungsgerichte, je nachdem, wo es hingeht. Allein dadurch hast du schon einen erheblichen Aufwand. Die Erfahrung zeigt auch, dass Projektgegner keinesfalls aufgrund eines guten Bescheids von einer Beschwerde Abstand nehmen, sondern im Gegenteil nach dem Motto "wie es die Behörde gemacht hat, ist es falsch" stets anfechten. Dh die Hoffnung, dass ein guter Bescheid Beschwerden verhindert, erfüllt sich nur selten. Da kann man auch Wolfgang Rehm fragen, wobei du, Wolfgang, wahrscheinlich sagen wirst, du hast noch keinen guten Bescheid gesehen. Klar kann man kann viel Wind aus den Segeln nehmen, wenn man sich ernsthaft mit dem Bedenken der Bevölkerung auseinandergesetzt hat. Aber wenn man natürlich sagt, diese Bedenken müssen nicht mal geäußert werden im behördlichen Verfahren, sondern die Öffentlichkeit hat ein Beschwerderecht völlig losgelöst von der Parteistellung im behördlichen Verfahren, dann muss man auch erkennen, dass der Fantasie, welche Bedenken Betroffene, die sich nicht gemeldet haben, allenfalls haben können und erst im Rahmen der Beschwerde vorbringen werden, teilweise auch Grenzen gesetzt sind. Weder Sachverständige, noch Behörden können alle Ideen bzw Bedenken, die
Betroffene hegen, von sich aus – ohne entsprechenden Input der Betroffenen – abdecken. Es ist daher allemal besser, wenn man die Betroffenen bereits zur Mitwirkung im behördlichen Verfahren bewegt; nur dann kann man den Sachverhalt umfassend klären. Oft sind beispielsweise Nutzungen und Gewohnheiten Betroffener, die vermeintlich beeinträchtigt werden, gar nicht bekannt. Petek Ich habe nicht gemeint, dass man bei beiden EuGH-Urteilen, „Gruber“ und Präklusion, mit legistischer Umsetzung warten soll. Zur Frage der Präklusion glaub ich, dass man darüber nachdenken und diskutieren muss, was man da wirklich will und nicht überhastet eine gesetzliche Regelung vornehmen soll, vor allem im UVP-G. Die Präklusion steht im AVG und gilt also allgemein für Verwaltungsverfahren und Regelungsbedarf sehe ich eher im Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte. Zur Frage „Gruber“ glaube ich schon, dass man etwas machen kann, da ist jetzt die Gesetzgebung am Zug. Und es gibt hier Bestrebungen, bereits in der in parlamentarischer Behandlung befindlichen UVP-G-Novelle im Zuge des Energie-Infrastrukturgesetzes zur Umsetzung der EU-TEN-E-VO Nr. 347/2013 möglicherweise eine Regelung vorzunehmen. Wenn sie dort nicht kommt, gibt es noch eine weitere Möglichkeit bei der in Vorbereitung befindlichen UVPGesetznovelle zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie. Altenburger Zu dem was Sie gesagt haben, muss man natürlich noch festhalten: das UVP-G ist nicht das einzige betroffene Umweltverfahren. Wenn man es materienrechtlich ändern wollte, dann müsste man jeweils Sonderverfahrensbestimmungen aufnehmen. Die Alternativen wären die Regelung im AVG oder eben wie in Deutschland in einem eigenen „Umweltrechtsbehelfsgesetz“, wo man dann sagt, dort erfasst man die Präklusionsbestimmungen, Beschwerdemöglichkeiten etc für alle Verfahren, die von der Aaruhs-Konvention bzw Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie betroffen sind. Rehm Weil ich persönlich angesprochen worden bin, würde ich sagen, ich habe etwa den Bescheid X gesehen. Und da will ich das eine nach der formalen Qualität beurteilen und das andere mit dem Verfahrensverlauf erklären, ich glaube, das ist das Zentrale: nämlich, wenn im Verfahrensverlauf, die Verfahrensparteien irgendwie, wenn auf die nicht eingegangen worden ist oder nur sehr formal oder sehr oberflächlich, dann erhöht das aus meiner Sicht und meiner Erfahrung die Bereitschaft eine Beschwerde zu machen. Wenn die das Gefühl haben, sie sind gegen eine Wand gelaufen, man hat sich jetzt hier nicht wirklich damit (mit ihren Vorbringen) auseinandergesetzt. Es kommt dann auch darauf an, wie gut der Bescheid vom Inhalt geschrieben ist. Gibt er den Verfahrensverlauf wieder oder nicht? Sind die wesentlichen Grundlagen für die Entscheidung schon vorher festgestanden?