LexisNexis ZFR - Zeitschrift für Finanzmarktrecht

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1/2023

S. 1–52, ART.-NR. 1–27

Jänner 2023

Herausgeber: Olaf Riss, Martin Winner, Rainer Wolfbauer

BEITRÄGE

»Bianca Alina Schranz : Die neue RL zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und die Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat

»Thomas Jaeger : Zentralbanken im Dienst der Politik?

» Klaus Markowetz: Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft: Depurierungsauftrag bei unterschiedlich (hoch) belasteten Anteilen

JUDIKATUR

» VfGH: Qualifizierter Verstoß des VersVG gegen Unionsrecht: Zur Staatshaftung des Bundes Sollzinsenfreies COVID-19-Kreditmoratorium ist verfassungskonform

»VwGH : Beiträge an den SRF für 2017 – erneute Zurückverweisung an das BVwG

»BVwG : Fehlende Beschwer bei auftragsgemäßer Geschäftsleiter-Abberufung

AKTUELLES

» Neue Rechtsakte zum Jahreswechsel

zfr.lexisnexis.at Österreichische Post AG, PZ 21Z042595 P, LexisNexis, 1020 Wien, Trabrennstraße 2A, ISSN 1996-2401

Sustainability Law

Das Recht der Nachhaltigkeit

Das Werk bietet Lösungsansätze für einige der wesentlichen neuen Fragestellungen, die sich aus den Anforderungen des Nachhal gkeitsrechts ergeben.

Das Buch richtet sich an Rechtsanwender:innen, die sich mit nachhal gkeitsrechtlichen Fragestellungen in der juris schen Praxis auseinandersetzen wollen, wie auch an all jene, die an einer Gesamtsicht dieser spannenden Entwicklung der Nachhal gkeit in einem rechtlichen Kontext interessiert sind.

Für einen systema schen Überblick über die breit gefächerten Berührungspunkte von Nachhal gkeit und Recht.

Die Herausgeberin: BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH

Preis: € 56,–Wien 2022 | 288 Seiten Best.-Nr. 97157001 ISBN 978-3-7007-8333-6

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Weil

EDITORIAL

Moratoriumszinsen – des Dramas letzter Akt

»ZFR 2023/1

Der Jahreswechsel 2022/2023 verlief für zumindest 441 inländische Kreditinstitute nicht so harmonisch, wie erhofft: Wegen eines am 30. 12. 2022 (dem letzten Werktag des abgelaufenen Kalenderjahres und damit an einem für die Veröffentlichung einer hg E doch recht ungewöhnlichen Datum) verbreiteten Erk des VfGH1 blieben womöglich so manchem Banker die Weihnachtskekse im Halse stecken. Getreu dem Motto „glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist“ konnte man die letzten Brösel dann aber am Tag danach mit einem Schluck Schaumwein hinunterspülen und seine Sorgen kurzfristig beiseiteschieben. Angesichts des vom VfGH gewählten Zeitpunkts – wie man in Ö so schön sagt – „zwischen den Feiertagen“ gingen die Medienmeldungen über die Botschaft, dass das „zinsenfreie COVID-19Kreditmoratorium“ in der vom OGH judizierten Ausprägung2 verfassungskonform ist, in der Öffentlichkeit ein wenig unter.

Der VfGH wies also mit seinem Erk die Verfassungsbeschwerde ab, die 441 Banken in einem seltenen Schulterschluss gemeinsam eingebracht hatten,3 um Teile des § 2 2. COVID-19-JuBG juristisch zu Fall zu bringen. Dem Vernehmen nach hatten sich die Banken aber bereits gegen diese dunklen Wolken gerüstet und nach dem deutlichen OGH-Urteil bereits Rückstellungen für die allfällige Refundierung vereinnahmter Sollzinsen gebildet. Was lässt sich nun bei genauerem Hinsehen zu diesem Erk sagen?

Das Erk des VfGH beruht zu einem wesentlichen Teil darauf, dass einige Gesichtspunkte die – von ihm grds bejahte – Erheblichkeit des Eigentumseingriffes relativieren (können).4 Maßgeblich für seine Einschätzung ist ua der von ihm im Laufe des Verfahrens festgestellte Umstand, dass die österr Kreditwirtschaft Stundungen kulant gewährt habe, indem die Kreditgeber Zahlungsfristen häufig ohne vertiefte Prüfung der individuellen Situation des Kreditnehmers aufschoben. Diese Argumentation vermengt jedoch den Normeninhalt mit dessen Umsetzung in der Rechtswirklichkeit durch die Normadressaten und erscheint daher fragwürdig: Die Intensität eines Grundrechtseingriffs sollte vielmehr stets anhand der Ermittlung des Normeninhalts selbst beurteilt werden, nicht anhand von realen Umsetzungsakten, die vielleicht rechtsirrig oder gar nicht aus rechtlichen, sondern aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen erfolgen.

Haben sich die Banken nun durch ihr kundenfreundliches Verhalten ins eigene Knie geschossen? Nach unserer Einschätzung vielleicht deshalb nicht, weil die Kundenzufriedenheit der mit einer

1 VfGH 13. 12. 2022, G 174/2022 ZFR 2023/8, 27 (unten in diesem Heft).

2 Erstmals OGH 3 Ob 189/21x ZFR 2022/42, 83. Hierzu krit Winner/Wolfbauer, Long COVID für Banken – Stundung ohne Zinsen, ZFR 2022/32, 53.

3 Winner/Wolfbauer, Moratoriumszinsen – der große Showdown, ZFR 2022/107, 209.

4 ErwGr 59–64 des Erk.

unbürokratischen Stundung bedachten Kreditnehmer langfristig höher wiegen könnte als die für maximal zehn Kalendermonate entgangenen Sollzinsen. Dazu kommt das enorme Potenzial an Rechtsstreitigkeiten, dem die Kreditwirtschaft durch ein ungeprüftes „Durchwinken“ von Stundungsanträgen entkommen ist, ganz abgesehen vom hohen operativen Aufwand und Papierkrieg, den eine lückenlose Überprüfung der materiellen Voraussetzungen des § 2 2. COVID-19-JuBG in zehntausenden Fällen innerhalb kürzester Zeit – noch dazu unter Lockdown-Modus (!) – erfordert hätte.

Mit letzterer Überlegung schließt sich allerdings wieder der Kreis zur Verhältnismäßigkeit des gegenständlichen Grundrechtseingriffs: Der VfGH geht nämlich der Frage aus dem Weg, inwiefern man überhaupt noch von einer zu relativierenden Eingriffsintensität der Maßnahme sprechen kann, wenn – so wie hier – der Gesetzgeber zwar enge, nur unscharf umgrenzte materielle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Stundung definiert, diese aber auf Ebene der Kreditinstitute zu einem enormen Prüfungs- und Dokumentationsaufwand5 und – im Falle einer negativen Entscheidung – zu einem nicht unerheblichen Rechtsrisiko der Banken führen.

Einen schalen Beigeschmack hinterlässt das Erk aber auch, weil der VfGH sämtliche Überlegungen im Hinblick auf „gelindere, zur Zielerreichung geeignete Mittel“ ausklammert: Wäre es nicht ein ebenso geeigneter, aber jedenfalls weniger intensiver Eingriff gewesen, wenn die begünstigten Kreditnehmer die für den Stundungszeitraum anfallenden Zinsen zu einem späteren Zeitpunkt –nämlich nach Normalisierung der wirtschaftlichen Lage – zu entrichten hätten? Mit keinem Wort geht die E auf die Frage ein, warum das öffentliche Interesse nur durch eine vollständige und endgültige Befreiung der Kreditnehmer von der Zinszahlungspflicht erreicht werden kann und inwieweit ein weniger intensiver Eingriff – bspw eine Zinszahlung zum Laufzeitende oder durch geringfügig höhere Raten nach Auslaufen des Stundungszeitraums –vielleicht ebenso zur Zielerreichung geeignet gewesen wäre. Indem der VfGH das „gelindere Mittel“ nicht einmal erwähnt, wird er seiner eigenen langjährigen Rsp untreu.

Die Banken haben nach dem Erk des VfGH jedenfalls zu rechnen begonnen und teilweise eigene Taskforces zur Abwicklung der zahlreichen Refundierungsaufforderungen gebildet. Long COVID als Folge des ominösen Virus ist also ein Leiden, an dem auch Banken laborieren können.

5 Vgl nur bspw § 2 Abs 5 2. COVID-19-JuBG, wonach der Kreditgeber dem Verbraucher ein Gespräch über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten soll –bei zehntausenden Stundungsersuchen wohl eine enorme logistische und personelle Herausforderung.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 1 ART.-NR.: 1

ZFR 1/2023

18. Jahrgang, Jänner 2023

EDITORIAL Moratoriumszinsen – des Dramas letzter Akt

Ende Dezember 2022 hat der VfGH ausgesprochen, dass das 10-monatige zinsenfreie COVID-Kreditmoratorium in der vom OGH judizierten Ausprägung verfassungskonform ist. Das Erkenntnis lässt jedoch Fragen offen und wird daher im Editorial des Jänner-Hefts der ZFR kritisch beleuchtet.

BEITRÄGE

Bianca Alina Schranz: Die neue Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und die Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat

Die RL zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) wurde am 16. 12. 2022 im ABl veröffentlicht. Die RL bezweckt die Offenlegung von besseren Daten über die Nachhaltigkeitsrisiken, denen Unternehmen ausgesetzt sind, sowie von Informationen über deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Sparer, Anleger und Akteure aus der Zivilgesellschaft sollen dadurch Zugang zu Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen erhalten. Für Unternehmen soll damit ein größerer Anreiz geschaffen werden, nachhaltige unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Pflichten, die in diesem Zusammenhang den Vorstand und Aufsichtsrat treffen.

JUDIKATUR IM FOKUS

1

4

Thomas Jaeger: Zentralbanken im Dienst der Politik?

11 Zentralbanken sind in besonderem Maße der Gefahr politischer Einflussnahme ausgesetzt und könnten leicht zu Handlangern der Politik werden. Dagegen und gegen Eingriffe in ihre grundlegenden Funktionsgarantien sichert sie das Unionsrecht in gewissem Umfang ab. Der Beitrag diskutiert diese Garantien und die damit verbundenen Grenzen mitgliedstaatlicher Gestaltungsfreiheit hinsichtlich ihrer Zentralbanken am Beispiel eines aktuellen slowenischen Falles.

EuGH 13. 9. 2022, C-45/21: Zum Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten

Klaus Markowetz: Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft: Depurierungsauftrag bei unterschiedlich (hoch)

Eine aktuelle E beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Depurierungsauftrag, also ein Auftrag zur Lastenfreistellung, seit der EONov 2000 (noch) zulässig ist. Der OGH folgt der Argumentation der verpflichteten Partei und bejaht eine solche Zulässigkeit. Ziel dieses Beitrags ist es, die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags (rechtlich) zu begründen; eine (eigenständige) gesetzliche Grundlage dafür besteht jedenfalls nicht. OGH 8. 9. 2022, 3 Ob

JUDIKATUR

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19

zfr.lexisnexis.at 2
belasteten Anteilen
Depurierungsauftrag
Exekutionsverfahrens
Zivilteilung 23
123/22t:
im Rahmen eines
auf
VfGH Qualifizierter Verstoß des VersVG gegen Unionsrecht: Zur Staatshaftung des Bundes 25 Das sollzinsenfreie COVID-19-Kreditmoratorium ist verfassungskonform 27 VwGH »AUFSICHTSRECHT Beiträge an den SRF für 2017: Erneute Zurückverweisung an das BVwG (Anm R. Wolfbauer) 31

REZENSION

zfr.lexisnexis.at 3 INHALTSVERZEICHNIS OGH »GESELLSCHAFTSRECHT Kreditdeckung zugunsten eines Dritten ist keine verbotene Einlagenrückgewähr zugunsten des Minderheitsgesellschafters 33 »VERSICHERUNGSRECHT Übergang von Regressansprüchen des Treuhänders auf dessen Haftpflichtversicherung 34 BVwG »AUFSICHTSRECHT Verspätete Beschwerde gegen Bescheid der FMA infolge Einlangens per E-Mail nach Ende der Amtsstunden 36 Zurückweisung von Beschwerden bei auftragsgemäßer Geschäftsleiter-Abberufung (Bestätigung der Rechtsprechung) 37 Beiträge zum SRF für 2017: Erneut aufschiebende Wirkung für Amtsrevision der FMA (Anm R. Wolfbauer) 39 AKTUELLES (Rainer Wolfbauer) Aktuelle Gesetzesvorhaben 41 Technische Regulierungsstandards der Kommission für die Zulassung von Kreditinstituten 42 Offenlegung von ESG-Risiken: Kommission erlässt ITS 42 Neue EBA-Leitlinien zum SREP und zu aufsichtlichen Stresstests 43 EBA ändert die Leitlinien über die Offenlegung von notleidenden und gestundeten Risikopositionen 44 Änderung der EBA-Leitlinien zur Festlegung und Offenlegung von Indikatoren für die globale systemische Relevanz 45 Leitlinien der EBA zu Vergütungspraktiken und zum Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern 45 Änderung der Kapitalpuffer-Verordnung 2021 46 Erneute Verlängerung der Erleichterungen bei der Online-Identifikation 47 Anpassung der Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung 2018 an das PEPP 48 Änderung der CRR-Begleitverordnung 49 Änderung der Versicherungsunternehmen Meldeverordnung 2020 50
Hermann Wilhelmer: Berufshaftpflichtversicherung. Zur Haftungsvorsorge rechts- und wirtschaftsberatender Berufe (Stefan Perner) 51 Impressum 52

BEITRÄGE

»ZFR 2023/2

Die RL zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive –CSRD) wurde am 16. 12. 2022 im ABl veröffentlicht und ist innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen.2 Ziel ist die Bereitstellung von besseren Daten über die Nachhaltigkeitsrisiken, denen Unternehmen ausgesetzt sind, sowie von Informationen über ihre eigenen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Dadurch sollen insb Sparer, Anleger und Akteure aus der Zivilgesellschaft Zugang zu Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen erhalten. Für Unternehmen soll damit ein größerer Anreiz geschaffen werden, nachhaltigere unternehmerische Entscheidungen zu treffen.3 In diesem Zusammenhang treffen den Vorstand und den Aufsichtsrat umfassende Pflichten.

1. Einleitung

Durch die Neuerungen der CSRD, jedoch auch aufgrund der Verpflichtungen durch die TaxonomieVO4 und die DisclosureVO5 treffen die Unternehmen in den nächsten Jahren zahlreiche neue regulatorische Anforderungen. Die CSRD sieht eine Ausweitung der berichtspflichtigen Unternehmen sowie umfassendere inhaltliche Berichtspflichten vor. Zudem soll die Kom einheitliche europäische Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erlassen. Der Zeitpunkt der erstmaligen Berichterstattung ist stu-

1 Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Autorin wieder.

2 Art 5 CSRD, RL des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der VO (EU) Nr 537/2014 und der RL 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen; ABl L 322/15 vom 16. 12. 2022.

3 ErwGr 9 ff CSRD.

4 VO (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. 6. 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der VO (EU) 2019/2088, ABl L 198/13 vom 22. 6. 2020.

5 VO (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 11. 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, ABl L 317/1 vom 9. 12. 2019.

fenweise geregelt, wobei die ersten Nachhaltigkeitsinformationen im Lagebericht für das Berichtsjahr 2024 aufzunehmen sind. Der Beitrag wird kurz auf die Neuerungen und anschließend auf die Rolle des Vorstands und des Aufsichtsrats betreffend die Nachhaltigkeitsberichterstattung eingehen.

2. Änderungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die CSRD

Die RL über die nichtfinanzielle Berichterstattung (Non-Financial Reporting Directive – NFRD),6 welche bestimmte große Unternehmen dazu verpflichtet, Angaben zu nichtfinanziellen und die Diversität betreffenden Informationen offenzulegen, ist bereits seit 2014 in Kraft und wurde in Ö im Jahr 2016 durch das NaDiVeG umgesetzt.7 Die CSRD als Nachfolgerin der NFRD sieht einige Änderungen vor, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen.

2.1. Berichtspfl ichtige Unternehmen

Bislang erfasste die NFRD große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitern.8 Zukünftig haben alle großen Unternehmen die Berichtspflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gem Art 19a Abs 1 BilanzRL9 zu erfüllen. Diese richtet sich zudem an alle kleinen und mittleren Unternehmen von öffentlichem Interesse iSd Art 2 Abs 1 lit a BilanzRL (§ 189a Z 1 lit a UGB), das sind Emittenten von Wertpapieren, die zum

6 RL 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der RL 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen in Gruppen, ABl L 220/1 vom 15. 11. 2014.

7 Bundesgesetz, mit dem zur Verbesserung der Nachhaltigkeits- und Diversitätsberichterstattung das UGB, das AktienG und das GmbHG geändert werden (Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz), BGBl I 2017/20.

8 Vgl Art 1 Abs 1 NFRD; Art 19a Abs 1 BilanzRL aF.

9 RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 6. 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der RL 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der RL 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl L 182/19 vom 29. 6. 2013.

zfr.lexisnexis.at 4 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 2
Die neue Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und die Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat

Handel an einem geregelten Markt in der EU zugelassen sind, mit der Ausnahme von Kleinstunternehmen. Art 3 Abs 4 BilanzRL (§ 221 Abs 3 UGB) definiert als große Unternehmen diejenigen, die am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei folgenden Größenmerkmale überschreiten: Bilanzsumme: 20,000.000 €; Nettoumsatzerlöse: 40,000.000 €; durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: 250. Der Anwendungsbereich umfasst somit alle großen Unternehmen auch dann, wenn diese keine Unternehmen von öffentlichem Interesse sind, also va nicht auf einem geregelten Markt in der EU notieren. Außerdem weitet Art 1 Abs 3 lit a und b BilanzRL den Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichtspflicht auf Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen aus, sofern es sich um große Unternehmen oder KMU von öffentlichem Interesse iSd Art 2 Abs 1 lit a BilanzRL handelt, unabhängig von der jeweiligen Rechtsform. Dazu zählen auch Genossenschaftsbanken, Versicherungsunternehmen auf Gegenseitigkeit oder Sparkassen, sofern sie die Größenkriterien erfüllen.10

Gem dem neuen Art 19a Abs 7 BilanzRL können KMU von öffentlichem Interesse beschließen, die geforderten Informationen für Geschäftsjahre, die vor dem 1. 1. 2028 beginnen, nicht in ihren Lagebericht aufzunehmen, müssen dies aber im Lagebericht begründen. Nach Art 19a Abs 6 UAbs 1 BilanzRL können sich kapitalmarktorientierte KMU, kleine und nicht komplexe Institute sowie firmeneigene (Rück-)Versicherungsunternehmen als Erleichterung auf bestimmte Informationen beschränken. Machen sie von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch, so dürfen sie nach den vereinfachten Standards gem Art 29c BilanzRL berichten. Tochterunternehmen sind gem Art 19a Abs 9 BilanzRL von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung befreit, sofern diese in die konsolidierte Nachhaltigkeitsberichterstattung des Mutterunternehmens einbezogen werden und diese gem Art 29 und Art 29a BilanzRL erstellt wird. Zudem unterliegen Drittlandunternehmen, die in der EU einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio € erzielen und über ein Tochterunternehmen oder eine Zweigniederlassung im Gebiet der Union verfügen, den Anforderungen der CSRD.11

2.2. Inhalte der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Der neue Art 19a Abs 2 BilanzRL legt fest, welche Art von Informationen Unternehmen offenzulegen haben, und ist wesentlich umfangreicher und spezifischer als zuvor. Ein Unternehmen ist demnach verpflichtet, Folgendes offenzulegen:12

 eine kurze Beschreibung über Geschäftsmodell und Strategie;

 eine Beschreibung der gesetzten zeitgebundenen Nachhaltigkeitsziele;

 die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs-, und Aufsichtsorgane iZm Nachhaltigkeitsaspekten sowie deren Fachwissen und Fähigkeiten zur Wahrnehmung dieser Rolle;

 eine Beschreibung der Unternehmenspolitik hinsichtlich Nachhaltigkeit;

 Angaben über das Vorhandensein von mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpften Anreizsystemen, die Mitgliedern der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane angeboten werden;

 eine Beschreibung des mit Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte durchgeführten Due-Diligence-Prozesses; der wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit des Unternehmens und mit seiner Wertschöpfungskette verknüpft sind; der Maßnahmen zur Ermittlung und Überwachung dieser Auswirkungen und anderer negativer Auswirkungen sowie eine Beschreibung jeglicher Maßnahmen zur Verhinderung, Minderung, Behebung oder Beendigung dieser Auswirkungen und deren Erfolg;

 eine Beschreibung der wichtigsten Risiken, denen das Unternehmen iZm Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist, einschließlich der wichtigsten Abhängigkeiten in diesem Bereich und die Handhabung dieser Risiken;

 Indikatoren, die für die oben genannten Offenlegungen relevant sind. Zudem ist über den Prozess der Ermittlung dieser Informationen zu berichten.

Nachhaltigkeitsaspekte definiert die CSRD als Umwelt-, Sozialund Menschenrechtsfaktoren sowie Governance-Faktoren, einschließlich Nachhaltigkeitsfaktoren iSd Art 2 Nr 24 DisclosureVO,13 dh Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung sowie Governance-Faktoren.14

Von zentraler Bedeutung für die Identifi zierung der o ffenzulegenden Informationen ist das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit . Demnach hat das Unternehmen sowohl darüber zu berichten, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf seinen Geschäftsverlauf, sein Geschäftsergebnis und seine Lage auswirken („Outside-in-Perspektive“), als auch über Informationen, die notwendig sind, um zu verstehen, welche Auswirkungen die Tätigkeiten des Unternehmens im Hinblick auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung („Inside-out-Perspektive“) haben.15 Durch die CSRD und die festzulegenden Standards für die Berichterstattung soll dieses Prinzip präzisiert werden, um Unklarheiten darüber auszuräumen, welche Art von Informationen Unternehmen bereitstellen sollten.16

10 ErwGr 27 CSRD.

11 Art 40a BilanzRL; ErwGr 20 CSRD.

12 Vgl im Detail die konkreten Informationsanforderungen in Art 19a Abs 2

lit a–h BilanzRL.

13 VO (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, ABl L 317/1 vom 9. 12. 2019.

14 Vgl Art 2 Nr 17 BilanzRL.

15 Art 19a Abs 1, Art 29a Abs 1 BilanzRL; ErwGr 29 CSRD.

16 ErwGr 37, 38, 39 CSRD.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 5 BEITRÄGE
ART.-NR.: 2

2.3. Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Art 29b BilanzRL sieht vor, dass die Kom EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Form von delegierten Rechtsakten erlässt. Ziel der Standards ist die Präzisierung der Informationen, die Unternehmen zu Umweltfaktoren, Sozialund Menschenrechtsfaktoren und Governance-Faktoren offenlegen müssen. Bisherige Erfahrungen bei der nichtfinanziellen Berichterstattung in Ö haben gezeigt, dass insb die Wesentlichkeitsanalysen der berichtspflichtigen Unternehmen große Heterogenität aufweisen, da einheitliche Standards nicht vorliegen. Eine Orientierung erfolgte bislang an Leitlinien der Nachhaltigkeitsberichterstattung, va an den GRI-Standards.17 Der neue Art 29b Abs 2 BilanzRL legt die zu präzisierenden Inhaltsbereiche der europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards fest.

Die ersten Standards soll die Kom bis zum 30. 6. 2023 verabschieden und spezifizieren, welche Informationen im Einklang mit Art 19a und Art 29a BilanzRL zu melden sind. Die entsprechenden Entwürfe der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) liegen bereits vor.18 Die zweiten Standards sind bis zum 30. 6. 2024 zu erlassen und legen ergänzende und sektorspezifische Informationen fest. Gem Art 19c BilanzRL sollen bis 30. 6. 2024 eigene Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU festgelegt werden.

2.4. Ort und Format der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die Nachhaltigkeitsinformationen müssen nunmehr gem Art 19a Abs 1 BilanzRL verpflichtend in einem dafür vorgesehenen Abschnitt im Lagebericht bereitgestellt werden und klar erkennbar sein. Nach Art 33 Abs 1 BilanzRL liegt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erstellung der Dokumente bei den Mitgliedern der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane als gemeinsame Aufgabe. Die Offenlegung hat nach Art 30 Abs 1 BilanzRL innerhalb einer angemessenen Frist, die 12 Monate nach dem Bilanzstichtag nicht überschreiten darf, zu erfolgen.

Nach dem vorgeschlagenen Art 29d BilanzRL sind der Jahresabschluss und der Lagebericht in einem einheitlichen elektronischen Berichtsformat (XHTML-Format) gem Art 3 DelVO (EU) 2019/81519 mit entsprechender Kennzeichnung der Nachhaltigkeitsinformationen, einschließlich der Offenlegungen nach Art 8 TaxonomieVO, zu erstellen. Es hat ein sog „Tagging“ zu

17 Baumüller/Niklas/Wieser, Entwicklungen und (weiterer) Handlungsbedarf in der Praxis der nichtfinanziellen Berichterstattung, CFO aktuell 2020, 13 (15).

18 Vgl die ersten Entwürfe zum ersten Set an Standards: https://www. efrag.org/lab6?AspxAutoDetectCookieSupport=1, zuletzt abgerufen am 29. 11. 2022.

19 DelVO (EU) 2019/815 der Kom zur Ergänzung der RL 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Spezifikation eines einheitlichen elektronischen Berichtsformats, ABl L 143/1 vom 29. 5. 2019.

erfolgen, damit die Berichtsinformationen maschinenlesbar und dadurch effizienter zu verwerten sind.20

2.5. Abschlussprüfung

Nach der NFRD musste die nichtfinanzielle Berichterstattung vom Abschlussprüfer lediglich auf Vorhandensein geprüft werden.21 Die CSRD sieht eine Prüfpflicht für Nachhaltigkeitsberichte im Rahmen einer externen Prüfung mit begrenzter Prüfsicherheit22 durch den Abschlussprüfer, eine andere Prüfungsgesellschaft oder durch einen unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen, sofern dieser bestimmte Anforderungen erfüllt, vor.23 Um sich als Abschlussprüfer zu qualifizieren, legen die Art 6 ff AbschlussprüferVO neue Qualifikationsanforderungen und Änderungen der Ausbildung fest.

Gem Art 34 Abs 1 UAbs 2 lit aa BilanzRL hat das Prüfungsurteil eine Aussage darüber zu treffen, ob die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit den Anforderungen nach der RL, einschließlich der angenommenen Standards für die Berichterstattung gem Art 29b oder Art 29c BilanzRL, übereinstimmt, ebenso zu prüfen ist das vom Unternehmen durchgeführte Verfahren zur Ermittlung der Informationen, über die nach diesen Standards Bericht zu erstatten ist. Ferner ist anzugeben, ob die Anforderungen zur Kennzeichnung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Einklang mit Art 29d BilanzRL und an die Berichterstattung nach Art 8 TaxonomieVO eingehalten werden. Auch das Tagging ist vom Prüfungsumfang umfasst.

Betreffend die begrenzte Prüfsicherheit hat die Kom gem Art 26a Abs 3 UAbs 1 AbschlussprüferRL24 europäische Prüfungsstandards bis zum 1. 10. 2026 als delegierte Rechtsakte anzunehmen. Bis zur Annahme sollen die Mitgliedstaaten (MS) nationale Standards, Verfahren oder Anforderungen für die Prüfung anwenden.25 Bei einem Auftrag zur Erlangung begrenzter Prüfsicherheit erfolgt die Feststellung in Form einer Negativaussage, dh durch die Angabe, dass keine Sachverhalte bekannt geworden sind, die zu der Annahme veranlassen, dass wesentliche falsche Darstellungen enthalten sind. Langfristiges Ziel ist allerdings die Bestätigung der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit hinreichender Prüfsicherheit, um ein ähnliches Maß an Sicherheit wie für die Finanzberichterstattung zu erreichen. Bei der Prüfung mit hinreichender Prüfsicherheit wird idR eine positive Feststellung getroffen, die auf Basis einer Beurteilung des Prüfgegenstands anhand im Voraus festge-

20 ErwGr 55 CSRD. Diesbezüglich ist die DelVO 2019/815 noch um Anforderungen an die Auszeichnung von Nachhaltigkeitsinformationen zu ergänzen.

21 Vgl Art 19a Abs 5 BilanzRL aF.

22 Art 34 Abs 1 UAbs 2 lit a ii und lit aa BilanzRL.

23 Art 34 Abs 3 und 4 BilanzRL.

24 RL 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der RL 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der RL 84/253/EWG des Rates, ABl L 157/87 vom 9. 6. 2006.

25 Schallmeiner/van Bakel-Auer in Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel, Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – Festschrift für Romuald Bertl (2021) 821 f.

zfr.lexisnexis.at 6 ZFR 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 2

legter Kriterien und vertiefter Prüfungen, einschließlich der Betrachtung der internen Kontrollen des berichterstattenden Unternehmens, erfolgt.26 Dazu hat die Kom gem Art 26a Abs 3 UAbs 2 AbschlussprüferRL bis spätestens 1. 10. 2028 delegierte Rechtsakte anzunehmen, in denen sie bewertet, ob eine hinreichende Prüfsicherheit für die Prüfer und für die Unternehmen machbar ist.

2.6. Enforcement

Die Aufnahme von Art 19a und Art 29a BilanzRL in Art 4 Abs 5 TransparenzRL27 stellt explizit klar, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Emittenten, die nunmehr verpflichtend im Lagebericht zu erfolgen hat, der Beaufsichtigung durch die nationalen Aufsichtsbehörden (in Ö die FMA und die Oesterreichische Prüfstelle für Rechnungslegung [OePR])28 unterliegt.29 Der neue Art 28d TransparenzRL sieht zudem vor, dass die ESMA Leitlinien über die Beaufsichtigung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die zuständigen nationalen Behörden erlässt.

3. Die Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Durch die CSRD kommen auf den Vorstand und den Aufsichtsrat künftig weitere Herausforderungen im Zuge der Erfüllung ihrer Pflichten bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu, die in der Folge aufgezeigt werden sollen.

3.1. Pfl ichten des Vorstands

3.1.1.

Leitung

und Geschäftsführung

Gem § 70 AktG hat der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und der Arbeitnehmer sowie des öffentlichen Interesses es erfordert. Zu den wesentlichen Aufgaben des Vorstands gehören die Leitung, die Geschäftsführung sowie die Vertretung der Gesellschaft.30 Eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Sorgfaltspflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats ist, die strategische Ausrichtung des Unternehmens sowie das Geschäftsmodell zukunftsfähig zu gestalten und insb Risiken abzuschätzen und zu managen.31 Im Hinblick auf das Unter-

26 ErwGr 60 CSRD; vgl Stellungnahme des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu ausgewählten Fragen bei der gesonderten Prüfung von nichtfinanziellen Erklärungen und nichtfinanziellen Berichten gem § 243b und § 267a UGB sowie von Nachhaltigkeitsberichten (KFS/PE 28) Rz 27 ff.

27 RL 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der RL 2001/34/EG, ABl L 390/38 vom 31. 12. 2004.

28 § 1 iVm § 8 RL-KG.

29 ErwGr 79 CSRD.

30 Kalss in Kalss/Frotz/Schörghofer, Handbuch Vorstand (2016) § 12 Rz 1 ff

31 Walden, Corporate Social Responsibility: Rechte, Pflichten und Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat, NZG 2020, 50 (51).

nehmenswohl sind demnach Nachhaltigkeitsaspekte, insb Nachhaltigkeitsrisiken, die den langfristigen Erfolg oder Bestand des Unternehmens gefährden könnten, zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist nachgelagert auch aus dem in § 70 AktG genannten öffentlichen Interesse die Orientierung an Umweltaspekten und sozialer Verantwortung abzuleiten.32 Die Nachhaltigkeitsinformationen eines Unternehmens werden auch im Hinblick auf die sich ändernden Rahmenbedingungen der Unternehmensfinanzierung und das zunehmende Interesse der Stakeholder zu einer wichtigen Kennzahl seiner wirtschaftlichen Lage.33

Um die Nachhaltigkeitsrisiken beurteilen zu können, ist in einem ersten Schritt eine vollständige Erfassung und Bewertung der möglichen Risiken erforderlich.34 Der Vorstand ist gem § 82 AktG zur Führung eines angemessenen internen Kontrollsystems (IKS) und Rechnungswesens verpflichtet. Die Ausgestaltung des IKS, bspw die Einrichtung eines Risikofrüherkennungs- und Risikomanagementsystems, liegt im Ermessen des Vorstands. Zahlreiche Materiengesetze, wie bspw das BWG, das VAG 2016, das InvFG etc,35 legen Sondervorschriften zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems für regulierte Unternehmen fest.36 Bereits die Einführung der nichtfinanziellen Berichterstattung erforderte eine Weiterentwicklung des unternehmensweiten Risikomanagements, das nicht nur die Identifikation, sondern auch den Einsatz von Methoden für die Bewertung dieser Risiken notwendig machte. Im Rahmen des Risikomanagements sollten sowohl die Outside-in-Perspektive als auch die Inside-out-Perspektive berücksichtigt werden, um den Berichtspflichten nachkommen zu können.37 Zudem ist neu, dass die Arbeitnehmervertreter unterrichtet werden müssen und mit ihnen die einschlägigen Informationen und die Mittel zur Einholung und Überprüfung von Nachhaltigkeitsinformationen zu erörtern sind.38 Der Vorstand hat gem § 81 AktG den Aufsichtsrat umfassend zu informieren, damit dieser seiner Überwachungspflicht nachkommen kann. Der Aufsichtsrat ist demnach im vorzulegenden Jahresbericht, im Quartalsbericht und bei Bedarf in einem Sonderbericht zu informieren.39

32 Rödler/Hartmann/Sternisko in Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel, Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – Festschrift für Romuald Bertl (2021) 668.

33 Baumüller/Gleißner, Quantifizierung von nichtfinanziellen Risiken im unternehmensweiten Risikomanagement, GRC aktuell 2020, 139 (143).

34 Baumüller/Gleißner, GRC aktuell 2020, 139 (143).

35 Vgl § 39 BWG; Kreditinstitute-Risikomanagementverordnung BGBl II 2013/487; §§ 110 f VAG 2016; § 18 InvFG 2011; § 25 Abs 9 PKG; § 13 AIFMG; § 19 Abs 3 ZaDiG 2018.

36 J. Reich-Rohrwig/Zimmermann in Artmann/Karollus, AktG II6 (2018) § 82 Rz 8 ff; Eckert/Schopper in Eckert/Schopper, AktG-ON1.00 (2021) § 82 Rz 8.

37 Vgl auch Ansätze zur Quantifizierung nichtfinanzieller Risiken im Risikomanagement in Baumüller/Gleißner, GRC aktuell 2020, 139 (143); Rödler/ Hartmann/Sternisko in FS Bertl 666 ff; Kalss, Nachhaltigkeit: Die präziser werdenden Pflichten für Vorstand und Aufsichtsrat, GesRZ 2022, 49 (50).

38 Art 19a Abs 5 BilanzRL.

39 Vgl ausführlich J. Reich-Rohrwig/Cl. Grossmayer in Artmann/Karollus, AktG II6 § 81; Nowotny in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 (2021) § 81; Eckert/ Schopper/Madari in Eckert/Schopper, AktG-ON1.00 § 81.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 7 BEITRÄGE ART.-NR.: 2

3.1.2. Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts

Nach Art 33 BilanzRL haben die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane die gemeinsame Aufgabe, sicherzustellen, dass der (konsolidierte) Jahresabschluss, der (konsolidierte) Lagebericht und die (konsolidierte) Erklärung zur Unternehmensführung entsprechend den Anforderungen der CSRD aufgestellt und offengelegt werden. Diese Pflichten werden auf die Digitalisierungsanforderungen, die Einhaltung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards und die Kennzeichnungspflicht von nachhaltigkeitsbezogenen Informationen ausgedehnt.40 Die CSRD erweitert den Bilanzeid des Vorstands auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung von börsennotierten Unternehmen.41

Spätestens fünf Monate nach dem Abschlussstichtag hat der Vorstand als Kollegialorgan nach Fassung eines entsprechenden Beschlusses die Unterlagen gem § 222 Abs 1 UGB iVm § 96 Abs 1 AktG aufzustellen und dem Aufsichtsrat in geprüfter Form vorzulegen. Der Aufsichtsrat hat die Unterlagen innerhalb von zwei Monaten nach Vorlage zu prüfen, sich gegenüber dem Vorstand darüber zu erklären und einen Bericht an die Hauptversammlung zu erstatten.42 Zu beachten ist allerdings im Finanzmarktbereich die rechtzeitige Vorlage der geprüften Unterlagen an die FMA bzw OeNB.43 Nach § 277 Abs 1 UGB haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften die Unterlagen nach der Behandlung in der Hauptversammlung (Generalversammlung), jedoch spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen.44 Diese Frist gilt nunmehr auch für die Nachhaltigkeitsinformationen, die verpflichtend im Lagebericht darzustellen sind. Emittenten, die an einem geregelten Markt notieren, haben den Jahresfinanzbericht (bestehend aus dem geprüften Jahres- und Konzernabschluss samt Lageberichten und „Bilanzeid“) binnen vier Monaten nach dem Bilanzstichtag in geprüfter Form gem § 124 Abs 1 Z 3 BörseG 2018 zu veröffentlichen.45

Dem Vorstand obliegt es, entsprechende Berichtssystemeoder -prozesse einzurichten, um den Vorgaben der Nachhaltigkeitsberichterstattung nachzukommen. Der Lagebericht muss zukünftig die Informationen enthalten, die in Art 19a bzw 29a BilanzRL vorgesehen sind und in den mittels DelVO zu erlassenden Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards gem Art 29b BilanzRL präzisiert werden. In Ausnahmefällen können die MS gestatten, dass Informationen, die der Geschäftslage des Unternehmens ernsthaft schaden würden, nicht aufgenommen werden müssen, wenn die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und

40 ErwGr 59 CSRD.

41 Art 4 Abs 2 lit c TranparenzRL; ErwGr 79 CSRD.

42 Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II6 § 96 Rz 4, 6, 11.

43 Vgl bspw § 137 Abs 2 iVm § 248 Abs 2 VAG 2016; § 43 Abs 2 iVm § 44 Abs 1 BWG.

44 Fellinger in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 (2019) § 277 Rz 4; Albiez/ Petutschnig/Wimpissinger, Bilanz und Haftung (2018) 115 ff

45 Fidler/Winner in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner, BörseG/MAR (2019) § 124 BörseG Rz 17, 33 ff

Aufsichtsorgane dies gemeinsam entscheiden und ordnungsgemäß begründen. Dies sind bspw Informationen über Entwicklungen oder Belange, über die gerade Verhandlungen geführt werden, sofern eine solche Nichtaufnahme ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und ausgewogenes Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses und der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit nicht verhindert.46 Dies war bereits nach der NFRD möglich.

3.2. Pfl ichten des Aufsichtsrates

3.2.1. Überwachungs- und Kontrollfunktion

Die inhaltliche Ausweitung der Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung betrifft den Aufsichtsrat insb bei der Erfüllung seiner laufenden Kontrollfunktion iS einer erweiterten Überwachung des Managements sowie der Managementprozesse, der Überwachung des IKS, des Risikomanagementsystems und des Rechnungslegungsprozesses, die der Vorstand verpflichtend einzurichten hat. Im Rahmen der Überwachung des Risikomanagementsystems muss der Aufsichtsrat bspw beurteilen, ob Klimarisiken angemessen unter Berücksichtigung des Prinzips der doppelten Wesentlichkeit berücksichtigt wurden.47

Gem § 95 AktG obliegt dem Aufsichtsrat die Überwachung der Geschäftsführung. Dies umfasst insb die Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Handelns des Vorstands.48 Aus dieser Verantwortung des Aufsichtsrats resultiert auch die Aufgabe, den Vorstand bei der unternehmerisch strategischen Ausrichtung zu beraten und zu begleiten.49 Aus den laufenden Kontrollpflichten gem § 92 Abs 4a Z 4 lit b AktG ergibt sich faktisch die Pflicht zur Überwachung der Maßnahmen des Vorstands hinsichtlich eines Nachhaltigkeitsmanagements, zB in Form einer Einrichtung einer eigenen Nachhaltigkeitsabteilung, die mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet ist.50

3.2.2. Prüfungs- und Berichtspflichten

Zu den Kernaufgaben des Aufsichtsrats als Grundlage der Überwachung zählt gem § 96 Abs 1 AktG die Prüfung des Jahresabschlusses bzw des Konzernabschlusses, des Lageberichts bzw Konzernlageberichts, ggf des Corporate-Governance-Berichts, des Berichts über Zahlungen an staatliche Stellen, ggf des Vorschlags für die Gewinnverwendung sowie ggf des gesonderten nichtfinanziellen Berichts (nach derzeitiger Fassung). Zum einen bezieht sich die Prüfung auf die Recht- und Ordnungsmäßigkeit (Gesetzmäßigkeit) und zum anderen auf die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit.51 Bereits das NaDiVeG hat die inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung bzw des gesonderten nichtfinanziellen Berichts durch das Plenum des Aufsichts-

46 Art 19a Abs 3 UAbs 4 BilanzRL.

47 Rödler/Hartmann/Sternisko in FS Bertl 673 f.

48 Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 95 Rz 22 ff.

49 Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 95 Rz 6; Kalss in Kalss/Frotz/ Schörghofer, Handbuch für den Vorstand Rz 104.

50 Rödler/Hartmann/Sternisko in FS Bertl 668.

51 Kalss/Gruber in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 96 Rz 33 ff

zfr.lexisnexis.at 8 ZFR 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 2

rats in § 96 Abs 2 AktG mitsamt einer Berichtspflicht gegenüber der Hauptversammlung gesetzlich verankert.52 In diesem Zusammenhang treffen die Aufsichtsratsmitglieder hohe Qualifikationsanforderungen, was zukünftig auch im Rahmen von deren Auswahl und Fortbildung von Bedeutung sein wird.53

Die zu prüfenden Unterlagen umfassen nach der CSRD die umfassendere Nachhaltigkeitsberichterstattung, die zwingend im Lagebericht vorgesehen ist. Im Detail hat der Aufsichtsrat Folgendes zu prüfen:

3.2.2.1. Prüfung der Rechtmäßigkeit

Der Aufsichtsrat hat im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung zu prüfen, ob die Bilanzierung dem Gesetz und der Satzung entspricht. Dabei hat er die Gesetzmäßigkeit und die inhaltliche Richtigkeit der Unterlagen zu prüfen.54 In Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zukünftig zu prüfen sein, ob diese mit den geltenden gesetzlichen Anforderungen sowie dem Jahresabschluss im Einklang steht. Dem Aufsichtsrat obliegt auch eine grundlegende Prüfung, ob die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung besteht bzw ob Befreiungsoptionen vorliegen oder sachgerecht angewendet wurden. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die Prüfung der Wesentlichkeitsanalyse zu legen,55 die durch die Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards noch präzisiert wird.

3.2.2.2. Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit

Die Prüfung des Jahresabschlusses auf dessen Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beinhaltet va Fragen der Bilanzpolitik im Rahmen des gesetzlich zulässigen Ermessensspielraums und orientiert sich an den Unternehmenszielen.56 Die Ermessensentscheidungen des Vorstands57 sind derzeit in Bezug auf die nichtfinanzielle Berichterstattung weitgehend und umfassen zB Auslegungsfragen zu den gesetzlichen Bestimmungen, zugrunde gelegten Rahmenwerken bzw internationalen Standards, identifizierte Risiken sowie Detailfragen der inhaltlichen Berichterstattung, wie bspw die Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse und damit verbundene Entscheidungen.58 Es ist davon auszugehen, dass durch die Herausgabe der EU-Standards eine einheitlichere Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgen wird.

Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung hat der Aufsichtsrat ua zu kontrollieren, ob die Unternehmensziele im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Gesellschaft stehen. Der Aufsichtsrat kann dadurch auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens steuern. Zudem hat er sicherzustellen, dass neben den

52 Kalss in Kalss/Oppitz/Schörghofer, Vorstand und Aufsichtsrat (2019) 56.

53 Baumüller, Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung durch den Aufsichtsrat, Aufsichtsrat aktuell 2018 H 3, 7 (8).

54 Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II6 § 96 Rz 12.

55 Baumüller, Aufsichtsrat aktuell 2018 H 3, 7 (10).

56 Kalss/Gruber in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 96 Rz 40.

57 Vgl beispielhaft Kalss, Nachhaltigkeit: Die präziser werdenden Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat, GesRZ 2022, 49 (50 f).

58 Baumüller, Aufsichtsrat aktuell 2018 H 3, 7 (12).

finanziellen Angaben auch die dargelegten Angaben zur Nachhaltigkeit gem Art 19a BilanzRL die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln.59

3.2.3. Verhältnis Aufsichtsrat – Abschlussprüfer

Der Aufsichtsrat spielt bei der sachgerechten Auswahl des Abschlussprüfers für die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine wichtige Rolle.60 Nach Prüfung der Unterlagen durch den Abschlussprüfer hat gem § 273 Abs 4 UGB jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied den Prüfbericht vom Abschlussprüfer schriftlich zu erhalten61 und diesen zu verwenden, um die vom Vorstand vorgelegten Unterlagen zu kontrollieren.62 Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit darf der Aufsichtsrat grds auf die Ergebnisse des Abschlussprüfers vertrauen und sich auf dessen Ergebnisse stützen. Allerdings hat der Aufsichtsrat den Prüfungsgegenstand anhand des Prüfberichts iS einer nachprüfenden Kontrolle eigenständig kritisch zu würdigen und eine selbstständige Prüfung iS einer Plausibilitätsprüfung durchzuführen.63 Da die Nachhaltigkeitsberichterstattung nun einen Prüfungsgegenstand bei der Abschlussprüfung darstellt, kann sich der Aufsichtsrat idR auf die Ergebnisse des Abschlussprüfers im Rahmen seines Prüfungsauftrags stützen.

3.2.4. Rolle des Prüfungsausschusses

Art 39 AbschlussprüferRL konkretisiert im Rahmen der CSRD die Aufgaben des Prüfungsausschusses64 bei der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Prüfungsausschuss hat das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des geprüften Unternehmens über das Ergebnis der Abschlussprüfung und ggf das Ergebnis der Bestätigung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu unterrichten und darzulegen, wie die Abschlussprüfung und die Bestätigung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Integrität der Rechnungslegung bzw der Nachhaltigkeitsberichterstattung beigetragen haben und welche Rolle der Prüfungsausschuss in diesem Prozess gespielt hat. Der Prüfungsausschuss hat außerdem den Rechnungslegungsprozess und ggf den Nachhaltigkeitsberichterstattungsprozess, einschließlich des Prozesses der elektronischen Berichterstattung und des vom Unternehmen durchgeführten Prozesses zur Ermittlung der Informationen, über die im Einklang mit Art 29b BilanzRL Bericht erstattet wurde, zu beobachten und Empfehlungen oder Vorschläge zu ihrer Integrität zu unterbreiten. Zudem hat er die Wirksamkeit des IKS und

59 Rödler/Hartmann/Sternisko in FS Bertl 662.

60 Rödler/Hartmann/Sternisko in FS Bertl 673; Kalss/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat2 (2016) 667 ff.

61 OGH 26. 9. 1991, 6 Ob 9/91 RdW 1992, 11.

62 Müller in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 273 Rz 65 f.

63 Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II6 § 96 Rz 13; Kalss/Gruber in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG3 § 96 Rz 39; Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat2 § 23 Rz 31 f, § 45 Rz 30.

64 Für Gesellschaften im öffentlichen Interesse iSd § 189a Z1 lit a und d UGB und für fünffach große Gesellschaften iSd § 221 UGB ist gem § 92 Abs 4a AktG die Einrichtung eines Prüfungsausschusses verpflichtend. Die verpflichtende Einrichtung kann sich auch aus sondergesetzlichen Bestimmungen, wie bspw § 63a Abs 4 BWG oder § 123 Abs 7–9 VAG 2016, ergeben.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 9 BEITRÄGE ART.-NR.: 2

des Risikomanagementsystems und ggf der internen Revision des Unternehmens, die die Rechnungslegung und ggf die Nachhaltigkeitsberichterstattung des Unternehmens berühren, einschließlich des Prozesses der elektronischen Berichterstattung, zu beobachten, ohne dass seine Unabhängigkeit verletzt wird. Schließlich hat der Prüfungsausschuss ua ggf die Bestätigung der jährlichen und konsolidierten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beobachten und die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer bzw der Prüfungsgesellschaften zu überprüfen und zu beobachten.65 Gem dem neuen Art 39 Abs 4a AbschlussprüferRL können die MS gestatten, einzelne Aufgaben iZm der Bestätigung der Nachhaltigkeitsberichterstattung an den Gesamtaufsichtsrat oder an einen eigens eingerichteten Ausschuss (zB einen Nachhaltigkeits-Ausschuss) zu delegieren.66 Anzudenken wäre auch ein eigenes „ESG-Aufsichtsratsmitglied“.67

3.3. Haftung und drohende Sanktionen für Vorstand und Aufsichtsrat

Die Nichteinhaltung der Pflichten im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung kann für Vorstand und Aufsichtsrat rechtliche Konsequenzen haben. Zivilrechtliche Haftungsfolgen iSv § 84 bzw § 99 AktG können sich ua aus der Verletzung der unternehmens- und kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten ableiten, die insb auf eine Information der Aktionäre, aber auch des Kapitalmarkts generell abzielen und sich somit auch an potenzielle Anleger und Investoren richten.68 Des Weiteren kommen die in § 283 UGB angeordneten Zwangsstrafen für den Fall der nicht fristgerechten Offenlegung nach den §§ 277 und 280 UGB zur Anwendung. Zudem können Verstöße gegen die Offenlegungspflicht nach dem UWG geltend gemacht werden, insb durch Mitbewerber. Durch eine bewusst unrichtige oder unvollständige Darstellung von Informationen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens betreffen oder für die Beurteilung der künftigen Entwicklung der Vermögens-, Finanzund Ertragslage wesentlich sind, könnte sogar der Straftatbestand gem § 163a Abs 1 Z 1 StGB erfüllt sein.69 Dies könnte im

65 Art 39 Abs 6 lit a–e AbschlussprüferRL.

66 ErwGr 76 CSRD; Art 39 Abs 4a AbschlussprüferRL; Baumüller/Haring/Merl, Die Endfassung der CSRD, CFO aktuell 2022, 126 (129).

67 Deutsch/Hollaus, Tagungsbericht zum 12. Österreichischen Aufsichtsratstag, Nachhaltigkeit – Das Wort der Stunde, Aufsichtsrat aktuell 2022/72, 75.

68 Kalss in Bertl/Hirschler/Aschauer (Hrsg), Handbuch Wirtschaftsprüfung (2019) 945 (967).

69 Rödler/Hartmann/Sternisko in FS Bertl 670.

Digitale Zusatzinhalte.

Rahmen der Umsetzung der CSRD klargestellt werden. Der Kommissionsvorschlag sah in Art 51 BilanzRL ein Mindestmaß an verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen gegen die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor, die sich an den bereits bestehenden Strafbestimmungen der Art 28 ff TransparenzRL orientieren.70 Diese wurden jedoch nicht in den finalen Richtlinientext aufgenommen, da die derzeit vorgesehenen Sanktionsbestimmungen als ausreichend erachtet wurden.

4. Ausblick

Die neuen umfassenderen Anforderungen an die Berichterstattung können für die Unternehmen, insb für diejenigen, die bisher noch nicht in den Anwendungsbereich der nichtfinanziellen Berichterstattung gefallen sind, eine große Herausforderung darstellen. Kompetenz beim Thema nachhaltige Finanzen wird in naher Zukunft eine wichtige Voraussetzung im Topmanagement darstellen, was eine gute (Weiter-)Qualifikation von Vorstand und Aufsichtsrat, aber auch von Abschlussprüfern notwendig macht. Es ist allerdings anzunehmen, dass die CSRD den Zugang zu vergleichbaren, relevanten und zuverlässigen Nachhaltigkeitsinformationen der Unternehmen verbessern wird; das gilt auch für die Transparenz durch die Outside-in- sowie die Inside-out-Perspektive, wonach bei der Identifikation und Beurteilung von Chancen und Risiken einerseits die Wirkungen des Umfelds auf das Unternehmen sowie andererseits die Wirkungen des Unternehmens auf das Umfeld zu berücksichtigen sind. Durch das wachsende Interesse von Stakeholdern an Nachhaltigkeitsinformationen besteht durch die Neuauflage der Nachhaltigkeitsberichterstattung das Potenzial, die Finanzströme zu Unternehmen zu lenken, die einen positiven Einfluss auf Mensch und Umwelt haben.

70 Art 1 Nr 12; ErwGr 69 Kommissionsvorschlag, Vorschlag für eine RL des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der RL 2013/34/EU, 2004/109/EG und 2006/43/EG und der VO (EU) Nr 537/2014 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen vom 21. 4. 2021, COM(2021) 189 final.

Die Autorin:

Bianca Alina Schranz, LL.M. ist Legistin im Bundesministerium für Finanzen (Abt III/6: Versicherungsrecht, Abschlussprüferaufsichtsrecht und Bundeshaftungen).

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JUDIKATUR IM FOKUS

Zentralbanken im Dienst der Politik?

Unabhängigkeitsgarantien für Zentralbanken nach dem Urteil in der Rs C-45/21, Banka Slovenije

»ZFR 2023/3

Zentralbanken sind in besonderem Maße der Gefahr politischer Einflussnahme ausgesetzt und könnten leicht zu Handlangern der Politik zu werden. Dagegen und gegen Eingriffe in ihre grundlegenden Funktionsgarantien sichert sie das Unionsrecht in gewissem Umfang ab. Der vorliegende Beitrag diskutiert diese Garantien und die damit verbundenen Grenzen mitgliedstaatlicher Gestaltungsfreiheit hinsichtlich ihrer Zentralbanken am Beispiel eines aktuellen slowenischen Falles.

1. „Whatever it takes“ – aber von wem?

Die Zentralbanken der Mitgliedstaaten (MS) und die EZB (gemeinsam: Europäisches System der Zentralbanken, ESZB) haben wesentlichen Anteil an der Bewältigung der diversen Krisen der vergangenen Jahre. Als „Whatever it takes“1 umriss der ehemalige EZB-Präsident Draghi diesen Beitrag im Jahr 2012. Entsprechend sekundierte das ESZB der europäischen Politik nicht nur während der Eurokrise mit geldpolitischen Instrumenten (va Zinssätze, Ankaufprogramme, Refinanzierungsgeschäfte), sondern auch in der COVID-19-Pandemie und zur Abfederung der Schockwirkungen des Ukrainekriegs.2

Freilich ist die Aufgabe des ESZB janusköpfig: Einerseits hat es die Geldpolitik so festzulegen und auszuführen, dass Preisstabilität gewährleistet ist, andererseits hat es die allgemeine Wirtschaftspolitik so weit wie möglich zu unterstützen.3 Beide satzungsgemäßen Aufgaben bewirken eine faktisch enge Verzahnung mit den umgebenden politischen Prozessen und Zwängen.4

Nach den Buchstaben des Primärrechts ist das ESZB als unabhängiges Gegengewicht zur Politik angelegt, nicht als deren

1 Vgl Mario Draghi, Rede bei der Global Investment Conference, London, 26. 7. 2012.

2 Vgl Fabio Panetta, Rede am SAFE Policy Center am CEPR, Frankfurt, 25. 5. 2022.

3 Vgl Art 127 Abs 1 AEUV; Art 2 und 3 Prot Nr 3 über die Satzung des ESZB und der EZB.

4 Vgl Kirchhof, Die Rechtsarchitektur der Europäischen Union, NJW 2020, 2057 (2059 ff ); Thiele, Die EZB als fiskal- und wirtschaftspolitischer Akteur? EuZW 2014, 694 (698); Neyer, Die hohe Inflation und die Geldpolitik der EZB, EuZW 2022, 1025 (1026); Brauneck, Die verfehlte Rolle der EZB bei der EU-Regulierung von Kryptowerten durch MiCA, RDi 2022, 10 (16 f).

Handlanger: Weder die EZB noch die Zentralbanken der MS dürfen Weisungen dritter Stellen einholen oder befolgen, und die Politik ist ausdrücklich angehalten, selbst schon jeden Versuch einer Einflussnahme zu unterlassen.5

Dennoch ist die Grenzziehung zwischen einer mandatskonformen Unterstützung der Politik durch das ESZB und einer unzulässigen politischen Instrumentalisierung in der Praxis teils schwierig. Bestes Beispiel dafür sind die (nun weitgehend beendeten) Wertpapierkaufprogramme der EZB und die umstrittene Frage, inwieweit diese als geldpolitische Maßnahmen noch mandatskonform waren oder die EZB dabei vielmehr über ihr Mandat hinaus allgemeine Wirtschaftspolitik betrieb. EuGH und dt BVerfG beurteilten diese Frage in den Urteilen Weiss und PSPP bekanntlich entgegengesetzt.6 Die höchstgerichtliche Pattstellung wurde pikanterweise wieder durch die Politik aufgelöst, indem diese eine bessere Begründung der Maßnahmen nachreichte und der EU zudem versicherte, das verfassungsgerichtliche Urteil werde einmalig bleiben und keine Folgewirkungen haben.7 Dass die Exekutive solche Zusicherungen im gewaltenteilenden System formal gar nicht geben kann, steht auf einem anderen Blatt.

Die PSPP-Saga verdeutlicht, wie sehr Zentralbanken und Politik tatsächlich eine Schicksalsgemeinschaft bilden.8 In dieser Schicksalsgemeinschaft sind die Grenzen zwischen unabhängiger Unterstützung der Wirtschaftspolitik und indirekter Instrumentalisierung des ESZB als Gelddruckmaschine fließend.

Draghis „whatever“ darf daher keinesfalls mit einem „wherever“ verquickt werden. Vielmehr müssen Art und Umfang des Einsatzes der gewichtigen geldpolitischen Instrumente des ESZB strikt innerhalb des Mandats des ESZB und an dessen Grenzen ausgerichtet bleiben. Jenseits dessen hat die Politik ihre Ziele selbst und im Rahmen der verfügbaren budgetären Mittel zu erreichen.

5 Vgl Art 130 AEUV; Art 7 Prot Nr 3; näher Sodan, Die funktionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken, NJW 1999, 1521 (1522 ff ).

6 Vgl Rs C-493/17, Weiss, ECLI:EU:C:2018:1000; BVerfG 20. 5. 2020, ECLI:DE:B VerfG:2020:rs20200505.2bvr085915.

7 Näher Jaeger, Update PSPP-Urteil: Kein Showdown in Luxemburg, ÖJZ 2022, 9 (10 ff ).

8 Vgl Haltern, Ultra-vires-Kontrolle im Dienst europäischer Demokratie, NVwZ 2020, 817 (817 f).

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 11 ART.-NR.: 3

2. Konkretisierung der Grenzen: Das Urteil Banka Slovenije

Ein aktuelles Beispiel der Instrumentalisierung einer Zentralbank für politische Ziele und für die damit einhergehende Untergrabung ihrer Funktion und Unabhängigkeit liefert die Banka Slovenije. Im gleichnamigen Urteil9 von September 2022 setzte der EuGH dem klare Grenzen.

2.1. Sachverhalt und Vorlagefragen

Die Zentralbank Sloweniens (Banka Slovenije) ist gesetzlich befugt, bestimmte Finanzinstrumente zu löschen, wenn ein systemrelevantes Kreditinstitut von Konkurs bedroht ist. Zur Abfederung der Folgen einer Löschung für Gläubiger normierte der Gesetzgeber Haftungsbestimmungen, die ggf auf die Zentralbank selbst zurückfielen.10

So haftete die Zentralbank erstens bei schuldhaft fehlerhafter Löschung. Stellte sich also heraus, dass die Löschung nicht notwendig gewesen war, um den Konkurs der betreffenden Bank zu verhindern und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, haftete die Zentralbank für entstandene Schäden. Ebenso haftete sie, wenn bei der Löschung Gläubiger dadurch geschädigt wurden, dass sie schlechter gestellt waren als im Fall eines Konkurses.11 Beide Haftungsfälle setzten Verschulden iS eines Nichteinhaltens der gebotenen Sorgfalt voraus. Die Darlegungslast für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht oblag zwar der Zentralbank, gleichzeitig war dies aber dadurch entschärft, dass Dringlichkeit und Komplexität solcher Beurteilungen zu berücksichtigen waren.

Zweitens haftete die Zentralbank gegenüber bestimmten Gläubigern auch ohne eigenes Verschulden. So hatten natürliche Personen mit geringem Einkommen (unter rd 19.000 € brutto pa) bei Löschung Anspruch auf eine (mit 20.000 € gedeckelte) Entschädigung iHv 80 % des Investitionswerts gegenüber der Zentralbank. Es war dies also ein sozialpolitisches Instrument zum Schutz von Kleinanlegern.12

Die Rechnung für den Kleinanlegerschutz zahlte allerdings nicht die Politik, sondern die Zentralbank: Auch bei der Kleinanlegerhaftung war Schadenersatz aus Eigenmitteln der Zentralbank zu bestreiten. Dazu hatte die Zentralbank aus ihren seit 2019 erzielten Gewinnen spezielle, dieser Deckung gewidmete Rücklagen zu bilden. Soweit sie nicht ausreichten, hätte die Zentralbank auf bis zu 50 % ihrer allgemeinen Rücklage zurückgreifen müssen. Falls auch dies nicht ausreichen würde, hätte sie für die erforderlichen Beträge Darlehen aufzunehmen gehabt. Das slowenische Verfassungsgericht (Ustavno sodišče) legte dem EuGH insgesamt acht Vorlagefragen zur Unionsrechtskonformität

9 Rs C-45/21, Banka Slovenije, ECLI:EU:C:2022:670, ZFR 2023/4, 16 (in diesem Heft).

10 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 23 ff.

11 Vgl auch das unter dem Akronym NCWO bekannte Schlechterstellungsverbot gem BankenabwicklungsRL 2014/59/EU (BRRD), näher BRRD-Mitteilung 2020, ABl 2020/C 417/17, 33, 37 und 43 f.

12 Vgl Fromage, Revue de l’Union européenne (2022) 17 (17 ff ).

dieser Aufgabenzuweisung und Haftungsregelung vor. Konkret befasste sich der EuGH mit folgenden unionsrechtlichen Einzelfragen:

1) Vereinbarkeit einer Zentralbank zugewiesener Aufgaben mit der Aufgabenbeschreibung des ESZB13 gem Art 127 Abs 2 AEUV und Art 2 und 3 Prot Nr 3;

2) Vereinbarkeit der verschuldensabhängigen Haftung mit dem Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung14 gem Art 123 Abs 1 AEUV und Art 21 Prot Nr 3;

3) Vereinbarkeit der nicht verschuldensabhängigen Haftungsregelungen mit diesem Verbot;

4) Vereinbarkeit von Schadenersatz aus Eigenmitteln der Zentralbank mit den Unabhängigkeitsgarantien15 gem Art 130 AEUV und Art 7 Prot Nr 3.

Auf diese vier Aspekte fokussiert auch die vorliegende Auseinandersetzung.

Nicht erörtert wird im Folgenden die vom EuGH im Urteil ferner behandelte Zulässigkeit einer Weitergabe von im Zuge einer Sanierung erlangten Informationen vor dem Hintergrund sekundärrechtlicher16 Geheimhaltungspflichten.17 Außerdem finden sich im Urteil hier ebenfalls nicht erörterte Aussagen verfahrensrechtlicher Natur, und zwar konkret zur (abgelehnten) Inanspruchnahme des beschleunigten Verfahrens18 sowie zur (ebenfalls abgelehnten) Möglichkeit einer Stellungnahme der Parteien zu den Schlussanträgen bzw zur Wiederaufnahme der mündlichen Verhandlung nach Stellung der Schlussanträge.19

2.2. Zulässigkeit der Aufgabenübertragung an eine Zentralbank

Die Durchführung von Maßnahmen zur Sanierung von Kreditinstituten ist kein zwingender Teil der primärrechtlich festgelegten Aufgaben des ESZB gem Art 127 Abs 2 AEUV und Art 2 und 3 Prot Nr 3.20 Dennoch kann einer am ESZB beteiligten Zentralbank eine solche (Zusatz-)Aufgabe übertragen werden, soweit der EZB-Rat nicht feststellt, dass diese Aufgaben im Einzelfall mit den Zielen und Aufgaben des ESZB unvereinbar sind.21 Wenn allerdings „der Gesetzgeber ... der Zentralbank ... eine solche Aufgabe [überträgt], muss diese ... in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung der Zentralbank wahrgenommen werden“.22

Wie das Haftungsregime für solche Zusatzaufgaben ausgestaltet ist, richtet sich innerhalb dieser Grenzen (Vereinbarkeit

13 Näher Zahradnik, Art 127 Rz 9 ff, in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV-Kommentar (218. ErgLfg 2019).

14 Näher Müller, Art 123 Rz 5 ff, in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV-Kommentar (244. ErgLfg 2020); Kerber/Städter, Die EZB in der Krise: Unabhängigkeit und Rechtsbindung als Spannungsverhältnis, EuZW 2011, 536 (536 ff ).

15 Näher Zahradnik, Art 130 Rz 1 ff, in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV-Kommentar (218. ErgLfg 2019); Sodan, NJW 1999, 1521 (1522 ff ); Häde, Unabhängigkeit für die ungarische Nationalbank? – Zum Status der Zentralbanken von Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung, EuZW 2005, 679 (680 ff ).

16 Va Art 53 ff CRD IV.

17 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 107 ff

18 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 29 ff

19 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 38 ff

20 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 48.

21 Vgl Art 14 Prot Nr 3; C-45/21, Banka Slovenije, Rn 53.

22 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 54.

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mit dem Aufgabenbild des ESZB) nach nationalem Recht.23 Das primärrechtlich vorgezeichnete Aufgabenbild setzt sowohl Grenzen für die Aufgabenübertragung (hier: Verbot einer verdeckten monetären Haushaltsfinanzierung qua Haftung) als auch für Eingriffe in funktionale Garantien (hier: Unabhängigkeit).

2.3. Zulässigkeit verschuldensabhängiger Haftung

Die verschuldensabhängige Haftung steht nach Auffassung des EuGH im Einklang mit dem Unionsrecht. Es handelt sich dabei weder um unmittelbare noch mittelbare Haushaltsfinanzierung

iSd Art 123 Abs 1 AEUV und Art 21 Prot Nr 3.24

Die Haftung bewirkt demnach keine Bedeckung von Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand gegenüber Dritten (keine mittelbare Finanzierung), „wenn die Haftung ... nicht allein deshalb ausgelöst wird, weil sie eine ihr vom nationalen Recht zugewiesene, nicht unter das ESZB fallende Aufgabe wahrgenommen hat, sondern weil sie die für sie in diesem Rahmen geltenden Vorschriften verletzt hat“.25 In einem solchen Fall ist „die Entschädigung Dritter, die einen Schaden erlitten haben, die Folge von Handlungen dieser Zentralbank und nicht die Übernahme einer bereits bestehenden Verbindlichkeit gegenüber Dritten ..., die auf den anderen öffentlichen Stellen lastet“.26 Auch schafft eine solche Haftungsregelung keine Anreize oder Möglichkeiten für die öffentliche Hand, sich der Verpflichtung zur Führung einer gesunden Haushaltspolitik zu entziehen bzw die Finanzierung politischer Maßnahmen (entgegen dem Verbot des Art 123 Abs 1 AEUV und Art 21 Prot Nr 3) indirekt auf die Zentralbank abzuwälzen.27

Wesentlicher Gesichtspunkt für die Beurteilung der Regelung als unionsrechtskonform war es auch, dass die Haftung auf Fälle schwerwiegender Sorgfaltspflichtverletzungen beschränkt war.28 Dadurch wird der vom EuGH als problematisch angesehene Automatismus zwischen Aufgabenübertragung und Haftung noch weiter entkoppelt. Dass die Zentralbank sich im konkreten Fall freibeweisen musste, sah der EuGH als unproblematisch an. Dies auch deshalb, weil der diesbezügliche Maßstab mit der Berücksichtigung von Komplexität und Dringlichkeit großzügig angelegt war.

2.4. Unzulässigkeit verschuldensunabhängiger Kleinanlegerentschädigung

Aus der Begründung der Zulässigkeit einer verschuldensabhängigen Haftung ergibt sich implizit auch bereits die daher entgegengesetzte Antwort für die (Un-)Zulässigkeit einer verschuldensunabhängigen Haftung. Bei dieser wird nämlich die Haftung bereits „allein deshalb ausgelöst ..., weil [die Zentralbank] eine ihr vom nationalen Recht zugewiesene, nicht unter das ESZB fallende Aufgabe wahrgenommen hat“.29

23 Vgl Art 35 Prot Nr 3; C-45/21, Banka Slovenije (Fn 7) Rn 56.

24 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 55 ff

25 C-45/21, Banka Slovenije, Rn 71.

26 C-45/21, Banka Slovenije, Rn 71.

27 C-45/21, Banka Slovenije, Rn 73.

28 C-45/21, Banka Slovenije, Rn 75 f.

29 C-45/21, Banka Slovenije, Rn 71.

Die Verpflichtung der Zentralbank zur Entschädigung bestimmter ehemaliger Inhaber von ihr gelöschter Titel schon allein aufgrund der Löschung führt zu einer nach Art 123 Abs 1 AEUV und Art 21 Prot Nr 3 verbotenen Überwälzung bzw Finanzierung von Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand. Der Ursprung dieser Verbindlichkeiten liegt in nach (hier: sozial)politischen Zielvorstellungen geformten nationalen Rechtsvorschriften und gerade nicht im allgemeinen Rechtsgrundsatz der deliktischen Haftung für eigenes schuldhaftes Handeln.30

Erfüllt eine Zentralbank daher ihr über das Zuständigkeitsbild gem Art 127 Abs 2 AEUV und Art 2 und 3 Prot Nr 3 hinaus übertragene Aufgaben, so kann die reine pflichtgemäße Ausübung dieser Zuständigkeiten für sich nicht mit Finanzierungspflichten (wie jener zu einer quasi31 automatischen Entschädigung bestimmter Anleger) gekoppelt sein.32 Wäre derlei zulässig, würde das primärrechtliche Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung weitgehend ausgehöhlt und ließe es sich durch eine Ausweitung der Aufgabendefinition einer Zentralbank vom nationalen Gesetzgeber mühelos umgehen. Dass die Haftung im konkreten Fall sachlich (Kleinanleger) und betraglich begrenzt war, spielt für diese Beurteilung keine Rolle.33

2.5. Bedrohung der Funktionalität des ESZB durch Haftungsregeln

Eigene Geldmittel und insb die Bildung von Reserven sind für Zentralbanken entscheidend, um im Rahmen des ESZB an der Ausführung der Geldpolitik der EU mitzuwirken.34 Nur so können etwaige Verluste aus geldpolitischen Geschäften ausgeglichen und Offenmarktgeschäfte finanziert werden.

Eine Beschneidung der Geldmittel von Zentralbanken und insb der Reserven, zB (wie hier) durch Finanzierungspflichten, beeinträchtigt daher erstens die makroökonomische Funktionalität des ESZB. Dies gilt auch dann, wenn (wie hier) eine gestaffelte Finanzierungsregelung greift, bei der vor dem Rückgriff auf die Reserven zunächst eine andere Finanzierungsquelle (hier: Sonderrücklage) auszuschöpfen ist. Dabei ist es unerheblich, wenn der Rückgriff auf Reserven (wie hier) prozentuell gedeckelt ist.35 Zweitens unterminiert die Finanzierungspflicht die gem Art 130 AEUV und Art 7 Prot Nr 3 garantierte Unabhängigkeit36 des ESZB und seiner Glieder:37 „[D]ie Entnahme eines Betrags aus den allgemeinen Rücklagen ... ist ... geeignet, [die] Zentralbank in eine Situation der Abhängigkeit von den politischen Stel-

30 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 85.

31 Dh, soweit diese darauf verzichten, Entschädigung auf einem anderen Rechtsweg zu erlangen, vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 80.

32 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 84.

33 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 87.

34 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 100.

35 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 106.

36 Vgl Sodan, NJW 1999, 1521 (1522 ff ); Häde, EuZW 2005, 679 (680 ff ).

37 Vgl auch schon Rs C-11/00, Kom/EZB, ECLI:EU:C:2003:395, Rn 130 ff; verb Rs C-202/18 und C-238/18, Rimšēvičs, ECLI:EU:C:2019:139, Rn 46 f; Rs C-316/19, Kom/Slowenien, ECLI:EU:C:2020:1030, Rn 80; Häde, Art 130 AEUV Rz 24, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV-Kommentar6 (2022).

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 13 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 3

len ihres MS zu bringen.“38 „[U]m über die Mittel zu verfügen, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB erforderlich sind, [wird die Zentralbank] gezwungen sein, die Zustimmung dieser politischen Stellen einzuholen, um eine Finanzierung oder Rekapitalisierung zu erhalten.“39 Die Zentralbank wird „somit in eine Lage gebracht, in der sie potenziell politischem Druck ausgesetzt ist, während Art 130 AEUV und Art 7 [Prot Nr 3] im Gegenteil darauf abzielen, das ESZB vor jedem politischen Druck zu schützen, damit es die für seine Aufgaben gesetzten Ziele durch die unabhängige Ausübung der spezifischen Befugnisse, über die es zu diesen Zwecken nach dem Primärrecht verfügt, wirksam verfolgen kann“.40

Ein solcher mittelbarer Eingriff in die Unabhängigkeit beeinträchtigt die Funktionalität des ESZB daher drittens auch aus dem Blickwinkel der Gewaltenteilung in seiner Rolle als Gegengewicht zu den politischen Mehrheitsverhältnissen und Begehrlichkeiten.41 Unionsrechtliches Gewand der verfassungsrechtlichen Gewaltenteilung ist das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts,42 das nur bei Wahrung der vollen Unabhängigkeit der Zentralbanken gewährleistet ist.43

Sämtliche Funktionalitätsgarantien müssen jedenfalls im Hinblick auf jene Aufgaben voll gewahrt bleiben, die eine nationale Zentralbank in ihrer Eigenschaft als Teil des ESZB erfüllt: Werden der Zentralbank gem Art 14 Prot Nr 3 weitere Aufgaben vom Gesetzgeber zur Besorgung übertragen, so brauchen diese Garantien für jene Aufgaben nicht in derselben Weise gewahrt zu sein.44 Allerdings dürfen solche weiteren Aufgaben nicht auf die eigentlichen Aufgaben der Zentralbank im Rahmen des ESZB und auf die dabei geltenden (makroökonomischen, unabhängigen und gewaltenteilenden) Funktionalitätsgarantien negativ zurückwirken.45

Die Erfüllung weiterer Aufgaben durch eine Zentralbank muss daher, wenn sie eine Finanzierungskomponente umfasst, mit eigenständigen zusätzlichen Ressourcen dotiert und gespeist sein.46 Als zulässig dürfte es der EuGH insoweit ansehen,47 die Aufgabe aus solchen Gewinnen der Zentralbank selbst zu finanzieren, die ansonsten ohnedies an die öffentliche Hand auszuschütten wären. In einem solchen Fall muss die Verbindlichkeit jedoch auf den Ausschüttungsbetrag begrenzt und jeder über die Ausschüttung hinausgehende Rückgriff auf genuine Eigenmittel der Bank ausgeschlossen sein. Ebenso unionsrechtskonform erscheint eine Finanzierung übertragener Sonderaufgaben über am Markt aufgenommene Kredite oder Darlehen, soweit diese nicht in der Folge aus genuinen Eigenmitteln der Bank besichert oder bedient werden müssen. Auszuschließen ist in solchen Fällen also

38 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 101.

39 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 102.

40 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 104.

41 Vgl Kirchhof, NJW 2020, 2057 (2061).

42 Vgl Rs C-425/13, Kom/Rat, ECLI:EU:C:2015:483, Rn 59 ff

43 Vgl auch Fromage, European Papers (2021) 1415 (1425 f).

44 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 95.

45 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 97.

46 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 105.

47 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 88 f.

insgesamt, dass die Zentralbank bei der Aushandlung von zur Aufgabenerfüllung notwendigen Kredit- oder Darlehensbedingungen oder bei der Bedienung der Raten oder bei der Tilgung in die vom EuGH als zu Recht problematisch48 erkannte Druckund Abhängigkeitssituation von der öffentlichen Hand oder (wohl auch) vom Markt selbst kommt.

3. Gesamtbewertung

Die Nähe der Zentralbanken (einschließlich der EZB) zur Wirtschafts- und Haushaltspolitik der EU und der MS und ihre Einbeziehung in die Bankenaufsicht bergen ein ständiges Risiko eines Missbrauchs der Institution als Handlanger der Politik und als Gelddruckmaschine.

3.1. Zentralbanken als Mitgestalter, nicht Diener

Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als seien Zentralbanken Diener zweier Herren, der MS und der Union. Tatsächlich allerdings hebt sie das Unionsrecht aus der dienenden Rolle heraus und wertet sie zu Mitgestaltern mit eigenständigen Rechten auf. Das Unionsrecht sichert die Zentralbanken gegen Einflussnahme ab und wahrt sowohl ihre grundlegende makroökonomische Funktionalität im Rahmen des ESZB als auch die eigenständigen Aufgaben (und die damit verbundenen Voraussetzungen) im institutionellen Gefüge der Union.

Das Urteil Banka Slovenije setzt insoweit eine bestehende Judikaturlinie49 zum unionsrechtlichen Aufgabenbild und insb zu den Unabhängigkeitsgarantien der Zentralbanken im ESZB und ihrer Amtsträger fort und konkretisiert diese weiter. Mit Banka Slovenije schlägt der EuGH erneut entsprechende Pflöcke ein und markiert damit noch sichtbarer die äußeren Grenzen der Organisations- und Reorganisationshoheit der MS in Bezug auf „ihre“ Zentralbanken sowie der Beschreibung und Änderung ihres Aufgabenbildes.

Deutlich wird insb, dass das Aufgabenbild der im ESZB zusammengeschweißten Zentralbanken sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten aufweist: Einerseits kann jede Zentralbank eines MS zulässigerweise eine individuelle, ihr vom nationalen Gesetzgeber überbundene Aufgabenbeschreibung und ein eigenständiges Tätigkeitsbild aufweisen.50 Zentralbank ist daher nicht gleich Zentralbank, das Tätigkeitsbild und die Einbeziehung in die öffentliche Aufgabenbesorgung können variieren.

Andererseits besteht jedoch, wie das Urteil Banka Slovenije einmal mehr klarstellt, jene Gemeinsamkeit, die in der Erfüllung der dem ESZB mit Art 127 Abs 2 AEUV und Art 2 und 3 Prot Nr 3 übertragenen unionsrechtlichen Aufgaben besteht. Diese Gemeinsamkeit und die damit verbundenen Funktionsbedingungen bilden damit einen unveräußerlichen, unionsrechtlich geschützten Kern der Aufgaben und Befugnisse der Zentralbanken

zfr.lexisnexis.at 14 ZFR 1/2023 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 3
48 Vgl C-45/21, Banka Slovenije, Rn 101 ff 49 Vgl die Nachweise in FN 29. 50 Vgl Art 14 Prot Nr 3.

der MS. Dieser Kern ist vor jedweden Beeinträchtigungen durch die MS geschützt, insb was negative Rückkopplungswirkungen aufgrund eines im MS gegebenenfalls abweichenden Aufgabenbildes oder Funktionsverständnisses angeht.

3.2. Eingeschränkte Gestaltungshoheit der Mitgliedstaaten

Diese Markierungen sind ebenso wichtig wie richtig, wahren sie doch zuvorderst die Gewaltenteilung bzw das institutionelle Gleichgewicht auf Ebene der MS ebenso wie auf jener der EU. Insoweit steht das Urteil Banka Slovenije nicht nur in einer Reihe mit der zentralbankspezifischen Vorjudikatur, sondern auch im Kontext einer darüber weit hinausragenden jüngeren Judikaturlinie zur Begrenzung der Organisationshoheit der MS in Bezug auf staatliche Einrichtungen, die mit unionsrechtlichen Aufgaben betraut sind bzw vom Unionsrecht eigenständige und sie dadurch vom nationalen System im entsprechenden Umfang unabhängig machende Aufgaben wahrnehmen.

Das wohl prominenteste Beispiel ist die mittlerweile ständige EuGH-Judikatur zu den inneren Funktionsgarantien der Gerichte der MS (Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit, Weisungsfreiheit etc), wie sie insb (aber nicht nur) iZm der polnischen Rechtsstaatstragödie entwickelt und verfestigt wurde.51 Gerichte, die im dualen Rechtsschutzsystem gem Art 19 EUV und Art 267 AEUV eigenständige Aufgaben wahrnehmen, sind eben nicht mehr nur Einrichtungen der MS, mit denen diese nach Belieben verfahren können, sondern in das Unionssystem einbezogene und dadurch in ihrem Kern funktional emanzipierte Einrichtungen. Ganz gleich verhält es sich, mutatis mutandis, mit den über das ESZB und die damit verbundenen Aufgaben unionsrechtlich überformten Zentralbanken. Wie auch die Gerichte finden sich die Zentralbanken gewissermaßen in einem Sog des Unionsrechts wieder, der sie aus der rein nationalen Determinierung heraus- und auf eine Unionsrechtsebene hinaufhebt.

Die mit Banka Slovenije gesetzten Eingriffsgrenzen sind anspruchsvoll. Insoweit begegnet der EuGH immer wieder dem Vorwurf, er lege auf der Ebene der MS zum Teil strengere Maßstäbe an als an sich selbst oder an das Handeln der EU-Organe. Dieser Vorwurf ist im Grundsatz berechtigt. Beispiele finden sich innerhalb des hier interessierenden Bereichs der Währungspolitik (Begründungsmaßstab der EZB)52 ebenso wie außerhalb (allgemein bei der Nachprüfung von Beschlüssen der Kom oder des Rates in wirtschaftlich, technisch komplexen oder politisch sensiblen Materien)53 und insb beim EuGH selbst (konkret: Unabsetzbarkeit und Vollständigkeit des Systems der Rechtsbehelfe).54

51 Vgl etwa Rs C-487/19, WZ, ECLI:EU:C:2021:798, Rn 102 ff; Rs C-791/19, Kom/Polen, ECLI:EU:C:2021:596, Rn 57; Rs C-192/18, Kom/Polen, ECLI:EU:C:2019:924, Rn 112; verb Rs C-83/1 ua, Asociația Forumul Judecătorilor din România, ECLI:EU:C:2021:393, Rn 194.

52 Vgl Jaeger, Die EU und der liebe Gott: Zum PSPP-Urteil des BVerfG, ÖZW 2020, 129 (136 f).

53 Vgl Jaeger, ÖZW 2020, 129 (137 f).

54 Vgl Jaeger, Zur Unabhängigkeit der Justiz – diesmal beim EuGH, EuZW 2020, 953, passim; näher Hering, Das Ende der „affaire Sharpston“ – Viel Lärm um nichts? EuZW 2022, 112 (113 ff ).

Das Urteil Banka Slovenije ist jedoch kein taugliches Beispiel für ein solches Messen mit zweierlei Maß. Vielmehr unternimmt der EuGH dort eine korrekte und wesentliche Grenzziehung gegen die politische Instrumentalisierung von Zentralbanken, gegen Umgehungen des unionsrechtlichen Verbots der monetären Haushaltsfinanzierung und für die Wahrung der vollen Funktionalität des ESZB und seiner Rolle im Gesamtgefüge der EU. Dies ist umfassend zu begrüßen.

3.3. Bedeutung für Österreich

Im Bereich der Bankenaufsicht ist in Ö die FMA die zentrale Aufsichtsbehörde über die Kredit- und Finanzinstitute. Soweit der OeNB im Rahmen der Bankenaufsicht Befugnisse zukommen, wird sie lediglich als Hilfsorgan der FMA angesehen und ist funktionell dieser zuzurechnen.55 Die OeNB hat dabei also keine eigene behördliche Funktion.56

Als Folge sind auf die Aufsichtstätigkeit und E der OeNB die für die FMA einschlägigen amtshaftungsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden. § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG schließt eine Haftung der FMA für Schäden von der Aufsicht nach dem FMABG unterliegenden Gläubigern generell aus. Verfassungs- sowie grundrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung hat der VfGH verworfen und der OGH ist dem gefolgt.57 Auch eine eigenständige Haftung der OeNB (und/oder des Bundes) für Vermögensschäden der Bankgläubiger aus Handlungen oder Unterlassungen der OeNB ist damit ausgeschlossen.58

Vor diesem Hintergrund hat das Urteil Banka Slovenije hinsichtlich seiner haftungsrechtlichen Aussagen für die bestehende Rechtslage in Ö keine unmittelbare Bedeutung. Mittelbar profitiert aber auch die OeNB von Banka Slovenije als Fortsetzung der Judikaturlinie zur Stärkung und Absicherung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit und funktionalen Unabhängigkeit der Zentralbanken sowie des gesamten ESZB. Mit Banka Slovenije bzw der dahinterstehenden Judikaturlinie verhält es sich in Bezug auf Ö daher wie mit einer Versicherung: Gut, wenn man sie hat. Noch besser, wenn man sie nicht braucht.

55 Vgl § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG; VfGH 16. 12. 2021, G 224/2021; OGH 14. 7. 2022, 1 Ob 91/22x; näher Kahl, Zum verfassungsrechtlichen Spielraum des einfachen Gesetzgebers, Amtshaftungsansprüche (im Bereich der Bankenaufsicht) auszuschließen, ÖZW 2022, 30, passim

56 VfGH G 224/2021, Rn 110 f; OGH 1 Ob 91/22x, Rn 34.

57 VfGH G 224/2021, Rn 121; OGH 1 Ob 91/22x, Rn 33 ff.

58 OGH 1 Ob 91/22x, Rn 35.

Der Autor:

Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Jaeger, LL.M. lehrt Europarecht an der Universität Wien.

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Foto: privat

Zum Verbot der monetären Finanzierung von Mitgliedstaaten*

»ZFR 2023/4

AEUV: Art 123, 140

VO (EG) 3603/93: Art 1 Abs 1

RL 2013/36/EU (CRD IV): Art 3 Abs 1 Nr 36; 53 Abs 1, 54 bis 62, 163

CRR: Art 4 Abs 1 Nr 40

RL 2006/48/EG: Art 4 Nr 4, Art 44 Abs 1; Art 45 bis 52, 158

RL 2001/24/EG: Art 2, 3 Abs 1; Art 33

RL 2000/12/EG: Art 1 Nr 4

Protokoll Nr 4 über die Satzung des ESZB und der EZB: Art 7, 21

EuGH 13. 9. 2022, C-45/21, Banka Slovenije, Državni zbor Republike Slovenije

Tenor (des Gerichts)

1. Art 123 Abs 1 AEUV und Art 21.1 des Protokolls (Nr 4) über die Satzung des ESZB und der EZB sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen iSd RL 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wenn sich in einem anschließenden Gerichtsverfahren herausstellt, dass diese Löschung nicht erforderl war, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, oder dass die ehemaligen Inhaber von Finanzinstrumenten aufgrund dieser Löschung größere Verluste erlitten haben, als sie im Fall des Konkurses des betreffenden Finanzinstituts erlitten hätten, sofern diese Zentralbank nur haftet, wenn sie selbst oder die Personen, die sie ermächtigt hat, in ihrem Namen tätig zu werden, unter schwerwiegender Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht gehandelt hat bzw haben.

2. Art 123 Abs 1 AEUV und Art 21.1 des Protokolls (Nr 4) über die Satzung des ESZB und der EZB sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank aus Eigenmitteln innerhalb vorher festgelegter Grenzen für Schäden haftet, die ehemaligen Inhabern von Finanzinstrumenten entstanden sind, die sie aufgrund von Sanierungsmaßnahmen iSd RL 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, gelöscht hat, wobei es für diese Haftung ausreicht, dass

* Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

 zum einen diese ehemaligen Inhaber natürl Personen sind, deren jährl Einkünfte unterhalb einer in diesen Rechtsvorschriften festgelegten Schwelle liegen, und

 zum anderen diese darauf verzichten, eine Entschädigung für diese Schäden auf einem anderen Rechtsweg zu erlangen.

3. Art 130 AEUV und Art 7 des Protokolls (Nr 4) über die Satzung des ESZB und der EZB sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die vorsehen, dass eine dem ESZB angehörende nationale Zentralbank für Schäden, die durch die Löschung von Finanzinstrumenten aufgrund von Sanierungsmaßnahmen iSd RL 2001/24, die von dieser Zentralbank angeordnet wurden, iH eines Betrags haftet, der ihre Fähigkeit zur effizienten Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen könnte und der, nach Priorität geordnet, finanziert wird durch:

 Verwendung aller von dieser Zentralbank ab einem bestimmten Zeitpunkt erzielten Gewinne für Sonderrücklagen,

 Entnahme aus den allgemeinen Rücklagen derselben Zentralbank, die 50 % dieser Reserven nicht übersteigen darf, und

 Aufnahme eines verzinsten Darlehens bei dem betreffenden MS.

4. Art 33 RL 2001/24, Art 44 bis 52 RL 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von Kreditinstituten sowie Art 53 bis 62 CRD IV sind dahin auszulegen, dass die in diesen Artikeln enthaltenen Vorschriften nicht auf Informationen anwendbar sind, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen iSd RL 2001/24 erlangt worden oder entstanden sind und nicht Gegenstand von in den Art 4, 5, 8, 9, 11 und 19 RL 2001/24 vorgesehenen Unterrichtungs- oder Konsultationsverfahren gewesen sind.

Am 19. 10. 2016 erklärte das slowenische Verfassungsgericht Rechtsvorschriften für mit der slowenischen Verfassung vereinbar, die die Zentralbank Sloweniens ermächtigten, bestimmte Finanzinstrumente zu löschen, wenn ein Kreditinstitut vom Konkurs bedroht ist und das Finanzsystem als Ganzes gefährdet. Allerdings stellte das Gericht eine gegen die slowenische Verfassung verstoßende Lücke fest, da es in den in Rede stehenden Rechtsvorschriften keine besonderen Verfahrensregeln für Schadensersatzklagen gebe, die von ehemaligen Inhabern zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente erhoben werden könnten.

Um diese Lücke zu schließen, erließ die Staatsversammlung der Republik Slowenien das Gesetz über das Verfahren des gerichtl und außergerichtl Rechtsschutzes ehemaliger Inhaber qualifizierter Bankverbindlichkeiten (im Folgenden: ZPSVIKOB), in dem Vorschriften niedergelegt sind, die den effektiven Rechtsschutz ehemaliger Inhaber von der Zentralbank Sloweniens zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente sicherstellen sollen.

zfr.lexisnexis.at 16 ZFR 1/2023 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 4

Die Zentralbank Sloweniens legte Verfassungsbeschwerde in Bezug auf mehrere Bestimmungen des ZPSVIKOB und eine Bestimmung des Bankwesengesetz ein und machte ua geltend, dass die in diesen Bestimmungen enthaltenen Vorschriften über die Haftung der Bank und den Zugang zu Informationen, die sich in ihrem Besitz befinden, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar seien. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass nach dem ZPSVIKOB die Zentralbank Sloweniens für Schäden, die durch das Löschen bestimmter Finanzinstrumente verursacht würden, im Rahmen von zwei verschiedenen und alternativen Regelungen haftbar gemacht werden könne: Erstens kann diese Haftung grds dann ausgelöst werden, wenn feststeht, dass das Löschen eines Finanzinstruments nicht notwendig war, um den Konkurs der betreffenden Bank zu verhindern und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, oder wenn der Grundsatz, dass kein Gläubiger schlechter gestellt werden darf als im Fall eines Konkurses, missachtet worden ist. Diese Haftung kann jedoch nur ausgelöst werden, wenn die Zentralbank Sloweniens nicht nachweist, dass sie selbst oder die Personen, die sie ermächtigt hat, in ihrem Namen tätig zu werden, mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt hat bzw haben, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein solches Löschen unter den spezifischen Umständen einer Krise erfolgt, die eine rasche Beurteilung komplexer Probleme erfordern.

Zweitens können natürl Personen, die ehemals Inhaber eines zum Erlöschen gebrachten Finanzinstruments waren und deren jährl Einkünfte unterhalb einer bestimmten Schwelle liegen, von der Zentralbank Sloweniens eine Entschädigung iHv 80 % des beim Erwerb dieses Finanzinstruments gezahlten Preises bis zu einem Höchstbetrag von 20 000 € erhalten.

Das vorlegende Gericht weist außerdem darauf hin, dass zur Sicherstellung der Deckung der sich aus der Anwendung der Haftungsregelungen des ZPSVIKOB ergebenden Kosten dieses vorsehe, dass die von der Zentralbank Sloweniens seit dem 1. 1. 2019 erzielten Gewinne in spezielle, dieser Deckung gewidmete Rücklagen eingestellt werden müssten. Sollten sich diese Sonderrücklagen für diesen Zweck als unzureichend erweisen, müsste die Zentralbank Sloweniens bis zu 50 % ihrer allgemeinen Rücklage verwenden, und falls sich der Rückgriff auf diese ebenfalls als unzureichend erweisen sollte, um diese Deckung sicherzustellen, müsste sie für die erforderl Beträge bei den slowenischen Behörden Darlehen aufnehmen.

In Anbetracht dessen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Haftungsregelungen insofern, als die von der Zentralbank Sloweniens anstelle der slowenischen Behörden übernommene Haftung einer Form der Finanzierung dieser Behörden gleichgestellt werden könnte, mit Art 123 AEUV und Art 21 des Protokolls über das ESZB und die EZB sowie mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Zentralbanken, der sich aus Art 130 AEUV und Art 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB ergibt, vereinbar sind. Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das ZPSVIKOB Vorschriften über die ipso iure erfolgende Weitergabe bestimmter, bei der Entscheidung über die Löschung von Finanzinstrumenten verwendeter vertraul Dokumente an sämtl potenziellen Kl und deren Rechtsvertreter sowie über die Veröffentlichung einer geringeren Anzahl solcher Dokumente vorsehe. Es hat allerdings Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit den

Bestimmungen über die Vertraulichkeit bestimmter Informationen in den RL 2006/48 und 2013/36.

Aus den Entscheidungsgründen

(...)

Zur zweiten Frage

(...)

81 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den Erwägungen in den RN 47 bis 53 des vorliegenden Urteils ergibt, dass eine Haftungsregelung wie die in der ersten und der zweiten Frage dazu beiträgt, die Bedingungen zu definieren, unter denen eine andere als die dem ESZB obliegende Aufgabe wahrgenommen wird, die einer nationalen Zentralbank nach nationalem Recht gem Art 14.4 des Protokolls über das ESZB und die EZB zugewiesen ist.

82 Allerdings unterscheidet sich die in der ersten Frage genannte Haftungsregelung von der in der zweiten Frage genannten insb dadurch, dass die letztgenannte Regelung die Verpflichtung der betreffenden nationalen Zentralbank zur Entschädigung bestimmter ehemaliger Inhaber von ihr zum Erlöschen gebrachter Finanzinstrumente allein aufgrund dieser Löschung nach sich zieht, selbst wenn nachgewiesen ist, dass diese Zentralbank die für sie in dieser Hinsicht geltenden Vorschriften in vollem Umfang eingehalten und insb mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt hat.

83 Eine Haftungsregelung wie die in der zweiten Frage genannte gewährleistet somit zur Erreichung eines sozialpolitischen Ziels eine Entschädigung für die unvermeidbaren Folgen der Entscheidungen, die die nationale Zentralbank im Einklang mit den vom nationalen Gesetzgeber bei der Festlegung ihrer Aufgaben getroffenen Entscheidungen trifft.

84 Zwar steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, unter Beachtung des Unionsrechts eine solche Entschädigung zu gewährleisten, um zu verhindern, dass die Auswirkungen der Politik, die mit dem Ziel verfolgt wird, die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, natürl Personen mit moderatem Einkommen eine übermäßige Belastung auferlegen, doch ist festzustellen, dass damit eine Zahlungspflicht eingeführt wird, die ihren Ursprung unmittelbar in den von diesem Gesetzgeber getroffenen politischen Entscheidungen hat, und nicht in der Art und Weise, in der die Zentralbank des betreffenden MS ihre Aufgaben wahrnimmt, oder in den eigenen Entscheidungen, die diese in diesem Rahmen trifft.

85 Die Zahlung einer solchen Entschädigung durch die nationale Zentralbank aus Eigenmitteln ist daher so zu verstehen, dass die nationale Zentralbank dadurch im Ergebnis anstelle der anderen Behörden des betreffenden MS die Finanzierung von Verbindlichkeiten übernimmt, die dem öffentl Sektor nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses MS obliegen.

86 Wie sich aus den RN 53 bis 68 des vorliegenden Urteils ergibt, stehen Art 123 Abs 1 AEUV und Art 21.1 des Protokolls über das ESZB und die EZB der Einführung einer Regelung, wonach eine nationale Zentralbank aus Eigenmitteln aufgrund der Wahrnehmung einer ihr durch das nationale Recht übertragenen Aufgabe haftet, entgegen, wenn die Anwendung dieser Haftungsregelung mit der Finanzierung einer Verbindlichkeit des öffentl

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 17 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 4

Sektors gegenüber Personen, denen gegenüber diese Haftung ausgelöst wird, verbunden ist.

87 Der Umstand, dass eine solche Haftungsregelung nur im Rahmen bestimmter Obergrenzen gilt, ist insoweit unerhebl, da aus diesen Bestimmungen in keiner Weise hervorgeht, dass das sich aus ihnen ergebende Verbot der monetären Finanzierung von der Höhe dieser Finanzierung abhängt.

88 Im Übrigen kann das Vorbringen der slowenischen Regierung nicht durchgreifen, wonach die Anwendung der in RN 86 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen deshalb außer Betracht bleiben müsse, weil die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Haftungsregelungen auf der Grundlage einer bloßen Änderung der jährl Gewinnverteilung der Zentralbank Sloweniens – in Form einer Verringerung oder sogar Streichung des an die Republik Slowenien zu zahlenden Teils dieser Gewinne – finanziert würden und sich diese Aufteilung aus den Zuständigkeiten des nationalen Gesetzgebers ergebe.

89 Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht nämlich klar hervor, dass es Haftungsregelungen betrifft, deren Finanzierung nicht nur durch eine solche Gewinnverteilung, sondern, soweit erforderl, auch durch eine Entnahme aus den allgemeinen Rücklagen der Zentralbank Sloweniens oder sogar durch Aufnahme eines Darlehens durch diese Bank bei der Republik Slowenien und somit durch die Eigenmittel dieser Zentralbank sichergestellt wird.

(...) Zur dritten Frage

(...)

102 In einem solchen Fall wird die Zentralbank nämlich, um über die Mittel zu verfügen, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB erforderl sind, gezwungen sein, die Zustimmung dieser politischen Stellen einzuholen, um eine Finanzierung oder Rekapitalisierung zu erhalten.

103 Wird einer nationalen Zentralbank unter diesen Umständen eine rechtl Verpflichtung auferlegt, bei anderen öffentl Stellen ihres MS ein Darlehen aufzunehmen, wenn mit Rücklagen verbundene Finanzierungsquellen erschöpft sind, wird sie zudem in eine Lage gebracht, in der sie, um ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen zu können, mit diesen öffentl Stellen den Betrag eines solchen Darlehens sowie die Bedingungen, denen dieses unterliegt, aushandeln muss.

104 Mit Rechtsvorschriften wie denen in der dritten Frage wird die betreffende nationale Zentralbank somit in eine Lage gebracht, in der sie potenziell politischem Druck ausgesetzt ist, während Art 130 AEUV und Art 7 des Protokolls über das ESZB und die EZB im Gegenteil darauf abzielen, das ESZB vor jedem politischen Druck zu schützen, damit es die für seine Aufgaben gesetzten Ziele durch die unabhängige Ausübung der spezifischen Befugnisse, über die es zu diesen Zwecken nach dem Primärrecht verfügt, wirksam verfolgen kann (vgl in diesem Sinne Urteil vom 26. 2. 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland, C-202/18 und C-238/18, EU:C:2019:139, RN 47 sowie die dort angeführte Rsp).

105 Anders verhielte es sich jedoch, wenn der MS, der eine Regelung über die Haftung seiner nationalen Zentralbank wie die in der ersten Frage genannte eingeführt hat, im Voraus sichergestellt hätte, dass diese Zentralbank über die erforderl Mittel verfügen wird, um in der Lage zu sein, die sich aus dieser Regelung ergebenden Entschädigungen zu zahlen, während sie gleichzeitig ihre Fähigkeit behält, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB wirksam und in voller Unabhängigkeit wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall geht jedoch aus den dem EuGH vorliegenden Akten nicht hervor, dass dies der Fall wäre.

(...)

Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

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zfr.lexisnexis.at 18 ZFR 1/2023 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 4

Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft:

Depurierungsauftrag bei unterschiedlich (hoch)

belasteten Anteilen

Anmerkungen zu OGH 8. 9. 2022, 3 Ob 123/22t

»ZFR 2023/5

Eine aktuelle Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Depurierungsauftrag, also ein Auftrag zur Lastenfreistellung, seit der EO-Nov 2000 (noch) zulässig ist. Der OGH folgte der Argumentation der verpflichteten Partei und bejahte die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags. Ziel dieses Beitrags ist es, die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags (rechtlich) zu begründen; eine (eigenständige) gesetzliche Grundlage dafür besteht jedenfalls nicht.

1. Allgemeines

Die Zwangsversteigerung von Liegenschaften ist in den §§ 133–247 EO geregelt, wobei in der Praxis die Verwertung von Liegenschaften, an denen Miteigentum besteht, regelmäßig eine (besondere) Rolle spielt.1 Die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft stellt hingegen kein Zwangsversteigerungsverfahren, wohl aber ein gerichtliches Versteigerungsverfahren dar. Dieses Verfahren wird nicht zur Hereinbringung einer Geldforderung geführt, sondern wegen Vollstreckung eines Teilungsurteils zum Zwecke der Auseinandersetzung; das Verfahren selbst ist in den §§ 352–352c EO geregelt, wobei die Vorschriften über die Zwangsversteigerung von Liegenschaften grds sinngemäß anzuwenden sind (die §§ 352–352c EO sehen allerdings zahlreiche Abweichungen vor).2

In der vorliegenden E3 bewilligte das ErstG den aufgrund eines entsprechenden Urteils gestellten Antrag der betreibenden Partei auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft gem den §§ 352 ff EO durch gerichtliche Versteigerung sämtlicher Anteile an der gemeinschaftlichen Liegenschaft (die Betreibende ist zu 61/128 und die Verpflichtete zu 67/128 Miteigentümerin der Liegenschaft). Der Verkehrswert der Liegenschaft betrug am 1. 11. 2019 ohne Lasten 7,6 Mio €. Auf den Anteilen der Verpflichteten ist ein Fruchtgenussrecht einverleibt, das mit rd 1,5 Mio € bewer-

1 Grundsätzliches zum Gegenstand der Zwangsversteigerung bei der Immobiliarexekution bei Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 133 Rz 1 ff sowie § 238 Rz 1 ff

2 Zu all dem Mini in Deixler-Hübner, Kommentar zur EO Vor §§ 133 ff Rz 35.

3 S dazu die bearbeitete E in diesem Heft, ZFR 2023/6, 23; vgl weiter immolex-LS 2022/84; JusGuide 2022/44/20546 (OGH) sowie Zak 2022/633, 339.

tet wurde. Die Anteile der Betreibenden sind mit einem (ausgenützten) Höchstbetragspfandrecht von 4,5 Mio € belastet. Die Parteien konnten bisher keine Einigung über die von der Betreibenden vorgelegten Versteigerungsbedingungen und über das geringste Gebot erzielen.4

In weiterer Folge beantragte die verpflichtete Partei, der betreibenden Partei aufzutragen, die Belastung ihrer Liegenschaftsanteile auf das Höchstmaß von rd 3,6 Mio € herabzusetzen, und im Fall der nicht fristgerechten Beseitigung dieser übermäßigen Belastung das Exekutionsverfahren einzustellen. Die verpflichtete Partei argumentierte vor dem Hintergrund des Schätzwertes und der Belastungen der Liegenschaft (Fruchtgenussrecht der verpflichteten Partei sowie Höchstbetragshypothek der betreibenden Partei) mit einem negativen Verkehrswert der Liegenschaft; die übermäßige Belastung mache die Teilung unmöglich, weshalb das Exekutionsverfahren einzutellen sei.5

Die betreibende Partei beantragte, das Begehren auf Einstellung des Exekutionsverfahrens abzuweisen sowie dieses unter Zugrundelegung der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen fortzuführen.6

Das ErstG folgte dem Antrag der verpflichteten Partei. Das RekursG hob den Beschluss des ErstG ersatzlos auf und führte aus, dass seit der Neufassung der §§ 352–352c EO durch die EONov 2000 ein Depurierungsauftrag nicht mehr vorgesehen sei; eine vom Ersteher zu übernehmende Last mindere den erzielbaren Erlös, auch wenn diese nur einen Miteigentümer betreffe. Dieser Nachteil sei – so das RekursG weiter – nach der Versteigerung auszugleichen; bei ungleicher Belastung der Miteigentumsanteile sei dem Versteigerungserlös der Wert der Last zuzuschlagen und dem Miteigentümer des unbelasteten Anteils von dem so errechneten Betrag der seinem Anteil entsprechende Erlös zuzuweisen, während der Rest dem Miteigentümer zufalle, dessen Anteil belastet sei. Auch ohne Depurierungsauftrag sei es naheliegend, das geringste Gebot so hoch anzusetzen, dass der den

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 19 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 5
4 3 Ob 123/22t, Rn 2. 5 3 Ob 123/22t, Rn 3. 6 3 Ob 123/22t, Rn 4.

Miteigentumsanteilen der Betreibenden entsprechende Meistbotsanteil deren Belastung entspreche.7

Der OGH folgte inhaltlich dem ErstG;8 bei unterschiedlich (hoch) belasteten Miteigentumsanteilen sei ein Depurierungsauftrag notwendig, um die verpflichtete Partei davor zu schützen, deshalb einen Schaden zu erleiden, weil ihr kein Anteil zugewiesen werden kann, der dem Verkehrswert ihrer Miteigentumsanteile entspricht.9 Die Rechtsmeinung des Höchstgerichts ist vor allem für die in der Kreditvergabe tätigen Banken von Bedeutung. In der Praxis kommt es relativ häufig vor, dass sich Kreditgeber eine Hypothek auf einer Liegenschaft eintragen lassen (müssen), die im Miteigentum steht.

2. Die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags nach der Lehre

Wie das Höchstgericht zutreffend festgehalten hat, findet sich weder im Gesetzestext noch in den Gesetzesmat zur EONov 2000 ein Hinweis, ob ein Depurierungsauftrag des ExekutionsG im Rahmen der Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft – bisher oder weiterhin – zulässig ist. Darüber hinaus führte der OGH aus, dass es schon nach der Rechtslage vor der EO-Nov 2000 keine gesetzliche Grundlage für einen Depurierungsauftrag gab.10 Nach Zitierung der entsprechenden Literaturstellen hielt der OGH fest, dass die Frage der Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags iZm der Zivilteilung seit der EO-Nov 2000 in der Lit „zwar nicht näher behandelt, aber auch nicht in Zweifel gezogen (wird)“.11 Bei (näherem) Studium der vom OGH zitierten (jüngeren) Lit kann man sich tatsächlich des Eindrucks nicht erwehren, dass davon ausgegangen wird, ein Depurierungsauftrag sei zulässig; eine Begründung dafür sucht man allerdings vergebens. Von einer (offensichtlichen) Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags geht darüber hinaus aber auch die ältere Lehre aus. Ehrenzweig konstatiert etwa, dass das Gesetz für den Fall der ungleichen Belastung der Miteigentumsanteile „keine hinlängliche Handhabe“ bietet und man sich deshalb in der Praxis damit begnügt, dem „Miteigentümer in den Versteigerungsbedingungen die persönliche Verpflichtung aufzuerlegen, die seinen Anteil am Erlöse übersteigenden Lasten zu beseitigen“;12 nach Heller/Trenkwalder hat der Richter – in einer derartigen Konstellation – „im Versteigerungstermine über die Befreiung des betreffenden Miteigentümers zu entscheiden“.13 Für den Fall, dass der Ausrufungspreis nicht entsprechend hoch angesetzt werden kann bzw Ausgleichszah-

7 In concreto nahm das RekursG einen lastenfreien Schätzwert von 9,45 Mio € an (vgl 3 Ob 123/22t, Rn 8).

8 3 Ob 123/22t, Rn 19.

9 Der OGH ist von der Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags auch bereits in früheren E ausgegangen (s etwa 3 Ob 186/08m).

10 3 Ob 123/22t, Rn 17.

11 3 Ob 123/22t, Rn 17.

12 Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts II/1 2 757.

13 Heller-Trenkwalder, Die österreichische Exekutionsordnung in ihrer praktischen Anwendung3 1277.

lungen nicht dazu führen, dass der weniger belastete Miteigentümer nicht benachteiligt sein würde, gehen Heller/Berger/Stix davon aus, dass den Parteien der Auftrag erteilt werden muss, „innerhalb einer gewissen Frist die notwendigen Tilgungen und Löschungen zu veranlassen“.14 Auch die soeben aufgezeigten (älteren) Literaturstellen begründen die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags in keiner Weise; argumentiert wird jeweils lediglich damit, ein Depurierungsauftrag sei notwendig und deshalb zulässig.

3. Legitimation des Depurierungsauftrags durch die allgemeinen Auslegungsregeln bzw Analogie?

Bereits mehrfach wurde ausgeführt, dass es für die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags keine gesetzliche Grundlage gibt;15 wie in Abschnitt 2. dargelegt, geht die Lehre (ohne nähere Begründung) von dessen Zulässigkeit aus. An dieser Stelle soll der Versuch unternommen werden, den Erlass eines Depurierungsauftrags (zunächst) durch Auslegungsregeln und im Anschluss daran – falls notwendig – durch analoge Rechtsanwendung zu rechtfertigen.

Kurz dargelegt werden soll zuvor noch einmal die rechtliche Ausgangssituation: Eine im Miteigentum befindliche Liegenschaft soll im Wege der Zivilteilung geteilt werden, wobei die Miteigentumsanteile unterschiedlich stark (durch dingliche Rechte) belastet sind. Durch die übermäßige Belastung der Miteigentumsanteile einer Partei kann es – so wie im vorliegenden Fall – zu einem negativen Verkehrswert der Liegenschaft kommen. Daher wäre der verpflichteten Partei – sollte nur der Schätzwert erreicht werden – kein Anteil aus dem Versteigerungserlös zuzuweisen, der dem Verkehrswert ihrer Miteigentumsanteile entspricht. Für diesen Fall wird es als zulässig und notwendig angesehen, vor der Versteigerung einen (entsprechend) hoch angesetzten Ausrufungspreis festzulegen, einen Depurierungsauftrag zu erteilen oder – nach der Versteigerung –einen Wertausgleich vorzunehmen.

In Bezug auf die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags nach den Auslegungsregeln ist zunächst festzuhalten, dass

14 Heller/Berger/Stix, Kommentar zur Exekutionsordnung III4 2543.

15 Vgl nochmals 3 Ob 123/22t, Rn 17. Jedenfalls unzutreffend ist die Aussage des RekursG, dass seit der Neufassung der §§ 352–352c EO durch die EO-Nov 2000 ein Depurierungsauftrag nicht mehr vorgesehen sei (vgl 3 Ob 123/22t, Rn 8). Auch in den einschlägigen Kommentierungen zu den §§ 352–352c EO, die sich mit den durch die EO-Nov 2000 bedingten Änderungen näher auseinandersetzen (s etwa Klicka in Angst, EO3 §§ 352–352c Rz 1 ff, sowie Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352 Rz 2 ff ), finden sich keinerlei Ausführungen betreffend die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags vor bzw seit der erwähnten Novelle. Richtig hat somit der OGH in weiterer Folge festgehalten, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber durch die EO-Novelle 2000 die Möglichkeit oder Zulässigkeit der Erteilung eines Depurierungsauftrags im Rahmen eines Verfahrens nach den §§ 352 ff EO beseitigt hätte; dies trifft – so das Höchstgericht weiter – auch auf die Änderungen durch die GREx (BGBl I 2021/86) in Bezug auf die Bestimmungen über die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft zu (3 Ob 123/22t, Rn 19).

zfr.lexisnexis.at 20 ZFR 1/2023 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 5

auch für das Verfahrensrecht die allgemeinen – in den §§ 6, 8 ABGB verankerten – Auslegungsmethoden gelten, die freilich von der verfahrensrechtlichen Lehre weiterentwickelt worden sind;16 aufgrund der Tatsache, dass die Verfahrensgesetze andere Aufgaben erfüllen als das materielle Recht, sind bei der Auslegung Ersterer die ihnen innewohnenden Eigengesetzlichkeiten zu berücksichtigen.17 Als Auslegungsmethoden kommen die Wortauslegung (grammatikalische Auslegung), die logisch-systematische Auslegung, die historische Auslegung sowie schließlich die teleologische Auslegung in Betracht. Auszulegen sind hier primär die Bestimmungen der EO, insb die §§ 352–352c EO. Da es keine (eigenständige) gesetzliche Grundlage für den Depurierungsauftrag gibt, scheiden die ersten zwei Auslegungsvarianten aus. Soweit ersichtlich finden sich weiters auch in den Gesetzesmat keinerlei Hinweise für die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags;18 somit kommt auch eine historische Auslegung nicht in Betracht. Übrig bleibt somit lediglich die teleologische Auslegung. Dabei ist primär davon auszugehen, dass ein Gesetz den Zweck hat, praktisch angewendet zu werden, und dass der Gesetzgeber beabsichtigte, vernünftig zu handeln. Weiters liegt bei der teleologischen Auslegung der Schwerpunkt in der Berücksichtigung der besonderen Zwecke und damit der Eigenart des Verfahrensrechts 19 Auszugehen ist somit vom Zweck der Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung. Ist die Realteilung undurchführbar, soll das Miteigentum durch Versteigerung der gemeinschaftlichen Sache gem den §§ 352–352c EO aufzulösen sein.20 Das Ziel des Verfahrens ist erreicht, wenn die gemeinschaftliche Sache veräußert und der daraus erzielte Erlös unter den Teilhabern aufgeteilt ist.21 Wie der OGH in der gegenständlichen E ausgeführt hat, hat grds jeder Miteigentümer – vorbehaltlich einer vom ExekutionsG primär anzustrebenden Einigung der Parteien – Anspruch auf einen seinem Anteil entsprechenden Teil des Meistbots. 22, 23 Vor dem Hintergrund dieser Aussage (sowie des soeben geschilderten Verfahrensziels) und der oben dargelegten Sachlage, dass es aufgrund unterschiedlicher Belastung der Miteigentumsanteile dazu kommen kann, dass der verpfl ichteten Partei kein Anteil zugewiesen werden kann, der dem Verkehrswert ihrer Miteigentumsanteile entspricht, muss

16 Ausführlich Konecny in Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen I3 Einl Rz 89 mit zahlreichen weiteren Nachweisen (auch) aus der (dt) Lehre.

17 Konecny in Fasching/Konecny, Kommentar I3 Einl Rz 89.

18 Wie bereits ausgeführt (s dazu oben Abschnitt 2.), hat der OGH zutreffend festgehalten, dass sich auch in den Gesetzesmat zur EO-Nov 2000 kein Hinweis zur bisherigen oder weiteren Zulässigkeit der Erteilung eines Depurierungsauftrags findet (3 Ob 123/22t, Rn 17).

19 Ausf Konecny in Fasching/Konecny, Kommentar I3Einl Rz 94.

20 1 Ob 574/79 SZ 52/61 = RZ 1980/2 = MietSlg 31.819/26.

21 Markowetz, ExR3 366; Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352 Rz 1; vgl weiter 3 Ob 146/62 EvBl 1963/35.

22 3 Ob 123/22t, Rn 16 mwN aus der hg Rsp; aus der Lehre s etwa Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352c Rz 5.

23 Die E hat sich dabei jedenfalls ausschließlich an objektiven Kriterien, primär am Verhältnis der Miteigentumsanteile unter Berücksichtigung deren allenfalls unterschiedlichen Belastungen, zu orientieren (vgl 3 Ob 196/03z MietSlg 55.805; 3 Ob 63/06w).

die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen (etwa auch eines Depurierungsauftrags) bejaht werden; ein anderes Ergebnis wäre mit dem oben erwähnten Verfahrensziel (offensichtlich) nicht in Einklang zu bringen. Die Erteilung eines Depurierungsauftrags kann daher mE eindeutig mit dem Zweck bzw dem Ziel eines Verfahrens auf Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft gem den §§ 352–352c EO gerechtfertigt werden. Wie ausgeführt, könnte die verpflichtete Partei ansonsten dadurch geschädigt werden, dass sie keinen Anteil bekommt, der dem Verkehrswert ihrer Liegenschaft entspricht.24 Vor dem Hintergrund dieser Annahmen ist ein Depurierungsauftrag zulässig. Ohne die Erteilung eines Depurierungsauftrags könnte das Verfahrensziel der §§ 352–352c EO nicht erreicht werden; mit Ehrenzweig ist davon auszugehen, dass ohne Depurierungsauftrag die Versteigerung gem den §§ 352–352c EO unmöglich ist.25 Auch unter der Prämisse, dass ein Gesetz nach der teleologischen Interpretation so auszulegen ist, dass es praktisch angewendet werden kann, ist die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags (ebenfalls) gegeben; würde man von der gegenteiligen Meinung ausgehen, könnte – wie ausgeführt – das Verfahrensziel der §§ 352–352c EO nicht erreicht und das Gesetz nicht angewendet werden (die Versteigerung wäre unmöglich).

Kurz angerissen und im Prinzip schon beantwortet ist die Frage, ob dieses Ergebnis (noch) durch Auslegung gewonnen werden kann oder ein Rückgriff auf analoge Rechtsanwendung notwendig ist? Analoge Anwendung von Verfahrensvorschriften ist in gleichem Umfang möglich wie im materiellen Recht; sie setzt stets eine Lücke des Gesetzes voraus, die an sich ungewollt bzw nicht vorbedacht sein sollte. Die Lückenfüllung kann durch Erweiterung des Anwendungsgebietes einer bestimmten Vorschrift (Gesetzesanalogie) oder der Grundgedanken eines bestimmten Rechtsbereiches auf einen anderen verwandten Bereich (Rechtsanalogie) erfolgen. Möglich ist auch die Einengung des Anwendungsbereiches eines Gesetzes (Restriktion, teleologische Reduktion). 26 ME ist ein Depurierungsauftrag (bzw sind andere Maßnahmen) – wie bereits ausgeführt – allerdings bereits eindeutig durch (teleologische) Auslegung zu gewinnen; eine analoge Rechtsanwendung ist dafür (noch) nicht geboten. Wie bereits mehrfach erläutert, kann ohne Erlass einer dieser Maßnahmen das Ziel des Verfahrens nach den §§ 352–352c EO (Versteigerung der gemeinschaftlichen Liegenschaft und Verteilung des Erlöses entsprechend den Miteigentumsanteilen) nicht erreicht werden; die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags ist daher mE den Bestimmungen über die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft immanent

24 Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 830 Rz 21.

25 Ehrenzweig, System II/1 2 756; vgl in diesem Zusammenhang weiters Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 830 Rz 88, sowie Weixelbaum in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 843 Rz 26.

26 Ausführlich Konecny in Fasching/Konecny, Kommentar I3 Einl Rz 110.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 21 JUDIKATUR IM FOKUS
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ART.-NR.:

4. Einstellung oder (bloß) Stillstand des Exekutionsverfahrens bei Nichtbefolgung des Depurierungsauftrags?

Fraglich ist, was zu geschehen hat, wenn der gerichtliche Auftrag zur Depurierung durch eine Partei nicht befolgt wird. Allgemein wird in einem derartigen Fall (ebenfalls ohne nähere Begründung) davon ausgegangen, dass das Exekutionsverfahren einzustellen ist; ausgenommen ist lediglich der Fall, dass der (durch die Versteigerung) benachteiligte Miteigentümer dieser trotzdem zustimmt.27

Zu denken ist in einer derartigen Situation aber nicht nur an eine Einstellung des Exekutionsverfahrens, sondern auch an einen (faktischen) Stillstand desselben. Bei diesem ist das Exekutionsverfahren weder aufgeschoben noch eingestellt, noch beendigt, es kann aber aufgrund eines Hindernisses vorerst nicht fortgesetzt werden.28 Zu einem derartigen Verfahrensstillstand kommt es regelmäßig dann, wenn der betreibende Gläubiger Mitwirkungspflichten beim Exekutionsvollzug verletzt (zB die Bereitstellung von Transportmitteln oder eines Schlossers bei der Delogierung) bzw die EO zögerliches Gläubigerverhalten mit Sperrfristen ahndet (etwa § 148 Z 2, § 282 Abs 1).29 Bei der Einstellung des Exekutionsverfahrens endet dieses durch Gerichtsbeschluss; dies ist dann der Fall, wenn die Vollstreckung selbst nicht oder nicht unmittelbar zum Erfolg geführt hat. Die Einstellung der Exekution bildet den contrarius actus zur Exekutionsbewilligung. 30 Wie bereits erwähnt, geht die hM bei Nichtbefolgung eines Depurierungsauftrags von einer Einstellung des Exekutionsverfahrens aus (nicht dargelegt wird dabei jedoch, auf welcher Rechtsgrundlage die Einstellung beruht). Wie ebenfalls bereits ausgeführt, kann ohne Erlass eines Depurierungsauftrags der Verfahrenszweck der §§ 352–352c EO nicht erreicht werden. Ehrenzweig geht in dem Fall, dass ein Anteil übermäßig hoch belastet ist und keine Depurierung erfolgt, zu Recht davon aus, dass die Versteigerung unmöglich ist.31

In einem solchen Fall ist das Exekutionsverfahren jedenfalls einzustellen; ein (bloß) faktischer Stillstand scheidet somit aus.

In Bezug auf die Frage, welcher Einstellungsgrund einschlägig ist, kommt mE am ehesten § 39 Abs 1 Z 8 EO in Betracht. Diese Bestimmung stellt ihrem Wortlaut nach auf Exekutionen zur Hereinbringung von Geld ab; die hM geht allerdings davon aus, aus der zitierten Norm sei der allgemeine Schluss abzuleiten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers generell überflüssige und damit zwecklose Exekutionen einzustellen sind.32 Die Rsp wendet daher den in Z 8 enthaltenen Grundsatz auch dann an, wenn der Exekution schon von vornherein keine Aussicht auf Erfolg be-

27 S etwa Heller/Berger/Stix, EO4 2543 mwN; vgl aus der Rsp etwa MietSlg 36.053; EvBl 1990/95 sowie OLG Wien EFSlg 72.071.

28 Neumayr/Nunner-Krautgasser, ExR4 160.

29 Markowetz, ExR3 138; vgl weiter Rechberger/Oberhammer, ExR5 Rz 161.

30 Neumayr/Nunner-Krautgasser, ExR4 161 f.

31 Ehrenzweig, System II/1 2 756; vgl nochmals weiters Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 830 Rz 88, sowie Weixelbaum in Fenyves/ Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 843 Rz 26.

32 Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 39 Rz 45 mwN aus Lehre und Rsp.

schieden ist;33 eine Teilungsexekution nach § 352 EO ist gem § 39 Abs 1 Z 8 EO einzustellen, wenn mit ausreichender Sicherheit angenommen werden kann, dass die Liegenschaft unverkäuflich ist;34 genau dies trifft auch bei Nichtbefolgung eines Depurierungsauftrags (bzw der anderen Maßnahmen) zu. In einer derartigen Situation ist das Exekutionsverfahren daher mE gem § 39 Abs 1 Z 8 EO einzustellen.

5.

Berechnung

und Verteilung

des Meistbots bei ungleicher Belastung der Miteigentumsanteile

Die hL und stRsp gehen bei ungleicher Belastung der Miteigentumsanteile davon aus, dass bei Verteilung des Meistbots dem Versteigerungserlös zunächst der Wert der Last zuzuschlagen und sodann dem Miteigentümer des unbelasteten Anteils von dem so errechneten Betrag der seinem Anteil entsprechende Erlös zuzuweisen ist, während der Rest dem Miteigentümer zufällt, dessen Anteil belastet ist.35 Dieser Berechnungsmethode ist zuzustimmen, da auf diese Art und Weise gewährleistet wird, dass der nicht bzw weniger belastete Miteigentümer einen seinem Anteil entsprechenden Verkehrswert erhält.

6. Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag versucht, die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags (bzw entsprechender anderer Maßnahmen)

33 Deixler-Hübner in Deixler-Hübner, EO § 39 Rz 38 mit Nachweisen aus der hg Rsp.

34 EvBl 1991/141, 601 = RZ 1992/9, 21.

35 Vgl Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 §§ 352–352c Rz 4/1; Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352c Rz 5; s weiter RIS-Justiz RS0004605.

Der Autor:

Dr. Klaus Markowetz, PGDipICA (London) ist Senior Scientist und Stellvertretender Vorstand des Instituts für Zivilprozessrecht, Insolvenzrecht und Vergleichendes Prozessrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz. Autor zahlreicher (auch englischsprachiger) Veröffentlichungen zum Zivil- und Zivilverfahrensrecht (umfangreiche Kommentartätigkeit; mehrere Lehrbücher). Internationale und nationale Vortragstätigkeit sowie mehrjährige Tätigkeit in der Praxis. Postgraduelles Studium an der University of London (Queen Mary and Westfield College) mit Schwerpunkt Internationale Schiedsgerichtsbarkeit.

(Wichtige) Publikationen:

Kommentierung des EGEO, der §§ 209–248 EO sowie der gesamten Forderungsexekution (§§ 289 ff EO) in Deixler-Hübner (Hrsg) Kommentar zur Exekutionsordnung

Exekutionsrecht, 3. Auflage (2022)

lesen.lexisnexis.at/autor/Markowetz/Klaus

zfr.lexisnexis.at 22 ZFR 1/2023 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 5
Foto: privat

zu begründen. Der OGH hat in der gegenständlichen E zutreffend festgestellt, dass es für den Erlass keine gesetzliche Grundlage gibt; das Höchstgericht ist in weiterer Folge – so wie auch die Lehre und andere E bisher – davon ausgegangen, dass der Erlass eines derartigen Auftrags zulässig ist und es bei Nichtbefolgung desselben zu einer Einstellung des Exekutionsverfahrens kommt.

Die Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags bei unterschiedlicher Belastung der Miteigentumsanteile kann mE durch (teleologische) Auslegung der §§ 352–352c EO gewonnen werden; dies ergibt sich bereits eindeutig aus dem Verfahrenszweck der Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegen-

Depurierungsauftrag im Rahmen eines Exekutionsverfahrens auf Zivilteilung

»ZFR 2023/6

EO: §§ 352 ff

ABGB: § 830

OGH 8. 9. 2022, 3 Ob 123/22t

Leitsätze (der Redaktion)

1. Seit der EO-Novelle 2000 gelten für das Exekutionsverfahren auf Zivilteilung einer Liegenschaft im Wesentlichen die Regeln über die Zwangsversteigerung mit den sich aus den §§ 352–352c EO ergebenden Abweichungen. Anders als nach früherer stRsp erwirbt der Ersteher nun originär durch (hoheitl) Zuschlag Eigentum.

2. Gem § 352a Abs 2 EO bleiben die Rechte dinglich Berechtigter von der Versteigerung einer gemeinschaftl Liegenschaft unberührt; diese Lasten sind vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen, auch wenn sie durch das Meistbot nicht gedeckt sind. Eine Abweichung der Versteigerungsbedingungen von dieser gesetzl Anordnung ist unzulässig (§ 352a Abs 2 EO).

3. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber durch die EO-Novelle 2000 die Möglichkeit oder Zulässigkeit der Erteilung eines Depurierungsauftrags im Rahmen eines Verfahrens nach den §§ 352 ff EO beseitigt hätte. Durch die mit 1. 7. 2021 in Kraft getretene Gesamtreform des Exekutionsrechts wurden die Bestimmungen über die Versteigerung einer gemeinschaftl Liegenschaft – abgesehen von redaktionellen Berichtigungen – inhaltlich ebenfalls nicht verändert.

[1] Das ErstG bewilligte der (...) Betreibenden antragsgemäß aufgrund eines vollstreckbaren Urteils über die Aufhebung der Mit-

schaft 36 Das Ziel dieses Verfahrens ist erreicht, wenn die gemeinschaftliche Sache veräußert und der daraus erzielte Erlös unter den Teilhabern aufgeteilt ist. Grds hat jeder Miteigentümer Anspruch auf einen seinem Anteil entsprechenden Teil vom Meistbot; ohne Depurierungsauftrag könnte dieser Anspruch in der gegebenen Konstellation nicht erfüllt werden; Folge davon ist, dass die Versteigerung unmöglich wäre. Wird dem Depurierungsauftrag durch eine Partei nicht Folge geleistet, ist als Einstellungsgrund mE § 39 Abs 1 Z 8 EO einschlägig.

36 Ein Rückgriff auf analoge Rechtsanwendung ist nicht notwendig (s oben Abschnitt 3. aE).

eigentumsgemeinschaft (...) die Exekution nach den §§ 352 ff EO durch gerichtl Versteigerung sämtl Anteile der gemeinschaftl Liegenschaft (...). Die Betreibende ist zu 61/128, die Verpflichtete zu 67/128 Anteilen Miteigentümerin dieser Liegenschaft.

[2] Der Verkehrswert der Liegenschaft betrug zum Stichtag 1. 11. 2019 ohne Lasten 7,600.000 €. Auf den Anteilen der Verpflichteten ist ein Fruchtgenussrecht einverleibt, das mit 1,471.181,89 € bewertet wurde. Die Anteile der Betreibenden sind mit einem (ausgenützten) Höchstbetragspfandrecht von 4,500.000 € belastet. Die Parteien konnten bisher keine Einigung über die von der Betreibenden vorgelegten Versteigerungsbedingungen und über das geringste Gebot erzielen.

[3] Die Verpflichtete beantragte am 30. 4. 2021, der Betreibenden unter Fristsetzung den Auftrag zu erteilen, die Belastung ihrer Liegenschaftsanteile auf das Höchstmaß von 3,620.171,35 € herabzusetzen, und im Fall der nicht fristgerechten Beseitigung dieser übermäßigen Belastung das Exekutionsverfahren einzustellen. (...).

(...)

Aus der Begründung

(...)

[13] 1.1. Nach der Rechtslage vor der EO-Novelle 2000 BGBl I 2000/59 war die exekutive Zivilteilung einer Liegenschaft in einem Exekutionsverfahren durchzuführen, in dem – abgesehen von § 74 EO – die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1–78 EO und infolge des Verweises in § 78 EO die Rechtsmittelvorschriften der ZPO galten (Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352 Rz 2 mwN; Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 §§ 352–352c Rz 1). Die Durchführung der Versteigerung hatte gem § 352 EO aF unter Anwendung der §§ 272 ff AußStrG 1854 und nach Bestimmungen der (inzwischen durch das 1. BRBG BGBl I 1999/191 aufgehobenen) FeilbO zu erfolgen. Der Zuschlag vermittelte dem Ersteher (noch) nicht das Eigentum, sondern (nur) den entgeltl vertragl Erwerbstitel (RS0004497; RS0004504); das Eigentum erwarb der Ersteher nach der Rechtslage bis zur EO-Novelle 2000 bei Liegenschaften (erst) durch dessen grundbücherl Einverleibung bzw beim

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 23 JUDIKATUR
FOKUS
6
IM
ART.-NR.:

Superädifikat mit Urkundenhinterlegung (Höllwerth in DeixlerHübner, EO § 352 Rz 2 mwN). Erzielten die Teilhaber über die Verteilung des Meistbots keine Einigung, war dieses bei Gericht zu erlegen. Die Parteien mussten dann die Zuweisung des Versteigerungserlöses im streitigen Verfahren klären; ein Teilhaber musste also die anderen auf Zustimmung in die Ausfolgung des seinem Anteil entsprechenden Teils des bei Gericht erlegten Erlöses klagen (Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352 Rz 2 mwN).

[14] 1.2. Die Bestimmung des § 352 EO aF (mit ihrem Verweis auf das AußStrG 1854) wurde so verstanden, dass die Rechte der an der Liegenschaft dinglich berechtigten Dritten durch die Versteigerung gem § 847 ABGB und § 277 AußStrG 1854 „in keiner Weise berührt“ werden; dies gelte auch, wenn der Wert der Lasten das Meistbot übersteige. Um die Bieter darüber nicht im Zweifel zu lassen, müsse im Versteigerungsedikt bestimmt werden, ob sich der Ersteher den Gesamtbetrag der Lasten vom Meistbot abziehen könne oder nicht; fehle es an einer solchen Bestimmung, so gelte die Übernahme der Lasten ohne Anrechnung (Heller/Berger/Stix, EO4 2542 mwN). Bei ungleichmäßiger Belastung der Anteile könne es vorkommen, dass die Gesamtlasten den Ausrufpreis übersteigen würden, sodass ein Ausgleich bei der Verteilung des Erlöses unter den Miteigentümern nicht möglich sei; dann müsse der Ausrufpreis entsprechend hoch angesetzt oder – wenn dies nicht möglich sei (weil dann ein Angebot nicht erzielt werden könne) –den Parteien „der Auftrag erteilt werden, innerhalb einer gewissen Frist die notwendigen Tilgungen und Löschungen zu veranlassen“; bei Unterbleiben einer solchen „Depurierung“ müsse das Verfahren eingestellt werden, sofern der sonst benachteiligte Miteigentümer nicht dennoch der Versteigerung zustimme (Heller/Berger/ Stix, EO4 2543 mwN). Die Entscheidungen zu dieser Rechtslage hoben ebenfalls hervor, der Gefahr, dass die übrigen Miteigentümer bei der gerichtl Feilbietung der Liegenschaft durch die Erzielung eines wegen der Belastung der Miteigentumsanteile des kl (betreibenden) Miteigentümers dem Verkehrswert ihrer Miteigentumsanteile nicht entsprechenden Meistbots geschädigt werden könnten, sei im Exekutionsverfahren nach § 352 EO (aF) durch Bestimmung eines entsprechend hoch angesetzten Ausrufpreises, durch Erteilung eines Depurierungsauftrags an den Kl oder durch die Gewährung eines Wertausgleichs an die Bekl zu begegnen (RS0004347 [T2]; RS0004618 [T3]). Eine konkrete gesetzl Regelung für die Vorgangsweise zur Verhinderung von Nachteilen für einzelne Miteigentümer bei der Zivilteilung infolge einer unterschiedl Belastung der Miteigentumsanteile gab es somit nicht, sondern diese war das Ergebnis von Rsp und Lehre zur Versteigerung einer gemeinschaftl Liegenschaft nach § 352 EO aF.

[15] 1.3. Seit der EO-Novelle 2000 gelten für das Exekutionsverfahren auf Zivilteilung einer Liegenschaft im Wesentlichen die Regeln über die Zwangsversteigerung mit den sich aus den §§ 352–352c EO ergebenden Abweichungen. Anders als nach früherer stRsp erwirbt der Ersteher nun originär durch (hoheitl) Zuschlag Eigentum (§ 352 iVm § 237 Abs 1 EO; 5 Ob 95/09w mwN; Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352 Rz 3; Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 843 Rz 48; Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 §§ 352–352c Rz 1).

[16] 1.4. Gem § 352a Abs 2 EO bleiben die Rechte dinglich Berechtigter von der Versteigerung einer gemeinschaftl Liegenschaft unberührt; diese Lasten sind vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen, auch wenn sie durch das Meistbot nicht gedeckt sind. Eine Abweichung der Versteigerungsbedingungen von dieser gesetzl Anordnung ist unzulässig (§ 352a Abs 2 EO). Gem § 352c EO ist das Meistbot primär nach dem Einvernehmen der Parteien zu verteilen. Einigen sich die Parteien nicht, so hat das Gericht über die Verteilung nach mündl Verhandlung durch Urteil zu entscheiden. Grds hat jeder Miteigentümer Anspruch auf einen seinem Anteil entsprechenden Teil des Meistbots (RS0004316 [T2]). Bei ungleicher Belastung der Miteigentumsanteile ist dem Versteigerungserlös zunächst der Wert der Last zuzuschlagen und sodann dem Miteigentümer des unbelasteten Anteils von dem so errechneten Betrag der seinem Anteil entsprechende Erlös zuzuweisen, während der Rest dem Miteigentümer zufällt, dessen Anteil belastet ist (RS0004605; so auch Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 §§ 352–352c Rz 4/1; Höllwerth in Deixler-Hübner, EO § 352c Rz 5).

(...) In der Lit wird die Frage der Zulässigkeit eines Depurierungsauftrags iZm der Zivilteilung seit der EO-Novelle 2000 zwar nicht näher behandelt, aber auch nicht in Zweifel gezogen. So meint etwa Parapatits (in Kletečka/Schauer, ABGB1.04 § 843 Rz 14) mit Hinweis auf die E 3 Ob 186/08m, einem mögl Nachteil eines Miteigentümers bei der Zivilteilung sei vor der Versteigerung durch einen entsprechend hohen Ausrufungspreis oder einen Depurierungsauftrag entgegenzuwirken (ebenso Tanczos/ Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 830 Rz 21). Nach Ansicht von Sprohar-Heimlich könne die Zivilteilung scheitern, wenn ein Anteil übermäßig belastet wurde und eine Depurierung unterbleibe (Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 830 Rz 88 mwN; ähnlich Weixelbaum in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 843 ABGB Rz 26).

[18] 2.2. In der E 3 Ob 186/08m hat der Senat die bereits erwähnte Rsp fortgeschrieben, nach der eine vom Ersteher zu übernehmende Last auf der Liegenschaft den erzielbaren Erlös mindert, auch wenn die Last nur einen Miteigentumsanteil betrifft, und dass diesem, den anderen Miteigentümer belastenden Nachteil vor der Versteigerung durch einen entsprechend hoch anzusetzenden Ausrufungspreis oder durch einen Depurierungsauftrag (Auftrag zur Lastenfreistellung) oder danach eben durch die Gewährung eines Wertausgleichs zu begegnen sei.

[19] 2.3. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber durch die EO-Novelle 2000 die Möglichkeit oder Zulässigkeit der Erteilung eines Depurierungsauftrags im Rahmen eines Verfahrens nach den §§ 352 ff EO beseitigt hätte. Durch die mit 1. 7. 2021 in Kraft getretene Gesamtreform des Exekutionsrechts – GREx BGBl I 2021/86 wurden die Bestimmungen über die Versteigerung einer gemeinschaftl Liegenschaft – abgesehen von redaktionellen Berichtigungen – inhaltlich ebenfalls nicht verändert (dazu ErläutRV 770 BlgNR 27. GP 63).

(...)

Bearbeiterin: Mariya Hubcheva-Kummer

zfr.lexisnexis.at 24 ZFR 1/2023 JUDIKATUR IM FOKUS ART.-NR.: 6

JUDIKATUR VfGH

Qualifizierter Verstoß des VersVG gegen Unionsrecht: Zur Staatshaftung des Bundes

»ZFR 2023/7

B-VG: Art 137

*

RL 2009/138/EG (Solvabilität II): Art 185, Art 186

RL 90/619/EWG (2. LebensversicherungsRL): Art 15

RL 92/96/EWG (3. LebensversicherungsRL): Art 31, Anhang II A. a13

VersVG: §§ 5c, 176 Abs 1a, 5 und 6, § 191c Abs 22, 23 und 24

VfGH 26. 9. 2022, A 27/2021

Leitsatz (der Redaktion)

1. Abweisung einer – auf Ersatz der Prozesskosten eingeschränkten und dem Grunde nach zu Recht erhobenen – unionsrechtl Staatshaftungsklage gegen den Bund wegen Obsiegens mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil des Anspruchs trotz eines qualifizierten Verstoßes gegen Unionsrecht und die Vorgaben des EuGH durch eine Bestimmung des VersVG betreffend die Beschränkung der bereicherungsrechtl Rückabwicklung auf den Rückkaufswert im Falle eines Rücktritts von einem Lebensversicherungsvertrag.

2. Keine Möglichkeit einer „Sanierung“ im Auslegungsweg durch die ordentl Gerichte, kein Verstoß gegen Unionsrecht auf der Ebene der Vollziehung.

3. Die Wirksamkeit des unionsrechtl Rücktrittsrechts bei fehlender oder rechtswidriger Belehrung vor Vertragsabschluss wird durch Tragen des wirtschaftl Risikos durch die VN beeinträchtigt.

Mit der gegenständl Klage aus dem Jahr 2021 begehrt die Kl, den bekl Bund zur Zahlung von 1,630.002,44 € sA zu verurteilen sowie festzustellen, dass ihr der Bund für sämtl Schäden aus dem legislativen Unrecht hafte, und zwar wegen des qualifizierten Verstoßes von Bestimmungen des VersVGÄG gegen die 2. und 3. LebensversicherungsRL sowie die Solvabilität II-RL. Mit der Klage werden im Wege der objektiven Klagehäufung gemeinsam mehrere Ansprüche mehrerer VN im Wege einer Inkassozession an die klP mittels einer „Sammelklage nach österr Recht“ geltend gemacht.

Nach Klagseinbringung gab die Kom bekannt, dass gegen Ö ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung von EU-Recht in Bezug auf Lebensversicherungsverträge eingeleitet werde. In weiterer Folge beschloss der Nationalrat am 19. 5. 2022

* Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

die VersVG-Novelle 2022, die am 1. 8. 2022 in Kraft trat. Diese hat zusammengefasst zum Inhalt, dass dem VN für den Fall eines Rücktrittes nach § 5c VersVG ein „ewiges Rücktrittsrecht“ zusteht. Darüber hinaus ist diesfalls nicht nur der Rückkaufswert zu erstatten, sondern der VN hat Anspruch auf die Rückzahlung der eingezahlten Prämien (bereicherungsrechtl Rückabwicklung). Die Neuregelung durch die VersVG-Novelle 2022 gilt rückwirkend für Rücktrittserklärungen, die nach dem 31. 12. 2018 erfolgten (§ 191c Abs 24 VersVG).

Demgemäß gab die klP bekannt, dass die geltend gemachten Ansprüche durch die VersVG-Novelle 2022 bis auf den Kostenersatzanspruch als erledigt anzusehen seien. Die Klage werde daher auf den Ersatz der Kosten eingeschränkt.

Aus den Entscheidungsgründen

(...) 1. Zur Zulässigkeit

(...)

1.2. Die klP macht vermögensrechtl Ansprüche von VN gegen den Bund geltend, die diese im Wege der Inkassozession an die klP abgetreten haben. Die klP stützt den Anspruch auf den Titel der unionsrechtl Staatshaftung, weil der Bund durch das Bundesgesetz, mit dem das VersVG, das KSchG und das VAG 2016 geändert werden (VersVGÄG) BGBl I 2018/51 vorsätzlich gegen Bestimmungen der 2. und 3. LebensversicherungsRL sowie der Solvabilität II-RL verstoßen habe. Der Gesetzgeber habe mit dieser Novelle das unionsrechtlich gebotene Rücktrittsrecht der VN durch eine Beschränkung der bereicherungsrechtl Rückabwicklung in Widerspruch zur Rsp des EuGH „wirtschaftlich entwertet“. Die klP macht somit einen Staatshaftungsanspruch gegen den Bund wegen „legislativen Unrechts“ iSd Rsp des VfGH geltend (s VfSlg 18.950/2009 und die darin zitierte Vorjudikatur).

(…)

1.7. Nach Auffassung des VfGH käme eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 176 Abs 1, 1a und 5 VersVG idF BGBl I 2018/51 – träfe die von der klP behauptete Unionsrechtswidrigkeit der Beschränkung der bereicherungsrechtl Rückabwicklung auf den Rückkaufswert zu – jedenfalls nicht in Betracht:

Nach dem klaren Wortlaut und dem Willen des historischen Gesetzgebers der Novelle BGBl I 2018/51 sollte der VN in bestimmten Konstellationen nach einem Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag auf den Ersatz des Rückkaufswertes beschränkt werden. So heißt es in den Erl zu dem IA (vgl 302/A BlgNR 26. GP 6), der letztlich zur Beschlussfassung des § 176 Abs 1a VersVG idF BGBl I 2018/51 führte: „Bei einem Spätrücktritt ab dem zweiten bis zum fünften Jahr nach Vertragsabschluss soll der VN den Rückkaufswert nach § 176 Abs 3 VersVG ohne Berück-

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 25 ART.-NR.: 7

sichtigung der tarifl Abschlusskosten und ohne Abzug nach § 176 Abs 4 erhalten. Bei einem Rücktritt nach Ablauf von fünf Jahren ab Vertragsabschluss erhält der VN den Rückkaufswert gem § 176 Abs 1 VersVG.“

Angesichts des klaren Wortlautes des § 176 VersVG idF BGBl I 2018/51 und des Willens des Gesetzgebers verbietet es sich nach allgemeinen Auslegungsregeln, die Bestimmung unter Berufung auf eine richtlinienkonforme Auslegung (contra legem) unangewendet zu lassen (so auch Potacs, Rechtswirkungen eines „Spätrücktrittes“ contra legem? VR 2021 H 9, 27 [32 f]).

1.8. Für die Frage der Zulässigkeit der vorliegenden Klage bedeutet dies, dass eine Zurechnung des von der klP behaupteten Verstoßes gegen Unionsrecht zur Vollziehung (der ordentl Gerichtsbarkeit) ausscheidet:

(…)

2. In der Sache

2.1. Die klP hat ihre Klage, soweit damit Schäden von VN (Zedenten), die von ihren Lebensversicherungsverträgen nach dem 31. 12. 2018 bis zum 31. 7. 2022 zurückgetreten sind, geltend gemacht werden, dem Grunde nach zu Recht erhoben.

2.1.1. Die VN (Zedenten) haben in den Jahren 1995 bis 2020 Lebensversicherungsverträge mit Versicherern abgeschlossen. Dem Vorbringen der klP zufolge wurden sie entgegen der jeweils geltenden Rechtslage bei Abschluss der Lebensversicherungsverträge nicht oder nicht hinreichend belehrt. Die beklP bestreitet nicht, dass die VN fehlerhaft belehrt worden sind.

(…)

„Ist ein Verstoß eines MS gegen das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gesetzgeber zuzurechnen, der auf einem Gebiet tätig wird, auf dem er im Hinblick auf normative E über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, so hat der Geschädigte einen Entschädigungsanspruch, sofern die verletzte gemeinschaftsrechtl Vorschrift bezweckt, ihm Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.“

2.1.3. Angesichts der E des EuGH in der Rs Endress (EuGH 19. 12. 2013, C-209/12) sowie in der Rs Rust-Hackner ua (EuGH 19. 12. 2019, C-355/18 ua) hegt der VfGH keine Zweifel daran, dass die von der klP ins Treffen geführten Bestimmungen der 2. und 3. LebensversicherungsRL sowie der Solvabilität II-RL bezweck(t)en, dem VN Rechte, nämlich ein Rücktrittsrecht vom Lebensversicherungsvertrag im Falle einer fehlenden oder rechtswidrigen Belehrung vor Vertragsabschluss, zu verleihen (vgl zu dieser Voraussetzung VfSlg 19.688/2012 mwN).

Der VN muss entsprechend den Vorgaben des Art 185 Solvabilität II-RL vom Versicherer vor Vertragsabschluss schriftlich über näher bezeichnete Umstände, insb über die Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und des Rücktrittsrechtes, belehrt werden. Wird der VN nicht oder nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, steht ihm das Rücktrittsrecht (unbefristet) zu (EuGH 19. 12. 2013, C-209/12, Endress; OGH 2. 9. 2015, 7 Ob 107/15h). Tritt der VN vom

Versicherungsvertrag zurück, ist er gem Art 186 Abs 1 Solvabilität II-RL für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit.

2.1.4. Der österr Gesetzgeber hat die Folgen eines solchen Vertragsrücktrittes vor Inkrafttreten der Novelle Bundesgesetz BGBl I 2018/51 in § 176 Abs1 VersVG in dem Sinne geregelt, dass der Versicherer dem VN im Falle eines Rücktrittes, einer Kündigung oder einer Anfechtung des Versicherungsvertrages den Rückkaufswert zu erstatten habe. Diese Regelung wurde im Schrifttum als unionsrechtswidrig beurteilt (vgl Berger/Maderbacher, Zum Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen. Anmerkungen aus unionsrechtlicher Sicht, ÖJZ 2018, 391 [397 f]), weil die Gewährung (bloß) des Rückkaufwertes einer Vertragsauflösung ex nunc entspreche und die wirtschaftl Folgen des Rücktrittes damit vom VN zu tragen seien. Dies könne ihn iS der E des EuGH in der Rs Endress davon abhalten, sein Rücktrittsrecht auch effektiv wahrzunehmen.

Angesichts dieser und weiterer unionsrechtl Bedenken stellten mehrere österr Gerichte Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, der diese in der Rs Rust-Hackner ua beantwortete. In dieser E sprach der EuGH ua aus, Art 15 Abs 1 2. LebensversicherungsRL und Art 185 Abs 1 der Solvabilität II-RL seien dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach „der der Versicherer einem VN, der von seinem Vertrag zurückgetreten ist, lediglich den Rückkaufswert zu erstatten hat“.

2.1.5. Parallel zu diesem Vorabentscheidungsverfahren wurde der österr Gesetzgeber tätig, um die Folgen eines (Spät-) Rücktrittes vom Lebensversicherungsvertrag neu zu regeln. Aus den Gesetzesmaterialien geht hervor, dass der Grund für diese Neuregelung die bestehende Unsicherheit über die Rechtsfolgen eines Vertragsrücktrittes durch den VN sei (vgl BlgNR 302/A 26. GP 6). Aus diesem Grund sei es geboten, mit einer ausdrückl Regelung für „Rechtssicherheit“ zu sorgen. Die Novelle BGBl I 2018/51 wurde am 14. 8. 2018 kundgemacht. Diese bis zum Inkrafttreten der VersVG-Novelle 2022 maßgebl Rechtslage stellte sich wie folgt dar:

(…)

2.1.5.4. Trägt der VN das Veranlagungsrisiko (sog „fondsgebundene Lebensversicherung“), konnte der Versicherer gem § 176 Abs 1a zweiter Satz VersVG idF BGBl I 2018/51 allfällige bis zum Rücktritt eingetretene Veranlagungsverluste berücksichtigen.

2.1.6. Am 9. 2. 2022 leitete die Kom wegen dieser Rechtslage zur Zahl INFR(2021)4069 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ö aufgrund der mangelhaften Umsetzung von Unionsrecht im VersVG ein. (...)

2.1.7. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Regelung der Rechtsfolgen eines (Spät-)Rücktrittes vom Lebensversicherungsvertrag in § 176 VersVG idF BGBl I 2018/51 den unionsrechtl Vorgaben entsprach.

(…)

2.1.10. Der VfGH ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 176 Abs 1a und Abs 5 VersVG idF BGBl I

zfr.lexisnexis.at 26 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 7 JUDIKATUR VfGH

2018/51 in qualifizierter Weise gegen Unionsrecht und die Vorgaben des EuGH verstoßen hat.

2.1.10.1. Der EuGH hat in der Rs Rust-Hackner in Beantwortung der hier insb relevanten vierten Vorlagefrage Folgendes ausgeführt:

„Art 15 Abs 1 RL 90/619 in der durch die RL 92/96 geänderten Fassung, Art 35 Abs 1 RL 2002/83 und Art 185 Abs 1 RL 2009/138 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Versicherer einem VN, der von seinem Vertrag zurückgetreten ist, lediglich den Rückkaufswert zu erstatten hat.“

2.1.10.2. Diese Ausführungen ergingen zu § 176 Abs 1 VersVG, der durch die Novelle BGBl I 2018/51 nicht geändert worden ist. Wie die beklP in ihrer Gegenschrift ausführt, richteten sich die Rechtsfolgen im Falle eines Rücktrittes vom Versicherungsvertrag ab dem sechsten Jahr nach Vertragsabschluss nicht nach § 176 Abs 1a VersVG idF BGBl I 2018/51. Nach den Mat sollte der VN diesfalls vielmehr den Rückkaufswert gem § 176 Abs 1 VersVG erhalten (vgl 302/A BlgNR 26. GP 6).

Diese Rechtslage hat der EuGH jedoch bereits als unionsrechtswidrig erkannt, indem er ausgesprochen hat, dass der VN nicht auf den Ersatz des Rückkaufswertes nach § 176 Abs1 VersVG beschränkt werden darf. Eine zeitl Differenzierung hat der EuGH dabei gerade nicht vorgenommen, sodass die Rechtslage jedenfalls bei einem Vertragsrücktritt ab dem sechsten Jahr nach Vertragsabschluss offenkundig unionsrechtswidrig war (ebenso Schöppl, EuGH-Entscheidung „Rust-Hackner“ – Neues in der Debatte um Spätrücktritte von Lebensversicherungsverträgen, wbl 2020, 313 [318]: „zweifellos europarechtswidrig“).

2.1.10.3. Die Rechtslage idF BGBl I 2018/51 hat aber auch bei einem Vertragsrücktritt ab dem zweiten bis zum fünften Jahr nach Vertragsabschluss gegen die unionsrechtl Vorgaben verstoßen:

Auch hier ordnete der Gesetzgeber im Widerspruch zur Rsp des EuGH an, dass dem VN der Rückkaufswert zu erstatten ist. Im Gegensatz zum Rückkaufswert nach § 176 Abs 1 VersVG wurde dieser zwar für den VN günstiger berechnet, weil der Versicherer die tarifl Abschlusskosten und den Abzug gem § 176 Abs 4 VersVG nicht berücksichtigen durfte (§ 176 Abs 1a VersVG idF BGBl I 2018/51). Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der VN durch die genannte Regelung das wirtschaftl Risiko des Vertragsrücktrittes zu tragen hatte. Dementsprechend konnten VN von der Ausübung ihres Rücktrittsrechtes abgehalten werden, nämlich in jenen Fällen, in denen der Ersatz (bloß) des Rückkaufswertes nach § 176 Abs 1a VersVG idF BGBl I 2018/51 wirtschaftlich nicht attraktiv war. Damit war aber entgegen der Rsp des EuGH eine Rechtslage geschaffen, welche die Wirksamkeit des unionsrechtl Rücktrittsrechtes beeinträchtigte (vgl Berger/Maderbacher, aaO 397 f).

(…)

2.1.12. Die beklP bringt darüber hinaus vor, dass die VN (Zedenten) teilweise nicht von ihren Lebensversicherungsverträgen zurückgetreten seien, ein Staatshaftungsanspruch aber erst geltend gemacht werden könne, wenn es zu einem Vertragsrücktritt

gekommen sei. Sollten die VN tatsächlich ihren Rücktritt erklärt haben, sei nach dem Zeitpunkt desselben zu differenzieren.

2.1.12.1. Sei der Rücktritt vor dem 1. 1. 2019 erklärt worden, sei § 176 Abs 1a VersVG idF BGBl I 2018/51 nicht anzuwenden. Die frühere Rechtslage sei, wie der OGH festgestellt habe, einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich, weswegen von keinem Schaden auszugehen sei. Sei der Rücktritt ab dem 1. 1. 2019 erklärt, der Versicherungsvertrag aber bis zum 31. 12. 2018 geschlossen worden, hätte der VN grds die Möglichkeit gehabt, den Rücktritt nach Kundmachung, aber noch vor Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2018/51 zu erklären. Diesfalls treffe den VN wohl eine Schadensminderungspflicht nach § 1304 ABGB. Nur wenn der Versicherungsvertrag nach dem 31. 12. 2018 abgeschlossen und der Rücktritt nach diesem Zeitpunkt erklärt worden sei, kämen die Rechtsfolgen des § 176 Abs 1a VersVG idF BGBl I 2018/51 uneingeschränkt zur Anwendung. Diese Voraussetzungen seien nur bei den wenigsten der von der klP vertretenen VN (Zedenten) erfüllt.

2.1.12.2. Der beklP ist darin beizupflichten, dass ein Staatshaftungsanspruch nur hinsichtlich jener VN in Betracht kam, die ihren Rücktritt vom Versicherungsvertrag nach dem 31. 12. 2018 erklärt haben, weil nur hinsichtlich dieser VN der durch die als unionsrechtswidrig erkannte Bestimmung verursachte Schaden als Folge eines Vertragsrücktrittes beziffert werden konnte. Der Anspruch der klP bestand daher – vor der VersVG-Novelle 2022 –nur insoweit zu Recht, als die VN (Zedenten) nach dem 31. 12. 2018 bis zum 31. 7. 2022 von ihren Lebensversicherungsverträgen zurückgetreten sind.

(…)

Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

Das sollzinsenfreie COVID-19-Kreditmoratorium ist verfassungskonform*

»ZFR 2023/8

B-VG: Art 7 Abs 1

StGG: Art 2 und Art 5

1. ZPEMRK: Art 1

2. COVID-19-JuBG: § 2

VfGH 13. 12. 2022, G 174/2022

Leitsätze (der Redaktion)

1. Das zinsenfreie Kreditmoratorium gem § 2 Abs 6 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG in der vom OGH beigemessenen Auslegung verstößt nicht gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK. Die Bestimmung dient dem öffentl In-

* Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 27
JUDIKATUR VfGH
ART.-NR.: 8

teresse des Schutzes der von der Pandemie betroffenen Verbraucher und Kleinstunternehmen, sie ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen, und es bestehen Rechtfertigungsgründe von entsprechendem Gewicht, um den Eingriff zu rechtfertigen.

2. Einige Gesichtspunkte können die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes relativieren, und zwar der Anwendungsbereich des Kreditmoratoriums, der Umstand, dass die überwiegende Zahl der Banken die gesetzlich normierten Voraussetzungen für das Kreditmoratorium in Bezug auf die einzelnen Kreditnehmer überhaupt nicht geprüft hat, und dass es auch ohne das gesetzlich festgelegte Kreditmoratorium fraglich gewesen wäre, ob die erfassten Kreditnehmer überhaupt in der Lage gewesen wären, ihre Verpflichtungen aus den Kreditverträgen zu erfüllen.

3. Allein aufgrund einer Gesamtbetrachtung, der zufolge den Nachteilen aus dem zinslosen Kreditmoratorium zahlreiche wesentl geldpolitische, aber auch (zum Teil gemeinsam mit der EBA) einige bankaufsichtsrechtl Maßnahmen der EZB gegenüberstanden, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Banken und die Realwirtschaft abzufedern, die eine Abfederung wirtschaftl Auswirkungen bewirkten, ist es gerechtfertigt, dass Banken die Kosten für das zinslose Kreditmoratorium tragen.

4. Aus den genannten Gründen verstößt § 2 Abs 6 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der unterschiedl Behandlung von Kreditgebern und Wohnungsvermietern liegen unterschiedl Sachverhalte zugrunde, die nicht am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden können.

Aus den Entscheidungsgründen

(...)

Der Antrag ist nicht begründet.

2.1. Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK

(…)

2.2.2. In seiner E 22. 12. 2021, 3 Ob 189/21x, sprach der OGH aus, dass Kreditgeber den Kreditnehmern für den Zeitraum der Stundung keine Sollzinsen verrechnen dürfen, die durch die angefochtene Bestimmung bewirkte Verlängerung der Kreditverträge sohin unentgeltlich zu erfolgen habe (…)

2.4. Nach Auffassung des VfGH verstößt die angefochtene Regelung in der ihr vom OGH beigemessenen Auslegung nicht gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK.

(…)

2.4.3. Die angefochtene Bestimmung in ihrer Auslegung durch den OGH stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes dar.

Vorweg ist festzuhalten, dass das – von den antragstellenden Parteien ausdrücklich nicht angegriffene – Kreditmoratorium

und die dadurch bewirkte Verlängerung der Kreditverträge für sich genommen grds einen erhebl Eingriff in die Privatautonomie der Kreditinstitute und damit auch in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums darstellen.

Die angefochtene Regelung greift zunächst nachträglich in bestehende Kreditverträge zwischen Privaten ein und bewirkt – bei dem Verständnis, das der OGH der angefochtenen Bestimmung zugrunde legt –, dass die Kosten für das Kreditmoratorium einseitig und pauschal von den Kreditgebern zu tragen sind. Sie bewirkt im Ergebnis, dass die Kreditinstitute ihr Kapital für (zusätzl) zehn Monate zur Verfügung stellen müssen, ohne dafür vom (dadurch begünstigten) Kreditnehmer ein Entgelt verlangen zu können. Auf diese Weise haben einzelne Privatrechtssubjekte, nämlich Kreditinstitute, welche Kredite an Verbraucher und Kleinstunternehmen vergeben haben, die dem gesetzl Moratorium unterfallen, die Kosten im Interesse der Allgemeinheit zu tragen.

Der VfGH hegt keinen Zweifel daran, dass die angefochtene Bestimmung dem öffentl Interesse des Schutzes der von der Pandemie betroffenen Verbraucher und Kleinstunternehmen dient. Die angefochtene Bestimmung soll diese Gruppen vor negativen Konsequenzen bewahren, die dadurch entstehen können, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie und der dadurch vielfach verursachten Einkommensverluste laufende Kreditraten (samt Zinsverbindlichkeiten) nicht beglichen werden können. Die angefochtene Bestimmung, welche die Fälligkeit der Leistungen aus dem Kreditvertrag für die Dauer von zehn Monaten hinausschiebt und für die Dauer des Kreditmoratoriums eine Zinsfreistellung bewirkt, ist auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen, weil den Kreditnehmern dadurch Zeit verschafft wird, das für die Rückzahlung erforderl Kapital bereitzustellen.

2.4.4. Eine solche Tragung der Kosten durch alle Kreditinstitute ist durch Gründe von entsprechendem Gewicht zu rechtfertigen, anderenfalls sich die angefochtene Regelung aus den in der Rsp des VfGH angeführten Gründen als verfassungswidrig erwiese (vgl VfSlg 12.227/1989 und 17.326/2004). Nach Auffassung des VfGH bestehen jedoch im konkreten Fall solche Rechtfertigungsgründe von entsprechendem Gewicht. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass einige Gesichtspunkte die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes relativieren (können):

Zunächst ist auf die Regelungen in § 2 Abs 1 2. COVID-19-JuBG zu verweisen, welche den Anwendungsbereich des Kreditmoratoriums festlegen: Danach gilt das Kreditmoratorium (nur dann), „wenn der Verbraucher aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnl Verhältnisse Einkommensausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar ist dem Kreditnehmer die Erbringung der Leistung insb dann, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist.“ Aufgrund dieser Regelungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber das Kreditmoratorium nur auf solche Sachverhalte angewendet wissen wollte, in denen sich der betroffene Kreditnehmer in einer derart unzumutbaren Lage befand, dass er voraussichtlich (ohnehin) die Kreditzahlungsverpflichtungen (zu-

zfr.lexisnexis.at 28 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 8 JUDIKATUR VfGH

mindest vorübergehend) nicht erfüllen hätte können. Wenn nun der Gesetzgeber für eben diesen besonderen Sachverhalt ein (zinsloses) Kreditmoratorium statuiert, greift er zwar nachträglich in die vertragl Regelungen zwischen dem Kreditinstitut und dem Kreditnehmer ein; es kann aber nicht ohne Weiteres von einem gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums der Kreditinstitute gesprochen werden.

In der mündl Verhandlung vor dem VfGH brachten die antragstellenden Parteien in diesem Zusammenhang vor, dass die überwiegende Zahl der antragstellenden Parteien die in § 2 Abs 1

2. COVID-19-JuBG normierten Voraussetzungen für das Kreditmoratorium in Bezug auf die einzelnen Kreditnehmer überhaupt nicht geprüft hatten, sodass ein wesentl Teil der Kreditnehmer in den Genuss des (zinslosen) Kreditmoratoriums kommen konnte.

Hätten alle antragstellenden Parteien – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – das Kreditmoratorium nur auf die von § 2 Abs 1 2. COVID-19-JuBG erfassten Kreditnehmer angewendet, wären die von den antragstellenden Parteien angegebenen Rückstellungen für Zinszahlungen möglicherweise von vornherein erheblich geringer gewesen.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es auch ohne das gesetzlich festgelegte Kreditmoratorium fragl ichgewesen wäre, ob die von § 2 Abs 1 2. COVID-19-JuBG erfassten Kreditnehmer überhaupt in der Lage gewesen wären, ihre Verpflichtungen aus den Kreditverträgen mit den antragstellenden Parteien zu erfüllen. Auch dies ist bei der Beurteilung der Erheblichkeit des Eingriffes in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums der antragstellenden Parteien (mit) zu berücksichtigen.

Weiterhin ist zu beachten, dass sich die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes auch wesentlich nach den konkreten Kreditverhältnissen (insb Dauer des Kreditvertrages, fixe oder variable Verzinsung, Fälligkeitsregelungen usw) bestimmt. Die antragstellenden Parteien haben in diesem Zusammenhang nicht näher dargelegt, welche gesamthaften Auswirkungen die angefochtene Bestimmung in den jeweiligen Sachverhaltskonstellationen nach sich gezogen hat.

2.5. Ungeachtet dieser Gesichtspunkte, welche die Erheblichkeit des Eigentumseingriffes relativieren (können), erscheint es nach Auffassung des VfGH schon allein aus einem anderen Grund als gerechtfertigt, dass die Kreditinstitute (und damit die antragstellenden Parteien) die Kosten für das zinslose Kreditmoratorium tragen. In einer Gesamtbetrachtung standen den Nachteilen aus dem zinslosen Kreditmoratorium nämlich bestimmte Maßnahmen gegenüber, die eine Abfederung der in Rede stehenden wirtschaftl Auswirkungen bewirkten:

Wie die BReg in der mündl Verhandlung vor dem VfGH und in der Folge in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, hat vor allem die EZB zahlreiche wesentl geldpolitische, aber auch (zum Teil gemeinsam mit der EBA) einige bankaufsichtsrechtl Maßnahmen gesetzt, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Kreditinstitute und die Realwirtschaft abzufedern, wobei von Letztem auch wiederum die Kreditinstitute (mittelbar) begünstigt wurden. In diesem Sinne fasste die EZB zahlreiche geldpolitische und bankaufsichtsrechtl Beschlüsse:

So erweiterte die EZB am 30. 4. 2020 – ausdrücklich als Antwort auf die COVID-19-Pandemie – ihre gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (Targeted Longer-Term Refinancing Operations [TLTRO III]; vgl zu diesen Geschäften auch schon den geldpolitischen Beschluss der EZB vom 12. 3. 2020). Im Rahmen dieser gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte bot die EZB den Kreditinstituten günstige, langfristige Kredite mit dem Anreiz an, die Geldmittel gezielt für die Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen im Euroraum zu verwenden. Kreditinstitute konnten für eine Dauer von drei Jahren Kredite zu einem Zinssatz von -0,5 % aufnehmen. Darüber hinaus erhielten Banken, die Unternehmen und Verbrauchern Kredite ab einer bestimmten Schwelle gewährten, einen noch niedrigeren Zinssatz von bis zu -1 % pa.

Des Weiteren kündigte die EZB am 30. 4. 2020 sog pandemische längerfristige Notfall-Refinanzierungsgeschäfte (Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations [PELTRO]) an. Diese sollten den Kreditinstituten bis Ende September 2021 ausreichend Liquidität zur Verfügung stellen. Die pandemischen längerfristigen Notfall-Refinanzierungsgeschäfte ermöglichten Kreditinstituten mit einem Kreditportfolio, welches nicht für die zuvor erläuterten gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte infrage kam, sowie Kreditinstituten, welche die TLTRO IIILimits bereits ausgeschöpft hatten, weiterhin Zugang zu sehr günstiger Liquidität.

Weiterhin hat die EZB die Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten für die Refinanzierungsgeschäfte gelockert: Um den Kreditinstituten die Teilnahme an den Refinanzierungsprogrammen, wie zB den TLTRO III, zu erleichtern, hat die EZB etwa die Liste jener Vermögenswerte erweitert, die von ihr als Sicherheiten anerkannt werden.

Auch in ihrer Rolle als Bankenaufsichtsbehörde für die Eurozone hat die EZB im Zuge der COVID-19-Pandemie Maßnahmen ergriffen, um die Möglichkeiten der Kreditvergabe durch die Kreditinstitute zu erhöhen. Am 12. 3. 2020 kündigte die EZB etwa an, dass die Kreditinstitute die Kapital- und Liquiditätspuffer, die sie in den letzten Jahren im Zuge einer strengen Regulierung angesammelt hatten, nunmehr zur Kreditvergabe an Verbraucher, Unternehmer und andere Kreditinstitute nutzen durften. Dabei wurde seitens der EZB von den Kreditinstituten erwartet, dass diese das zusätzl Kapital zur Unterstützung des privaten Sektors einsetzen und den gewährten finanziellen Spielraum nicht dazu nutzen würden, Dividendenzahlungen zu erhöhen oder Aktienrückkäufe zu tätigen.

Bereits am 20. 3. 2020 lockerte die EZB zudem die Regeln, nach welchen Kredite als sog notleidende Kredite klassifiziert werden mussten. Aufgrund der Erwartung, dass im Zuge der COVID-19-Pandemie uU bisher erstklassige Kreditnehmer vorübergehend Schwierigkeiten haben könnten, ihre Kredite zu bedienen, hatten die Banken aufgrund dieser Lockerungen mehr Flexibilität bei der Einstufung von Krediten als notleidende Kredite.

Vor dem Hintergrund aller dieser Maßnahmen der EZB, insb der äußerst günstigen Refinanzierungskonditionen, welche

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 29
JUDIKATUR VfGH
ART.-NR.: 8

(auch) den antragstellenden Parteien zugutekamen oder zugutekommen konnten, ist es nach Auffassung des VfGH sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber in der angefochtenen Bestimmung (im Verständnis dieser Regelung iS der Rsp des OGH) anordnet, dass Kosten, die im Interesse der Allgemeinheit zur Bewältigung der wirtschaftl Folgen der COVID-19-Pandemie für Verbraucher und Kleinstunternehmen entstehen (vgl dazu sinngemäß VfSlg 20.397/2020), von Kreditinstituten zu tragen sind.

2.6. Bei dieser Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass die angeführten Maßnahmen der EZB zwar teilweise bereits vor dem Beginn der COVID-19-Pandemie dem Grunde nach bestanden haben (insb die TLTRO III); nach dem Ausbruch der COVID-19Pandemie wurden die TLTRO III jedoch verlängert und erheblich erweitert sowie zudem ein (noch) günstigerer Refinanzierungszinssatz als zuvor festgelegt. Darüber hinaus setzte die EZB weitere geldpolitische Maßnahmen ausdrücklich aus Anlass der COVID-19-Pandemie (insb die PELTRO).

Der VfGH teilt daher das Argument der antragstellenden Parteien nicht, dass die Maßnahmen der EZB – mangels eines inhaltl Bezuges zur COVID-19-Pandemie – bei der Beurteilung des VfGH der vorliegenden Eigentumsbeschränkung grds nicht in Anschlag gebracht werden können. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die genannten Maßnahmen der EZB nicht für bereits abgeschlossene Kreditverträge (mit Verbrauchern und Kleinstunternehmen), sondern nur für neue Geschäfte anwendbar sein sollten, dass sie zudem nicht auf Wohnbaukredite anwendbar waren und primär darauf abzielten, die Realwirtschaft zu stützen und mit günstigem Kapital zu versorgen. In der hier anzustellenden Gesamtbetrachtung führen nämlich die günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten, welche die EZB den Kreditinstituten – entsprechend ihrer Rolle als Finanzintermediäre – anbot, insg zu einer (nicht unwesentl) Erleichterung ihrer geschäftl Tätigkeiten.

2.7. Entgegen der Auffassung der antragstellenden Parteien ist es auch nicht belangvoll, ob die günstigen Refinanzierungskonditionen und die sonstigen Ausgleichsmaßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie durch die EZB oder durch den österr Staat eingeräumt wurden. Abgesehen davon, dass die EZB – ge-

meinsam mit den National- bzw Zentralbanken der Staaten des Euroraums (Europäisches System der Zentralbanken) – eine umfassende und ausschließl Zuständigkeit für den Bereich der gemeinschaftl Geldpolitik hat (vgl Art 127 AEUV), steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, an besondere geldpolitische (und auch bankaufsichtsrechtl) Maßnahmen, welche den Kreditinstituten durch die EZB als dem dafür ausschließlich zuständigen Organ der EU eingeräumt werden, anzuknüpfen und diesen im Gegenzug dafür bestimmte, im Allgemeininteresse entstehende Kosten aufzuerlegen.

2.8. Ob durch die genannten Maßnahmen der EZB ein umfassender Ausgleich für die den antragstellenden Parteien aufgrund des § 2 Abs 6 zweiter Satz 2. COVID-19-JuBG entstehenden Belastungen bewirkt wird, kann nach Auffassung des VfGH dahinstehen; es reicht vielmehr aus, dass es – in einer Gesamtbetrachtung – zu einer hinreichenden Abfederung der wirtschaftl Auswirkungen gekommen ist (vgl dazu sinngemäß VfSlg 20.397/2020). Der von den antragstellenden Parteien in ihrem Antrag behauptete Verstoß der angefochtenen Regelung gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem Art 5 StGG und Art 1

1. ZPEMRK liegt sohin nicht vor.

2.9. Zum behaupteten Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz gem Art 7 B-VG

Die Ausführungen zur Übereinstimmung der angefochtenen Regelung mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gelten sinngemäß auch für die von den antragstellenden Parteien vorgetragenen gleichheitsrechtl Bedenken. Die angefochtene Bestimmung verstößt aus den dargestellten Gründen auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Soweit die antragstellenden Parteien einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz darin erblicken, dass der Gesetzgeber Kreditgeber und Wohnungsvermieter unterschiedlich behandelt habe, ist dem – in Übereinstimmung mit den Ausführungen in der Äußerung der BReg – zu entgegnen, dass es sich dabei um unterschiedl Sachverhalte handelt, die nicht am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden können.

Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

zfr.lexisnexis.at 30 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 8 JUDIKATUR VfGH
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JUDIKATUR V W GH

AUFSICHTSRECHT

(…)

13 Zum Inkrafttreten des Neuen Beschlusses führt der SRB aus:

*

Beiträge an den SRF für 2017: Erneute Zurückverweisung an das BVwG

»ZFR 2023/9

BaSAG: § 123a Abs 1 und 2

VO (EU) 806/2014 (SRM-VO): Art 54 Abs 1 lit b, Art 67 Abs 4, Art 70 Abs 2

DVO (EU) 2015/81: Art 8 Abs 1 lit a

VwGVG: § 28 Abs 2 Z 1

VwGH 23. 11. 2022, Ra 2022/02/0186

Leitsätze (der Redaktion)

1. Trat der SRB-Beschluss vom 25. 7. 2022 zur Berechnung der Beiträge der mitbeteiligten Bank für 2017 an die Stelle des für nichtig erklärten SRB-Beschlusses vom 11. 4. 2017 und ersetzte diesen übergangslos und rückwirkend, ergibt sich somit dessen durchgehende Wirkung. Davon ausgehend bildet der neue, nunmehr einzige Beschluss des SRB betreffend die mitbeteiligte Bank auch die Rechtsgrundlage für die von der FMA bescheidmäßig vorgenommene Vorschreibung des Beitrags für 2017.

2. Eine neuerl Vorschreibung durch die FMA kommt daher nicht in Betracht. Es wäre dem BVwG offengestanden, entweder die Beschwerde abzuweisen und den Bescheid der FMA zu bestätigen oder – im Fall einer Rechtswidrigkeit des behördl Bescheides – diesen in Stattgabe der Beschwerde aufzuheben und inhaltlich über die Beitragsvorschreibung zu entscheiden, jedenfalls aber inhaltlich in der Sache zu entscheiden.

Aus den Entscheidungsgründen

(...)

Der VwGH hat erwogen: (...)

12 In seinem Beschluss vom 25. 7. 2022, SRB/ES/2022/41, über die Berechnung der für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge der [mitbeteiligten Partei] zum SRF, welcher im Gefolge des EuGHBeschlusses erlassen wurde, genehmigt der Ausschuss gem Art 1 die im Anhang I beschriebene Berechnung der im Voraus erhobenen jährl Beiträge der [mitbeteiligten Partei] zum SRF für den Beitragszeitraum 2017 (iHv 5,979.809,06 €). In der Begründung hält der SRB ua fest:

„174. Um das rechtl Vakuum zu füllen, das durch die Nichtigerklärung des Beschlusses von 2017 entstanden ist, um den Rechtstitel wiederherzustellen, womit im Jahr 2017 die für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge der [mitbeteiligten Partei und eines anderen Instituts] erhoben wurden, und um die Gültigkeit dieser Zahlung aufrechtzuerhalten, tritt dieser Beschluss am Datum der Verabschiedung des Beschlusses von 2017, dh am 11. 4. 2017, in Kraft. [...]

179. Darüber hinaus ist die Rückwirkung dieses Beschlusses auch erforderlich, um das rechtl Vakuum zu füllen, das durch die Nichtigerklärung des Beschlusses von 2017 entstanden ist, und um den Rechtstitel wiederherzustellen, wonach [die mitbeteiligte Partei und ein anderes Institut] im Jahr 2017 ihre für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge zahlten. Diese Begründung wurde auch vom EuGH anerkannt, als er feststellte, ‚die Durchführung der RL 2014/59, der VO 806/2014 und der DelVO 2015/63 [...], die einen wesentl Teil der Bankenunion darstellen, die zur Stabilität des Euro-Währungsgebiets beiträgt‘, könnte beeinträchtigt werden, wenn die Wirkungen des für nichtig erklärten Beschlusses von 2017 nicht bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Rechtsakt aufrechterhalten werden (s Urteil 15. 7. 2021, verb Rs C-584/20 P, Kom/Landesbank Baden-Württemberg, und C-621/20 P, SRB/Landesbank Baden-Württemberg, Rn 177). [...]

182. Der Neue Beschluss von 2017 ist der einzige Rechtsakt, der dazu dient, die Festsetzung der im Voraus erhobenen Beiträge für 2017 der betroffenen Institute zu begründen, und ersetzt sämtl zuvor bestehenden internen vorbereitenden Positionen des Ausschusses iZm der Festsetzung der im Voraus erhobenen Beiträge für 2017. Folglich ist der Neue Beschluss von 2017 der einzige, der [einem anderen Institut und der mitbeteiligten Partei] mitgeteilt wird. [...]“.

14 Daraus folgt, dass der vorliegende SRB-Beschluss vom 25. 7. 2022 letztlich an die Stelle des für nichtig erklärten SRBBeschlusses vom 11. 4. 2017 getreten ist und insofern diesen übergangslos ersetzt. Ausgehend von den Vorgaben des EuGH, denen der SRB mit der rückwirkenden Inkraftsetzung des Ersatzbeschlusses mit 11. 4. 2017 Rechnung getragen hat, ergibt sich somit eine durchgehende Wirkung des SRB-Beschlusses zur Beitragsberechnung der Beiträge der mitbeteiligten Partei für 2017.

15 Davon ausgehend bildet dieser neue, nunmehr einzige Beschluss des SRB betreffend die mitbeteiligte Partei entgegen der Rechtsansicht des BVwG und der mitbeteiligten Partei (nunmehr) auch die Rechtsgrundlage für die von der FMA bescheidmäßig vorgenommene Vorschreibung des Beitrags für 2017 betreffend die mitbeteiligte Partei. Eine neuerl Vorschreibung durch die RevWerberin, wie von der mitbeteiligten Partei angedacht, kommt daher nicht in Betracht.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 31 ART.-NR.: 9
* Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

16 Sache des Verfahrens war die innerstaatl Zahlungsvorschreibung der Beiträge für 2017 im Zuge einer Übermittlung des SRB-Beschlusses, mit dem die Berechnungen nach den unionsrechtl Rechtsgrundlagen erfolgten.

17 Die RevWerberin hat ihren Mandatsbescheid wie auch ihren Vorstellungsbescheid auf den SRB-Beschluss vom 11. 4. 2017 gestützt. Das BVwG war jedoch mit Blick auf die oben angeführten unionsrechtl Vorgaben und Verpflichtungen im Rahmen seines Verfahrens über die Beschwerde gegen den Vorstellungsbescheid der RevWerberin gehalten, der durch die rückwirkende Inkraftsetzung inhärenten Wirkung des Ersatzbeschlusses des SRB Rechnung zu tragen und diese entsprechend zu berücksichtigen.

18 In jedem Fall aber war das BVwG grds verp fl ichtet, gem § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden. Demzufolge wäre es dem BVwG o ffengestanden, entweder die Beschwerde abzuweisen und den Bescheid der FMA zu bestätigen oder – im Fall einer Rechtswidrigkeit des behördl Bescheides – diesen in Stattgabe der Beschwerde aufzuheben und inhaltlich über die Beitragsvorschreibung zu entscheiden, wobei zu berücksichtigen ist, dass der nationalen Abwicklungsbehörde und somit auch dem VwG im innerstaatl Rechtsmittelverfahren die Berechnung der fragl Beiträge nicht zusteht (dies ist gem Art 70 Abs 1 und 2 VO [EU] 806/2014 Aufgabe des SRB; die E des SRB sind demnach auch nur im Rechtsmittelverfahren vor den europäischen Gerichten anfechtbar); wohl aber ist die E des SRB über den jeweiligen Beitrag den betro ffenen nationalen Instituten per Bescheid (vgl § 123a Abs 2 BaSAG) vorzuschreiben und darin die Zahlungsmodalitäten festzulegen. Entgegen der Darstellung in der RevBeantwortung enthält der SRB-Beschluss noch keinen Leistungsbefehl an die mitbeteiligte Partei; vielmehr wird dieser erst durch den Bescheid der FMA gescha ffen.

19 Indem das BVwG dies verkannte und stattdessen den Bescheid der FMA ersatzlos behob und das Beschwerdeverfahren einstellte, hat es seine E mit inhaltl Rechtswidrigkeit belastet. (…)

20 Die angefochtene E war daher gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Anmerkung:

Die FMA hatte der mitbeteiligten Bank mit Bescheid aus dem Jahr 2017 die Zahlung von im Voraus erhobenen Beiträgen für den SRF für das Jahr 2017 iHv knapp 6 Mio € auferlegt, und zwar auf Basis eines Beschlusses des Single Resolution Board (SRB) vom 11. 4. 2017. Infolge einer Anfechtung dieses Beschlusses des SRB mittels Nichtigkeitsklage der Bank erklärte das EuG diesen SRB-Beschluss jedoch für nichtig.1

Im innerstaatl – hier gegenständl – Verfahren hob das BVwG den Vorschreibungsbescheid der FMA auf.2 Infolge einer dagegen erhobenen (ersten) AmtsRev der FMA behob nur wenig später im ersten Rechtsgang der VwGH3 das Erk des BVwG, da in der Zwischenzeit infolge eines Rechtsmittels des SRB der EuGH4 das Urteil des EuG aufgehoben hatte. In dieser E hatte wiederum der EuGH die Wirkungen des SRB-Beschlusses vom 11. 4. 2017 aufrechterhalten, soweit er die bfP betreffe, bis innerhalb einer angemessenen Frist von höchstens sechs Monaten ein neuer SRBBeschluss in Kraft trete, mit dem der im Voraus erhobene Beitrag der Bank zum SRF für das Jahr 2017 festgesetzt werde.

Infolge der (ersten) Zurückverweisung dieser Angelegenheit behob nur wenig später das BVwG den Vorschreibungsbescheid der FMA aus dem Jahr 20175 und stellte das Verfahren ein, nachdem der SRB zuletzt am 25. 7. 2022 unter dem Titel „Beschluss über die Berechnung der für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge der X (...) zum Einheitl Abwicklungsfonds“ mit Rückwirkung auf den 11. 4. 2017 einen neuen Beschluss über die von der bfP im Jahr 2017 zu leistenden Beiträge zum SRB erlassen hatte.

Rainer Wolfbauer

1 EuG 23. 9. 2020, T-414/17, Hypo Vorarlberg Bank AG/SRB

2 BVwG 2. 2. 2022, W276 2185538-1/8E ZFR 2022/198, 408. Im Zuge dessen wurde der ersten aoAmtsRev der FMA aW zuerkannt: BVwG Beschluss 17. 3. 2022, W276 2185538-1/10E ZFR 2022/199, 408.

3 VwGH 2. 6. 2022, Ra 2022/02/0051 ZFR 2022/187, 391 ff.

4 EuGH Beschluss 3. 3. 2022, C-663/20P.

5 BVwG 1. 9. 2022, W276 2185538-1/20E ZFR 2022/286, 613 f. Einer trotz Nichtzulassung erhobenen zweiten aoAmtsRev der FMA erkannte das BVwG nur wenige Tage nach dem gegenständl Erk erneut aW zu: Beschluss BVwG 22. 9. 2022, W276 2185538-1/23E ZFR 2023/14, 39.

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zfr.lexisnexis.at 32 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 9 JUDIKATUR VwGH

JUDIKATUR OGH

Kreditdeckung zugunsten eines Dritten ist keine verbotene Einlagenrückgewähr zugunsten des Minderheitsgesellschafters

»ZFR 2023/10

GmbHG: §§ 82 f

OGH 29. 8. 2022, 6 Ob 234/21m – Zurückweisung der aoRev

Leitsatz (der Redaktion)

Die Kreditdeckung der Gesellschaft gegenüber ihrer Hausbank zugunsten eines Dritten, um die bevorstehenden Neuverhandlung ihrer eigenen Finanzierungsverträge nicht zu belasten, stellt keine verbotene Einlagenrückgewähr zugunsten des Minderheitsgesellschafters dar, auf dessen Empfehlung die Hausbank dem Dritten Kredit eingeräumt hatte.

[1] Die (insolvente) Gesellschaft, deren Masseverwalter der Kl ist, war operative Kerngesellschaft einer Unternehmensgruppe. Der Bekl war Minderheitsgesellschafter (13,5 %) und AR-Mitglied einer GmbH, die die Mehrheit der GmbH-Anteile an der Mehrheitsgesellschafterin der Gesellschaft hielt. An der Konzernspitze stand eine ausländische Holdinggesellschaft.

[2] Eine Hausbank der Gesellschaft, die diese mit mehreren hundert Millionen Euro Kreditvolumen finanzierte, gewährte einem Unternehmer, den ihr der Bekl als vertrauenswürdigen Geschäftsmann empfohlen hatte, einen Kredit über 1 Mio €. Die Empfehlung erfolgte, weil seitens der Gesellschaft ein generelles Interesse bestand, mit dem Unternehmer eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Für diesen Kredit übernahmen weder die Gesellschaft oder ein Konzernunternehmen noch der Bekl Haftungen. Als der dem Unternehmer gewährte Kredit notleidend wurde, wollte die Bank, dass die Gesellschaft und/oder der Bekl die Haftung für diesen Kredit übernehmen. Der Bekl lehnte eine eigene Haftungsübernahme ab. Aufgrund entsprechender Willensbildung in der Konzernleitung deckte die Gesellschaft den Kredit des Unternehmers trotz ihrer fehlenden Haftung durch Zahlung an die Bank ab, weil sie weiterhin von der Bank finanziert werden bzw eine Verschlechterung der Kreditkonditionen bei den bevorstehenden Neuverhandlungen ihrer Finanzierungsverträge mit der Bank verhindern wollte. Der Bekl konnte hinsichtlich dieser von der Konzernleitung getroffenen Entscheidung keine Anweisung an die Gesellschaft erteilen. Die Zahlung hatte nicht den Zweck, den Bekl aus einer „ungünstigen Lage“ zu befreien.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die (ua) auf das Vorliegen einer verbotenen Einlagenrückgewähr gestützte Klage des Masseverwalters der Gesellschaft auf Zahlung des an die Hausbank bezahlten Betrags ab. Der OGH wies die aoRev der Kl mangels erhebl Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Aus der Begründung

[5] 1. Nach gefestigter Rsp statuiert § 82 Abs 1 GmbHG nicht nur einen Schutz der Kapitaleinlagen, sondern eine umfassende Vermögensbindung. Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, die den Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zulasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt (RS0105540 [T6]), ausgenommen solche in Erfüllung des Dividendenanspruchs (Gewinnverwendung) sowie sonstiger gesetzlich zugelassener Ausnahmefälle und Leistungen auf der Grundlage fremdübl Austauschgeschäfte (6 Ob 71/21s [ErwGr 4.1.]; 6 Ob 26/21y [ErwGr 3.2.]; 6 Ob 195/18x [ErwGr 1.]).

[6] 2. Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind grds die Gesellschaft und die Gesellschafter. Darüber hinaus sind in bestimmten Fällen Leistungen an Dritte einem Gesellschafter zuzurechnen, und zwar etwa dann, wenn die Leistung an den Dritten zugleich eine Leistung an den Gesellschafter darstellt oder der Dritte eine Stellung einnimmt, die jener eines Gesellschafters gleichkommt. Jedenfalls darunter fallen Leistungen an Dritte, die vom wirtschaftl Ergebnis her gesehen dem Gesellschafter zugutekommen (6 Ob 89/21p [ErwGr 4.1.]; 6 Ob 71/21s [ErwGr 4.1.]; 6 Ob 14/14y), so etwa auf Veranlassung eines Gesellschafters vorgenommene Zuwendungen der Gesellschaft an einen dem Gesellschafter nahestehenden Dritten (6 Ob 195/18x [ErwGr 2.2. – nahe Angehörige]; RS0105518 [T1]).

[7] Der OGH hat überdies einen Rückgewähranspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG gegen einen begünstigten mittelbaren Gesellschafter und wirtschaftl Alleineigentümer einer Gesellschaft bejaht, dem deren Zahlung an eine Bank wirtschaftlich zugutekam, weil er dadurch von seiner sonst schlagend werdenden Bürgenhaftung befreit wurde (6 Ob 21/20m [ErwGr 5]; vgl 6 Ob 89/21p [ErwGr 4.3.]).

[8] 3. Das BerufungsG war der Ansicht, den Feststellungen lasse sich ein Vermögenstransfer von der Gesellschaft an den Bekl durch die erfolgte Zahlung an die Bank nicht entnehmen. Der ins Treffen geführte bloße Umstand, dass der Bekl von der „Last“ befreit worden sei, eine unberechtigte Forderung der Bank „abzuwehren“, genüge nicht. Mit seiner Behauptung, der Bekl sei mit einer „begründeten Zahlungsaufforderung“ konfrontiert gewesen, weiche der Kl überdies vom Sachverhalt ab.

[9] Darin ist weder eine im Einzelfall durch den OGH korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken noch ein Abgehen von der E 6 Ob 21/20m. Wie dargelegt, wurde nach dem dieser E zugrunde liegenden Sachverhalt der mittelbare Gesellschafter

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 33 ART.-NR.: 10
GESELLSCHAFTSRECHT

durch die Zahlung von seiner (sonst schlagend werdenden) Bürgenhaftung befreit. Welcher Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Bekl im vorliegenden Fall stattgefunden haben soll, vermag die Rev nicht nachvollziehbar darzulegen.

[10] 4. Der Bekl war weder Gesellschafter noch wurde nach den Feststellungen die Zahlung an die Bank aus „gesellschaftsfremder Motivation“ geleistet. Vielmehr lag eine Geschäftsführungsmaßnahme der Gesellschaft vor. Mit ihren diesbezügl, nicht vom Sachverhalt ausgehenden Ausführungen wirft die Rev keine erhebl Rechtsfrage auf.

[11] 5. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des BerufungsG, das darin keine unzulässige Einlagenrückgewähr an den Bekl erblickte, kann die Rev auch mit ihrem Hinweis, dass der Bekl durch sein Verhalten bei der Kreditvergabe an den Unternehmer diese „unmögl Situation“ für die Gesellschaft geschaffen habe, nicht darlegen. (...)

Bearbeiter: Michael Pfeifer

VERSICHERUNGSRECHT

Übergang

»ZFR 2023/11

ABGB: § 1358

VersVG: § 67

OGH 13. 9. 2022, 10 Ob 6/22p – Zurückweisung oRek

Leitsatz (der Redaktion)

Der OGH hat in Fällen, in denen ein Rechtsanwalt oder Notar als Treuhänder iZm Liegenschaftstransaktionen gegen den ihm erteilten Auftrag verstoßen hatte und eine Partei des Kaufvertrags oder einen Dritten schadlos halten musste, schon wiederholt einen aus § 1358 ABGB abgeleiteten Ersatzanspruch des Treuhänders bejaht, der im Wege des § 67 VersVG auf dessen (Berufs-)Haftpflichtversicherung übergeht.

[1] Der Drittbekl ist Unternehmer und war bis November 2017 Komplementär sowohl der erst- als auch der zweitbekl KG; seither hat die Fünftbekl diese Position inne. Mit Sacheinlagevertrag vom 28. 5. 2014 brachte der Drittbekl die in seinem Eigentum stehenden und mit mehreren Pfandrechten zugunsten der viertbekl Bank belasteten Liegenschaften EZ 622 KG * und EZ 481 KG * in die Gesellschaften ein. Das Eigentum der Erstbekl an der EZ 622 und jenes der Zweitbekl an der EZ 418 wurde aber erst im Jahr 2017 im Grundbuch eingetragen.

[2] Bereits zuvor (im März 2015) schlossen die Erst- und die Zweitbekl unter Beitritt des Drittbekl (als damaligen bücherl

Eigentümer) mit zwei Käufern einen (gemeinsamen) Kaufvertrag, mit dem sie die Liegenschaften um je 1,75 Mio € (an jeweils einen Käufer) verkauften. Der Kaufvertrag stand unter der Bedingung, dass die Viertbekl gegen Zahlung eines Teils des Kaufpreises von 3 Mio € binnen einer bestimmten Frist in die Löschung der auf den Liegenschaften haftenden Pfandrechte einwilligt und den Drittbekl diesbezüglich aus seiner persönl Haftung entlässt. Nach der Vereinbarung sollte der Kaufvertrag bei Nichterfüllung der Bedingung automatisch und ohne Setzung einer Nachfrist oder sonstigen Erklärung aufgelöst sein.

[3] Zur Abwicklung des Kaufvertrags bestellten die Käufer, die Erst-, die Zweit- und der Drittbekl einen Notar zum Treuhänder, der im Wesentlichen die Kaufpreise (3,5 Mio €) entgegennehmen und damit – sofern keine Auflösung des Kaufvertrags erfolgt – die Lastenfreistellung der Liegenschaften bewirken sowie die zur anschließenden Umsetzung des Kaufvertrags im Grundbuch notwendigen Urkunden an einen dazu beauftragten Rechtsanwalt übergeben sollte. Nachdem die Käufer insg 3,5 Mio € an den Treuhänder überwiesen hatten, zahlte dieser noch vor Ablauf der Frist zur Erfüllung der Bedingung 3 Mio € an die Viertbekl und weitere insg 41.628,85 € zur Begleichung von Steuern, Kosten der Vertragserrichtung etc an diverse Gläubiger. Die Bedingung trat in der Folge nicht fristgerecht ein, sodass die Einverleibung des Eigentums der Käufer scheiterte; sie erhielten auch den erlegten Kaufpreis nicht zurück. Hingegen wurden die Pfandrechte an den Liegenschaften (aufgrund der bereits erfolgten Zahlung an die Viertbekl) im Grundbuch gelöscht.

[4] Mit rechtskräftigem Urteil des LGZ Graz zu 39 Cg 6/16f (künftig: Vorverfahren) wurde der Treuhänder zur Zahlung eines Teilschadenersatzes von 500.000 € samt Zinsen nach § 456 UGB an den dort kl Käufer verurteilt und festgestellt, dass der Treuhänder diesem für alle weiteren Schäden aus der Verletzung seiner Treuhandpflichten hafte. Nach dem Inhalt des Urteils hat er durch die verfrühte Auszahlung eines Großteils des erlegten Kaufpreises gegen seine Pflichten als Treuhänder verstoßen. Der dadurch entstandene Schaden, dass deswegen das Eigentumsrecht der Käufer nicht im Grundbuch einverleibt werden konnte und ihnen auch der erlegte Kaufpreis nicht refundiert wurde, sei durch Zahlung eines dem Kaufpreis entsprechenden Ersatzbetrags auszugleichen.

[5] Auf Grundlage dieses Sachverhalts begehrt die Kl als (Berufs-)Haftpflichtversicherer des Treuhänders nunmehr jeweils zur ungeteilten Hand von allen fünf Bekl 3 Mio € sA und weitere 41.628,85 € sA von der Erst-, der Zweit-, dem Dritt- und der Fünftbekl. Soweit hier noch von Interesse, brachte sie vor, aufgrund des Ausgangs des Vorverfahrens die Forderungen der Käufer eingelöst und 3,041.628,85 € zuzüglich Zinsen an diese gezahlt zu haben, womit sie gem § 67 VersVG in alle Ansprüche ihres Versicherungsnehmers eingetreten sei. Von der Legalzession seien sämtl Forderungen erfasst, die daraus resultieren, dass die Erst-, die Zweit- und (damals noch) der Drittbekl aufgrund der vom Treuhänder vorgenommenen Überweisung von 3 Mio € an die Viertbekl Eigentümer lastenfreier Liegenschaften und der Drittbekl überdies noch (persönlich) entschuldet worden seien. Infolge Auflösung des Kaufvertrags bestehe für die Leistungen allerdings kein rechtfertigender Grund mehr, sodass die Erst-, die Zweit-, der Dritt- und die Fünft-

zfr.lexisnexis.at 34 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 11 JUDIKATUR OGH
von Regressansprüchen des Treuhänders auf dessen Haftpflichtversicherung

bekl insofern bereichert und gem den §§ 1431 ff ABGB verpflichtet seien, den ihnen zugekommenen Kaufpreisteil von 3 Mio € zurückzuzahlen. Die Erst- und die Zweitbekl könnten nicht den Kaufpreis behalten und zusätzlich noch die Liegenschaften lastenfrei gestellt haben. Für die weiteren Zahlungen aus dem Treuhanderlag von 41.628,85 € gelte nichts anderes. Zudem habe sie auch aus dem Titel des Schadenersatzes Anspruch auf Rückersatz der von ihr an die Käufer geleisteten Zahlungen. Die Haftung des Dritt- und der Fünftbekl ergebe sich (auch) aus ihrer Stellung als ehemaliger und derzeitiger Komplementär der Erst- und der Zweitbekl.

(...)

[8] Das BerufungsG bestätigte mit (unbekämpft gebliebenen) Teilurteil die Abweisung des Klagebegehrens gegen die Viertbekl. Die Klageabweisung gegenüber der Erst-, der Zweit-, dem Dritt- und der Fünftbekl hob es hingegen auf und verwies die Sache insoweit zur neuerl E nach Verfahrensergänzung an das ErstG zurück. (...)

(...)

Aus der Begründung

[11] Die Rekurse sind entgegen dem den OGH nicht bindenden Ausspruch des BerufungsG mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erhebl Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

(...)

[13] 2. Im RekVerfahren ist nicht (mehr) strittig, dass § 67 VersVG auch in der Haftpflichtversicherung gilt (RS0080632) und nicht nur Schadenersatzansprüche ieS, sondern alle Ersatzansprüche des Versicherten, also auch Regress-, Ausgleichs- und Bereicherungsansprüche, erfasst (RS0080594, RS0080533 [T3, T9]).

[14] 3. Entgegen der vom BerufungsG formulierten Zulassungsfrage und der Auffassung der RekWerber, in der höchstgerichtl Rsp sei noch nicht geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Treuhänder nach einem haftungsbegründenden Verstoß gegen seine Treuhandpflichten einen Rückzahlungsanspruch geltend machen oder Regress nehmen könne und ob ein solcher Anspruch auf den Versicherer übergehe, liegt bereits Rsp des OGH zu vergleichbaren Sachverhalten vor:

[15] 3.1. Nach der stRsp geht § 1358 ABGB – entgegen seinem Wortlaut – weit über die Regelung des Bürgenregresses hinaus und findet ganz allgemein auf jeden Anwendung, der eine fremde Schuld begleicht, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet (RS0112742). Fremde Schuld bedeutet dabei grds materiell fremde Schuld, für die eine Einstehensverpflichtung besteht (RS0112742 [T2]; 8 Ob 194/01i; vgl RS0102645 ua).

[16] 3.2. Darauf aufbauend hat der OGH in Fällen, in denen ein Rechtsanwalt oder Notar als Treuhänder iZm Liegenschaftstransaktionen gegen den ihm erteilten Auftrag verstoßen hatte und eine Partei des Kaufvertrags oder einen Dritten schadlos halten musste, schon wiederholt einen aus § 1358 ABGB abgeleiteten Ersatzanspruch des Treuhänders bejaht, der im Wege des § 67 VersVG auf dessen (Berufs-)Haftpflichtversicherung übergeht (2 Ob 256/12d; 6 Ob 222/08b; 8 Ob 47/01x). Maßgeblich war dafür jeweils, dass durch die Zahlungen der Versicherung eine Bereicherung des (Ver-)Käufers eingetreten war, die im Wege des § 1358 ABGB aus-

geglichen wurde. Eine solche erkannte der OGH etwa im Entfall des dem Verkäufer obliegenden Aufwands der Lastenfreistellung, weil der Käufer zusätzlich zum Kaufpreis noch die Pfandsumme an den Pfandgläubiger oder Bürgen zahlen musste, diesen Schaden jedoch von der Versicherung ersetzt erhielt (2 Ob 256/12d; 8 Ob 47/01x). Gleiches wurde in einem Fall entschieden, in dem der Käufer durch die Zahlung der Versicherung von seiner Kreditverpflichtung gegenüber der finanzierenden Bank befreit wurde und deswegen über eine unbelastete Wohnung verfügte (6 Ob 222/08b).

[17] 4. Mit seiner Ansicht, die Kl habe sich ausreichend klar auf einen solchen Anspruch berufen, hat das BerufungsG den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Auch die rechtl Qualifikation dieses Vorbringens entspricht den dargestellten Grundsätzen.

[18] 4.1. Dabei gibt nicht den Ausschlag, dass die Erst- und die Zweitbekl den Kaufpreisteil nicht selbst erhalten haben. Schon das BerufungsG hat zutreffend ausgeführt, dass er ihnen zugekommen ist. Auch nach dem Standpunkt der Erst- bis Dritt- und der Fünftbekl wurden damit die Pfandrechte abgedeckt und daher zu Recht gelöscht; auch die Viertbekl sieht sich als vollständig befriedigt an. Demnach bewirkte die Auflösung des Kaufvertrags also (nur) einen Mangel im (Deckungs-)Verhältnis zwischen den Kaufvertragsparteien. Wenn das BerufungsG angesichts dessen davon ausgeht, dass demgemäß auch der – auf die Kl übergegangene – Anspruch auf Rückabwicklung zwischen diesen vorzunehmen ist, entspricht das der Rsp (vgl 4 Ob 184/11d; 7 Ob 123/09b; s auch RS0033737). Der Umstand, dass die Abdeckung der Pfandrechte theoretisch dem Drittbekl oblegen wäre oder – wie in den Rekursen erstmals behauptet wird – auch mit Eigenmitteln erfolgen hätte können, ändert daran nichts. Durch die (Schadenersatz-) Zahlungen der Kl sind die Erst- und die Zweitbekl auch bereichert, zumal sie sich dadurch den Aufwand der Lastenfreistellung erspart haben, was nach der Rsp eine zumindest analoge Anwendung des § 1358 ABGB rechtfertigt. Der darauf beruhende Regressanspruch führt zu einer Zahlungspflicht, auch wenn sich nur die Sachhaftung verringert (1 Ob 42/10y); da er lediglich an den Tatbestand der Zahlung anknüpft, ist ein (mangelndes) Verschulden des Regresspflichtigen nicht relevant (RS0112742 [T2]; 2 Ob 256/12d). [19] 4.2. Die Beurteilung des BerufungsG, dass der Dritt- und die Fünftbekl als ehemalige und derzeitige Komplementäre für die Verbindlichkeiten der Erst- und der Zweitbekl haften, wird in den Rekursen nicht bekämpft. Einer Auseinandersetzung va mit der Rolle des Drittbekl und der Frage, ob auch ihm gegenüber auf die Kl übergegangene Ansprüche der Käufer bestanden, bedarf es daher nicht. Die Argumentation, die persönl Haftung der Gesellschafter erstrecke sich nicht auf eine dingl Haftung, übergeht die erwähnte Rsp, wonach die Erst- und die Zweitbekl jedenfalls eine – auf § 1435 ABGB beruhende und auf die Kl übergegangene – Zahlungspflicht trifft.

(...)

[24] 7. Zusammenfassend hält sich die E des BerufungsG in dem von der höchstgerichtl Rsp vorgegebenen Rahmen, sodass die Rekurse zurückzuweisen sind.

(...)

Bearbeiterin: Anita Gassner

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 35
JUDIKATUR
ART.-NR.: 11
OGH

JUDIKATUR BVwG

AUFSICHTSRECHT

Verspätete Beschwerde gegen Bescheid der FMA infolge Einlangens per E-Mail nach Ende der Amtsstunden

»ZFR 2023/12

AVG: § 13 Abs 2

BVwG Beschluss 7. 9. 2022, W158 2257259-1/6E

Leitsatz (der Redaktion)

Die FMA hat von ihrer Möglichkeit gem § 13 Abs 2 zweiter Satz AVG Gebrauch gemacht, ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden mit der Wirkung zu bekunden, dass sie auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt – mit Wiederbeginn der Amtsstunden – als eingebracht und eingelangt gelten, und eine entsprechende Kundmachung erlassen, die auch auf der öffentlich zugängl Homepage der FMA abzurufen ist. Sie hat den Bf auch in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen. Die einem am Montag um 18:34 Uhr übermittelten E-Mail angehängte Beschwerde langte damit nach den Geschäftszeiten ein. Sie gilt demnach erst am 21. 6. 2022 als eingebracht und eingelangt, ist damit verspätet und zurückzuweisen, wenn die Beschwerdefrist am 20. 6. 2022 endete.

Die FMA hatte über den Bf eine Strafe iHv 30.000 € verhängt, weil er es als verantwortl Beauftragter zu verantworten habe, dass die X-GmbH ohne die erforderl Berechtigung Bankgeschäfte gewerblich betrieben habe (Verstoß gegen § 98 Abs 1a iVm § 1 Abs 1 Z 1 erster Fall BWG in der Form der unerlaubten Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung). Das Straferk wurde dem Bf am 23. 5. 2022 zugestellt, die Beschwerdefrist endete am 20. 6. 2022. Die dagegen gerichtete Beschwerde gab der Bf am 21. 6. 2022 zur Post. Zusätzlich übermittelte er am 20. 6. 2022 um 18:34 Uhr ein E-Mail mit der Beschwerde im Anhang.

In der Rechtsmittelbelehrung des Straferk führte die FMA ua aus, dass Eingaben ua per E-Mail nur während den Geschäftszeiten angenommen würden. Anbringen, die nach den Geschäftszeiten einlangten, gälten daher „auch dann, wenn sie bereits in den Verfügungsbereich der FMA gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Geschäftszeiten als rechtswirksam eingebracht (und eingelangt) und werden (erst) ab diesem Zeitpunkt in Behandlung genommen“. Die Geschäftszeiten seien Montag bis Donnerstag von

08:00 Uhr bis 17:30 Uhr und Freitag von 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr. Unter https://www.fma.gv.at/kontakt/wird darauf hingewiesen, dass zur rechtswirksamen Einbringung die dort verlinkte Kundmachung zu beachten sei.

Aus der Begründung

(...)

Die Beschwerdefrist beträgt gem § 7 Abs 4 VwGVG vier Wochen. Der Bescheid wurde dem Bf am Montag, dem 23. 5. 2022 zugestellt. Die Frist endete daher am Montag, dem 20. 6. 2022 (zur Berechnung s §§ 32 f AVG). Die am 21. 6. 2022 postalisch erhobene Beschwerde ist daher jedenfalls verspätet.

Auch die Übermittlung der Beschwerde per E-Mail am 20. 6. 2022 erfolgte nicht fristgerecht. § 13 Abs 2 AVG normiert, dass schriftl Anbringen der Behörde in jeder technisch mögl Form übermittelt werden können, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekannt zu machen. Gem § 13 Abs 5 AVG ist die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftl Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündl oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekannt zu machen.

Der VwGH erkennt dazu in stRsp, dass seit dem Entfall der gesetzl Fiktion betreffend die Rechtzeitigkeit bestimmter außerhalb der Amtsstunden einlangender Anbringen diese noch am selben Tag (und damit als rechtzeitig) eingebracht gelten, wenn die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält und das Anbringen nach dem Ende der Amtsstunden (aber noch am letzten Tag einer allfälligen Frist) bei ihr einlangt. Entscheidend ist allerdings, ob die Behörde von der ihr nach § 13 Abs 2 zweiter Satz AVG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht und ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden mit der Wirkung bekundet, dass sie auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt – mit Wiederbeginn der Amtsstunden – als eingebracht und eingelangt gelten (VwGH 18. 5. 2022, Ra 2022/10/0044; 17. 2. 2021, Ro 2021/07/0003).

Die FMA hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und eine entsprechende Kundmachung erlassen, die auch auf der öffentlich zugängl Homepage der FMA abzurufen ist. Zusätzlich hat die FMA den Bf auch in der Rechtsmittelbelehrung darauf hinge-

zfr.lexisnexis.at 36 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 12

wiesen. Der 20. 6. 2022 war ein Montag, die Geschäftszeit der FMA endete damit um 17:30 Uhr. Die dem E-Mail von 18:34 Uhr angehängte Beschwerde langte damit nach den Geschäftszeiten ein. Sie gilt demnach erst am 21. 6. 2022 als eingebracht und eingelangt. Die Beschwerde ist damit verspätet und dementsprechend zurückzuweisen. (...)

Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

Zurückweisung von Beschwerden bei auftragsgemäßer GeschäftsleiterAbberufung (Bestätigung der Rechtsprechung)

»ZFR 2023/13

BWG: § 70 Abs 4, Abs 4b

VwGG: § 33 Abs 1

BVwG Beschlüsse 15. 9. 2022, W204 2254929-1/7E, W204 2259198-1/4E

Leitsätze (der Redaktion)

1. § 70 Abs 4b BWG ist eine lex specialis zu den Regelungen zur Ergreifung von Aufsichtsmaßnahmen gem Abs 4, weshalb zu dessen Auslegung auch auf die Rsp und Lit zu § 70 Abs 4 BWG zurückgegriffen werden kann. Das nach einer Abberufung des Geschäftsleiters weggefallene Rechtsschutzinteresse des Kreditinstituts ist nach dieser Bestimmung nicht anders zu beurteilen.

2. Nach der Rsp des VwGH setzt eine Vollstreckung der gem § 70 Abs 4 Z 1 BWG angedrohten Zwangsstrafe das Vorliegen eines Bescheides gem § 70 Abs 4 Z 2 BWG voraus. Diese Rsp ist auch auf § 70 Abs 4b BWG übertragbar. Die FMA könnte die angedrohte Zwangsstrafe nicht sogleich vollziehen, sondern müsste dafür zunächst noch einen Bescheid nach § 70 Abs 4b Z 2 BWG erlassen.

3. Die Rsp des VwGH zum Wegfall der Beschwer nach § 70 Abs 4 BWG ist auch auf das Verfahren vor dem BVwG zu übertragen.

4. Im Wesentlichen dieselben Erwägungen wie für die Enthebung von Geschäftsleitern gelten auch für den Auftrag, ehemaligen Geschäftsleitern die Prokura zu entziehen.

Mit erstangefochtenem Bescheid vom 7. 3. 2022 hatte die FMA der Bf unter Androhung einer Zwangsstrafe von 10.000 € aufgetragen, zwei Geschäftsleiter unverzüglich als Geschäftsleiter abzuberufen. Die FMA schloss die aufschiebende Wirkung (aW) einer Beschwerde

* Weitere Entscheidungsgründe finden Sie auf der ZFR-Website (zfr.lexisnexis.at) unter der Artikelnummer sowie unter dem Menüpunkt „Extras/ Spezielles/Judikatur“.

aus. Sie führte im Wesentlichen aus, die erforderl Zuverlässigkeit sei nicht mehr gegeben. So hätten die Geschäftsleiter auffallend sorglos gehandelt, wodurch mehrere Gesetzesverletzungen eingetreten seien. Trotz deren Kenntnis und trotz Aufforderung durch die FMA, diese zu beheben, hätten die Geschäftsleiter sie nicht oder nicht vollständig beseitigt bzw Maßnahmen zur Beseitigung nur inkonsequent umgesetzt. Teils würden die Geschäftsleiter die entsprechenden Maßnahmen verweigern und stattdessen beabsichtigen, die bisherigen Modalitäten fortzusetzen. Darüber hinaus hätten die Geschäftsleiter an der nachträgl Herstellung von Checklisten mitgewirkt und diese im Ermittlungsverfahren vor der FMA als Beweismittel vorgelegt. Das Vertrauensverhältnis der FMA zu den Geschäftsleitern sei derart tiefgreifend zerstört, dass die weitere Ausübung dieser Tätigkeit aus aufsichtsrechtl Sicht nicht möglich sei. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf Beschwerde.

Im weiteren Verfahren wurde bekannt, dass den beiden – nunmehr ehemaligen – Geschäftsleitern mittlerweile Prokura erteilt worden war. Aus Sicht der FMA übten die beiden damit weiterhin Schlüsselfunktionen aus. Die FMA forderte die Bf daraufhin auf, diesen Zustand zu beenden, indem die Prokura entzogen werde. Die Bf kam dieser Aufforderung (vorerst) nicht nach, weil sie davon ausging, dass die von der FMA geforderten Fit & Proper-Regelungen auf Prokuristen nicht anwendbar seien.

Mit dem hier zweitangefochtenen Bescheid trug die FMA der Bf unter Androhung einer Zwangsstrafe von 10.000 € auf, den beiden ehemaligen Geschäftsleitern unverzüglich die Prokura zu entziehen, sie von sämtl Schlüsselfunktionen und Verantwortungsbereichen abzuberufen und ihnen keine über bloß beratende Tätigkeiten hinausgehende Aufgaben in der Bf zu übertragen. Die aW einer allfälligen Beschwerde wurde ausgeschlossen. Die FMA führte begründend aus, dass die ehemaligen Geschäftsleiter auch nach ihrer Abberufung noch Schlüsselfunktionen einnehmen. Sie seien weiterhin zeichnungsberechtigt und könnten ohne die Geschäftsleitung Überweisungen tätigen. Das sei auch tatsächlich einmal der Fall gewesen, wobei im Verfahren vor der FMA dazu eine unrichtige Urkunde vorgelegt und der Fehler erst auf Vorhalt der FMA eingeräumt worden sei. Auch dagegen erhob das Institut Beschwerde, nachdem das Institut die Prokura wieder entzogen worden hatte.

Aus der Begründung

(...)

Im gegenständl Fall hat die Bf dem Auftrag entsprochen, indem die Geschäftsleiter ihren Rücktritt eingereicht haben und abberufen worden sind. Dementsprechend wäre bei einem Auftrag nach § 70 Abs 4 BWG entsprechend der oben zitierten Rsp das Beschwerdeverfahren einzustellen. Im vorliegenden Fall stützt die FMA den Auftrag an die Bf allerdings nicht auf § 70 Abs 4 BWG, sondern auf § 70 Abs 4b Z 1 BWG. Es ist daher zu prüfen, ob die angesprochene Rechtsprechungslinie auch darauf zu übertragen ist. Dies ist aus den folgenden Gründen zu bejahen:

§ 70 Abs 4b BWG stellt nach den Erläut eine lex specialis „zu den Regelungen zur Ergreifung von Aufsichtsmaßnahmen gem

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 37
13 JUDIKATUR BVwG
ART.-NR.:
*

Abs 4 dar, ist dieser jedoch inhaltlich weitgehend nachgebildet und unterliegt daher derselben Systematik im Hinblick auf die Abfolge der zu ergreifenden Maßnahmen“ (ErläutRV 663 BlgNR, 27. GP 23). Dementsprechend kann zur Auslegung des § 70 Abs 4b Z 1 BWG auch auf die Rsp und Lit zu § 70 Abs 4 BWG zurückgegriffen werden. Insb ist auch kein Grund ersichtlich, warum das Rechtsschutzinteresse des Kreditinstituts, das allein Parteistellung hat, hier anders zu beurteilen sein sollte.

Da sich § 70 Abs 4b Z 1 BWG seinem eindeutigen Wortlaut nach nur an das Institut richtet, kann auch die Rsp des VfGH zu § 70 Abs 4 Z 1 BWG herangezogen werden. Dieser hat ausgesprochen, dass die Geschäftsleiter nicht Normadressaten der genannten Bestimmung sind. Dadurch solle vielmehr gewährleistet werden, dass die Konzessionsvoraussetzungen beim Kreditinstitut auch nach Konzessionserteilung weiterhin vorliegen. Die Regelung dient damit dem Schutz der Gläubiger. Nach § 70 Abs 4

Z 1 BWG erteilte Aufträge richten sich an das Kreditinstitut, das allenfalls die negativen Konsequenzen einer Nichtbefolgung des Auftrags – wie den Vollzug der Zwangsstrafe oder letztlich sogar den Verlust der Konzession – zu tragen hat. Die mögl (bedeutenden) wirtschaftl Nachteile für einen Geschäftsleiter werden nicht unmittelbar aufgrund der Bestimmungen des BWG wirksam, sondern erst durch die im Privatrechtsverhältnis zwischen den Geschäftsleitern und dem Kreditinstitut allenfalls erfolgende Abberufung (VfGH 17. 9. 2015, G 398/2015 ua). Auch nach dieser Rsp kann den ehemaligen Geschäftsleitern daher keine Parteistellung zukommen. Deren Beschwer braucht daher nicht geprüft zu werden.

Die Bf hat den Ausschluss der aW gegen den Auftrag, die Geschäftsleiter abzuberufen, auch gar nicht bekämpft (s für einen solchen Fall zB BVwG 22. 9. 2015, W107 2113383-1, worin der Beschwerde die aW zuerkannt wurde, sowie den Beschluss vom 12. 11. 2015, W107 2113383-2). Vielmehr haben die Geschäftsleiter ihren Rücktritt noch vor Beschwerdeerhebung selbst erklärt.

Auch die Argumente der Bf in ihrer Stellungnahme (...) können nicht überzeugen. Eingangs führt sie aus, sie habe aufgrund der unüblich kurzen Frist dem Auftrag der FMA unverzüglich nachkommen müssen. Dadurch sei es ihr auch de facto nicht möglich gewesen, den Ausschluss der aW zu bekämpfen. Dazu ist festzuhalten, dass es richtig ist, dass der Bf zur Abberufung nur eine sehr kurze Frist von sieben Tagen ab Erhalt des Bescheids gewährt wurde. Auch diese kurze Frist steht aber der Bekämpfung der aW einer Beschwerde nicht entgegen. Der Bf stünde es nämlich offen, innerhalb der Frist von sieben Tagen eine Teilbeschwerde gegen den Ausschluss der aW zu erheben. Diese hätte die FMA dann gem § 13 Abs 4 VwGVG unverzüglich dem BVwG vorzulegen, das dann wiederum unverzüglich zu entscheiden gehabt hätte. Auf diese Weise wäre eine Überprüfung, ob der Ausschluss der aW rechtmäßig ist, auch innerhalb einer sehr kurzen Frist möglich. Selbst wenn auf diese Weise möglicherweise nicht (immer) eine E innerhalb der Frist von sieben Tagen möglich sein wird, wäre die Bekämpfung des Ausschlusses der aW einer Beschwerde doch in einem Vollstreckungsverfahren zu beachten, bzw ein solches, solange über die dagegen

erhobene Beschwerde noch nicht entschieden wurde, gar nicht einzuleiten. Dazu kommt, dass der VwGH bereits ausgesprochen hat, dass eine Vollstreckung der gem § 70 Abs 4 Z 1 BWG angedrohten Zwangsstrafe das Vorliegen eines Bescheides gem § 70 Abs 4 Z 2 BWG voraussetzt. Eine Vollstreckung der gem § 70 Abs 4 Z 1 BWG angedrohten Zwangsstrafe ist ohne Vorliegen eines Bescheides gem § 70 Abs 4 Z 2 BWG unzulässig (VwGH 12. 12. 2005, 2002/17/0179).

Diese Rsp ist auch auf § 70 Abs 4b BWG übertragbar, wie sich nicht nur aus dem im Wesentlichen gleichen Aufbau ergibt, sondern auch dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht. Selbst wenn die Bf daher dem Auftrag nicht innerhalb der vorgesehenen Frist Folge geleistet hätte und auch die Beschwerde über den Ausschluss der aW noch nicht entschieden worden wäre, könnte die FMA die angedrohte Zwangsstrafe nicht sogleich vollziehen. Vielmehr müsste sie dafür zunächst noch einen Bescheid nach § 70 Abs 4b Z 2 BWG erlassen.

Zur weiterhin vorliegenden Beschwer führt die Bf weiter aus, diese bleibe bestehen, bis der Auftrag beseitigt sei, weil der Bf die Möglichkeit einer Wiederbestellung der ausgeschiedenen, wegen des Know-how aber sehr wichtigen Geschäftsleiter genommen werde. Die Beschwer liege insb darin, dass die im Bescheid der FMA ausgesprochene Unzuverlässigkeit der Geschäftsleiter weiter bestehen bleibe. Es komme dadurch de facto nie zu einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Auftrags auf Abberufung. Der Bf werde damit bspw die Möglichkeit der Wiederbestellung genommen. Einem ähnl Vorbringen hat der VwGH bereits entgegengehalten, dass es sich in solchen Konstellationen bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter nur um eine Vorfrage handelt. Es besteht daher in weiteren Verfahren keine Bindung daran (VwGH 17. 11. 2014, 2010/17/0039). Dieser Ansicht schließt sich der erkSen an. Auch die Bf kann dem nämlich nichts Stichhaltiges entgegensetzen. Sie führt nur aus, sie wäre maßgeblich durch eine allfällige Aufhebung beeinflusst, weil damit bestätigt würde, dass die Geschäftsleiter entgegen der FMA nicht unzuverlässig seien. Wie aber gerade ausgeführt wurde, ist weder die FMA noch das VwGH in allfälligen weiteren Verfahren an die Beurteilung zur (Un-)Zuverlässigkeit im gegenständl Verfahren gebunden. Eine Aufhebung des Bescheids stellt damit die Bf keineswegs besser. Selbst wenn nämlich der hier angefochtene Bescheid aufgehoben werden würde, würde damit va nicht für folgende Verfahren rechtskräftig bindend feststehen, dass die Geschäftsleiter zuverlässig sind, und wären die Geschäftsleiter auch nicht wieder in der Bf eingesetzt. (…)

Dem von der Bf „ergänzend“ vorgebrachten Argument, die bisherige Rsp zum Wegfall der Beschwer beziehe sich ausschließlich auf das Verfahren vor dem VwGH, der aber nur kassatorisch entscheide, und könne daher nicht auf das Verfahren vor dem BVwG übertragen werden, weil dieses eine volle Tatsacheninstanz sei, ist Folgendes zu entgegnen: Es ist zwar richtig, dass die Rsp des VwGH zum Wegfall der Beschwer bei Befolgung des Abberufungsauftrags in Verfahren vor ihm selbst erging und dies

zfr.lexisnexis.at 38 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 13 JUDIKATUR BVwG

noch dazu zu Sachverhalten vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das ändert aber nichts daran, dass diese Ansicht auch auf das Verfahren vor dem BVwG übertragen werden kann. Auch der VwGH, mag er auch keine Tatsacheninstanz sein, kann und konnte nämlich nicht nur kassatorisch, sondern auch in der Sache selbst entscheiden (s § 42 Abs 3a VwGG idF BGBl I 2012/51 bzw § 42 Abs 4 VwGG idgF). Warum die Frage, ob die Rechtsmittelinstanz auch Tatsacheninstanz ist, für die Rechtsfrage des Wegfalls der Beschwer maßgeblich sein soll, legt die Bf darüber hinaus nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Wäre damals der VwGH nämlich zur Ansicht gelangt, die Feststellungen reichten für einen derartigen Auftrag nicht aus, hätte er die E aufheben und der FMA eine Ergänzung auftragen können. Gleiches gilt heute für das BVwG. Ob der VwGH selbst auch rechtlich dazu in der Lage wäre, ergänzende Feststellungen zu treffen, ist damit irrelevant.

Die Argumente der Bf können daher allesamt nicht überzeugen. Vielmehr ist die zu § 70 Abs 4 BWG ergangene Rsp auch auf § 70 Abs 4b Z 1 BWG und auf das Verfahren vor dem BVwG zu übertragen. Das Beschwerdeverfahren ist daher bei Befolgung des Abberufungsauftrags während des Beschwerdeverfahrens wegen Wegfalls der Beschwer einzustellen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist jedoch Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem BVwG. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Beschwerde nicht vor, ist diese unzulässig. Nur wenn die Voraussetzung erst nach Einbringung einer Beschwerde wegfällt, führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 24; VwGH 26. 4. 2016, Ra 2016/03/0043; zur Rev s VwGH 28. 1. 2016, Ra 2015/11/0027). Da die Geschäftsleiter hier bereits zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde zurückgetreten sind bzw abberufen waren und die Bf demzufolge bereits zu diesem Zeitpunkt kein Rechtsschutzbedürfnis mehr hatte, war die Beschwerde unzulässig und daher zurückzuweisen.

Im Wesentlichen dieselben Erwägungen gelten für den Auftrag, den beiden ehemaligen Geschäftsleitern die Prokura zu entziehen. Auch dieser behördl Auftrag entfaltet nach tatsächl Befolgung keine Rechtswirkungen mehr für die Bf. Gleich wie bei der Abberufung der Geschäftsleiter wären die Fragen, ob beide fit & proper sind bzw ob eine solche Prüfung überhaupt notwendig ist und ob die ehemaligen Geschäftsleiter Schlüsselfunktionen innehaben, nur als Vorfragen zu beurteilen, die für weitere Verfahren nicht bindend sind. Eine Prüfung durch das BVwG ist va deswegen nicht möglich, weil dem Auftrag, den ehemaligen Geschäftsleitern auch die Prokura zu entziehen, bereits nachgekommen worden ist. Für eine neuerl Bestellung bräuchte es aber die Zustimmung der FMA, dem BVwG kommt hierfür keine Zuständigkeit zu. Damit wäre auch für diesen Fall die Stattgabe der Beschwerde ohne konkrete Auswirkung und von rein abstrakt-theoretische Natur. Ob die Bf tatsächlich Rechtsverstöße begangen hat und die Rolle der ehemaligen Geschäftsleiter dabei, bleibt im Übrigen durch die Rechtsmittelinstanz nicht ungeprüft. Vielmehr wird eine solche Prüfung im inhaltl Verfahren zu W204 2254928-1 erfolgen.

Da neuerlich die Prokura bereits vor Erhebung der Beschwerde entzogen wurde, war auch die Beschwerde gegen diesen Auftrag wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen. (…)

Bearbeiter: Rainer Wolfbauer

Beiträge

zum SRF für 2017:

Erneut aufschiebende Wirkung für Amtsrevision der FMA

»ZFR 2023/14

VwGG: § 30 Abs 2

BVwG Beschluss 22. 9. 2022, W276 2185538-1/23E

Leitsatz (der Redaktion)

Könnte die mitbeteiligte Bank den Rückerstattungsanspruch zwar geltend machen, wäre dieser Anspruch aber lediglich vorübergehender Natur, da die Bank nicht grds von ihrer Beitragspflicht befreit wird, sondern denselben Betrag aufgrund einer neuen Beitragsvorschreibung wieder zu entrichten hätte, so ist dem Antrag der revisionswerbenden FMA auf Einräumung von aufschiebender Wirkung stattzugeben.

Das BVwG hatte mit Erk 1. 9. 2022, W276 2185538-1/20E2 , einen Bescheid der FMA ersatzlos behoben und das Verfahren eingestellt, in dessen Rahmen die FMA als Abwicklungsbehörde einem Kreditinstitut Vorab-Beiträge zum Einheitl Abwicklungsfonds (SRF) für das Jahr 2017 vorgeschrieben hatte. Die Behebung erfolgte im Wesentlichen aus dem Grund, weil der SRB am 25. 7. 2022 einen neuen Beschluss über die von der Bank für das Jahr 2017 zu leistenden Abgaben an den SRF gefasst hatte. Dadurch verlor der ursprüngl Beschluss des SRB vom 11. 4. 2017, auf dem der (aufgehobene) Bescheid der FMA beruhte, jede Rechtswirkung und gehört seither dem Rechtsbestand nicht mehr an. Das BVwG schloss daraus, dass ein solcher Beschluss daher nicht mehr als Grundlage für den bekämpften (aus dem Jahr 2017 stammenden) Bescheid der FMA dienen könne.

Bereits mit Schriftsatz vom 19. 9. 2022 brachte die FMA aoRev gegen dieses Erk ein,3 und zwar verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung von aufschiebender Wirkung (aW), der im Ergebnis darauf gerichtet war, zu vermeiden, dass der mitbeteiligten Bank jene Beiträge zu refundieren seien, die das Institut für das Jahr 2017 bereits an den SRF geleistet hatte. Nur einen Tag nach Erheben der aoAmtsrev durch die FMA gab das BVwG – ohne vor-

2 ZFR 2022/286, 613 f.

3 In der hier gegenständl Hauptsache hob der VwGH das Erk des BVwG in Stattgabe der ao AmtsRev der FMA auf: VwGH 23. 11. 2022, Ra 2022/02/0186, ZFR 2023/9, 31.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 39
14 JUDIKATUR BVwG
ART.-NR.:

herige Einräumung von Parteiengehör an die mitbeteiligte Bank –diesem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz statt.

Aus der Begründung

(...)

Gegenständlich ist kein zwingendes öffentl Interesse erkennbar, das der Zuerkennung der aW der Rev entgegenstünde.

Die revisionswerbende Partei weist in ihrer Rev darauf hin, dass nach Abwägung der berührten öffentl Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erk für die revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Wie die revisionswerbende Partei zutreffend ausführt, sei gegenständlich zu berücksichtigen, dass „die mitbeteiligte Partei den Rückerstattungsanspruch zwar geltend machen könnte, dieser Anspruch aber lediglich vorübergehender Natur wäre, da die mitbeteiligte Partei nicht grds von ihrer Beitragspflicht befreit wird, sondern denselben Betrag aufgrund einer neuen Beitragsvorschreibung wieder zu entrichten hätte.“ (...).

Diese Erwägungen der revisionswerbenden Partei sind aus Sicht des BVwG zutreffend.

Aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aW gem § 30 Abs 2 VwGG stattzugeben.

Anmerkung: Der gegenständl Beschluss knüpft an zwei sowohl im zugrunde liegenden Sachverhalt als auch im Ergebnis vergleichbare E des BVwG4 und des VwGH5 an, ohne dass das BVwG allerdings darauf explizit Bezug nähme. Vor dem Hintergrund, dass in der gegenständl Angelegenheit ein Rückerstattungsanspruch der mitbeteiligten Bank iHv knapp 6 Mio € auf dem Spiel steht, erscheint die aus lediglich wenigen Sätzen bestehende rechtl Begründung des Beschlusses einigermaßen mager.

Besonders überrascht freilich der Begründungsstrang, die betroffene Bank könne den Rückerstattungsanspruch zwar geltend machen, der Anspruch sei aber lediglich vorübergehender Natur, da die Bank ja nicht grds von ihrer Beitragspflicht befreit werde, sondern denselben Betrag aufgrund einer neuen Beitragsvorschreibung wieder zu entrichten hätte. Dies erscheint va deshalb bemerkenswert, weil die Möglichkeit der revisionswerbenden Abwicklungsbehörde (FMA), den Beitrag zum SRF auf Basis einer neuen E wieder einbringlich zu machen, von dieser offenkundig gar nicht in Zweifel gezogen wird. Eine Gefährdung der späteren Wiedereinbringlichkeit wird von ihr gar nicht vorgebracht. Insofern streitet das Argument, ein späterer Bescheid in einem nachfolgenden Verfahren würde der Behörde ohnehin zu ihrem Recht verhelfen, vielmehr als Argument gegen die Einräumung des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen der Amtsrev.

4 BVwG Beschluss 17. 3. 2022, W276 2185538-1/10E ZFR 2022/199, 408.

5 VwGH Beschluss 6. 12. 2021, Ra 2021/02/0231 ZFR 2022/63, 126.

Die nach der gesetzl Grundlage des § 30 Abs 2 VwGG vorzunehmende „Interessenabwägung“ beschränkt sich hier im Übrigen auf die Erwähnung der Interessen der Amtspartei, Interessen der mitbeteiligten Bank finden in der Begründung nicht einmal Erwähnung. Vor dem Hintergrund, dass der mitbeteiligten Bank kein rechtl Gehör eingeräumt und ihr nicht die Möglichkeit gegeben wurde, ihre eigenen Interessen darzulegen, ist dies jedenfalls konsequent.

Zu erwähnen ist außerdem, dass die hier mitbeteiligte Bank gegen den Beschluss des BVwG über die Einräumung von aW an die FMA Beschwerde an den VfGH erhob, die letzterer jedoch – wenig überraschend – unter Verweis auf § 88a Abs 2 Z 2 VfGG durch Plenarbeschluss zurückwies. Zufolge dieser Bestimmung ist eine Beschwerde gegen Beschlüsse eines VwG (ua) gem § 30a Abs 3 VwGG nicht zulässig. Nach der nicht weiter begründeten Au ffassung des VfGH begegnet dieser (absolute) Ausschluss eines Rechtsbehelfs auch keinen verfassungsrechtl Bedenken.6

Der VfGH ist somit gem § 88a Abs 2 Z 2 VfGG nicht zuständig, über die Aufhebung oder Abänderung von Beschlüssen gem § 30a Abs 3 VwGG auf Zuerkennung der aW hinsichtl einer oRev an den VwGH zu entscheiden. Dies obliegt vielmehr gem § 30 Abs 3 VwGG (nur) dem VwGH. Der Ausschluss der Zuständigkeit des VfGH gilt auch für Beschlüsse auf Zuerkennung der aW hinsichtl einer aoRev.7

Die (ausschließliche) Zuordnung des Provisorialverfahrens betreffend die E über den Antrag auf Zuerkennung der aW gem § 30 Abs 2 und 3 (iVm § 30a Abs 3) VwGG zum Revisionsverfahren des VwGH ergibt sich nach der Einschätzung des VfGH8 auch aus der stRsp des VwGH9, derzufolge dieser(erst) dann zur E über einen Antrag auf Zuerkennung der aW zuständig ist, wenn das VwG dem VwGH die Rev vorgelegt hat. Dieses – freilich nicht entscheidungswesentliche – Hilfsargument überzeugt allerdings nicht, da auch in der Hauptsache parallele Zuständigkeiten zwischen den Gerichtshöfen des öffentl Rechts bestehen, zumal die beiden Höchstinstanzen nach unterschiedl Maßstäben zu entscheiden hätten und dem VwGH nicht seiner eigenen Zuständigkeit entkleidet würde, wollte man auch dem VfGH einen Kompetenzbereich zubilligen. Die in § 88a Abs 2 Z 2 VfGG zum Ausdruck kommende rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, den VfGH nicht mit „Nebenfronten“ des Verwaltungsrechts zu belasten, ist jedoch ungeachtet dessen eindeutig.

6 VfGH Beschluss 13. 12. 2022, E 2978/2022-17: ErwGr 1.

7 VfGH E 2978/2022-17: ErwGr 4; vgl auch ErwGr 7.

8 VfGH E 2978/2022-17: ErwGr 5 f.

9 Vgl zB VwGH 20. 4. 2017, Ra 2017/19/0113.

zfr.lexisnexis.at 40 ZFR 1/2023 ART.-NR.: 14 JUDIKATUR BVwG
Rainer Wolfbauer

AKTUELLES

Aktuelle Gesetzesvorhaben

Stand: 17. 1. 2023

»ZFR 2023/15 BezeichnungInhalt

Umsetzung der DelRL (EU) 2021/1269 durch Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die Produktüberwachungspflichten

BGBl I 139/2022; AB 1586 BlgNR; RV 1492 BlgNR; 188/ME

Gesetze

Gesetzes- vorschlag

Gesellschaftsrechtliches Digitalisierungsgesetz 2022 – GesDigG 2022

1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz,

2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, Gesellschaftsrechtliches COVID19-Gesetz ua

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (Wertpapierfirmengesetz – WPFG) erlassen wird usw

Entlastung der Unternehmen von Gebühren und Kosten für Firmenbucheingaben: Entfall der Gebühr für die Einreichung des Jahresabschlusses und für Eintragungen betreffend Geschäftsführer sowie Gesellschafter

Verlängerung der Möglichkeit zur Durchführung virtueller Versammlungen um ein weiteres halbes Jahr

Anpassung der Rechtslage an die VO (EU) 2019/2033 („IFR“) und die RL (EU) 2019/2034 („IFD“); Ausweitung des Tätigkeitenkatalogs für Wertpapierfirmen um das Halten von Kundengeldern; Schaffung von Anforderungen an die Liquidität und das interne Kapital von Wertpapierfirmen.

UGB

FBG GmbH-G AktG etc

COVID-19-GesG ua

Wertpapierfirmengesetz (WPFG)

WAG 2018

AIFMG

BWG

FMABG etc

1. 12. 2022

BGBl I 186/2022; AB 1750 BlgNR; IA 2893/A BlgNR; 214/ME

1. 1. 2023

BGBl I 224/2022; AB 1850 BlgNR; 2982/A

1. 2. 2023

BGBl I 237/2022; AB 1815 BlgNR; RV 1757 BlgNR; 215/ME

HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG

Schaffung von internen und externen Stellen für den privaten und öffentlichen Sektor für die Hinweisgebung; Schutzmaßnahmen für Hinweisgeber gegen Vergeltungsmaßnahmen iZm der Hinweisgebung

HSchG BDG VBG

RStD ua

Auf die Kundmachung folgender Tag bzw 18. 12. 2023

3087/A; 210/ME

Begutachtung

Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz

Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz und Rechtsanwaltsordnung, Änderung

Wagniskapitalfondsgesetz – WKFG

Einfacher, zentraler Zugang für österreichische Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zu bundesgesetzlich angeordneten Verlautbarungen über die elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform (EVI) Grundsätzliche Kostenfreiheit für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen bei bundesgesetzlich angeordneten Verlautbarungen

Erleichterung der Kreditvergabe an ältere Personen durch Anpassung der Regelungen für die Kreditwürdigkeitsprüfung

Durch COVID-19 bedingte Erleichterung der Bereitstellung von Eigenkapital bzw der Beteiligung an Unternehmen durch die Bildung eines Wagniskapitalfonds in der Rechtsform einer AG; diverse steuerliche Begleitmaßnahmen.

WZEVI-Gesetz1. 7. 2023228/ME

Interbankenentgeltevollzugsgesetz – IEVG

Gesetzliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der VO (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge

HIKrG RAO 1. 4. 2023236/ME

WKFG

FMABG

InvFG 2011

EStG

IEVG

WettbG

ZaDiG 2018

Auf die Kundmachung folgender Tag 239/ME

Auf die Kundmachung folgender Tag 242/ME

Verfasser: Rainer Wolfbauer

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 41
15
ART.-NR.:
Betroffene Normen (Geplantes)
Stand
Inkrafttreten
(BlgNR 27. GP)
WAG 2018 WAG 201822. 11. 2022

Technische Regulierungsstandards der Kommission für die Zulassung von Kreditinstituten

»ZFR 2023/16

Knapp vor dem Jahreswechsel hat die Kom noch zwei DelVO iZm dem Zulassungsverfahren für Kreditinstitute im ABl veröffentlicht:

1. DelVO (EU) 2022/2580 der Kom vom 17. 6. 2022 zur Ergänzung der CRD IV im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zu den im Antrag auf Zulassung als Kreditinstitut zu übermittelnden Informationen und zur Präzisierung möglicher Hindernisse für die ordnungsgemäße Wahrnehmung von Aufsichtsfunktionen durch die zuständigen Behörden1

Die DelVO fußt auf Art 8 Abs 2 lit a und 2 CRD IV und listet die (inhaltlichen) Angaben auf, die ein Kreditinstitut im Rahmen der Antragserlangung zu übermitteln hat, und zwar Angaben zur

 Identität des Antragstellers,

 Angaben zu dessen Werdegang und zu dessen Tätigkeitsprogramm,

 Finanzinformationen,

 Informationen über den Geschäftsplan, den organisatorischen Aufbau, die internen Kontrollsysteme und die Wirtschaftsprüfer des antragstellenden Kreditinstituts,

 Angaben über das Kapital zum Zeitpunkt der Zulassung des antragstellenden Kreditinstituts,

 Informationen über die tatsächliche Geschäftsleitung des antragstellenden Kreditinstituts,

 Angaben zu Anteilseignern und Gesellschaftern mit qualifizierten Beteiligungen am antragstellenden Kreditinstitut,

 Angaben zu den 20 größten Anteilseignern oder Gesellschaftern des antragstellenden Kreditinstituts, bei denen es sich nicht um Anteilseigner oder Gesellschafter mit qualifizierten Beteiligungen handelt, sowie

 zusätzliche Informationen.

Die Umschreibung der vorzulegenden Informationen ist dabei vom Grundgedanken geleitet, derart ausführlich und umfassend zu sein, dass die zuständige Behörde beurteilen kann, ob ein antragstellendes Kreditinstitut die in den Art 10–14 CRD IV und im nationalen Recht festgelegten Anforderungen erfüllt (ErwGr 1), wobei die Informationen ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Zulassung und Aufnahme der Tätigkeiten wahrheitsgemäß, genau, vollständig und aktuell sein sollten (ErwGr 2).

Zwei Anhänge der DelVO listen letztlich die  zur Beurteilung erforderlichen Informationen über die tatsächliche Geschäftsleitung des antragstellenden Kreditinstituts (Anhang I) und die

 Informationen für die Beurteilung der Anteilseigner oder Gesellschafter mit qualifizierten Beteiligungen durch die zuständigen Behörden (Anhang II) noch detaillierter auf.

Die DelVO gilt ab dem 18. 7. 2023 (Art 13 S 2 DelVO idF der Berichtigung vom 12. 1. 2023).

2. DVO (EU) 2022/2581 der Kom vom 20. 6. 2022 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Anwendung der CRD IV im Hinblick auf die Übermittlung von Angaben in Anträgen auf Zulassung als Kreditinstitut2 Dieser ITS beruht auf Art 8 Abs 3 CRD IV und ist in direkter Fortführung der vorgenannten DelVO zu sehen. Nach der Einschätzung der Kom sei es nämlich für die Zwecke der Harmonisierung wichtig, dass alle Antragsteller, die eine Zulassung als Kreditinstitut beantragen, die für eine solche Zulassung erforderlichen Angaben auf einheitliche Weise unter Verwendung der unionsweit gleichen Standardformulare, Mustertexte und Verfahren übermitteln (ErwGr 1). Dementsprechend vereinheitlicht der Rechtsakt die Vorschriften über die Einreichung des Antrags auf Zulassung als Kreditinstitut (Art 1 ITS) sowie die Bewertung der Vollständigkeit von Anträgen auf Zulassung als Kreditinstitut (Art 2 ITS). Der aus insg neun Tabellen bestehende Anhang des technischen Regulierungsstandards definiert daher ein von sämtlichen Antragstellern anlässlich der Einreichung zwingend zu verwendendes Formularwerk.

Die DelVO gilt ab dem 18. 7. 2023 (Art 4 S 2 DelVO idF der Berichtigung vom 12. 1. 2023).

Offenlegung von ESG-Risiken:

Kommission erlässt ITS

»ZFR 2023/17

Bereits mit der DVO (EU) 2021/637, einem technischen Durchführungsstandard (ITS), hatte die Kom im Jahr 2021 einheitliche Offenlegungsformate und zugehörige Erläuterungen für die nach Maßgabe der Titel II und III CRR vorgesehenen Offenlegungen festgelegt.

Mit der VO (EU) 2019/876 war zuletzt die CRR geändert worden, indem ua ein neuer Art 449a CRR aufgenommen worden war. Nach diesem Artikel müssen große Institute, die Wertpapiere emittiert haben, die zum Handel auf einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates (MS) zugelassen sind, seit dem 28. 6. 2022 Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (environmental, social and governance risks – ESGRisiken) einschließlich physischer Risiken und Transitionsrisiken

zfr.lexisnexis.at 42 ZFR 1/2023 AKTUELLES ART.-NR.: 16
1 ABl L 335/64-85 vom 29. 12. 2022 idF der Berichtigung vom 12. 1. 2023, ABl L 10/112. Rainer Wolfbauer 2 ABl L 335/86-102 vom 29. 12. 2022 idF der Berichtigung vom 12. 1. 2023, ABl L 10/113.

offenlegen. Dieser Änderung der CRR wollte bereits die DVO (EU) 2021/637 Rechnung tragen, indem über die bestehenden einheitlichen Offenlegungsformate und zugehörigen Erläuterungen hinaus zusätzliche einheitliche Offenlegungsformate und zugehörige Erläuterungen für die Offenlegung von ESG-Risiken festgelegt werden. Mit der vorliegenden DVO (EU) 2022/24531 ändert die Kom nunmehr die DVO (EU) 2021/637 im Hinblick auf die Offenlegung der Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken, indem sie dem ITS einen neuen Art 18a sub titulo „Offenlegung der Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (environmental, social and governance risks – ESG-Risiken)“ hinzufügt.

Bei der Festlegung dieser einheitlichen Offenlegungsformate will die Kom die vollständige Wesentlichkeit der offenzulegenden Informationen berücksichtigen. Offenlegungen der Institute sollten daher sowohl die finanziellen Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Wirtschafts- und Finanztätigkeiten der Institute (Perspektive von außen nach innen) abdecken als auch die ESG-Faktoren, die durch die Tätigkeiten der Institute selbst ausgelöst werden können, wodurch diese Tätigkeiten finanziell wesentlich werden, wenn sie die Interessenträger der Institute betreffen (Perspektive von innen nach außen). Infolgedessen sollten die für diese Offenlegungen verwendeten Tabellen und Meldebögen ausreichend umfassende und vergleichbare Informationen über ESG-Risiken enthalten, damit die Nutzer dieser Informationen das Risikoprofil von Instituten beurteilen können (vgl ErwGr 2 ITS). Weiters soll im Rahmen der Offenlegung durch Institute auch für eine Kohärenz mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften gesorgt werden, so etwa mit der Taxonomie-VO (VO [EU] 2020/852) und der DelVO (EU) 2020/1818 der Kom. Darauf nimmt der gegenständliche ITS Bedacht.

Art 19a und Art 29a CRD IV verpflichten lediglich bestimmte große Unternehmen, bei denen es sich um Unternehmen von öffentlichem Interesse handelt, und Unternehmen von öffentlichem Interesse, die Mutterunternehmen einer großen Gruppe sind, in ihren Lagebericht oder ihren konsolidierten Lagebericht Informationen über die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung aufnehmen. Diese Verpflichtung gilt jedoch nicht für andere Unternehmen. Dementsprechend sind Unternehmen, die nicht Art 19a und Art 29a CRD IV unterliegen, zur Offenlegung dieser Informationen nicht verpflichtet und möglicherweise auch gar nicht in der Lage, Instituten diese Informationen zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund der RL haben nach Art 449a CRR iVm Art 18a der DVO (EU) 2022/2453 ausschließlich große Institute, die Wertpapiere emittiert haben, die zum Handel auf einem geregelten Markt eines MS iSd Art 4 Abs 1 Z 21 MiFID II zugelassen sind, Informationen zu ESG-Risiken einschließlich physischer Risiken und Transitionsrisiken offenzulegen.

Diese Informationen sind im ersten Jahr jährlich und danach halbjährlich offenzulegen. Die erste Offenlegung bezieht sich daher auf den Stichtag 31. 12. 2022, danach jeweils auf die halbjährlichen Stichtage ab 30. 6. 2022 (vgl Art 18a Abs 3 lit a und b DVO [EU] 2022/2453 sowie ErwGr 5 ITS). Für die konkreten Offenlegungen sieht die DVO einen neuen Anhang XXXIX in Form von drei Tabellen und zehn Meldebögen im Umfang von insg 50 Seiten vor.

Die EBA hat zudem verlautbaren lassen, dass der ITS einer Überarbeitung bedarf, sofern die Offenlegungsverpflichtung in Bezug auf ESG-Risiken auf weitere oder gar alle Institute ausgedehnt werden sollte. Dies würde freilich eine Änderung des Art 449a CRR voraussetzen.

Neue EBA-Leitlinien zum SREP und zu aufsichtlichen Stresstests

»ZFR 2023/18

Ende Dezember 2022 hat die FMA auch eine positive ComplianceErklärung zu den EBA-Leitlinien zu „gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests“1 abgegeben. Auf nicht weniger als 246 Seiten legt die EBA die gemeinsamen Verfahren und Methoden für die Funktionsweise des SREP nach Art 97 sowie nach Art 107 Abs 1 lit a CRD IV fest.

Die seit 1. 1. 2023 geltenden und sich an die zuständigen Behörden richtenden (vgl Rz 7) Leitlinien ersetzen mit Wirksamkeit ab diesem Datum die vormaligen EBA-SREP-Leitlinien vom 19. 12. 20142 in der überarbeiteten Fassung der Leitlinien vom 19. 7. 2018 3 (Rz 14 f).

Nach den nunmehr überarbeiteten Guidelines zählen – wie Rz 5 der Leitlinien darlegt – auch Verfahren und Methoden für die Bewertung der Organisation und der Behandlung von Risiken zu den Bewertungsfeldern, darunter:

 Risiken in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung;

 Risiken gem den Art 76–87 CRD IV: dazu zählen die Internen Ansätze zur Berechnung der Eigenmittelanforderungen (Art 77 f CRD IV), Kreditrisiko und Gegenparteiausfall (Art 79 CRD IV), Restrisiko (Art 80 CRD IV), Konzentrationsrisiko (Art 81 CRD IV), Verbriefungsrisiko (Art 82 CRD IV), Marktrisiko (Art 83 CRD IV), Zinsänderungsrisiko bei Geschäften des Anlagebuchs (Art 84 CRD IV), Operationelles Risiko (Art 85 CRD IV), Liquidi-

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 43 AKTUELLES
18
ART.-NR.:
1 ABl L 324/1-54 vom 19. 12. 2022.
1 EBA/GL/2022/03 vom 18. 3 2022. 2 EBA/GL/2014/13 vom 19. 12. 2014. 3 EBA/GL/2018/03 vom 19. 7. 2018; hierzu näher Wolfbauer, Überarbeitete SREP-Leitlinien der EBA, ZFR 2019/70, 154.

tätsrisiko (Art 86 CRD IV) sowie das Risiko einer übermäßigen Verschuldung (Art 87 CRD IV);

 Prozesse und vorgesehene Maßnahmen nach folgenden Bestimmungen der CRD IV: Art 98, Art 100 (Aufsichtliche Stresstests), Art 101 (Laufende Überprüfung der Erlaubnis zur Verwendung interner Ansätze), Art 102 (Aufsichtsmaßnahmen), Art 104 (Aufsichtsbefugnisse), Art 104a (Zusätzliche Eigenmittelanforderung), Art 104b (Empfehlungen für zusätzliche Eigenmittel), Art 104c (Zusammenarbeit mit Abwicklungsbehörden), Art 105 (Besondere Liquiditätsanforderungen), Art 107 Abs 1 lit b (betreffend einen Teilbereich der Angleichung der aufsichtlichen Überprüfungen, Bewertungen und Aufsichtsmaßnahmen) und Art 117 (Pflicht zur Zusammenarbeit). Darüber hinaus verfolgen die Leitlinien das Ziel, gemeinsame Methoden zu bieten, welche die zuständigen Behörden für die Durchführung der aufsichtlichen Stresstests im Kontext ihres SREP gem Art 100 Abs 2 CRD IV anzuwenden haben.

Die EBA stellt dabei in Rz 6 klar, dass die Leitlinien keine Methoden für die Stresstests festgelegen, die die EBA in Zusammenarbeit mit den anderen zuständigen Aufsichtsbehörden gem Art 22 EBA-VO durchführt; sie beschreiben jedoch den Umfang der Stresstests und helfen dabei, den entsprechenden Kontext für die Berücksichtigung zukünftiger EBA-Stresstests als Teil der aufsichtlichen Stresstests darzulegen.

Mit den geänderten Leitlinien werden insb die Anpassungen der CRD IV durch die CRD V sowie einige andere regulatorische Änderungen (bspw durch zahlreiche neue EBA-Guidelines) berücksichtigt. Darüber hinaus finden die bisherigen aufsichtlichen Erfahrungen bei der Handhabung des SREP und des Stresstests ihren Niederschlag in den Leitlinien.4

4 S auch das Anschreiben der FMA an die Bundessparte innerhalb der WKO: FMA, Schreiben vom 21. 12. 2022, FMA-SG23 9590/0052-CSA/2022.

EBA ändert die Leitlinien über die Offenlegung von notleidenden und gestundeten Risikopositionen

»ZFR 2023/19

Im Dezember 2018 hatte die EBA ihre Leitlinien über die Offenlegung von notleidenden und gestundeten Risikopositionen1 („NPL-Offenlegungs-GL“) finalisiert. Diese legen den Inhalt und die einheitlichen Offenlegungsformate für Kreditinstitute bezüglich Offenlegungen gem Teil 8 CRR (Art 431 ff ) iZm notleidenden 1 EBA/GL/2018/10 vom

Risikopositionen (NPEs), gestundeten Risikopositionen (FBEs) und Rettungserwerben fest und sollten damit die Umsetzung des Aktionsplans 2017 des Rates zur Bekämpfung notleidender Kredite in der EU weiter vorantreiben. Die FMA hatte zu diesem Rechtsakt im Juni 2018 eine positive Compliance-Erklärung abgegeben.2

Mit Wirkung ab 31. 12. 2022 (vgl Rz 5) hat die EBA nunmehr die zitierten Leitlinien punktuell modifiziert,3 die FMA hat sich hierzu im Dezember 2022 ebenso „fully compliant“ erklärt.

Wie die FMA selbst hierzu ausführt,4 ist der Hintergrund der Überarbeitung, dass die maximalharmonisierten Offenlegungsbestimmungen nunmehr in der DVO 2021/637 geregelt sind und die obigen Leitlinien damit grds aufgehoben werden könnten. Nachdem jedoch gem CRR II weder kleine, nicht-komplexe Institute (SNCI) noch börsennotierte mittelgroße Institute die Angaben zu Art 442 CRR (Kredit- und Verwässerungsrisiko/NPL) offenzulegen haben, die Wiedereinführung für börsennotierte SNCI sowie nicht börsennotierte mittelgroße Institute jedoch unter der CRR III erwartet wird, reduziert die EBA den Anwendungsbereich der bisherigen NPL-Offenlegungs-GL auf diese Unternehmen, dh, die EBA erhält sie für diese aufrecht. Offenzulegen sind dabei vier Templates auf jährlicher Basis. Dies erfolge nach den Einschätzungen der FMA vor dem Hintergrund, dass speziell im derzeitigen Marktumfeld (COVID-19, Ukraine-Konflikt) die Offenlegung von NPL-Zahlen wichtig sei.

Rechtstechnisch erfolgt die gegenständliche Novellierung in erster Linie im Wege einer Änderung des Abs 6 des Abschnitts 2 der EBA/GL/2018/10, der den persönlichen Anwendungsbereich der Leilinien festlegt. Die Leitlinien gelten daher – präzise formuliert – seit Ende 2022 nur mehr für

a) kleine und nicht komplexe Institute iSv Art 4 Abs 1 Nr 145 CRR, die börsennotierte Institute sind, und

b) andere Institute (dh nicht große oder kleine und nicht komplexe Institute), die nicht börsennotierte Institute iSv Art 4 Abs 1 Nr 148 CRR sind.

2 S näher Wolfbauer, EBA-Leitlinien über die Offenlegung notleidender und gestundeter Risikopositionen: Compliance Erklärung der FMA, ZFR 2019/170, 385.

3 EBA/GL/2022/13 vom 12. 10. 2022.

4 Vgl das Anschreiben an die Bundessparte innerhalb der WKO: FMA, Schreiben vom 21. 12. 2022, FMA-SG23 9590/0056-CSA/2022.

zfr.lexisnexis.at 44 ZFR 1/2023 AKTUELLES ART.-NR.: 18
17. 12. 2018.
Ihr
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Weg zum Recht:

Änderung der EBA-Leitlinien zur Festlegung und Offenlegung von Indikatoren für die globale systemische Relevanz

»ZFR 2023/20

Mit den Leitlinien zur Festlegung und Offenlegung von Indikatoren für die globale systemische Relevanz aus dem Jahr 20201 definiert die EBA mit Wirksamkeit seit 16. 12. 2020 i. die Indikatoren, die zur Bestimmung global systemrelevanter Institute (G-SRI), wie die VO (EU) 1222/2014 darlegt, verwendet werden („Indikatoren“), und ii. die Meldung der zugrunde liegenden Daten (Indikatoren, zusätzliche Angaben und nachrichtliche Positionen) und die jährliche Offenlegung der sich ergebenden Werte der Indikatoren, die zur Bestimmung von G-SRI verwendet werden. Mit der gegenständlichen Änderung2 nimmt die EBA mit Wirkung seit 16. 1. 2023 (vgl Rz 6) eine punktuelle Ergänzung von Abschnitt 4 dieser Leitlinien durch die Hinzufügung einer neuen Rz 10a vor. Dieser Abschnitt 4 betrifft den zentralen Regelungsgegenstand der Guidelines, nämlich die Festlegung der zugrunde liegenden Daten und Indikatoren, die zur Bestimmung von G-SRI verwendet werden, und geht nunmehr ausdrücklich auf Art 131 Abs 2a CRD IV idF RL (EU) 2019/878 3 ein. Der letztgenannte Absatz schreibt eine zusätzliche Ermittlungsmethode vor, die grenzüberschreitende Tätigkeiten im Rahmen des einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) ausschließt.

Vor diesem Hintergrund und im Einklang mit der internationalen Vereinbarung des Basler Ausschusses vom 31. 5. 2022, die Fortschritte bei der Entwicklung der Europäischen Bankenunion anzuerkennen, legen die Leitlinien nunmehr fest, dass Datenpositionen, die für die Berechnung der angepassten länderübergreifenden Indikatoren von Instituten mit Sitz in Mitgliedstaaten, die dem SRM angehören, relevant sind, als Teil der länderübergreifenden Tätigkeitsindikatoren und nicht als Nebenpositionen oder Posten unter dem Strich für die G-SRI-Methode zur Ermittlung und Einstufung in eine Teilkategorie betrachtet werden sollten.

Rainer Wolfbauer

zwischen Frauen und Männern

»ZFR 2023/21

Unter einem einigermaßen sperrigen Titel hat die die EBA bereits Mitte des Jahres 2022 gleich zwei Leitlinien „für den Vergleich der Vergütungspraktiken, des geschlechtsspezifischen Lohngefälles und der gebilligten höheren Höchstwerte für das Verhältnis“ gem RL 2013/36/EU (CRD IV)1 und gem RL (EU) 2019/2036 (IFR)2 erlassen. Die FMA hat sich im Dezember 2022 hinsichtlich der erstgenannten Guidelines „fully compliant“ erklärt und hinsichtlich der zweitgenannten Leitlinien – wohl vor dem Hintergrund der noch nicht vollständig in innerstaatliches Recht umgesetzten IFD/IFR –eine „Intend to comply“-Erklärung abgegeben. Die Leitlinien sind auch in Ergänzung zu den ebenfalls jüngst erlassenen EBA-Leitlinien „zur Datenerfassung im Hinblick auf Personen mit hohem Einkommen gemäß der Richtlinie 2013/36/EU und der Richtlinie (EU) 2019/2034“ zu sehen.3

Die Leitlinien zur CRD IV richten sich neben den zuständigen Behörden gem EBA-VO an solche Finanzinstitute iSv Art 4 Abs 1 EBA-VO, die Institute iSv Art 4 Abs 1 UAbs 3 CRR sind, wobei jedoch nach diesen Leitlinien (nur) solche Wertpapierfirmen zu berücksichtigen sind, für die Art 1 Abs 2 oder 5 VO (EU) 2019/2033 (IFD) gilt (Rz 9) – dies sind nach der neuen Terminologie sog „Klasse 1-Wertpapierfirmen“

Die Leitlinien zur CRD IV präzisieren jene Informationen, die ausgewählte Institute den zuständigen Behörden für die Zwecke der Überwachung der Vergütungspolitik gem Art 75 CRD IV für einen Vergleich der Vergütungstrends und -praxis bereitzustellen haben; dies schließt auch Informationen ein, die gem Art 450 Abs 1 lit g, h, i und k CRR („Daten zur Vergütung“) offenzulegen sind, sowie die für einen Vergleich des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu übermittelnden Informationen („Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle“). Zudem legen die erwähnten Leitlinien gem Art 94 Abs 1 lit g Z ii sechster Gedankenstrich CRD IV das gemeinsame Berichtsformat fest, das für die Zwecke des Vergleichs gebilligter höherer Höchstwerte für das Verhältnis zwischen der festen und der variablen Komponente der Vergütung („Daten zu den höheren Höchstwerten für das Verhältnis“) zu verwenden ist. Letztlich regeln die Leitlinien auch, wie die zuständigen Behörden die Daten zu den Vergütungen, zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle und zu gebilligten höheren Höchstwerten für das Verhältnis aus variabler und fixer Vergü-

1 EBA/GL/2020/14 vom 4. 11. 2020.

2 Leitlinien zur Änderung der Leitlinien EBA/GL/2020/14: EBA/GL/2022/12 vom 29. 9. 2022.

3 Diese RL ergänzt die CRD IV im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen.

1 EBA/GL/2022/06 vom 30. 6. 2022.

2 EBA/GL/2022/07 vom 30. 6. 2022.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 45 AKTUELLES ART.-NR.: 21
Leitlinien der EBA zu Vergütungspraktiken und zum Einkommens gefälle
3 Hierzu Wolfbauer, Neue EBA-Leitlinien zur Datenerfassung im Hinblick auf Personen mit hohem Einkommen nach CRD IV und IFD, ZFR 2022/291, 620 f.

tung (gemeinsam als „Vergleichsdaten“ bezeichnet) von den betroffenen Instituten einholen und anschließend an die EBA übermitteln (vgl zum Regelungsgegenstand Rz 5–7).

Die bereits am 31. 12. 2022 in Kraft getretenen Leitlinien ersetzen mit diesem Datum die bisherigen EBA-Leitlinien für den Vergütungsvergleich.4 Die FMA hat in einem Anschreiben an die Bundessparte der WKO angekündigt, dass die Umsetzung der Leitlinien „wie bisher“ im Wege des OeNB-Meldewesens erfolgen werde.5 Hierfür wird eine Novelle der VERA-V der FMA erforderlich sein, die sich derzeit auch in Konsultation befindet.

In analoger Weise richten sich die auf der IFR fußenden und seit dem 31. 12. 2022 anzuwendenden (s Rz 11) zweitgenannten Leitlinien an die zuständigen Behörden gem EBA-VO sowie an Finanzinstitute iSv Art 4 Abs 1 EBA-VO, die Wertpapierfirmen iSv Art 4 Abs 1 UAbs 1 MiFID II sind und für die Art 25 und Art 34 IFR gelten („Wertpapierfirmen“). Dementsprechend gelten die Leitlinien auch nicht für Klasse 1-Wertpapierfirmen (s Art 2 Abs 2 IFD iVm Art 1 Abs 2 UAbs 2 IFR), wodurch grds eine scharfe Abgrenzung zu den vorgenannten Leitlinien besteht. Die Leitlinien präzisieren die für die Zwecke der Überwachung der Vergütungspolitik gem Art 34 IFR von ausgewählten Wertpapierfirmen den zuständigen Behörden für einen Vergleich der Vergütungstrends und -praxis bereitzustellenden Informationen. Sie schließen dabei auch Informationen ein, die gem Art 51 UAbs 1 lit c und d IFR („Daten zur Vergütung“) offenzulegen sind, sowie die für einen Vergleich des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu übermittelnden Informationen („Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle“). Die Leitlinien legen letztlich jene Daten fest, die die zuständigen Behörden zur Vergütung und zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle (gemeinsam als „Vergleichsdaten“ bezeichnet) von Wertpapierfirmen einholen, und wie sie die Vergleichsdaten anschließend an die EBA übermitteln (vgl zum Regelungsgegenstand der Leitlinien Rz 5 f).

Beide Leitlinien enthalten eine nahezu identische Übergangsvorschrift, der zufolge die Institute bzw Wertpapierfirmen die Vergleichsdaten für das 2022 endende Geschäftsjahr, ausgenommen die Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle, bis zum 31. 8. 2023 an die zuständigen Behörden und die zuständigen Behörden diese bis zum 31. 10. 2023 an die EBA zu übermitteln haben. Der erste Vergleich bezüglich des geschlechtsspezifischen Lohngefälles sollte das Geschäftsjahr 2023 betreffen.6 Beide Leitlinien weisen auch einen vergleichbaren Aufbau auf: Nach einer Umschreibung des Kreises der in die Erhebung der Vergleichsdaten aufzunehmenden Unternehmen schließen sich Regelungen zur Übermittlung der Daten durch die betroffenen Rechtsträger an die zuständigen Behörden an und – daran denklogisch anknüpfend – zur Übermittlung der Vergleichsdaten durch die zuständigen Behörden an die EBA.

Weiters sehen beide Leitlinien allgemeine Spezifikationen für alle zu meldenden Vergleichsdaten wie auch zusätzliche Spe-

4 EBA/GL/2014/08 vom 16. 7. 2014.

5 FMA, Schreiben vom 5. 12. 2022, FMA-SG23 9590/0053-ABS/2022.

6 Vgl jeweils Rz 12 der Leitlinien EBA/GL/2022/06 und EBA/GL/2022/07.

zifikationen für die Daten zur Vergütung vor. Separate Kapitel sind den zusätzlichen Spezifikationen für die Daten zur Vergütung und den zusätzlichen Spezifikationen für die Übermittlung von Informationen über Ausnahmen in Anhang IV gewidmet. Lediglich in den die Kreditinstitute und Klasse 1-Wertpapierfirmen betreffenden Leitlinien finden sich weitere zusätzliche Spezifikationen für die Übermittlung von Informationen zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle in Anhang V (Anschnitt 8, Rz 40–49).

Beide Leitlinien schließen mit Ausführungen zur Qualität der Daten. Umfangreiche und detaillierte Anhänge in Tabellenform runden die beiden Regelwerke ab.

Änderung der KapitalpufferVerordnung 2021

»ZFR 2023/22

Die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben die FMA Ende Dezember 2022 dazu angehalten, nach Einholung der Zustimmung des BMF eine umfassende Novellierung der auf § 23d Abs 7 und § 23e Abs 3 BWG beruhenden Kapitalpuffer-Verordnung 2021 (KP-V 2021) vorzunehmen.1 Dies erfolgte entsprechend dem gesetzlichen Auftrag der FMA gem § 23d Abs 8 Z 2 BWG, mindestens jährlich die Einstufung der Systemrelevanten Institute und die Angemessenheit der Pufferanforderung zu überprüfen, sowie jener gem § 23e Abs 5 BWG, zumindest alle zwei Jahre die Angemessenheit der Kapitelpufferanforderung für den Systemrisikopuffer zu hinterfragen. Mit der gegenständlichen Novelle kommt die FMA auch der Empfehlung des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) für die Anpassung des Systemrisikopuffers und des Systemrelevante Institute-Puffers in der 33. Sitzung vom 12. 9. 2022 (FMSG/5/2022) nach und sie berücksichtigt dabei die dazu eingeholte gutachtliche Äußerung der OeNB.

Als Ergebnis der Neubewertung hat die FMA den betroffenen Instituten eine Aufstockung von deren Kapitalpuffer um insg 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte verordnet. Nach den Angaben der Behörde adressiert sie so die erhöhten Systemrisiken, die aus zusätzlichen Unsicherheiten wie Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, gestiegenen Energiepreisen sowie hoher Inflation resultieren. Sie verweist auch darauf, dass die Kapitalausstattung der österr Banken im europäischen Vergleich nach wie vor unter dem Durchschnitt liege. Die konkreten Erfordernisse werden in der KP-V 2021 für jedes Institut individuell festgelegt, setzen beim Systemrisikopuffer (SyRP) sowie dem Puffer für Systemrelevante

zfr.lexisnexis.at 46 ZFR 1/2023 AKTUELLES ART.-NR.: 22
1
BGBl II 2022/469 vom 21. 12. 2022.

Institute (OSII-Puffer) an und differenzieren nach Einzelinstitutsund konsolidierter Ebene.

Die FMA erwartet dabei im Lichte der Erfahrungen mit Entscheidungen in der Vergangenheit – sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene – keine signifikanten Auswirkungen auf die Kreditversorgung. Es sei vielmehr festzustellen, dass der Kapitalaufbau seit Puffereinführung im Juli 2016 die Kreditvergabe nicht eingeschränkt habe. Seit Juli 2016 habe sich die Kreditvergabe der österr Institute vielmehr weiterhin dynamisch entwickelt und sich immer im positiven Bereich befunden. Die Auswirkungen der zusätzlichen Puffer auf das Wachstum wurden im erwähnten Gutachten der OeNB explizit modelliert und quantifiziert. Dabei wurde analysiert, ob ein tatsächlicher Kapitalbedarf bei Banken durch Puffererhöhungen entsteht, welche zusätzlichen Kosten daher für Banken entstehen und wie sich diese auf makroökonomische Kennzahlen (Investitionen, Konsum) auswirken. Der prognostizierte negative volkswirtschaftliche Effekt der Erhöhung der Kapitalpuffer sei nach Einschätzung der OeNB mit einer Verminderung des BIP-Wachstums in den nächsten drei Jahren um maximal 0,001 Prozentpunkte sehr gering.

Die für die Pufferbemessung maßgebliche EBA-Leitlinie EBA/ GL/2014/10 sieht zwei Schritte zur Identifikation von Systemrelevanten Instituten vor. In einem ersten Schritt werden Institute anhand von Indikatoren identifiziert, die (i) Größe, (ii) Relevanz für die Wirtschaft der Union oder des betreffenden Mitgliedstaates, (iii) Bedeutung der grenzüberschreitenden Tätigkeiten und (iv) Verflechtungen des Instituts oder der Gruppe mit dem Finanzsystem abbilden. In einem zweiten Schritt ist vorgesehen, dass nationale Aufsichtsbehörden ihre Expertise über den konkreten Bankensektor nützen, um sicherzustellen, dass alle systemrelevanten Banken als solche erkannt werden, auch wenn dies aufgrund der Mechanik des ersten Schritts nicht der Fall wäre. Seit dem Jahr 2018 werden daher die gesicherten Einlagen als zusätzlicher Indikator berücksichtigt, da Banken, die ein hohes Maß an gesicherten Einlagen aufweisen und daher im Einlagensicherungsfall eine Be- oder Überlastung des Einlagensicherungssystems darstellen würden, eine hohe systemische Relevanz haben.

Weitere Änderungen der Pufferhöhen sind eine Folge der Umsetzung der Additivität von Systemrisikopuffer und Puffer für Systemrelevante Institute mit der BWG-Novelle BGBl I 2021/98. Damals wurden mit der Neuerlassung der KP-V 2021 die Pufferhöhen für den Puffer für Systemrelevante Institute reduziert. Der Grund für die Reduktion war, dass es inmitten eines durch hohe Unsicherheit aufgrund von COVID-19 geprägten wirtschaftlichen Umfeldes zu keiner Pufferhöhung nur aufgrund der regulatorischen Änderung kommen sollte. Die nunmehrigen Erhöhungen der Pufferanforderungen für Systemrelevante Institute trotz gegenüber der Evaluierung 2021 nicht wesentlich veränderter EBA-Scores sei daher darauf zurückzuführen, dass die vorübergehende Pufferreduktion bei erstmaliger Einführung der Additivität ausläuft. Allerdings wurde bei der finalen Berechnung der Pufferhöhen die komplementäre Wirkung der beiden Puffer im Rahmen der Überlappungsanalyse berücksichtigt.

Darüber hinausgehend folgt die FMA der Empfehlung des FMSG, die additiven Erfordernisse aus Systemrisikopuffer und Puffer für Systemrelevante Institute mit maximal zusätzlich 0,5 Prozentpunkten zu begrenzen. Ohne diese Begrenzung hätte das Auslaufen der vorübergehenden Pufferreduktion iZm der erstmaligen Einführung der Additivität bei einigen Instituten nun zu einer stärkeren Erhöhung der effektiven Pufferhöhen geführt.

Die FMA kündigt auch an, dass im Rahmen der nächsten Evaluierung der makroprudenziellen Puffer das finanz- und makroökonomische Umfeld einschließlich der bis dahin eingetretenen Reaktionen der Kreditinstitute und des Finanzsystems berücksichtigt werden.

§ 8a KP-V 2021 sieht entsprechend der Empfehlung des FMSG eine Übergangsbestimmung für die Anpassung der Kapitalpufferquoten vor, mit der die Erhöhung der Kapitalpufferquoten im Kalenderjahr 2023 graduell erfolgt. Dadurch erhöht sich die Summe aus der Kapitalpuffer-Quote für Systemrelevante Institute und der Kapitalpuffer-Quote für den Systemrisikopuffer im Vergleich zur derzeit geltenden Rechtslage per 1. 1. 2023 für jedes Kreditinstitut sowohl auf Einzelbasis als auch auf konsolidierter Basis höchstens um 0,25 Prozentpunkte. Die Übergangsbestimmung ist bis 31. 12. 2023 befristet, sodass ab 1. 1. 2024 (dies entspricht einem Auslaufen der Übergangsbestimmung und einem Anwendungsbeginn der vollen Pufferhöhen per Jahresende 2023) die Kapitalpuffer gem den §§ 6 und 8 KP-V 2021 in der vollen vom FMSG empfohlenen Höhe vorzuhalten sind.

Erneute Verlängerung der Erleichterungen bei der Online-Identifi kation

»ZFR 2023/23

Ungeachtet der sich weltweit entspannenden Pandemie-Situation und der medienwirksamen Ausrufung des Pandemieendes durch prominente Virologen hat die FMA Ende 2022 – ganz iS einer österr Lösung – ihr zuletzt bis 31. 12. 2022 limitiertes Provisorium1 weiter verlängert und die ursprünglich nur temporär angedachten Erleichterungen im Rahmen der Online-Identifikation von Kunden zeitlich um ein weiteres Jahr ausgedehnt:2

§ 6 Abs 4 Z 1 FM-GwG erlaubt die Überprüfung der Identität eines Kunden durch Vorlage des amtlichen Lichtbildausweises im Rahmen eines videogestützten elektronischen Verfahrens (Online-Identifikation). In der Online-Identifikationsverordnung – Online-IDV BGBl II 2017/5 – legt die FMA gem § 6 Abs 4 letzter Satz FM-GwG jene Maßnahmen fest, die bei der Online-

1 Vgl zur letztjährigen Verlängerung Wolfbauer, FMA verlängert Erleichterungen bei der Online-Identifikation erneut, ZFR 2022/25, 46.

2 BGBl II 2022/470 vom 21. 12. 2022.

zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 47 AKTUELLES
23
ART.-NR.:

Identifikation vom Verpflichteten zum Ausgleich des erhöhten Risikos aufgrund der fehlenden persönlichen Anwesenheit des Kunden einzuhalten sind.

Grds dürfen Mitarbeiter des Verpflichteten gem § 3 Abs 3 Online-IDV die Online-Identifikation nur in einem abgetrennten, mit einer Zugangskontrolle ausgestatteten Raum durchführen. Die von diesem Grundsatz abweichende, zeitlich befristete Regelung des § 3 Abs 4 Online-IDV, die eine Online-Identifikation durch Mitarbeiter im Homeoffice ermöglicht, wird mit der gegenständlichen Novelle bis 31. 12. 2023 verlängert, da – jedenfalls nach Ansicht der FMA – die COVID-19-Pandemie weiterhin andauere.

In der Verordnungsbegründung verweist die FMA auf ihre Überlegungen zu § 3 Abs 4 Online-IDV idF der VO BGBl II 2020/169,3 die weiterhin einschlägig seien. Auf die in der Zwischenzeit seit dem Jahr 2020 jedoch erheblich reduzierte epidemiologische Anspannung geht die FMA dabei jedoch nicht ein.

3 Abrufbar unter https://www.fma.gv.at/national/fma-verordnungen/ (Stand Jänner 2023).

Anpassung der Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung 2018 an das PEPP

»ZFR 2023/24

Mit der vorliegenden Novelle1 zur Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung 2018 (LV-InfoV 2018) normiert die FMA nach Einholung der Zustimmung des BMF auf der Grundlage von § 135c Abs 4 und § 135d Abs 4 VAG 2016 in Bezug auf Lebensversicherungsverträge, die gleichzeitig die Anforderungen an Paneuropäische Private Pensionsprodukte (PEPP) erfüllen, auf welche Art und Weise die originären Informationspflichten für PEPP zu berücksichtigen sind. Solche Informationspflichten für PEPP ergeben sich auf unionsrechtlicher Ebene aus der VO (EU) 2019/1238 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP-VO) sowie aus der dazu erlassenen DelVO (EU) 2021/473 zur Ergänzung der PEPP-VO durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Anforderungen an die Informationsblätter, die für die Kostenobergrenze zu berücksichtigenden Kosten und Gebühren und die Risikominderungstechniken für das PEPP.

Gem § 11 Abs 1 PEPP-VollzugsG BGBl I 2022/4 ist beim Anbieten und Vertrieb von PEPP in Ö neben den Bestimmungen der PEPP-VO und dem gem Art 23 Abs 1 lit a PEPP-VO unmittelbar an-

wendbaren Unionsrecht und unbeschadet sonstiger gem Art 11 PEPP-VO geltender sektorspezifischer Vorschriften beim Vertrieb von PEPP das 6. Hauptstück des VAG 2016 einschließlich der für Versicherungsanlageprodukte geltenden Bestimmungen, jedoch mit Ausnahme der §§ 128a, 129, 131, 132, 135b Abs 1 und § 135e VAG 2016 einzuhalten. Damit sind auch die Informationspflichten gem den §§ 135c und 135d VAG 2016 und die diese Bestimmungen präzisierende LV-InfoV 2018 auf solche PEPP anzuwenden, bei denen es sich um Lebensversicherungen handelt. Nach den Erwägungen der FMA soll dabei auf eine Duplizierung von Rechtspflichten verzichtet werden.

Ein mit der gegenständlichen Novelle neu eingefügter § 25a LV-InfoV 2018 drückt daher aus, welche Informationspflichten der LV-InfoV 2018 durch die Erfüllung originärer Informationspflichten für PEPP gem PEPP-VO und der DelVO (EU) 2021/473 erfüllt werden können. Werden die entsprechenden PEPP-Informationen ordnungsgemäß erteilt, ist eine darüber hinausgehende Information aufgrund der in § 25a LV-InfoV 2018 verwiesenen Informationspflichten der LV-InfoV 2018, die wiederum die Anforderungen der §§ 135c und 135d VAG 2016 konkretisieren, nicht mehr erforderlich.

Die LV-InfoV 2018 enthält jedoch derzeit bei den Annahmen für die Wertentwicklung in der Modellrechnung von den Anforderungen an PEPP abweichende Vorgaben. Daher ordnet § 25b LV-InfoV 2018 an, dass für Lebensversicherungen, bei denen es sich um PEPP handelt, die Annahmen für die Wertentwicklungsszenarien gem Art 4 Abs 3 DelVO (EU) 2021/473 anzuwenden sind. Dadurch soll dem Versicherungsnehmer ein Vergleich der Informationen erleichtert werden.

Darüber hinaus dient die gegenständliche Novelle auch abseits des PEPP der Anpassung der LV-InfoV 2018 an die DelVO (EU) 2021/2268 zur Änderung der in der DelVO (EU) 2017/653 festgelegten technischen Regulierungsstandards. Dies erfolgt durch eine ersatzlose Streichung des bisherigen § 13 Abs 3 LVInfoV 2018, der bisher die vorvertragliche Informationspflicht des § 135c Abs 1 Z 7 VAG 2016 dahin gehend präzisierte, dass die bisherige Wertentwicklung des Kapitalanlagefonds in der fondsgebundenen Lebensversicherung grafisch zumindest über einen Zeitraum von fünf Jahren darzustellen ist.

Für fonds- oder indexgebundene Versicherungsanlageprodukte sieht die DelVO (EU) 2021/2268 vor, dass das Basisinformationsblatt (KID) künftig einen Link zu der Webseite oder einen Verweis auf ein Dokument zu enthalten hat, wo die vom Hersteller des Versicherungsanlageprodukts (PRIIP-Hersteller) veröffentlichten Informationen über die frühere Wertentwicklung zur Verfügung gestellt werden (Art 1 Z 4 DelVO [EU] 2021/2268). Gem Art 14 Abs 2 lit a PRIIP-VO idF der VO (EU) 2021/2259 sollte das KID als Standardoption auf Papier zur Verfügung gestellt werden. Wird das KID auf einem anderen dauerhaften Datenträger als Papier oder über eine Website zur Verfügung gestellt, ist der Kleinanleger gem Art 14 Abs 3 PRIIP-VO über sein Recht zu informieren, eine kostenlose Aushändigung eines Papierexemplars zu verlangen.

Sowohl nach der LV-InfoV 2018 als auch nach der DelVO (EU) 2021/2268 soll damit über die bisherige Wertentwicklung infor-

zfr.lexisnexis.at 48 ZFR 1/2023 AKTUELLES ART.-NR.: 24
1 BGBl II 2022/471 vom 22. 12. 2022.

miert werden. Fonds- oder indexgebundene Lebensversicherungen iSd § 135c Abs 1 Z 6 VAG 2016 sind auch Versicherungsanlageprodukte iSd PRIIP-VO, für die ein KID zu erstellen ist, das dem Anleger zur Verfügung gestellt werden muss, bevor dieser durch einen Vertrag oder ein Angebot gebunden ist. Da eine vorvertragliche Information über die bisherige Wertentwicklung weder nach der Solvabilität II-RL idF RL (EU) 2019/2177 noch nach der RL (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb (Neufassung) idF der DelVO (EU) 2019/1935 vorgesehen ist und einem diesbezüglichen Informationsbedürfnis ohnehin mit dem PRIIPs-KID nachgekommen wird, konnte § 13 Abs 3 LV-InfoV 2018 zur Gänze entfallen. Die FMA betont in diesem Zusammenhang, dass damit das Niveau der Informationspflichten nicht herabgesetzt wird, sondern nur eine Anpassung an europarechtliche Vorgaben erfolgt. Aufgrund der Information über die bisherige Wertentwicklung im Rahmen des KID wurde die nationale Informationspflicht über die bisherige Wertentwicklung obsolet.

Die Neuregelegung der Informationspflichten in Bezug auf Lebensversicherungen, bei denen es sich um PEPP handelt, trat mit 1. 1. 2023 in Kraft, wohingegen die ersatzlose Streichung des § 13 Abs 3 LV-InfoV 2018 mit Ablauf des § 31. 12. 2022 außer Kraft gesetzt wurde (§ 26 Abs 6 LV-InfoV 2018).

Änderung der CRR-Begleitverordnung

»ZFR 2023/25

Geradezu routinemäßig hat die FMA im Dezember noch die jährliche Novelle zur CRR-Begleitverordnung (CRR-BV 2021) erlassen,1 mit der sie als zuständige Aufsichtsbehörde unionsrechtliche Behördenwahlrechte ausübt, für die § 21b BWG eine solche Ausübung durch Verordnung vorsieht.

Inhaltlich verlängert die Novelle die im Rahmen des § 2 CRR-BV 2021 vorgesehene Vorabgenehmigung für die Rückzahlung von gekündigten Genossenschaftsanteilen gem der bisherigen FMA-Verwaltungspraxis erneut um ein weiteres Jahr.2 Dies erfolgt durch eine Anpassung von § 2 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 Z 1 CRR-BV 2021, in denen die Rückzahlung von Geschäftsguthaben gekündigter Geschäftsanteile bei Kreditgenossenschaften gem Art 77 und Art 78 CRR für das gesamte Kalenderjahr 2023 vorab bewilligt wird.

Auch weitere punktuelle Maßnahmen sind mit der Novelle erfolgt:

Der Erlass der DelVO (EU) 2022/676 zur Ergänzung der CRR zur Festlegung der Bedingungen für eine Konsolidierung in den in

1 BGBl II 2022/482 vom 22. 12. 2022.

2 S zuletzt Wolfbauer, CRR-Begleitverordnung neu erlassen, ZFR 2022/23, 45 f.

Art 18 Abs 3–6 sowie Abs 8 CRR beschriebenen Fällen erforderte nach Einschätzung der FMA eine Überarbeitung der im 5. Abschnitt der CRR-BV 2021 (§§ 6–9 CRR-BV 2021) normierten Konsolidierungsbestimmungen. Durch diese Überarbeitung wurden Rechtsbereinigungen sowie Anpassungen an die geltende Rechtslage vorgenommen. Im Speziellen wurden jene Konsolidierungsvorgaben aufgenommen, bei welchen der Aufsichtsbehörde eine Entscheidungsmöglichkeit eingeräumt wurde.

Die FMA hat dies in Entsprechung des in der DelVO (EU) 2022/676 gewährten Rahmens umgesetzt. So legt § 6 Abs 1 CRR-BV 2021 weiterhin die Anwendung der Äquivalenzmethode für Anteile an Kreditinstituten, CRR-Kreditinstituten, CRR-Finanzinstituten oder Anbietern von Nebendienstleistungen fest und es wurde diese Bestimmung entsprechend an Art 4 Abs 1 DelVO (EU) 2022/676 angepasst.

§ 6 Abs 2 CRR-BV 2021 setzt die Vorgaben um, wonach in den in Art 4 Abs 4 DelVO (EU) 2022/676 genannten Fällen jedenfalls eine Quotenkonsolidierung vorzunehmen ist, während § 6 Abs 3 CRR-BV 2021 normiert, dass in den in Art 4 Abs 5 DelVO (EU) 2022/676 genannten Fällen jedenfalls eine Vollkonsolidierung vorzunehmen ist. Zu § 6 Abs 2 und 3 CRR-BV 2021 betont die FMA in den Erläuterungen zur Novelle, dass es sich dabei um keine abschließenden Aufzählungen handle, weshalb die Möglichkeit der zuständigen Behörde, eine Quoten- oder Vollkonsolidierung im Einzelfall vorzusehen, davon unbenommen bleibe.

Der vormalige § 7 CRR-BV 2021 entfällt nunmehr zur Gänze aus Gründen der Rechtsbereinigung, da die Anwendung der Äquivalenzmethode nunmehr explizit in Art 18 Abs 7 CRR geregelt wird und keiner weiteren Umsetzung mehr bedarf.

Der vormalige § 8 CRR-BV 2021 wurde dementsprechend als § 7 (neu) CRR-BV 2021 erlassen. § 7 Abs 2 CRR-BV 2021 (neu) legt fest, dass in den in Art 7 Abs 2 DelVO (EU) 2022/676 genannten Fällen jedenfalls eine Vollkonsolidierung vorzunehmen ist. § 7 Abs 3 CRR-BV 2021 (neu) wiederum normiert, dass in den in Art 7 Abs 3 DelVO (EU) 2022/676 genannten Fällen jedenfalls eine Quotenkonsolidierung vorzunehmen ist. Letztlich legt § 8 CRR-BV 2021 (neu) fest, dass in den in Art 5 Abs 3 DelVO (EU) 2022/676 genannten Fällen jedenfalls eine Vollkonsolidierung vorzunehmen ist. Auch in all diesen Konstellationen weist die FMA in den Erläuterungen zur CRR-BV 2021 auf den nicht abschließenden Charakter der Regeln zur Quoten- und Vollkonsolidierung hin.

Darüber hinaus nimmt die gegenständliche Novelle einige formal-legistische Verweisaktualisierungen vor, indem die FMA bspw die DelVO (EU) 2022/676 dem Katalog der verwiesenen Rechtsakte des § 10 CRR-BV 2021 hinzufügt.

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zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 49 AKTUELLES ART.-NR.: 25
Rainer Wolfbauer

Änderung der Versicherungsunternehmen Meldeverordnung 2020

»ZFR 2023/26

Auf der Grundlage des § 248 Abs 8 VAG 2016 kann die FMA alle für die laufende Überwachung der Geschäftsgebarung der Versicherungsunternehmen gem § 268 VAG 2016, für die Gruppenaufsicht und für die Führung von Versicherungsstatistiken gem § 256 VAG 2016 erforderlichen Informationen verlangen. Aufgrund von § 248 Abs 8 VAG 2016 hat die FMA zugleich mit VO nähere Vorschriften über den Inhalt und die Gliederung dieser Informationen zu erlassen, wobei sie festsetzen kann, dass ihr bestimmte Informationen in kürzeren Abständen als jährlich zu melden sind. Die gegenständlich novellierte1 Versicherungsunternehmen Meldeverordnung 2020 (VU-MV 2020) beruht auf dieser Verordnungsermächtigung.

Die Novelle der VU-MV 2020 verfolgt neben redaktionellen Anpassungen das Ziel, durch zusätzliche Meldepositionen betreffend Angaben zu Immobilien, Informationen zur Inflationsanpassung, Plandaten der VU, Sensitivitätsinformationen sowie sonstige Informationen, welche derzeit in verschiedenen narrativen Berichten enthalten sind oder ad hoc abgefragt werden, in das reguläre Meldewesen zu überführen. Die Aufnahme zusätzlicher Meldepositionen zu Sensitivitäten sei nach den Erläuterungen der FMA zur vorliegenden Novelle darüber hinaus erforderlich, da die bisherige Verwaltungspraxis gezeigt habe, dass die bisher bestehenden Meldepositionen aus aufsichtlicher Sicht allein nicht ausreichend seien.

Die Aufnahme von jährlich an die FMA vorzulegenden ausgewählten Informationen zu Sensitivitäten regelt nunmehr § 1 Z 8 VU-MV 2020 verbindlich. Nähere Ausführungen zum Inhalt dieser Informationen finden sich in den Erläuterungen zum 5. Abschnitt der Anlage 1 . Die in diesem neuen Abschnitt enthaltenen Daten sollen es der FMA ermöglichen, möglichst zeitnah eigenständige Solvenz-Einschätzungen zu erstellen, ohne Ressourcen

im Risikomanagement der Unternehmen durch Ad-hoc-Abfragen zu binden. Zusätzlich will die FMA mit diesen Daten große Teile von Stresstests abdecken. Wenngleich Jahresmeldungen gem § 3 Abs 1 VU-MV 2020 grds bis spätestens fünf Monate nach Ende des Geschäftsjahres der FMA vorzulegen sind, legt § 3 Abs 1a VU-MV 2020 für Datenmeldungen in Bezug auf die Sensitivitäten einen späteren Stichtag, nämlich sieben Monate nach Ende des Geschäftsjahres, fest. Die Daten in Bezug auf die Sensitivitäten sind somit bis 31. 7. des Folgejahres der FMA vorzulegen.

Um künftig die Prognosewerte in Bezug auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und in Bezug auf die verrechneten Prämien erfassen zu können, hat die FMA § 2 Z 3 VU-MV 2020 um die Posten des Jahresabschlusses ergänzt. Diese Plandaten sind zufolge der Erwartungshaltung der FMA im Rahmen einer ordentlichen Unternehmenssteuerung in jedem Unternehmen ohnehin vorhanden. Durch die Aufnahme in das regelmäßige Meldewesen werde die FMA in Zukunft möglichst früh über künftige Entwicklungen informiert.

Umfangreiche Meldepositionen in Anlage 1 und 2 zu Grundstücken und Bauten sowie bestimmten Beteiligungen und Anteilen an verbundenen Unternehmen sollen der FMA eine systematische und digitalisierte Analyse des Exposures in Bezug auf Immobilien und Beteiligungen ermöglichen, während zusätzliche Meldepositionen betreffend die Inflationsanpassung der Versicherungsprämie dazu dienen sollen, eine Einschätzung über die Prämien-Adäquanz einzelner Marktteilnehmer, einzelner Zweige bzw des Gesamtmarktes zu treffen sowie makroökonomische Analysen durchzuführen.

Darüber hinaus berücksichtigt die Novelle geänderte Anforderungen aufgrund der Leistungs- und Strukturstatistik-Verordnung 2022 der Statistik Austria2 betreffend die Erhebung statistischer Daten durch die FMA sowie die überarbeiteten Leitlinien zur Rechtsträgerkennung der EIOPA.3

zfr.lexisnexis.at 50 ZFR 1/2023 AKTUELLES ART.-NR.: 26
1 BGBl II 2022/483. Rainer Wolfbauer 2 BGBl II 2022/305.
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3 EIOPA-BoS-2021/456.

REZENSION

Berufshaftpflichtversicherung. Zur Haftungsvorsorge rechts- und wirtschaftsberatender Berufe. Von Hermann Wilhelmer. Verlag Springer, Berlin 2022. 1.600 Seiten, geb, 269 €.

»ZFR 2023/27

Ein Werk, das 1.544 Seiten (plus Literaturverzeichnis) umfasst, auf einer Seite zu rezensieren, ist eine unlösbare Aufgabe. Der Rezensent war dennoch bereit, sie zu übernehmen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die Leistung Wilhelmers gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, was auch durch diese Buchbesprechung dokumentiert werden soll. Damit wurde freilich zugleich die Gesamtwürdigung dieses hervorragenden Werks vor die Klammer gezogen, das sich in Fachkreisen zweifellos seinen verdienten Platz sichern wird.

Der „Fachkreis“ ist dabei viel weiter, als der Titel des Buches isoliert vermuten lassen würde. Wilhelmer legt nämlich nicht nur eine umfassende Abhandlung des Rechts der Haftpflichtversicherung für beratende Berufe vor, was schon für sich genommen anspruchsvoll genug wäre. Vielmehr geht der Autor in seinem Werk auch auf zahlreiche grundlegende haftpflichtversicherungsrechtliche Fragen ein. So beschäftigt er sich mit der – über die Berufshaftpflichtversicherung hinaus bedeutenden – Verjährungsfrage (Rz 2655 ff ), der – immer wichtiger werdenden – Frage der Versicherbarkeit von Strafen und Geldbußen (Rz 1301 ff ) sowie den in der Praxis üblichen Serienschadenklauseln (Rz 2046 ff ), die er sehr ausführlich untersucht. Außerdem geht er grundlegend auf die Abwehrdeckung von Haftpflichtansprüchen und dort etwa auf die Kostenaliquotierung ein (Rz 3101 ff ), die va bei unberechtigten Ansprüchen (vermeintlich) Drittgeschädigter ein Streitpunkt ist. Auch die Kosteneinrechnung wird behandelt (Rz 3151 ff ), die bei langwierigen Verfahren zur Gefahr des (ungerechtfertigten?) Aufbrauchens der Versicherungssumme führt. In beiden Fällen erörtert Wilhelmer den Meinungsstand und nimmt aber selbst jeweils auch eine umfassende AVB-Kontrolle vor.

Diese Aufzählung an Themen, die in einem Werk zur Berufshaftpflichtversicherung einen berechtigten Platz haben, aber über sie weit hinausreichen, ist natürlich nicht abschließend. Die Auswahl zeigt jedoch, dass Wilhelmer in seiner Untersuchung nicht davor zurückschreckt, dogmatisch sehr anspruchsvolle Themen aufzugreifen, die er stets mit scharfem Blick behandelt. Dass er die Untersuchung dennoch immer an der Praxis orientiert – und auch zahlreiche Praxistipps gibt –, wird die Leserschaft freuen. Das Werk profitiert (auch) in diesem Punkt mit Sicherheit von der beruflichen Herkunft seines Autors.

Erfreulich ist auch, dass sich Wilhelmer mit angrenzenden Versicherungssparten (Rz 58 ff ) befasst und Abgrenzungen zur „herkömmlichen“ Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung, D&O-

Versicherung, Vertrauensschadenversicherung, Cyber-Versicherung und Rechtsschutzversicherung vornimmt. Damit leistet er sicherlich einen Beitrag zur besseren Abstimmung dieser Produkte aufeinander.

Da man es beim vorliegenden Thema regelmäßig mit verpflichtend abzuschließenden Haftpflichtversicherungen zu tun hat, findet sich auch eine allgemeine Abhandlung zum Pflichtversicherungsrecht, die Wilhelmer vor die Klammer zieht (Rz 497 ff ). Das ist insofern lohnend, als es in Ö – abgesehen von den grundlegenden Beiträgen Rubins – nur wenige systematische Abhandlungen zu den §§ 158b ff VersVG gibt. Auch an dieser Stelle berücksichtigt Wilhelmer stets die deutsche Rechtslage (§§ 113 ff VVG).

Dass man sich bei einem so umfangreichen Werk problemlos zurechtfindet, liegt va an der überzeugenden Gliederung. Nach den erwähnten Kapiteln zu den Grundlagen und der Pflichthaftpflichtversicherung geht Wilhelmer zunächst auf die versicherte Tätigkeit ein (Rz 919 ff ), wo er sich mit den Berufsbildern der beratenden Berufe beschäftigt. Anschließend (Rz 1243 ff ) untersucht der Autor die versicherten Ansprüche (gesetzliche Haftpflichtansprüche Dritter privatrechtlichen Inhalts), bevor er über die versicherten Schäden (Vermögensschäden, Rz 1498 ff ) und Personen (Versicherungsnehmer und Mitversicherte, Rz 1626 ff ) den Bogen zum Versicherungsfall spannt (Rz 1926 ff ). Dort muss er sich mit dem bei Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen üblichen Verstoßprinzip auseinandersetzen. Der zeitliche (insb Vorund Nachdeckung, Rz 2281 ff ) sowie der örtliche (Rz 2423 ff ) Geltungsbereich bilden die Brücke zum Kapitel über die Leistungspflicht des Versicherers (Rz 2626 ff ), das prominenten Raum einnimmt. Wilhelmer befasst sich dort va mit Abwehr und Befreiung sowie mit Fragen der Versicherungssumme. Den Abschluss bilden Kapitel zu den viel diskutierten Risikoausschlüssen und Risikowiedereinschlüssen (Rz 3254 ff ), den Pflichten (Obliegenheiten) des Versicherungsnehmers (Rz 3655 ff ) sowie seinem Verhalten im Versicherungsfall (Rz 3927 ff ). Abgerundet wird das Werk durch eine prägnante und problemorientierte Zusammenfassung (Rz 4029 ff ). Damit leitet Wilhelmer seine Leserschaft im Ergebnis so mühelos durch die mit Berufshaftpflichtversicherungen verbundenen Problemstellungen, dass man am Ende kaum bemerkt, dass es 1.544 Seiten waren.

Die RdW Österreichisches Recht der Wirtscha

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zfr.lexisnexis.at ZFR 1/2023 51 ART.-NR.: 27

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Univ.-Prof. Dr. Olaf Riss, LL.M.

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Mag. Rainer Wolfbauer

Redaktionsassistenz:

Anita Gassner, LL.M. (WU) BSc (WU)

Wissenschaftlicher Beirat:

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RA Dr. Markus Heidinger, LL.M.

Dr. Stephan Korinek

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MMag. Dr. Martin Ramharter

Ass.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Saria

Univ.-Prof. Dr. Alexander Schopper

MMag. Melitta Schütz

Prof. Dr. Rüdiger Veil

Dr. Maria Wittmann-Tiwald

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