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Kinderkrippe, nein danke!
WIR HABEN UNS ENTSCHLOSSEN, UNSER KIND ERST MIT DREI JAHREN IN EINE BETREUUNGSEINRICHTUNG
ZU GEBEN. AUS MEHREREN GRÜNDEN.
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TEXT: SUSANNA ARLT
Noch vor einigen Jahren hätte ich diesen Artikel ganz anders geschrieben. Frankreich als Vorzeigeland in puncto Kleinkindbetreuung wäre von mir in den höchsten Tönen gelobt worden. Denn eine Mutter, die zwei Monate nach der Geburt ihr Kind in die Krippe gibt, um wieder arbeiten zu gehen, ist doch der Inbegriff von Feminismus und Gleichberechtigung, oder nicht? Was bei den Franzosen anscheinend so gut klappt, kann nur gut sein. Denn was schreit mehr nach Gleichberechtigung als Frauen, die sich im harten, männlich dominierten Berufsalltag behaupten können und zusätzlich Kinder und Haushalt schupfen? Ich bin mit der Meinung aufgewachsen, dass Emanzipation bedeutet, dass Frauen dasselbe machen können wie Männer und im besten Fall auch noch gleichviel wie diese verdienen. Muttersein schwebte stets wie ein Damoklesschwert über dieser Version der weiblichen Selbstbestimmtheit. Keinesfalls darf ich mich zur Sklavin des Patriarchats degradieren lassen, indem ich die ersten Jahre bei meinem Kind bleibe.
Doch einige Zeit später hielt ich dieses kleine Menschlein in den Händen, das mich dazu bringen sollte, so viele Dinge aus einer völlig anderen Perspektive zu betrachten. Alles in mir sträubte sich bei dem Gedanken, mein wenige Wochen altes Baby fremdbetreuen zu lassen. Natürlich lasen sich die Konzepte der diversen Einrichtungen auf dem Papier wahnsinnig toll. Kleine Gruppen, hochmotivierte ErzieherInnen, empathisches Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes und dazu noch die Stärkung der sozialen Kompetenzen und die richtige Dosis Montessori-Pädagogik. Klingt doch wunderbar. Und trotzdem konnte ich das ungute Gefühl nicht abschütteln, dass eine Fremdbetreuung in den ersten Monaten den Bedürfnissen eines Säuglings nicht gerecht werden kann.
FRÜHE FÖRDERUNG
ODER FRÜHER STRESS?
Ich arbeitete mich durch diverse wissenschaftliche Studien, die sich mit dem Thema beschäftigen. Die meisten (besonders jene, die von wirtschaftsnahen Stiftungen in Auftrag gegeben und sehr häufig in den Medien zitiert werden) behaupten, dass Fremdbetreuung kleinen Kindern in ihrer Entwicklung überhaupt nicht schade. Im Gegenteil, hier wird sogar von frühkindlicher Bildung gesprochen, die den Grundstein für die spätere Karriere legt. Eine weitere Blaupause unserer leistungsfixierten Gesellschaft? Wohlgemerkt ist von diesen positiven oder neutralen Auswirkungen auf die Kleinsten nur dann die Rede, wenn der Betreuungsschlüssel niedrig angesetzt ist und die Kinder eine fixe Bezugsperson haben, auf deren Präsenz sie sich tagtäglich verlassen können. Nun, die meisten Eltern wissen, dass die Realität leider nicht so rosig aussieht. Und das hat viele verschiedene Gründe. Leider gehören Elementarpädagoginnen immer noch nicht zu den Top-Verdienerinnen unserer Gesellschaft, und da ist es nicht verwunderlich, dass viele ob der stressigen Arbeitsbedingungen frustriert den Job wechseln, häufig krank gemeldet sind oder ihre hohen Ideale schon an der Eingangstüre abgegeben haben. Außerdem sind viele Krippen chronisch unterbesetzt und nicht selten übernehmen HelferInnen, und nicht in erster Linie ausgebildete ElementarpädagogInnen den Großteil der täglichen Aufgaben.
Es ist wenig verwunderlich, dass andere Studien weniger positive Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung sehen. Manche kommen sogar zum Schluss, dass eine frühe Abgabe von Säuglingen Stress oder sogar seelische Traumata auslösen kann. Sicherlich kommt es stark auf die Persönlichkeit des Kindes an. Während für extrovertierte Kinder der Krippebesuch viele Vorteile bringen kann, ist für Introvertierte eher das Gegenteil der Fall. Wir entschieden uns dafür, das Kind nicht vor drei Jahren fremdbetreuen zu lassen. Und auch, wenn es der fordernste Job ist, den ich jemals hatte, möchte ich ihn um nichts in der Welt eintauschen.
KEINE GESCHLECHTERGLEICHSTELLUNG, KEINE BELOHNUNG VON CAREARBEIT
Immer wieder werde ich gefragt, ob ich mir gar keine Sorge wegen meiner Karriere und meiner Pension machen würde. Die Frage stimmt mich aus vielerlei Gründen zugleich traurig und wütend. Warum ist es immer noch so schwer, Carearbeit als vollwertige Arbeit anzusehen und dementsprechend zu belohnen? Wie so oft wird Care-Arbeit nicht die Wertigkeit zugeschrieben, die sie in einer Gesellschaft mit starker Tendenz zur Überalterung haben sollte. Bei Kindern wird schnell einmal gespart, wenn es um staatliche Investitionen geht. Ich brauche keinen Ausbau von Krippeplätzen. Entlohnt einfach ein Elternteil nach einem Kollektivvertragsprinzip und rechnet die Jahre bis das Kind in den Kindergarten geht für die Pension voll an. Und nein, ich bin nicht der Meinung, dass Frauen beim Kind zuhause bleiben sollen – das sei jenen gesagt, die mir jetzt fehlende Emanzipation vorwerfen wollen. Mittlerweile gibt es Gott sei Dank genug Männer, die liebend gerne die Pflege des Nachwuchses übernehmen. Allerdings zwingt das ungleiche Einkommen von Männer und Frauen viele Familien immer noch in die klassischen Strukturen. Wie konnte es passieren, dass die Emanzipation keine Gleichstellung der Geschlechter gebracht hat, sondern Frauen lediglich um eine Verpflichtung reicher gemacht hat?
Und was ist mit dem Kind? Leidet es nicht darunter, wenn man ihm die Krippenerfahrung vorenthält?“, wurde ich, nicht nur einmal, gefragt. Schließlich, so die gängige Meinung, werden in der Krippe ja soziale Kompetenzen gefördert. Wenn mit sozialen Kompetenzen das Recht des Lautesten oder Stärksten gemeint ist, dann kommt mein Kind in dieser Weise sicherlich zu kurz. Es muss nicht mit vielen anderen Kindern um Spielsachen oder Aufmerksamkeit konkurrieren. Das heißt jedoch nicht, dass es keine anderen Kinder um sich hat. Nur eben nicht acht Stunden am Tag. Dafür teilt es bereits jetzt ohne Probleme seine Spielsachen mit anderen und signalisiert klar, wenn ihm mal etwas zu viel wird, ohne dabei die andere Partei körperlich oder verbal anzugreifen. Ehrlich gesagt mache ich mir in diesen Zeiten um vieles Sorgen, aber nicht darum, dass mein Kind zum Kasper Hauser wird, weil es erst mit drei in den Kindergarten kommen wird.
Vor kurzem lernte ich eine Gleichgesinnte kennen. Auch ihr Kind geht noch nicht in die Krippe. Wir tauschten uns rege über unsere Erfahrungen aus. Irgendwann sagte sie: „Ach, das tat so gut. Ich traue mich eigentlich schon gar nicht mehr zu sagen, dass mein Kind nicht in die Krippe geht. Meistens sage ich, dass wir leider noch keinen Platz bekommen haben, um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen.“ Ich nickte schweigend, denn ich kenne das nur zu gut. Wie man’s macht, macht man’s als Mutter falsch.