SPECIAL
Natürliche Schönheit und düstere Großartigkeit
© Städtisches historisches Museum
Der Rabenstein und das Kriegerdenkmal an der Höllsteinstraße an der Höllsteinstraße Von Kirdorf zum Untertor durchpreschende Autofahrer blicken auf der Höllsteinstraße in der Regel nicht nach rechts und nicht nach links – weder in den tieferliegenden Höllsteinpark, der sich am Bach entlang Richtung Jubiläumspark erstreckt, noch auf der anderen Seite den Hardtwald-Hang hinauf, auf dem vielleicht die prächtigen Häuser einen kurzen Blick auf sich ziehen. Fußgänger sieht man hier selten und wenn, dann dürften es Kirdorfer sein, die ohnehin wissen, dass sich da oben auch der Rabenstein mit einem Kriegerdenkmal befindet. Dessen Sanierung konnte inzwischen abgeschlossen werden.
© S Stadtarchiv Bad Homburg
Es lohnt sich, einmal das Auto an- und selbst innezuhalten, die zwei Dutzend Stufen zu der kleinen Kapelle hinaufzusteigen und sich neben den mächtigen Steinen ein wenig klein vorzukommen. Der Rabenstein ist eine markante, von Eichen umgebene Felsformation, ein Naturdenkmal aus sechs großen und etlichen kleinen Steinen. Im größten Stein sind die Initialen „GL“ eingemeißelt. Sie stehen für Landgraf Gustav von Hessen-Homburg, denn der Rabenstein, auch Niobestein genannt, gehörte zur Landgräflichen Gartenlandschaft. Von der „Kirdorfer Allee“ im Großen Tannenwald bildete er vor den Bebauungen in den Stadtteilen den Blickpunkt einer Sichtachse.
Vor der Landgrafenzeit muss der Rabenstein, dem einst ein weiterer Felsen, der Höllstein, beigesellt war, vielfache Funktionen erfüllt haben. Hier befand sich im Mittelalter eine Richtstätte, die dem Areal wohl auch seinen Namen Rabenstein gab. Bis ins 16. Jahrhundert hatte Kirdorf nämlich eine Blutgerichtsbarkeit: Übeltäter, aber auch vermeintliche Hexen wurden hingerichtet bzw. je nach Schwere der Tat verstümmelt. Links oberhalb des Rabensteins stand die alte Burg der Ritter von Brendel, einer wohlangesehenen Familie des Mittelalters, die auch Burggrafen und mit Daniel Brendel sogar einen Bischof von Mainz hervorbrachte. Rechts oberhalb der Felsen befand sich die älteste, 1229 erstmals erwähnte Kirche Kirdorfs. Als Mitte des 19. Jahrhunderts der „Kirdorfer Dom“, die St. Johannes-Kirche, gebaut wurde, dienten die GrünschieferVorkommen am Rabenstein als Baumaterial. Mitten in die – zu erhaltende – „natürliche Schönheit und düstere Großartigkeit“ sollte nach dem Willen der Kommunalpolitiker (auch denen von SPD und KPD) und von Stadtbaurat Dr. Ludwig Lipp ein Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet werden. Ein erster Anlauf der Kriegervereine war gescheitert, weil die Inflation die gesammelten Spendengelder vernichtet hatte. 1925 wurde dann ein Ideenwettbewerb durchgeführt, der 26 Einsendungen ergab. Allerdings fand keine von ihnen Gefallen. Zweieinhalb Jahre später gab es erneute Diskussionen. Dr. Lipp hatte nun einen eigenen Entwurf vorgelegt, der auf große Zustimmung stieß. Die Kosten von 15.000 Mark wurden zu einem Drittel aus Spenden und zu zwei Dritteln von der Stadt getragen. Am 11. März 1928 wurde das Ehrenmal eingeweiht. Es wirkt mit seinen Spitzbogen, die die Wände unterbrechen, und in der Gestaltung des Innenraums wie eine Grabkammer. Auf einem Sarkophag ruht die steinerne Figur eines gefallenen Soldaten. Ihr Schöpfer war Carl Stock, ein 1876 in der Nähe von Hanau geborener, seit 1908 in Frankfurt schaffender und zu seiner Zeit bekannter Bildhauer, Zeichner, Medailleur und Kunsthandwerker. (es).
LOUISe 6 / 2021 |
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