Sonderbeilage
16. April 2014
Neue Zürcher Zeitung
AARGAU
KARIN HOFER / NZZ
Das neue Selbstbewusstsein CH-8021 Zürich » Telefon +41 44 258 11 11 » www.nzz.ch
Neuö Zürcör Zäitung
Sonderbeilage ^ 16. April 2014
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Erfolg schafft Identität
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Inhalt
Bad Zurzach
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Stadt Baden dieser Hang zur Selbstinszenierung. Viele Aargauer scheinen gar noch nicht realisiert zu haben, dass sie nicht mehr die verschupften Kellerkinder sind, die von der halben Schweiz belächelt werden. An der politischen Führung liegt es nicht, dass das neue Selbstbewusstsein noch nicht in alle Regionen des vielfältigen Kantons vorgedrungen ist. Stärker als andere Kantonsregierungen versteht der Regierungsrat seine Rolle nämlich strategisch und gibt klar den Takt für die künftige Entwicklung an. Damit der Industriekanton zum international kompetitiven Hightech-Standort werden kann, ist man bereit, einiges zu investieren (Seite 13). Der wirtschaftliche Erfolg schafft in dem Kanton ohne richtiges Zentrum eine neue Identität, wie der Coop-Verwaltungsratspräsident und Ur-Aargauer Hansueli Loosli in unserem Interview (Seite 4/5) feststellt. Trotz der Dynamik, die weite Teile des Kantons erfasst hat, besteht der Aargau weiterhin aus unterschiedlich ausgerichteten Regionen. Diese Vielfalt erlaubt je nach Landstrich Entwicklungen mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Am positiven Aargauer Spirit, der sich in den letzten Jahren herausgebildet hat, könnten sich andere Kantone ein Beispiel nehmen.
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Erich Aschwanden ^ Wer sich im Gespräch mit Nicht-Aargauern als AargauKorrespondent zu erkennen gibt, löst ein gemischtes Echo aus. Oft werden die Klischees vom Autobahn-, Atom- und Agglo-Kanton oder – besonders übel – von den weissen Socken aus der Mottenkiste geholt. Doch dieses Bild stimmt nicht (mehr) mit der Wirklichkeit überein. Als Beobachter nimmt man den Aargau als dynamischen, modernen Kanton wahr, der sich in einem rasanten Wandel befindet. Aus dem von Napoleon Bonaparte 1803 zwischen den historisch gewachsenen Regionen geschaffenen «Restgebilde» ist eine Lokomotive für die Schweiz geworden. Bereits jetzt ist der Aargau hinter Zürich der am schnellsten wachsende Kanton. Glaubt man dem Bundesamt für Statistik, wird er dabei in den nächsten Jahren sogar in den ersten Rang vorrücken. Für den städtischen, im Aufbruch begriffenen Aargau steht Baden (Seite 8/9). In unmittelbarer Nähe zu Zürich lässt sich hier in den letzten Jahren verfolgen, wie die Siedlungsentwicklung in einem dynamischen Raum abläuft. Innere Verdichtung ist hier kein Schlagwort, sondern wird tagtäglich in verschiedensten Formen umgesetzt. Nicht überall im Kanton besteht wie in der traditionsbewussten
DEUTSCHLAND
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Muri
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ZG
5 Kilometer
NZZ-INFOGRAFIK / efl.
Wie der Aargau seinen Boom verkraftet.
RHEINFELDEN
Das «weisse Gold» ist ein ganz besonderer Schatz.
WIRTSCHAFTSSTANDORT
Seite 7
Seite 10
Seite 13
STADT BADEN
Umgeben von Industrie ist ein Vogelparadies entstanden.
ARBEITSWELT
Wo sich echte Urbanität in einer Kleinstadt entwickelt.
STAUSEE KLINGNAU
Seite 8, 9
Seite 11
Seite 14
Im Schnittpunkt der grossen Verkehrswege.
ENERGIE
KULTURKANTON
Hansueli Loosli und Katja Gentinetta über den Aargau.
LOGISTIK
Ein Besuch im Stammland der Nuklearfreunde.
Die heimliche Nationalgalerie der Schweiz steht in Aarau.
Seite 4, 5
Seite 10
Seite 13
Seite 15
UR-AARGAUER UND ZUZÜGERIN
Der Aargau auf dem Weg zum Hightech-Kanton.
Der Aargau will das Potenzial der älteren Arbeiter nutzen.
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IMPRESSUM: Chefredaktion: Markus Spillmann. Verantwortlich für diese Beilage: Erich Aschwanden, Paul Schneeberger. Art-Direction: Besiana Bandilli. Bildredaktion: Katharina Grieder. Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Postfach, 8021 Zürich. Bilder: Karin Hofer / NZZ – Titelbild: Blick auf Baden
St udienr eise mit Ruedi Velhagen Für den Kunsthistoriker Dr. phil. Rudolf Velhagen ist im Alten das Neue und im Neuen das Alte. Als Leiter der Historischen Sammlung Museum Aargau reicht seine Spannbreite von der Geschichte der Habsburger bis zum Industrial Design; er betreut unzählige Objekte, die unter anderem auf den Schlössern Lenzburg, Habsburg, Wildegg und Hallwyl zu bestaunen sind. Als Leiter der Galerie im Gluri Suter Huus und des Museums Eduard Spörri in Wettingen präsentiert er zeitgenössisches Kunstschaffen. Auf zahlreichen Venedig-Reisen hat Rudolf Velhagen eine Vorliebe für die Serenissima entwickelt: «Venedig ist und bleibt eine Stadt, in der Kunst und Leben zu einer einmaligen Einheit gelangen.»
nach Venedig 4.– 9 . N o v e m b e r
Die diesjährige Reise widmet sich mit Giovanni Bellini und Andrea Palladio der Malerei und Architektur der Renaissance in Venedig. Mit einem Besuch der Architekturbiennale findet auch hier ein Sprung in die Gegenwart statt. Bestellen Sie das Detailprogramm und verlangen Sie gleich auch den Katalog der Reisehochschule mit Studienreisen weltweit. <wm>10CAsNsjY0MDAx1TUyNDMzMwIADOoJ8g8AAAA=</wm>
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Auskünfte / Anmeldung: rhz reisen, Reisehochschule Zürich, Badstr. 31, 5400 Baden Tel. 056 221 68 00, www.rhzreisen.ch / info@rhzreisen
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Hansueli Loosli (58) und Katja Gentinetta (45) verkörpern zwei Facetten des Kantons Aargau: jene der gebürtigen Aargauer und jene der Zugezogenen. Der heutige Verwaltungsratspräsident von Coop und Swisscom arbeitet seit über zwanzig Jahren für Coop. Er ist in Spreitenbach aufgewachsen und wohnt heute in Würenlos im Limmattal. Die freischaffende Philosophin Gentinetta leitete von 1996 bis 1999 das Forum Schlossplatz in Aarau. Sie war verantwortlich für den Auftritt des Aargaus an der Expo 02. Gentinetta ist in Brig aufgewachsen und wohnt in Lenzburg. Dennoch treffen wir uns zu unserem Gespräch über den Aargau über den Dächern von Zürich.
Herr Loosli, Frau Gentinetta, wir treffen uns in Zürich für ein Gespräch über den Aargau. Typisch für einen Kanton ohne richtiges Zentrum, nicht? Loosli (lacht): Es liegt sicher nicht daran, dass der Aargau nicht zentral gelegen wäre. Das haben wir doch nur der NZZ wegen so arrangiert. Im Ernst: Ich habe heute hier, in Bern und in Basel noch weitere Termine. Gentinetta: Ich habe anschliessend ebenfalls noch Termine hier. Zürich ist für meine Arbeit zentral und deshalb ideal als Treffpunkt. Von Lenzburg, wo ich wohne und auch mein Büro habe, sind es zwanzig Minuten nach Zürich.
Herr Loosli, Sie sind im Aargau aufgewachsen und auch heute noch dort wohnhaft. Was hat Sie, der Sie immer auswärts tätig waren, dort gehalten? Loosli: Es stimmt, der Aargau ist mein Wohn- und Lebensort geblieben. Hier ist es mir wohl. Ich bin da aufgewachsen und habe die Schulen besucht. Zudem ist zum einen auch meine Frau eine Aargauerin – eine Badenerin, um präzise zu sein. Zum anderen ist das Limmattal schon sehr zentral. Man ist schnell überall, in Zürich, in anderen Städten und auch am Flughafen. Mein Wohnort Würenlos liegt ja an der Grenze zum Kanton Zürich. Mir ist es wohl im Aargau.
Und Sie, Frau Gentinetta, wie sind Sie zu einer Wahl-Aargauerin geworden? Gentinetta: Man hört mir immer noch an, dass ich im Wallis aufgewachsen bin. Ich kam für das Studium nach Zürich, und es war klar, dass ich nicht mehr ins Wallis zurückkehre. Nach Lenzburg bin ich meinem Mann gefolgt. Ich sagte: Bis dorthin, aber keinen Schritt weiter. Dann hatte ich das Glück, während zehn Jahren erst für die Stadt Aarau und anschliessend für den Kanton tätig zu sein. Ich schätze die schöne Altstadt von Lenzburg und die guten Bahn- und Strassenverbindungen.
Sie beide schätzen die guten Verkehrsverbindungen. Was sonst noch? Gentinetta: Eine Qualität ist die grosse Offenheit des Aargaus. Ich kam als Auswärtige in diesen Kanton und konnte auf der Stelle das Forum Schlossplatz in Aarau leiten und dann den Kanton an die Expo 02 führen. Es war nicht selbstverständlich, dass man mir diese Aufgaben übertragen hat.
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«Die grosse Offenheit ist eine Qualität des Aargaus» Im Gespräch mit Coop- und SwisscomVerwaltungsratspräsident Hansueli Loosli aus Würenlos und der Lenzburger Philosophin Katja Gentinetta
Gebürtiger Aargauer: Hansueli Loosli Loosli: Der Aargau ist ein sehr vielfältiger Kanton. Wir haben sehr verschiedene Gebiete, die immer wieder durch Hügelzüge getrennt sind. Alle Regionen sind nach aussen orientiert, das Fricktal Richtung Basel, die Limmattaler Richtung Zürich, Muri und Umgebung eher Richtung Luzern. Trotz dieser Vielfalt haben wir es geschafft, eine Einheit hinzubringen. Wir sind auch ein Kanton mit vielen Grenzen, eine davon ist jene mit der EU. Schon während meiner Jugendzeit gab es bei der BBC viele Grenzgänger, die jeden Tag zur Arbeit in die Schweiz gefahren sind. Gentinetta: Die Grenzen sind bereichernd. Der Aargau betreibt als Kanton eine aktive Aussenpolitik und pflegt sehr intensive Beziehungen mit dem süddeutschen Raum. Gibt es denn angesichts dieser Vielfalt so etwas wie eine Aargauer Identität, ein spezifisches Selbstbewusstsein für diesen Kanton? Loosli: Der wirtschaftliche Erfolg in den letzten Jahren hat sicher eine identi-
tätsstiftende Wirkung. Dort, wo investiert wird, gibt es so etwas wie ein gemeinsames Verständnis. Erfolg schafft gewissermassen Identität. Gentinetta: Die Dynamik, die der Kanton unter der Führung der Regierung seit einigen Jahren an den Tag legt, ist in der Tat beeindruckend. Wie stark diese Identität ist, ist mir jedoch unklar. Von grösserer Bedeutung aber ist ohnehin die Offenheit, die die Aargauerinnen und Aargauer an den Tag legen. Vielleicht gilt: Je geringer die Identität eines Kantons ist, desto grösser ist seine Offenheit. Aber die Menschen in den verschiedenen Regionen leben doch Rücken an Rücken. Was hat jemand aus Baden mit jemandem aus Zofingen gemeinsam? Gentinetta: Dass man nicht dauernd aufeinander fixiert ist, ist gut und hat auch mit der Grösse des Kantons zu tun. Aus der tatsächlichen und bewusstseinsmässigen Distanz ergibt sich ausserdem der Vorteil, dass man voneinander lernen kann, dass es verschiedene Wege gibt, um an Probleme heranzugehen.
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Der Aargau bildet auch das geografische Scharnier zwischen Zürich, Basel und Bern. Loosli: Ja, und er nimmt nach meiner Wahrnehmung als Kanton der Agglomerationen auch eine Vermittlerfunktion zwischen den immer wieder beschworenen Polen Stadt und Land wahr. Gentinetta: Ich würde weiter gehen und sagen, der Aargau hat eine Schrittmacherfunktion. Nehmen Sie die Art und Weise, wie hier Politik gemacht wird. Während in vielen Kantonen immer noch departementale Sichtweisen bestimmend sind, dominiert im Aargau eine Gesamtperspektive. Dieser Ansatz ist übrigens ein «Exportartikel». Andere Kantone, unter anderem St. Gallen, nehmen sich ein Beispiel am Aargau. Ausserdem verfügt er über eine der schlanksten Verwaltungen in der Schweiz. Der Aargau gehört zu den am stärksten wachsenden Kantonen in der Schweiz. Ist das nicht bloss die Folge davon, dass in den Zentren Zürich und Basel kein Platz mehr ist?
Loosli: Das ist sicher mit ein Grund, hinzu kommen die zentrale Lage und dadurch die gute Verkehrsanbindung. Wesentlich ist aber die geschickte Strategie, einerseits von den nahen Zentren zu profitieren, anderseits aber auf eigenen Beinen zu stehen. Wirtschaft und Politik sind im Aargau keine Gegensätze, im Gegenteil. Die Regierung und die schlanke Verwaltung leisten aktive Hilfe, wenn sich ein Unternehmen hier ansiedeln und entwickeln will. Bei Coop haben wir das bei der Planung und Umsetzung unseres neuen Produktions- und Verteilzentrums in Schafisheim erfahren. Immerhin das momentan grösste private Bauprojekt in der Schweiz. Ist der Aargau also das neue Zug? Loosli: Nein. Der Aargau ist im Gegensatz zu anderen Kantonen keineswegs deindustrialisiert. Denn auch Gewerbe, KMU und Dienstleister spielen eine wichtige Rolle. Gentinetta: Ich staune immer wieder, wie innovativ und international ausgerichtet die im Aargau ansässigen KMU
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«Für mich spielt der Aargau die Rolle, welche die Schweiz in Europa spielen könnte. Er hat die Funktion einer Drehscheibe und eines Leuchtturms.» Hansueli Loosli
«Die Dynamik, die der Kanton unter der Führung der Regierung seit einigen Jahren an den Tag legt, ist in der Tat beeindruckend.»
Geht es darum, sich zu vermarkten, bemüht der Aargau gerne das Selbstbild eines Kulturkantons. Zu Recht? Die grossen und renommierten Kulturinstitutionen finden sich ja vor allem in den grossen Städten. Gentinetta: Das hat historische Wurzeln. Ich denke da weniger an die Burgen und Schlösser als an die Rolle, die der Aargau bei der Gründung des Bundesstaates gespielt hat. Oder die Zeit der Helvetik, als die temporäre Hauptstadt Aarau kurzzeitig zu den attraktivsten Städten der Schweiz gehörte. In diesem grossen Kanton gibt es ein Netz von Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden, die viel zur Identität beitragen. Loosli: Man kann auch auf die jüngste Vergangenheit Bezug nehmen. Aarau vor zwanzig Jahren und heute: Das ist kein Vergleich, da ist viel mehr los, und das hat nicht nur mit dem Kunsthaus zu tun. An dieser Entwicklung sind viele andere Institutionen beteiligt.
Katja Gentinetta
Zugezogene Aargauerin: Katja Gentinetta sind. Der richtige Mix aus langfristigem Denken, strategisch ausgerichteter Politik und aus praktikabler Wirtschaftsfreundlichkeit: Ich meine, das ist das Rezept für das Erfolgsmodell Aargau. Aber der Preis für den wirtschaftlichen Erfolg und das Bevölkerungswachstum ist doch eine anhaltende Zersiedelung. Gentinetta: Ich sehe den Aargau diesbezüglich nicht als Negativbeispiel. In entsprechenden Ratings schneidet er gut ab. Man hat sich sehr früh Gedanken gemacht, wie sich in diesem grossen Kanton mit seinen kleinen Zentren der Boden effizient nutzen lässt. Nach den damals festgelegten Kriterien wird nun auch gehandelt. Loosli: Es ist keine Frage, dass das grosse Wachstum auch dazu führt, dass der Kanton grössere Lasten tragen muss. Der Korridor vom Limmattal bis zum Bözberg hat längst nicht mehr den ländlich-kleinstädtischen Charakter von einst. Zudem steigen die Infrastrukturkosten; das ist wirklich eine Herausforderung für die Gemeinden.
Inwiefern spielt für die Dynamik des Aargaus die Konkurrenz der traditionellen Kleinstädte eine Rolle? Gentinetta: Es gibt im Aargau sicher nicht dieses Gefälle zwischen Hauptstadt und Hinterland wie in anderen Kantonen, und das führt auch zu einer Vielfalt der Ideen. Loosli: Als Mann der Wirtschaft kann ich dazu nur sagen, dass dezentral geführte Unternehmen erfolgreiche Unternehmen sind. So ist wohl auch bei einem Kanton richtig, dass nicht alles an einem Ort entschieden wird. Wer hat im Aargau eigentlich politisch das Sagen? Gentinetta: Die Regierung hat eine starke Funktion als Taktgeber. Sie ist parteipolitisch und regional ausgewogen zusammengesetzt. Zudem richtet sich das Gremium strategisch aus und kann dadurch den Kanton stark prägen. Ist diese Ausgewogenheit innerhalb des Kantons gewollt? Loosli: Das Bewusstsein, dass alle Regionen in der Regierung vertreten sein
sollten, ist schon lange da. Es ist für die Badener und die Umgebung wichtig, dass sie in Aarau durch einen eigenen Vertreter in der Exekutive repräsentiert werden. Dieser Konsens ist nicht erzwungen, er ist organisch gewachsen.
oberst auf der Prioritätenliste stehen Fusionen für die Stadtregierungen jedoch nicht. Gentinetta: Problematisch ist eher, dass die geplante Gemeindereform gescheitert ist. Sie hätte vieles erleichtert.
Immer wieder ist von der Vision die Rede, Aarau und Baden samt ihren Vororten zu zwei 80 000 bis 100 000 Einwohner zählenden Städten zu machen. Würde das den Aargau stärken? Gentinetta: Eine stärkere Stimme der Städte wäre für die Schweiz sehr gut. Und wenn dort die Aargauer Städte mitwirken, umso besser. Umgekehrt hat der Aargau als Kanton bereits heute eine starke Stimme. Loosli: Wir haben bereits jetzt gute mittelgrosse Städte wie Aarau und Baden, die attraktiv und erfolgreich sind. Doch der Druck auf die Gemeinden ausserhalb dieser Städte wird in den nächsten Jahren bestimmt nicht kleiner werden. Sie müssen investieren in Schulen, Kinderbetreuung und Erschliessungen. Hier kann nicht mehr einfach eingezont werden ohne Blick auf die Folgen. Zu-
Doch trotz allen Erfolgsmeldungen wird der Aargau häufig auf die alten Klischees reduziert. Vor allem in Zürich . . . Gentinetta: Das ist ein Problem der Zürcher. Loosli: Wir müssen das sportlich nehmen. Das ist Wettbewerb. Wenn sie nicht über uns sprechen würden, wären wir niemand.
Rheinfelden Geniessen und entspannen
Aber so gross scheint die Offenheit des Kantons doch nicht zu sein. Auch der Aargau hat die Masseneinwanderungsinitiative der SVP angenommen. Gentinetta: Auch im Kanton Aargau haben hier die konservativen Kräfte die Oberhand gewonnen. In solchen Fragen wird deutlich, dass dem Kanton eine grosse Stadt fehlt, die – wie in Zürich – die ländlichen Stimmen relativieren kann. Die Bezirke Aarau und Baden haben die Initiative abgelehnt. Loosli: Für mich spielt der Aargau die Rolle, die die Schweiz in Europa spielen könnte. Er hat die Funktion einer Drehscheibe und eines Leuchtturms. Obwohl er eigentlich offen ist, verträgt er das Konservative gut. Wenn wir dies auf die gesamte Schweiz übertragen könnten, würde dies unser Land sicher stärker machen.
Aber zumindest von aussen betrachtet, gilt der Aargau doch immer noch eher als bünzlig denn als weltläufig. Gentinetta: Wie gesagt: Es ist die Betrachtung von aussen. Im übrigen wohnen mittlerweile so viele Zürcher und Basler im Aargau . . . Auch die immer wieder bemühten Rüebli sind längst nicht mehr das Symbol des Aargaus. Und seit der Expo 02 weiss man, dass wir auch zu Selbstironie fähig sind.
Immer wieder ist von den kulturellen Leuchttürmen des Kantons die Rede, die eine nationale Ausstrahlung erreichen sollen. Gentinetta: Mit dem neuen Kulturgesetz hat der Aargau klare Kriterien definiert für kulturelle Institutionen mit überregionaler Bedeutung, die vom Kanton Betriebsbeiträge erhalten. Diese Haltung wird vom Volk auch mitgetragen. Damit hat man in der Kulturpolitik wieder einmal einen Pflock eingeschlagen.
Bisweilen hat man den Eindruck, die Absenz ganz grosser Einrichtungen fördere auch die Experimentierfreude. Zum Beispiel Konzerte in der Umweltarena in Spreitenbach. Loosli: Ja, die Umweltarena ist ein gutes Stichwort. Sie zeigt, dass auch eine grosse Offenheit für private Initiativen da ist. Während man in Zürich immer wieder darüber diskutiert, ob man nicht einen der kulturellen Leuchttürme aus dem Stadtzentrum ins Limmattal verlegen soll, ist in Spreitenbach ein massentauglicher Schwerpunkt entstanden. Interview: Erich Aschwanden, Paul Schneeberger
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Die Aare und ihr Gau: Flussläufe, viel Grün, aber auch zerstreute Siedlungen und Kraftwerke prägen den Mittellandkanton, hier bei Klingnau.
Paul Schneeberger Als Agglomerationskanton gehört der Aargau zu jenen Ständen der Schweiz, deren Bevölkerung am stärksten wächst. Zwischen 2010 und 2012 hat er mit einem Plus von 2,6 Prozent bei der ständigen Wohnbevölkerung im Vergleich mit seinen Nachbarn zusammen mit Zürich hinter Zug den Platz 2 belegt. Gemäss Prognose des Bundesamts für Statistik wird der Aargau in diesem Vergleich zwischen 2013 und 2035 auf Platz 1 vorrücken. Um knapp 50 000 Personen oder 7,8 Prozent soll der Kanton, der mit heute 636 000 Einwohnern der viertgrösste ist, bis dann wachsen. Grund ist unter anderem das Schwinden des Baulandes in Zentrumskantonen.
In der Mitte des Mittellandes Einmal mehr ist der Aargau ein Überlaufbecken. Dazu profitiert er zunehmend auch von seiner Lage in der Mitte des Mittellandes. Als Ausgangspunkt der Entwicklung, für die mechanisch beschleunigte Verkehrsmittel eine Voraussetzung waren, darf die Ansiedlung des elektrotechnischen Unternehmens BBC 1891 in der Kurstadt Baden zwischen Zürich und Basel gelten. Sie war auch der Grundstein für die Entwicklung des Aargaus zum schweizerischen Energiekanton par excellence. Mehr und mehr gelang es dem heterogenen Staatsgebilde, aus seiner Funktion als Hinterland eigene Wirtschaftskraft zu
Das Wachstum kanalisieren Der Wandel als Konstante im Aargau und wie der Kanton heute damit umgehen will
schöpfen. Das äussert sich unter anderem darin, dass die Pendlerströme zwischen dem Aargau und seinen Nachbarkantonen gemäss den Zahlen des Bundes zwar zu den grössten des Landes gehören, aber längst nicht mehr nur in eine Richtung fliessen. Insgesamt weist der Mittellandkanton mit einem Überschuss von über 15 Prozent auswärts Arbeitenden allerdings immer noch einen negativen Pendlersaldo aus. Die Meilensteine, welche die Attraktivität des Aargaus als zentral gelegene Alternative mit einer vernünftigen Steuerpolitik in wirtschaftlicher Hinsicht deutlich machen, reichen vom einstigen Zuzug von Teilen der Basler
Chemie vor 50 Jahren ins Fricktal bis zur bevorstehenden Zentralisierung der Logistik von Coop in Schafisheim. Seine Attraktivität als Wohnkanton schöpfte der Aargau nicht nur aus der Tatsache, dass es hier lange einfacher und günstiger war, den Traum von den eigenen vier Wänden auf eigenem Grund und Boden zu realisieren. Mit seiner traditionell geringeren Regelungsdichte bot er auch Raum für Experimente. Zum Beispiel in Spreitenbach. Getrieben von einigen wenigen privaten Akteuren, wurde das Dorf zwischen den 1950er und den 1970er Jahren zu einem Pionier in Sachen konzentrierte vorstädtische Siedlungen und Einkaufszen-
tren. Dass mit der stürmischen Entwicklung des Grenzdorfes im Limmattal ein Zuzug von jungen Paaren aus Zürich einherging, wo das Konkubinat verboten war, macht deutlich, dass auch gesellschaftliche Freiheiten im Hinterland hin und wieder grösser sein können.
Stadt des 21. Jahrhunderts? Die heutige Entwicklung stellt den dezentralen, heterogenen und mittlerweile nicht nur auf Zürich und Basel, sondern auch auf Zug ausgerichteten Aargau vor Herausforderungen. Heute wächst die Zahl der Einwohner stärker als jene der Arbeitsplätze. Hier gehe es darum, wieder ein Gleichgewicht herzustellen, sagt der kantonale Baudirektor Stephan Attiger, der eine kohärente Siedlungsund Verkehrspolitik formulieren muss. «Für uns gilt mehr als anderswo, was die Raumplanung für die Schweiz postuliert», sagt Attiger: «Wir können nicht mehr in jeder Gemeinde alles machen.» Künftig würden die Regionen als Gemeinschaften an Bedeutung gewinnen, die in sich möglichst alle Funktionen vom Wohnen über die Freizeit und den ökologischen Ausgleich bis zum Arbeiten erfüllen sollen. Wachsen soll der Kanton vor allem dort, wo er verkehrstechnisch gut erschlossen ist, insbesondere entlang der Eisenbahnachsen. Obwohl der Aargau im nationalen Index zur Zersiedelung des Teams um den Geografen Christoph Schwick den zweiten Platz einnimmt, sagt Attiger,
man sei raumplanerisch auf Kurs. Basierend auf dem revidierten eidgenössischen Gesetz müsse man Bauzonen nicht reduzieren, aber umgruppieren. Noch dieses Jahr soll die Revision des Richtplans an das Kantonsparlament gehen. Absehbar ist, dass die Definition des künftigen Siedlungsgebiets zu Auseinandersetzungen zwischen Gemeinden und Regionen führen wird. Wie im Siedlungsgebiet soll auch bei den Verkehrswegen das Wachstum kanalisiert werden. Strasse und Schiene sollen punktuell und wo nötig auch parallel ausgebaut werden. Koordination und bessere Verknüpfung der Verkehrsträger, lautet das Motto. Bei Ausbauvorhaben soll das Verhältnis von Preis, Leistung und Wirkung genau abgeklärt werden. Ein prominentes Opfer hat eine solche Analyse 2013 bereits gefordert: Die Regierung verzichtet darauf, einen Umfahrungstunnel für Baden weiter zu verfolgen, da der dort erwartete Verkehr nicht zügig auf die Autobahn abfliessen könnte. Nun werden grossräumigere Lösungen geprüft. Wohin wird dieses präzisere Management von Siedlung und Verkehr führen? Wird der Aargau zu einer Art dezentraler Stadt des 21. Jahrhunderts? Attiger möchte diesen Begriff vermeiden: «Wir werden baulich ein Kanton mit Regionen von unterschiedlichem Charakter bleiben. Und oberstes Ziel wird es bleiben, die Qualität zu erhalten, dass man von jedem Haus aus zu Fuss in zehn Minuten im Grünen ist.»
Unsere Weine haben ein Gesicht. In Birrhard und Wallisellen <wm>10CAsNsjY0MDAx1TUyNLE0twAA5b2Sqg8AAAA=</wm>
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Sonderfa
Aus topografischen Gründ eine Kleinstadt geblieben das, was echte Urbanität Weltoffenheit und kreative
Badener Perspektiven (von links oben): Musse auf dem Schlossbergplatz, Langsamverkehr auf der Holzbrücke . . .
. . . Berufsschüler im ehemaligen BBC-Gemeinschaftshaus, Nachwuchs unterwegs im alten Friedhof.
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den ist Baden – doch es hat ausmacht: es Flair.
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Dorothee Vögeli Vor den Fenstern des Schnellzugs ziehen schemenhaft die Ansammlungen von Lagerhallen und Wohnblöcken des Limmattals vorbei, ab und zu glitzert der Fluss – und schon ist das Ziel erreicht; nur gerade eine Viertelstunde dauert heute die Fahrt auf der ältesten Eisenbahnstrecke der Schweiz von Zürich nach Baden. Erhalten geblieben ist das ländliche Bahnhofsgebäude von 1847. Sonst wirkt hier Baden städtisch. Auf den von Bürogebäuden flankierten Busstationen beidseits der Gleise herrscht reges Treiben, im unterirdischen Metro-Shop drängen sich die Menschen in Richtung Fussgängerzone oder auf dem Weg von der Arbeit nach Hause in die Aussenquartiere und Nachbargemeinden. Denn der einstige Industriestandort mit seinen 18 500 Einwohnern bietet 26 000 Arbeitsplätze – das sind weit mehr als in Zeiten der Brown Boveri & Co. (BBC). Baden liegt ziemlich genau zwischen Zürich und Aarau – ist aber weder typisch zürcherisch noch aargauisch: Trotz seiner über 2000-jährigen Geschichte, während deren es auch auf dem politischen Parkett immer wieder eine wichtige Rolle spielte, trotz seiner Weltoffenheit, seinem reichen Kulturangebot und seiner erstaunlichen Dichte an guter Architektur ist Baden im Unterschied zu Zürich eine überschaubare Kleinstadt geblieben. Gleichzeitig schwimmt Baden bei kantonalen Abstimmungen oft gegen den Strom, und im Vergleich zu den anderen Aargauer Gemeinden weist es am wenigsten Autos pro Einwohner auf. Baden hat die einzige Stadtregierung im Kanton mit einer links-grünen Mehrheit und stellt mit Nationalrat Geri Müller den ersten grünen Stadtammann. Die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Kollegen funktioniert gut – ebenso mit dem bürgerlichen Einwohnerrat, der gegen ideologische Grabenkämpfe weitgehend immun ist.
Wald in Fussdistanz Baden ist eine Stadt mit einem Hang zur Selbstinszenierung und zur grossen Geste – nicht zuletzt auch aus topografischen Gründen. So geht der Bahnhofsplatz in eine Aussichtsplattform über, von der aus sich die spektakuläre Lage bestens erschliesst. In den felsigen, von der Ruine Stein überragten Steilwänden der Klus thront die mittelalterliche Altstadt. Flussabwärts befinden sich die bereits von den Römern genutzten Thermalquellen, die der Stadt ihren Namen gaben und sie später zu einem mondänen Treffpunkt für Badegäste aus ganz Europa machten. Nach jahrzehntelangem Dämmerzustand soll hier ein von Mario Botta projektiertes Bad eine Wende einläuten – das Projekt harrt allerdings noch der Verwirklichung, für
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Sand im Getriebe sorgt der damit verknüpfte Umbau des Hotels Verenahof. Auf der anderen Seite der Limmat ziehen sich Wettingen und Ennetbaden die mit Reben und Wäldern bewachsenen Hänge hinauf, auch in Baden reicht der Wald weit ins Siedlungsgebiet hinein; er bedeckt über die Hälfte des Gemeindegebiets – und ist vom Zentrum innert Kürze zu Fuss erreichbar. Es verwundert deshalb nicht, dass manche Badener auf die Frage nach ihrem Lieblingsort den Wald samt seinen vielen Aussichtspunkten nennen. Eine Inspirationsquelle war er auch für den Naturforscher und LSD-Entdecker Albert Hofmann (1906–2008), der seinem Geburtsort Baden stets verbunden blieb. An einem Maimorgen auf dem Martinsberg habe er «in einem Augenblick die ganze Herrlichkeit dieser Welt erlebt», notierte er in seinen Erinnerungen an die Jugendzeit. Von der Terrasse über der Limmat aus gäbe es nun verschiedene interessante Wege einzuschlagen: etwa mit dem Lift hinunter an den Fluss; oder durch die erste Fussgängerzone der Schweiz, durch die sich bis in die 1960er Jahre der Verkehr von Zürich nach Basel zwängte, mitten ins Herz des einstigen Tagsatzungsorts. Doch wir wenden uns in Richtung Baden Nord. Der heutige Standort der Stromkonzerne ABB, Alstom und Axpo war die Wiege des einst weltumspannenden Unternehmens BBC. Nahe beim Bahnhof war das mit einer Barriere versehene Hauptportal der «Verbotenen Stadt», durch das morgens und abends die Arbeitermassen strömten. Heute erstreckt sich hier ein mit Autos verstellter Platz, den Badens wichtigster Trafo, das ehemalige Hochspannungslabor, markiert. Der turmartige Eckbau des BBC-Hausarchitekten Roland Rohn bildet die Hülle des 2002 eingeweihten Stadtsaals. Zu verdanken haben ihn die Badener einer finanztechnisch glücklichen Fügung: Weil die Stadtcasino AG eine A-Lizenz erhielt, expandierte sie mit dem Spielbetrieb in ihrem Kursaal von 1875. Als Gegenleistung übernahm sie Investitionsbeiträge an den Umbau des Hochspannungslabors zum hochmodernen Stadtsaal. Dessen Eingang erschliesst gleichzeitig einen Neubau mit neonfarbenen Leuchtkasten – Badens Multiplexkino. Das Ensemble soll künftig Bestandteil eines Tagungs- und Kongresszentrums für gegen 3000 Gäste sein: Momentan werden die angrenzenden Bauten aufgestockt und zu einem einzigen Gebäuderiegel, bestehend aus Veranstaltungshallen, einem Hotel sowie Wohnungen umgebaut. Die Verdichtung und Umgestaltung wird hier – wie auch an anderen Stellen von Baden Nord (Artikel unten) – weitergehen: Die Behörden möchten den Platz beim Stadtsaal zu Badens zentralem Begegnungs- und Veranstaltungs-
ort unter freiem Himmel umwandeln. Das Projekt ist aber noch nicht unter Dach und Fach. Auch das ausgesteckte Bürohochhaus von Alstom, das dieses bereits stark verdichtete Gebiet prägen wird, ist noch nicht bewilligt; Einsprachen sind hängig. Stadtammann Geri Müller ist aber optimistisch: «Wir werden bestimmt eine Lösung finden.»
Viele Eigeninitiativen
Wie seine bürgerlichen Vorgänger arbeitet Müller am Wirtschaftsstandort weiter. Froh ist er, dass die kriselnde Elektrobranche nicht nur in Baden Nord, sondern auch in den aufstrebenden Aussenquartieren wie Dättwil neue Geschäftsfelder entwickelt. Badens Finanzlage ist deshalb nach wie vor sehr komfortabel, der Steuerertrag pro Person liegt bei über 5000 Franken. Im Hinblick auf sinkende Erträge budgetiert die Stadt jedoch vorsichtiger. «Man kann den Rucksack nicht unendlich füllen, sondern muss fragen, was wirklich nötig ist», sagt Müller. Grosse Investitionen stehen in der Schulraumplanung und bei den Verkehrsinfrastrukturen an – auch im Hinblick auf die Wachstumsziele sind solche unabdingbar: Baden rechnet bis 2035 mit 4000 zusätzlichen Einwohnern. Langfristig will der Badener Stadtammann auf eine Fusion mit den Gemeinden im Ostaargau hin arbeiten: «Mit weniger Grenzen haben wir viel mehr Freiheit und Mitbestimmungsmöglichkeiten, um die Siedlungsund Verkehrsentwicklung zu steuern.» Gleichzeitig will er «in die Bevölkerung investieren», in partizipative Quartierentwicklungen an den Rändern der Stadt. Seine Vision ist, dass es dereinst überhaupt keine Aussenquartiere mehr gibt, sondern nur noch ein verdichtetes Zentrum mit vielfältigen Freiräumen. Baden ist diese integrative Kraft zuzutrauen. Denn zum oft genannten Badener Geist gehört Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen, Vorlieben und Bedürfnissen. Auch Minoritätenprogramme haben Platz, und weil darüber ein unausgesprochener Konsens herrscht, sind Eigeninitiativen aus der Bevölkerung zahlreich – und sie führen häufig zum Ziel. So hat Baden schon lange eine Tagesschule, und es leistet sich auserlesene Kulturangebote, die sonst nur in Grossstädten zu finden sind. Genauso begeistert schöpft die Bevölkerung aus dem traditionellen Fundus; in den Vereinen ist jedermann willkommen. Insofern erstaunt nicht, dass Baden trotz einem Ausländeranteil von 26 Prozent und vielen englischsprechenden Fachkräften aus aller Welt kein Expat-Problem hat. Der augenfälligste Beweis ist die «Badenfahrt», das mit Abstand grösste Volksfest im Kanton. Die Bewohner gestalten es weitgehend selber – und nutzen das hier geballte technische und kreative Wissen.
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«Chance Baden Nord» – Vision und Wirklichkeit Dorothee Vögeli ^ Sie waren zwei technikversessene Jungunternehmer, der Engländer Charles Brown und der Deutsche Walter Boveri. 1891 gründeten sie die BBC. Innert Kürze entstanden auf dem 22 Hektaren grossen Haselfeld zwischen Altstadt und Bäderquartier die ersten Industriehallen (Trafos), in denen Gas- und Dampfturbinen, Lokomotiven und elektrische Schaltanlagen produziert wurden. Die rasant wachsende Fabrikstadt bescherte Baden auch in den Kriegsjahren Wohlstand. In den 1960er Jahren legte die BBC nochmals kräftig zu, das für Fremdarbeiter errichtete Barackendorf im Quartier Brisgi wurde durch eine «Gastarbeiter-City» mit Hochhäusern, Bocciabahnen und Einkaufsmöglichkeiten ersetzt. Mit der zweiten Ölkrise von 1978 wendete sich das Blatt. Neun Jahre später gab der Konzern die Fusion mit der schwedischen Asea zur ABB bekannt. Für die Stadt Baden war damit das Schreckensszenario bröckelnder Industriehallen und wirtschaftlichen Niedergangs verbunden. Doch es kam anders: Edwin Somm, damaliger CEO von ABB Schweiz, ergriff die Initiative für das Konzept «Chance Baden Nord 2005». Zusammen mit den Stadtbehörden, allen voran der bis 2005 amtierende Stadtammann Josef Bürge, entwickelte er die
Vision einer «wirtschaftlichen Ökostadt» mit Bildungsangeboten, hochwertigen Arbeitsplätzen und Wohnungen. 1994 verabschiedete das Parlament einen entsprechenden Entwicklungsrichtplan (ERP). Kurze Zeit später war dieser jedoch bereits Makulatur: ABB entschied, Baden weiter als Engineering-Standort zu nutzen, und meldete zusätzlichen Raumbedarf an. Die Behörden nahmen den Ball auf, schufen im ERP Möglichkeiten für neue Arbeitsplätze in der Mitte des Areals und verschoben die Wohnungen an die Ränder, wie Rolf Wegmann, Leiter der städtischen Entwicklungsplanung, ausführt. In Baden Nord kam es zu einem Schub, Hallen wurden abgebrochen, einige Gebäude stehen unter Schutz und sind umgenutzt. Aufgrund der Bedürfnisse vor allem von Alstom folgten 2009 die dritte ERPÜberarbeitung sowie eine Teilrevision der Bau- und Nutzungsordnung. Ermöglicht wurde so eine weitere Nachverdichtung, die auch Bürohochhäuser umfasst. – Trotz dem Wandel zur Dienstleistungsstadt ist Somms Vision wenigstens im nördlichen Teil des BBC-Areals Wirklichkeit geworden. Am Fuss des Martinsbergs ist die ganze Bandbreite gesellschaftlichen Lebens präsent: Hier wird gearbeitet und gelernt, das Nachtleben genossen und bald auch gewohnt. Hier
produziert die ABB Turbo Systems AG Abgasturbolader für Schiffe und Kraftwerke. An der benachbarten Berufsfachschule lassen sich über 2000 Lernende zu Automechanikern, Coiffeusen oder Elektronikern ausbilden. Gleich um die Ecke liegen das Veranstaltungslokal Nordportal und die als Jugendlokal vorgesehene alte Schmiede – oben, in Hanglage, sind zwei 12-stöckige Wohntürme im Bau. Zu verdanken ist diese Mischung dem Mut und der Grosszügigkeit der öffentlichen Hand: Ohne Wimpernzucken bewilligte das Stimmvolk den für ein Jugendlokal stolzen Kredit von 6,8 Millionen Franken. Auch die 110 Millionen Franken zur Vorfinanzierung der Berufsfachschule BBB waren unumstritten. Damit war die Bahn frei für das 2006 eingeweihte «modernste Schulhaus Europas» und die Umnutzung des BBC-Gemeinschaftshauses. Dieses liessen die Fabrikherren 1952/53 für die Geselligkeit ihrer über 10 000 Arbeiter bauen. Das auf 10 Meter hohen Betonstützen thronende Gebäude konzipierte Armin Meili, einer von vielen Architekten, die hier Spuren hinterliessen. In diese Reihe fügt sich Karl Moser ein, der Erbauer von Sidney und Jenny Browns Villa, heute das Museum Langmatt. Dessen Impressionistensammlung zeugt von den kulturellen Prägungen der BBC-Gründer.
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Sonderbeilage ^ 16. April 2014
Logistik-Hirn im Grünen
Salz auf der Haut
Der Aargau ist im Logistikgeschäft nicht nur eine physische Drehscheibe, sondern auch Sitz von Unternehmen mit Vordenkerfunktion – ein Beispiel aus dem Seetal.
Das «weisse Gold» hat Rheinfelden Reichtum gebracht. Heute ist das «Sole Uno» ein beliebtes Freizeitvergnügen.
Paul Schneeberger
Daniel Gerny
Die Schweiz liegt mitten in Europa und der Aargau mitten im Schweizer Mittelland. Was Wunder, dass der Kanton an der Schnittstelle der internationalen Nord-Süd-Achse und der nationalen Ost-West-Achse von seiner Verkehrsgunst profitiert. Unter anderem deswegen verlegte in den 1930er Jahren MöbelPfister den Verteilzentrum-Hauptsitz von Basel nach Suhr. Und unter anderem deshalb wurde der Aargau seit dem Aufkommen der Strasse als Hauptverkehrsträger zusammen mit dem Nachbarkanton Solothurn zum dezentralen Logistik-Hub im Schweizer Mittelland.
Huckepack-Erfinder
Es ist daher nicht zufällig, dass der lauteste unter den Aargauer Bundesparlamentariern der Transportunternehmer Ulrich Giezendanner ist. Und nicht erstaunlich ist es, dass drei von sieben Terminals, in die Züge des kombinierten Importverkehrs in der Schweiz münden, auf Aargauer Boden liegen: in der Hauptstadt Aarau, in Rekingen am Rhein und in Birr. Als Schnittstelle zwischen Schiene und Strasse verkehrstechnisch am besten gelegen ist der Terminal in Birr: Er liegt an der Nord-SüdGüterachse der Bahn und nicht viel mehr als einen Steinwurf von der OstWest-Autobahn 1 entfernt. Errichtet hatte ihn 1979 die Bertschi AG, jenes Transportunternehmen aus dem Aargauer Seetal, das sich innert zwei Generationen von einem lokalen Allrounder zu einem auf Chemietransporte spezialisierten Global Player mauserte. Doch der Reihe nach: 1956 gründete Hans Bertschi in Dürrenäsch, dem Dorf auf der Wasserscheide zwischen dem See- und dem Wynental, ein Transportunternehmen. Schon sein Vater und Grossvater hatten nicht nur ihren Bauernbetrieb bewirtschaftet, sondern waren auch Camionneure. Hans Bertschi hatte eine gute Nase, wie sein Sohn Hans-Jörg, der heutige Patron, in seinem schlichten Büro am unprätentiösen Firmensitz erzählt. In Kleindöttingen entdeckte er die Nische, die das Startup-Unternehmen von anno dazumal gross machen sollte. Dort liess sich die Firma Novopan für die Produktion von Spanplatten Leim in flüssiger Form anliefern. Bertschi senior witterte seine Chance und empfahl sich dem Lieferanten dieses Stoffs, der deutschen Chemiefirma BASF. Sein Werben war erfolgreich, und ab 1959 war er mit einem ersten Lastenzug im Geschäft. Mittlerweile ist aus dem Zwei-Personen-Betrieb von anno dazumal ein global tätiges Unternehmen geworden, das in 27 Ländern von den USA bis nach China 20 000 Container verschiebt,
2200 Personen beschäftigt und pro Jahr über 600 Millionen Franken umsetzt. Rund 500 Bertschi-Mitarbeiter sind im Aargau tätig, die meisten davon in Dürrenäsch. Das 1200-Seelen-Dorf im Grünen ist nicht nur Sitz von Unternehmensleitung und IT-Entwicklung, sondern auch operativer «Kopf» des weltweiten Netzwerks, von der Disposition der Sendungen bis zur Fakturierung. Hans-Jörg Bertschi strahlt nichts von der Grobschlächtigkeit aus, die man mit der Transport- und Logistikbranche in Verbindung bringt. Im Gegenteil: Er wirkt äusserst agil, seinem aufmerksamen Blick entgeht nichts, und er spricht leise. Der 56-Jährige ist Ökonom und schloss seine Studien an der Universität St. Gallen mit einer Dissertation zum alpenquerenden Verkehr ab, in der er den volkswirtschaftlichen Nutzen einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen Schiene und Strasse quantifizierte. Dieses Thema war nicht zufällig gewählt. 1964 hatte sein Vater die SBB dazu ge-
Transitachsen DEUTSCHLAND Rheinfelden
AARGAU Brugg Baden
A3
Birr
Aarau Olten
A1
Lenzburg Dürrenäsch
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20 Kilometer
A1 Zürich A4 Zug NZZ-INFOGRAFIK / efl.
bracht, ihr Njet gegenüber der Idee aufzugeben, Lastwagen per Bahn über den Gotthard zu transportieren: Der kombinierte Verkehr war geboren. Anstoss dafür hatten die gesperrten Passstrassen im Winterhalbjahr gegeben. Mit der Konzentration auf komplexe Transporte und kombinierten Verkehr zwischen Schiene und Strasse war die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich die zu Hause mit vergleichsweise hohen Kosten operierende Bertschi AG international etablieren und ihre Existenz sichern konnte. Im blossen Strassentransport gewöhnlicher Güter wäre ihre Existenz früher oder später auf dem Spiel gestanden. Längst haben hier in einem Wettbewerb, der international über die Löhne der Chauffeure ausgetragen wird, Unternehmen die Nase vorn, die von Osteuropa aus operieren. Bei der Bertschi AG stehen die Zeichen weiter auf Expansion: Die Wirtschaftskrise 2008 hatte sie bewogen, nach Asien zu expandieren. Im Gegensatz zu Europa wachse der Transport von Chemikalien im fernen Osten wei-
ter. Bertschi geht davon aus, dass bis in sechs Jahren 70 Prozent aller neuen Chemiefabriken in Asien gebaut werden. Westeuropa belegt in dieser Rangliste mit 1 Prozent den letzten Platz.
Attraktiver als Rotterdam Aus dem Engagement von Hans Bertschi für den kombinierten Verkehr ging 1967 die Gründung der Hupac AG mit Sitz an der Schnittstelle der Kulturen Nord- und Südeuropas in Chiasso hervor. Dieses Unternehmen im Besitz von mehreren Transporteuren und Bahnen wird von Hans-Jörg Bertschi präsidiert. Die Hupac ist Marktführer im alpenquerenden kombinierten Verkehr und hält seit 2010 ein Viertel der Anteile an der SBB Cargo International. Bis heute ist sie strategische und operative Schrittmacherin bei der Umsetzung der seit den 1990er Jahren ökologisch untermauerten schweizerischen Verlagerungspolitik. Die Hupac realisiert nicht nur Terminals in Norditalien, sondern engagiert sich auch stark für den Ausbau der Bahnzufahrten dorthin. Und der Aargau? Welche Bedeutung hat der Kanton, in dem Bertschis und die Bertschi AG ihre Wurzeln haben, heute noch für das Unternehmen? Entscheidend sei die Konkurrenzfähigkeit, sagt Hans-Jörg Bertschi. Eben ist hier ein Erweiterungsbau fertig geworden; im Asiengeschäft vermochte sich Dürrenäsch als Backoffice gegen Rotterdam durchzusetzen, wo das Unternehmen eine Firma übernommen hatte. Die interkulturelle Kompetenz existiere hier wie dort, aber die auf unserem dualen System basierende Qualifikation vieler Angestellter sei ein klarer Trumpf der Schweiz, bilanziert der Patron. Auch ein innerkantonaler Umzug des Hauptsitzes, wie darüber vor Jahren diskutiert wurde, ist kein Thema mehr. Und das, obwohl Dürrenäsch anders als das damals evaluierte Birrfeld fern der Autobahn liegt. Dieser Vorteil sei mittlerweile der vielen Staus wegen auch ein Nachteil, sagt Bertschi. Und so wohnen jene, die Sendungen von Dallas bis Schanghai disponieren und Rechnungen dafür ausstellen, in einem Halbkreis zwischen Langenthal und Vororten von Luzern und Zürich. Antizyklisch pendeln sie von der (Vor-)Stadt aufs Land. Hans-Jörg Bertschi ist auch privat Dürrenäsch treu geblieben. Beim Abschied erzählt er von Steuerberatern, die ihm einen Umzug hätten schmackhaft machen wollen. Er ist ihrem Rat nicht gefolgt. Er sei hier gross geworden und sehe keinen Sinn darin, sein Domizil allein Steuervorteilen wegen aufzugeben, sagt er. Und so bleibt das Dorf mitten im Aargau, mitten in der Schweiz nicht nur Standort der Bertschi AG, sondern auch Wohnsitz ihres Patrons.
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Zum Durchbruch kam es am 30. Mai 1836 in Muttenz, einem kleinen Baselbieter Dorf in der Nähe von Rheinfelden. An diesem Tag stiess Christian Friedrich Glenck, ein Jurist und Bohrspezialist aus Schwäbisch Hall, auf einen Bodenschatz von unermesslichem Wert: Salz. Salz galt während Jahrhunderten als Kostbarkeit erster Güte, als Symbol für Wohlstand, Leben und Gesundheit. Bis heute ist es deshalb Brauch, den Bewohnern beim Einzug in ein neues Haus mit Brot und Salz Glück und Erfolg zu wünschen. Auch für Rheinfelden begann mit der Entdeckung der 200 Millionen Jahre alten Salzvorkommen tief im Boden ein wirtschaftlicher Aufschwung und eine Epoche voller Wohlstand und internationalem Ruhm als Kur- und Bäderstadt. Man sprach vom «weissen Gold».
Wie im Toten Meer An einem Abend 178 Jahre nach Glencks Entdeckung liegt das Feierabend-Publikum aus der Nordwestschweiz im Salzbad, genauer: in einer Mischung aus unterirdisch via Pipeline angelieferter Natursole aus dem Rheinfelder Gestein und aus Trinkwasser. Zwölf Prozent Salz (Mittelmeer: drei Prozent) enthält die Lösung, so dass die Gäste in der fast mystisch anmutenden und in rotes Licht getauchten unterirdischen Betonhalle entspannt auf dem warmen Wasser schweben wie im Toten Meer. Unterirdisch werden leise sphärische Klänge eingespielt, die zusätzlich zur Beruhigung beitragen. Das IntensivSolbecken gehört zu den Highlights der Bäder- und Wellness-Landschaft «Sole Uno», in welcher die traditionelle Heilwirkung des Salzes geschickt mit zeitgemässem Wellness-Feeling kombiniert wird. Eine halbe Millionen Besucher verzeichnet das «Sole Uno» pro Jahr, wie Geschäftsführer Thomas Kirchhofer erklärt. Die Kunde von Glencks Salzfund in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts schlug in halb Europa ein wie eine Bombe und machte aus dem kleinen Zähringer Städtchen Rheinfelden in den folgenden Jahrzehnten ein Mekka für Kurgäste mit Rheuma-, Nerven- und anderen Leiden. Die Rheinfelder wussten ihren Bodenschatz zu nutzen und machten eifrig Werbung. Die noble Gesellschaft aus den grossen Städten der Welt reiste zur Jahrhundertwende der Gesundheit (und dem allgemeinen Wohlergehen) zuliebe gerne nach Rheinfelden, um im pittoresk am Rheinufer gelegenen Grand Hotel ˆ des Salines au Parc zu kuren. Zeitweise bestand gar eine direkte Zugverbindung zwischen Rheinfelden und Paris – ohne
Halt in Basel, wie Kirchhofer nicht ohne Stolz anmerkt. Mit Wellness als Gemeinschaftserlebnis hatte die damalige Bäderkultur allerdings weniger zu tun. Stattdessen zogen es die Gäste vor, sich ihre Sole direkt in die Badewanne der luxuriösen Hotelzimmer einzulassen.
Warmes Wasser dank Salz Heute steht für die meisten Besucher nicht mehr die Heilkraft der Sole im Vordergrund, wenngleich medizinische Leistungen noch immer fast einen Drittel des Umsatzes der Parkresort Rheinfelden Holding AG ausmachen, zu der das «Sole Uno» gehört. Dafür hat das Bedürfnis nach Entspannung vom Alltagsstress Rheinfelden als Bäderstadt wieder ins Bewusstsein gerückt. In den letzten 15 Jahren wurde das «Sole Uno» von Grund auf neu konzipiert und gebaut. Nun finden sich dort neben dem klassischen Solbad eine Auswahl an Saunen, Dampf- und Sprudelbädern, Duschen, Hamam-Einrichtungen. Die Kundschaft ist heterogen: Jugendliche, die sich vor der Party Entspannung gönnen, Familien beim Sonntagsvergnügen, Patienten, die nach einer Operation auf eine Kur im klassischen Sinn angewiesen sind, und Senioren beim Vormittags-Bad: Es ist das ganze Spektrum vertreten. Man schätzt das besondere Gefühl von Salz auf der Haut. Wie weitreichend seine Entdeckung war, konnte Glenck indessen kaum abschätzen, als er 1836 über seine Ent-
«Es gab eine direkte Zugverbindung zwischen Rheinfelden und Paris.» deckung in Jubel ausbrach. Die Bäderkultur war nur eine Folge seines Fundes. In Schweizerhalle (dessen Name «Halle» auf einen alten Begriff für Saline zurückzuführen ist) wuchs nicht zuletzt dank den Salzvorkommen ein neuartiger Wirtschaftszweig heran – die chemische Industrie. Und die charakteristischen Salz-Bohrtürme aus Holz stehen bis heute für die Bedeutung Rheinfeldens für die Salzversorgung des Landes. Selbst wo es nicht zu vermuten wäre, spielt Salz in Rheinfelden eine Rolle: Die angenehmen 30 bis 35 Grad, auf die die Bäder im «Sole Uno» aufgeheizt sind, sind auf Salz zurückzuführen: auf die Abwärme, die entsteht, wenn aus Sole Streusalz hergestellt wird.
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Künstliches Vogelreich
Der Klingnauer Stausee liegt mitten in einer Aargauer Industrielandschaft. Trotzdem hat er sich zu einem einzigartigen Biotop entwickelt.
Fühlt sich am Klingnauer Stausee wohl: der Eisvogel.
Brütet in den Auenwäldern: der Pirol.
Markus Hofmann
Leicht vergisst man, wo man sich eigentlich befindet. Zum Beispiel dann, wenn man zwischen Silberweiden hindurch einen Weiher vor sich schimmern sieht, von dem sich gerade fünf Graureiher mit langsamen Flügelschlägen erheben und kreisend über den Baumwipfeln abziehen. Irgendwo auf einem von Efeu umrankten Baum wiederholt die Singdrossel ihre Strophen, eine Sumpfmeise schimpft im vorfrühlingshaften und noch wenig begrünten Gehölz, und nervös flattern zwei Schwanzmeisen von Ast zu Ast. Neben ihnen pickt ein Kleiber auf und ab kletternd die Baumrinde nach Fressbarem ab. Dann hohe Pfiffe: Ein Eisvogel schnellt wie aus dem Nichts hervor und fliegt pfeilgerade knapp über der Wasseroberfläche ans gegenüberliegende Ufer. Von einem Sonnenstrahl beschienen, blitzt sein knallblauer Rücken über dem schlammigen Tümpel auf. In der Idylle des Auenwaldes bei Koblenz wähnt man sich fernab aller Siedlungen. Bis man nach Osten blickt. Die Dampfsäule des AKW Leibstadt wuchtet sich in den Himmel, und nur ein paar wenige Kilometer Aare-aufwärts befindet sich das AKW Beznau. Dreht man dem Wald den Rücken zu, schaut man auf einen Wasserfall, der sich aus einem gestauten See in die Aare ergiesst. Die Schleusen und Gebäude des Kraftwerks Klingnau versperren den Horizont in Richtung Süden. Dann vernimmt man wieder das Brummen des nahen Strassenverkehrs, das vom Geschrei der Lach- und Mittelmeermöwen durchbrochen wird.
Zwischenlandung der Zugvögel
war, wurde das Wasser bei Gewittern nicht mehr zurückgehalten und strömte kaum gehindert hinab ins Mittelland. In den 1870er Jahren hatten die Aargauer genug. Ihr Regierungsrat beschloss, den Fluss bei Klingnau in die Schranken zu weisen. Zwischen 1886 und 1906 wurde mit Unterstützung des Bundes die Aare begradigt und kanalisiert. Der Fluss war beruhigt, und die Bauern gewannen neues Land. Bald warf man einen begierigen Blick auf die Kräfte des Wassers, das ungenutzt vorbeiströmte. 1929 wurde deshalb die Gesellschaft Aarewerk AG gegründet, und 1931 begannen die Bauarbeiten an der Staumauer und am Kraftwerk, das vier Jahre später den Betrieb aufnahm. Naturschützer hatten zuvor Kritik an der Stauung des Flusses geübt. Sie sahen eine artenreiche Landschaft in den Wassermassen untergehen. Ihre Befürchtungen trafen zu. Die Schweiz verlor eine weitere Auenlandschaft (zwischen 1850 und heute ist die Schweiz 70 Prozent ihrer Auen verlustig gegangen). Doch der künstliche See entwickelte sich zu einem ausser-
gewöhnlichen Biotop. Im intensiv genutzten Mittelland bietet er insbesondere vielen Zugvögeln einen willkommenen Rastplatz. Bereits im Winter 1938 überwinterten über 6000 Enten am Stausee. 1988 wurde ein Schutzdekret erlassen, und 1991 wurden Teile des Gebiets zum Wasser- und Zugvogelreservat von internationaler und nationaler Bedeutung erhoben. Die Auen-Reste rund um den Stausee gehören zudem zum kantonalen Auenschutzpark, den die Aargauer 1993 in der Kantonsverfassung verankerten. Der Klingnauer Stausee hat sich zu einem der besten Orte für die Vogelbeobachtung in der Schweiz gemausert. Eine Exkursion während der Zeiten des Vogelzugs im Frühling oder Herbst entlang des Seeufers gehört zum Programm vieler «Birder». Insgesamt wurden hier über 310 verschiedene Vogelarten gezählt. Im Internet werden die täglichen Beobachtungen akkurat aufgelistet (www.klingnauerstausee.ch). Da der See mit den Jahren zunehmend verlandet, haben sich Schlickflächen gebildet, die Watvögel anziehen.
KARIN HOFER / NZZ
Und das Schilf konnte sich so ausbreiten, wie dies in der Schweiz anderswo kaum mehr möglich ist. Das Röhricht bietet dem Rohrschwirl, der Rohrdommel, dem Drosselrohrsänger und anderen Schilfbewohnern Unterschlupf. Auch andere Tiere fühlen sich wohl – wie zum Beispiel die Biber. Mit ihren dreckigen Pfoten hinterlassen sie Spuren auf dem asphaltierten Gehweg, der um den Stausee führt. Angenagte und gefällte Bäume säumen das Ufer.
Umstrittene Massnahmen In den kommenden Monaten stehen nun wichtige Weichenstellungen für den Klingnauer Stausee und seinen Naturreichtum an. Das Wasserkraftwerk wird neu konzessioniert, und damit werden die ökologischen Ausgleichsmassnahmen zum Thema. Kathrin Hochuli, Geschäftsführerin von Birdlife Aargau, dem Verband der aargauischen Naturund Vogelschutzvereine, steht auf dem Beobachtungsturm am linken Ufer des Stausees und blickt auf die kreisförmigen Schilfflächen in der Mitte des Ge-
wässers. «Entscheidend ist, dass auch in Zukunft die gegenwärtige Vielfalt erhalten bleibt», sagt sie. Überliesse man den Stausee seinem Schicksal, würde wegen der Auflandung und der Sukzession mit der Zeit ein Auenwald grosse Teile des Sees einnehmen. In den letzten 80 Jahren hat sich bereits ein kleiner Wald entwickelt. «Dieser Auenwald soll bestehen bleiben, sich aber nicht weiter in die wertvollen Schilfgebiete ausbreiten», sagt Hochuli. Derzeit fehlt es im Stausee an Dynamik des Wassers, was unbedingt verbessert werden soll. Auch den Flachwasserzonen und Schlickbereichen müsse Sorge getragen werden, damit Wasservögel, die dort nach Futter suchten, ihren Lebensraum behielten, sagt Hochuli. Auf den Feldern, die an den Stausee grenzen, wird intensive Landwirtschaft betrieben. Jetzt besteht die Idee, Teile davon durch Extensivierung und «Vernässung» in eine Pufferzone und zusätzlichen Lebensraum für die Vögel umzuwandeln. Dies stösst bei betroffenen Gemeinden aber auf Widerstand. Ebenso ist ein weiteres Projekt umstritten. Ein schmaler Bach, der parallel zum Stausee auf der rechten Uferseite verläuft, soll zu einem Umgehungsgewässer ausgebaut werden, damit Fische und andere Wassertiere schadlos das Kraftwerk passieren können. Die neuen Konzessionäre, die AEW und Axpo, wollten sich zu den laufenden Planungsarbeiten nicht äussern. Im seichten Wasser stochern gerade Grosse Brachvögel mit ihren langen Schnäbeln nach Nahrung. Reiherenten tauchen ab und wühlen den schlammigen Seeboden auf. Ein Silberreiher tritt aus dem Schatten des Schilfgürtels. Und über allem thront der weisse Dampf des AKW Leibstadt und erinnert daran, wie sich hier Natur und menschliche Gestaltungskraft ineinander verschränken.
DEUTSCHLAND
Kernkraftwerk Leibstadt
Koblenz
Kraftwerk Klingnau e se au au n St ling K
Das Vogelparadies des Klingnauer Stausees, das Ornithologen über die Landesgrenze hinaus ein Begriff ist, befindet sich mitten in einer Industrielandschaft. Eingriffe des Menschen prägten seinen heutigen Charakter. Früher lag hier eine Auenlandschaft mit Kiesbänken, die den Launen einer mäandrierenden Aare unterworfen waren. Kleine Teile der ursprünglichen Landschaft hat man wieder aufleben lassen. Und vielleicht wird die Natur in den nächsten Jahren noch weitere Gebiete zurückerobern dürfen. Im 19. Jahrhundert begann die Umgestaltung des Gebiets zwischen Döttingen und Koblenz. Damals trat im unteren Aaretal der Fluss immer wieder über die Ufer, ertränkte Land und Ernte der Bauern und spülte Schlamm in die Keller der Siedlungen. Der Grund für die Überschwemmungen lag in den Einzugsgebieten der Aare. Weil dort der Wald grossflächig abgeholzt worden
Unterschlupf für viele Vogelarten: Schilf, das sich im Klingnauer Stausee ausgebreitet hat.
BILDER RENE´ BERNER
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Häufig anzutreffen: Schönheiten wie die Spiessente.
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Gut versteckt im Schilf: die Rohrdommel.
Kleindöttingen
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Böttstein
1,5 Kilometer
Kernkraftwerk Beznau NZZ-INFOGRAFIK / cke.
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Davide Scruzzi Nach dem Spaziergang unter den wunderbar blühenden Obstbäumen schmecken die Fischknusperli im Gasthaus Schützen besonders gut. Doch seien wir ehrlich: Eine liebliche Landschaft sieht anders aus – unter uns rauscht der Rhein durch ein Wasserkraftwerk, ein paar hundert Meter weiter flussaufwärts ragt die Dampfsäule des Atomkraftwerks Leibstadt weit in den Himmel. Zwar finden sich auch im solothurnischen Gösgen und nahe bei Bern (Mühleberg) Atomkraftwerke. Doch das Zentrum der Schweizer Kernspaltung liegt hier, zwischen Baden und Koblenz. Das AKW Leibstadt ist nur das sichtbarste Fanal. Auf einer Insel mitten auf der Aare, von einem dichten Wald umgeben, steht ein paar Kilometer von hier entfernt mit dem AKW Beznau das älteste noch in Betrieb stehende Atomkraftwerk der Welt. Unweit davon liegt das nationale Zwischenlager für radioaktive Abfälle Würenlingen. Ebenfalls nicht weit ist es zum Paul-Scherrer-Institut; einem Forschungszentrum, dessen Anfänge in der Nuklearforschung liegen.
Ein Hauch von Reichtum Die Nuklear-Einnahmen sind allein hier in Leibstadt beachtlich. Die AKW-Betriebsgesellschaft zahlt Steuern von rund 1 Million Franken an die Gemeinde, die dadurch einen der tiefsten Steuersätze des Kantons bietet. Weitere 300 000 Franken jährlich zahlen die Kraftwerkbetreiber in die Stiftung Pro Leibstadt, die Kultur, Sport und soziale Einrichtungen fördert. Zudem profitieren die Leibstadter von einem verbilligten Strompreis. Die Infrastrukturen sind dadurch für eine 1300-Einwohner-Gemeinde ungewöhnlich: Auffällig ist etwa die mit grosszügigen Aussenanlagen versehene Mehrzweckhalle, die künftig vermehrt für überregionale Anlässe genutzt werden soll.
Erich Aschwanden Die Jakob Müller AG in Frick ist kein Unternehmen, das man auf Anhieb mit dem Attribut Hightech in Verbindung bringen würde. Seit mehr als 125 Jahren produziert sie Maschinen für die Textilindustrie. Doch seit einiger Zeit ist die Firma Teil des Hightech-Programms Aargau. Zusammen mit Mitarbeitern des Nanotech Service Lab der Universität Basel versucht man herauszufinden, warum es immer wieder zu Brüchen bei den Blattfedern kommt. Der Entwicklungschef Bernhard Engesser ist positiv überrascht, wie praxisnah die Vertreter der Wissenschaft das Problem angehen und wie umfassend die Beratung ist.
Aussendarstellung verbessern Auf die Idee, die Kooperation mit einer Hochschule zu suchen, wären die Verantwortlichen des Traditionsunternehmens selber nicht gekommen. Es war das Hightech-Zentrum Aargau in Brugg, das den ersten Kontakt zur Forschung vermittelte und die Machbarkeitsstudie für die Blattfedern grösstenteils finanziert. «Viele Unternehmer sind sich gar nicht bewusst, dass sie in hoch innovativen Branchen tätig sind und täglich mit Hightech zu tun haben», sagt Geschäftsleiter Martin A. Bopp. Das Zentrum ist einer der Pfeiler des kantonalen Programms Hightech Aargau. Mit 38 Millionen Franken will der Kanton dafür sorgen, dass im Aargau durch hohe Wertschöpfung bei tiefem Ressourcenverbrauch in den nächsten Jahren ein qualitatives Wirtschaftswachstum stattfinden kann. Der Aargau nimmt damit im schweizweiten Ver-
Für AKWUnfälle gibt’s einen Ordner Im schönen Zurzibiet finden sich drei Atomreaktoren, das nationale Zwischenlager für Atommüll und Pläne für ein Endlager. Doch das alles nimmt man hier locker.
Doch mit solchen Vorzügen habe man bisher kaum geworben, erklärt der Leibstadter Gemeindepräsident Christian Burger. Das soll nun anders werden. Denn die Bevölkerungszahl stagniert, ja sinkt bisweilen. Die über 500 Arbeitsplätze, die mit dem 1984 in Betrieb genommenen grössten AKW der Schweiz in der Gemeinde entstanden, haben kaum eine Bevölkerungszunahme verursacht. Wegen des Images der Nukleartechnik? Burger verneint dies und verweist auf die ungünstige geografische Lage. Es gebe zwar «attraktive Freizeitmöglichkeiten», aber zum nächsten Bahnhof, nach Döttingen, gelangt man erst nach einer längeren Postautofahrt. Die Strassen über die Anhöhen sind zwar für Auto- und Motorrad-
fahrer reizvoll, ein tägliches Pendeln ist aber mühsam. Ähnliches vernimmt man von Jeannette Knecht. Sie hängt an diesem schönen Frühlingstag vor ihrem Haus die Wäsche auf. In ihrem kleinen Laden nebenan verkauft sie «Geschenke und Dekoartikel aller Art». Seit 22 Jahren wohnt sie hier. Angst vor dem AKW sei kein Thema Die Anlage werde ja ständig überprüft. Das Problem hier sei die Lage. Vor allem junge Leute, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen seien, wollten nichts wie weg von hier, erzählt Jeannette Knecht und verweist auf ihre mittlerweile erwachsenen Kinder. Doch für junge Familien könne das ruhige Dorf sehr attraktiv sein, sagt Knecht und erwähnt den tiefen Ausländeranteil an den Schu-
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len. – Just Beispiele für den Zuzug junger Familien finden sich am östlichen Rand des Ortskerns, wo neue Einfamilienhäuser entstehen. Die Angst vor der Kernenergie scheint auch hier, einige hundert Meter vom AKW entfernt, kein Thema. Oder doch? Beim Entscheid hierherzuziehen habe sie sich schon Gedanken rund um allfällige Gesundheitsrisiken gemacht, sagt eine Mutter, die ein zweites Kind erwartet, auf der Terrasse ihres neuen Hauses. Die wirtschaftliche Bedeutung der Aargauer Nuklearanlagen ist nur eine Erklärung für die fehlende Opposition. Vor allem glückt den Betreibern hier, was national oft scheitert: Man betreibt erfolgreich Öffentlichkeitsarbeit. «Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen den Kraftwerksbetreibern und schätzen deren Offenheit», sagt denn Christian Burger. Nach dem Fukushima-Unglück veranstaltete etwa Axpo eine umfangreiche Informationsveranstaltung. Die Gemeinde pflege einen direkten Kontakt zur Geschäftsleitung, und es werde auch kritisch diskutiert. Aufgrund der «umfassenden Aufklärung» seien aber AKW-Kritiker hier selten, so Burger.
Wunsch nach neuem Reaktor Auch in Döttingen, Standortgemeinde der AKW Beznau I und II, stammt der grösste Teil der Steuereinnahmen aus der Strombranche, zumal hier auch weite Teile der Axpo-Konzerngewinne versteuert werden. Jüngst waren dies 2,5 Millionen Franken. Vor einigen Jahren, unter ganz anderen Strommarkt-Bedingungen, versteuerte Axpo indes noch über 7 Millionen Franken in Döttingen. Der Ort hat über 3600 Einwohner und für die Gegend Zentrumscharakter. Die Bahn sorgt für eine gute Anbindung nach Baden oder auch nach Zürich. Die Bevölkerungsentwicklung zeigte in den letzten 10 Jahren nach oben. Der Steuerfuss ist auch hier tief. Die Hanglagen laden zu aussichtsreichem Wohnen ein.
Auf dem Weg zum Hightech-Kanton Viele Aargauer Firmen sind führend in Sachen Hochtechnologie. Der Kanton will diese Stärke besser bekanntmachen und nutzen. gleich viel Geld in die Hand, um seine Standortattraktivität für innovative Unternehmen zu stärken. «Wir wollen damit die vorhandene Schlagkraft der Aargauer Wirtschaft gegen aussen besser zeigen», erklärt Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann. Neben dem Beratungszentrum für kleine und mittlere Unternehmen ist die Arealentwicklung ein weiteres wichtiges Standbein dieser Initiative. Industriebrachen und unternutzte Areale sollen nutzbar gemacht werden für die Ansiedlung von innovativen Unternehmen oder für bereits ansässige Betriebe, die sich vergrössern wollen. So wird das Sisslerfeld im Fricktal, mit rund 20 Hektaren eine der grössten unüberbauten Flächen in der Nordwestschweiz, nun gezielt entwickelt. Statt eines Sammelsuriums von Tankstellenshops, Detailhändlern und Gewerbebetrieben sollen laut Hofmann hochkarätige Firmen aus dem Bereich Life-Science hier ideale Bedingungen für ihre weitere Entwicklungen erhalten. Auch Kooperationen im Hightech-Bereich werden durch die öffentliche Hand besonders gefördert.
Gewissermassen das Prunkstück dieser Strategie ist die Forschung am PaulScherrer-Institut (PSI) in Villigen/Würenlingen, wo zurzeit ein Freie-Elektronen-Röntgenlaser (SwissFEL) gebaut wird. Mit dieser neuen Forschungsanlage können komplexe molekulare Strukturen bestimmt und schnelle Vorgänge auf atomarer Ebene im Film festgehalten werden. Für dieses Grossprojekt hat die Regierung 2010 einen Kredit in der Höhe von 30 Millionen Franken gesprochen.
Startphase braucht Zeit Etwas mehr als ein Jahr nach dem Start des Hightech-Zentrums Aargau stellt Bopp fest, dass der Name bei gewissen Firmen eine Art Schwellenangst auslösen kann. Durch die Anstellung von Personen, die über langjährige Industrieerfahrung verfügen, sei es gelungen, die Kontakte zu den Unternehmen herzustellen. Dies zeigt das Beispiel der Jakob Müller AG. «Wir wollen uns auf Augenhöhe mit den Praktikern bewegen und ihnen die benötigten Kontakte zu den
Die Drehscheibe für Innovation <wm>10CAsNsjY0MDAx1TUyNLE0NwMA4pAqTQ8AAAA=</wm>
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Hightech Zentrum Aargau AG | 5200 Brugg | Tel. 056 560 50 50 | www.hightechzentrum.ch
Hochschulen vermitteln», so der Zentrumsleiter. Im vergangenen Jahr haben die 5 Mitarbeitenden 43 Firmenprojekte betreut, 13 Firmenprojekte wurden abgeschlossen. Schwerpunkte sind die Nano- und die Energietechnologie. Eine erste Zwischenbilanz bei der Aargauer Industrie- und Handelskammer (AIHK) fällt vorsichtig positiv aus. Für Geschäftsleiter Peter Lüscher ist wichtig, dass die Politik die Wichtigkeit von Innovationen erkannt hat und eine positive Stimmung schafft. «Erst langfristig wird sich jedoch zeigen, ob der Staat fähig ist, zu erkennen, welche Kompetenzen in diesem Bereich notwendig sind», erklärt Lüscher. Zusammen mit der Fachhochschule Nordwestschweiz ist die AIHK im Rahmen der Technologieberatung Forschung, Innovation und Technologietransfer (FITT) ebenfalls in diesem Bereich tätig. Lüscher ist denn auch nicht überrascht, dass das Hightech-Zentrum als Newcomer im ersten Jahr noch relativ wenig Projekte mit Unternehmen aufgleisen konnte. Regierungsrat Hofmann bezeichnet es als «Mission impossible», bereits
Doch das revidierte Raumplanungsgesetz verhindere weiteres Wachstum zurzeit, beklagt Gemeindepräsident Peter Hirt. Nach der Abschaltung des AKW Mühleberg 2019 werden die Reaktoren auf Döttinger Boden wohl im kommenden Jahrzehnt als nächste ausser Betrieb gehen. Angesichts der Stromnetzanbindung drängt sich ein Ersatz auf, etwa mit Gaskombikraftwerken. Hirt würde wegen des CO2-Ausstosses und zur Vermeidung der Auslandsabhängigkeit den Bau eines neuen AKW bevorzugen. Punkto Arbeitsplätze könnte die Realisierung des Innovationsparks «Park innovAare» beim Paul-ScherrerInstitut eine Alternative zur Entwicklung der Region bieten. Obwohl der Park nicht mehr auf Döttinger Gemeindegebiet gelegen wäre, würde sich auch Peter Hirt wünschen, dass einer dieser neuen nationalen Hubs für Forschungsund Entwicklungsabteilungen internationaler Firmen ins Zurzibiet zu liegen käme. Zudem ist die Region als Standort für ein Tiefenlager für nukleare Abfälle im Gespräch. Auch dieses stösst hier auf eine gewisse Akzeptanz – «sofern sich der Bözberg tatsächlich als sicherster Ort der Schweiz herausstellt». Die Risiken der Nukleartechnik sind Hirt, der auch Kommandant der regionalen Zivilschutzorganisation ist, aber durchaus bekannt. Regionales Führungsorgan und Zivilschutz seien in die Weiterentwicklung der Notfallpläne nach dem Fukushima-Unglück involviert. Die Unterstützung bei einer Evakuierung der Bevölkerung, das Bereitstellen von Unterkünften für Helfer an der Unglücksstelle sowie der Betrieb von Dekontaminations-Stellen – das wären im Katastrophenfall mögliche Aufgaben des Zivilschutzes, so Hirt. Und wenn jetzt ein Alarm losgehen würde, sei in einem Ordner festgehalten, was zu tun sei. Der Ordner stehe da, sagt Hirt und zeigt auf das kleine Gestell seines Büros im Gemeindehaus.
nach einem Jahr Strahlkraft über die Kantonsgrenzen hinaus zu entwickeln. Er ist mit dem Start zufrieden. Im Endausbau will das Hightech-Zentrum Aargau mit rund 15 Mitarbeitern jährlich 200 Projekte betreuen. In vielen Fällen braucht es gar keine direkte staatliche Unterstützung, um innovative Ideen zu fördern. Eines von zahlreichen Beispielen ist die Symotech AG, die vor kurzem in Kleindöttingen ein neues Rechenzentrum eröffnet hat. Rund zwei Millionen Franken hat der IT-Outsourcer investiert und schafft so die Infrastruktur, dass KMU und Grossunternehmen Teilbereiche ihrer ITDienstleistungen aus der Cloud beziehen können. Ausserdem vermietet die Firma mit 21 Mitarbeitenden Datacenter-Fläche an Betriebe, die ihre Server und Speicher in eine professionell verwaltete Umgebung ausgliedern.
Vom Holz zum Server
Bei der Symotech handelt es sich gewissermassen um natürlich gewachsene Hightech, ist sie doch aus dem früheren Holzproduzenten Hiag hervorgegangen, der heute vorwiegend im Immobilienmarkt tätig ist. Wie CEO Thomas Wolf erklärt, war die Entwicklung vom internen IT-Dienstleister zum überregionalen Anbieter nicht zuletzt dank der Unterstützung der Behörden möglich. Man habe sich immer wieder die Frage gestellt, ob der Standort richtig sei. «Wir haben es nie bereut, dass wir im Zurzibiet geblieben sind. Das innovationsfreundliche Umfeld im Aargau und die unbürokratische Haltung der Gemeinde sind für uns ideal», so Thomas Wolf.
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In der Berufswelt soll die Qualifikation zählen und nicht das Alter Als einziger Kanton hat der Aargau eine Kampagne für Stellensuchende über 50 Jahre lanciert. Die ersten Erfahrungen sind positiv, doch es braucht noch einige Anstrengungen, um in der Wirtschaft und Öffentlichkeit ein Umdenken zu bewirken. Erich Aschwanden
Der Aargauer Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann kennt die Situation aus seinem eigenen Umfeld. Beim letzten Treffen seiner ehemaligen Bezirksschulklasse unterhielt sich der 58-Jährige mit zwei früheren Mitschülern, die über ein Jahr vergeblich eine Stelle gesucht hatten. Obwohl bestens qualifiziert, bekamen die Männer in der Versicherungsbranche und im Detailhandel zu spüren, dass sie als ältere Arbeitslose nicht mehr gefragt sind. «Eine solche Erfahrung ist für den Einzelnen belastend und nagt am Selbstwertgefühl», stellt Hofmann fest. Allgemein sind ältere Arbeitslose viel länger auf Stellensuche als jüngere. Ende März waren im Aargau 2730 Personen über 50 Jahre als arbeitslos gemeldet, was einer Quote von 2,7 Prozent entspricht. Diese Leute sind häufig langzeitarbeitslos und überdurchschnittlich von Aussteuerungen betroffen. Als erster Kanton hat der Aargau nun darauf reagiert und das Projekt «Potenzial 50plus. Die Qualifikation zählt, nicht das Alter» gestartet. Kernelement der Kampagne sind Plakate, die im ganzen Kantonsgebiet aufgehängt werden. Darauf blicken Rosa, 26, Hans Ulrich, 28, oder Brigitte, 35, dem Betrachter optimistisch entgegen. Die Arbeitsuchenden, die sich so
präsentieren, sind jedoch nicht um die dreissig Jahre alt, wie die Zahl hinter ihrem Namen auf den ersten Blick suggeriert. Vielmehr handelt es sich dabei um die Angabe der Berufserfahrung bzw. Qualifikation.
Stereotype durchbrechen
«Im Alter nehmen die Motivation und die Identifikation mit dem Arbeitgeber zu.»
Mit der Kampagne wollen Kanton, Wirtschaft und Gewerkschaften die Stereotype durchbrechen, ältere Arbeitnehmer seien unflexibel, seien weniger produktiv und gingen weniger motiviert an ihre beruflichen Aufgaben heran. Solche Vorurteile seien das Hauptproblem, stellt Thomas Buchmann fest. Es solle eine neue, positive Grundhaltung gegenüber älteren Stellensuchenden geschaffen werden, erklärt der Leiter des Aargauer Amts für Wirtschaft und Arbeit. Dank ihrer breiten Erfahrung würden ältere Mitarbeitende gelassener an Probleme im Arbeitsalltag herangehen. Untersuchungen zeigen, dass die Produktivität bei einem signifikanten Anteil älterer Mitarbeitender hoch ist. «Motivation und Identifikation mit dem Arbeitgeber nehmen zu», konstatiert Buchmann. Wichtige Partner der Kampagne «Potenzial 50plus» sind die Arbeitgeber. So sind sowohl der Aargauische Gewerbeverband wie auch die Aargauische Industrie- und Handelskammer
Der kompetente Partner für Prävention und Rehabilitation Rehabilitation und Prävention, Spitzenmedizin und professionelle Behandlung auf hohem Niveau. Dem Netzwerk von RehaClinic, bestehend aus sechs Kliniken und elf ambulanten Therapie- und Trainingszentren, vertrauen sich jährlich rund 14’000 Patienten an. RehaClinic ist spezialisiert auf die Behandlung von Beschwerden des Bewegungsapparates, neurologischen oder psychosomatischen Erkrankungen sowie die Schmerzdiagnostik und Schmerztherapie. Die ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Leistungen reichen von der intensiv- bis hin zur mobilen Rehabilitation. Eine eigene Forschungsabteilung setzt sich für die fortlaufende Entwicklung der Rehabilitationsmedizin ein.
(AIHK) mit an Bord. Die Verbände wenden sich an die Unternehmen, damit diese offene Stellen melden, für die ältere Arbeitnehmer infrage kommen. Aus der Sicht von AIHK-Geschäftsführer Peter Lüscher kann es für eine Firma durchaus von Vorteil sein, wenn sie auf eine gute Mischung von Lehrlingen, jüngeren Arbeitnehmern und Routiniers zählen kann. Einfach wird die angestrebte Verhaltensänderung nicht zu bewerkstelligen sein. Dessen sind sich die Verantwortlichen sehr wohl bewusst. «Potenzial 50plus» ist daher auf eine Dauer von zwei Jahren angelegt. Verhaltensänderungen und Flexibilität sind jedoch auch von den Betroffenen gefordert. Vor allem beim Lohn müssten ältere Arbeitslose auch einmal zu Zugeständnissen bereit sein, so Buchmann. Als relativ erweise sich demgegenüber bei genauerer Betrachtung das immer wieder ins Feld geführte Argument der hohen Lohnnebenkosten. Bei einem Lohn von 100 000 Franken beträgt der BVG-Anteil des Arbeitgebers (bei 50-prozentiger Kostenbeteiligung inklusive überobligatorischem Anteil) für einen 46-Jährigen 5657 Franken, für einen 58-Jährigen 6789 Franken. Die Differenz liegt also nur bei 95 Franken im Monat. Neben der Sensibilisierung von Öffentlichkeit und Firmen unternehmen
OECD zeigt Interesse Finanziert wird die Aargauer Kampagne aus den Geldern, die das Staatssekretariat für Wirtschaft für Kommunikationsmassnahmen auszahlt. Beim Seco verfolgt man das Pilotprojekt intensiv. Auch andere Kantone haben bereits ihr Interesse bekundet, ebenso eine Delegation der OECD, die vor kurzem im Aargau weilte. Volkswirtschaftsdirektor Hofmann ist überzeugt, dass mit relativ bescheidenem Aufwand vermieden werden kann, dass Leute ausgesteuert werden. Vier von den sechs Personen, die sich auf den Plakaten als Botschafter «50plus» zur Verfügung gestellt haben, haben inzwischen eine neue Stelle gefunden.
Warnsignale
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die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zusätzliche Anstrengungen zur Vermittlung älterer Erwerbsloser. So werden spezielle Assessments für Leute dieser Altersgruppe durchgeführt. Personen, die sich oft nach langjähriger Berufstätigkeit mit der Arbeitslosigkeit konfrontiert sehen, können eine professionelle Standortbestimmung vornehmen. Als erfolgreich hat sich in solchen Fällen auch ein Einzelcoaching erwiesen. Ziel ist es gemäss Buchmann, die Dauer der Suche nach einer neuen Stelle um 10 Prozent zu verkürzen.
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Klinik für Schlafmedizin
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Wer in der Eingangshalle sitzt, hat das Gefühl, er sitze mitten in Aarau auf dem Aargauerplatz. Fussgänger und Verkehr schlängeln sich am 2003 eröffneten Erweiterungsbau vorbei, der von den Architekten Herzog & de Meuron mit dem Künstler Remy ´ Zaugg entworfen wurde. Städtebaulich ist das Haus ein integraler Bestandteil der Kantonshauptstadt. «Wir sehen uns nicht als Musentempel. Unser Gebäude hat keine Schwellen zum öffentlichen Raum, was auch unserem Credo entspricht», erklärt die Direktorin Madeleine Schuppli. Doch das Aargauer Kunsthaus ist nicht nur ein grosses Haus in einer kleinen Stadt. In Aarau mit seinen rund 20 000 Einwohnern steht nämlich die heimliche Nationalgalerie der Eidgenossenschaft. Der 1860 gegründete Aargauische Kunstverein – neben dem Kanton der zweite Träger – konzentrierte sich von Beginn an auf den Erwerb von Schweizer Kunst.
Kunst im Caravan
Trotzdem durchweht das 1959 eröffnete Museum keineswegs der Geist des 19. und 20. Jahrhunderts. Caspar Wolf, Johann Heinrich Füssli, Ferdinand Hodler, Cuno Amiet und Giovanni Giacometti bilden zwar den Schwerpunkt der Sammlung, erdrücken die jungen Pflänzchen des Kulturschaffens aber nicht, sondern treten in Dialog mit ihnen. Die vielen Sonderausstellungen präsentieren zeitgenössische Schweizer Kunst aus überraschenden Blickwinkeln und mit überraschenden Zugängen. Zudem hat Schuppli, die das Haus seit Ende 2007 leitet, das Programm ganz gezielt für ausländische Künstlerinnen und Künstler geöffnet. Da alle Wände innerhalb des Neubaus herausnehmbar sind, wird jede Ausstellung für Macher und Besucher zu einem neuen Erlebnis. Dank der inhaltlichen Flexibilität des Kunsthauses ist auch eine ungewöhnliche Ausstellungsreihe wie «Caravan» überhaupt erst möglich. Seit sechs Jahren ziehen jeweils junge Künstler sozusagen im Wohnwagen durch die Ausstellung und präsentieren ihre neusten Werke zwischen den übrigen Objekten. Solche Ausstellungen mit experimentellem, spontanem Charakter wären in grösseren Kunstmuseen wohl kaum zu realisieren. Für Schuppli ist denn Aarau auch nach rund sechs Jahren ihre «Traumdestination», an der sie von Öffentlichkeit und Politik sehr grosse Unterstützung erfährt.
Kunst begreif- und begehbar machen: Installation «Little Planetary Harmony» von Mai-Thu Perret.
Grosses Haus in kleiner Stadt Das Aargauer Kunsthaus ist die heimliche Nationalgalerie der Schweiz und strahlt mit seiner Sammlung und seinen originellen Ausstellungen über die Landesgrenzen hinaus.
Sag es mit Blumen
Obwohl das kleine Team bewusst nicht auf ein Mainstream-Programm setzt, konnten die Besucherzahlen in den letzten Jahren kontinuierlich auf rund 40 000 gesteigert werden. Rund die Hälfte des Publikums, das sich stark verjüngt hat, kommt aus dem Kanton Aargau. Doch der kulturelle Leuchtturm strahlt auch in die Deutschschweiz und in die Romandie. Schwer fällt es hingegen, Besucherinnen und Besucher über den Gotthard zu locken. Publikumsnahe Veranstaltungen sorgen dafür, dass das Kunsthaus seinen Draht zum breiten Publikum nicht verliert. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung «Blumen für die Kunst», die in diesem Frühling in nur sechs Tagen über 7000 Besucher anzog. Zwölf Floristinnen und Floristen aus der ganzen Schweiz kreierten zu je einem Werk aus der Sammlung ein ganz besonderes Blumenarrangement. Gespannt sein darf man auf die grosse Retrospektive von Sophie Taeuber-Arp im Herbst.
Internationale Ausstrahlung
Dank der akribisch betreuten Sammlung, den innovativen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst und der Nähe zum Publikum hat sich das Aargauer Kunsthaus in den letzten Jahrzehnten das wohl schärfste Profil aller Kunstmuseen in der Schweiz erarbeitet. Dies nimmt man in der Schweiz offenbar weniger zur Kenntnis als im Ausland. So ist es alles andere als ein Zufall, dass Schupplis Vorgänger Beat Wismer vor sieben Jahren zum Generaldirektor des renommierten Museums Kunstpalast in Düsseldorf berufen wurde.
Bewusst zum Publikum hin offen: die Architektur des Aargauer Kunsthauses.