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FAMILIE

Binational, bunt und besonders

MAN NENNT SIE „BINATIONALE EHEN“, „INTERKULTURELLE EHEN“, „EHE OHNE GRENZEN“, „MISCHEHEN“ ODER SOGAR „MIX-EHEN“. OBWOHL SIE IN ZEITEN DER GLOBALISIERUNG KEIN EXOTIKUM MEHR SEIN SOLLTEN, SIND SIE FÜR VIELE NOCH IMMER KURIOS. FÜR DIE BÜROKRATIE OFT EIN KRISENFALL. WENNGLEICH ES HIER EIGENTLICH NUR UM DIE LIEBE GEHT.

Text: Lilli Schuch, Illustration: Hana Tintor

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aut der Medien-Servicestelle „Neue ÖsterreichInnen“ waren im Jahr 2016 rund 30 Prozent aller Ehen binational. Seit Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2006 waren diese Ehen eher rückläufig. Heute ist die Tendenz bei uns wieder steigend. Die Anzahl der eingetragenen, binationalen Partnerschaften ist mit 35 Prozent noch deutlich höher. DURCH SPRACHLICHES DICK&DÜNN Obwohl binationale Beziehungen eine Herausforderung sind, weil zu den klassischen Beziehungskonflikten kulturelle und sprachliche Stolpersteine hinzukommen, sind sie recht stabil. Sie weisen sogar eine leicht geringere Scheidungsrate auf als gleichsprachige Ehen. Psychotherapeut Richard Fellner aus Wien, bekannt als Paartherapeut für solche Paare: „Sofern die latenten Fallen umgangen und die unausweichlichen Konflikte von beiden Partnern gemeistert werden, wohnt bikul-

turellen Partnerschaften ein überdurchschnittliches Potenzial zum Gelingen inne.“ DIE BEZIEHUNGEN VON MORGEN „Binationale Partnerschaften sind die Beziehungsform von morgen“, schreiben die Autoren des Ratgebers „Binational? Genial!“ (Verlag Atlantis). „Sie bieten nämlich die Möglichkeit, eine „dritte Kultur“ aufzubauen. Die Kinder aus diesen Familien fungieren schon im Kindergarten oft als „Brückenbauer“, weil sie gewohnt sind, sich an verschiedenen Welten zu beteiligen. Sie sind von klein auf mehrsprachig und interkulturell und durch Besuche bei Opas und Omas haben sie einiges von der großen Welt gesehen. Damit sind sie gut gerüstet für die globalisierte Welt und deren Mobilität, Multikulturalismus und Bilinqualität. Gibt es einen besseren Start ins Leben? Wir haben drei binationale Familien aus Graz getroffen. Sie haben uns großartige Sachen erzählt. Wir bedanken uns sehr bei diesen Familien.

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ÖSTERREICH

SIMBABWE

Familie

a w t e t M ELTON MTETWA (Simbabwe, 44 Jahre, selbstständig) GUDRUN STADLBAUER-MTETWA (Österreich, 40 Jahre, selbstständig) Kinder: SAMUEL (12), THANDO (14), LEO (16) Text: Gudrun Stadlbauer-Mtetwa / Fotos: Zitronenfalter

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lton und ich kennen uns bereits seit 22 Jahren, wir haben uns über die Musik, durchs Singen, in Linz kennengelernt. Erst ein paar Jahre später wurden wir ein Paar. Wir sind seit 16 Jahren verheiratet und noch immer glücklich miteinander. Wir haben sogar das Gefühl, dass unsere Liebe jedes Jahr stärker wird. Unser erster Sohn kam kurz nach meiner Abschlussprüfung an der Linzer Anton Bruckner Privatuniversität in Graz auf die Welt. Wir hatten nichts, ich als ehemalige Studentin hatte nicht einmal Anspruch auf Karenzgeld. Elton hatte nur seine damals sehr raren Konzertauftritte mit der A-capella-Gruppe, mit der er 1996 nach Österreich gekommen war.

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SPIESSRUTENLAUF MIT HOCHZEIT Nach vielen bürokratischen Hürden durften wir endlich heiraten und Elton konnte arbeiten. Er hat uns mit Nachtjobs über Wasser gehalten und ich habe nebenher immer schon ein paar Stunden Querflöte und Blockflöte unterrichtet. Ich habe mich mit Eltern-Kind-Musik-Kursen vor acht Jahren selbständig gemacht und leite das Musikzentrum “Musivana“ in Graz. Mein Mann Elton hat sich jetzt ebenfalls selbständig gemacht, nachdem er mich die letzten Jahre im Musivana im administrativen Bereich sehr unterstützt hat. Wir haben als Paar sehr viele Prüfungen bestehen müssen, u.a. waren nicht alle in unserer näheren Umgebung mit unserer Ver-

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ÖSTERREICH

SIMBABWE

✿ In Simbabwe wird nicht über Bio diskutiert, dort ist alles Bio!"

bindung einverstanden und glücklich. Wir haben die Täler gemeinsam durchwandert, denn von Anfang an war uns klar, dass wir beide ein Team sind. Rückblickend könnte man denken, es waren lauter Zufälle, aber das Leben hat uns zusammengeführt und wir beide sind füreinander bestimmt. KEIN WEG OHNE KOPFHÖRER Musik ist ein sehr wichtiger Teil in unserem Leben, alle Kinder spielen Instrumente und sind im Blasmusikverein sozusagen aufgewachsen. Wir lachen oft darüber, da

wir alle keinen Tag ohne Musik sein können. Unser wichtigstes Accessoire sind unsere Kopfhörer. Ohne Kopfhörer geht bei uns niemand außer Haus. Wir haben seit ein paar Jahren ein kleines Haus mit Garten, seitdem reisen wir noch weniger, eigentlich kaum. Elton und ich lieben unseren Garten, der mittlerweile auch mit Hühnern, Enten, einem Hasen und zwei Hunden belebt ist. Wenn wir Elton nicht im Haus finden, ist er meistens im Garten und gräbt, schneidet oder setzt gerade etwas ein.

WIEDER EINMAL IN SIMBABWE Letztes Jahr sind wir nach acht Jahren wieder nach Simbabwe gereist. Eine logistische Meisterleistung in unseren Augen, mit 20 Koffern und nach einer fast 30-stündigen Reise kamen wir in Eltons Heimatstadt Bulawayo an. Endlich haben unsere Kinder und ich das Land und unsere zweite sehr große Familie wieder gesehen. Über viele Erlebnisse, die für uns richtig abenteuerlich waren, können wir heute Gott sei Dank schon wieder lachen. Trotz unserer Multi-Kulti-Familie, sehen wir uns als ganz normale Familie, mit ganz alltäglichen Herausforderungen!

✱ Bei exsotischen Früchten im Supermarkt wird Elton ganz sentimental: „Das wächst alles bei meiner Oma im Garten und schmeckt dort viel besser!“

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ÖSTERREICH

IRLAND

Mit Iren ist es immer lustig

Familie

Mausnz a h o o D

Wie macht der Hahn? Bei uns „Kikeriki“, in Irland „Cockeldudeldoo“.

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JOHN EDWARD DOOHAN alias Schatzi, Papa, Sean (35 Jahre, Gastronomiemitarbeiter bei Ikea) NATHALIE MAUSZ alias Mama, Nathi (30 Jahre, Abteilungsleiterin bei einer Firma für Gebäude-Automationstechnik und daneben noch Studentin) BRIAN FYNN MICKEY MAUSZ alias Bridschi Bär (4 Jahre) Text und Fotos: Nathalie Mausz

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ein Partner ist in Irland geboren in dem kleinen idyllischen Örtchen Falcarragh. Er wuchs unter ländlichen irischen Verhältnissen auf, die für mich bei meinem ersten Besuch ein absoluter Kulturschock waren. z. B. werden Schuhe nicht ausgezogen im Haus, egal welches Wetter ist. Es wird in jedem Haus und Auto geraucht, jedes Haus hat einen offenen Kamin, wo auch teilweise der Müll verbrannt wird, weil man pro Müllsack 10€ zahlt. Jeden Freitag kann man sein Arbeitslosengeld/Pension bei der Post abholen. Danach geht’s gleich rüber auf die andere Straßenseite ins Pub. John hat ein Kolleg für Hochbau abgeschlossen, ist aber in der Pub-Gastronomie hängen geblieben. Bevor er in Österreich gelandet ist, hat er in Irland, Deutschland, Schweden und in Malta gearbeitet. Zurück

in Irland hat er in einem Hotel gearbeitet, wo eine Grazerin ihr Praktikum machte. Sie erzählte, wie toll es in Graz ist, und so kaufte er sich ein Flugticket und fing im Irish Pub Flann O’Brien zu arbeiten an (was sonst). DIE LIEBE BEGANN IM PUB Ich bin in Graz geboren, wuchs aber in Weiz auf. Dort habe ich bis 17 meine Schulbildung genossen. Die Liebe hat mich dann nach Steyr verschlagen. Sie endete jedoch bald, und ich begann in Steyr in einem Irish Pub zu arbeiten. Mein Chef Eamonn war Ire. Nach der Matura ging ich wieder nach Graz, um BWL zu studieren. Jahre später trafen wir uns zufällig im Nachtexpress in Graz. Wir unterhielten uns blendend, und er sagte, sein Name sei Sean Eamonn (die irische Version von John Edward). Das er-

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IRLAND

✱ „Was ich von Iren gelernt habe ist, ein bisschen locker zu lassen und Spaß zu haben."

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innerte mich an meinen Chef in Steyr. Zwei Jahre später saß ich mit einer Freundin im O’Carolans an der Bar. Irgendwoher kannte ich den Barkeeper. Ich fragte ihn, ob er zufällig Sean Eamon heißt, er sagte nur: „and your name is Nathalie Mausz“. Ich war etwas erschrocken, aber hier begann unsere gemeinsame Reise ... Mein Partner ist sehr streng erzogen worden. Drei Stunden Eingesperrtsein im Kasten war noch die mildeste Strafe. Dies war aber in Irland zu der Zeit so üblich, in ländlichen Gegenden. Ich hatte eine fast gegenteilige Erziehung genossen. Als ich schwanger wurde, diskutierten wir beide darüber. Ich sagte ihm nur, wenn er jemals mein Kind übers Knie legte, würde ich das gleiche mit ihm machen. Diskussion beendet. Wir erziehen unser Kind liberal, zeigen ihm seine Grenzen klar auf, ohne jedoch zu drastischen Mitteln zu greifen.

SPRACHLICHE MISSVERSTÄNDNISSE KÖNNEN AUCH NÜTZLICH SEIN Mein Partner spricht nur Englisch mit Brian und ich nur Deutsch. Unsere Familiensprache ist Englisch. Brian kanne recht gut mit den zwei Sprachen umgehen. Sein Deutsch ist zwar besser als sein Englisch, aber auf einer Hochzeit in Irland hatte er mit den Kindern dort keine Probleme. Sie hatten unglaublich viel Spaß. Sprachliche Mißverständnisse kommen zuweilen noch immer vor. Ein großer Streitpunkt waren Tiergeräusche, als Brian noch klein war. Wie macht der Hahn? Bei uns „Kikeriki“, in Irland „Cockeldudeldoo“. Oder wenn wir in Österreich einen Elefanten machen, halten wir die Nase mit einer Hand und stecken den anderen Arm dann durch. In Irland streckt man den Arm aus und legt den Kopf an die Schulter des ausgestreckten Arms. Das sieht dann aus, als würde man unter seiner Achsel riechen. Auch der Frosch war ein Problem: „Ribbit“ auf Englisch. Für Außenstehende vielleicht lustig, aber wir hatten richtige Diskussionen zu diesem Thema. VON IREN LERNT MAN, LOCKERER ZU WERDEN Wir feiern am 24.12. mein Weihnachten mit dem Christkind. Wir sind zu dritt und haben ein gemütliches Weihnachten mit allen österreichischen Traditionen. Am 25.12 feiern wir Seans Weihnachten mit Santa Claus. Es werden alle Brüder Seans eingeladen und auch alle Bekannten und Freunde, die Weihnachten nicht zu Hause sein können. Es gibt ein irisches Weihnachtsessen mit Truthahn und Kohlsprossen. Wir haben immer viel Spaß und die Leute kommen gerne zu uns.

✿ „Die ländlichen irischen Verhältnissen waren für mich bei meinem ersten Besuch ein absoluter Kulturschock.“

Bei Brians Taufe waren 65 Gäste, und einige davon sind extra aus Irland gekommen. Das Tauffest fing um 10 Uhr an und endete um Mitternacht. Es wurde gesungen und getanzt. Wo ein Ire ist, ist auch immer eine Gitarre. Die Iren sind sehr lustig, alle sind musikalisch und unglaublich gastfreundlich. Jeder ist jederzeit willkommen und jedem wird stets geholfen. Was ich gelernt habe ist, ein bisschen locker zu lassen und Spaß zu haben. Was mein Partner von mir gelernt hat ist, dass man auch mal was organisieren und planen kann.

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ÖSTERREICH

FRANKREICH/VIETNAM

Familie

Wagnearn Le V PETER K. WAGNER (Steirer, 32 Jahre, Journalist, arbeitet in der Agentur 4\vier) MAI LE VAN (französisch-vietnamesischer Abstammung, 37 Jahre, arbeitet bei Caritas) SÖHNCHEN, NOAH PIERRE (2 Jahre) Text: Peter K.Wagner / Fotos: Valeria Maltseva

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ls wir einem guten Freund erzählt haben, dass wir einen Sohn erwarten, war er plötzlich besorgt. Wir dachten schon, er würde uns das Elternsein nicht zutrauen, als er wortlos sein Smartphone zückte. Wenige Sekunden später hielt er uns den Bildschirm unter die Nase. Da war das Ergebnis einer Google-Bildersuche zu sehen. Sein Suchbegriff: „Asian Redhead“. Wer es unserem Freund gleichtut und sich ebenfalls in investigativer Fotorecherche versucht: Ja, es gibt ethnische Kombinationen, die größere Chancen haben, schöne Nachkommen zu zeugen. Aber verliebt ist, wer kompromisslos Kinder in die Welt setzt. Und am Ende einen Sonnenschein geschenkt bekommt,

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dessen Gene es gut mit ihm meinten. Mama Mai sagt: „Den Vietnam-Opa sieht man gar nicht raus, die Frankreich-Oma schon mehr.“ Papa Peter ist überzeugt: „Ja, sehr dunkelhaarig, aber schau’ die Haare in der Sonne an. Da ist ein roter Schimmer!“ Den Vornamen des Sprösslings erklärt auch stets der Papa: „Noah Pierre – das ist steirisch-französisch und bedeutet ‚No a Peter’.“ Vietnamese, Franzose und Steirer ist er schon – und es könnte noch besser werden. Wenn wir heiraten, bekommt er unseren neuen Doppelnamen: Van Wagner. Auch noch ein niederländischer Adeliger! „Was für eine Bürde“, ist unser guter Freund wieder einmal in Sorge. Aber von dem lassen wir uns nicht mehr verunsichern.

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