Die Daru-Wache hält Zürcher Baustellen sicher. >57
In Dietikon haben sich die Fasnächtler zur «A-trinkete» auf dem Zentralschulhausplatz getroffen. > 55
Schweiz am Sonntag, Nr. 8, 23. Februar 2014
Bundesrat Ueli Maurer war der Ehrengast am nationalen SVP-Jasscup in Birmensdorf. >56
LIMMATTAL
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«Limmatstadt ist ein Konstrukt der Elite» SONNTAGSGESPRÄCH Der Statistiker Peter Moser weiss, in welche Richtung sich die Limmattaler Politik entwickeln wird ■ STATISTISCHES AMT
Der Chef-Statistiker des Kantons Zürich zweifelt daran, ob aus dem Limmattal jemals eine Limmatstadt wird. Sicher ist er sich jedoch darin, dass die politische Zukunft der SVP in der Region nicht rosig aussieht.
KANTON ZÜRICH
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Das Kantonale Statistische Amt versorgt Bevölkerung, Verwaltung, Gemeinden und Medien mit Daten, Informationen und Fakten rund um den Kanton Zürich. Die Abteilung Analyse und Studien unter der Leitung von Peter Moser veröffentlicht zu ausgewählten Themen Analysen, darunter auch Abstimmungs- und Wahlanalysen kurz nach den Urnengängen. Aber auch unter dem Jahr werden Daten aufbereitet. So erfreut sich die Liste mit den häufigsten Vornamen Zürcher Neugeborener grosser Beliebtheit. (ARU)
VON ALEX RUDOLF
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Herr Moser, wie sehen Sie als Statistiker das Limmattal? Peter Moser: Was das Limmattal aus-
zeichnet, ist, dass es die Agglomeration ist. Dies schlägt sich statistisch auch in der Bevölkerungsstruktur nieder. Früher lebten die Armen, Alten und Arbeitslosen in der Stadt, heute hingegen kämpft die Agglomeration mit diesen Problemen. Auch ist der Ausländeranteil im Limmattal ausserordentlich hoch.
Sie sagen also, dass der SVP im Limmattal ihre Wähler wegsterben?
Ja, ein Stück weit. Die Globalisierungskritik hat in der Politik keine grosse Zukunft. Die Anziehungskraft der SVP in der Region hat ihren Höchststand erreicht. Detaillierte Prognosen für die Parteizusammensetzung in der Limmattaler Politik lassen sich auf langfristige Sicht aber nicht machen.
Wer ist statistisch gesehen der durchschnittliche Limmattaler Ausländer?
Es ist jemand aus dem Balkan oder einem südeuropäischen Land, vermutlich ein Moslem. Anders als in den Goldküsten-Gemeinden ist der Limmattaler Ausländer eher Teil der Unterschicht. Er kam nicht in den Genuss einer guten Ausbildung.
Linksparteien dominieren in Grossstädten. Können Sie sich dies auch im Limmattal vorstellen?
Das Bild der Limmatstadt ist Ausdruck eines Selbstbildes, das die Elite von sich hat. Die Elite wäre gerne eine Stadt. Vor
Nein. Man muss sehen, dass die Bewohner der Grossstadt einen natürlichen Ausleseprozess durchlaufen haben. Einerseits müssen sie solvent genug sein, sich eine Wohnung leisten zu können. Auf der anderen Seite müssen sie die Multikulturalität und die Dichte in der Stadt nicht nur aushalten können, sie müssen diese sogar als Vorteil sehen. Die Menschen, welche diese Anforderungen nicht erfüllen, verlassen die Stadt und
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Die Vision einer Limmatstadt von Zürich bis Baden kommt von verschiedenen Seiten auf. Wäre das Limmattal aber eine Stadt, hätte es vor zwei Wochen die SVP-Initiative abgelehnt, wie es alle Grosszentren der Schweiz taten. Woher rührt diese Diskrepanz?
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Die Zurückbesinnung auf nationale Werte und das Bauen einer Festung finden im Limmattal grosse Resonanz.»
Die Menschen mit bildungsfernerem Hintergrund werden in einigen Jahren nicht mehr den Grossteil der Limmattaler Wählerschaft ausmachen.»
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zwei Wochen ging abzüglich Nichtwähler, Ausländer und Kinder nur gerade jeder vierte Einwohner des Bezirks Dietikon an die Urne. Dieses Viertel entscheidet dann über das Abstimmungsresultat des Limmattals. Man sieht: Es gibt keinen durchschnittlichen Limmattaler, also auch kein einheitliches Selbstverständnis.
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ziehen aufs Land. Daher werden die Grossstädte immer progressiver sein.
Künftig gibt es in der Limmattaler Politik einen Linksrutsch Richtung Mitte, sagt Peter Moser.
■ DER HERR DER STATISTIK ●
Sie sind also nicht überrascht von der Annahme der SVP-Initiative im Bezirk?
Nein. Das war vorhersehbar. Das Ja ist ein Signal der Bevölkerung dafür, dass ein grosses Unbehagen vorherrscht. Welchen Einfluss hat der hohe Ausländeranteil auf das Stimmverhalten der Limmattaler?
Der politische Aufstieg der SVP in der Region ist sicherlich eine Konsequenz davon. In den 1990er-Jahren, als es eine hohe Krisenmigration in die Schweiz gab, gewann sie an Wählerstärke. Diese konnte sie bis heute auf demselben Niveau halten. Warum gerade die SVP?
Die SVP bietet ihren Wählern simple Lö-
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Peter Moser leitet die Abteilung Analysen und Studien des Statistischen Amtes des Kantons Zürich seit 2009. Studiert hat er Germanistik und Politikwissenschaft an der Universität Zürich. Nach dem Doktorat , einer Assistenz am Lehrstuhl für Politikwissenschaften und einer Anstellung an der ETH-Forschungsstelle für internationale Beziehungen sowie am ETH-Lehrstuhl für Soziologie wechselte er zum Statistischen Amt. Peter Moser ist 50jährig und wohnt in Rüschlikon. (ARU)
sungen auf verschiedene Probleme. Die Zurückbesinnung auf nationale Werte und das Bauen einer Festung finden im Limmattal eine grosse Resonanz. Dass
die Globalisierungsprobleme komplexer sind, wird vernachlässigt. In den 1960er-Jahren kamen auch viele ausländische Arbeitskräfte in den Bezirk. Damals waren aber mehrere SPPolitiker in der Exekutive vertreten. Machte die SP damals «die Politik der einfachen Lösungen»?
Das lässt sich nicht so sagen. Die politische Vertretung der Arbeiter, soweit sie überhaupt noch Schweizer sind, wechselte in den 1990er-Jahren von der SP zur SVP. In den 1960er-Jahren war das Klassenbewusstsein – ein Arbeiter, von denen es damals viele im Limmattal gab, wählte links – Grund für die Stärke der SP. Was raten Sie den Limmattaler Parteien, die Wähler gewinnen möchten?
MATHIAS MARX
Es gibt kein Patentrezept. Die SP beispielsweise ist schon lange keine Arbeiterpartei mehr. Dies hat in den Städten aber ihre Existenz gesichert, wo sie heute eine bessergestellte Schicht vertritt. Sie sehen, viele Faktoren spielen mit. Die Wohnungsknappheit in der Stadt Zürich drängt viele Menschen ins Limmattal. Wie wird sich die Region in den nächsten Jahren politisch gesehen entwickeln?
Möglich ist, dass in der Regionalpolitik wieder ein Linksrutsch in Richtung Mitte geschieht. Dazu trägt aber nicht nur die Zuwanderung, sondern auch der Generationenwechsel bei. Die Menschen mit einem bildungsferneren Hintergrund werden in einigen Jahren nicht mehr den Grossteil der Limmattaler Wählerschaft ausmachen.
Dieses progressive Denken weitet sich nicht auf das Limmattal aus?
Ich glaube nicht. Die Bewohner des Limmattals machen den Eindruck, dass sie lieber woanders wären. Ihre Arbeitsstelle hält sie in der Nähe der Stadt, während es ihnen in der Stadt selber zu bunt wird. Menschen, die sich nach dem Land sehnen, aber auf die Stadt angewiesen sind, wohnen in der Agglomeration. Die Region ist aber auch in einem Urbanisierungsprozess. Grosse Bau- und Infrastrukturprojekte, wie die Limmattalbahn, drücken die Region in ein Stadt-Korsett.
Nur weil man ein Tram baut, werden sich die Mentalität der Bevölkerung und ihre Zusammensetzung nicht von heute auf morgen ändern. Bis Dietiker oder Schlieremer das Gefühl haben, sie wohnten in einer Stadt, wie es der Bewohner des Stadtzürcher Kreis 4 hat, werden noch einige Jahrzehnte vergehen.