LexisNexis ZIK - Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz

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1/2023

S. 1–42, ART.-NR. 1–46

Februar 2023

Herausgeber:innen: Birgit Blatt, Karl-Heinz Götze, Andreas Konecny, Franz Mohr, Stephan Riel, Martin Trenker

Schri leitung: Andreas Konecny, Martin Trenker

BEITRÄGE

» Bettina Nunner-Krautgasser: Insolvenzrechtliche Qualifikation von Kosten einer während des Insolvenzverfahrens vollzogenen Räumungsexekution

» Vanessa Eriksson: Harmonisierung des Insolvenzrechts: Der Vorschlag einer EU-Richtlinie im Überblick

» Felix Loewit/Miriam Simsa: Sorgfaltspflichten der Geschä sleitung in der Krise oder Insolvenz eines Vertragspartners

» Philipp Anzenberger: Zum Stimmrecht des Kurators gemäß § 95a IO im Insolvenzverfahren

» Karl-Heinz Götze: Insolvenzstatistik 2022 für Österreich

JUDIKATUR

» Forderungsfeststellung, Forderungsübergang und Rekurs der Schuldnerin

zik.lexisnexis.at
Österreichische Post AG, PZ 06Z036709 P, LexisNexis, Trabrennstraße 2A, 1020 Wien, ISSN 1024-6096

Weil Vorsprung entscheidet.

Exekutionsordnung

Band IV

§§ 370 - 503 EO

Dieser hochkarä g besetzte Band kommen�ert die Exeku�on zur Sicherstellung, Einstweilige Verfügungen sowie das interna�onale Exeku�onsrecht.

Völlig neu kommen ert sind die im Rahmen der Gesamtreform zur Exeku�onsordnung (GREx) neu geschaffenen Bes mmungen zur Anfechtung sowie zur Vollzugsgebühr

Die Herausgeberin:

Univ.-Prof.in Dr.in Astrid Deixler-Hübner

Die Autor:innen:

Ass.-Prof. Dr. Ulrike Frauenberger-Pfeiler

LStA Dr. Robert Fucik

Hon.-Prof. HR Dr. Johhann Höllwerth

Hon.-Prof. HR Dr. Jo

Sen.-Präs. des OGH Univ.-Prof. Dr. Georg E. Kodek

Sen.-Präs. des OGH

Dr. Harald Mini

Dr. Mini

Sen.-Präs. des OGH Dr. Hansjörg Sailer

Dr. Stefan Schwab

Mag. Marie-Luise Zirngast

2., neu bearbeitete Au

Sen.-Präs. des OGH Schwab Zi age

Abopreis: EUR 164,-*

Abopreis:

Einzelpreis: EUR 129,-

ISBN 978-3-7007-8341-1

Best.Nr.: 32140002

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Zu Beginn des Jahrgangs 2023 der ZIK gibt es Änderungen im Herausgeberteam und bei der Schriftleitung, über die wir Sie informieren wollen.

Dr. Hans-Georg Kantner verlässt das Herausgeberteam. Er ist im Vorjahr in den Ruhestand getreten und beendete daher seine Tätigkeit für die ZIK. Er war seit Jahrzehnten ua als Leiter des Bereichs Insolvenz des KSV1870 und als Mitglied der Insolvenzrechtsreformkommission des BMJ engagiert im Interesse der Gläubiger:innen aktiv. Viele Jahre leistete Hans-Georg Kantner zuerst als Beirat und ab 2018 als Herausgeber wesentliche Beiträge für die ZIK, verfasste etwa mehrmals die „Insolvenzstatistik für Österreich“, die in der ersten Ausgabe jedes Jahrgangs über die Entwicklungen in der Insolvenzpraxis informiert. Das ZIK-Team dankt Hans-Georg Kantner herzlich für sein Wirken für unsere Zeitschrift. Wir wünschen ihm für den neuen Lebensabschnitt Gesundheit und viel Freude.

Es gibt zwei weitere Änderungen im Herausgeberteam der ZIK. MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, und Univ.-Prof. Dr. Martin Trenker sind neue Mitglieder

Karl-Heinz Götze nimmt als Leiter des Bereichs Insolvenz beim KSV1870 und ua in Gesetzgebungsprozessen die Interessen von Gläubiger:innen in Sachen Insolvenzrecht und Kreditschutz wahr. Aufgrund seiner Tätigkeit ist er mit allen Entwicklungen in der Praxis vertraut. Die Mitwirkung von Karl-Heinz Götze im Her-

ausgeberteam der ZIK ist auch ein Zeichen der seit der Gründung der Zeitschrift bestehenden Kooperation des Verlags LexisNexis mit dem KSV1870.

Martin Trenker wechselt anlässlich seiner künftigen Mitwirkung bei der Schriftleitung der ZIK vom Beirat in das Herausgeberteam. Er ist an der Universität Innsbruck als Professor tätig und durch zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge ua in den Bereichen Insolvenz- und Restrukturierungsrecht sowie Kreditschutz bestens ausgewiesen.

Eine weitere personelle Neuerung betrifft – wie bereits angesprochen – die Schriftleitung der ZIK. Bislang wurde sie operativ allein von Andreas Konecny und seinen Mitarbeiter:innen betreut. Er ist seit dem Vorjahr im Ruhestand, und die damit verbundenen Änderungen im beruflichen Umfeld legen es nahe, die Betreuung der ZIK personell zu verbreitern. Die Schriftleitung wird daher künftig von Martin Trenker und Andreas Konecny gemeinsam ausgeübt. Beide sind Ansprechpartner für Beitragsangebote und alle anderen die ZIK betreffenden Anliegen.

Weiterhin stehen Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser, in Belangen der ZIK natürlich auch das Verlagslektorat und die Herausgeberin bzw die Herausgeber zur Verfügung.

ZIK 1/2023 1 ART.-NR.: 1 zik.lexisnexis.at
EDITORIAL
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!
»ZIK 2023/1

ZIK 1/2023

29. Jahrgang, Februar 2023

2 zik.lexisnexis.at EDITORIAL 1 ZIK AKTUELL 4 BEITRÄGE Bettina Nunner-Krautgasser: Insolvenzrechtliche Qualifikation von Kosten einer während des Insolvenzverfahrens vollzogenen Räumungsexekution 5 Vanessa Eriksson: Harmonisierung des Insolvenzrechts: Der Vorschlag einer EU-Richtlinie im Überblick 9 Felix Loewit/Miriam Simsa: Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung in der Krise oder Insolvenz eines Vertragspartners 14 Philipp Anzenberger: Zum Stimmrecht des Kurators gemäß § 95a IO im Insolvenzverfahren 20 Karl-Heinz Götze: Insolvenzstatistik 2022 für Österreich 25 FACHLITERATUR 29 JUDIKATUR Prozessunterbrechung durch ein Schweizerisches Konkursverfahren 33 Die Kosten einer Räumungsexekution während des Insolvenzverfahrens begründen eine Masseforderung 33 Kostenvorschuss, Rückgriff und Rekursbeschränkungen 34 Zur Entlohnung des einstweiligen Verwalters I 35 Zur Entlohnung des einstweiligen Verwalters II 36 Entlohnung des Insolvenzverwalters: Erhöhung/Barauslagen 36 Forderungsfeststellung, Forderungsübergang und Rekurs der Schuldnerin 37 Der „Zuschlag“ bei einer „Kanzleiversteigerung“ löst keine Grunderwerbsteuerpflicht aus 38 Keine Delegierung eines Insolvenzverfahrens nach Bestätigung eines Zahlungsplans 39 Generell kein Revisionsrekurs bei Vollbestätigung 39 Zur Insolvenznähe des Prozesses auf Rückübertragung von Massevermögen 40 Bleibeprämie und Insolvenz-Entgelt 41 Wirksamkeit von im Ausland begründetem Sicherungseigentum bei Grenzübergang 42 Keine Exekutionsaufschiebung wegen bloß behaupteter Insolvenzgefahr 42 INHALTSVERZEICHNIS

Herausgeber:

Priv.-Doz. Dr. Birgit Blatt

MMag. Karl-Heinz Götze, MBA

Univ.-Prof. i. R. Dr. Andreas Konecny

Hon.-Prof. Dr. Franz Mohr

RA Dr. Stephan Riel

Univ.-Prof. MMag. Dr. Martin Trenker

Schriftleitung:

Univ.-Prof. i. R. Dr. Andreas Konecny

Univ.-Prof. MMag. Dr. Martin Trenker

Beirat:

RDir. Alexander Bornemann

Univ.-Prof. Dr. Andreas Geroldinger

RA Dr. Alexander Isola

Impressum: Offenlegung gemäß § 25 MedienG:

RA Dr. Clemens Jaufer

Univ.-Prof. Dr. Sabine Kanduth-Kristen

RA Dr. Michael Lentsch

Präs. des OGH Hon.-Prof. Dr. Elisabeth Lovrek

RA Dr. Herbert Matzunski

Mag. (FH) Clemens Mitterlehner

Univ.-Prof. Dr. Bettina Nunner-Krautgasser

RiLGZ Graz Mag. Kathrin Poltsch

RiHG Wien Mag. Christa Puschmann

Hon.-Prof. RA Dr. Axel Reckenzaun, MBL

RA Dr. Ulla Reisch

RiLG Innsbruck Dr. Hannes Seiser

RiLG Linz Dr. Eugenie Übertsroider

RA Dr. Romana Weber-Wilfert

RA Dr. Katharina Widhalm-Budak

RA Dr. Thomas Zeitler

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ZIK 1/2023 3 zik.lexisnexis.at IMPRESSUM

ZIK AKTUELL

»ZIK 2023/2

COVID-19-Gesetzgebung und sonstige Rechtsänderungen

1. Das BGBl I 2022/224 enthält Änderungen ua des 1. und 2. COVID-19-JuBG. Für Insolvenzverfahren bedeutsam ist die erneute Verlängerung des Geltungsbereichs von § 3 Abs 1 und 4 des 1. COVID-19-JuBG bis 30. 6. 2023. Damit sind weiter digitale Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen durch die Insolvenzgerichte möglich. Unverändert ist in Insolvenzverfahren dafür keine Zustimmung der Parteien erforderlich.

2. Mit BGBl I 2022/237 wurden das WertpapierfirmenG (WPFG) erlassen und mehrere andere Gesetze geändert. Damit werden insb die RL (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen umgesetzt und flankierende Regelungen zur VO (EU) 2019/2033 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen geschaffen (s näher ErläutRV 1757 BlgNR 27. GP 1 ff ). Insolvenzrechtliche Bezüge weisen die §§ 8 und 9 WPFG bzw § 74 Abs 8 WAG 2018 auf.

»ZIK 2023/3

Reformvorhaben

Das BMJ legte den Entwurf für ein Gesellschaftsrechtliches MobilitätsG vor (s auf der BMJ-Homepage unter „Ministerium –Gesetzes- und Verordnungsentwürfe – Entwürfe 2023“). Damit soll die RL (EU) 2019/2121 betreffend grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen umgesetzt werden (s näher Erläuterungen 1). Das dazu insb dienende neue BG über grenzüberschreitende Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union (EU-UmgrG) soll aber unanwendbar sein, wenn über das Vermögen der Gesellschaft rechtskräftig ein Konkursverfahren eröffnet wurde (§ 3 Z 4 EU-UmgrG).

»ZIK 2023/4

Entwicklungen beim Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur Harmonisierung im Insolvenzrecht

Die Europäische Kommission legte am 7. 12. 2022 Vorschläge für eine RL zur teilweisen Harmonisierung des Insolvenzrechts für Unternehmensinsolvenzen vor (COM(2022) 702 final; s dazu ZIK 2022/229, 205 und in diesem Heft Eriksson, Harmonisierung des Insolvenzrechts: der Vorschlag einer EU-Richtlinie im Über-

blick, ZIK 2023/7, 9). Die im Entwurf enthaltenen Regelungen hätten, würden sie wie vorgeschlagen umgesetzt, teilweise weitreichende Auswirkungen auf die österr Insolvenzpraxis. Das betrifft insb die Art 41 ff des RL-Entwurfs zu einem vereinfachten Liquidierungsverfahren für Kleinstunternehmen. In diesem soll ua der Schuldner grundsätzlich die Eigenverwaltung haben, es keine zwingende Anfechtung – dafür eine umfangreiche Entschuldung (auch für Mithaftende) – geben. Das Verfahren soll für Schuldner gelten, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw Jahresbilanz 2 Mio € nicht überschreitet (Art 2 lit f RL-Entwurf). Das erfasst einen großen Teil der österr Insolvenzverfahren vor den LG.

Die Arbeiten an der Fertigstellung der RL haben unverzüglich begonnen. Im BMJ fand am 26. 1. 2023 eine Sitzung der Insolvenzrechtsreformkommission statt, in der die mit Insolvenzverfahren beschäftigten Berufsgruppen ihre – oft kritische – Sicht darlegten. Bereits am 18. 1. 2023 traf sich die Ratsarbeitsgruppe zur ersten Sitzung, bei der einige Kritik geäußert wurde (s Eriksson, ZIK 2023/7, 9 [9, 14].

»ZIK 2023/5

Praktische Entwicklungen bei den Neuerungen im Insolvenzrecht

des Jahres 2021

2021 brachten RIRUG und GREx diverse Neuerungen im Insolvenzrecht: ua Ruhen bzw Sperre von Exekutionsverfahren bei offenkundiger Zahlungsunfähigkeit der Verpflichteten samt angestrebter Schuldenregelung im Insolvenzverfahren, Gesamtvollstreckungen oder Abschöpfungsverfahren mit Tilgungsplan. Die Regelungen haben sich in der Praxis unterschiedlich bewährt (s ZIK 2021/135, 125 und ZIK 2022/89, 81).

Die ASB Schuldenberatungen GmbH arbeitet an einer Auswertung der Entwicklungen in den beiden ersten Jahren der reformierten Rechtslage. Darüber soll – auch in einer Ausgabe der ZIK – informiert werden. Bereits erstellt ist der „Insolvenzdatenreport 2022“ mit den Zahlen zum Vorjahr. Sie bestätigen erste Erkenntnisse: Die offenkundige Zahlungsunfähigkeit wurde 2.325-mal und damit eher selten bekannt gemacht. Nur in rund 4 % der 8.176 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren war vorher die offenkundige Zahlungsunfähigkeit festgestellt worden. Gesamtvollstreckungen waren mit 245 Fällen ein Minderheitenprogramm. Bei den Abschöpfungsverfahren kommt fast nur die Variante Tilgungsplan vor, sie machte im Vorjahr 98 % der Fälle aus.

Die Beispiele zeigen, dass die – viele weitere Entwicklungen umfassende – Untersuchung der ASB Schuldenberatungen GmbH zahlreiche wichtige Erkenntnisse bringen wird.

4 ZIK 1/2023 ART.-NR.: 2 zik.lexisnexis.at
zusammengestellt
von Univ.-Prof. i. R. Dr. Andreas Konecny

BEITRÄGE

Insolvenzrechtliche Qualifi kation von Kosten einer während des Insolvenzverfahrens vollzogenen

Räumungsexekution

Anmerkungen zu OGH 17 Ob 8/22h1

»ZIK 2023/6

Der OGH vertritt in stRsp die Rechtsansicht, dass der prozessuale Kostenersatzanspruch bedingt durch den Prozesserfolg mit Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen entsteht. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufene Prozesskosten werden daher als Insolvenzforderungen, danach auflaufende Prozesskosten hingegen als Masseforderungen eingeordnet. In der rezenten E 17 Ob 8/22h erstreckt der OGH dieses für Prozesskosten entwickelte Qualifikationskriterium nunmehr auch auf Exekutionskosten und ordnet die Kosten einer während des Insolvenzverfahrens vollzogenen Räumungsexekution als Masseforderungen ein. Im folgenden Beitrag wird untersucht, inwieweit diese Einordnung der Systematik der insolvenzrechtlichen Forderungsqualifikation gerecht wird.

1. Problemstellung

Zur insolvenzrechtlichen Qualifikation von Kosten der Rechtsdurchsetzung existiert seit Langem eine – an der älteren Lehre2 orientierte – Judikaturlinie des OGH: Im Zuge einer Rechtsverfolgung entstehende Prozesskosten und Exekutionskosten sind demnach Nebengebühren des geltend gemachten Rechts.3 Sofern solche Kosten hingegen den Aufwand einer Rechtsverteidigung darstellen, bilden sie eine selbstständige Forderung.

In beiden Fällen werden bis zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgelaufene Prozesskosten von der überwiegenden Judikatur als Insolvenzforderungen eingeordnet, zumal sie nicht

1 OGH 12. 7. 2022, 17 Ob 8/22h; in diesem Heft der ZIK 2023/34, 33. Die Verfasserin hat im zur Entscheidung führenden Verfahren ein Gutachten erstattet.

2 Rintelen, Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechtes (1915) 189; Bartsch in Bartsch/Pollak, Konkursordnung I3 (1937) § 54 Anm 1; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht (1973) 95 ff

3 RIS-Justiz RS0064270.

erst mit dem Kostenzuspruch durch das Gericht,4 sondern „bedingt durch den Prozesserfolg“5 bereits mit der Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen entstehen; dies gilt nach der überwiegenden Judikatur auch dann, wenn der Prozess gem § 8 Abs 3 IO gegen den Insolvenzschuldner fortgesetzt wird.6 Der Begriff der Bedingung wird dabei allerdings überaus weit verstanden: Denn offensichtlich erblickt (auch) der OGH im Kostenersatzanspruch nicht eine bedingte Forderung iSd § 16 IO, sondern eine betagte Forderung iSd § 14 Abs 2 IO.7 Der Kostenersatzanspruch kann nach dieser Judikatur insoweit als Insolvenzforderung geltend gemacht werden, als Prozesskosten bereits durch die Vornahme der Prozesshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.8

Prozesskosten, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auflaufen, werden hingegen den Masseforderungen zugezählt:9 Soweit Prozesskosten im Rahmen eines gegen die Insolvenzmasse geführten Prozesses erwachsen, werden sie als Masseforderungen nach § 46 Z 2 IO (dem entsprach § 46 Abs 1 Z 1 KO aF) eingeordnet; der Kostenersatzanspruch des siegreichen Gegners wird hingegen als Masseforderung nach § 46 Z 5 IO (dem entsprach § 46 Abs 1 Z 2 KO aF) qualifiziert.10

Fraglich ist allerdings, ob dieses überkommene Abgrenzungskriterium ohne Weiteres auch auf die insolvenzrechtliche Qualifikation von Exekutionskosten angewandt werden kann. Der OGH hat dies nunmehr in der im Folgenden zu analysierenden E 17 Ob 8/22h bejaht.

4 So allerdings ein Teil der Judikatur: RIS-Justiz RS0035914.

5 Ein Abstellen auf den Prozesserfolg versagt freilich bei denjenigen kostenrechtlichen Bestimmungen, welche für den Ersatzanspruch gerade nicht an den Prozesserfolg anknüpfen (§§ 44, 45 und 48 ZPO), vgl M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozess (1991) 85 f; Nunner, Die Freigabe von Konkursvermögen (1998) 183.

6 Grundlegend OGH Prä 536/32 JB 48 neu = SZ 16/16 = AnwZ 1934, 232; ebenso OGH 1 Ob 710/87 SZ 61/31; RIS-Justiz RS0051738.

7 So M. Bydlinski, Kostenersatz 88; Nunner, Freigabe 183.

8 RIS-Justiz RS0064270.

9 OGH 8 ObA 320/94 ZIK 1995, 156.

10 RIS-Justiz RS0064832; Nunner, Freigabe 185.

ZIK 1/2023 5 ART.-NR.: 6 zik.lexisnexis.at
Univ.-Prof. Dr. Bettina Nunner-Krautgasser • Graz

2. OGH 17 Ob 8/22h

Im konkreten Fall hatte der Bestandgeber den Bestandvertrag hinsichtlich einer Liegenschaft bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Bestandnehmerin aufgekündigt. Die Aufkündigung wurde mit Urteil als wirksam erkannt; dementsprechend wurde die Schuldnerin verurteilt, das Bestandobjekt binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben.

Wenig später wurde über das Vermögen der Schuldnerin ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet.

Nachdem das Urteil, mit dem die Aufkündigung als wirksam erkannt wurde, unbekämpft in Rechtskraft erwachsen war, beantragte sodann der (vormalige) Bestandgeber als betreibender Gläubiger die zwangsweise Räumung des Bestandobjekts; diese wurde mit Beschluss bewilligt und vollzogen. Mit weiterem Beschluss wurden die dem (vormaligen) Bestandgeber entstandenen Exekutionskosten betragsmäßig bestimmt und die Verpflichtung zum Kostenersatz ausgesprochen. Ein dagegen wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs erhobener Rekurs wurde mit der Begründung verworfen, dass die durch den Vollzug der Räumungsexekution entstandenen Kosten Masseforderungen seien.

In der Folge wurde das Sanierungsverfahren abgebrochen, die Bezeichnung auf Konkursverfahren geändert, der Schuldnerin die Eigenverwaltung entzogen und der bisherige Sanierungsverwalter zum Masseverwalter bestellt. Dieser begehrte sodann die Feststellung, dass die Forderungen des (vormaligen) Bestandgebers aus der vollzogenen Räumung der Liegenschaft Insolvenzforderungen seien.

Der beklagte (vormalige) Bestandgeber erhob – im Hinblick auf die im Kostenbestimmungsverfahren über die Räumungskosten ergangene Entscheidung – die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Rechtssache und beantragte weiters die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht verwarf – rechtskräftig – die Einrede der entschiedenen Rechtssache und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision zu, weil zu der Frage, ob eine vormalige Bestandnehmerin einer Liegenschaft die mit der zwangsweisen Räumung dieser Liegenschaft gem § 349 EO verbundenen Exekutionskosten als Masseforderungen (nicht als Insolvenzforderungen) zu tilgen habe, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Der OGH erachtete die Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage für nicht zulässig.

Im Rahmen seiner – entsprechend § 510 Abs 3 letzter S ZPO knapp gefassten – Ausführung der Zurückweisungsgründe setzte der 17. Senat zunächst an der grundlegenden Definition der Insolvenzforderung an: Demnach sind Insolvenzforderungen vermögensrechtliche, wenn auch bedingte oder betagte Ansprüche, die einem persönlichen Gläubiger gegen den Schuldner zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zustehen.11 Definitionsgemäß 11 RIS-Justiz RS0063809.

müssen zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits sämtliche Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Forderung vorhanden sein, mag sie auch noch nicht fällig oder vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein. Die Bedingung muss dabei aber nicht unbedingt auf einer rechtsgeschäftlichen Bestimmung beruhen, sondern sie kann sich auch aus dem Gesetz ergeben; ihr Eintritt darf nur nicht vom Zutun des Schuldners abhängen.12

Ausgehend von dieser Definition der Insolvenzforderung verneint der OGH in concreto allerdings eine Qualifikation des (Exekutions-)Kostenersatzanspruchs des (vormaligen) Bestandgebers als Insolvenzforderung: Zwar sei in der E OGH 8 Ob 235/99p13 vertreten worden, dass sich das bedingte Bestehen des Kostenersatzanspruchs des zur Räumung Berechtigten für die Rückgewinnung der Sache schon vor Insolvenzeröffnung – auch dann, wenn die Räumungskosten erst nach diesem Zeitpunkt angefallen seien – aus dem bereits zuvor infolge Vertragsauflösung zustande gekommenen materiellen Rückstellungsanspruch ergebe. Diese Rechtsansicht sei aber vereinzelt geblieben.

Vielmehr verweist der 17. Senat auf die neuere Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Qualifikation von Prozesskosten, wonach der prozessuale Kostenersatzanspruch bedingt durch den Prozesserfolg bereits mit Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen entsteht.14 Darauf aufbauend gelangt er zur Ansicht, dass sowohl Prozesskosten als auch Exekutionskosten (die als Aufwand einer Rechtsverteidigung eine selbstständige Forderung bilden) nur dann Insolvenzforderungen darstellen können, wenn diese Kosten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auflaufen.15 Verfahrenskosten ab Insolvenzeröffnung seien hingegen Masseforderungen.

Zur Untermauerung wird hinsichtlich der Exekutionskosten insoweit auch auf die E OGH 3 Ob 138/03w16 sowie 3 Ob 35/06b17 verwiesen.18 Zu ergänzen ist allerdings, dass die Parallelen hier durchaus begrenzt sind: Denn die E OGH 3 Ob 138/03w betraf –anders als in der vorliegenden Fallkonstellation – die insolvenzrechtliche Qualifikation von Kosten einer bereits im Prozess gegen die (durch den Masseverwalter vertretene) Masse obsiegenden Partei. Auch in der E OGH 3 Ob 35/06b wurde die Qualifikation von Kosten des bereits gegen den Masseverwalter Obsiegenden (hier iZm der Höhe der Sicherheitsleistung bei einer Fahrnisexekution) thematisiert.

Im Ergebnis erachtet der 17. Senat daher die Beurteilung der Vorinstanzen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Kosten des Exekutionsverfahrens seien Masseforderungen, als in der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung Deckung findend.

12 Vgl RIS-Justiz RS0051527.

13 SZ 73/39 = ZIK 2000/111, 92.

14 RIS-Justiz RS0051738 und RS0064270.

15 Vgl RIS-Justiz RS0051738 (T3), RS0064270 und RS0064832 (T2).

16 ZIK 2004/75, 60 = RpflE 2003/101.

17 ZIK 2006/280, 211.

18 Dazu noch unten 3.2.

6 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 6 zik.lexisnexis.at

3. Stellungnahme

3.1. Feststellungsklage

Die vorliegende Entscheidung erging aufgrund einer Feststellungsklage des Masseverwalters. Dahinter steht die stRsp, die dem Insolvenzverwalter für den Fall der Geltendmachung einer Insolvenzforderung als Masseforderung die Möglichkeit eröffnet, eine Entscheidung über die Forderungsqualifikation im Weg einer (negativen) Feststellungsklage herbeizuführen; das rechtliche Interesse wird in einer solchen Situation bejaht.19

Da es sich bei einem solchen Prozess über die insolvenzrechtliche Forderungsqualifikation unzweifelhaft um ein insolvenznahes Verfahren handelt, ist gem § 63a IO idF IRÄG 2017 BGBl I 2017/122 das Insolvenzgericht für die Klage ausschließlich zuständig; die (Klagen über Masseforderungen betreffende) Wahlzuständigkeit des § 262 Z 2 IO wird insofern nach allgemeinen Derogationsgrundsätzen verdrängt.20

Entscheidungen durch andere Gerichte (bzw Behörden) als das Insolvenzgericht, mit denen über die Forderungsqualität abgesprochen wird, entfalten hingegen weder für das Insolvenzgericht noch für den Insolvenzverwalter Bindungswirkung; dementsprechend lassen sie die alleinige, grundsätzliche Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts unberührt.21 Völlig zu Recht wurde daher im konkreten Fall die Einrede der entschiedenen Rechtssache verworfen.

3.2. Forderungsqualifi kation

Zu hinterfragen ist allerdings die insolvenzrechtliche Einordnung der Kosten einer erst während des Insolvenzverfahrens vollzogenen Exekution (in concreto: Räumungsexekution): Bei Prozesskosten wird – wie erwähnt – nach überwiegender Judikatur grundsätzlich danach differenziert, wann die kostenverursachenden Verfahrensschritte gesetzt wurden. Als ausschlaggebend wird dabei nicht der rechtskräftige Kostenzuspruch durch das Gericht,22 sondern – „bedingt durch den Prozesserfolg“ – die Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen erachtet: Prozesskostenersatzansprüche können nach dieser Ansicht (nur) insoweit Insolvenzforderungen sein, als Prozesskosten bereits durch die Vornahme der Prozesshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind;23 erst nach der Eröffnung des

19 RIS-Justiz RS0064644; Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht IV4 (2006) § 124 KO Rz 42.

20 Zum Verhältnis zwischen § 63a und § 262 IO vgl allgemein Jetzinger, § 63a IO im Gefüge insolvenzrechtlicher Zuständigkeitsregelungen, ZIK 2020/116, 98 (101).

21 Näher dazu Nunner-Krautgasser, Zur Tragweite der Forderungsqualifikation durch ein anderes Gericht oder eine andere Behörde als das Insolvenzgericht – Entscheidungskompetenz und Bindungswirkung, in FS Konecny (2022) 381.

22 So aber RIS-Justiz RS0035914.

23 RIS-Justiz RS0051738 und RS0064270; M. Bydlinski, Kostenersatz 81 ff; M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen II/1 3 (2015) § 41 ZPO Rz 3.

Insolvenzverfahrens auflaufende Prozesskosten werden hingegen als Masseforderungen qualifiziert.24

Wendet man diese Rechtsansicht gleichermaßen auf Exekutionskosten an, so liegt im konkreten Fall – in dem die zwangsweise Räumung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollzogen wurde – bei erstem Zusehen eine Qualifikation der Exekutionskosten der betreibenden Partei als Masseforderungen gem § 46 Z 5 IO25 nahe.

Zu beachten ist allerdings, dass der Modus der insolvenzrechtlichen Einordnung von Prozesskosten einerseits und Exekutionskosten andererseits nicht zwingend gleichläuft: Denn der Ausgang eines (auf einer Anspruchsbehauptung basierenden) Zivilprozesses ist stets ungewiss, während ein Exekutionsverfahren auf einem bereits erwirkten Titel und damit auf einer – zumindest insoweit – „fixen“ Rechtsgrundlage beruht. Schon deshalb ist die Judikatur zur rechtlichen Qualifikation von Prozesskosten als Insolvenz- oder Masseforderungen26 nicht reflexhaft auf Exekutionskosten übertragbar.27

Vor allem aber muss auch im gegebenen Zusammenhang eine vertiefende Betrachtung des für die Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseforderungen entscheidenden Kriteriums der Forderungsbegründung erfolgen: Insolvenzforderungen sind Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehen (§ 51 Abs 1 IO). Mit „Zustehen“ ist dabei nicht die Entstehung, sondern (lediglich) die Begründung einer Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemeint. Eine Forderung ist dann zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits der Rechtsgrund für das Forderungsentstehen vorhanden ist bzw wenn der „Schuldrechtsorganismus“, der die Anspruchsgrundlage bildet, bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustande gekommen ist. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass die Forderung selbst zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits entstanden (iS von „durchsetzbar“) ist. Zusätzlich muss zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits eine potenzielle Haftung des Schuldnervermögens28 bestehen; diese muss sich aber noch nicht in einer konkreten Forderung aktualisiert haben.29 Daher ist Insolvenzgläubiger jeder, dessen Forderung zur Zeit der Insolvenzeröffnung dem Grunde nach besteht, auch wenn die Forderung noch nicht fällig oder bedingt ist (arg §§ 14 und 16 IO).

24 OGH 8 ObA 320/94 ZIK 1995, 156.

25 Engelhart in Konecny, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen (48b. Lfg; 2012) § 46 IO Rz 307; vgl (zT zu § 46 KO aF) RIS-Justiz RS0064832.

26 Vgl RIS-Justiz RS0064832; LG Eisenstadt 13 R 272/04d, RIS-Justiz RES0000048.

27 Unrichtig daher (unter Bezugnahme allein auf Feil) LGZ Wien 41 R 153/04k MietSlg 56.849; zutr hingegen ein Teil der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur: OGH 8 Ob 235/99p SZ 73/39 = ZIK 2000/111, 92; RIS-Justiz RS0113333.

28 Zur persönlichen Vermögenshaftung als Kriterium für die Teilnahmebefugnis am Insolvenzverfahren Nunner-Krautgasser, Schuld, Vermögenshaftung und Insolvenz (2007) 275 ff

29 Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht 94; ausführlich Nunner, Freigabe 36 und 83 f mwN.

ZIK 1/2023 7 BEITRÄGE ART.-NR.: 6 zik.lexisnexis.at

Die Judikatur zieht den Kreis der (bedingten) Insolvenzforderungen demnach überaus weit;30 die Begründung von Forderungen wird tendenziell frühzeitig bejaht: So meint der OGH etwa iZm der Einordnung von Ansprüchen auf Entsorgung gefährlicher Abfälle völlig zutreffend, dass die Beseitigungsansprüche schon mit der Ablagerung (und nicht zB erst mit dem Entsorgungsbescheid) entstehen. Sofern die Ablagerung der Abfälle vor der Insolvenzeröffnung erfolgt ist, stellen die Beseitigungsansprüche daher Insolvenzforderungen dar.31

Auch der Anspruch des Bestandgebers auf Beseitigung nach Räumung zurückgelassener Gegenstände wurde in der Judikatur als Insolvenzforderung qualifiziert:32 Denn der Beseitigungsanspruch stelle eine vertretbare Handlung dar, die nach § 353 EO durchzusetzen wäre. Auch Forderungen, die nicht auf eine Geldleistung, aber auf eine vertretbare Handlung des Insolvenzschuldners gerichtet sind, seien daher (im Hinblick auf das Paritätsprinzip) Insolvenzforderungen und verwandeln sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens in eine Geldforderung. Diese insolvenzrechtliche Einordnung trifft zu: Denn bei Ansprüchen auf die Vornahme vertretbarer Handlungen können die Kosten der Ersatzvornahme aus dem gesamten (pfändbaren) Vermögen des Schuldners hereingebracht werden; es handelt sich insoweit daher um „sekundäre Geldforderungen“.33

Einschlägig für die hier vorliegende Fallkonstellation ist vor allem die (in der nunmehrigen E OGH 17 Ob 8/22h im Ergebnis allerdings abgelehnte) Argumentation des OGH in seiner E 8 Ob 235/99p:34 Demnach wird die (bedingte) Begründung von Kostenersatzansprüchen an die Begründung eines materiellrechtlichen Anspruchs geknüpft: Soweit Verfahrenshandlungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzt werden, ergebe sich aus dem gesetzlichen Anspruch auf Rückstellung des Empfangenen im Falle des Vertragsrücktritts (§§ 918 ff, § 1435 ABGB) das bedingte Bestehen des Kostenersatzanspruchs für die Rückgewinnung der Sache bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.35 IdS hat der 8. Senat namentlich den Ersatzanspruch für die (erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen) Kosten einer Räumungsexekution als bereits mit der Auflösung des Vertrags begründet und damit als Insolvenzforderung qualifiziert. Auf der Basis dieser Systematik ist freilich eine insolvenzrechtliche Differenzierung nach dem jeweiligen Zeitpunkt der kostenverursachenden Verfahrensschritte auch hinsichtlich der Prozesskosten zu hinterfragen.

30 Siehe dazu insb die stRsp zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der Vorsteuerberichtigung; RIS-Justiz RS0108920.

31 OGH 8 Ob 155/03g ZIK 2004/124, 97, RIS-Justiz RS0118710; ausführlich zur Thematik Nunner, Freigabe 80 ff

32 LGZ Wien 39 R 327/03g ZIK 2004/70, 56. Vgl etwa auch OGH 8 Ob 200/02y ZIK 2003/231, 163, wonach der Aufwandersatzanspruch einer Bank bereits bedingt mit Garantieeröffnung und nicht erst mit der Zahlung entsteht.

33 Nunner-Krautgasser, Schuld 130. Anderes gilt hingegen für den Anspruch des Bestandgebers auf Räumung des Bestandobjekts selbst, der im Hinblick auf den Modus seiner zwangsweisen Durchsetzung von keiner Verwandlung erfasst sein kann; vgl LGZ Wien 39 R 327/03g ZIK 2004/70, 56.

34 SZ 73/39 = ZIK 2000/111, 92; RIS-Justiz RS011 3333.

35 Vgl OGH 5 Ob 304/81 SZ 54/100 = EvBl 1982/9.

Was in concreto den der E OGH 17 Ob 8/22h zugrunde liegenden Sachverhalt angeht, so müsste eine solche – mE durchaus systemkonforme – frühe Annahme einer Forderungsbegründung durch den OGH dazu führen, dass die Kosten einer während des Insolvenzverfahrens vollzogenen Räumungsexekution auch hier als bereits mit der Auflösung des Bestandverhältnisses bedingt begründet und damit als Insolvenzforderungen einzuordnen sind.

Insoweit ist zu beachten, dass die Auflösung eines Bestandverhältnisses grundsätzlich bereits mit dem Zugang der allen Vorgaben (Frist, Termin, Grund) entsprechenden Kündigung zu dem in der Kündigung ausgesprochenen Kündigungstermin (für eine gerichtliche Kündigung: § 563 ZPO iVm § 1116 ABGB) erfolgt; zu diesem Zeitpunkt wird also das relevante Gestaltungsrecht ausgeübt.36 Ist eine gerichtliche Aufkündigung erforderlich, so betrifft das Erfordernis der gerichtlichen Aufkündigung insofern nur die Form der Ausübung des Gestaltungsrechts, nicht aber den Zeitpunkt der Auflösung des Bestandverhältnisses. Zeigt sich im Verfahren, dass die Kündigung zu Recht erfolgt ist, so ist das Bestandverhältnis nach hM zum ausgesprochenen Kündigungstermin aufgelöst.37

Soweit also die Auflösung eines Bestandvertrags – wie im konkreten Fall – bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, sind die daraus erwachsenden Räumungskosten –ungeachtet des Vollzugs der Räumung erst während des Insolvenzverfahrens – mE als Insolvenzforderungen zu qualifizieren. Diese Forderungsqualifikation ist nicht nur (im Hinblick auf die erwähnte Einordnung von Beseitigungsansprüchen durch die Judikatur) systemkonform, sondern unterbindet auch ansonsten zu befürchtende Manipulationsmöglichkeiten durch bloßes Zuwarten mit der Exekutionsführung.

Auf der Basis einer Qualifikation der Exekutionskosten als Insolvenzforderung wäre ein Exekutionsantrag zur Hereinbringung der Räumungskosten wegen des Vorliegens eines absoluten Exekutionshindernisses amtswegig zurückzuweisen, weil Insolvenzforderungen zwingend nach Maßgabe der §§ 102 ff IO geltend zu machen sind und für die exekutive Durchsetzung von Insolvenzforderungen wegen des fundamentalen insolvenzrechtlichen Prinzips der par condicio creditorum die Exekutionssperre des § 10 IO gilt.38 Eine gleichwohl erteilte Exekutionsbewilligung wäre vom Masseverwalter mit Rekurs (§ 39 Abs 1 Z 2 iVm § 65 EO) anzufechten.39 Nach Eintritt der Rechtskraft einer allenfalls erteilten Exekutionsbewilligung wäre das Exekutionsverfahren (nach Parteieneinvernahme) auf Antrag oder amtswegig einzustellen (§ 39 Abs 2 iVm § 39 Abs 1 Z 2 EO).40

36 Dazu statt vieler Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze IV/1 3 (2019) § 560 ZPO Rz 30 ff

37 Abweichend Oberhammer, Das Auftragsverfahren in Bestandstreitigkeiten (1992) 121 ff

38 Deixler-Hübner in Konecny, Insolvenzgesetze (47. Lfg; 2012) § 10 IO Rz 22; Csoklich in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 (2023) § 10 Rz 29.

39 Deixler-Hübner in Konecny, Insolvenzgesetze § 10 IO Rz 21.

40 Deixler-Hübner in Konecny, Insolvenzgesetze § 10 IO Rz 23; Csoklich in KLS, IO2 § 10 Rz 30.

8 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 6 zik.lexisnexis.at

4. Konsequenzen für die Praxis

In dieser aktuellen Entscheidung qualifiziert der OGH – im Wege einer Übernahme der für die insolvenzrechtliche Qualifikation von Prozesskosten entwickelten Judikatur – auch die Kosten einer (Räumungs-)Exekution dann als Masseforderungen, wenn die Exekution erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollzogen wird; der Zeitpunkt der Forderungsbegründung tritt insoweit in den Hintergrund. Für die Praxis ist zu berücksichtigen, dass diese Rechtsansicht durchaus Manipulationsmöglichkeiten bietet, indem mit einer Exekutionsführung bis nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zugewartet wird.

Die Autorin:

Univ.-Prof. Dr. Bettina Nunner-Krautgasser ist Leiterin des Instituts für Zivilverfahrensrecht und Insolvenzrecht, Co-Leiterin des Forschungszentrums für Berufsrecht sowie Vize- und Forschungsdekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Graz. Sie hält laufend Fachvorträge und ist Autorin bzw Herausgeberin zahlreicher Publikationen, insb im Bereich des Insolvenzrechts.

lesen.lexisnexis.at/autor/Nunner-Krautgasser/ Bettina

Harmonisierung des Insolvenzrechts: Der Vorschlag

einer EU-Richtlinie im Überblick

»ZIK 2023/7

Am 7. 12. 2022 veröffentlichte die Europäische Union den Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts.1 Der Beitrag stellt den Richtlinienvorschlag in Grundzügen vor, der von den Mitgliedstaaten – wie auch Österreich – sehr kritisch bis ablehnend gesehen wird.

1. Hintergrund

In ihrer Rede zur Eröffnung der Plenartagung des Europäischen Parlaments 2020 erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Vollenden wir endlich die Kapitalmarktunion!“ Die Kapitalmarktunion ist das Vorhaben der EU, in der gesamten EU einen echten Binnenmarkt für Kapital zu schaffen. Ziel sei, dass Investitionen und Ersparnisse in sämtliche Mitgliedstaaten fließen, sodass sie Bürgerinnen und Bürgern, Investoren und Unternehmen zugutekommen, unabhängig davon, wo diese angesiedelt sind.2

Der erste Aktionsplan zur Kapitalmarktunion3 wurde von der Kommission 2015 angenommen. Der Aktionsplan für eine Kapitalmarktunion vom September 2020 4 enthält 16 Maßnahmen; Maßnahme 11 sieht eine Initiative der Europäischen Kommission vor, um für ein Mindestmaß an Harmonisierung oder eine verstärkte Konvergenz in gezielten Bereichen des Insolvenzrechts für Nichtbanken zu sorgen. Die enormen Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzregelungen seien ein lang bestehendes strukturelles Hindernis für grenzübergreifende Investitionen.5

2. Einleitung

Neben einer 24-seitigen Begründung umfasst der Richtlinienvorschlag 63 Erwägungsgründe und 73 Artikel auf insgesamt 73 Seiten.6 Der Vorschlag der Richtlinie (im Folgenden „V-RL“) enthält

3 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ (COM [2015] 468 final).

1 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts (COM [2022] 702 final).

2 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan“ (COM [2020] 590 final) 1, 3.

4 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan“ (COM [2020] 590 final).

5 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan“ (COM [2020] 590 final) 15 f.

6 Dem Vorschlag angeschlossen ist ein Annex (Annex to the proposal for a directive of the European Parliament and the Council harmonising certain

ZIK 1/2023 9 BEITRÄGE
zik.lexisnexis.at
ART.-NR.: 7
Foto: Sissi Furgler

neun Kapitel; nach Allgemeinen Bestimmungen zu Beginn über Gegenstand, Anwendungsbereich7 und Begriffsbestimmungen8 widmet er sich sieben Themen, die harmonisiert werden sollen:

 Anfechtungsrecht,

 Vermögensauffindung,

 Pre-Pack-Verfahren,

 Haftung der Unternehmensleitung,

 vereinfachtes Insolvenzverfahren für Kleinstunternehmen,

 Gläubigerausschuss und

 Transparenzregelungen.9

Die Richtlinie ist innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten umzusetzen.10

3. Anwendungsbereich (Art 1 Abs 2 V-RL)

Der Anwendungsbereich entspricht jenem der RIRL.11 Neben Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen sind vor allem auch öffentliche Stellen und natürliche Personen von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.

4. Anfechtung (Art 4-12 V-RL)

Die Vorgaben für das Anfechtungsrecht12 zielen darauf ab, ein Mindestmaß an Schutz in Bezug auf die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Rechtshandlungen13 zu gewährleisten. Sie müssen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzt worden sein und die Anfechtung muss innerhalb von drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden.14 Bei den Bestimmungen handelt es sich um eine Mindestharmonisierung; strengere Regelungen für einen besseren Schutz der Gläubiger werden zugelassen.15

Der Vorschlag kennt drei Anfechtungstatbestände:

 die Anfechtung wegen Bevorzugung,

 die Anfechtung wegen Rechtshandlungen ohne Gegenleistung oder gegen eine offensichtlich nicht angemessene Gegenleistung und

 die Anfechtung wegen Rechtshandlungen, die die Gläubiger absichtlich benachteiligen.

aspects of insolvency law [COM (2022) 702 final]), der nationale Vermögensregister nach Art 18 aufzählt.

7 Art 1 V-RL.

8 Art 2 V-RL.

9 Titel VIII des Vorschlags verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein Merkblatt über den Ablauf des innerstaatlichen Insolvenzverfahren zu verfassen, das die Europäische Kommission in Deutsch, Englisch und Französisch auf dem Europäischen Justizportal für jeden Mitgliedstaat zugänglich machen wird, s Art 68 V-RL.

10 Art 71 Abs 1 V-RL.

11 Vgl § 1 Abs 2 ReO.

12 Siehe auch Stipanitz, Stärkere Konvergenz der nationalen Rechtsvorschriften zur Förderung grenzüberschreitender Investitionen und Blick auf das Musterrecht für ein harmonisiertes Anfechtungsrecht, ZIK 2022/234, 224.

13 Auch Unterlassungen sind umfasst, vgl ErwGr 6 V-RL.

14 Art 9 Abs 3 V-RL.

15 Vgl Art 5 V-RL.

Kommt es bei der Anfechtung wegen Bevorzugung16 zu einer Begünstigung eines Gläubigers durch Befriedigung, Sicherstellung oder auf eine sonstige Weise, so sieht der Vorschlag als Voraussetzungen für eine Anfechtung das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sowie das Setzen der nachteiligen Rechtshandlung innerhalb von drei Monaten vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach vor. Im Fall der kongruenten Deckung kommt das subjektive Element beim Anfechtungsgegner hinzu: Die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag waren ihm bekannt oder mussten ihm bekannt sein. Erfolgt die Rechtshandlung zugunsten einer dem Schuldner nahestehenden Partei,17 wird das Wissen über die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag vermutet.

Der Vorschlag ermöglicht weiters die Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners ohne Gegenleistung oder gegen eine offensichtlich nicht angemessene Gegenleistung, wenn sie innerhalb eines Jahres vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach gesetzt wurden.18 Es wird hier lediglich ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung verlangt; eine subjektive Anfechtungsvoraussetzung beim Anfechtungsgegner wird nicht gefordert. Zuwendungen und Spenden von symbolischem Wert werden explizit ausgeschlossen.19

Bei der Anfechtung von Rechtshandlungen, die die Gläubiger absichtlich benachteiligen, unterscheidet der Vorschlag nicht zwischen Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis der Absicht des Schuldners. Neben einem dieser beiden subjektiven Elemente beim Anfechtungsgegner ist weitere Voraussetzung, dass die Rechtshandlung innerhalb von vier Jahren vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach gesetzt wurde.20

5. Pre-Pack-Verfahren (Art 19-35 V-RL)

Der Vorschlag verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein zweiphasiges Pre-Pack-Verfahren gem Titel IV V-RL einzuführen.21 Der Verkauf des Unternehmens wird vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Sachwalter (in der englischen Sprachfassung als „Monitor“ bezeichnet) durch Ermittlung potenzieller Kaufinteressenten vorbereitet und ausverhandelt (Vorbereitungsphase). Unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll sodann der Verkauf des Unternehmens durch einen Insolvenzverwalter rasch durchgeführt werden (Verkaufsphase). Der Erwerber erwirbt das Unternehmen lastenfrei, wie dies auch § 1409a ABGB vorsieht.22

Abweichend vom österr Recht sieht der Vorschlag eine Vertragsübernahmeverpflichtung vor: Noch zu erfüllende Verträge

16 Art 6 V-RL; zu den Ausnahmen der Anfechtung s Abs 3.

17 Zur Definition s Art 2 lit q V-RL; für den Zeitpunkt der Beurteilung s Art 3 lit a V-RL.

18 Art 7 V-RL.

19 Art 7 Abs 2 V-RL.

20 Art 8 V-RL.

21 Art 19 V-RL; s auch ErwGr 22 V-RL.

22 Art 28 V-RL.

10 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 7 zik.lexisnexis.at

mit dem Schuldner, die für die Fortführung des Unternehmens unverzichtbar sind, gehen ohne Zustimmung des Vertragspartners auf den Erwerber des Unternehmens über.23 Ist der Erwerber jedoch ein Konkurrent des Vertragspartners, gilt die Vertragsübernahmeverpflichtung nicht. Liegt die Kündigung im Interesse des Unternehmens,24 kann das Gericht diese Verträge – mit Ausnahme von Lizenzverträgen25 – kündigen.26

Um mit dem Verkauf des Unternehmens den höchstmöglichen Erlös zu erreichen,27 haben die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht; sie haben gem Art 24 Abs 1 V-RL sicherzustellen, dass die Verkaufsverhandlungen in der Vorbereitungsphase wettbewerbsorientiert, transparent und fair ablaufen und den Marktanforderungen28 entsprechen.29 Werden diese Voraussetzungen von den Mitgliedstaaten nicht umgesetzt („Opt-Out“ nach Art 24 Abs 3 V-RL), hat in der Verkaufsphase eine öffentliche Versteigerung nach Art 26 V-RL stattzufinden.

5.1. Vorbereitungsphase

Die Initiative zur Einleitung eines Pre-Pack-Verfahrens geht vom Schuldner aus. Auf seinen Antrag hat das Gericht30 einen Sachwalter zu bestellen. Mit dessen Bestellung ist die Vorbereitungsphase eröffnet.31 Weitere Voraussetzungen für die Eröffnung sieht der Richtlinienvorschlag nicht vor.32 Während der Vorbereitungsphase steht dem Schuldner die Eigenverwaltung seines Unternehmens zu.33

Bei der Auswahl des Sachwalters sind die Kriterien für den Insolvenzverwalter heranzuziehen;34 er ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzverwalter zu bestellen.35 Die Pflichten des Sachwalters sind in Art 22 Abs 2 V-RL geregelt: Neben der Dokumentations- und Berichtspflicht seiner Tätigkeit hat er auch den Bestbieter als Pre-Pack-Erwerber zu empfehlen und die Einhaltung des Kriteriums des Gläubigerinteresses36 zu bestätigen. Darüber hinaus hat er – sofern der Mitgliedstaat nicht von einem „Opt-Out“ Gebrauch machte – darzulegen, dass die Kriterien des Art 24 Abs 1 V-RL eingehalten wurden. Zur Entloh-

23 Art 27 V-RL.

24 ErwGr 28 V-RL nennt hier den Fall, dass die Übernahme zu einer unverhältnismäßigen Belastung für das Unternehmen führen würde.

25 Der Vorschlag erwähnt Lizenzverträge für Immaterialgüterrechte (Art 27 Abs 2 V-RL).

26 Siehe auch den weiteren Kündigungsgrund in Art 27 Abs 2 lit b V-RL.

27 Vgl ErwGr 25 V-RL.

28 Zu den Marktanforderungen führt ErwGr 26 V-RL aus, dass die nationalen Regelungen für M&A und die Due-Diligence-Prüfung zu berücksichtigen sind.

29 ErwGr 26 V-RL erlegt die Einhaltung dieser Verpflichtung dem Sachwalter auf.

30 Siehe Art 21 V-RL.

31 Art 22 Abs 1 V-RL.

32 Es wird zumindest eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegen müssen, da sich ansonsten die Frage der Durchführung eines Pre-Pack-Verfahrens nicht stellt. In diese Richtung weist auch ErwGr 22 V-RL, der den Schuldner in „financial distress“ erwähnt.

33 Art 22 Abs 4 V-RL.

34 Vgl §§ 80a ff IO.

35 Art 22 Abs 3 und Art 25 V-RL.

36 Zur Definition s Art 2 lit h V-RL.

nung des Sachwalters macht der Richtlinienvorschlag nur Vorgaben, wer die Entlohnung zu tragen hat.37 Der Sachwalter ist – wie der Insolvenzverwalter in der Verkaufsphase – allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes verursacht, verantwortlich.38

Wenn sich der Schuldner bereits oder wahrscheinlich in der Insolvenz befindet, kann er die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, sofern diese die Durchführung des Pre-Pack-Verfahrens erleichtert.39 Da ausdrücklich auf Art 6 und 7 RIRL40 Bezug genommen wird, ist nicht von einer Exekutionssperre nach der IO auszugehen, sondern von einer Vollstreckungssperre iSd RIRL, dh einer Sperre sämtlicher individueller Rechtsverfolgungsmaßnahmen. Die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen bedeutet das Ruhen des Rechts eines Gläubigers, eine Forderung im Rahmen eines Verfahrens durchzusetzen (Gerichts-, Verwaltungs- oder anderes Verfahren) oder das Ruhen des Rechts, die Vermögenswerte oder das Unternehmen des Schuldners zu pfänden oder außergerichtlich zu verwerten.41

5.2. Verkaufsphase

In der Verkaufsphase geht es um die Prüfung und Genehmigung des vom Sachwalter in der Vorbereitungsphase ausverhandelten Verkaufs durch das Gericht. Sie beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung des Sachwalters zum Insolvenzverwalter 42

Nach Art 26 Abs 1 V-RL hat das Gericht den Verkauf – nach Einvernahme der Gläubiger43 – zu genehmigen, wenn der Sachwalter ua bestätigt,44 dass der Kaufpreis keinen offensichtlichen Verstoß gegen das Kriterium des Gläubigerinteresses darstellt.45

Der Sachwalter hat auch – sofern der Mitgliedstaat nicht von dem „Opt-Out“ nach Art 24 Abs 3 V-RL Gebrauch gemacht hat –zu bestätigen, dass die Vorbereitungsphase wettbewerbsorientiert, transparent, fair und angepasst an die Marktanforderungen durchgeführt wurde,46 bevor das Insolvenzgericht den Verkauf genehmigt. Hat das Insolvenzgericht mangels Vorliegens dieser Kriterien die Genehmigung nicht erteilt, ist das Insolvenzverfahren ohne Abschluss des Pre-Pack-Verfahrens47 weiterzuführen.48

Im Falle eines „Opt-Out“ ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens binnen zwei Wochen eine öffentliche Versteigerung abzu-

37 Bei Verkauf des Unternehmens ist diese aus der Insolvenzmasse, ansonsten vom Schuldner zu zahlen (Art 22 Abs 5 V-RL). Zur Höhe der Entlohnung macht die Richtlinie keine Angaben.

38 Art 31 V-RL; vgl § 81 Abs 3 IO.

39 Art 23 V-RL; vor der Anordnung ist der Sachwalter einzuvernehmen.

40 Vgl auch § 19 ReO.

41 Konecny in Fidler/Konecny/Riel/Trenker, ReO (2022) § 19 Rz 6.

42 Art 25 V-RL.

43 Siehe Art 34 V-RL; für das Absehen von der Anhörungspflicht s Abs 2.

44 Zu den weiteren Voraussetzungen für die Genehmigung s Art 26 Abs 1 iVm Art 22 Abs 2 und 3 und Art 24 Abs 1 und 2 V-RL.

45 Vgl Art 22 Abs 2 lit d V-RL.

46 Art 26 Abs 1 iVm Art 22 Abs 2 lit b V-RL.

47 Vgl Begründung V-RL 19.

48 Art 26 Abs 1 V-RL.

ZIK 1/2023 11 BEITRÄGE
zik.lexisnexis.at
ART.-NR.: 7

halten, wobei das in der Vorbereitungsphase erzielte Angebot als geringstes Gebot gilt. Um den Wert des zu verkaufenden Unternehmens zu maximieren,49 schließt der Vorschlag die Einräumung eines Vorkaufsrechts an Bieter aus50 und stellt für notwendige Zwischenfinanzierungen klar, dass diese vorrangig befriedigt werden können und ihnen eine Sicherheit am Verkaufserlös eingeräumt werden kann.51 Credit Bidding52 wird zugelassen, allerdings darf dies dem Bieter keinen ungebührlichen Vorteil verschaffen. Der Wert der gesicherten Forderung darf daher nicht über dem Marktwert des Unternehmens liegen.

Wird gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts ein Rechtsmittel erhoben, so hat dieses nur dann aufschiebende Wirkung, wenn eine Sicherheit in Höhe des durch den Aufschub der Veräußerung möglicherweise eintretenden Schadens bereitgestellt wird.53

Der Vorschlag hat die Missbrauchsgefahr beim Erwerb durch eine dem Schuldner nahestehende Partei54 erkannt und sieht dann strengere Kriterien für die Genehmigung des Verkaufs vor.55

6.

6.1. Eröff nung des Verfahrens

Nach Antragstellung60 des Schuldners oder des Gläubigers auf Eröffnung des Verfahrens hat das Gericht61 binnen zwei Wochen über den Antrag zu entscheiden.62 Als Abweisungsgründe nennt der Vorschlag die mangelnde Zuständigkeit des Gerichts oder das Nichtvorliegen der Zahlungsunfähigkeit. Explizit ausgeschlossen ist die Abweisung des Antrags auf Eröffnung mangels kostendeckenden Vermögens. Die Mitgliedstaaten haben dafür zu sorgen, dass die Kosten gedeckt sind.63 Allerdings ist ein Insolvenzverwalter nur auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers und nur dann zu bestellen, wenn kostendeckendes Vermögen vorliegt oder ein Kostenvorschuss erlegt wird.64

Der Schuldner hat grundsätzlich die Eigenverwaltung über sein Vermögen zu behalten,65 weil davon ausgegangen wird, dass Kleinstunternehmen einen einfachen Geschäftsbetrieb mit sich bringen, sodass die Überwachung durch das Gericht möglich und ausreichend ist.66 Das ist grundsätzlich auch bei Bestellung eines Insolvenzverwalters vorgesehen.67

Vereinfachtes

Verfahren für Kleinstunternehmen

Kapitel VI V-RL enthält Vorschriften für ein vereinfachtes Insolvenzverfahren für Kleinstunternehmen, die auch auf KMU angewendet werden können.56 Kleinstunternehmen seien viel häufiger der Insolvenz ausgesetzt57 und sollen in einem vereinfachten und kostengünstigen Verfahren zügig und ordnungsgemäß verwertet werden.58 Gekennzeichnet ist dieses Verfahren durch kurze Fristen; außerdem werden die Formalitäten für alle Verfahrensschritte (Verfahrenseröffnung, Anmeldung und Feststellung von Forderungen, Verwertung der Vermögenswerte) auf ein Minimum reduziert. Kleinstunternehmen iSd V-RL sind Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw Jahresbilanz 2 Mio € nicht überschreitet.59

49 Begründung V-RL 19.

50 Siehe Art 33 Abs 2 V-RL; vgl auch ErwGr 29 V-RL, dem zufolge auch keine Vorkaufsrechte durchgesetzt werden dürfen; Inhaber von Vorkaufsrechten, die vor Beginn des Pre-Pack-Verfahrens gewährt wurden, sollten zur Abgabe eines Gebots eingeladen werden, anstatt ihre Option auszuüben.

51 Art 33 V-RL.

52 Die Höhe der gesicherten Forderungen kann als Gegenleistung für den Kauf der Vermögenswerte angeboten werden, für die eine Sicherheit besteht (vgl ErwGr 30 V-RL).

53 Es liegt im Ermessen des Insolvenzgerichts, im Einzelfall Ausnahmen von der Leistung einer Sicherheit festzusetzen; s Art 29 Abs 2 V-RL.

54 Zur Definition s Art 2 lit q V-RL; für den Zeitpunkt der Beurteilung s Art 3 lit b V-RL.

55 Siehe Art 32 V-RL.

56 ErwGr 35 V-RL.

57 ErwGr 34 V-RL erwähnt als Gründe Liquidationsprobleme aufgrund der starken Abhängigkeit von Zahlungen ihrer Kunden sowie Mangel an Betriebskapital, höhere Zinssätze und größere Anforderungen an die Sicherheiten; die Beschaffung von Finanzmitteln, insb in finanziellen Notlagen, sei schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

58 Vgl Begründung V-RL 20.

59 Vgl Art 2 lit j V-RL, der auf die Empfehlung 2003/361/EG der Kommission verweist; dort ist die Definition in dessen Anhang, Titel I, Art 2 Abs 2 zu

nden.

Eine Entziehung der Eigenverwaltung hat das Gericht unter Berücksichtigung des Einzelfalls und der tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu begründen68 und ist kein Grund für die Bestellung eines Insolvenzverwalters. Wird die Eigenverwaltung entzogen und kein Insolvenzverwalter bestellt, hat das Gericht zu entscheiden, ob der Schuldner Verfügungen nur mit Genehmigung des Gerichts vornehmen darf oder ob es die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse auf einen Gläubiger überträgt.69

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist öffentlich bekannt zu machen und der Schuldner sowie die bekannten Gläubiger sind individuell von der Eröffnung zu verständigen.70 Der Richtlinienvorschlag erwähnt auch hier das Aussetzen von Einzelvollstreckungsmaßnahmen,71 verweist allerdings nicht auf die RIRL. Es handelt sich um einen Verweis auf das nationale Recht, sodass die Exekutions- und Prozesssperre nach der IO gelten würden. Von dem mit der Eröffnung eintretenden Aussetzen von Einzelvollstreckungsmaßnahmen kann auf Antrag des Schuldners oder Gläubigers abgesehen werden, wenn durch die Exekutionssperre

60 Der Antrag des Schuldners hat mit einem von der EK erstellten standardisierten Formular zu erfolgen, s Art 41 Abs 5 V-RL; s auch Abs 4 über den Mindestinhalt des Antragsformulars.

61 ErwGr 36 V-RL überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl, ob das vereinfachte Verfahren von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde durchgeführt wird.

62 Vgl Art 42 Abs 1 V-RL.

63 Vgl Art 38 Abs 3 und 4 V-RL.

64 Art 39 V-RL.

65 Art 43 Abs 1 V-RL; s auch ErwGr 40 V-RL, der eine Berichtspflicht des Schuldners vorsieht.

66 Vgl ErwGr 40 V-RL.

67 Das Gericht hat im Bestellungsbeschluss festzulegen, ob die Rechte und Pflichten zur Verwaltung und Veräußerung des Vermögens auf den Insolvenzverwalter übertragen werden, s Art 43 Abs 2 V-RL.

68 Art 43 Abs 3 V-RL.

69 Art 43 Abs 4 V-RL.

70 Siehe Art 45 V-RL; zum Inhalt der Verständigung s Abs 2.

71 Art 44 V-RL.

12 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 7 zik.lexisnexis.at

Gläubiger unangemessen benachteiligt werden und eine Vollstreckung die Erwartungen der Gläubiger nicht beeinträchtigt.72

6.2. Verfahren

Das weitere Verfahren ist sehr gestrafft. Forderungen, die der Schuldner in seinem Antrag auf Eröffnung oder in seiner Stellungnahme nach einem Gläubigerantrag angegeben hat, gelten als angemeldet; hat sich der Gläubiger nicht innerhalb der 30-tägigen Anmeldungsfrist73 gegen diese Forderung ausgesprochen, gelten diese Forderungen als festgestellt. Im Falle eines Prüfungsprozesses kann das Gericht das Insolvenzverfahren weiterführen.74 Ob auch eine Schlussverteilung – unter Sicherstellung der strittigen Forderungen – durchgeführt werden kann, ist dem Vorschlag nicht zu entnehmen.

Nach Feststellung der Forderungen und Errichtung des Anmeldungsverzeichnisses hat das Gericht über den Abschluss des Verfahrens zu entscheiden.75 Das Verfahren kann ohne Verwertung nur aufgehoben werden, wenn die Insolvenzmasse keine Vermögenswerte enthält, diese so gering sind, dass eine Verwertung nicht gerechtfertigt wäre, oder der Erlös des Absonderungsguts offensichtlich geringer als der geschuldete Betrag ist. In letzterem Fall kann das Gericht dem Absonderungsgläubiger das Gut überlassen. Kommt es zu einer Verwertung, hat diese als Veräußerung im Wege einer elektronischen öffentlichen Auktion76 zu erfolgen.77

6.3. Entschuldung

Durch den Verweis auf Titel III der RIRL sieht der Vorschlag eine Entschuldung binnen drei Jahren für den persönlich haftenden Schuldner sowie den persönlich haftenden Gründer, Eigentümer oder Gesellschafter des Unternehmens vor.78 Auch im Falle eines Insolvenzverfahrens des Bürgen des Kleinstunternehmens soll dieser innerhalb von drei Jahren entschuldet werden können.79

7. Sonstiges

7.1. Gläubigerausschüsse (Art 58-67 V-RL)

Um die Position der Gläubiger zu stärken, sodass auch die Teilnahme von Gläubigern, die aufgrund von begrenzten Ressourcen oder geografischer Entfernung benachteiligt wären, erleichtert wird, sieht der Entwurf Bestimmungen über die Einsetzung eines

72 Art 44 Abs 2 V-RL.

73 Die Frist gilt entweder ab öffentlicher Bekanntmachung der oder ab individueller Verständigung von der Insolvenzeröffnung, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist, s Art 46 Abs 2 V-RL.

74 Art 46 Abs 5 V-RL.

75 Vgl Art 49 V-RL.

76 Siehe Art 50 ff V-RL über das elektronische Auktionssystem und dessen Vernetzung.

77 Für eine andere Verwertungsart s Art 49 Abs 3 letzter S V-RL.

78 Siehe Art 56 V-RL.

79 Siehe Art 57 V-RL.

Gläubigerausschusses vor.80 Der Vorschlag macht Vorgaben zu Einrichtung,81 Arbeitsmethoden82 und Rechten und Pflichten83 des Gläubigerausschusses sowie zur Ernennung84 und Haftung85 seiner Mitglieder.

Der Vorschlag lässt die Beiordnung mehrerer Gläubigerausschüsse zu,86 schränkt sie jedoch auf eine Entscheidung der Gläubigerversammlung ein; eine Beiordnung des Gläubigerausschusses von Amts wegen ist nicht vorgesehen. 87 Die Beiordnung kann ausgeschlossen werden, wenn sie unverhältnismäßig zu dem Verfahrensaufwand ist.88 Binnen 30 Tagen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Mitglieder von der Gläubigerversammlung oder dem Gericht zu ernennen;89 binnen 15 Tagen nach der Ernennung haben sie ein Protokoll über ihre Arbeitsweise90 vorzulegen.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Gläubigerausschuss bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens – daher noch vor dessen Eröffnung – errichtet wird.91 In diesem Fall hat die erste Gläubigerversammlung über den Fortbestand des Gläubigerausschusses zu entscheiden.

Die Rechte und Pflichten des Gläubigerausschusses sind allgemein gehalten; neben der Überwachung des Insolvenzverwalters sind sowohl das Recht auf Anhörung und Äußerung als auch das Recht auf Informationen genannt. Auch können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Gläubigerausschuss genau zu definierende Rechtsgeschäfte zu genehmigen hat.92

7.2. Vermögensauffi ndung (Art 13-18 V-RL)

Mit Verweis auf die Regelung in der EuInsVO 2015,93 dass der Insolvenzverwalter im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats alle Befugnisse ausüben darf, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen,94 sieht der Vorschlag vor, dass Insolvenzverwaltern Zugriff auf bestimmte Register entweder direkt oder auf Antrag gewährt wird. Neben dem Bankkontoregister ist auch das Register der wirtschaftlichen Eigentümer genannt. Darüber hinaus ist Insolvenzverwaltern auch Zugriff auf

80 Begründung V-RL 19.

81 Siehe Art 58 V-RL.

82 Siehe Art 63 V-RL.

83 Siehe Art 64 V-RL.

84 Siehe Art 59, 61 und 62 V-RL.

85 Siehe Art 66 V-RL: Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.

86 Vgl Art 60 Z 1 V-RL.

87 Art 58 Abs 1 V-RL.

88 Vgl ErwGr 48 V-RL, der ua eine zu geringe Anzahl der Gläubiger oder verhältnismäßig hohe Kosten des Gläubigerausschusses zur Verwertung erwähnt; vgl Art 58 Abs 3 V-RL, der auch ein Absehen bei Kleinstunternehmen vorsieht.

89 Vgl Art 59 V-RL; erfolgt die Ernennung durch die Gläubigerversammlung, sind diese binnen fünf Tagen vom Gericht zu genehmigen.

90 Art 63 Abs 2 V-RL erwähnt als Inhalt die Berechtigung zur Teilnahme an den Sitzungen und das Stimmrecht, die für die Beschlussfassung erforderlichen Quoren und das Vorgehen bei Interessenkonflikten.

91 Art 58 Abs 2 V-RL.

92 Art 64 V-RL.

93 VO (EU) 2015/848 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 5. 2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung), ABl L 2015/141, 19.

94 Art 21 Abs 1 EuInsVO 2015.

ZIK 1/2023 13 BEITRÄGE
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ART.-NR.: 7

weitere – im Annex zum Vorschlag genannte Register anderer Mitgliedstaaten – zu gewähren, sofern diese in dem jeweiligen Mitgliedstaat existieren.95

Diese Vorgabe bringt eine Ausweitung zu den bestehenden Regelungen. In Österreich ist die Einschau in das Kontenregister im Kontenregister- und Konteneinschaugesetz geregelt.96 Neben ua den Finanzstrafbehörden und dem Bundesfinanzgericht sowie den Abgabenbehörden ist derzeit den Staatsanwaltschaften und den Strafgerichten für strafrechtliche Zwecke Auskunft aus dem Register zu erteilen.97 Zur Einsicht in das Register der wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, Stiftungen und Trusts sind ua derzeit nur die Strafverfolgungsbehörden, die Staatsanwaltschaften und Gerichte für strafrechtliche Zwecke berechtigt.98

7.3. Haftung der Unternehmensleitung (Art 36-37 V-RL)

Der Vorschlag sieht die Pflicht der Unternehmensleitung vor, rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Anknüpfend an das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit hat die Unternehmensleitung binnen drei Monaten nach Kenntnis des Vorliegens der Zahlungsunfähigkeit einen Antrag zu stellen.

95 Siehe Annex zur V-RL; genannt werden ua das Grundbuch und die zentrale Zulassungsevidenz, das Schiffsregister, das Waffenregister, das Register der Rechte des geistigen Eigentums, einschließlich Patent- und Markenregister, das Register für Internet-Domains und das Wertpapierregister.

96 BG über die Einrichtung eines Kontenregisters und die Konteneinschau (Kontenregister- und Konteneinschaugesetz – KontRegG) BGBl I 2015/116.

97 § 4 KontRegG; s auch § 8 KontRegG über das Auskunftsverlangen durch Abgabenbehörden.

98 § 12 Abs 1 Z 5 des BG über die Einrichtung eines Registers der wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, anderen juristischen Personen und Trusts (Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz – WiEReG) BGBl I 2017/136.

8. Schlussworte

Der Vorschlag zielt darauf ab, bestimmte Aspekte der mitgliedstaatlichen Insolvenzvorschriften gezielt zu harmonisieren, in allen Mitgliedstaaten gemeinsame Mindeststandards sicherzustellen und so Investitionen über Grenzen hinweg zu erleichtern.99 In welcher Form eine Mindestharmonisierung der Insolvenzvorschriften aller Mitgliedstaaten letztendlich gelingen wird, werden die Verhandlungen zeigen. Die Europäische Union muss jedenfalls mit großem Gegenwind der Mitgliedstaaten rechnen, wie die erste Sitzung der Ratsarbeitsgruppe am 18. 1. 2023 zeigte.

Wenn der Vorschlag in dieser Form als Richtlinie beschlossen wird, wäre großer Änderungsbedarf im österr Recht gegeben. Insb die Vorschläge zum Pre-Pack-Verfahren stellen ein Novum im österr Insolvenzrecht dar. Das vereinfachte Verfahren für Kleinstunternehmen mit weitgehender Eigenverwaltung des Schuldners brächte wesentliche Abweichungen gegenüber dem ordentlichen oder dem geringfügigen Insolvenzverfahren.

Die Autorin:

Richterin Mag. Vanessa Eriksson leitet derzeit stellvertretend die Abteilung für Exekutions- und Insolvenzrecht im Bundesministerium für Justiz. lesen.lexisnexis.at/autor/Eriksson/Vanessa

Sorgfaltspfl ichten der Geschäftsleitung in der Krise oder Insolvenz eines Vertragspartners

»ZIK 2023/8

Die Handlungspflichten der Geschäftsleiter einer Gesellschaft in der Krise sind in Literatur und Rechtsprechung umfangreich behandelt. In der Praxis ähnlich bedeutend, aber deutlich weniger untersucht ist indes die Frage, welche Handlungspflichten die Geschäftsleiter einer Gesellschaft treffen, die zwar selbst finanziell stabil ist, deren Vertragspartner sich jedoch – potenziell – in der Krise oder

Insolvenz befindet. Dieser Beitrag versucht einen Überblick über in diesem Zusammenhang besonders praktisch relevante Bestimmungen und deren Zusammenspiel zu geben. Konkret werden die Nachforschungs- und Informationsbeschaffungsobliegenheiten der Geschäftsleiter im Hinblick auf das Insolvenzanfechtungs- und das Kapitalerhaltungsrecht untersucht.

14 ZIK 1/2023 BEITRÄGE zik.lexisnexis.at ART.-NR.: 8
99 FAQ der Europäischen Kommission vom 7. 12. 2022. Foto: privat Dr. Felix Loewit/Mag. Miriam Simsa • Wien

1. Problemaufriss

Kontrahiert eine solvente Gesellschaft mit einer anderen Gesellschaft, die sich in der Krise befindet oder die gar schon materiell insolvent ist, hat sie bestimmte gesetzliche Schranken zu beachten. Tut sie das nicht, kann der Vertrag unwirksam sein und die solvente Gesellschaft steht in der Insolvenz ihres Vertragspartners rechtlich (und damit iaR wirtschaftlich) deutlich schlechter, als wenn sie das Rechtsgeschäft überhaupt erst gar nicht geschlossen hätte.

Besonders heikel ist dabei, dass insb die materielle Insolvenz sowie gesellschaftsrechtliche Verflechtungen des Vertragspartners idR nicht ins Auge stechen. Das Gesetz stellt häufig aber schon auf die reine Erkennbarkeit dieser Umstände ab und knüpft daran zT einschneidende Rechtsfolgen. Verkompliziert wird dies noch dadurch, dass häufig bloße Indikatoren bestimmte Nachforschungsobliegenheiten auslösen. Wird diesen nicht nachgekommen, liegt regelmäßig fahrlässige Unkenntnis vor und ein abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist mit Unwirksamkeit bedroht. Das ist etwa der Fall, wenn die Nichteinhaltung der Nachforschungsobliegenheiten eine erfolgreiche Anfechtung nach §§ 27 ff IO nach sich zieht (dazu bei 2.1.). Ähnlich ist die Rechtslage im Hinblick auf das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG, § 52 AktG), das bei einem Verstoß die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts anordnet und selbst gesellschaftsfremden Dritten bestimmte Nachforschungsobliegenheiten aufbürdet. Dieses ist freilich kein „Insolvenzspezifikum“, praktisch aber gerade im vorinsolvenzlichen Stadium von Bedeutung (dazu unten 2.2.).

Trifft den Geschäftsführer der solventen Gesellschaft ein Verschulden an den aus der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts resultierenden Schäden, kann er seiner Gesellschaft gem § 25 GmbHG schadenersatzpflichtig werden. Handelt er allerdings im Einklang mit der Business Judgement Rule (BJR; § 25 Abs 1a GmbHG, § 84 Abs 1a AktG), ist diese Innenhaftung ausgeschlossen. Die BJR besagt, dass ein Geschäftsführer jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes handelt, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Diese Haftungsbefreiung tritt allerdings nicht ein, wenn eine Entscheidung ohne ausreichende Informationsbeschaffung getroffen wird.1

Untersucht wird im Folgenden, ob diese Informationsbeschaffungsobliegenheit2 mit den zuvor genannten Nachforschungsobliegenheiten, die sich aus ganz anderen Tatbeständen ergeben, deckungsgleich ist. Das würde bedeuten, dass ein Geschäftsleiter sich nicht auf die Sorgfältigkeit seiner Entscheidung iSd BJR beru-

1 Siehe zB Krejci, Sorgfalt und Unternehmerwagnis, in FS P. Doralt (2004) 351 (356).

2 Rechtstechnisch liegt hier keine Pflicht vor, weil die Erfüllung der Informationsbeschaffungsobliegenheit – gleich wie Nachforschungsobliegenheiten im Insolvenzanfechtungsrecht – nicht unmittelbar durchgesetzt werden kann; zutr zum Insolvenzanfechtungsrecht Trenker, ZFR 2020, 629 (631; Entscheidungsanmerkung); anders zB Krejci in FS P. Doralt 351 (356).

fen könnte, wenn die Gesellschaft einen Schaden erleidet, weil sie ihren Nachforschungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist –mangelnde Informationsbeschaffung unter Anfechtungs- oder Kapitalerhaltungsrecht würde gleichzeitig mangelnde Informationsbeschaffung iSd BJR bedeuten. Es wird allerdings zu zeigen sein, dass dies nicht zwingend der Fall ist. Dafür ist freilich weiter auszuholen und es sind zuerst die Nachforschungsobliegenheiten darzustellen, welche die Gesellschaft treffen.

2. Sorgfaltspfl ichten in der Krise des Vertragspartners auf Ebene der Gesellschaft

2.1. Nachforschungsobliegenheiten im Insolvenzanfechtungsrecht

2.1.1. Überblick

Die wohl weitreichendsten Nachforschungsobliegenheiten finden sich im Insolvenzanfechtungsrecht. Bei erfolgreicher Anfechtung nach einem der Tatbestände der §§ 28–31 IO kann eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung für unwirksam erklärt und der Anfechtungsgegner3 (AnfG) dazu verpflichtet werden, eine erhaltene Leistung an die insolvente Gesellschaft zurückzuzahlen. Besonders strenge Nachforschungsobliegenheiten werden dem AnfG im Anwendungsbereich des § 31 IO auferlegt.4

Nach § 31 IO sind die Deckung eines Insolvenzgläubigers sowie nachteilige Rechtsgeschäfte anfechtbar, wenn sie in den letzten sechs Monaten vor Insolvenzeröffnung, entweder nach Eintritt der materiellen Insolvenz oder nach dem Insolvenzantrag, vorgenommen wurden und wenn der AnfG die Tatsache der materiellen Insolvenz oder des Insolvenzantrags kannte oder kennen musste.5 Besonders relevant für die hier untersuchte Problemstellung (oben 1.) ist das Tatbestandselement des „Kennenmüssens“. Dieses ist bereits bei leicht fahrlässiger Unkenntnis erfüllt.6

Ob der AnfG fahrlässig war, richtet sich danach, welche Auskunftsmittel ihm im Zeitpunkt der anzufechtenden Rechtshandlung zur Verfügung standen, ob ihm die Heranziehung derselben zumutbar war und ob er diese ordnungsgemäß ausgewertet hat 7 Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend und nur innerhalb eines Verkehrskreises ist ein objektiver Maßstab heranzuziehen.8

3 Instruktiv König, Der Anfechtungsgegner, JBl 2018, 545.

4 Nachforschungsobliegenheiten gibt es daneben auch im Anwendungsbereich der §§ 28 und 30 IO. Vgl zu § 30 IO zB OGH 10 Ob 72/17m; 17 Ob 2/20y; zu § 28 IO s etwa Bollenberger/Spitzer in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 (2023) § 28 Rz 14.

5 Sicherstellung oder Befriedigung kann nur gegenüber Gläubigern, nicht auch sonstigen Dritten, angefochten werden; lediglich „Mitwirkende“ sind grundsätzlich keine AnfG; vgl Trenker, Insolvenzanfechtung – Gesellschafter als Anfechtungsgegner, in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterpflichten in der Krise (2015) 123 (125, 145) mwN auch zur Gegenansicht.

6 RIS-Justiz RS0064379.

7 RIS-Justiz RS0064794; instruktiv dazu jüngst Widhalm-Budak, Das Kennen-Müssen im Anfechtungsrecht, in FS Konecny (2022) 689.

8 RIS-Justiz RS0042837; Rebernig in Konecny, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen (76. Lfg; 2021) § 31 IO Rz 52 mwN.

ZIK 1/2023 15 BEITRÄGE
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ART.-NR.: 8

Konsequenterweise differenziert die Rechtsprechung – wie für Sorgfaltspflichten typisch – nach Gläubigergruppen; grob zwischen Großgläubigern und „gewöhnlichen“ Gläubigern. 9 Letztere, zB Arbeitnehmer, Lieferanten oder Vermieter, 10 treffen weniger strenge Obliegenheiten. Bei Großgläubigern – das sind bspw Sozialversicherungsträger, Finanzämter oder Banken 11 – ist indes ein strengerer Maßstab anzulegen, weil diese über entsprechende Sachkenntnis und sachliche und personelle Organisation zur Prüfung und Überwachung der Bonität verfügen. 12

2.1.2. Nachforschungsobliegenheiten auslösende Insolvenzindikatoren

Jeder AnfG muss grundsätzlich dann Nachforschungen anstellen, wenn ein Insolvenzindikator vorliegt. 13 Innerhalb der Insolvenzindikatoren wird zwischen solchen Umständen unterschieden, aus denen sich direkt ein Rückschluss auf die Zahlungsunfähigkeit ergibt, und solchen, die Nachforschungsobliegenheiten auslösen.14

Insolvenzindikatoren, die Nachforschungsobliegenheiten auslösen, liegen zB vor, wenn ein Schuldner einen Insolvenzantrag zurückzieht,15 ein Insolvenzantrag abgewiesen wird16 oder wenn gegen den Schuldner mehrere Exekutionen geführt werden, auch wenn sie noch Erfolg haben.17, 18 Auch die über mehrere Monate reichende Unfähigkeit des Schuldners, betriebene Forderungen selbst nach Gewährung von Stundung oder Ratenzahlung zu erfüllen,19 und außergerichtliche Ausgleichsversuche sprechen für dessen materielle Insolvenz.20 Überdies indizieren auch offene Forderungen die Insolvenz des (potenziellen) Vertragspartners, wenn diese trotz längst eingetretener Fälligkeit nicht bezahlt wurden.21

9 RIS-Justiz RS0064682 (T12); OGH 3 Ob 173/08z.

10 OLG Wien 3 R 17/16s ecolex 2017/184 (Vermieter); König/Trenker, Die Anfechtung nach der IO6 (2020) Rz 11.27/5 FN 2533 mN zur dt Rechtsprechung (Arbeitnehmer); Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 31 IO Rz 54 mwN (Lieferanten).

11 OGH 6 Ob 192/03h (Sozialversicherung); 2 Ob 185/03z (Finanzamt); OLG Wien 3 R 17/16s ecolex 2017/184 (Bank).

12 RIS-Justiz RS0064682 (T12).

13 RIS-Justiz RS0064794 (T2).

14 Näher dazu Weissel, Die Sorgfaltspflicht der Bank in der Rechtsprechung zu § 31 KO, ÖBA 1994, 955 (959); diesem folgend OGH 10 Ob 90/04i; 3 Ob 33/12t.

15 König/Trenker, Anfechtung6 Rz 11.27/4.

16 Differenzierend und eher ablehnend OGH 3 Ob 33/12t; zutr krit WidhalmBudak, Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit bei vorangegangener Veröffentlichung der Konkursabweisung mangels kostendeckenden Vermögens, ZIK 2012/179, 122; vgl auch OGH 3 Ob 105/16m.

17 RIS-Justiz RS0064682; vgl jüngst OGH 17 Ob 4/22w EvBl 2022/102 (Frybert).

18 Das gilt nicht, wenn der Schuldner noch vor Einleitung des Verwertungsverfahrens Vollzahlung leistet. Exekutionen lassen zunächst nur den Schluss auf eine schlechte Zahlungsmoral des Schuldners zu und sind nicht unbedingt ein Anzeichen für das Fehlen liquider Mittel; OGH 6 Ob 70/97f JBl 1998, 186 (Schuhmacher); 8 Ob 19/00b; 8 Ob 37/00z.

19 OGH 4 Ob 93/06i.

20 RIS-Justiz RS0051660.

21 OGH 3 Ob 99/10w; 3 Ob 181/14k. Nach OGH 17 Ob 2/20y könnten sogar nicht fällige, aber entstandene Forderungen in bestimmtem Ausmaß zu

Lediglich (bestimmte) Großgläubiger werden darüber hinaus auch bei mehreren übereinstimmenden Zeitungsberichten von führenden Zeitschriften, die alle auf eine Krise des Vertragspartners hindeuten,22 zu Nachforschungen verpflichtet.23 Das liegt daran, dass Großgläubigern ein Überwachungssystem zugemutet wird, das Zeitungsberichte über ihre Schuldner wahrnimmt und diese ggf zum Anlass von Nachforschungen nimmt. Für Banken lösen ferner erhebliche, auffällige Saldoreduktionen Nachforschungsobliegenheiten aus.24 Als Faustregel gilt: Je stärker die Indizien, desto eher sind Nachforschungen anzustellen.25

2.1.3. Konkret anzustellende Nachforschungen

Liegen Anzeichen einer Insolvenz vor, sind in weiterer Folge mit zumutbaren Mitteln Erkundigungen einzuholen.26 Welche Mittel das konkret sind, ist einzelfallabhängig, zumal den jeweiligen AnfG typischerweise unterschiedliche Auskunftsmittel zur Verfügung stehen.27

Paradebeispiel für jedenfalls zumutbare Nachforschungen ist die Nachfrage beim Schuldner selbst. Der AnfG darf sich dabei jedoch weder auf die unbelegte Behauptung des Schuldners über seine (günstige) wirtschaftliche Lage noch auf die Behauptung über eine bloße Zahlungsstockung verlassen. Vielmehr muss er sich vom Schuldner die offenen und fälligen Verbindlichkeiten, die vorhandenen liquiden Mittel, die Liquiditätsplanung sowie entsprechende Urkunden (zB Liquiditätsbilanz, offene Postenlisten) offenlegen lassen.28 Verweigert der Schuldner die Auskunft, ist dies ein weiteres Indiz für dessen materielle Insolvenz und es wären vor einem Vertragsschluss weitere Nachforschungen anzustellen29 oder vom Vertragsabschluss abzustehen.

Als weitere Auskunftsmittel kommen bspw eine Nachfrage beim Steuerberater des Schuldners, insb wenn dieser eine Fortbestehensprognose erstellt hat,30 die Einholung einer Bonitätsauskunft bei Gläubigerschutzverbänden,31 der einsehbare Jahresabschluss einer offenlegungspflichtigen GmbH32 oder vertraglich eingeräumte oder gesetzliche Informationsrechte33 in Betracht.

Werden alle zumutbaren Auskunftsmittel ausgeschöpft und ergibt sich daraus nicht, dass der spätere Schuldner insolvent ist, wird eine Anfechtung wegen Kennenmüssens der materiellen In-

Nachforschungen verpflichten, etwa dann, wenn sich aus einem veröffentlichten Jahresabschluss ergibt, dass „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“ in Millionenhöhe bestehen.

22 Vgl zB den Sachverhalt in OGH 3 Ob 92/16z.

23 OGH 6 Ob 192/03h; so auch für „branchengleiche“ Konkurrenten König/ Trenker, Anfechtung6 Rz 11.27/5.

24 OGH 10 Ob 72/17m.

25 Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 31 IO Rz 64.

26 OGH 3 Ob 92/16z.

27 RIS-Justiz RS0064794 (T2); OGH 3 Ob 33/12t.

28 Vgl bloß RIS-Justiz RS0126562; OGH 3 Ob 99/10w; 17 Ob 2/20y.

29 König/Trenker, Anfechtung6 Rz 11.27/1 mwN.

30 Vgl OLG Wien 3 R 17/16s ecolex 2017/184, 419.

31 OGH 17 Ob 2/20y.

32 OGH 6 Ob 192/03h.

33 Bspw eines (Minderheits-)Gesellschafters OGH 3 Ob 117/18d; WidhalmBudak, ZIK 2012/179, 122 (122).

16 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 8 zik.lexisnexis.at

solvenz regelmäßig scheitern. Andernfalls ist von einer fahrlässigen Unkenntnis der materiellen Insolvenz auszugehen.

2.2. Nachforschungsobliegenheiten im Kapitalerhaltungsrecht

2.2.1. Echte Dritte im Kapitalerhaltungsrecht

In ähnlicher Weise wie das Insolvenzanfechtungsrecht dient auch das Kapitalerhaltungsrecht dem Schutz der Gläubiger. Das zentrale Verbot der Einlagenrückgewähr nach §§ 82 f GmbHG (sowie § 52 AktG) ist wie bereits erwähnt zwar keine Besonderheit in der Krise oder Insolvenz, sondern gilt immer. Dennoch werden Rückzahlungsansprüche nach §§ 82 f GmbHG in praxi sehr häufig erst im späteren Insolvenzfall der Gesellschaft durch deren Insolvenzverwalter geltend gemacht.

Verboten sind grundsätzlich alle Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter, die nicht auf einer bilanzmäßig ausgewiesenen Gewinnausschüttung beruhen,34 es sei denn, sie sind fremdvergleichsfähig und/oder betrieblich gerechtfertigt.35 Dieser „typische“ Fall soll in diesem Beitrag aber nicht behandelt werden. Vielmehr steht jene Konstellation im Fokus, in der jemand mit einer Gesellschaft Rechtsgeschäfte abschließt, mit der er in keiner Weise gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Derartige „echte“ Dritte36 sind zwar nicht unmittelbare Adressaten des Verbots der Einlagenrückgewähr, können allerdings nach stRsp37 bei Kollusion sowie bei Kenntnis bzw grob fahrlässiger Unkenntnis von einem Verstoß gegen § 82 GmbHG haften 38 Klassisches Beispiel dafür bildet die Außenfinanzierung einer kriselnden Gesellschaft durch eine Bank.

Diese Haftung des echten Dritten stützt sich dogmatisch auf die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht 39 Demnach ist der Dritte zur Rückstellung einer an ihn erbrachten Leistung (Kreditzinsen, Sicherheiten etc) verpflichtet, wenn das vertretungsbefugte Organ der Gesellschaft (bewusst) entgegen dem Einlagerückgewährverbot handelt und der Dritte dies weiß oder sich ihm dieses Wissen „geradezu aufdrängen“ muss (grob fahrlässige Unkenntnis).40

2.2.2. „Erkundigungspflichten“ und wie ihnen entsprochen werden kann

Muss sich das Wissen um einen Verstoß gegen § 82 GmbHG dem Dritten geradezu aufdrängen, treffen ihn Nachforschungsob-

34 RIS-Justiz RS0060403; RS0105518; Köppl in U. Torggler, Kurzkommentar zum GmbHG (2014) § 82 Rz 8 ff mwN.

35 Vgl insb RIS-Justiz RS0105540 (T4).

36 Zur Unterscheidung echter und unechter Dritter etwa Kalss, Kredite und Sicherheiten im Lichte der Einlagenrückgewähr, in Konecny, Insolvenz-Forum 2015 (2016) 125 (129); Köppl, Verbot der „Einlagenrückgewähr“ unter besonderer Berücksichtigung Dritter (2014) 49 ff, 104 ff, 111 ff

37 Siehe etwa OGH 4 Ob 2078/96h (Fehringer); 4 Ob 2328/96y; 6 Ob 271/05d; 2 Ob 225/07p; 6 Ob 14/14y; 17 Ob 5/19p; 6 Ob 89/20m.

38 RIS-Justiz RS0105536.

39 RIS-Justiz RS0105536.

40 Vgl zunächst OGH 4 Ob 2078/96h; zuletzt 6 Ob 89/20m; aA etwa Köppl, Einlagenrückgewähr 126.

liegenheiten, die häufig als Erkundigungspflichten bezeichnet werden. Die ältere Rechtsprechung41 ging dabei recht weit und nahm zunächst eine allgemeine Erkundigungspflicht Dritter an. Das wurde in der Literatur zu Recht als verkehrsfeindlich und viel zu weitgehend kritisiert.42 Die Folgejudikatur entschärfte die allgemeine Erkundigungspflicht daraufhin: Eine Erkundigungsund Prüfpflicht des Dritten besteht nicht für alle Fälle denkmöglicher Einlagenrückgewähr, sondern nur dort, wo sich der Verdacht schon so weit aufdrängt, dass er nahezu einer Gewissheit gleichkommt.43

Eine Erkundigungspflicht besteht demnach etwa, wenn sich eine GmbH ohne Gegenleistung für Kredite an verschiedene Gesellschaften aus einer doppelstöckigen GmbH & Co KG verbürgt und keine relevante Geschäftsbeziehung zu diesen anderen Gesellschaften besteht, sondern lediglich der Mehrheitsgesellschafter der GmbH auch an diesen beteiligt ist („Strohmann“).44 Auch bei einem „leveraged-“ oder „management-buy-out“ wird eine Nachforschungsobliegenheit des Dritten angenommen.45 Gleiches gilt, wenn dem Dritten die Gesellschafts- sowie finanziellen Verhältnisse der beteiligten Parteien bekannt sind und er weiß, dass die Besicherung der Kreditfinanzierung dem Gesellschafter zugutekommt (zB Besicherung eines Privatkredits), ohne dass der besichernden Gesellschaft daraus ein Vorteil erwächst.46 Umgekehrt besteht keine Nachforschungsobliegenheit, wenn eine betriebliche Rechtfertigung47 prima vista plausibel erscheint und auch sonst keine zweifelerweckenden Verdachtsmomente gegeben sind.48

Maßgeblich sind aber stets die Umstände des Einzelfalls 49 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Drittwirksamkeit der verbotenen Vermögensauskehr zwar iZm Banken entwickelt wurde, aber ganz allgemein für Dritte gilt.50 Dogmatisch wird die Nachforschungsobliegenheit im Kapitalerhaltungsrecht bisweilen mit einer Parallele zum Eigenkapitalersatzrecht begründet:51 Dort können Nachforschungsobliegen-

41 OGH 4 Ob 2078/96h; vgl dazu statt vieler Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, Aktiengesetz I3 (2021) § 52 Rz 55a mwN.

42 Karollus, Gedanken zur Finanzierung im Konzern und zur Reichweite des Ausschüttungsverbotes, ecolex 1999, 323; U. Torggler/H. Torggler, 15 Jahre „Fehringer“, in FS Jud (2012) 723 (738) mwN.

43 Das schon wegen der Komplexität eines Fremdvergleichs (OGH 6 Ob 271/05d [Strickwarenerzeugung]). Noch restriktiver ist der OGH bei Cash Pooling (vgl OGH 17 Ob 5/19p [Cash Pooling]).

44 OGH 7 Ob 35/10p.

45 Vgl bei Köppl, Einlagenrückgewähr 124 mwN.

46 OGH 6 Ob 271/05d ÖBA 2006, 293 (Karollus); Saurer in Doralt/Nowotny/ Kalss, AktG I3 § 52 Rz 55a mwN.

47 Dh, wenn besondere betriebliche Gründe im Interesse der Gesellschaft die objektive Wertinäquivalenz des Geschäfts aufwiegen und das Geschäft auch mit einem Außenstehenden geschlossen worden wäre; vgl RIS-Justiz RS0120438; OGH 6 Ob 271/05d JBl 2006, 388 (Artmann).

48 RIS-Justiz RS0105536 (T5); vgl auch Chladek/Seeber/Stenzel, Einlagenrückgewähr: Die Erkundigungs- und Prüfpflicht der Bank darf nicht überspannt werden, GesRZ 2019, 401 (403).

49 OGH 6 Ob 48/17b NZ 2017/79.

50 OGH 6 Ob 89/20m.

51 Dazu U. Torggler/H. Torggler in FS Jud 723 (741); vgl auch Mohr in Dellinger/ Mohr, EKEG Kurzkommentar (2004) § 2 Rz 9 f, § 16 Rz 6 ff, 14.

ZIK 1/2023 17 BEITRÄGE ART.-NR.: 8 zik.lexisnexis.at

heiten iZm gesellschafterbesicherten Drittdarlehen bestehen (§ 16 EKEG).52

Besteht nun eine Erkundigungspflicht iZm dem Kapitalerhaltungsrecht, hat der Dritte sich bei den Beteiligten jedenfalls zu erkundigen. Konkret ist etwa bei einem Geschäft, das zum Vorteil eines anderen abgeschlossen wird (zB Besicherung eines Privatkredits des Gesellschafters durch die Gesellschaft), nach der Gegenleistung zu fragen.53 Damit soll der Dritte lediglich die Plausibilität des Rechtsgeschäfts feststellen und darf sich auf nicht offenkundig unrichtige Auskünfte verlassen.54 Die Anforderungen an die Nachforschungen sind damit eher gering (vgl das uE strengere Insolvenzanfechtungsrecht oben 2.1.3.). Unterlässt der Dritte indes die gebotenen Erkundigungen, kann ihm eben dieser Verstoß entgegengehalten werden und das Rechtsgeschäft unwirksam sein.55

3. Persönliche Haftung des Geschäftsführers bei Missachtung von Sorgfaltspflichten im Innenverhältnis

Die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts kann die solvente Gesellschaft am Vermögen schädigen56 und ihr Geschäftsleiter könnte ihr für diesen Schaden gem § 25 GmbHG (bzw § 84 AktG) wegen Sorgfaltswidrigkeit haften.57 Der anzulegende Sorgfaltsmaßstab richtet sich dabei nach den Fähigkeiten und Kenntnissen, die von einem „ordentlichen“ Geschäftsleiter im jeweiligen Geschäftszweig und nach der Größe des Unternehmens üblicherweise erwartet werden können.58

Ergänzt wird dieser allgemeine Sorgfaltsmaßstab durch die in § 25 Abs 1a GmbHG normierte BJR, nach der eine unternehmerische Entscheidung sorgfältig ist, wenn die Geschäftsführung „sich nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf Grundlage angemessener Informationen annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Sie determiniert damit einen haftungsfreien Ermessensspielraum für unternehmerische Entscheidungen.59 Zentrale Voraussetzung der BJR ist, dass die Entscheidung auf angemessener Information gründet.60 Welche Informationen einzuholen sind und welcher Aufwand dafür erforderlich ist, ist einmal mehr einzelfallabhängig. Fest steht aber, dass der

52 Ein „gesellschafterbesicherter“ Gläubiger hat nur einen eingeschränkten unmittelbaren Zugriff auf den Schuldner, wenn er bestimmten Nachforschungsobliegenheiten im Hinblick auf den Reorganisationsbedarf der Gesellschaft nachkommt.

53 OGH 7 Ob 35/10p.

54 RIS-Justiz RS0105536 (T5); vgl auch Köppl, Einlagenrückgewähr 123.

55 Siehe nur OGH 4 Ob 2078/96h.

56 Vgl etwa hinsichtlich einer Bank iZm dem Kapitalerhaltungsrecht OGH 6 Ob 48/12w (Kneisz I) und 1 Ob 28/15x (Kneisz II).

57 RIS-Justiz RS0060031; Kraus/U. Torggler in U. Torggler, GmbHG § 25 Rz 22 ff mwN; vgl zu einer potenziellen Außenhaftung OGH 6 Ob 61/21w.

58 Kraus/U. Torggler in U. Torggler, GmbHG § 25 Rz 1, 9 ff; Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, WK-GmbHG (139.–141. Lfg; 2022) § 25 Rz 24 ff, je mwN.

59 Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht2 (2017) Rz 3/444.

60 J Reich-Rohrwig/C. Grossmayer/K. Grossmayer/Zimmermann in Artmann/ Karollus, Kommentar zum AktG II6 (2018) § 84 Rz 186.

Geschäftsführer auf Grundlage der beschafften Informationen ex ante davon ausgehen dürfen muss, dass der Abschluss des Geschäfts dem Wohle der Gesellschaft dient. Dies kann selbst beim Risiko eines Nachteils der Fall sein, wenn diesem eine entsprechende unternehmerische Chance gegenübersteht. Lediglich grob fahrlässige Fehleinschätzungen führen zur Haftung 61

Bei der Frage nach der Angemessenheit der Entscheidungsgrundlage sind etwa die wirtschaftliche Tragweite der Entscheidung sowie die Komplexität des Sachverhalts zu berücksichtigen.62 Demgemäß sind die Informationsobliegenheiten bei wirtschaftlich bedeutenden Entscheidungen verschärft 63 Wie fundiert die Entscheidungsgrundlage letztlich sein muss, hängt aber auch von der für die Entscheidungsfindung zur Verfügung stehenden Zeit ab.64 In einer uE auch für die Geschäftsleiterhaftung relevanten Entscheidung verneinte der OGH etwa eine Pflichtverletzung von Aufsichtsratsmitgliedern einer AG unter Verweis darauf, dass weitergehende Untersuchungen aufgrund eines massiven Zeitdrucks (dort: börsenrechtliche Publizitätspflichten) nicht möglich waren.65 Zudem wird für zulässig erachtet, „in einer Phase relativer Unsicherheit“ ohne weitere Informationsbeschaffung zu entscheiden, wenn die Kosten hierfür nicht mit dem zu erwartenden Nutzen korrelieren.66

Gelangt man nach einer Beurteilung dieser Kriterien zum Ergebnis, dass die Entscheidungsgrundlage angemessen war, wird der Geschäftsleiter von einer allfälligen Haftung befreit. Andernfalls ist die Innenhaftung nach § 25 Abs 1 GmbHG zu prüfen.67

4. Zusammenspiel der Sorgfaltspfl ichten der Gesellschaft im Außenverhältnis und ihrer Geschäftsleiter im Innenverhältnis

Es verbleibt damit noch zu klären, in welchem Verhältnis die Nachforschungsobliegenheiten auf Ebene der Gesellschaft (oben 2.) zu den Informationsbeschaffungsobliegenheiten der Geschäftsleiter (soeben bei 3.) stehen. Entscheidend sind dafür die Parameter, die von den jeweils einschlägigen Normen gesetzt werden. Dabei lassen sich wesentliche Unterschiede ausmachen. Verdeutlichen lassen sich diese etwa am Beispiel der Nachforschungsobliegenheiten des Insolvenzanfechtungsrechts: Dort wird iW nämlich schlicht nach der Person des AnfG unterschieden, welche Indizien welche Nachforschungsobliegenheiten auslösen. Andere Kriterien, insb wirtschaftliche Aspekte des Rechtsgeschäfts allein aus Sicht der solventen Gesellschaft oder

61 Siehe zB Winner in Kalss/Frotz/Schörghofer, Handbuch für den Vorstand (2017) § 41 Rz 41.

62 Karollus, Gesellschaftsrechtliche Verantwortlichkeit von Bankorganen bei Kredit- und Sanierungsentscheidungen – zugleich ein Beitrag zur Business Judgment Rule (§ 84 Abs 1a AktG und § 25 Abs 1a GmbHG), ÖBA 2016, 252 (257 f) mwN.

63 J Reich-Rohrwig/C. Grossmayer/K. Grossmayer/Zimmermann in Artmann/ Karollus, AktG II6 § 84 Rz 187 mwN.

64 Schrank/Kollar, Business Judgment Rule, CFO aktuell 2016, 117 (118).

65 OGH 7 Ob 58/08t.

66 Karollus, ÖBA 2016, 252 (258).

67 Karollus, ÖBA 2016, 252 (258).

18 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 8 zik.lexisnexis.at

die Dringlichkeit des Abschlusses, finden indes keine Berücksichtigung. Demgegenüber ist im Rahmen der Geschäftsführerhaftung – neben der Größe der Gesellschaft und den generell möglichen Erkundigungen – vor allem auf die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsgeschäfts sowie auf die zur Informationsbeschaffung verfügbare Zeit abzustellen.

Diese unterschiedlichen Parameter lassen es uE zu, dass ein Rechtsgeschäft mangels ausreichender Nachforschungen zwar anfechtbar sein kann, der Geschäftsleiter des AnfG im Innenverhältnis aber nicht für einen daraus entstehenden Schaden einzustehen hat. Grund dafür kann etwa sein, dass das Risiko, dass der Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits materiell insolvent war, im Vergleich zu den Chancen, die der Vertragsabschluss für die Gesellschaft aus einer Ex-ante-Perspektive mit sich bringt, untergeordnet werden durfte und dass gleichzeitig die Einholung weiterer Informationen diese Chancen konterkariert hätte. Zu berücksichtigende wirtschaftliche Chancen können vielfältig sein und bspw in Form von weiteren günstigen Vertragsabschlüssen mit verbundenen Unternehmen des (insolventen) Vertragspartners bestehen.

Die Verletzung von Nachforschungspflichten im Außenverhältnis kann also nicht mit einer Verletzung von Informationsbeschaffungsobliegenheiten im Innenverhältnis gleichgesetzt werden und führt daher auch nicht re flexartig zu einer Haftung der Geschäftsleitung. Vielmehr ist der Vertragsabschluss, der auf rudimentärer Informationsgrundlage beruht, als eigene unternehmerische Entscheidung einzustufen, deren Sorgfaltsgemäßheit (auch) nach der BJR zu beurteilen ist.68 Denkbar ist daher sogar, dass auch ein Geschäft, von dem der Geschäftsleiter weiß, dass es anfechtbar ist, trotzdem nicht zu einer Innenhaftung führt. Voraussetzung ist dafür freilich, dass er seine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen sachkundig und unbefangen getroffen hat.

Der Grund dafür ist uE vornehmlich darin zu erblicken, dass die Bestimmungen, aus denen die Nachforschungs- bzw Informationsbeschaffungsobliegenheiten folgen, unterschiedliche Zwecke verfolgen: Das Insolvenzanfechtungs- und das Kapitalerhaltungsrecht bezwecken den Schutz der Gesellschaftsgläubiger 69 Die Haftungsbestimmung des § 25 GmbHG stellt

68 Ob auch die Beurteilung, ob überhaupt eine Nachforschungsobliegenheit besteht, eine unternehmerische Entscheidung ist, ist weitaus weniger eindeutig (vgl zur Anwendung der BJR auf juristische Fragen Karollus, ÖBA 2016, 252 [257]).

69 Das Kapitalerhaltungsrecht bezweckt neben dem Schutz der Gläubiger insb auch den Schutz der (Minderheits-)Gesellschafter; vgl idS zB OGH 3 Ob 167/16d; Koppensteiner in Koppensteiner/Rüffler, GmbHG Kommentar3 (2007) § 83 Rz 4.

hingegen primär auf das Wohl der Gesellschaft ab. Mittelbar bezweckt auch dies den Schutz der Gesellschaftsgläubiger, deren Haftungsfonds erhalten bleiben soll. In erster Linie bezieht sich der Schutzzweck der Norm allerdings auf den (Innen-)Bereich der Gesellschaft 70 Während die Geschäftsführerhaftung damit zwar einerseits Schäden der Gesellschaft verhindern soll, darf sie andererseits wirtschaftliches Handeln der Geschäftsführer nicht durch ein übermäßiges Haftungsrisiko verhindern.

5. Fazit

Aufgrund der unterschiedlichen Vorgaben des Insolvenzanfechtungs- und des Kapitalerhaltungsrechts einerseits und der BJR andererseits geht die Unwirksamkeit eines Vertrags aufgrund eines Verstoßes gegen §§ 27 ff IO oder §§ 82 f GmbHG nicht zwingend Hand in Hand mit einer Innenhaftung der Geschäftsleitung. Letztere ist insb auch nach den zeitlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. Derartige Umstände bleiben hinsichtlich der Nachforschungsobliegenheiten, die sich aus dem Insolvenzanfechtungs- und dem Kapitalerhaltungsrecht ergeben, indes außer Betracht.

70 Vgl idS zB Arnold, Geschäftsführerhaftung – gesellschaftsrechtliche Grundlagen, GesRZ 2014, 122.

Der Autor:

Dr. Felix Loewit ist Rechtsanwaltsanwärter bei Schönherr Rechtsanwälte GmbH und spezialisiert auf Gesellschafts- und Insolvenzrecht. Zuvor war er Universitätsassistent am Institut für Zivilgerichtliches Verfahren an der Universität Innsbruck.

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Die Autorin: Mag. Miriam Simsa ist Partnerin bei Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien. Sie hat sich auf die Bereiche Insolvenzrecht, Restrukturierungen sowie Finanzierungen spezialisiert. Sie berät seit mehr als 10 Jahren österr und internationale Unternehmen zu allen Aspekten im Zusammenhang mit notleidenden Kreditnehmern, einschließlich Refinanzierungen und Kreditverkäufen.

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ZIK 1/2023 19 BEITRÄGE
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ART.-NR.: 8
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Zum Stimmrecht des Kurators gemäß § 95a IO im Insolvenzverfahren

»ZIK 2023/9

Der mit dem PfandBG1 neu eingeführte § 95a IO normiert Aufgaben und Kompetenzen von Kuratoren, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Geltendmachung der Forderungen gewisser Gläubigergruppen zu bestellen sind. Das Recht der einzelnen Gläubiger, ihre Forderungen selbst anzumelden, bleibt allerdings ausdrücklich unberührt. Im vorliegenden Beitrag werden Fragen zum Stimmrecht des Kurators sowie zur Handhabung einer parallelen Geltendmachung der Forderungen durch einzelne Gläubiger untersucht.

1. Einleitung und Problemaufriss

In Insolvenzverfahren von Anbietern gewisser Finanz-, Versicherungs- und Vorsorgeprodukte hat das Insolvenzgericht – abseits der üblichen Maßnahmen – auch einen Kurator zu bestellen (vgl § 310 Abs 1 VAG; § 26 Z 5 PfandBG; § 1 KurG; § 23 Abs 7 DepotG; § 37 Abs 1 BMSVG; § 38 Abs 1 PKG). Diesem obliegt die Geltendmachung der Forderungen spezifischer Gläubigergruppen (wie etwa Inhabern von Teilschuldverschreibungen oder bestimmten Versicherungsnehmern), deren Beteiligung am Verfahren auf diese Weise gebündelt und vereinfacht werden soll. Während die Regeln für solche Kuratoren bisher in Einzelgesetzen verstreut waren, wurde im Zuge der Schaffung des PfandBG mit § 95a IO eine einheitliche Rechtsgrundlage in die IO eingefügt (wobei der insoweit relativ moderne § 310 VAG hier nahezu wortgleich übernommen wurde). § 95a IO regelt neben Aufgaben und Kompetenzen (Abs 1) sowie dem Anspruch auf Auslagenersatz (Abs 3) auch das Stimmrecht des Kurators in Gläubigerversammlungen (Abs 2).

Die nunmehr (scheinbar) einheitliche Regelung der Rechte und Aufgaben von anlässlich der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu bestellenden Kuratoren darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Norm auf sehr heterogene Sachverhalte zur Anwendung kommt: Betroffen sind etwa Insolvenzen von Emittenten von Teilschuldverschreibungen (§ 1 KurG; § 26 Z 5 PfandBG), die als Wertpapiere auf dem Markt handelbar sind, weshalb bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die genaue Anzahl und Identität der Teilschuldverschreibungsinhaber typischerweise unbekannt ist.2 Ein

1 Pfandbriefgesetz BGBl I 2021/199; für einen Überblick s Kleinert, Pfandbriefgesetz 2022, ÖJZ 2022/95, 777; Pariasek, Das neue Pfandbriefgesetz, ZIK 2022/137, 133.

2 Vgl statt vieler Kalss, Anlegerinteressen – Der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt (2001) 406.

Kurator ist aber auch in der Insolvenz von Verwahrern von Wertpapieren oder Kommissionären zum Einkauf von Wertpapieren (§ 23 Abs 1 DepotG), von gewissen Versicherungsunternehmern (§ 310 Abs 1 S 1 VAG) sowie von Pensionskassen (§ 38 Abs 1 PKG) und betrieblichen Vorsorgekassen (§ 37 Abs 1 BMSVG) zu bestellen. In diesen Konstellationen (ebenso wie in der Insolvenz von Emittenten gedeckter Teilschuldverschreibungen) haben die Gläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus einer Sondermasse (etwa dem Deckungsstock nach § 300 VAG oder der Sondermasse nach § 26 Z 1 PfandBG). Sowohl der Umfang dieser Sondermasse als auch Anzahl und Ausmaß der übrigen Absonderungsrechte sind für einzelne Gläubiger in aller Regel aber kaum zu ermitteln, weshalb sie nur schwer sinnvoll entscheiden können, inwieweit sie – aufgrund einer möglichen Doppelstellung als Insolvenz- und Absonderungsgläubiger – ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden sollen. In diesen Fällen kann die gemeinsame Geltendmachung durch einen Kurator daher eine erhebliche praktische Vereinfachung darstellen.3

Der vorliegende Beitrag behandelt das Stimmrecht des Kurators in den Gläubigerversammlungen. Zu klären ist dabei zunächst, in welchem Verhältnis die jüngere lex generalis des § 95a IO zu den teils deutlich älteren sondergesetzlichen leges speciales steht (s 2.). Untersucht werden soll – nach einer Darstellung des Stimmrechts in „gewöhnlichen“ Gläubigerversammlungen (s 3.1.) – weiters, wie eine (nunmehr ausdrücklich zulässige) parallele Geltendmachung der Forderungen durch einzelne Gläubiger zu handhaben ist und welche Auswirkungen dies auf die bereits erfolgte Anmeldung durch den Kurator oder gar auf laufende Prüfungsprozesse hat (s 3.2.). Und schließlich stellt sich in manchen Fällen zusätzlich die Frage nach dem Kopfstimmrecht des Kurators in einer Sanierungsplantagsatzung (s 3.3.).

2. Allgemeines und Verhältnis des § 95a IO zu sondergesetzlichen Bestimmungen

Die Bestellung des Kurators selbst ist nicht in der IO, sondern in Sondergesetzen (etwa § 26 Z 5 PfandBG; § 1 KurG; § 310 Abs 1 S 1 VAG) normiert. § 95a IO knüpft erst an die bereits erfolgte Bestellung an und regelt einen für alle Arten von Kuratoren geltenden „Grundstock“ an insolvenzrechtlichen Aufgaben und Kompetenzen, der wiederum durch die einzelnen Materiengesetze ergänzt bzw verdrängt wird. IZm dem Stimmrecht des Kurators ist

20 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 9 zik.lexisnexis.at
3 Vgl Erläut KurG 12 BlgStenProt Herrenhaus VIII 47 (56); Reisch in Kalss/Moser, Kuratorengesetz (2018) § 9 Rz 7. Univ.-Prof. Dr. Philipp Anzenberger • Innsbruck

ART.-NR.: 9

zunächst einmal das Verhältnis von § 95a IO zu den genannten sondergesetzlichen Anordnungen zu klären. Denn während § 95a Abs 1 Z 1 IO normiert, dass das Recht der Gläubiger, ihre Forderungen selbst anzumelden, unberührt bleibt, sehen § 9 KurG, § 38 Abs 1 PKG und § 37 Abs 1 BMSVG (weiterhin) vor, dass die entsprechenden Ansprüche nur vom Kurator geltend gemacht werden können. Es muss daher unter Heranziehung des auch sonst relevanten Auslegungsmaterials untersucht werden, ob die neue lex generalis den früheren leges speciales derogiert oder ob diese unberührt bleiben und weiterhin Ausnahmen zu ihr bilden.4

Die verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit der in Sondergesetzen angeordneten Beschneidung der Gläubigerrechte wurde im Schrifttum bereits vor Schaffung des PfandBG ausführlich diskutiert,5 worauf der Gesetzgeber nun ausdrücklich reagierte: In den Erläuternden Bemerkungen zu § 95a IO hält er fest, dass dessen Abs 1 dem „§ 309 VAG nachgebildet“ sei; dies berücksichtige „die Kritik am Kuratorengesetz, dass das Anmelderecht ausschließlich dem Kurator zusteht“.6 Dass § 9 Abs 1 KurG nicht formell außer Kraft gesetzt wurde (sondern nur der ebenfalls auf diese Konstellationen anwendbare § 5 IEG aF), dürfte wohl ein Versehen des Gesetzgebers darstellen. Allerdings ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zumindest für den Anwendungsbereich des PfandBG (also für die Insolvenz von Emittenten gedeckter Teilschuldverschreibungen), dass die lex posterior des § 95a Abs 1 Z 1 IO der lex specialis des § 9 KurG derogiert.

In dieser Frage ist mE aber auch einer Derogation der sonstigen sondergesetzlichen Bestimmungen (also etwa § 9 KurG betreffend die Insolvenz der Emittenten ungedeckter Teilschuldverschreibungen, § 38 Abs 1 PKG und § 37 Abs 1 BMSVG) durch § 95a Abs 1 Z 1 IO das Wort zu reden: Zwar dürfte der Gesetzgeber bei Scha

ffung des PfandBG die Insolvenz von Pensionskassen oder betrieblichen Vorsorgekassen nicht bedacht haben, allerdings verfangen zahlreiche der zum KurG geäußerten verfassungsund europarechtlichen Bedenken (betreffend das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit sowie die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs)7 auch in diesen Fällen. Auch aus dem Umstand, dass der insoweit deutlich modernere § 310 VAG nun in die generelle Bestimmung des § 95a IO übernommen wurde, lässt sich durchaus eine gesetzgeberische Werthaltung ableiten, die in diesem Punkt einen Vorrang der lex posterior gegenüber den genannten leges speciales nahelegt, sodass in diesem Punkt eine generelle Anwendbarkeit des § 95a Abs 1 Z 1 S 3 IO überzeugend ist.

4 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 573.

5 Dazu umfassend etwa Reindl, Kuratorengesetz: Darf ein Gesetz einem Investor einen Kurator aufzwingen? JBl 2012, 409 (417 ff ); s auch Baier, Unternehmensanleihen im österreichischen (Privat)recht (2016) 90 ff; Fellner/Schmutzer, Unter der Kuratel, ÖBA 2015, 105 (109); Weber in Kalss/ Moser, Kuratorengesetz § 1 Rz 76; vgl auch Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 7, für den verfassungsrechtliche Bedenken nicht nachvollziehbar sind.

6 ErläutRV 1029 BlgNR 27. GP 16.

7 Vgl Baier, Unternehmensanleihen 90 ff; Fellner/Schmutzer, ÖBA 2015, 105 (109); Reindl, JBl 2012, 409 (417 ff ); Weber in Kalss/Moser, Kuratorengesetz § 1 Rz 76; vgl auch Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 7, für den verfassungsrechtliche Bedenken nicht nachvollziehbar sind.

3. Das Stimmrecht von Kuratoren nach § 95a IO

3.1. Stimmrecht des Kurators in „gewöhnlichen“ Gläubigerversammlungen

Das Stimmrecht des Kurators in Gläubigerversammlungen ist in § 95 Abs 2 IO genauer ausgestaltet: Dieses kommt ihm grundsätzlich nach Maßgabe des § 93 Abs 2 IO zu, also nur, soweit er ein solches Stimmrecht begehrt, und nur für jenen Teil der Forderung, welcher voraussichtlich durch die anderweitige Geltendmachung nicht gedeckt ist. Diese Einschränkungen gelten gem § 95a Abs 2 IO allerdings dann nicht, wenn es sich bei der Abstimmung um Angelegenheiten handelt, die lediglich die zur vorzugsweisen Befriedigung der von ihm vertretenen Gläubiger gewidmeten Vermögensstücke betreffen. Soweit der Kurator die Forderungen von Inhabern gedeckter Teilschuldverschreibungen geltend macht, hat er diese nach Pariasek bedingt anzumelden, weil (mangels vorzeitiger Fälligstellung der Forderungen; vgl § 26 Z 3 PfandBG) vor Ende der regulären Laufzeit der Schuldverschreibung nicht feststehe, inwieweit der Deckungsstock zur Befriedigung aller Anleihegläubiger ausreicht.8 In diesem Fall nimmt er gem § 93 Abs 3 IO zunächst an der Abstimmung teil; ist seine Stimme ausschlaggebend, so hat das Gericht gem § 93 Abs 4 IO eine Stimmrechtsentscheidung zu treffen.

Der Umfang des Stimmrechts des Kurators in „gewöhnlichen“ Gläubigerversammlungen richtet sich gem § 95a Abs 1 iVm § 92 Abs 1 IO nach dem Betrag der Forderungen. Dieser ist vom Kurator zu ermitteln (vgl § 95a Abs 1 Z 1 IO), was in den meisten Fällen bereits mithilfe der in § 95a Abs 1 Z 2 IO vorgesehenen Einsichtsrechte möglich sein wird. Er kann also im Ausmaß der kumulierten angemeldeten und anerkannten Forderungen an der Abstimmung teilnehmen,9 wobei das Stimmrecht in vielen Konstellationen aufgrund der vorzugsweisen Befriedigungsmöglichkeiten aus den genannten Sondermassen (vgl 1.) stark beschränkt sein wird (vgl § 93 Abs 2 IO). Im Fall einer gänzlichen oder teilweisen Bestreitung hat eine Stimmrechtsprüfung nach § 93 Abs 4 IO zu erfolgen.10

3.2. Sonderproblem: Gesonderte Anmeldung durch einzelne Gläubiger

Gem § 95a Abs 1 Z 1 IO bleibt das Recht der Gläubiger, ihre Forderungen selbst anzumelden, unberührt. Der Wortlaut der Bestimmungen spricht zwar nur von der „Anmeldung“ der Forderungen, dieses Recht muss aber die gesamte Geltendmachung der Forderung mit all den dafür vorgesehenen insolvenzrechtlichen Instrumenten (also auch die Bestreitung anderer Insolvenzforderungen oder die Erhebung einer Prüfungsklage) umfassen.11

8 Pariasek, ZIK 2022/137, 133 (136).

9 Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 26.

10 Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 26.

11 Reisch in Kalss/Moser, Kuratorengesetz § 6 Rz 17.

ZIK 1/2023 21 BEITRÄGE
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Zur Frage, was im Fall einer parallelen Anmeldung von Kurator und Gläubiger geschehen soll, findet man im Schrifttum unterschiedliche Aussagen: Sofern sowohl der Kurator als auch der Gläubiger die Forderung anmelden, allerdings inhaltliche Divergenzen in Bezug auf die Forderungshöhe bestehen, soll nach Korinek/Reiner (die sich hier zum VAG äußern) – parallel zur entsprechenden expliziten Regelung in § 317 Abs 3 S 3 dVAG – „bis zur Klärung“ die für den Gläubiger jeweils günstigere Anmeldung gelten.12

Demgegenüber vertreten Pariasek13 und Reisch, 14 dass der Kurator seine Gesamtforderungsanmeldung um die zwischenzeitig erfolgte „eigene“ Anmeldung der Gläubiger einzuschränken habe. Im Fall einer vom Kurator erhobenen Prüfungsklage habe dieser nach Reisch bei späterer eigener Anmeldung durch den Gläubiger um den selbst angemeldeten Betrag einzuschränken.15

Nun scheint die Frage, welche verfahrensrechtlichen Konsequenzen die gesonderte Geltendmachung einer Forderung durch einzelne Gläubiger haben soll, stark mit der Ausgestaltung der Rechtsstellung des Kurators zusammenzuhängen. Insb kommt es zur Lösung der prozessualen Problemstellungen darauf an, ob der Kurator eigene oder fremde Rechte geltend macht und ob er in eigenem oder in fremdem Namen tätig wird. Im jüngeren Schrifttum wird mittlerweile überwiegend die Position vertreten, dass er als Vertreter der Gläubiger auftrete (wobei die konkrete Frage seiner Rechtsnatur allenfalls am Rand thematisiert wird),16 teils wurde auch der Annahme einer Treuhandschaft das Wort geredet.17 Kalss und ihr folgend Reisch sprechen – in Bezug auf das KurG – hingegen von einem „gesetzlichen Schuldverhältnis mit auftragsrechtlichen Elementen“.18 Der OGH ließ diese Frage in seiner E 8 Ob 7/05w jedenfalls ausdrücklich offen, wenngleich man der Formulierung „Selbst

12 Korinek/Reiner in Korinek/G. Saria/S. Saria, Kommentar zum Versicherungsaufsichtsgesetz (29. Lfg; 2018) § 310 Rz 9.

13 ZIK 2022/137, 133 (138).

14 In Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 (2023) § 95a Rz 11.

15 Reisch in KLS, IO2 § 95a Rz 11.

16 Zum KurG etwa Abel, Kopfstimme(n) des Teilschuldverschreibungskurators im Insolvenzverfahren, ZIK 2011/178, 133 (133 f); Höller/Steger, Das Stimmrecht des Kurators der Anleihegläubiger in der Sanierungsplantagsatzung, ZIK 2011/179, 135 (135 ff ); Kalss in Kalss/Moser, Kuratorengesetz § 9 Rz 50 ff; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 (2015) § 34 Rz 67; wohl auch Brandl/Klausberger, GesRZ 2016, 224 (227; Entscheidungsanmerkung); vgl schon Pollak, Ueber die active Klagslegitimation der Besitzer fälliger Coupons von Theilschuldverschreibungen, JBl 1892, 543 (544); Wentzel/Piegler in Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch I/22 (1962) 530 f; zum VAG etwa Korinek in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht Erster Zusatzband (2009) § 93 VAG Rz 3; zum BMSVG Neubauer/Rath in Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka, Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (2008) § 37 Rz 2; vgl allgemein zum Kurator für unbekannte Personen Mondel, Das Recht der Kuratoren3 (2021) Rz 9.15 f; der Gesetzgeber des 2. Erwachsenenschutzgesetzes schien ebenfalls von einer Vertreterstellung ausgegangen zu sein (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 47).

17 Zum KurG wohl Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts2 (1937) 345 f (wobei er das Wort „Treuhänder“ unter Anführungszeichen setzt und kurz darauf davon spricht, dass die Angelegenheiten „von einem gemeinsamen Vertreter im Namen aller“ erledigt werden sollen); im jüngeren Schrifttum Weitzenboeck in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar ABGB I5 (2018) § 277 Rz 13; vgl allgemein zur (ehemaligen) Kuratel für unbekannte Teilnehmer an einem Geschäft auch Wentzel/Piegler in Klang, ABGB I/22 276.

18 Kalss, Anlegerinteressen 409; ähnlich Reisch in Kalss/Moser, Kuratorengesetz § 6 Rz 11.

wenn man aber von einer ‚Treuhänderstellung‘ der Kuratorin ausgehen wollte, [...]“19 eine gewisse Präferenz für eine Klassifizierung als Vertreter entnehmen mag.20 Zumindest prima facie lässt sich keine der hierzu vertretenen Positionen gänzlich friktionsfrei auf alle Anwendungsfälle übertragen: Die Annahme einer fiducia (Vollrechtstreuhand), unter deren Zugrundelegung man den Kurator als Vollrechtsinhaber ansehen müsste, wäre etwa in der Insolvenz eines Emittenten von Teilschuldverschreibungen wenig überzeugend: So wollte der Gesetzgeber des KurG gerade verhindern, dass die Teilschuldverschreibungsinhaber ihr „Capital wie bei Eingehung eines gewöhnlichen Forderungsverhältnisses fixieren und auf die specifischen Vortheile des Inhaberpapiers verzichten“21 müssen. Daher solle im Insolvenzverfahren des Emittenten weiterhin ein Handel mit den Teilschuldverschreibungen möglich sein, was freilich mit dem Entzug des Vollrechts der Inhaber nur schwer vereinbar wäre. Ganz allgemein ließe sich gegen die Annahme jeglicher Treuhänderstellung uU weiters vorbringen, dass es in den vorliegenden Fällen keine (bei Treuhandverhältnissen grundsätzlich übliche)22 Treuhandabrede (sondern eine gerichtliche Bestellung) gibt, und dass auf die Beendigung der Tätigkeit des Kurators die Bestimmung des § 284 ABGB23 zur Anwendung zu bringen ist und nicht – wie bei der Treuhand herrschend vertreten24 – die §§ 1020 ff ABGB. Unumstößlich sind diese Argumente freilich nicht. Für die Annahme einer Ermächtigungstreuhand mag man demgegenüber ins Treffen führen, dass die Befugnisse des Treuhänders grundsätzlich (gleichberechtigt) neben jene des Treugebers treten,25 was gut mit der Anordnung in § 95a Abs 1 Z 2 IO („Das Recht der Gläubiger, die Forderungen selbst anzumelden, bleibt unberührt“) harmonieren würde (wenngleich auch ein Verständnis als Vertreter dem nicht entgegenstünde). Zudem ließen sich unter Zugrundelegung dieser Sichtweise gewisse Probleme bei der Ermittlung des Stimmrechts des Kurators in Sanierungsplantagsatzungen (dazu ausführlich in 3.3.) vermeiden. Die Klassifizierung des Kurators als Vertreter der Gläubiger muss, auf der anderen Seite, etwa damit kämpfen, dass – verfahrensrechtlich suboptimal – die Gläubiger in gewissen Konstellationen unbekannt sein können (vgl 1.), die Parteien im Verfahren (etwa in einem vom Kurator angestrengten Prüfungsprozess)26 aber grundsätzlich individu-

19 OGH 8 Ob 7/05w.

20 So etwa Reisch in Kalss/Moser, Kuratorengesetz § 6 Rz 17.

21 Erläut KurG 12 BlgStenProt Herrenhaus VIII 47.

22 Vgl etwa Baumgartner/Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Großkommentar zum ABGB – Klang-Kommentar3 (2019) § 1002 Rz 151; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1002 Rz 105 (Stand 1. 3. 2017, rdb.at); Umlauft, Die Treuhandschaft aus zivilrechtlicher Sicht, in Apathy, Die Treuhandschaft (1995) 18 (35).

23 Vgl § 6 Abs 1 KurG; s weiters etwa Mondel, Kuratoren3 Rz 3.8 ff, wonach die §§ 278–284 ABGB allgemein für Kuratoren, deren Bestellungsgrundlage außerhalb des ABGB liegt, zur Anwendung gelangen; zum KurG Reisch in Kalss/Moser, Kuratorengesetz § 6 Rz 3; Weber in Kalss/Moser, Kuratorengesetz § 1 Rz 135.

24 Baumgartner/Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang-Kommentar3 § 1002 ABGB Rz 197; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1002 Rz 128; Umlauft in Apathy, Treuhandschaft 18 (66 ff ).

25 Baumgartner/Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang-Kommentar3 § 1002 ABGB Rz 167; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1002 Rz 105. 26 Zur entsprechenden Kompetenz des Kurators vgl etwa Reisch in KLS, IO2 § 95a Rz 11.

22 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 9 zik.lexisnexis.at

ART.-NR.: 9

ell zu bezeichnen sind.27 Dem könnte wiederum entgegengehalten werden, dass das Verfahrensrecht – wie sich etwa an § 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG zeigt – durchaus mit dem Phänomen unbekannter Parteien umgehen kann.28 Eine abschließende Ermittlung der Rechtsstellung der von § 95a IO erfassten Kuratoren muss allerdings einer gesonderten Abhandlung vorbehalten bleiben, zumal hierfür eine differenzierte und tiefgehende Untersuchung aller Anwendungsfälle (mit uU unterschiedlichen Ergebnissen für verschiedene Typen von Kuratoren) erforderlich wäre. Für die Zwecke der weiteren Überlegungen scheint es insoweit am sinnvollsten zu sein, die Sichtweise der hA heranzuziehen und daher mit einem Verständnis des Kurators als Vertreter der Gläubiger zu operieren.

Nimmt man eine Stellung des Kurators als Vertreter an, so gilt im Fall der Forderungsanmeldung durch einzelne Gläubiger Folgendes: Aus dem Wortlaut des § 95a Abs 1 Z 1 IO ergibt sich eindeutig, dass einzelne Gläubiger auch während aufrechter Kuratel ihre Forderungen selbstständig geltend machen können. In einem solchen Fall hat das Insolvenzgericht mE den Wirkungskreis des Kurators gem § 284 Abs 2 ABGB von Amts wegen einzuschränken; einen entsprechenden Antrag kann freilich jeder Gläubiger auch unabhängig von einer allfälligen Forderungsanmeldung stellen. Hat der Kurator zu diesem Zeitpunkt die Forderungen bereits angemeldet, so ist eine neuerliche Anmeldung freilich entbehrlich, weil die Forderungsanmeldung durch den Kurator ohnehin im Namen der Gläubiger erfolgt ist.29 Eine weitere Anmeldung ist daher wegen Verfahrensanhängigkeit zurückzuweisen.30 Weicht die vom Gläubiger angemeldete Summe hingegen von jener in der vom Kurator vorgenommenen Anmeldung ab, so ist in der neuerlichen „Forderungsanmeldung“ eine Ausdehnung oder Einschränkung der ursprünglichen Anmeldung zu erblicken. In jedem Fall ist eine Einschränkung „seiner“ Anmeldung durch den Kurator – entgegen den Stimmen im Schrifttum31 – entbehrlich, weil es sich – aufgrund der Vertreterstellung des Kurators – um dieselbe materielle Forderung handelt (und diese ja weiterhin im Insolvenzverfahren angemeldet bleiben soll). Stattdessen ist lediglich das Anmeldungsverzeichnis (allenfalls auch um den bisher unbekannten Namen des Gläubigers) zu berichtigen 32 Auch in einem bereits geführten Prüfungsprozess ist daher keine Klagseinschränkung durch den Kurator vorzunehmen.33 Vielmehr ist diese Situation nach den Regeln zum Erlöschen der Vertretungsmacht zu lösen.34

27 Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen II/1 3 (2015) Vor § 1 ZPO Rz 8; vgl auch Konecny/Schneider in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/2 3 (2016) § 75 ZPO Rz 6.

28 Auch in der E OGH 8 Ob 7/05w stieß sich der achte Senat nicht daran, dass der Kurator als Vertreter für unbekannte Personen Verfahrenshandlungen gesetzt haben könnte.

29 So schon OGH 8 Ob 7/05w.

30 OGH 8 Ob 7/05w; vgl auch Konecny in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen (1. Lfg; 1997) § 102 KO Rz 8.

31 Pariasek, ZIK 2022/137, 133 (138); Reisch in KLS, IO2 § 95a Rz 11.

32 OGH 8 Ob 7/05w.

33 AA Reisch in KLS, IO2 § 95a Rz 11.

34 Vgl dazu Fink in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/3 3 (2015) § 158

ZPO Rz 12 (vgl auch Rz 20); Schumacher, Die Prozessvollmacht (2014)

3.3. Zum Stimmrecht des Kurators in der Sanierungsplantagsatzung

Zu klären bleibt, in welchem Ausmaß dem Kurator ein Kopfstimmrecht in Sanierungsplantagsatzungen zukommen soll. Vorauszuschicken ist, dass die meisten der hier infrage stehenden Insolvenzschuldner ohnehin nicht (in einem Insolvenzverfahren) sanierungsfähig sind: So kann etwa über das Vermögen von Kreditinstituten nach dem BWG, von Pensionskassen und von Versicherungsunternehmen kein Sanierungsverfahren eröffnet und im entsprechenden Konkursverfahren auch kein Sanierungsplan abgeschlossen werden (§ 82 Abs 1 BWG, § 37 Abs 1 und 2 PKG, § 309 Abs 3 und 4 VAG). Die Frage, in welchem Ausmaß dem Kurator ein Kopfstimmrecht zukommt, erübrigt sich daher in diesen Fällen. Soweit hingegen eine Sanierung möglich ist (etwa bei Emittenten ungedeckter Teilschuldverschreibungen, sofern diese nicht von einem Kreditinstitut, sondern einem „gewöhnlichen“ Unternehmer emittiert wurden), ist aber zu klären, wie viele Kopfstimmen dem Kurator bei der Abstimmung über den Sanierungsplan zukommen. Zu dieser Frage wurden im Schrifttum vor Inkrafttreten des PfandBG unterschiedliche Positionen bezogen: Einige Autoren vertraten eine analoge Anwendung des § 5 Z 6 IEG aF, 35 der einen Berechnungsschlüssel zur Ermittlung der Anzahl der Kopfstimmen des Kurators in Sanierungsplantagsatzungen von Emittenten bevorrechteter Schuldverschreibungen enthielt: Demnach gebührte dem Kurator je eine Stimme für den Betrag, der sich bei der Teilung der Summe der übrigen zur Abstimmung berechtigenden Forderungen durch die Anzahl der übrigen stimmberechtigten Gläubiger ergab. Teils wurde hingegen auch vertreten, dass dem Kurator nur eine Kopfstimme zustehe.36 Abstrakt gesprochen gäbe es zur Ermittlung der Kopfstimmen wohl drei Möglichkeiten: Entweder dem Kurator kommen Kopfstimmen in der Anzahl der von ihm vertretenen Gläubiger zu (was im Übrigen am besten mit der Sichtweise harmonieren würde, wonach der Kurator als Vertreter der Gläubiger auftritt). Das Problem dabei ist allerdings schon prima vista, dass im Fall der Teilschuldverschreibungen typischerweise sowohl Namen als auch Anzahl der Gläubiger unbekannt sind.37 Diese Option scheidet als generell tragfähige Lösungsvariante insoweit rein faktisch aus. Denkbar wäre weiters, dem Kurator Kopfstimmen anhand eines festgelegten Schlüssels zuzugestehen. Allerdings wurde die hierfür vorgeschlagene Analogiebasis (nämlich § 5 Z 6 IEG aF) mit dem PfandBG38 unter dem Hinweis aufgehoben, dass diese Bestimmung aufgrund der neuen Regelungen nicht mehr benötigt würde.39 Eine andere einschlägige Analogiebasis ist allerdings nicht ersichtlich,

Rz 425; vgl auch Zib in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/1

3 § 35 ZPO Rz 30; OGH 1 Ob 688/80 EFSlg 37.129.

35 Etwa Höller/Steger, ZIK 2011/179, 135 (136 f); Lang in Gratzl/Hausmaninger/Justich, Handbuch zur Aktiengesellschaft I2 (2017) Rz 179 f.

36 Abel, ZIK 2011, 133 (134); Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS, IO (2019) § 144 Rz 10.

37 Vgl Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 17.

38 Durch Art 9 BGBl I 2021/199.

39 ErläutRV 1029 BlgNR 27. GP 16.

ZIK 1/2023 23 BEITRÄGE
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weshalb auch dieser Lösungsweg – aus methodischen Gründen –versperrt bleibt (im Übrigen müsste natürlich auch ein entsprechender gesetzgeberischer Regelungsplan für die Annahme der Anwendbarkeit eines konkreten Schlüssels nachgewiesen werden, wogegen sich – der mittlerweile aufgehobene § 5 Z 6 IEG aF stammt ja noch aus dem Jahr 1914 – ebenfalls gute Gründe anführen ließen).40 Damit verbleibt nach derzeitiger Rechtslage eigentlich nur die Möglichkeit, dem Kurator bloß eine einzige Kopfstimme zuzugestehen. Auch diese Sichtweise hat allerdings mit gewissen Problemen zu kämpfen: Sollte der Kurator nämlich tatsächlich Vertreter der einzelnen Gläubiger sein, so wäre nicht recht einsichtig, warum ihm nicht – ebenso wie anderen Vertretern mehrerer Gläubiger41 –für jeden Vertretenen eine Kopfstimme zukommen soll. Dies ließe sich nur dann plausibel erklären, wenn man davon ausginge, dass der Kurator das Stimmrecht im eigenen Namen – also etwa als Treuhänder (dazu in 3.2.) – ausübt. Außerdem mag es seltsam anmuten, dass dem Kurator selbst bei Geltendmachung aller Forderungen nur eine Kopfstimme zukommen soll, während bei gesonderter Geltendmachung der Forderungen durch einzelne Gläubiger diesen wohl dennoch jeweils eine Kopfstimme zu gewähren ist (sodass es für dasselbe „Forderungsbündel“ im Fall der gesonderten Geltendmachung zu einer Vervielfachung der Kopfstimmen kommen könnte). Trotz dieser systematischen Schwierigkeiten sprechen aber auch einige Argumente für die Beschränkung des Stimmrechts des Kurators auf bloß eine Kopfstimme: Gewährte man dem Kurator mehr als eine Kopfstimme, so käme es sowohl auf Kapital- als auch auf Kopfstimmenseite zu einer Machtbündelung beim Kurator.42 Gerade dies soll durch das Erfordernis der doppelten Mehrheit in § 147 Abs 1 IO, der insoweit einen Ausgleich zwischen Groß- und Kleingläubigern bewirkt,43 aber verhindert werden. Denkbar wäre weiters, dass manche der vom Kurator vertretenen Gläubiger noch weitere individuelle Forderungen angemeldet haben, sodass demselben Gläubiger (bei Annahme mehrerer Kopfstimmen für den Kurator) dann funktional zwei Kopfstimmen zukämen, was allerdings im Widerspruch zu § 144 Abs 3 IO stünde.44 Auch die (aus § 144 Abs 3 IO abgeleitete) Notwendigkeit der einheitlichen Stimmrechtsausübung durch einzelne Gläubiger wäre auf diese Weise konterkariert.45 Schließlich wird von Abel angeführt, dass gem § 94 IO kein Stimmrecht für nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworbene Insolvenzforderungen zusteht, sodass – zumal der Handel mit Schuldverschreibungen auch nach Verfahrenseröffnung denkbar ist46 – das Kopfstimmrecht des Ku-

40 So schon Reisch in KLS, IO2 § 95a Rz 13.

41 Vgl Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS, IO2 § 144 Rz 9; Riel in Konecny/ Schubert, Insolvenzgesetze (29. Lfg; 2007) § 147 KO Rz 12.

42 Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 29.

43 Nunner-Krautgasser, Zession und Stimmrecht im Zwangsausgleichsverfahren, ZIK 2003/204, 146 (146); Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS, IO2 § 147 Rz 3; Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 147 KO Rz 12.

44 Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 29.

45 Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 29.

46 Vgl schon 3.2.

rators sukzessive abnehmen müsste.47 Auch dies ließe sich durch die Annahme bloß einer Kopfstimme des Kurators vermeiden. In einer Gesamtabwägung spricht daher – trotz der genannten Probleme – viel dafür, das Kopfstimmrecht des Kurators auf eine Kopfstimme zu beschränken. Abgesehen davon, dass keine überzeugenden anderen Handhabungen ersichtlich sind, kann auf diese Weise auch eine – den Grundsätzen des § 147 Abs 1 IO widersprechende – Machtfülle beim Kurator vermieden werden. Systematischen Problemen dieser Sichtweise stehen die genannten systematischen Schwierigkeiten der Gegenauffassung entgegen; diese ließen sich aber wohl nur durch ein Verständnis des Kurators als Treuhänder vermeiden (wofür die hier angestellten Überlegungen uU ein induktives Argument liefern mögen). Diese Lösung muss mE im Übrigen auch dann gelten, wenn einzelne (oder ausnahmsweise sogar alle) Gläubiger zwar bekannt sind, sie ihre Forderungen aber nicht eigenständig geltend machen. Denn die hier angeführten Probleme verfangen allesamt auch in dieser Situation; außerdem scheint die („bloße“) namentliche Nennbarkeit einzelner Gläubiger kein sachliches Abgrenzungskriterium für die Vervielfachung der Kopfstimmen des Kurators zu sein. Angesichts all der genannten Unsicherheiten und Schwierigkeiten ist mit Reisch48 aber jedenfalls eine baldige gesetzgeberische Klarstellung dieser Frage zu fordern.

4. Zusammenschau

Der mit dem PfandBG eingeführte § 95a IO vereinheitlicht die bisher verstreuten Regeln über Aufgaben und Kompetenzen von bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu bestellenden Kuratoren. Das nunmehr allgemein vorgesehene Recht einzelner Gläubiger, ihre Forderungen selbst geltend zu machen, wirft allerdings Probleme auf, deren Lösung von der bisher nicht geklärten Rechtsstellung des Kurators abhängt. Die Streichung des § 5 Z 6 IEG aF hat zudem erneut die Frage virulent gemacht, wie das Kopfstimmrecht des Kurators bei der Abstimmung über den Sanierungsplan aussieht. Nach derzeitiger Rechtslage ist es am überzeugendsten, dem Kurator nur eine Kopfstimme zu gewähren. Der Gesetzgeber ist aber gefordert, in dieser und anderen offenen Fragen bald Klarheit zu schaffen.

47 Abel in Kalss/Moser, Kuratorengesetz, Exkurs: Insolvenzrechtliche Bestimmungen Rz 29.

48 Reisch in KLS, IO2 § 95a Rz 13.

Der Autor:

Univ.-Prof. MMMag. Dr. Philipp Anzenberger ist am Institut für Zivilgerichtliches Verfahren der LeopoldFranzens-Universität Innsbruck tätig. Er ist für die Fächer Zivilverfahrensrecht und Bürgerliches Recht habilitiert und Autor mehrerer Monographien sowie zahlreicher Kommentierungen und Aufsätze in diesen Rechtsbereichen.

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Tzivanopoulos, Uni Graz

24 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 9 zik.lexisnexis.at
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MMag. Karl-Heinz Götze, MBA • Wien

Insolvenzstatistik 2022 für Österreich

»ZIK 2023/10

Aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet, war das Jahr 2022 geprägt von steigenden Kosten, Engpässen bei Rohstoffen, fehlendem Personal und der hohen Inflation, um nur einige der wesentlichsten Faktoren zu nennen. Zudem war insb in der ersten Jahreshälfte die Corona-Pandemie weiterhin allgegenwärtig. Sämtliche dieser Aspekte haben eines gemeinsam: Sie haben in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Wirtschaftsbereiche nachhaltig beeinflusst, so auch das heimische Insolvenzwesen. Einen Unterschied gab es gegenüber den vorangegangenen Jahren dann aber doch: Die Rahmenbedingungen haben sich zuletzt in vielerlei Hinsicht geändert. So wurden etwa die staatlichen COVID-19-Unterstützungen größtenteils mit Ende September 2021 beendet (abgesehen von den laufenden Stundungen), wodurch sich in weiterer Folge das Insolvenzwesen 2022 weitestgehend „normalisiert“ hat. Denn erstmals seit Ausbruch der größten Weltwirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg befanden sich die Zahlen der Unternehmens- und Privatinsolvenzen auf einem ähnlichen Niveau wie im Jahr 2019 und damit unmittelbar vor Ausbruch der Corona-Krise in Österreich.

1. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 2022

Die Liste an Herausforderungen, mit denen sich die Betriebe seit geraumer Zeit beschäftigen müssen, ist im Vorjahr nicht kleiner geworden. Ganz im Gegenteil: Diese wurden vor allem durch den Krieg in der Ukraine noch weiter verstärkt bzw neu ausgelöst. Und es ist zu erwarten, dass die daraus resultierenden Folgen, etwa die steigenden Kosten oder fehlenden Rohstoffe, auch das Jahr 2023 massiv beeinflussen werden. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der jüngsten Ereignisse auf die Unternehmen in Österreich möglichst im Rahmen zu halten, hat die heimische Bundesregierung in den vergangenen Monaten zahlreiche Maßnahmenpakete geschnürt.

1.1. Unterstützungen für Unternehmen

 Die österr Bundesregierung hat seit Beginn der COVID-19-Pandemie schnell und umfangreich geholfen. Insgesamt wurden für Corona-Hilfsmaßnahmen mehr als 40 Mrd € ausbezahlt oder genehmigt.1

1 Vgl bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2022/Oktober/corona-hilfen.html (abgefragt Jänner 2023).

 Energiekostenzuschuss: Förderung auf 1,3 Mrd € erhöht, wobei damit energieintensive österr Unternehmen gefördert werden sollen, deren jährliche Energiekosten sich auf mindestens 3 % des Produktionswertes belaufen.2

Im Vergleich zum Beginn der Corona-Krise wird hier nicht mehr mit der Gießkanne gefördert, sondern es werden viel gezielter jene adressiert, die am stärksten betroffen sind.

1.2. Unterstützungen für Private

 Kalte Progression: Bis 2026 sollen Erwerbstätige durch rund 20 Mrd € weniger an Steuern entlastet werden.3

 Die Stromkostenbremse soll den aktuellen Preissteigerungen bei Strom entgegenwirken. Sie wurde per 1. 12. 2022 direkt auf den Stromrechnungen wirksam und gilt bis zum 30. 6. 2024.4

2. Rechtliche Änderungen durch RIRUG 2021

An dieser Stelle soll kurz analysiert werden, ob und wenn ja, welche Konsequenzen bereits heute aus den gesetzlichen Änderungen durch das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG), welches mit 17. 7. 2021 in Kraft getreten ist, erkennbar sind, bzw ob die gezielten Änderungen auch eingetroffen sind.

2.1. Restrukturierungsordnung (ReO)

Mit dem RIRUG wurde die Restrukturierungsrichtlinie in Österreich umgesetzt. Das Kernstück dieses Gesetzes stellt die Einführung der ReO dar. Mit dem einem Insolvenzverfahren vorgelagerten gerichtlichen Restrukturierungsverfahren soll bestandsfähigen Unternehmen die Möglichkeit einer finanziellen Restrukturierung geboten werden, um so die Zahlungsunfähigkeit abwenden zu können. Damit soll es zudem leichter möglich sein, rechtzeitig auf finanzielle Krisen zu reagieren. Nach KSV1870-Informationen wurde in Österreich bislang noch kein Restrukturierungsverfahren eingeleitet. Dieses vorläufige Ergebnis deckt sich mit jener Einschätzung, die der KSV1870 bereits im Vorfeld rund um das Inkrafttreten der Verordnung abgegeben hat. Dies liegt möglicherweise ua auch daran, dass das österr Insolvenzrecht im europäischen Vergleich mit sehr gut funktionierenden

2 Vgl bmaw.gv.at/Themen/Wirtschaftsstandort-Oesterreich/Energiekostenzuschuss.html (abgefragt Jänner 2023).

3 Vgl bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2022/September/kalte-progression.html (abgefragt Jänner 2023).

4 Vgl bmk.gv.at/themen/energie/energieversorgung/stromkostenbremse. html (abgefragt Jänner 2023).

ZIK 1/2023 25 BEITRÄGE ART.-NR.: 10 zik.lexisnexis.at

Sanierungsinstrumenten ausgestattet ist und von sanierungswürdigen Unternehmen in finanziellen Krisen auf das bewährte Sanierungsverfahren im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zurückgegriffen wird.

2.2. Offenkundige Zahlungsunfähigkeit und Gesamtvollstreckung

Im Wege der Exekutionsordnungsnovelle wurde im Juli 2021 für die Exekutionsgerichte die Verpflichtung geschaffen, die Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern gerichtlich festzustellen und öffentlich in der Ediktsdatei bekannt zu machen. Dabei handelt es sich um die offenkundige Zahlungsunfähigkeit (oZ). Zum Hin-

werden rund 73 % der Verfahren mit einem Zahlungsplan beendet. Als Erklärung kann gelten, dass die Schuldner weiterhin ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und überwiegend auf dieses Instrument zurückgreifen. Der dreijährige Tilgungsplan hat mit etwa 21 % der Abschlüsse dem nunmehrigen Abschöpfungsplan (fünf Jahre Laufzeit) mit lediglich 1 % wenig überraschend den Rang abgelaufen. Die Gesamtvollstreckungsverfahren machen lediglich circa 3 % der eröffneten Verfahren (246 im Jahr 2022) aus.

3. Insolvenzzahlen im Überblick

3.1. Unternehmensinsolvenzen

tergrund: Lang andauernde Exekutionsverfahren sollen dadurch hintangehalten werden und Forderungen ehestmöglich in einem Insolvenzverfahren (Schuldenregulierungsverfahren) getilgt werden.

Im Jahr 2022 wurde bei ca 2.400 Personen die oZ festgestellt, daraus folgten 103 Gesamtvollstreckungsverfahren. Aus der oZ heraus wurden 171 Zahlungspläne sowie 31 Tilgungspläne und ein Abschöpfungsplan abgeschlossen.

Zusammengefasst kann man sagen, dass die Einführung der oZ im Wege des Exekutionsverfahrens noch nicht zu jenem gedachten „Selbstläufer“ geworden ist, welcher in einer rascheren Beendigung des Exekutionslaufes sowie der Überführung in ein Gesamtvollstreckungs- oder auch Schuldenregulierungsverfahren münden sollte. Der Gesetzgeber ist ursprünglich von 1.000 zusätzlichen Verfahren jährlich ausgegangen. Davon sind wir noch weit entfernt. Allerdings sieht man in den vergangenen Monaten, dass die oZ verstärkt festgestellt wurde, auch wenn es noch starke regionale Unterschiede gibt (zB Tirol 359 oZ, während es in der Bundeshauptstadt Wien „nur“ 513 gab). Zum aktuellen Zeitpunkt kann jedenfalls festgehalten werden, dass das klassische Instrument des Zahlungsplanes nach wie vor die gängigste Abschlussmethode einer Entschuldung ist.

Auf die Anzahl der abgeschlossenen Zahlungspläne zeigten sich insgesamt keine gravierenden Auswirkungen. Nach wie vor

Explodierende Kosten, steigende Energie- und Rohstoffpreise, unterbrochene Lieferketten, die hohe Inflation, erhöhte Zinsbelastungen und der akute Personalmangel belasten die Budgets der Unternehmen seit geraumer Zeit massiv. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Zahl der Firmenpleiten im Jahr 2022 gestiegen ist. Im Vorjahr wurden in Österreich 4.775 Unternehmensinsolvenzen gezählt – das entspricht einem Plus von 57,4 % gegenüber dem Jahr 2021. Damit wurde erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019 mit rund 5.000 Fällen nahezu erreicht. Dabei verzeichnen alle neun Bundesländer teils gravierende Zuwächse – am deutlichsten fallen diese in Vorarlberg und Oberösterreich aus. Darüber hinaus haben sich die Verbindlichkeiten gegenüber dem Jahr 2021 um 25 % auf insgesamt 2,2 Mrd € erhöht.

Parallel dazu fällt jedoch auf, dass insb die Zahl der mangels Kostendeckung nicht eröffneten Fälle massiv gestiegen ist. Auch hier wurden Sphären erreicht, die nahezu an jene aus Vorkrisenzeiten erinnern. Mussten im Jahr 2021 exakt 974 Fälle abgewiesen werden, waren es heuer mit 1.871 Fällen beinahe doppelt so viele. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 wurden ebenfalls rund 40 % aller Insolvenzen mangels Kostendeckung abgewiesen – und zwar genau 1.974 Fälle.

Diese Entwicklung zeigt, dass es dem Gesetzgeber trotz aller Bemühungen in den vergangenen Jahren nicht gelungen ist,

26 ZIK 1/2023 BEITRÄGE ART.-NR.: 10 zik.lexisnexis.at
2019202020212022Veränderung Eröffnete SV mit EV 32363228-13 % Eröffnete SV ohne EV 342191192308+60 % Summe SV 374227224336+50 % Konkurse 2.6701.5771.8362.568+40 % Eröffnete Fälle 3.0441.8042.0602.904+41 % Nicht eröffnete Fälle 1.9741.2309741.871+92 % Fälle gesamt 5.0183.0343.0344.775+57 % Passiva in Mio € 1.6973.0571.7612.259+25 % Betroffene Mitarbeiter 17.20016.2399.85515.453+57 % Betroffene Gläubiger 60.00031.95619.49531.251+60 % Quelle: KSV1870

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die Konkursabweisungen mangels Masse zurückzudrängen, sondern ganz im Gegenteil. Damit bleiben vielfach zahlungsunfähige Unternehmen am Markt, werden Vorgänge, welche zur Insolvenz führten, nicht aufgearbeitet und erwächst betroffenen Gläubigern in vielen Fällen ein zusätzlicher finanzieller Schaden, der bei einer rascheren Insolvenzeröffnung mitunter vermieden hätte werden können. Nach wie vor warten viele Schuldnerunternehmen zu lang, ehe sie einen Insolvenzantrag stellen. Dadurch wird nicht nur die Chance einer Sanierung verspielt, sondern es verpufft idR auch noch das letzte vorhandene Vermögen. Die Praxis zeigt, dass ein erheblicher Anteil der abgewiesenen Anträge auf Insolvenzeröffnung aus Gläubigeranträgen – vorrangig öffentlich-rechtlichen – resultiert. Die Gläubiger sind nach gerichtlicher Feststellung, dass kein kostendeckendes Vermögen vorliegt, nicht immer bereit, einen Kostenvorschuss iHv bis zu 4.000 € zur Deckung der Anlaufkosten eines Insolvenzverfahrens bereitzustellen. Und das ist schade. Denn die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass auch aus scheinbar masselosen Verfahren, die sich im Antragsverfahren zunächst als hoffnungslos darstellten, es den Insolvenzverwaltern immer wieder gelingt, Quotenerfolge zu erzielen. Die Reduktion der abgewiesenen Insolvenzen mangels kostendeckenden Vermögens ist dem KSV1870 ein großes Anliegen. Auf der einen Seite werden im Regelfall bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung unzählige Arbeitsplätze gerettet, auf der anderen Seite besteht so auch für Gläubiger eine größere Chance, zumindest einen Teil der offenen Forderungen doch noch zu erhalten. Damit können sie wiederum die Liquidität stabilisieren. Deshalb unterstützt der Gläubigerschutzverband sämtliche Bemühungen, dieses Vorhaben umzusetzen. Im direkten Branchenvergleich verzeichnen der Handel, die Bauwirtschaft sowie die Gastronomie die mit Abstand meisten Fälle. Insgesamt haben sich die Verbindlichkeiten im Vorjahr gegenüber dem Jahr 2021 um rund 25 % auf 2,2 Mrd € erhöht. Weiters hat sich im selben Zeitraum die Zahl der von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffenen Mitarbeiter deutlich erhöht –und zwar um rund 57 % auf insgesamt 15.500 Personen. Allerdings im Vergleich zu 2019 waren es 17.000 betroffene Arbeitnehmer, ein Zeichen der Kleinteiligkeit der Insolvenzen.

3.2. Großverfahren

Nachdem die Zahl der Firmenpleiten im Jahresverlauf 2022 deutlich mehr gestiegen ist als jene der Passiva, bestätigt sich der jüngste Trend: Unternehmensinsolvenzen betreffen aktuell zunehmend kleinere Unternehmen. Insgesamt gab es im Vorjahr 31 Großinsolvenzen mit einem Volumen von jeweils über 10 Mio €. Der KSV1870 berichtet in jeder Jahresstatistik die größten Unternehmensinsolvenzen mit Passiva über 20 Mio €. In diesem Rahmen werden die fünf größten Pleiten (nach Passiva) einer näheren Analyse unterzogen:

 CPI-Gruppe (220 Mio €): Die im Immobilienbereich tätige CPIGruppe besteht aus einem Firmengeflecht von rund 160 Gesellschaften, die hauptsächlich in Österreich und Deutschland tätig sind. Nach dem Tod des Gründers bzw Geschäftsführers

Mag. Ernst Ludwig Kreihsler, über dessen Verlassenschaft am LG Wiener Neustadt ebenfalls ein Insolvenzverfahren anhängig ist, hat das HG Wien über mehrere Gesellschaften des Konzerns Konkursverfahren eröffnet. Es handelt sich hierbei ua um die CPI Bauträger & Immobilienverwaltung GmbH, die CPI Beteiligungen GmbH, die CPI Marketing GmbH und die CPI Hausverwaltung GmbH. Im August 2022 wurde auch über die „Konzernmutter“, die CPI Immobilien GmbH, ein Insolvenzverfahren eröffnet. Bei den in Wien anhängigen Konkursen der CPIImmobiliengruppe mit geschätzten Verbindlichkeiten von zumindest rund 220 Mio € handelt es sich um die größte österr Firmeninsolvenz des Jahres 2022. Hierbei sind insb zahlreiche Anleihegläubiger von den Insolvenzen betroffen. Im Zeitraum von 2009 bis 2019 sind insgesamt zehn Anleihen (acht österr und zwei dt) ausgegeben worden. Insgesamt beträgt das Volumen der Anleihen rund 42,8 Mio €.

 Christof Industries Global GmbH sowie Christof Industries Austria GmbH (175 Mio €): Beide Unternehmen beantragten ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung, wobei die Christof Industries Global GmbH die Holding-Funktion diverser national und international tätiger Unternehmen im Anlagenbau in der Christof Industries Gruppe einnimmt. Im Verfahren der Christof Industries Austria GmbH wurde mittlerweile ein Sanierungsplan von Gläubigerseite bereits angenommen.

 Bertsch Energy GmbH & CO KG (138 Mio €): Das Vorarlberger Unternehmen wurde 1986 gegründet und befasst sich mit der Errichtung von Kraftwerksanlagen und der Herstellung von Abhitzesystemen und Prozessapparaten für die chemische und petrochemische Industrie. Von der bisher größten Insolvenz in Vorarlberg sind über 150 Mitarbeiter betroffen. Die Insolvenz resultiert zum einen daraus, dass sich die Aufträge in der Corona-Pandemie verzögert hätten oder überhaupt ausgefallen seien. Zum anderen sei die Abwicklung von vier Großprojekten im Ausland erschwert gewesen. Dazu kamen Teuerungen und Lieferschwierigkeiten. Nach intensiven Verhandlungen wurde Ende Dezember 2022 die Firma Dieffenbacher Energy GmbH aus Deutschland als Käufer gefunden, der das Unternehmen am Standort Bludenz weiter fortführen wird.

 Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH (66 Mio €): Bei der im Jänner 2022 insolvent gewordenen Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH handelt es sich um einen in Niederösterreich ansässigen Biomassekraftwerke-Hersteller. Es ist zugleich die größte Insolvenz Niederösterreichs im Vorjahr. Das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung konnte nach Abschluss eines Sanierungsplans noch im Jahr 2022 beendet werden. Die Finanzierung der von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Sanierungsplanquote von insgesamt 20 %, zahlbar binnen zwei Jahren, erfolgt über einen Investor. Eine erste Teilquote von 2,5 % ist bereits an die Gläubiger geflossen.

 NBG Fiber GmbH (40 Mio €): Über die in Gmünd (Niederösterreich) be

findliche NBG Fiber GmbH wurde im Oktober 2022 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Die Sanierungsbestrebungen des insb mit der Herstellung von Glasfaser-Rohlingen befassten Unternehmens sind jedoch zwischenzeitig geschei-

ZIK 1/2023 27 BEITRÄGE
zik.lexisnexis.at

tert. So musste das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung in ein Konkursverfahren umgewandelt werden. Ein für den Fortbetrieb notwendiger Investor konnte nicht gefunden werden.

3.3. Privatinsolvenzen

Laut KSV1870 wurden im Jahr 2022 in Österreich 8.176 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Das entspricht einem Zuwachs von 13,1 % gegenüber dem Vorjahr. Damit wurden im Schnitt 22 Fälle pro Tag an den heimischen Gerichten eröffnet. Egal ob im Norden, Osten, Süden oder Westen des Landes, die Zahl der eröffneten Privatinsolvenzen ist fast überall gestiegen. Während in Niederösterreich das Plus mit 28 % am deutlichsten ausfällt, gibt es einzig in Wien einen Rückgang von 0,4 %, wenngleich die Bundeshauptstadt mit insgesamt 2.624 Privatkonkursen die meisten Fälle nach absoluten Zahlen zu Buche stehen hat. Parallel dazu haben sich auch die vorläufigen Passiva leicht erhöht – und zwar um 3 % auf 904 Mio €. Das bedeutet, dass Privatpersonen im Jahr 2022 mit durchschnittlichen Schulden iHv rund 110.500 € Konkurs angemeldet haben. Zum Vergleich: Unmittelbar vor Beginn der Corona-Krise in Österreich im Jahr 2019 betrugen die durchschnittlichen Schulden pro Schuldner rund 147.000 €.

4. Ausblick

Der KSV1870 geht davon aus, dass die aktuellen Entwicklungen weiter an Tempo zulegen werden und die Zahl der Firmenpleiten im Jahr 2023 steigen wird. Aus heutiger Sicht ist nicht davon auszugehen, dass der Staat ein weiteres Mal in einem dermaßen großen Ausmaß in den Wirtschaftskreislauf eingreifen wird wie zu Beginn der Corona-Krise. Das weitere Insolvenzwesen wird auch sehr stark davon abhängen, wie sich der Ukraine-Krieg weiter

entwickeln wird bzw inwiefern ua die Energiekosten dadurch beeinflusst werden. Für das Jahr 2023 prognostiziert der KSV1870 einen Anstieg der Firmenpleiten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich zwischen 5.500 und 6.000 Fällen. Das wären maximal rund 1.000 Pleiten mehr als vor der Corona-Krise.

Bei den Privaten kann man ebenso von einer weiteren Steigerung ausgehen, wobei sich eine Privatinsolvenz über Jahre aufbaut und nicht durch kurzfristige Ereignisse massiv beeinflusst wird. In unsicheren Zeiten sind die Menschen vorsichtiger und risikoavers, mit der Folge, dass größere Investitionen eher zeitlich verschoben und auch Jobwechsel nicht so forciert werden. Allerdings sind die unausweichlichen Kosten, etwa am Energiesektor (Strom und Heizung), für Güter des täglichen Gebrauchs (zB Lebensmittel) sowie für offene Kredite durch höhere Zinsbelastungen, massiv gestiegen, sodass die Kostenbelastung für manche zu hoch wird und der Weg zur Schuldnerberatung bzw in weiterer Folge zum Bezirksgericht unausweichlich ist. Der KSV1870 geht für 2023 von rund 10.000 Privatinsolvenzen in Österreich aus (Vergleich: 2019 rund 9.500; 2018 10.054).

Der Autor:

MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, ist Leiter der Insolvenz Österreich des KSV1870. Bei seinen Tätigkeiten zuvor war er ua bei Deloitte als Unternehmensberater, als Geschäftsführer bei der IHC Holding GmbH (RLBOÖ) für Beteiligungen zuständig, als Sanierer bei Infoniqa Holding und zuletzt als Equity Partner für Startups tätig. Er publiziert regelmäßig und hält laufend Fachvorträge im Bereich Insolvenzwesen.

lesen.lexisnexis.at/autor/Götze/Karl-Heinz

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FACHLITERATUR

BÜCHER

Krise und Insolvenz der Scheinauslandsgesellschaft. Von Simon Drobnik. Jan Sramek Verlag, Wien 2022. XXX, 484 Seiten, geb, 128,- €.

»ZIK 2023/11

Mit seiner Centros-Judikatur hat der EuGH bekanntlich die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass eine nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlagert, ohne eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaats anzunehmen. Rechtlich wurde damit das Problem sogenannter „Scheinauslandsgesellschaften“ auch in Staaten wie Österreich oder Deutschland virulent, deren IPR bis dato die gesellschaftsrechtliche Sitztheorie zugrunde lag. Solche Gesellschaften „bringen“ also nunmehr zwar – zu einem mehr oder minder weitreichenden Grad – das Gesellschaftsstatut ihres Gründungsstaats „mit“. Da ein (Haupt-)Insolvenzverfahren aber wegen des COMI-Prinzips (Art 3 EuInsVO 2015) im Zuzugsstaat zu eröffnen und folglich gem Art 7 EuInsVO 2015 auch das dortige Insolvenzrecht maßgeblich ist, hat vor allem die Frage nach der Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut erhebliche praktische Bedeutung gewonnen.

Simon Drobnik widmet sich in vorliegender Monografie, basierend auf seiner – verständlicherweise – bereits preisgekrönten Dissertation (betreut von Ulrich Torggler), dieser äußerst anspruchsvollen Thematik auf sehr hohem wissenschaftlichen Niveau. Die Arbeit beginnt mit einer tiefschürfenden und lesenswerten Analyse der Niederlassungsfreiheit (13–177). Sinn dieser „Übung“ ist es, letztlich das Ausmaß auszuloten, in welchem die Niederlassungsfreiheit (zur Anwendung auf Scheinauslandsgesellschaften 88–109; zur damit zusammenhängenden Frage nach der Missbräuchlichkeit der Berufung auf die Niederlassungsfreiheit 110–127) eine kollisionsrechtliche Anwendung des Gesellschaftsrechts des Gründungsstaats auf Scheinauslandsgesellschaften erfordert. Drobnik gelangt zum Ergebnis, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH ein umfassender unionsrechtlicher Vorrang des Gründungsrechts gegenüber dem Sitzrecht ergibt (128–161), soweit nicht ausnahmsweise eine – strengen Anforderungen unterliegende –Rechtfertigung für die Anwendung des Gesellschaftsrechts des Zuzugsstaats gegeben ist (161–177).

Von insolvenzrechtlicher Relevanz ist erst der zweite Teil der Arbeit, in welchem Drobnik das Insolvenzstatut vom Gesellschafts-, aber etwa auch vom Deliktsstatut abzugrenzen versucht (179–408). Nach einem instruktiven „kollisionsrechtlichen Problemaufriss“ (179–204) folgt eine abstrakte Determination der Reichweite des Insolvenzstatuts nach Art 7 EuInsVO 2015

zusammengestellt von Mariana Ristic

(204–274). Aufbauend darauf wird schließlich untersucht, welches Recht konkret auf die Insolvenzverschleppungshaftung (275–356), das Eigenkapitalersatzrecht (356–401) und die Haftung nach URG (401–408) anwendbar ist.

Obwohl derartige Themen sicherlich nicht zum „täglich Brot“ des österr Insolvenzpraktikers zählen, sind die Ausführungen Drobniks schon deshalb praktisch verwertbar, weil er insb die Grundlagen der Insolvenzverschleppungshaftung nach österr Recht sehr verständlich und verständig aufarbeitet (276–320); auch zum EKEG (357–370) und den im Gegensatz zum restlichen URG keineswegs irrelevanten Haftungsbestimmungen der §§ 22, 25 leg cit (401–405) finden sich lesenswerte Ausführungen. In erster Linie dürfte der Wert des Werks aber wissenschaftlicher Natur sein. Insofern ist der Arbeit besondere dogmatische Qualität zu attestieren und allen Interessierten eine gewinnbringende Lektüre zu versprechen.

Dies ändert freilich nichts daran, dass der Rezensent wesentliche Ergebnisse der Arbeit nicht teilt (was den Autor, der das Schrifttum, und damit auch meine gegenteiligen Stellungnahmen, vorbildlich aufgearbeitet hat, kaum wundern wird). Im Wesentlichen lässt sich diese Meinungsdivergenz darauf zurückführen, dass Drobnik für die Anwendung des Insolvenzstatuts mE zu starr auf die Notwendigkeit des „formell-insolvenzrechtlichen Charakters“ einer Norm abstellt. Erforderlich sei dementsprechend, dass eine Norm die Insolvenzeröffnung zum Tatbestandsmerkmal erhebt oder zumindest der Insolvenzverwalter exklusiv zur Durchsetzung der daraus resultierenden Ansprüche legitimiert sei (230–273). Indes ist die Kornhaas Entscheidung des EuGH (dazu 232–242) eher gegenteilig zu verstehen und sind Ableitungen von der Annexkompetenz (Art 6 EuInsVO 2015) auf das Insolvenzstatut (Art 7 EuInsVO 2015), wie sie Drobnik letztlich doch vornimmt (242–249), gerade bezüglich des notwendigen Zusammenhangs zu einem (eröffneten) Insolvenzverfahren mit großer Vorsicht zu genießen. Vor allem aber rückt seine Lösung die konkrete Ausgestaltung der nationalen Norm zu stark in den Vordergrund des Anknüpfungsvorgangs (vgl dagegen noch zutr 182 bei und in FN 1046).

Dieser insolvenzrechtlich-formale und zugleich nationalstaatlich-normbezogene Ansatz führt konkret dazu, dass Drobnik den für die Anknüpfung eigentlich maßgeblichen Lebenssachverhalt bzw Regelungsgegenstand der zivilrechtlichen Verantwortung eines Geschäftsleiters für eine Insolvenzverschleppung in praktisch wie dogmatisch wenig überzeugender Weise aufspaltet: Die Haftung gegenüber den Gläubigern sei deliktsrechtlich (334–345), jene für das Zahlungsverbot nach Insolvenzreife – außer bei masseloser Insolvenz (352 f) – insolvenzrechtlich (348–352) und jene für den Gesellschaftsschaden (Betriebsverlust) gesellschaftsrechtlich (353–355) zu qualifizieren. Auch das Eigenkapitalersatzrecht wird in seine „rechtsfolgenseitigen Einzelteile“ zerlegt und die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG,

ZIK 1/2023 29 ART.-NR.: 11 zik.lexisnexis.at

anders als etwa die Nachrangigkeit des § 57a IO, nicht insolvenzrechtlich, sondern gesellschaftsrechtlich qualifiziert (394–399). Beide Male wäre mE stattdessen eine einheitliche Anwendung der lex fori concursus auf die einschlägigen Lebenssachverhalte vorzugswürdig (vgl zum Ganzen Trenker in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 (2023) Art 7 EuInsVO Rz 8 f, 30 f).

Anwaltsrecht und notarielles Berufsrecht. Herausgegeben von Gernot Murko und Bettina Nunner-Krautgasser. Verlag Österreich, Wien 2023. XLIV, 1.912 Seiten, geb, 389,- €

»ZIK 2023/12

Zwischen Anwalts- und Insolvenzrecht bestehen zahlreiche Berührungspunkte. Vor allem werden als Insolvenzverwalter zumeist Rechtsanwälte bestellt, sind Schuldner oft vor und während des Insolvenzverfahrens anwaltlich vertreten und wird leider manchmal auch über das Vermögen eines Rechtsanwalts ein Insolvenzverfahren eröffnet. Das anzuzeigende, fast 2.000 Seiten „starke“ Werk verdient daher jedenfalls die Aufmerksamkeit der Leser dieser Zeitschrift (die Rezension beschränkt sich auf insolvenzrechtliche Bezüge).

Ein Rechtsanwalt ist auch als Insolvenzverwalter an die anwaltlichen Berufsp fl ichten gebunden (s Erläut zur RL-BA 2015, AnwBl 2015, 606 [607]). Dass er dabei „in jedem Fall die standesrechtlichen Vorschriften einzuhalten“ habe (so Csoklich § 2 RL-BA 2015 Rz 8), ist im Detail ergänzungsbedürftig, wie folgende Beispiele zeigen: So ist es zum Umgehungsverbot gem § 19 RL-BA 2015 (dazu Csoklich § 19 RL-BA 2015 Rz 3 ff ; Gartner § 1 DSt Rz 271 ff ) hA, dass der Insolvenzverwalter ein Auskunftsbegehren gem § 99 IO direkt an den anwaltlich vertretenen Schuldner richten kann ( Kodek in Bartsch/Pollak/ Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht4 IV [2006] § 99 KO Rz 5 mwN; dazu Fruhstorfer/Geroldinger , Insolvenzverwalter als Adressaten des anwaltlichen Berufs- und Standesrechts, ZIK 2022/93, 97 [102]). Und die Fortführung eines Unternehmens ist ohne direkten Kontakt mit dem Schuldner jedenfalls unmöglich ( Engelhart in Engelhart/Ho ffmann/Lehner/Rohregger/ Vitek , RAO11 [2023] § 19 RL-BA 2015 Rz 12). Auch die „kollegiale Antwortp fl icht“ (dazu Csoklich § 21 RL-BA 2015 Rz 13) verp fl ichtet einen zum Insolvenzverwalter bestellten Rechtsanwalt nicht, einem anderen Rechtsanwalt eine Antwort auf eine Frage zu erteilen, die dieser „allein durch Einsicht in den Akt des Insolvenzgerichts für sich selber lösen könnte“ (Erläut zur RL-BA 2015, AnwBl 2015, 607; vgl Engelhart in Engelhart/ Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 21 RL-BA 2015 Rz 15 [„entbehrliche Anfragen an Insolvenzverwalter“]). Im Einzelfall kann es daher durchaus sein, dass eine rechtsanwaltliche Berufsp fl icht für den Insolvenzverwalter nicht „passt“ (dazu zuletzt Fruhstorfer/Geroldinger , ZIK 2022/93, 98 mit Hinweis auf

BGH NZI 2015, 910), womit nicht verkannt werden soll, dass standesrechtliche Aufsicht und strenges Disziplinarrecht ganz wesentliche Argumente der Rechtsanwaltschaft im Wettbewerb der Berufsgruppen um die Bestellung zum Insolvenzverwalter sind.

Im Verhältnis zwischen Insolvenzverwalter und bisherigem Rechtsvertreter des Schuldners spielen § 19 Abs 4, § 19a RAO eine große praktische Rolle. Wichtig ist dazu der Hinweis, dass den Insolvenzverwalter keine Pflicht trifft, einen Prozess zur Realisierung des Kostenpfandrechts des bisherigen Rechtsvertreters der Schuldnerin weiterzuführen (Fuchs § 19a RAO Rz 21 unter Hinweis auf RIS-Justiz RS0112068; s dazu etwa Langer, Anwaltliches Kostenpfandrecht und Konkurs der vertretenen Partei, ZIK 1999, 145; Engelhart in Konecny, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen [48a. Lfg; 2012] § 46 IO Rz 57; T. Lind, Das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwalts an den Kostenersatzforderungen seines Mandanten, AnwBl 2017, 242 [245 f mwN]). Dass der Schuldnervertreter seine offene Honorarforderung wegen des Verbots der Doppelvertretung aber nicht einmal anmelden darf (so OGH 20 Os 9/16y AnwBl 2017, 310 [Buresch]; referiert bei Scheuba § 10 RAO Rz 32), ist wohl doch „zu hart“ (so zutr Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 10 RL-BA 2015 Rz 20).

In Insolvenzverfahren über das Vermögen (ehemaliger) Rechtsanwälte kommt der Aufgabenverteilung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Kammerkommissär gem § 34a Abs 2 RAO entscheidende Bedeutung zu (dazu insb Engelhart, Der insolvente Rechtsanwalt, in Konecny, Insolvenz-Forum 2015 [2016] 13 [17 ff ]). Den Kammerkommissär trifft die Verpflichtung nicht nur zur Aufbewahrung (Schwarz § 34a RAO Rz 40), sondern auch zur Abrechnung der Akten; die Betreibung der Honorarforderungen ist Aufgabe des Insolvenzverwalters (Engelhart in Konecny, Insolvenz-Forum 2015, 22), der auch für die Abwicklung des Unternehmens zuständig ist (vgl Schwarz § 34a RAO Rz 21).

Wohl weil es „Überschneidungen“ zwischen den Bestellungsvoraussetzungen der §§ 80 ff IO einerseits und berufsrechtlichen Anordnungen andererseits gibt (zuletzt Fruhstorfer/Geroldinger, ZIK 2022/93, 98; Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 2 RL-BA 2015 Rz 6) werden auch die §§ 8080b IO kommentiert. Nunner-Krautgasser bietet dabei einen aktuellen und praxisnahen Überblick über diese zentralen Bestimmungen. Dabei werden hochaktuelle Fragen erörtert, wie zB jene, ob der Verwalter in Exekutionssachen in der Folge zum Insolvenzverwalter bestellt werden kann (vgl Nunner-Krautgasser § 80b IO Rz 6; Schnur/Weidinger § 80b EO Rz 18 ff; mE liegt hier regelmäßig fehlende Unabhängigkeit vor, weshalb die bei Nunner-Krautgasser § 80b IO Rz 6 aE berichtete Praxis zutrifft, die Bestellung des bisherigen Verwalters in Exekutionssachen zum Insolvenzverwalter abzulehnen).

Der Grazer Praxiskommentar ist allen mit Insolvenzrecht befassten Rechtsanwälten zu empfehlen.

30 FACHLITERATUR ART.-NR.: 12
zik.lexisnexis.at ZIK 1/2023

AUFSATZÜBERSICHT

Insolvenzrecht

»ZIK 2023/13

Fehrenbach, Die Rechtsstellung des Koordinators im Gruppen-Koordinationsverfahren nach der EuInsVO, KTS 2022, 479:

Der Autor setzt sich eingehend mit dem Kooperationsmodell, das in der EuInsVO 2015 für Konzerninsolvenzen vorgesehen ist, auseinander. Er spricht sich dafür aus, den Koordinator rechtlich als gemeinsamen vertraglichen Beauftragten der beteiligten Verwalter einzuordnen, und vertritt, dass unter dieser Prämisse das Koordinationsverfahren als nützliches Instrument für grenzüberschreitende Konzerninsolvenzen eingesetzt werden könne.

»ZIK 2023/14

Hämmerle, Entscheidungsanmerkung zu OGH 8 Ob 102/21i, ÖBA 2023/2876, 54:

In seiner Anmerkung begrüßt der Autor die Schlussfolgerungen des Höchstgerichts zur Frage, wie weit Angaben zur Höhe des (voraussichtlichen) Ausfalls im Antrag eines Absonderungsgläubigers den Rahmen des Gerichts für die Zuerkennung eines Stimmrechts abstecken. Daran anknüpfend erläutert er die für die Geltendmachung des Stimmrechts in der Praxis resultierenden Konsequenzen.

»ZIK 2023/15

Harig/Lampe, Die europäische Aktiengesellschaft (SE) im Insolvenzplanverfahren, NZI 2022, 961:

Ausgehend vom dt Recht erklären die Autor:innen, welche Besonderheiten bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer SE zu beachten sind. Sie nehmen hierbei insb deren Sanierung in den Blick.

»ZIK 2023/16

Jaufer/Bachler, § 225 Abs 1 UGB: Die Tretmine der Insolvenzprophylaxebestimmungen, RWZ 2022/64, 375:

Bei in der Bilanz ausgewiesenem negativen Eigenkapital besteht die Pflicht zu erläutern, ob Überschuldung vorliegt. Auf Basis einer Darlegung des Überschuldungsbegriffs werden die Anforderungen an eine sachgemäße Erfüllung der Erläuterungspflicht erörtert. Die Autoren erinnern daran, deren Wahrung ernst zu nehmen, und erörtern Haftungsrisiken für Geschäftsleitung und Steuerberater.

»ZIK 2023/17

König, Unabtretbarkeit der Insolvenzanfechtungsansprüche – Nachruf auf eine zutreffende Rechtsmeinung? JBl 2023, 2:

Im Beitrag äußert sich der Autor kritisch zur nunmehrigen hM, wonach der Insolvenzverwalter Insolvenzanfechtungsansprüche durch Abtretung verwerten könne. Er führt dabei insb Argumente für die Einordnung des Anfechtungsanspruchs als höchstpersönliches Recht ins Treffen, was der Abtretbarkeit entgegenstehe.

»ZIK 2023/18

Lind, Annexzuständigkeit bei Verfügungen über die Insolvenzmasse durch den Schuldner, ÖJZ 2022/171, 1239:

Nach OGH 17 Ob 12/21w ist eine Klage zur Geltendmachung einer gem § 3 Abs 1 IO unwirksamen Vermögensübertragung ins Ausland insolvenznahe iSd Art 6 EuInsVO 2015. Dem stimmt der Autor zu und stellt ergänzende Überlegungen an.

»ZIK 2023/19

Lutschounig, Virtuelle Währungen in der Insolvenzmasse, ÖJZ 2022/162, 1179:

Der Autor setzt sich mit den rechtlichen Fragen und praktischen Herausforderungen, die sich bei der Auffindbarkeit, dem Zugriff und der Verwertung virtueller Währungen im Insolvenzverfahren stellen können, auseinander. Darüber hinaus erläutert er ausführlich die hierbei gebotene Vorgehensweise in der Praxis.

»ZIK 2023/20

Mock, Die Insolvenzantragspflicht und das Zahlungsverbot: österreichische Erblasten? ZInsO 2022, 2605:

Geboten wird eine Untersuchung der historischen Ursprünge der Insolvenzantragspflicht und des Zahlungsverbots im dt Recht unter Berücksichtigung der österr Rechtsentwicklung.

»ZIK 2023/21

Petersen, Neues „Ungemach“ aus Brüssel? SanB 2022, 59:

Der Beitrag bietet einen Überblick zu den Regelungsinhalten des Vorschlags der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts (COM [2022] 702 final).

»ZIK 2023/22

Piekenbrock, Grenzüberschreitende Restrukturierungsverfahren, ZInsO 2022, 2512:

Der Autor beschäftigt sich mit dem Restrukturierungsverfahren nach dt Recht unter dem Aspekt seiner grenzüberschreitenden Wirkungen. Zu nicht-öffentlichen und damit nicht der EuInsVO 2015 unterliegenden Verfahren bezweifelt der Autor die Anwendbarkeit der EuGVVO 2012.

»ZIK 2023/23

Rebernig, Die Vergütung des Masseverwalters in Österreich, ZInsO 2023, 77:

Im Beitrag gewährt der Autor einen Einblick in die rechtliche Ausgestaltung der Entlohnung des Insolvenzverwalters.

»ZIK 2023/24

Wiedermann, Entscheidungsanmerkung zu OGH 17 Ob 12/21w, ÖBA 2022/2868, 916:

31 FACHLITERATUR ART.-NR.: 24 zik.lexisnexis.at ZIK 1/2023

Nach OGH 17 Ob 12/21w ist eine rechtsgrundlose Vermögensübertragung durch den Schuldner während eines Insolvenzverfahrens gem § 3 Abs 1 IO unwirksam, weshalb die Klage auf Rückübertragung im Insolvenzrecht wurzle und somit insolvenznahe iSd Art 6 EuInsVO 2015 sei. Die Autorin gibt kritisch zu bedenken, dass das nicht für eine schon nach Zivilrecht nichtige Vermögensverschiebung gelte. Sie befasst sich weiters mit der internationalen Zuständigkeit zur Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen wegen Einlagenrückgewähr, was ebenfalls Gegenstand der Entscheidung war.

Kreditschutz

»ZIK 2023/25

Aubrunner/Tatschl, Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR), GesRZ 2022, 347:

Geboten wird eine Darstellung der zentralen Regelungsbereiche der Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR; COM [2020] 593 final), die einen umfänglichen Rechtsrahmen für Kryptowerte schaffen und insb Anlegerschutz gewährleisten soll.

»ZIK 2023/26

Grasser, Konzessionsentzug und Bankeigenschaft am Beispiel der Meinl Bank, ÖBA 2023, 26:

Der Autor untersucht das Verhältnis der Konzessionsrücknahme (§ 6 Abs 2 Z 5 BWG) zum Erlöschen der Konzession durch ihre Zurücklegung (§ 7 Abs 1 Z 3 BWG), die jeweils Konzessionsbeendigungstatbestände bilden. Darüber hinaus setzt er sich mit der Fortdauer der Bankeigenschaft nach der Konzessionsrücknahme auseinander, was Auswirkungen

auf die weitere Anwendbarkeit aufsichtsrechtlicher Normen habe.

»ZIK 2023/27

Harrer, Die Aufklärung des Bürgen, wbl 2023, 11:

Konträr zur hM, wonach eine Aufklärung des Bürgen nicht erforderlich sei, geht der Autor der Frage nach, ob sich nach geltendem Recht nicht doch Anhaltspunkte für generelle Aufklärungspflichten des Gläubigers ergäben. Auf der Grundlage von § 7 VKrG gelangt er zu dem Schluss, dass der bürgende Verbraucher generell über das jeder Bürgschaft immanente Risiko sowie gegebenenfalls über seine unzureichende Bonität aufzuklären sei.

»ZIK 2023/28

Lassen/Seeber, Rechtsvergleichende Analyse europäischer Grundpfandrechte, ZRB 2022, 103:

Der Beitrag enthält einen Überblick über dogmatische Grundstrukturen von Grundpfandrechten und ihre praktische Anwendung in verschiedenen europäischen Rechtsordnungen.

»ZIK 2023/29

Markowetz, Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft: Depurierungsauftrag bei unterschiedlich (hoch) belasteten Anteilen, ZFR 2023/5, 19:

Die E 3 Ob 123/22t zum Anlass nehmend, in der sich der OGH mit dem Depurierungsauftrag, also einem Auftrag zur Lastenfreistellung, befasst, untersucht der Autor die Zulässigkeit der Erteilung eines Depurierungsauftrags.

»ZIK 2023/30

Mock/Illetschko, Der allgemeine internationale Gerichtsstand bei Anlegerklagen gegen Organmitglieder internationaler Konzerne, IPRax 2023, 11:

Anlässlich einer Entscheidung über die internationale Zuständigkeit österr Gerichte für Anlegerklagen gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Wirecard AG erörtern die Autoren kritisch die Ausgestaltung der Wohnsitzanknüpfung in der EuGVVO 2012. Sie führe nach dem derzeitigen Regime potenziell zu einem unvorteilhaften Auseinanderfallen der Zuständigkeit für Klagen gegen die Gesellschaft und solche gegen ihre Organmitglieder.

»ZIK 2023/31

Prader/Pittl, Gesetzwidrige Fälligkeitsvereinbarungen beim grundbücherlichen Sicherungsmodell und ihre Folgen, Zak 2022/720, 384:

Vor dem Hintergrund in der Praxis vorkommender gesetzwidriger Fälligkeitsklauseln für Zahlungen des Erwerbers in Bauträgerverträgen werden die Auswirkungen solcher Vereinbarungen auf die Fälligkeit behandelt, ua im Licht der Judikatur des EuGH.

»ZIK 2023/32

Schmid, Publizitätslose Mobiliarsicherheit, IPRG und gutgläubiger Rechtserwerb, ZFR 2022/275, 589:

Behandelt wird die E OGH 7 Ob 99/22t, nach der im Ausland wirksam begründetes Sicherungseigentum bei Verbringung der Sache nach Österreich aufrechtbleibe. Insb beschäftigt sich der Autor mit der Relevanz des Vertrauens auf eine überholte Rechtsprechung bei der Beurteilung des gutgläubigen Rechtserwerbs.

32 ZIK 1/2023 FACHLITERATUR ART.-NR.: 25 zik.lexisnexis.at
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JUDIKATUR

Prozessunterbrechung durch ein Schweizerisches Konkursverfahren

»ZIK 2023/33

IO: § 7 Abs 1, §§ 221, 231, 240 Abs 1 Schweizer Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG): Art 207

EuInsVO 2015: Art 18

OGH 22. 4. 2022, 8 Ob 21/22d

Nach Schweizer Konkursrecht verlieren mit Konkurseröffnung eine Gesellschaft und deren Organe das Verfügungsrecht über ihr Vermögen; dieses geht auf die Konkursverwaltung bzw Gläubigergesamtheit über. Zivil- und Verwaltungsverfahren werden, von Ausnahmen abgesehen, mit der Konkurseröffnung eingestellt. Eine Gesellschaft tritt mit Konkurseröffnung in Liquidation, mit nach Abschluss erfolgender Löschung endet ihre rechtliche Existenz.

Für nicht von der EuInsVO 2015 erfasste ausländische Insolvenzverfahren, die Voraussetzungen für ihre Eröffnung und ihre Wirkungen gilt, soweit nichts anderes bestimmt ist, das Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus). Nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung richtet sich grundsätzlich, wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt. Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über eine Sache oder ein Recht der Masse ist aber das Recht des Staates maßgebend, in dem der Rechtsstreit anhängig ist (lex fori processus). Vergleichbar der Rechtslage nach der EuInsVO 2015 handelt es sich dabei um eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige massebezogene Rechtsstreitigkeiten. Darunter fällt jedenfalls eine allfällige Unterbrechungswirkung und -dauer einschließlich der Regelung der Fortsetzung (RIS-Justiz RS0119846).

Voraussetzung für eine Prozessunterbrechung durch ein Schweizer Konkursverfahren ist, dass es in Österreich anzuerkennen ist. Für die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren ist kein besonderes Verfahren vorgesehen; sie erfolgt ipso iure und ist daher in jedem Verfahren als Vorfrage zu beurteilen (VwGH 2013/15/0062).

Die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens und die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen werden in Österreich anerkannt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im anderen Staat liegt und das Insolvenzverfahren in den Grundzügen einem österr ver-

zusammengestellt von Univ.-Prof. i. R. Dr. Andreas Konecny

gleichbar ist, insb österr Gläubiger wie Gläubiger aus dem Staat der Verfahrenseröffnung behandelt werden.

Das Konkursverfahren in der Schweiz ist in den Grundzügen einem österr vergleichbar und es werden insb österr Gläubiger wie Gläubiger aus der Schweiz behandelt (VwGH 2013/15/0062), sodass ein Schweizer Konkursverfahren in Österreich anzuerkennen ist. Ein in Österreich laufender, die Masse betreffender Prozess wird daher unterbrochen. Das Verfahren kann jedoch in Bezug auf einen Streitgenossen des Schuldners erledigt werden, wenn dieser (wie im Anlassfall) mit dem Schuldner nicht eine einheitliche Streitpartei, sondern eine materielle Streitgenossenschaft bildet.

Die Kosten einer Räumungsexekution während des Insolvenzverfahrens begründen eine Masseforderung

»ZIK 2023/34

IO: §§ 46, 51

EO: §§ 74, 349

OGH 12. 7. 2022, 17 Ob 8/22h

Der prozessuale Kostenersatzanspruch entsteht bedingt durch den Prozesserfolg mit Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen. Prozesskosten und Exekutionskosten bilden, wenn sie Aufwand einer Rechtsverteidigung darstellen, eine selbständige Forderung. Die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Kosten sind Insolvenzforderungen, Verfahrenskosten ab Eröffnung hingegen Masseforderungen. Die Kosten einer Räumungsexekution während des Insolvenzverfahrens begründen daher eine Masseforderung.

Der Bekl als Bestandgeber einer Liegenschaft kündigte den Bestandvertrag mit der Schuldnerin zum 30. 11. 2015 gerichtlich auf. Mit Urteil vom 17. 5. 2017 erkannte das BG Graz-Ost die Aufkündigung als wirksam und verurteilte die Schuldnerin, das Bestandobjekt binnen 14 Tagen dem Bekl geräumt zu übergeben.

Am 30. 5. 2017 eröffnete das LGZ Graz über das Vermögen der Schuldnerin ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. Der Kl wurde zum Sanierungsverwalter bestellt.

Nachdem das Urteil des BG Graz-Ost unbekämpft in Rechtskraft erwachsen war, beantragte der Bekl als Betreibender die zwangsweise Räumung des Bestandobjekts, die mit Beschluss vom 11. 8. 2017 des BG Graz-Ost bewilligt wurde. Mit Beschluss vom 18. 12. 2017 wurden die dem Bekl als Betreibenden entstan-

ZIK 1/2023 33 ART.-NR.: 34 zik.lexisnexis.at

denen Exekutionskosten mit insgesamt 71.594,48 € bestimmt und die Verpflichtung zum Kostenersatz ausgesprochen. Einen dagegen wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs erhobenen Rekurs verwarf das LGZ Graz als RekursG mit der Begründung, dass die durch den Vollzug der Räumungsexekution entstandenen Kosten Masseforderungen seien.

Mit Beschluss des LGZ Graz vom 29. 6. 2020 wurde das Sanierungsverfahren schließlich abgebrochen, die Bezeichnung auf Konkursverfahren geändert, der Schuldnerin die Eigenverwaltung entzogen und der Kl zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kl begehrt die Feststellung, dass die Forderungen des Bekl aus der vom 9. 10. 2017 bis 18. 10. 2017 vollzogenen Räumung der Liegenschaft Insolvenzforderungen seien.

Das ErstG verwarf – rechtskräftig – die Einrede der entschiedenen Rechtssache und wies das Klagebegehren ab.

Das BerufungsG bestätigte dieses Urteil.

Die Revision des Kl hatte keinen Erfolg.

Aus der Begründung des OGH

[10] 1. Insolvenzforderungen sind vermögensrechtliche, wenn auch bedingte oder betagte Ansprüche, die einem persönlichen Gläubiger gegen den Schuldner zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zustehen (RIS-Justiz RS0063809). Es müssen zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits sämtliche Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Forderung vorhanden sein, mag sie auch noch nicht fällig oder vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein. Die Bedingung muss dabei aber nicht unbedingt auf einer rechtsgeschäftlichen Bestimmung beruhen, sondern sie kann sich auch aus dem Gesetz ergeben; ihr Eintritt darf nur nicht vom Zutun des Schuldners abhängen (RIS-Justiz RS0051527).

[11] 2. Voranzustellen ist, dass es hier ausschließlich um die Beurteilung des prozessualen (Exekutions-)Kostenersatzanspruchs des Bekl als Insolvenz- oder Masseforderung geht.

[12] 2.1. Richtig ist zwar, dass der OGH in seiner E 8 Ob 235/99p vertrat, dass sich das bedingte Bestehen des Kostenersatzanspruchs des zur Räumung Berechtigten für die Rückgewinnung der Sache schon vor Insolvenzeröffnung –auch dann, wenn die Räumungskosten erst nach diesem Zeitpunkt angefallen seien – aus dem bereits zuvor infolge Vertragsauflösung zustande gekommenen materiellen Rückstellungsanspruch ergebe. Diese Rechtsansicht ist aber vereinzelt geblieben.

[13] 2.2. Nach neuerer stRsp des OGH entsteht nämlich der prozessuale Kostenersatzanspruch bedingt durch den Prozesserfolg mit Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen (vgl RIS-Justiz RS0051738 [T2, T5]; 10 Ob 27/16t; vgl auch RIS-Justiz RS0064270). Prozesskosten und Exekutionskosten bilden, wenn sie Aufwand einer Rechtsverteidigung darstellen, eine selbständige Forderung. In diesem Fall sind die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Kosten Insolvenzforderungen (RIS-Justiz RS0051738 [T3]; RS0064270; RS0064832 [T2]). Verfahrenskosten ab Insolvenzeröffnung sind hingegen Massefor-

derungen (zu Exekutionskosten ausdrücklich 3 Ob 35/06b; 3 Ob 138/03w; vgl auch RIS-Justiz RS0035890).

[14] 2.3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die hier gegenständlichen – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen – Kosten des Exekutionsverfahrens seien Masseforderungen, findet daher Deckung in der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

Anmerkung: Siehe dazu den Besprechungsaufsatz von Nunner-Krautgasser in diesem Heft der ZIK 2023/6, 5.

Kostenvorschuss, Rückgriff und Rekursbeschränkungen

»ZIK 2023/35

IO: §§ 71d, 72a, 72b, 72c

OLG Wien 4. 1. 2022, 6 R 187/21w

Der dem organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person erteilte Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses und zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses ist selbstständig anfechtbar. Er kann aber nur vom Vertreter, nicht von der juristischen Person angefochten werden. Deren Rekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.

Das Ziel der Beschleunigung des Eröffnungsverfahrens wird durch eine Beschränkung der Rekursgründe gegen den Aufforderungsbeschluss abgesichert. Das Rechtsmittelrecht der organschaftlichen Vertreter gegen den Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses sowie zur Vorlage und Unterzeichnung eines Vermögensverzeichnisses ist höchst eingeschränkt. Die Rechtsmittellegitimation besteht nur insoweit, als vom organschaftlichen Vertreter „die sich aus der Organstellung ergebende Verpflichtung“ bestritten wird. Der organschaftliche Vertreter kann nur geltend machen, dass ihm diese Stellung nicht zukommt. Möglich ist daher lediglich eine Bestreitung dem Grunde nach. Damit scheiden insb Rekurse gegen die Aufträge des InsolvenzG mit dem Einwand aus, es habe an jeglichem Schuldnervermögen gefehlt, sodass das Insolvenzverfahren auch bei Erlag eines Kostenvorschusses nicht eröffnet hätte werden dürfen, der in Anspruch Genommene sei mit der eigenen Antragstellung nicht säumig gewesen, die juristische Person sei nicht zahlungsunfähig oder der Beschluss hätte erst dann gefasst werden dürfen, wenn die amtswegigen Erhebungen das Fehlen von kostendeckendem Vermögen ergeben hätten. Ebenso wenig ist ein Rekurs zulässig, der sich mit der Vermögenssituation der juristischen Person, insb der Kostendeckung, der Notwendigkeit eines Vorschusses und seiner Höhe befasst. Wer aber zB als noch im Firmenbuch eingetragener GmbH-Geschäftsführer den Kostenvorschuss leisten soll, kann dagegen mit dem Argument

34 ZIK 1/2023 JUDIKATUR ART.-NR.: 35 zik.lexisnexis.at

rekurrieren, er sei bereits vier Monate vor der Insolvenzantragstellung wirksam zurückgetreten.

Im Unterschied zum Beschluss, mit welchen dem Antragsteller der Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen wird, ist der an einen organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person gerichtete Beschluss vollstreckbar, und zwar sofort und ohne dass ein Rekurs aufschiebende Wirkung hätte. Die organschaftlichen Vertreter haben also anders als der Antragsteller kein Wahlrecht, ob sie den Vorschuss leisten oder nicht. Auch ihnen bleibt aber die Hoffnung, den Kostenvorschuss aus der Insolvenzmasse zurückzuerhalten, denn sie haben gleichfalls eine gegenüber den Kosten des Insolvenzverwalters nachrangige Masseforderung.

Wer einen Kostenvorschuss geleistet hat, kann diesen Betrag vom organschaftlichen Vertreter verlangen, der zur Leistung eines Kostenvorschusses verpflichtet gewesen wäre. Darüber hat das InsolvenzG mit Beschluss zu entscheiden, bezüglich dessen Anfechtung die Rekursbeschränkungen wie bei einem Auftrag an den organschaftlichen Vertreter zum Erlag eines Kostenvorschusses gelten. Nicht zielführend sind daher Ausführungen im Rekurs dahin, dass der Antragsteller den zurückverlangten Kostenvorschuss tatsächlich gar nicht erlegt hätte, da dabei nicht die Organstellung bestritten wird.

Anmerkung: Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das InsolvenzG den Geschäftsführer der insolventen GmbH, dem Sozialversicherungsträger, der den Eröffnungsantrag gestellt hatte, den von ihm geleisteten Kostenvorschuss zu zahlen. Schuldnerin und Geschäftsführer machten in ihrem Rekurs erfolglos geltend, dass die Insolvenzverwalterin Zahlungen an den Sozialversicherungsträger angefochten und dieser die daraus entstehende Forderung auf Rückleistung mit dem Kostenvorschuss aufgerechnet, diesen damit nicht erlegt habe.

Zur Entlohnung des einstweiligen Verwalters I

»ZIK 2023/36

IO: §§ 73, 82, 82b, 82c, 125

OLG Graz 4. 1. 2022, 3 R 165/21s

Weist das InsolvenzG den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ab, ist dennoch eine Haftung des Schuldners mit seinem gesamten Vermögen für die Kosten einer einstweiligen Vorkehrung anzunehmen, namentlich auch für die Kosten der einstweiligen Verwaltung. Denn die einstweilige Vorkehrung ist unmittelbar auf einen dem Schuldner zuzurechnenden Anlass zurückzuführen.

Das Gesetz enthält keine expliziten Regelungen über den Anspruch des einstweiligen Verwalters auf Entlohnung und Ersatz seiner Barauslagen. Mangels einer gesonderten Norm muss schon zur Wahrung eines einheitlichen Entlohnungsgefüges eine Analogie zu den sonstigen Bestimmungen über die Verwalterentlohnung gezogen werden. Diese gelten grundsätzlich auch für die Entlohnung des einstweiligen Verwalters. Dazu muss das InsolvenzG im jeweiligen Einzelfall abklären, welchem Kostentatbestand die dem einstweiligen Verwalter übertragenen Aufgaben am ehesten entsprechen. Dafür hat es beim Zuspruch der Entlohnung va darauf zu achten, welcher zeitliche Aufwand, welches Risiko und welche Verantwortung mit den übertragenen Aufgaben verbunden gewesen sind. Die Erhöhungs- und Verminderungsgründe lassen eine einzelfallgerechte Bestimmung zu, wenngleich die Entlohnungstatbestände des Insolvenzverwalters nicht idealtypisch für die Entlohnung der Aufgaben des einstweiligen Verwalters konzipiert sind.

Analog anzuwenden sind auch die Bestimmungen für das Verfahren zur Bestimmung der Entlohnung des einstweiligen Verwalters. Daher genügt eine nachvollziehbare Darstellung der für die Bemessung der Entlohnung maßgebenden Umstände. Darzulegen sind jedenfalls die Bemessungsgrundlage und die Verdienstlichkeit der Tätigkeit. Im Normalfall genügen hierfür knappe Ausführungen und ein Verweis auf aktenkundige Berichte. Es ist dagegen nicht erforderlich, alle Leistungen einzeln anzuführen.

Was die Höhe der Entlohnung betrifft, kennt das Gesetz keine Mindestentlohnung. Obwohl die Erläuterungen zum IRÄG 2017 (ErläutRV 1588 BlgNR 25. GP 6) eine „Mindestentlohnung“ erwähnen und auch das Gesetz in § 82a Abs 2 IO (Entlohnung bei Sanierungsplan) selbst den Begriff „Mindestentlohung“ kennt, findet sich in § 82 IO der Begriff Mindestentlohnung gar nicht; selbst das Wort „mindestens“ (früher iZm dem Grundbetrag von 2.000  € [28.000 ATS]) hat der Gesetzgeber des IRÄG 2017 gestrichen. Es liegt bloß eine „Sockelentlohnung“ vor. Die Bestimmungen über die Erhöhung bzw Verminderung der Entlohnung enthalten aber keine absolute Begrenzung für das Ausmaß, in dem von der Regelentlohnung nach oben oder unten abgewichen werden kann. Das G ist daher in dieser Hinsicht frei, es kann eine Erhöhung oder Verminderung auch mit einem hohen Betrag vornehmen, es kann sogar ein Mehrfaches oder aber einen Bruchteil der Regelentlohnung zusprechen; ja es kann selbst unter die „Mindest“-Entlohnung gehen. Das InsolvenzG kann daher im Beschluss, mit dem es die Entlohnung des einstweiligen Verwalters festsetzt, nicht davon ausgehen, dass diesem unabdingbar der Sockelbetrag von 3.000  € gebührt, also unabhängig vom Umfang seiner Verwaltertätigkeit und von Gründen für eine Verminderung der Entlohnung.

ZIK 1/2023 35 JUDIKATUR
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ART.-NR.: 36

Anmerkung: Das RekursG hob den angefochtenen Beschluss auf und verwies die Sache an das ErstG zurück, das jedenfalls die Beschlussbegründung zu verdeutlichen habe. Siehe zum weiteren Verfahren unten OLG Graz 8. 3. 2022, 3 R 38/22s ZIK 2023/37, 36.

Zur Entlohnung des einstweiligen Verwalters II

»ZIK 2023/37

IO: §§ 73, 82, 82b, 82c

OLG Graz 8. 3. 2022, 3 R 38/22s

Die Bestimmungen über die Entlohnung von Insolvenzverwaltern gelten analog für die Entlohnung des einstweiligen Verwalters. Daher gebührt auch diesem keine „Mindestentlohnung“ von jedenfalls 3.000  €, das Gesetz sieht nur eine „Sockelentlohnung“ vor. Diese kann erhöht oder vermindert werden. Das InsolvenzG kann auch unter die „Mindest“-Entlohnung gehen.

Die Regelentlohnung vermindert sich, soweit dies unter Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände geboten ist. Da die Regelentlohnung für die typischerweise in einem Verfahren zu erbringenden Leistungen zusteht, ist ihre Verminderung insb gerechtfertigt, wenn der Verwalter wesentliche Aufgaben nicht wahrnehmen musste. Es können nicht nur die im Gesetz ausdrücklich genannten außergewöhnlichen Umstände zu einer Verminderung der Entlohnung führen, sondern alle Umstände, die ein Missverhältnis zwischen der Bemessungsgrundlage und den vom Insolvenzverwalter erbrachten Leistungen bewirken.

Es ist wohl zu betonen, dass der Sockelbetrag nicht ohne Weiteres unterschritten werden soll. Aus gutem Grund erwähnen die Erläuterungen zum IRÄG 2017 den „motivatorischen“ Charakter der Entlohnung des Insolvenzverwalters (ErläutRV 1588 BlgNR 25. GP 6). Hatte jedoch (wie im Anlassfall) der einstweilige Verwalter sein Amt nur ganz kurze Zeit auszuüben und dabei die von ihm erwartete Recherchearbeit erledigt, allerdings keine weiteren Aufgaben zu erfüllen, hatte er im Vergleich mit der durchschnittlichen Tätigkeit eines Insolvenzverwalters doch deutlich weniger Aufgaben zu erfüllen. Eine Kürzung der Sockelentlohnung im Umfang von 20 % ist daher gerechtfertigt. Daran ändert eine (im Anlassfall vom einstweilige Verwalter vorgebrachte) fehlende Bereitschaft des Schuldners zur Kooperation nichts. Der Schuldner ist nicht verpflichtet, den Verwalter zu unterstützen, es ist als „normal“ einzustufen, wenn von ihm wenig oder keine Mitwirkung erfolgt.

Anmerkung: Siehe zum Verfahren bereits OLG Graz 4. 1. 2022, 3 R 165/21s ZIK 2023/36, 35. Das RekursG wiederholte die in seinem vorhergehenden Beschluss ausgeführten Rechtsansichten, diesbezüglich wird auf die Leitsätze verwiesen.

Entlohnung des Insolvenzverwalters: Erhöhung/Barauslagen

»ZIK 2023/38

IO: §§ 82, 82b, 125

OLG Wien 24. 1. 2022, 6 R 151/21a, 6 R 152/21y

Die Erhöhung der Entlohnung setzt einen Antrag des Insolvenzverwalters voraus. Dieser muss die Erhöhungsgründe im Antrag darlegen. Auf nicht behauptete Erhöhungsgründe muss das InsolvenzG nicht eingehen. Das Ausmaß der Erhöhung hat das ErstG nach freiem Ermessen zu bestimmen.

Eine Erhöhung der Regelentlohnung setzt außergewöhnliche Umstände voraus, wobei von ihr nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Es ist zu beurteilen, ob das Ausmaß der Tätigkeiten des Insolvenzverwalters in einem angemessenen Verhältnis zur Bemessungsgrundlage steht und daher mit der Regelentlohnung sachgerecht honoriert ist. Eine Erhöhung setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter die im Verfahren normalerweise vorkommenden Tätigkeiten verrichtet hat, dies aber mit unüblich großem Aufwand oder, ohne dass es ihm anzulasten wäre, unter Erzielung einer im Vergleich zu Normalverhältnissen geringen Bemessungsgrundlage. Vom Insolvenzverwalter als Sachverständigem ist in jedem Fall zu erwarten, dass er die „Standardprobleme“ bewältigt. Eine Entlohnungserhöhung ist nur dann gerechtfertigt, wenn er auf tatsächliche oder rechtliche Probleme gestoßen ist, die im Normalfall nicht auftauchen. Entlohnungsrechtlich relevant werden sie, wenn der Insolvenzverwalter deswegen bei gleichbleibender Bemessungsgrundlage unüblich viel Arbeitsaufwand in die Verfahrensabwicklung stecken musste.

Eine Entlohnungserhöhung ist bei Obstruktion seitens des Schuldners erfüllt. Dieser ist allerdings nicht verpflichtet, den Insolvenzverwalter zu unterstützen, er hat ihm bloß alle erforderlichen Auskünfte zu geben. Daher ist es als „normal“ einzustufen, wenn vom Schuldner wenig oder gar keine Mitwirkung erfolgt. Wenn er aber durch falsche Informationen, Zurückhaltung oder Ansichbringen von Massevermögen, wiederholte unbegründete – jedoch Stellungnahmen/Berichte erfordernde – Anträge udgl eine erhebliche Mehrbelastung des Insolvenzverwalters bewirkt, der ja keine Vergrößerung der Bemessungsgrundlage gegenübersteht, dann ist ein Erhöhungsfaktor gegeben.

36 ZIK 1/2023 JUDIKATUR ART.-NR.: 37 zik.lexisnexis.at

Der Insolvenzverwalter hat auch Anspruch auf Ersatz der Barauslagen. Der Begriff Barauslagen ist in der IO nicht definiert, die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis darauf, was darunter zu verstehen ist. Die allgemeinen Geschäftsunkosten des Insolvenzverwalters (zB Büromiete, Sekretariat, Porto-, Telefon-, Kopierkosten) sind durch die Regelentlohnung abgegolten und können daher nicht als Barauslagen geltend gemacht werden. Anderes gilt nur, wenn im Einzelfall Kosten in ungewöhnlicher Höhe anfallen, die die allgemeinen Geschäftsunkosten beträchtlich übersteigen. Auch die Kosten der üblichen (Berufs-)Haftpflichtversicherung gehören zu den allgemeinen Geschäftsunkosten des Insolvenzverwalters und können nicht als Barauslagen geltend gemacht werden. Soweit jedoch wegen der Größe und Schwierigkeit des Verfahrens der Abschluss einer besonderen Haftpflichtversicherung erforderlich ist, stellen die erhöhten Prämien ersatzfähige Barauslagen dar.

Den Anspruch auf Barauslagen hat der Insolvenzverwalter geltend zu machen. Begehrt er ersatzfähige Barauslagen, hat er diese aufzuschlüsseln und – soweit sie nicht notorisch oder aus dem Akt ersichtlich sind – zu bescheinigen. Unterlässt der Insolvenzverwalter eine Aufschlüsselung, kann ihm jedenfalls dann nicht dennoch ein Pauschalbetrag zugesprochen werden, wenn er dem Einwand des Schuldners, es seien keine Barauslagen angefallen, nicht entgegentritt.

Anmerkung: Im Anlassfall entstand dem Insolvenzverwalter übermäßiger Arbeitsaufwand, ua musste er viele Berichte und Stellungnahmen erstatten. Hinzu kamen Schwierigkeiten aufgrund eines parallelen Insolvenzverfahrens der Gesellschaft, deren Alleingesellschafter der Schuldner war. Das RekursG erachtete eine Erhöhung der Regelentlohnung von 20 % als angemessen.

Im gleichen Sinn zur Erhöhung der Regelentlohnung OLG Wien 14. 2. 2022, 6 R 13/22h: Die Schuldnerin hatte erhebliche Vermögenswerte und Verkaufsverhandlungen darüber sowie das Verschieben von Arbeitsverhältnissen von der Muttergesellschaft in die schuldnerische Gesellschaft zu deren Lasten verschwiegen und unrichtige Angaben gemacht. Die Mehrbelastung der Insolvenzverwalterin rechtfertigte nach Ansicht des RekursG eine Erhöhung der Regelentlohnung um 40 %.

Forderungsfeststellung, Forderungsübergang und Rekurs der Schuldnerin

»ZIK 2023/39

IO: § 105 Abs 4, § 109

ABGB: § 1358

OGH 30. 8. 2022, 8 Ob 33/22v

Die Schuldnerin kann durch den erstgerichtlichen Beschluss über die Anmerkung eines Rechtsübergangs im Anmeldungsverzeichnis nur dann in ihren Rechten verletzt sein, wenn sie durch die Entscheidung schlechter gestellt wäre als bei der in Betracht kommenden Alternative, nämlich der Durchführung einer auf den Forderungsübergang eingeschränkten Prüfungstagsatzung.

Im Rahmen der Prüfung eines angemeldeten Forderungsübergangs könnte die Schuldnerin dessen Richtigkeit bestreiten, diese Erklärung wäre vom InsolvenzG im Anmeldeverzeichnis anzumerken. In diesem Recht wird die Schuldnerin aber nicht verletzt, wenn sie die materielle Richtigkeit der Forderungseinlösung in ihren Rechtsmitteln gar nicht in Frage stellt.

Das Interesse der Schuldnerin, bei der Abstimmung über einen allfälligen Sanierungsplan keinen Nachteil zu erleiden, stellt in Ermangelung eines Rechtsanspruchs auf ein günstiges Stimmverhalten der Insolvenzgläubiger keine geschützte Rechtsposition dar und kann die Rekurslegitimation nicht begründen.

Mit Beschluss des ErstG vom 29. 4. 2021 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Sie verfügt über zwei Gesellschafter, die Ehegatten sind und zwischen denen ein Scheidungsverfahren anhängig ist. Der Antrag auf Konkurseröffnung wurde von der Kommanditistin der Schuldnerin und Ehefrau ihres Komplementärs gestellt.

Im Konkurs der Schuldnerin wurde die Forderung einer Bank iHv 133.159,85 € als Insolvenzforderung angemeldet und weder vom Masseverwalter noch von der Schuldnerin bestritten.

Am 10. 8. 2021 stellte die Kommanditistin den Antrag, im Anmeldungsverzeichnis zu ihren Gunsten bei der Forderung der Bank den Rechtsübergang im Umfang von 72.000 € anzumerken. Die Antragstellerin habe die Sachhaftung für den der Forderung der Bank zugrunde liegenden Kontokorrentkredit bis zur Höhe von 72.000 € übernommen. Sie habe diesen Betrag mittlerweile an die Bank bezahlt, wodurch deren Forderung im Umfang der Zahlung durch Einlösung gem § 1358 ABGB auf die Antragstellerin übergegangen sei.

Der Masseverwalter stimmte dem Antrag zu, die Schuldnerin sprach sich gegen eine Stattgebung aus, weil die teilweise Tilgung einer festgestellten Insolvenzforderung durch die Zahlung eines mithaftenden Dritten am Teilnahmeanspruch des ursprünglichen Gläubigers nichts ändere.

ZIK 1/2023 37 JUDIKATUR
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Das ErstG bewilligte den Antrag auf Anmerkung des Rechtsübergangs.

Das RekursG wies den Rekurs der Schuldnerin als unzulässig zurück: Das Anmeldungsverzeichnis habe den Charakter eines Protokolls, in dem das InsolvenzG mit seinen Eintragungen die Ergebnisse der Prüfungstagsatzung beurkunde. Die Feststellung einer Insolvenzforderung ergebe sich nach § 109 Abs 1 IO aus den abgegebenen Erklärungen der Beteiligten. Mangels entscheidungsförmiger Erledigung sei sie überhaupt nicht bekämpfbar. Für die Anmerkung eines Forderungsübergangs müsse das Gleiche gelten, auch wenn sie vom InsolvenzG nicht unmittelbar vollzogen wurde, sondern es einen gesonderten Beschluss gefasst habe.

Die Schuldnerin beanstandete in einem Revisionsrekurs im Ergebnis, dass über die Frage des Forderungsübergangs nicht im Rahmen einer (ergänzenden) Prüfungstagsatzung verhandelt und die dabei allfällig vom Insolvenzverwalter und der Schuldnerin abgegebenen Prüfungserklärungen protokolliert wurden, sondern stattdessen der von der Schuldnerin mit ihrem Rekurs angefochtene Beschluss erging. Der Revisionsrekurs hatte jedoch keinen Erfolg.

Aus der Begründung des OGH

[12] 3. Im Konkursverfahren ist grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt, der sich in seinem Recht gekränkt zu sein erachtet. Voraussetzung der Rekurslegitimation ist jedoch, dass der Rekurswerber in seinem Rechte verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt nicht (RIS-Justiz RS0065135).

[13] Die Schuldnerin könnte durch den erstgerichtlichen Beschluss nur dann in ihren Rechten verletzt sein, wenn sie durch die Entscheidung schlechter gestellt wäre als bei der in Betracht kommenden Alternative, nämlich der Durchführung einer auf den Forderungsübergang eingeschränkten Prüfungstagsatzung.

[14] Im Rahmen der Prüfung eines angemeldeten Forderungsübergangs könnte die Schuldnerin dessen Richtigkeit bestreiten (Jelinek in Koller/Lovrek/Spitzer, IO [2019] § 109 Rz 40), diese Erklärung wäre vom InsolvenzG im Anmeldeverzeichnis anzumerken. In diesem Recht wurde die Schuldnerin durch den angefochtenen Beschluss aber nicht verletzt, stellt sie in ihren Rechtsmitteln doch die materielle Richtigkeit der Forderungseinlösung nicht nur nicht in Frage, sondern erklärt sogar, es sei davon auszugehen, dass tatsächlich ein Betrag von 72.000 € durch die Kommanditistin auf die Forderung der Bank bezahlt wurde.

[15] Die Geltendmachung einer möglichen (aber ebenfalls nicht behaupteten) Rangverschiebung aufgrund eigenkapitalersetzenden Charakters der Haftungsübernahme durch die Gesellschafterin wäre der Schuldnerin nach § 105 Abs 4 IO jedenfalls verwehrt.

[16] Das Interesse der Schuldnerin, bei der Abstimmung über einen allfälligen, im Anlassfall noch nicht einmal beantragten Sanierungsplan keinen Nachteil zu erleiden, stellt in Ermangelung eines Rechtsanspruchs auf ein günstiges Stimmverhalten der In-

solvenzgläubiger keine geschützte Rechtsposition dar und kann die Rekurslegitimation nicht begründen.

[17] Durch einen allfälligen Eingriff des erstgerichtlichen Beschlusses in die Rechtsposition der Bank ist die Schuldnerin ebenso wenig selbst beschwert.

[18] Dem Revisionsrekurs gegen die – mangels Beschwer jedenfalls im Ergebnis zutreffende – Zurückweisung des Rekurses der Schuldnerin war daher keine Folge zu geben.

»ZIK 2023/40

IO: §§ 117, 119

GrEStG 1987: §§ 1, 8

BFG 15. 2. 2022, RV/5100882/2020

Ein Kaufvertrag über ein inländisches Grundstück unterliegt der Grunderwerbsteuer (GrESt). Die Steuerschuld entsteht, sobald der Erwerbsvorgang verwirklicht ist. Ist seine Wirksamkeit von der Genehmigung einer Behörde abhängig, entsteht die Steuerschuld mit der Genehmigung.

Im Unterschied zu einer Zwangsversteigerung, bei der durch den Zuschlag der unmittelbare Übergang der Verfügungsmacht an einer Liegenschaft vom Verpflichteten an den Ersteher bewirkt wird, erfolgt die freihändige Verwertung im Insolvenzverfahren nicht durch einen staatlichen Hoheitsakt, sondern im Weg eines privaten Rechtsgeschäfts, wobei Vertragspartner nicht der Masseverwalter, sondern der von ihm vertretene Schuldner ist (5 Ob 19/19h). Mit der Wirksamkeit des Vertrags kann der Freihandkäufer erst nach Rechtskraft der insolvenzgerichtlichen Genehmigung rechnen. Vor ihr wird ihm noch keine zivilrechtliche Position eingeräumt, da diese doch zumindest erfordert, dass sich die Vertragspartner einig sind, die interne Willensbildung des einen Vertragspartners – der Insolvenzmasse – aber erst nach der insolvenzgerichtlichen Genehmigung abgeschlossen ist (8 Ob 2114/96g; 8 Ob 251/01x; 8 Ob 150/10g).

Bei einer sog „Kanzleiversteigerung“ handelt es sich um ein (gesetzlich nicht geregeltes) förmliches Bieterverfahren, in dessen Rahmen der Bestbieter gesucht wird, es dient der Auswahl des Vertragspartners, mit dem in der Folge der Vertrag betreffend die Liegenschaftsveräußerung abgeschlossen werden soll (OLG Linz 2 R 175/16t, 2 R 182/16x). Bei dem im Rahmen der „Kanzleiversteigerung“ erfolgten „Zuschlag“ handelt es sich nicht um einen Zuschlag im Rechtssinn. Insb ist er nicht mit einem Zuschlag bei der Zwangsversteigerung gleichzusetzen (vgl 8 Ob 271/00m). Vielmehr beschreibt der Begriff „Zuschlag“ lediglich die

38 ZIK 1/2023 JUDIKATUR ART.-NR.: 40 zik.lexisnexis.at
Der „Zuschlag“ bei einer „Kanzleiversteigerung“ löst keine Grunderwerbsteuerpfl icht aus

Auswahl des Bestbieters, mit dem in weiterer Folge erst noch ein Kaufvertrag abgeschlossen werden soll, der einer Genehmigung bedarf. Mit der „Zuschlagserteilung“ wird dem Bestbieter in Bezug auf die Liegenschaft jedoch noch keine zivilrechtliche Position eingeräumt.

Das gilt auch, wenn (wie im Anlassfall) das InsolvenzG vor Abschluss des Kaufvertrags bereits die „Zuschlagserteilung“ genehmigt. Nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Bestimmungen ist es nur insoweit in die Veräußerung eingebunden, als es eine vom Masseverwalter vorgenommene Liegenschaftsveräußerung zu genehmigen oder die Genehmigung zu versagen hat. Gerichtliche Beschlüsse über die Annahme, Ablehnung oder Zurückweisung von Kaufanboten sieht das Gesetz nicht vor (OLG Linz 2 R 175/16t, 2 R 182/16x). Die Genehmigung der „Zuschlagserteilung“ ändert nichts daran, dass dem Freihandkäufer vor der insolvenzgerichtlichen Genehmigung des Kaufvertrags in Bezug auf die Liegenschaft noch keine zivilrechtliche Position eingeräumt wird und ein Anspruch auf Übereignung erst bei Vorliegen eines insolvenzgerichtlich genehmigten Kaufvertrags besteht (8 Ob 2114/96g; 8 Ob 251/01x; 8 Ob 150/10g).

Eine „Zuschlagserteilung“ ist auch kein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Der besteht nur dann, wenn der Erwerber seinen Anspruch auf Übereignung und damit auf Ausstellung einer einverleibungsfähigen Urkunde ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachung, letzten Endes im Klageweg, unmittelbar durchzusetzen vermag (VwGH 1062/75; 97/16/0269).

Anmerkung: Das BFG legt weiters dar, dass der „Zuschlag“ auch den Tatbestand nach § 1 Abs 2 GrEStG 1987 (Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist) nicht erfülle, weil damit keine die Liegenschaft betreffenden Rechte eingeräumt würden. Und selbst wenn man einen Erwerbsvorgang iSd § 1 GrEStG 1987 annehmen wollte, entstehe eine Steuerschuld gem § 8 Abs 2 GrEStG 1987 iVm § 117 Abs 1 Z 3 IO erst mit der insolvenzgerichtlichen Genehmigung des Kaufvertrags. Zum Abschluss und zur insolvenzgerichtlichen Genehmigung eines Kaufvertrags mit der beschwerdeführenden Gesellschaft sei es allerdings nicht gekommen.

»ZIK 2023/41

IO: § 252

JN: § 31

OGH 17. 8. 2022, 8 Nc 20/22s

Auch im Insolvenzverfahren gilt, dass aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer P anstelle des zuständigen G ein anderes G gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden kann (RIS-Justiz RS0046329). Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS-Justiz RS0046441).

Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes G eine wesentliche Verkürzung bzw Verbilligung des Verfahrens verspricht (RIS-Justiz RS0046333). Eine Delegierung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung eines Zahlungsplans ist jedoch in Anbetracht des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums selbst im Fall eines Wohnsitzwechsels des Schuldners nicht zweckmäßig.

Anmerkung: Im gleichen Sinn bereits OGH 8. 10. 2021, 8 Nc 56/21h.

Generell kein Revisionsrekurs bei Vollbestätigung

»ZIK 2023/42

IO: §§ 252, 260

ZPO: §§ 190, 192 Abs 2, § 528 Abs 2 Z 2 OGH 21. 11. 2022, 8 Ob 142/22y (8 Ob 143/22w, 8 Ob 144/22t, 8 Ob 145/22i, 8 Ob 146/22m, 8 Ob 147/22h, 8 Ob 148/22f, 8 Ob 149/22b, 8 Ob 150/22z, 8 Ob 151/22x, 8 Ob 152/22y, 8 Ob 153/22s)

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Die Anfechtungsbeschränkungen des Zivilprozessrechts für Revisionsrekurse gelten auch im Insolvenzverfahren (RIS-Justiz RS0044101 [T15]). Der Revisionsrekurs gegen einen die erstgerichtliche Entscheidung voll bestätigenden rekursgerichtlichen Beschluss ist daher ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0044101). In der Konstellation des „jedenfalls“ unzulässigen Rechtsmittels kommt auch ein „außer-

ZIK 1/2023 39 JUDIKATUR ART.-NR.: 42 zik.lexisnexis.at
Keine Delegierung eines Insolvenzverfahrens nach Bestätigung eines Zahlungsplans
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ordentliches“ Rechtsmittel nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0112314 [T22]).

Anmerkung: In ständiger und lückenloser Rechtsprechung zu Insolvenzverfahren erklärt der OGH jeden – auch „außerordentlichen“ – Revisionsrekurs gegen einen vollbestätigenden Beschluss des RekursG für unstatthaft. Die dennoch gelegentlich eingebrachten Rechtsmittel wies er daher durchwegs zurück. Bislang wurden in der ZIK diese Entscheidungen in größeren zeitlichen Abständen gesammelt präsentiert (s zuletzt ZIK 2022/37, 35). Im letzten Jahr wurden jedoch auffallend viele Revisionsrekurse gegen vollbestätigende Beschlüsse erhoben. Die im Leitsatz wiedergegebene Entscheidung, mit der elf in einem Insolvenzverfahren erhobene derartige Rechtsmittel zurückgewiesen wurden, ist ein nachdrückliches Beispiel für diese Entwicklung. Mangels Erkenntnisgewinns für die Leserinnen und Leser wird davon Abstand genommen, weitere Entscheidungen des OGH zur Unzulässigkeit der Bekämpfung vollbestätigender Beschlüsse der RekursG aufzulisten.

Ergänzend ist zu erwähnen, dass der OGH zu 8 Ob 144/22t einen zwölften Revisionsrekurs zurückwies. Die Schuldnerin hatte mehrere Anträge gestellt, das Insolvenzverfahren auf unbestimmte Zeit „auszusetzen“ bzw „aufzuschieben“. Das InsolvenzG, das diese Anträge als Unterbrechungsanträge wertete, wies sie ab, weil die Unterbrechung eines Insolvenzverfahrens nicht vorgesehen sei. Die dagegen eingebrachten Rekurse wies das RekursG zurück, weil die Abweisung eines Unterbrechungsantrags unanfechtbar sei. Der OGH wies den dagegen erhobenen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurück, weil die Rechtsauffassung des RekursG dem Gesetz entspreche (Verweis auf RIS-Justiz RS0037003). Im gleichen Sinn auch OGH 30. 3. 2022, 8 Ob 38/22d.

Zur Insolvenznähe des Prozesses auf Rückübertragung von Massevermögen

»ZIK 2023/43

EuInsVO 2015: ErwGr 5, Art 6 Abs 1

IO: § 2 Abs 2, § 3 Abs 1, §§ 27 ff

EuGVVO 2012: Art 7 Nr 1 lit a

ABGB: § 905

OGH 8. 4. 2022, 17 Ob 12/21w

Die G des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, sind zuständig für alle Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen (1. Kriterium) und in engem Zusammenhang damit stehen (2. Kriterium), wie bspw Anfechtungsklagen. Ob eine Klage „unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgeht“ (1. Kriterium), bestimmt sich nicht nach

dem prozessualen Kontext, in dem diese Klage steht, sondern nach ihrer Rechtsgrundlage. Es ist zu prüfen, ob der der Klage zugrunde liegende Anspruch oder die Verpflichtung den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts entspringt oder aber den abweichenden Sonderregeln für Insolvenzverfahren (EuGH C-535/17, NK Rn 28 mwN; 3 Ob 202/16a [Pkt 2.]). Die Tatsache, dass eine Klage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem im Rahmen dieses Verfahrens bestimmten Insolvenzverwalter erhoben wurde und dass dieser im Interesse der Gläubiger handelt, führt noch nicht zu einer wesentlichen Änderung der Art einer Klage, die von einem Insolvenzverfahren unabhängig ist und materiellrechtlich weiterhin dem allgemeinen Recht unterliegt (EuGH C-535/17, NK Rn 29 f). So leiten sich Klagen wegen der Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Vertrag, der vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, nicht unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren ab. Ebenso ist die auf einen Anspruch aus unerlaubter Handlung gestützte Klage eines Insolvenzverwalters nicht erfasst, wenn sie ihre Grundlage in den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts und nicht in den abweichenden Sonderregeln für Insolvenzverfahren hat (EuGH C-535/17, NK Rn 33 f). Liegt einer deliktischen Schadenersatzklage demgegenüber die Verletzung von Pflichten zugrunde, die ihren Ursprung in Sonderregeln für Insolvenzverfahren finden, so geht sie „unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervor“ (EuGH C-649/16, Valach ua Rn 36). Es genügt also, dass die Entscheidung über den Anspruch auch von insolvenzrechtlichen Sonderregeln abhängt.

Ob ein „enger Zusammenhang“ besteht (2. Kriterium), entscheidet sich nach der Enge des Zusammenhangs zwischen der gerichtlichen Klage und dem Insolvenzverfahren (EuGH C-649/16, Valach ua Rn 37; C-535/17, NK Rn 30).

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die Insolvenzmasse der freien Verfügung des Schuldners entzogen, seine sie betreffenden Rechtshandlungen sind gegenüber den Insolvenzgläubigern und dem zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger berufenen Insolvenzverwalter unwirksam. Unter Rechtshandlungen, die die Masse betreffen, sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern alle Handlungen, die rechtliche Wirkungen hervorbringen, zu verstehen (RIS-Justiz RS0068855 [T1]). Auch eine deliktische Handlung, die Auswirkungen auf die Insolvenzmasse zeitigt, fällt hierunter. Die Übertragung von Vermögen durch den Schuldner ohne Einverständnis des Insolvenzverwalters stellt eine die Insolvenzmasse schädigende, unwirksame Rechtshandlung dar. Die der Masse verloren gegangene Sache kann zurückgefordert werden (2 Ob 544/88; 8 Ob 524/94). Ungeachtet der Rechtsgrundlage dafür stützt sich der Anspruch auf Rückgabe jedenfalls auch darauf, dass über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war und dadurch der Schuldner der Befugnis, über das insolvenzverfangene Ver-

40 ZIK 1/2023 JUDIKATUR ART.-NR.: 43 zik.lexisnexis.at

mögen zu verfügen, verlustig ging und die von ihm dennoch getätigte Vermögensverschiebung unwirksam ist. Weil die Entscheidung über den Anspruch auch von insolvenzrechtlichen Sonderregeln abhängt, liegt ein insolvenznaher Anspruch vor. Kann der Insolvenzverwalter mit einer explizit insolvenznahen Anfechtungsklage im Mitgliedstaat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufgrund der angefochtenen Rechtshandlung getätigten Leistungen des Schuldners zurückverlangen, muss ihm das erst recht möglich sein, wenn die Rechtshandlung des Schuldners, weil sie nach Insolvenzeröffnung vorgenommen wurde, bereits ex lege unwirksam ist. Dadurch wird auch verhindert, dass es für Beteiligte vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Gerichtsverfahren von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine günstigere Rechtsstellung zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger zu erlangen. Es kann nicht Intention der EuInsVO 2015 gewesen sein, dass die ex lege unwirksame Verbringung eines Vermögensgegenstands in einen anderen Mitgliedstaat nach Verfahrenseröffnung zur Folge hätte, dass der Insolvenzverwalter in diesem anderen Staat auf Herausgabe klagen müsste. Es entsteht also keine Notwendigkeit der Prozessführung im Ausland, wenn es dem Schuldner gelingt, massezugehöriges Vermögen ins Ausland zu verbringen (Ablehnung von 8 Ob 85/16g).

Bei einem Begehren, das sich auf das Verbot der Einlagenrückgewähr stützt, scheidet die Qualifikation als insolvenznahe Klage aus. Die internationale Zuständigkeit ist als gesellschaftsvertragliches Begehren nach den Bestimmungen der EuGVVO 2012 zu beurteilen. Da ein Gesellschaftsvertrag auf die Errichtung einer Gesellschaft mit bestimmtem Sitz abzielt, sind gesellschaftsvertragsrechtliche Ansprüche grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen. Für aus einer Verletzung des Verbots der Einlagenrückgewähr resultierende Ansprüche ist daher dort der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben. Diese Zuständigkeit umfasst auch ein Begehren auf Feststellung, dass die verbotene Rechtshandlung nichtig ist (RIS-Justiz RS0108473 [T2, T3]).

Eine auf Insolvenzanfechtungsrecht gestützte Klage ist insolvenznah. Die internationale Zuständigkeit des Eröffnungsstaats umfasst nicht nur das Begehren auf Unwirksamerklärung einer schuldnerischen Rechtshandlung, sondern auch das Begehren auf Rückforderung einer Leistung (EuGH C-339/07, Seagon Rn 12 und 17 iVm Rn 28).

Anmerkung: Die Schuldnerin war eine nach österr Recht gegründete GmbH mit Sitz in Österreich, die Bekl eine nach dt Recht gegründete GmbH mit Sitz in Deutschland. Der kl Insolvenzverwalter brachte vor, dass die Schuldnerin Betreiberin eines Facebook-Accounts mit großer Reichweite gewesen sei. Es habe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne sein Wissen und seine Zustimmung eine Übertragung des Accounts auf die Bekl stattgefunden. Der Kl begehrte die Rückübertragung des

Facebook-Accounts auf Grundlage des Insolvenzrechts und in eventu die „Herausgabe“ des Accounts wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. Für den Fall, dass die Übertragung bereits vor Insolvenzeröffnung stattgefunden habe, beantragte der Kl in einem weiteren Eventualbegehren Unwirksamerklärung und Rückübertragung (Anfechtungsklage). Strittig war die internationale Zuständigkeit für diese Begehren.

Bleibeprämie und Insolvenz-Entgelt

»ZIK 2023/44

IESG: § 1 Abs 2 Z 1 und Abs 3 Z 2 lit b OGH 30. 8. 2022, 8 ObS 6/22y

Eine vom Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Bleibeprämie kann nach dem IESG gesichert sein (ausführlich 8 ObS 1/21m). Allerdings gebührt Insolvenz-Entgelt nicht für Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Als entscheidendes Kriterium für die sachliche Rechtfertigung einer höheren, über dem betriebsüblichen Niveau liegenden Entlohnung ist vor allem die Bedeutung der Arbeit des jeweiligen Arbeitnehmers und der damit verbundene Arbeitseinsatz anzusehen, und daran ist in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht die sachliche Rechtfertigung einer höheren Entlohnung zu messen. Einzubeziehen sind Fälle, in denen bereits beschäftigten Arbeitnehmern Gehaltserhöhungen gewährt werden, um sonst unvermeidbaren, größeren Schaden vom Unternehmen abzuwenden, soweit dabei in quantitativer Hinsicht auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde. Die sachliche Rechtfertigung ist zu bejahen, wenn auch ein das Unternehmen fortführender Insolvenzverwalter in einer gleichartigen Situation bei Anwendung seiner pflichtgemäßen Sorgfalt nicht umhingekommen wäre, eine Gehaltserhöhung in diesem Ausmaß zu gewähren. Das positive Kriterium der „sachlichen Rechtfertigung“ ist durch das negative des Fehlens der Absicht, den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds durch Abschluss eines Vertrags zu seinen Lasten zu missbrauchen, zu ergänzen (8 ObS 2346/96z; 8 ObS 195/00k; 8 ObS 200/02y ua).

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ZIK 1/2023 41 JUDIKATUR
zik.lexisnexis.at
ART.-NR.: 44

Wirksamkeit von im Ausland begründetem Sicherungseigentum bei Grenzübergang

»ZIK 2023/45

IPRG: §§ 7, 31

ABGB: §§ 367, 368

EO: § 37

OGH 24. 8. 2022, 7 Ob 99/22t

Im Ausland wirksam begründetes Eigentum geht nicht (bloß) durch Import der Sache nach Österreich unter. Sieht das Recht eines Staats einen wirksamen Erwerb von „gewöhnlichem“ Eigentum ohne Übergabe vor, ist der Erwerb ungeachtet der unterschiedlichen Rechtslage des neuen Lageorts auch dort wirksam, weil der Eigentumserwerb ein bereits abgeschlossener Tatbestand ist. Nichts anderes kann für eine wirksam vorgenommene Sicherungsübereignung gelten, die zu einer Vollrechtsübertragung führt. Der mit einem späteren Transport verbundene Statutenwechsel wirkt nicht zurück. Ein Rechtsverlust stünde auch im Widerspruch zum allgemein anerkannten Prinzip der wohlerworbenen Rechte (droits aquis), welche unter dem neuen Statut erhalten bleiben, wenn das erworbene Recht an der Sache dem neuen Statut nicht völlig wesensfremd ist (3 Ob 249/18s).

Der gute Glaube des Pfandnehmers setzt voraus, dass er davon überzeugt ist, kein fremdes Recht zu verletzen, und dass ihm bei dieser Annahme keine Fahrlässigkeit zur Last fällt (RIS-Justiz RS0011411). Der Pfanderwerber muss jede Fahrlässigkeit vertreten. Es genügt nicht die bloße Unkenntnis des dem Erwerb entgegenstehenden Hindernisses. Der Erwerber muss die positive Überzeugung haben, dass er durch den Erwerb kein fremdes Recht verletzt. Ein ihm unterlaufender Irrtum muss in jeder Hinsicht entschuldbar und unvermeidlich sein (RIS-Justiz RS0011412). Gutgläubiger Erwerb findet überall dort nicht statt, wo irgendein Merkmal den Erwerb als objektiv verdächtig erscheinen lässt (7 Ob 599/85).

Wer weiß oder wissen musste, dass eine zur Versteigerung gelangende Sache nicht dem gehört, als dessen Eigentum sie angegeben wird und versteigert werden soll, der kann nicht als redlicher Erwerber angesehen und geschützt werden (RIS-Justiz RS0010869). Geschützt ist – auch beim Erwerb in exekutiver Versteigerung – nur der redliche Erwerber einer beweglichen Sache. Redlich ist nur, wer den Veräußerer aus wahrscheinlichen Gründen für den Eigentümer halten konnte, wobei diesbezüglich schon leichte Fahrlässigkeit schadet (RIS-Justiz RS0010885).

Die Unterlassung der Widerspruchsklage eines Dritten gegen eine Exekution bewirkt nicht den Verlust aller Ansprüche desjenigen, dessen Eigentum zu Unrecht

im Exekutionsverfahren verwertet worden ist (RIS-Justiz RS0001308).

Anmerkung: Der Bekl hatte einen Vertrag geschlossen, mit dem ihm ein Auto verpfändet wurde, an dem bereits in Deutschland die auf Herausgabe klP Sicherungseigentum erworben hatte. Im Rahmen einer Fahrnisexekution hatte dann der Bekl das Auto ersteigert. Das BerufungsG verneinte den guten Glauben des Bekl an das Eigentum des Verpflichteten bei der Pfandbestellung und bei der Ersteigerung aufgrund einer Vielzahl schwerwiegender Verdachtsmomente. Der 7. Senat des OGH wies die außerordentlich Revision des Bekl mangels erheblicher Rechtsfrage zurück, hielt an der – von früherer Rechtsprechung abgehenden – E OGH 23. 1. 2019, 3 Ob 249/18s, fest und setzte sich in der Begründung auch mit Stellungnahmen der Literatur zu dieser Entscheidung auseinander.

»ZIK 2023/46

EO: §§ 42, 44 Abs 1, § 359 Abs 2 OGH 8. 9. 2022, 3 Ob 158/22i

Die Aufschiebung einer Exekution erfordert vor allem einen gesetzlichen Aufschiebungsgrund und die Gefahr eines nicht oder schwer zu ersetzenden (Vermögens-) Nachteils für den Aufschiebungswerber. Dieser muss – abgesehen vom Fall der Offenkundigkeit – den ihm drohenden Nachteil konkret und schlüssig behaupten und bescheinigen (RIS-Justiz RS0001619; RS0001421). Nur allgemeine Behauptungen, wie etwa der bloße Hinweis auf eine schlechte Vermögenslage, reichen nicht aus (vgl 3 Ob 22/05i). An die Behauptungs- und Bescheinigungslast des Aufschiebungswerbers sind prinzipiell strenge Anforderungen zu stellen (jüngst 3 Ob 126/21g).

Allgemeine Mutmaßungen zur angeblichen Insolvenzgefahr bei Zahlung von Geldstrafen erfüllen die Konkretisierungsanforderungen im Hinblick auf die drohende Gefährdung nicht. Lässt sich, ausgehend von den vom ErstG ermittelten Vermögenswerten des Verpflichteten, selbst unter Berücksichtigung der bisher verhängten Geldstrafen keine aktuelle Insolvenzgefahr ableiten, ist kein drohender Nachteil nachgewiesen.

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42 ZIK 1/2023 JUDIKATUR ART.-NR.: 45 zik.lexisnexis.at
Keine Exekutionsaufschiebung wegen bloß behaupteter Insolvenzgefahr

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