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Gesellschaft

Familie Freunde Sinn

Warum die Generation Y nicht egoistisch ist „Generation Weichei“ (FAZ), „Faul und schlau!“ (DIE ZEIT), „Unsicher, ziellos und wenig belastbar“ (Huffington Post) – das sind nur einige der negativen Stempel, die der Generation Y in den letzten Jahren aufgedrückt wurden. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann hat die heute zwischen Mitte 20- und Mitte-30-Jährigen sogar „Egotaktiker“ getauft. „Das Rückbesinnen auf sich selbst und das In-Balance-Bleiben“ würden der Generation Y häufig als Egoismus vorgeworfen, stellt die Anthropologin Hannah Bahl fest. Aber ist das gerechtfertigt? Text: Rebecca Erken Grafik Collage: Marijana X Jakelic

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Gesellschaft Mehr als 1000 junge Berufstätige befragt Es wird so viel behauptet über diese angeblich so selbstbezogene Generation, nur bei den Ypsilonern nachgehakt wird kaum. Eine Ausnahme: Der Wissenschaftler Michael Haller und seine Mitarbeiter der Hamburg Media School haben im Rahmen einer groß angelegten empirischen Studie mehr als 1000 junge Berufstätige ein Jahr lang in regelmäßigen Abständen nach ihren Lebenseinstellungen und Wünschen an die Arbeitswelt befragt. Die Ergebnisse der Umfrage unter den 23- bis 35-Jährigen, die alle mindestens die mittlere Reife haben, sind in Hallers aktuellem Buch „Was wollt Ihr eigentlich? Die schöne neue Welt der Generation Y“ zu lesen. Demnach handelt es sich bei der Untersuchung, die vom Marktforschungsinstitut Trend Research und der Jobplattform Xing unterstützt wurde, um die „erste große Studie über die Generation Y“.

Hedonisten und Karrieristen sind eine Minderheit Ein wichtiges Ergebnis der Umfrage: „Hedonisten und Karrieristen sind eine kleine Minderheit“. Haller macht verschiedene Lebensstile aus, wobei er die größte Gruppe dem „Prototyp des Postmaterialisten“ zuordnet, der „eher intellektuell, öko- und umweltbewusst, an Kultur stark interessiert“ ist.

Generation Y vs. Generation X „Große Bedeutung besitzen die Leitwerte Authentizität, Anerkennung und Respekt“. Das alles klingt alles andere als egoistisch oder egozentrisch. Im Gegenteil: „Es sind Wertehaltungen, die sich klar abgrenzen von der als nichtauthentisch empfundenen, eher narzisstisch geprägten Welt der Älteren“,

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schreibt Haller und bezieht sich damit auf die „Generation X“ der zwischen 1965 und 1980 Geborenen, die Florian Illies in seinem Buch „Generation Golf“ vor allem als hedonistisch und markenbewusst porträtierte.

Freunde und Familie haben Priorität In der vermeintlich so selbstbezogenen Generation Y ist der Kollaborations-Gedanke – entgegen vieler anderer Behauptungen – dagegen stark ausgeprägt, wie Haller feststellt: Die Peergroup ist wichtig, die Freunde, das Team – und die Familie. Von wegen egoistisch. „Über die Hälfte würde ihren Kindern zuliebe auf Karriere verzichten“, haben die Wissenschaftler herausgefunden. Und: „Über 80 Prozent würden weniger arbeiten, um mehr Zeit für die Familie zu haben.“

Mit den Kindern in der WG wohnen Kinder sind bei der Generation Y eindeutig willkommen: „75 Prozent haben schon Nachwuchs oder planen ihn.“ Familie scheint ein großer gemeinsamer Nenner der hyperflexiblen Sinnsucher zu sein, wobei nicht mehr nur das traditionelle Mutter-Vater-Kind-Konzept gemeint ist: Junge Eltern, ob zwei Mütter und ein Vater oder umgekehrt, leben gemeinsam mit ihren Kindern in einer WG in Kreuzberg, bevor sie zusammen auf Weltreise gehen.

Sich immer wieder neu selbst suchen, erfinden und hinterfragen Überhaupt passt das Wort „Lebensentwurf“ sehr gut zu dieser Generation, die sich immer wieder neu selbst sucht, erfindet, verwirklicht und hinterfragt, die nirgends wirklich zu Hause ist, außer im Netz. Die „Digital


Gesellschaft Freiheit, sich ausprobieren zu können, zu verteidigen.“ Krisenkinder werden sie schließlich auch genannt, diejenigen, deren Jugend sich im Schatten des 11. September abspielte, die zur Uni gingen als die Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise Märkte und Menschen erschütterte, die seit ihrem letzten Praktikum den prekären Arbeitsverhältnissen nicht mehr entkommen sind, die via Facebook Flashmobs und Festivals organisieren, während sie den Terror als essenzielle Bedrohung ihrer Lebensweise, als reale Gefahr, erleben. „Die Generation Y vertraut auf die eigene Flexibilität und lässt sich dabei nicht mehr von gesellschaftlichen Krisen, die zur Normalität geworden sind, aus dem Takt bringen“, bilanziert Haller. Natives“ , die in der ersten Phase der Digitalisierung geboren wurden, zwischen Anfang der 80er und Mitte der 90er Jahre, zählten, so Haller, „Kassettenrecorder, Walkman, Gameboy, Heim-PC, Nokia-Handy und SMS“ zu den Symbolen ihrer Kindheit.

Das Netz ist die Heimat, das Netzwerk die erweiterte Familie „Heimat ist für uns meistens dort, wo wir einen Internetanschluss, Freunde und eine Skypeverbindung haben – in anderen Worten – (fast) überall“, schreibt die „Ypsilonerin“ und Journalistin Hannah Bahl, die an Hallers Buch mitwirkte. Wenn das Netz die Heimat der Digital Natives ist, dann ist ihr Netzwerk die erweiterte Familie.

„Glück schlägt Geld“ Das Motto „Glück schlägt Geld“, das die Journalistin Kerstin Bund in ihrem gleich-

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namigen Buch als Motto für ihre Generation ausmachte, es manifestiert sich auch in den empirischen Daten: „Für jeden Zweiten ist Selbstverwirklichung wichtiger als Wohlstand“, so das Ergebnis von Hallers Umfrage. „Hierzu passt, dass man Zeit zur freien Gestaltung haben möchte und diese Qualität für wichtiger hält als schnellen Einstieg und Aufstieg.“ Aber: Kann man der Generation Y diesen Drang zur Selbstverwirklichung wirklich vorwerfen?

Volle Flexibilität bei allgemeiner Unsicherheit Nein. „Wenn nichts mehr sicher ist, ist das Selbst im Umkehrschluss das Einzige, auf das man sich verlassen kann“, schreibt die Wissenschaftlerin Bahl in Hallers Buch. „Umso wichtiger wird es also für die Generation Y, dieses Selbst und die Selbstwerdung um jeden Preis zu verfolgen und die

Die „heimlichen Revolutionäre“ der Arbeitswelt Mit dieser vermeintlich so selbstbezogenen, nach dem Warum fragenden Haltung, könnten die Ypsiloner die Arbeitswelt, die noch stark von der materialistischen Generation X geprägt ist, tatsächlich revolutionieren. „Die heimlichen Revolutionäre“ hat Jugendforscher Hurrelmann sie deshalb auch getauft. „Diese Generation lässt sich nicht mit einem ‚das ist unmöglich‘ abspeisen oder abschrecken“, schreibt Bahl.

Projektverantwortung und Home Office? Nichts ist unmöglich! Die Wünsche der jungen Generation schienen häufig „widersprüchlich oder un­ vereinbar“, so Forschungsleiter Haller: „Leistungsorientierung und Kreativität, Projektverantwortung und Home-Office, Effizienz

und Jobsharing, Karriere und Elternrolle.“ Im Gegensatz zur „klassischen Betriebswirtschaft“ handele es sich für die jungen Digitals hierbei jedoch nicht um Widersprüche. Wieso sollte man nicht einen anspruchsvollen Job, eine leitende Position innehaben, ein Start-up gründen, sich gesellschaftlich engagieren und trotzdem genug Zeit für Familie, Freunde und Kinder haben? Je mehr Ypsiloner diese Ansprüche stellen, desto eher müssen Chefs und Politiker auf diese Forderungen eingehen.

Gerade durch Selbstbezogenheit die Welt verändern Von dieser „schönen neuen Welt“, wie Haller die Vision der Ypsiloner im Untertitel seines Buches bezeichnet, sind die heimlichen Revolutionäre allerdings noch weit entfernt. Zu prekär ist bislang oft noch ihre (Arbeits-) Realität und ihre (Lebens-)Wirklichkeit. „Unsicherheit ist die neue Konstante“, schreibt Tina Egolf über ihre Generation im „Plädoyer einer Unruhestifterin“. Vielleicht kann diese Generation aber gerade deshalb einen vermeintlichen Widerspruch auflösen, wieder Visionen haben und sich trotzdem auf sich selbst besinnen – und mit oder gerade durch ihre Selbstbezogenheit die Welt Quelle: Berliner Zeitung verändern.

Buchtipp! Michael Haller

Was wollt Ihr eigentlich? Die schöne neue Welt der Generation Y

304 Seiten, ISBN: 9783867744713, € 20,00 Murmann Publishers Hamburg

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Gesellschaft

Warum ist es so verschrien, „nur Hausfrau und Mutter“ sein zu wollen? Warum wird diese Arbeit nicht wertgeschätzt?

Als kleines Mädchen habe ich mir immer gewünscht, sehr früh eine eigene Familie zu gründen, davor natürlich schon eine erfüllende Arbeit gefunden zu haben und den ganzen anderen Schnickschnack. Jetzt bin ich 25 und stehe noch in der Ausbildung. Vor einem Jahr habe ich einen Partner gefunden, mit dem ich mir vorstellen kann, Kinder in die Welt zu setzen. Er befindet sich gerade in einer Phase der beruflichen Umorientierung.

Wie machen das die anderen nur?

Ohne Plan, aber offen für Überraschungen 25 und erst noch in der Ausbildung. Wann ich einen passenden Job und Kinder haben werde, steht in den Sternen. Habe ich zu wenig geplant? Text: Franziska Agaibi

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Ich persönlich wäre gerne finanziell stabil, bevor ich ein Kind bekomme. Es geht nicht darum reich zu sein, sondern dass es keine Tragödie ist, wenn die Waschmaschine den Geist aufgibt oder ich mein Urlaubsgeld verwenden muss, um mein Fahrrad herzurichten. Manchmal packt mich ein wenig der Neid, wenn ich junge Familien sehe. Ich frage mich dann, ob sie ihre Ziele immer konsequent verfolgt haben oder ob sie dank ihrer Super-Intelligenz einen tollen Beruf ausüben. Um mich ein bisschen besser zu fühlen, rede ich mir manchmal ein, dass sie wahrscheinlich stinkreiche Eltern haben oder dass sie zu dämlich waren, um zu verhüten. Wenn ich meine bösen Gedanken beiseite schiebe, kann ich mir auch gut vorstellen, dass diese jungen Paare mit Nachwuchs ganz liebe und normalsterbliche Menschen sind. Vielen jungen Leuten aber haben sie voraus, dass sie früh den richtigen Menschen gefunden haben. Das ist für andere durchaus schwer. Oft will man sich so spät wie möglich auf nur eine Person festlegen. Man will viel ausprobieren und am liebsten so wenig Verantwortung wie möglich tragen. Wenn sich zwei Menschen in jungen Jahren finden, dann würde

ich das als Wahnsinnsglücksfall bezeichnen.

Ich wünsche mir eine Familie Es kommt mir vor, als ob wir uns mittlerweile lieber von jemandem trennen, als daran zu arbeiten, eine Beziehung zu erhalten und zu stärken. Kompromisse gehören, meiner Meinung nach, zu Beziehungen, und wer keine eingeht, wird des Öfteren sein soziales Umfeld austauschen müssen. Sollte ich einmal Kinder haben und in die Situation kommen, schlimme Differenzen mit meinem Partner zu haben, sodass alle Kompromisse und Therapien der Welt eine Trennung nicht verhindern können, möchte ich zumindest sicher sein, dass der Vater meiner Sprösslinge sich auch weiterhin um diese kümmert und ein guter Vater ist. Schwierig ist auch die Sache mit unserer Karriere. Berufliche Verwirklichung ist etwas, was sich wohl die meisten wünschen, aber es wird immer schwieriger, allen Ansprüchen zu genügen. Ich frage mich, warum es so verschrien ist, Hausfrau sein zu wollen. Wenn ich Kinder habe, möchte ich keinesfalls mehr als Teilzeit arbeiten, ich möchte meine Kinder erleben und erziehen und der Mensch sein, den sie am öftesten sehen. Ein Elternteil allein kann aber leider nicht mehr genug verdienen, um für eine Familie zu sorgen. Am liebsten wäre mir, wenn beide Elternteile nur 20 Stunden arbeiten müssten. Ich wünsche mir eine Familie, und wie mein Leben dann aussehen wird, steht in den Sternen. Ich freue mich auf zu meisternde Herausforderungen und bin offen für Überraschungen.

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Gesellschaft

Es ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema, wenn Frauen sich gegen die Mutterrolle entscheiden.

Mutter werden? Nein, danke Ich habe kein Bedürfnis, Kinder zu bekommen. Aber genauso wie ich den tiefsten Respekt für alle Frauen empfinde, die sich den Mühen einer Geburt stellen, genauso erwarte ich mir Akzeptanz für meine Entscheidung, dies nicht zu tun. Text: Susanna Arlt

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Obwohl ich erst 22 bin, sehe ich mich immer öfter mit der Frage der Familiengründung konfrontiert. Meine Antwort ist stets dieselbe: Ich habe kein Bedürfnis, Mutter zu werden. Das scheinen viele Leute nicht akzeptieren zu können. Ansagen wie „Das kommt schon noch“, „Jede Frau will Mutter werden, das liegt in ihrer Natur“ oder „Aber ohne eigene Kinder ist das Leben doch sinnlos“, gehören noch zu den harmloseren. Es ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema, wenn Frauen sich gegen die Mutterrolle entscheiden. Seit ich denken kann, war der Wunsch nach eigenen Kindern kaum vorhanden. Als ich mit drei Jahren eine Babypuppe inklusive Kinderwagen geschenkt bekam, wusste ich nicht wirklich, was ich damit anfangen sollte. Es kam mir sehr dumm vor, einem Kleinkind die Verantwortung für ein Baby zu überlassen, auch wenn es nur aus Plastik ist. Ich entschied mich gegen das Trainieren meiner mütterlichen Fähigkeiten und für meine erwachsenen Barbie-Puppen. Ich lies sie Forscherin, Ärztin, Pilotin und Reitlehrerin werden. Sie führte ein selbstbestimmtes Leben, wohnte in einer chic eingerichteten Plastikvilla und cruiste mit ihrem roten Cabrio durch die Gegend, immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer.

Mythos Mutterglück Viele Jahre später verirrte ich mich auf Youtube in die Kategorie „Home birth vlogs “. Als ob die Tatsache, dass es Frauen gibt, die sich freiwillig dabei filmen, wie sie am Wohnzimmertisch ein Kind zur Welt bringen und dabei kein fragwürdiges Detail auslassen, nicht schon erschreckend genug wäre, gibt es auch nicht wenige Follower, die diese Videos auf ihrem Youtube-Account hochladen. Aber wahrscheinlich sind solche un-

geschönten Bilder wichtig, um hinter den Mythos Nachwuchs zu blicken. In diversen Foren klagen Mütter ihr Leid, berichten, dass ihnen der Alltag mit Kindern jeden Nerv raubt, die Beziehung in die Brüche geht oder dass sie sich manchmal überwinden müssen, ihr Baby zu lieben. Anfeindungen sind dann programmiert, denn der Schein des immerwährenden Mutterglücks muss gewahrt werden. Alleine die Vorstellung, dass etwas in meinem Bauch heranwächst, sich von mir ernährt und neun Monate später auf äußerst schmerzhafte Weise seinen Weg durch mein Allerheiligstes nach draußen kämpft, um danach an meinen Brüsten zu nuckeln, ist für mich verstörender als alle Stephen King Romane zusammen. Ich weiß, dass diese Einstellung extrem ist und von vielen Leuten als eine Phase abgetan wird, die sich mit der Zeit schon legen wird.

Warum nicht adoptieren? Ich schließe nicht kategorisch aus, einmal Mutter zu werden. Es gibt so viele Kinder auf dieser Welt, die sich eine liebende Familie wünschen würden. Warum sollte ich nicht einem Kind, das bereits geboren wurde, die Möglichkeit einer besseren Zukunft bieten? Ich würde einen Säugling nicht weniger lieben, nur weil er nicht mein Erbgut besitzt. Es geht mir darum, Werte, Einstellungen, Wissen und Freude weiterzugeben. Und wenn ich mich eines Tages für den mühsamen Schritt der Adoption entscheide, weiß ich auch, dass ich das mit dem Muttersein wirklich ernst meine. Bis dahin genieße ich mein untermieterfreies Leben, ein großes Bier und den Luxus, die ganze Nacht durchschlafen zu können in vollen Zügen.

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