regretting motherhood von susanna arlt

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REGRETTING MOTHERHOOD

REGRETTING MOTHERHOOD

n a m f r a D bereuen,

r e t t Mgewuorden zu sein?

DIE WAHL DER HAARFARBE MIT 15, DAS NIEMALS BEENDETE STUDIUM DER BYZANTINISTIK ODER DER FRAGWÜRDIGE GESCHMACK BEI DER AUSWAHL SEINER EX-PARTNER. FRAU KANN VIELES BEREUEN, ABER – DIE EIGENE MUTTERSCHAFT? Text Susanna Arlt

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un gut, Haare wachsen nach, der zweite Bildungsweg ist möglich und auch die Schlepperei eines antiken Klavierflügels ist möglicherweise nach dem dritten Bier wieder vergessen. Doch was ist mit Entscheidungen, deren Konsequenzen nicht so einfach revidierbar sind? Zum Beispiel die Entscheidung, Kinder zu bekommen? Darf man denken oder sagen, dass man bereut, Mutter geworden zu sein? Den Stein des Anstoßes gab die 2015 veröffentlichte Studie „Regretting Motherhood“ der israelischen Soziologin Orna Donath, in der es darum ging, dass Mütter aus den unterschiedlichsten sozialen

Schichten ihre Mutterschaft bereut und die Mutterrolle als überwiegend negativ erlebt haben. Die 23 befragten Mütter gaben an, ihre Kinder zu lieben, aber das Muttersein zu hassen. Wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden sie keine Kinder mehr bekommen, so die einheitliche Meinung. VERLUST DER IDENTITÄT & INTEGRITÄT Es ist ein Thema, über das nicht gerne gesprochen wird, das keinen Platz in der propagierten Idylle des universellen Mutterglücks hat. Schließlich gilt Muttersein in unserer Gesellschaft immer noch als eine der größten Glückseligkeiten, die einer Frau

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widerfahren kann. Umso empörter reagiert die Allgemeinheit, wenn Frauen diese verklärte Rolle entweder kritisieren oder gar bereuen. Eine unzufriedene Mutter ist entweder selbst an ihrem „Unglück“ Schuld, weil sie die „falsche“ Einstellung hat, oder aber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft arbeiten hart daran, der Frau den Genuss des Mutterglückes durch bürokratische und finanzielle Strapazen zu erschweren. Zu wenig Kindergeld, zu wenige KiTa-Plätze, zu viel Stress. Die Liste der Gründe lässt sich ewig fortsetzen. Häufig wird versucht, das Bereuen der Mutterrolle als Reaktion auf externe Faktoren zu sehen. Dass es Frauen gibt, die ihre Mutterschaft bereuen, obwohl das Umfeld stimmt, gilt mancherorts nach wie vor als äußerst suspekt. In Donaths Studie kristallisierte sich jedoch

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REGRETTING MOTHERHOOD genau das heraus. Die meisten der befragten Frauen, die ihre Mutterschaft bereuten, taten dies nicht, weil sie durch ihre Kinder in eine prekäre Lebenslage geraten wären. Einer der Hauptgründe ist das Gefühl, die eigene Identität und Integrität zu verlieren. Man sei keine Frau mehr, sondern Mutter. Dieses Gefühl des Identitätsverlustes begann für einige bereits in der Schwangerschaft. Plötzlich ist man nicht mehr alleine in seinem Körper. Man teilt ihn sich mit einem anderen Wesen, stellt ihn zur Verfügung, verzichtet zugunsten des heranwachsenden Babys auf eigene Bedürfnisse und nimmt zum Teil unrevidierbare Veränderungen in Kauf. Doch auch wenn das Baby auf der Welt ist, hört das Teilen des eigenen Körpers in vielen Fällen nicht auf. Stillen ist gut für das Baby. Punkt. Ob frau sich dabei wohlfühlt, steht nicht zur Debatte. Es wird vorausgesetzt, dass Frauen zu uneigennützigen Gebär-und Futtermaschinen werden, immer mit dem Hinweis, dass sie doch das Beste für ihr Kind wollten und dass das alles ganz natürlich sei. Im Mutterdiskurs wird die „Natürlichkeit“ wieder zum obersten Ideal verklärt. Dass das gesamte moderne Leben in Bezug auf Medizin, Lebensweise und Umwelt „unnatürlich“ ist, wird gerne ausgeblendet. GEFEIERTE VÄTER! UND MÜTTER? Von einem Vaterinstinkt liest man allerdings selten. Hier wird schon das Kinderwagenschieben und Windelwechseln gefeiert, der Mann zum Vorzeigebeispiel „einer neuen Generation von Vätern“ gelobt. Doch wo bleibt die gefeierte neue Generation der

Mütter? Frauen, die versuchen, Kinder und Karriere zu meistern, werden eher kritisch betrachtet als für eine Neuauslegung der Mutterrolle gefeiert. Auch wenn Schwangerschaft und Geburt „natürlich“ sind, bedeutet das nicht, dass Frauen jede Veränderung ihres Körpers und ihrer Psyche milde lächelnd akzeptieren und das ganze obendrein noch als beglückend empfinden müssen. Es darf gedacht und ausgesprochen werden, dass man sich möglicherweise nach einer Schwangerschaft in seinem Körper unwohl fühlt, ohne dass man damit wieder „das Wunder des Lebens“ schlechtredet. Es ist menschlich, auch die eigenen Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen, ohne dass man Angst haben muss, dafür als schlechte Mutter abgestempelt zu werden. Bedürfnisse. Das ist etwas, das einem Kind zugesprochen wird, aber selten einer Mutter. Nur weil eine Frau Mutter wird, bedeutet das nicht, dass sie sich automatisch in eine altruistische, liebende Glucke verwandelt, deren einziges Ziel das Glück ihres Nachwuchses ist. Auch wenn dieses Ideal immer noch propagiert wird. Wenige trauen sich daher, dieses Thema überhaupt auszusprechen. Und werden dafür prompt von verschiedensten Seiten kritisiert. Lesen Sie sich einmal die Kommentare zum Thema „Regretting Motherhood“ durch, damit Sie einen Eindruck bekommen, wie verurteilend Menschen sein können. Ist es also verwunderlich, dass viele Frauen sich scheuen, über ihre Empfindungen zu sprechen? Dabei wäre genau das so wichtig. Alle in der Studie befragten Mütter gaben an, ihre Kinder zu lieben und sich liebevoll um sie zu kümmern. Dennoch assoziieren viele eine Frau, die mit ihrer Mutterrolle hadert, gleich mit einer Rabenmutter. Anstatt

zu verurteilen sollte, man versuchen zu verstehen. ÜBERHOLTE IDEALE & VERMEINTLICHE NATÜRLICHKEIT Das Totschlagargument ist oft: “Wie glaubst du, würden sich deine Kinder fühlen, wenn sie wüssten, dass du deine Mutterschaft bereust?“ Diese Frage kann wohl nur jede/r für sich selbst beantworten. Ich persönlich ziehe stets die Wahrheit vor – auch wenn sie manchmal unangenehm sein kann. Würde mir meine Mutter sagen, dass sie ihre Rolle als Mutter gehasst hätte, würde ich das auch nicht in erster Linie auf mich beziehen. Viel mehr würde ich mich mit der vorgefertigten Mutterrolle, die auf Selbstaufgabe, übermenschliche Liebe, Geduld und Duldsamkeit, sowie jede Menge veralteter Normen aufbaut, kritisch hinterfragen. Warum bürdet eine angeblich moderne Gesellschaft Frauen immer noch veraltete und überholte Ideale auf, stilisiert die „Natürlichkeit“ zum höchsten Gut? Und warum sprechen wir Frauen eigenes Erleben, Fühlen und Bewerten ab und erwarten, dass alle sich bei einem so komplexen Thema wie Elternsein einheitlich verhalten? Darf eine Frau keine eigenen Empfindungen haben, nur weil sie Mutter ist? Und ist sie eine schlechte Mutter, wenn sie sich in ihrer Mutterrolle nicht wohlfühlt? Bestimmt nicht. Statt zu verurteilen, sollte man sich damit auseinandersetzen und nicht versuchen, alles schlecht zu reden, was nicht in das eigene Weltbild passt. Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen, sind weder schlechte Mütter noch schlechte Menschen. Und Menschen, die andere für ihre Empfindungen vorschnell verurteilen, werden dadurch nicht zu besseren Menschen.

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