FAMILIE
Ich glaube nicht, dass ich mich mehr gefreut hätte, wenn ich einen Zeitplan gehabt hätte. Die Freude war ja so schon maximal.
Ein Kind bekommen ist wie sich verlieben. fümr er
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Meine Beziehung war relativ neu, meine Kinder bereits aus dem Gröbsten raus. Der Studienabschluss schien in Reichweite. Der Kontostand suboptimal. Umso aufgeregter war ich, als ich plötzlich das Gefühl hatte, schwanger zu sein. Text: Elisa Marlene Hörtnagl / Fotos: Martina Reithofer
Ich bin im Kreis gelaufen und habe mir überlegt, wie mein Freund darauf reagieren würde. Alles würde anders. Ich müsste mein Studium schnell fertig bekommen… Wir wohnten ja nicht einmal zusammen. Wir hatten dieses Szenario auch nie besprochen. Ich erinnerte mich an meine süßen, duftenden rosa Babies mit ihrem lieben Lächeln. Ich war seit dem Babyalter des zweiten Kindes allein, hatte zumeist, mangels abgeschlossener Ausbildung, unter dem Existenzminimum gewirtschaftet und durchaus stressige Zeiten bewältigt. Ein Kind stand nicht auf dem Plan.
Pinkeltest kauften. Nach ewigen Minuten des Wartens stand mein Schicksal auf so einem Stück Plastik geschrieben. Es war ein kleiner blauer Strich. Konnte man den schon liebhaben? Aber was, wenn ich den Test zu früh gemacht hatte oder wenn Pinkeltests nicht zuverlässig waren? Frühmorgens warteten wir beim Gynäkologen. Ich wollte Gewissheit. So schnell wie möglich. Die Sprechstundenhilfe war freundlich, sah mein Anliegen aber wohl weniger dringend als ich. „Sie können davon ausgehen, dass Sie schwanger sind. Die Tests sind heute schon sehr zuverlässig.“
MEIN SCHICKSAL STAND AUF PLASTIK
EIN KIND ZU BEKOMMEN IST WIE SICH VERLIEBEN
Nun wollte ich meinen Freund von Anfang an mit belasten – auch schon mit meiner Ungewissheit. „Schatz, ich bin heute so angerührt. Ich bin vier Tage drüber.“ Ihm war die Situation wohl noch nicht bewusst, als wir händchenhaltend in der Drogerie einen
16 02/2016 ALLES FÜR MEIN KIND
Ich glaube nicht, dass ich mich mehr gefreut hätte, wenn ich einen Zeitplan gehabt hätte. Die Freude war ja so schon maximal. Und die Überraschung. Die Aufregung auch. Und Stress… aber in der Überzeugung, die Si-
ALLES FÜR MEIN KIND 02/2016
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es? – „Sehr lieb wird es. Ein Schatzi! Laut Arzt voraussichtlich gesund. Alles super!“ Der wesentlichste Unterschied zwischen Schwangerschaft in jungen Jahren und mit Mitte dreißig ist Gelassenheit. Eltern der Schulkollegen meiner großen Kinder haben mich ermutigt oder mir eigene Erfahrungen erzählt.
Das Leben bietet so selten Überraschungen. Es macht Spaß, das Geheimnis zu hüten, ob es ein Bub oder Mädchen wird.
tuation zu meistern. Wie es ist, ein Kind zu bekommen, lässt sich für mich ganz leicht in Worte fassen. Schwanger zu sei, ist wie sich verlieben – nur dass die Rahmenbedingungen egal sind und dass es für immer ist – schon bevor man sich richtig kennt. Zehn Jahre nach der letzten Schwangerschaft hatte ich schon fast vergessen, wie sich kleine Tritte anfühlen. Selbstverständlich habe ich als 35-Jährige bereits umfassend die Begriffe ‚spätgebärend‘ und ‚altgebärend‘ gegoogelt. Die Eizellen der Frau, die bereits von Anfang an vorhanden sind, vermehren oder erneuern sich nie mehr. Man kann also in fortgeschrittenem Alter nur mehr auf lange gelagerte Eizellen zurückgreifen. Erfahrung gibt aber auch eine gewisse Sicherheit. Ich habe keine Angst, ein Baby falsch zu tragen, zu stillen oder Wehwehchen zu versorgen. Mit Gelassenheit kann ich die Vorfreude genießen. Erinnerungen an die Niederkunft
18 02/2016 ALLES FÜR MEIN KIND
KEINE ANGST UM DEN KÖRPER
beruhigen mich nicht gerade, aber ich weiß, dass es irgendwann vorbei ist und eine unbeschreibliche Euphorie einkehrt.
„WAS WIRD ES?“ – „SEHR LIEB WIRD ES.“ Aus Erfahrung weiß ich heute besser, was ich materiell brauchen werde. Eltern wird in Medien suggeriert, durch entsprechenden Konsum besonders fürsorglich und gut in ihrer Rolle zu sein. Zehn Wochen vor dem Entbindungstermin habe ich noch nichts gekauft. Vor allem Kleidung bekommt man ja auch gerne als Mitbringsel geschenkt. Vielleicht in Grün, Gelb oder Bunt? Blau oder rosa wird es eher nicht, weil mein Freund und ich das Geschlecht des Babies geheimhalten. Das Leben bietet so selten Überraschungen. Es macht Spaß, das Geheimnis zu hüten. Vor allem ältere Verwandte würden so gerne Bescheid wissen. Man könne sich besser vorbereiten. „Was wird
Viele werdende Mütter haben Sorge um ihren Körper. Der Busen wird aber nicht durch das Stillen weicher, sondern mit jedem Lebensjahr. Es fällt nur nach dem Stillen mehr auf, weil da das Dekolleté so prall und schön war. Es bleibt nicht straff, wenn man nicht Mutter wird. Ist so. Natur halt. Es ist auch ein hartnäckiges Gerücht, dass Frauen „ausgeleiert“ würden auf Kosten sexuellen Empfindens. Mit ernsthaftem Beckenbodentraining kann sogar ein besserer Zustand als zuvor erreicht werden. Ich mach das immer, wenn mir kalt ist – an der Bushaltestelle zum Beispiel. Ein liebender Mann sieht übrigens Schwangerschaftsstreifen als Zeugnis gemeinsamer Lebenshöhepunkte. Links über dem Hüftknochen trage ich so eine Art Kätzchenpfotenkratzer von meinem Sohn und unter dem Nabel ein paar kleine Wellenlinien von meiner Tochter. Anfangs störten sie mich. Sogar an florale Tattoos zum Überdecken hatte ich gedacht. Zum Glück war ich damals pleite. Heute mach ich Sport, laufe gerne, liebe gesundes Essen und fühl mich in der 30. Woche sehr gut, vielleicht sogar besser als damals mit Anfang zwanzig. Als Einzelkämpferin habe ich bisher bestanden und nun freue ich mich auf Teamwork mit einem Partner auf Augenhöhe. Es musste wohl einfach nur der richtige Mann in meiRed. nem Leben auftauchen.