Programmheft «Il barbiere di Siviglia», Luzerner Theater

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IL BARBIERE DI SIVIGLIA

Opera buffa von Gioacchino Rossini Libretto von Cesare Sterbini nach der Komödie «Le Barbier de Séville ou La précaution inutile» von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais

MUSIKALISCHE LEITUNG Alexander Sinan Binder INSZENIERUNG Martin G. Berger BÜHNE Jakob Brossmann

ÜBERTITELINSPIZIENZ Erwin Fonseca, Annika Granlund, Sania Helbig KOSTÜMHOSPITANZ Selina von Moos

KOSTÜME Sarah-Katharina Karl

BARTOLO, DOKTOR DER VIROLOGIE Flurin Caduff

LICHT David Hedinger-Wohnlich

ROSINA, SEINE TOCHTER Diana Schnürpel

Premiere: 25. September 2020

VIDEO Martin G. Berger, Jakob Brossmann

GRAF ALMAVIVA Hyojong Kim

Dauer: ca. 1 Stunde 40 Minuten ohne Pause

ILLUSTRATIONEN Valerie Hoberg

Aufführungsrechte: Ricordi; Arrangement für Kammeren­ semble von Alexander Krampe

DRAMATURGIE Rebekka Meyer

Luzerner Fassung mit Dialogen von Martin G. Berger In italienischer und deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

GEFÖRDERT DURCH DIE FREUNDE LUZERNER THEATER UND DEN THEATERCLUB LUZERN

CHOREINSTUDIERUNG Mark Daver MUSIKALISCHE ASSISTENZ UND NACHDIRIGAT Jesse Wong STUDIENLEITUNG Valeria Polunina, Jesse Wong KORREPETITION Igor Longato, Jesse Wong

DON BASILIO, VERSCHWÖ­ RUNGSTHEORETIKER Vuyani Mlinde BERTA, ASSISTENZÄRZTIN Camila Meneses FIORELLO, REVOLUTIONÄR Robert Maszl OFFIZIER Marco Bappert

REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Thomas Heep / Sophiemarie Won

HERRENCHOR DES LUZERNER THEATER Neal Banerjee (Gast), Marco Bappert, Daniel Foltz-Morrison, Thilo Himstedt (Gast), Ivo Kazarow, Kihun Koh, Robert Hyunghoon Lee, Peter Wigger, Koichi Yoshitomi

BÜHNENBILDASSISTENZ Joan Jurt

LUZERNER SINFONIEORCHESTER

KOSTÜMASSISTENZ Zoé Brandenberg

STATISTERIE DES LT Claudio Conciatori, Sandro Hess, Jenny Lötscher, Anita Olijve, Denilson dos Santos, Maris Urfer

INSPIZIENZ Paul Suter / Lothar Ratzmer

Herzlichen Dank: Carla Schwöbel-Braun

FIGARO, ARBEITSLOSER COIFFEUR Eungkwang Lee / Alexandre Beuchat (ab 16.10.)


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Globe /  Bühne ←

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Handlung

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Es war einmal in ferner Zukunft ein Land, in dem sich die Menschen nicht mehr berühren durften. Dieses Berührungsverbot hatte der junge Graf Almaviva von seinem Vater übernommen, der an einem Virus verstorben war. Der Doktor der Virologie Bartolo sperrt aus Angst vor diesem Virus seine Tochter Rosina zuhause ein. All ihre Versuche, auszubrechen, scheiterten bisher. Figaro, Gauner und Coiffeur der Stadt, ist aufgrund des Verbots schon lange arbeitslos, nur noch in seinen Träumen bedient er fröhlich Kunden in seinem geliebten Laden. Gemeinsam mit dem Revolutionär Fiorello hegt er den Plan, den Grafen mit Rosina zu verkuppeln, um ihn so zu überzeugen, das Kontaktverbot wieder rückgängig zu machen. Also überreden sie den Grafen, sich als Student Lindoro zu verkleiden und mit Hilfe von Figaros Gaunerfreunden ein Ständchen vor Rosinas Fenster zu bringen. Der Graf verliebt sich prompt in Rosina, diese sieht darin vor allem ihre Chance, dem Haus ihres Vaters zu entkommen. Während­ dessen schleicht sich Bartolos Assistenzärztin Berta heimlich zu ihrem Angebe­ teten, Basilio. Dieser ist als Rosinas Musiklehrer im Hause Bartolos angestellt, aber auch ein Anhänger skurriler Verschwörungstheorien. Immer wieder schafft er es, auch Berta für diese zu begeistern. Dass Basilio mit Berta abgelenkt ist, kommt Figaro und Fiorello gelegen: Sie verkleiden den Grafen als Basilio, um ihn so ins Haus zu schleusen und die strengen Sicherheitsvorkehrungen Bartolos zu umgehen. Doch Basilio kommt früher als erwartet zurück und die Mission scheitert. Daraufhin hat Figaro von dem riskanten Unternehmen genug und will aussteigen; der Graf und Fiorello schaffen es aber, ihn mit Geld zum Bleiben zu überzeugen. Ein zweiter Versuch wird gestartet: Der Graf gibt sich als be­ trunkener Soldat aus und bittet bei Bartolo um Quartier. Dieser Plan geht tatsächlich auf: Die ganze Gesellschaft verfällt in einen Liebesrausch und der Bann gegen das Kontaktverbot scheint gebrochen! Doch der Exzess hat seinen Preis: Bartolo ist tot, das Virus hat ihn erwischt. Damit fliegt auch Figaros und Fiorellos Komplott auf. Rosina ist zwar nicht begeistert von den Lügen des Grafen, heiratet ihn mangels Alternativen aber doch. Figaro wird verhaftet, Fiorello geht in den Untergrund, das Kontaktverbot besteht immer noch –  und alles bleibt beim Alten.


TEMPERATUR ERHohen

BERUHRUNGen Ausschliessen

IMPFZEIT BEACHTEN

BLEICHE VERWENDEN

Kontamination meldEN

ESSEN DESINFIZIEREN

Hygiene REGELN

CL

hande waschen

HUTE TRAGEN




Der kochende Komponist Über Rossini, seinen Kompositionsstil und seine Cannelloni «Figaro! Figaro! Fiiigaro!» Gioacchino Rossinis opera buffa «Il barbiere di Siviglia» ist ein Klassiker der Operngeschichte und enthält zahlreiche Melodien, die jedes Kind kennt. Dass dies so sein würde, war zu Beginn alles andere als klar. Als sich Rossini entschloss, den ersten Teil der Figaro-Trilogie von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais nach einem Libretto von Cesare Sterbini zu vertonen, gab es schon ein anderen «Barbiere» – denjenigen von Giovanni Paisiello, der seit 1782 an den Opernhäusern gefeiert wurde. Diesen wagte Rossini nicht einfach so zu übertrumpfen, weshalb er Paisiello persönlich um Erlaubnis bat, den Stoff zu vertonen. Nach dem Erhalt seines Segens schrieb Rossini in nur vier Wochen die 600 Seiten umfassende Partitur. Wobei er auch ein bisschen schummelte: Einige Nummern hatte er bereits mehrfach in frü­ heren Werken verwendet. Nachdem die Oper bei der Premiere am 20. Februar 1816 zunächst beim Publikum durchgefallen war (es gibt Legenden von laut miauenden Katzen auf der Bühne und stolpernden Darstellern mit blutenden Nasen), kam schon bald der grosse Triumph, der bis heute anhält. Doch was ist eigentlich das Geheimnis von Rossinis Musik? Der Komponist selbst meinte, das kompositorische Rezept für die 39 Opern, die er in zwei Jahrzehnten ver­ fasste, sei «einmal in der Woche Beethoven, dreimal Haydn und täglich Mozart». Der musikalische Leiter des Luzerner «Barbiere», Alexander Sinan Binder, führt dazu aus: «Das Besondere an Rossinis Musik ist die bunte Vielfalt seiner Charakte­ re, der Wechsel zwischen Lyrik und Dramatik. Die Musik fusst noch im Stil eines späten Mozart, schaut aber bereits in die Romantik voraus; dies hört man besonders in den ‹Inseln›, wie zum Beispiel dem ‹Fredda e immobile› des ersten Finale, in denen die Zeit beinahe stehen zu bleiben scheint und sich die Musik tiefer Sinnlichkeit hingibt. An anderen Stel­ len wiederum übernimmt die Motorik das Geschehen und reisst einen regelrecht mit in den Strudel der sich schier endlos steigernden Schleifen seiner ‹Maschinenmusik›.» Am Luzerner Theater ist die opera buffa in zwei Versionen zu erleben: In der grossen Orchesterfassung und Pandemie-gerecht mit genügend Abstand zwischen den Musikerinnen und Musikern in einer Bearbeitung für Kammerensemble


9 von Alexander Krampe. Der Komponist und Arrangeur hatte «Il barbiere di Siviglia» für die Kammeroper München und die Mailänder Scala berarbeitet und nun für die Luzerner Fassung erneut in Form gebracht. Dabei setzt er für ein Opernorchester aussergewöhnliche Instrumente wie ein Marimbaphon und ein Akkordeon ein, was der Musik neue Akzente verleiht, ohne ihre grund­ sätzliche Struktur zu verändern. Das hätte dem Theaterpragmatiker Rossini bestimmt gefallen, denn er war stets an Neuem und Andersartigem interessiert. Und er war darüber hinaus ein grosser Geniesser. Mit nur 37 Jahren beendete er seine Karriere auf ihrem Höhepunkt mit den Worten «Wer früh beginnt, muss auch, den Gesetzen der Natur entsprechend, früh aufhören.» Fortan be­ kochte er für die verbleibenden 40 Jahre seines Lebens illustre Gäste in seiner Wohnung in der Nähe von Paris. Alles, was mit Gänseleber und Trüffelscheiben auf den Tisch kam, nannte man in der Folge «à la Rossini». Der Maestro hat also nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein kulinarisches Erbe hinterlassen.




Im Hier und Jetzt Regisseur Martin G. Berger im Gespräch mit Dramaturgin Rebekka Meyer. Rebekka Meyer — In deiner Inszenie­

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diese Situation zu vermeiden? Ich glaube, dass diese Pandemie viel mit unserem Zusammenleben macht, und damit auch mit dem Theater.

rung der Oper «Il barbiere di Siviglia» RM — Welche Verbindung besteht hier hast du dich für eine Perspektive aus konkret zu «Il barbiere di Siviglia»? der Situation der aktuellen Pandemie MB — Dank Rossini kann man dieser entschieden. Weshalb? Martin G. Berger — Eine Kraft von Theater ist, dass es im Hier und Jetzt stattfindet und wirklich tagesaktuell sein kann. Da das Thema Corona im Moment so präsent ist, habe ich mich für diesen aktuellen Kommentar und für eine theatrale Reaktion als Mo­ mentaufnahme unserer Geschichte entschieden. RM — Was möchtest du dabei

untersuchen?

MB — Mich interessiert es, die jetzige Situation als Inspiration zu nehmen, um sie auf der Bühne weiter zu denken und quasi in die Zukunft zu schauen. Aber auch, um abzuwägen, wie es über­ haupt dazu gekommen ist: Was sind die psychischen Gegebenheiten inner­ halb dieses gesellschaftlichen Zustan­ des? Wie reagieren die Figuren der Oper darauf? Und: Was würde es be­ deuten, wenn das so weiterginge? Was daran ist unser eigener Anteil und was können und müssen wir ändern, um

Thematik mit Humor begegnen! Doch hinter der komödiantischen Fas­ sade verhandelt das Stück grundsätz­ liche Themen: Menschen haben Angst umeinander, haben den Drang, aus der Konvention auszubrechen, und alle, ungeachtet der grossen Klassenunter­ schiede, möchten ihre Rolle in der Ge­ sellschaft verändern. Alle be- und hinterfragen auf ihre Weise das System, das sie schlussendlich aber nur wieder bestätigen. Damit lässt sich auch unser aktueller Zustand gut befragen. RM — Ausser Fiorello wählen alle Figu­

ren am Ende bewusst ihren jeweiligen Status Quo …

MB — Ich glaube, dass in der Pandemie deutlich wurde: Um das System struk­ turell zu verändern und Ungerechtig­ keit zu verhindern, muss der reiche, weisse Mensch von seinem Privileg zu­ rücktreten. Wir leben in einer Kultur, in der das Recht auf Individualismus ei­ nen sehr hohen Stellenwert hat. In Mitteleuropa zumindest dürfen immer


13 mehr Menschen ihren Lebensstil indi­ viduell wählen und an der Konsumge­ sellschaft teilhaben. Das hat natürlich viele positive Seiten. Doch dass hier viele Menschen teilhaben dürfen, be­ deutet im Gegenzug, dass Menschen anderswo einen hohen Preis bezahlen. Und nicht nur andere Menschen zah­ len den Preis: Früher gab’s den Sonn­ tagsbraten, also einmal die Woche ein Stück Fleisch, heutzutage kann z. B. in Deutschland jeder täglich Fleisch essen. Dementsprechend sieht die Fleisch­ industrie aus. Alles hängt miteinander zusammen und diese Erkenntnis spie­ gelt sich auch in der Oper. Da ist eine Figur wie der Graf, der etwas erleben und aus seiner Einsamkeit fliehen will, was ihm nur gelingt, indem er sich selbst als armer Student ausgibt. Am Ende aber hält er diesen Rollenwechsel nicht durch, weil er auf nichts verzich­ ten möchte. Und das, obwohl er doch das ganze Stück über versucht hat, aus dieser Chef-Rolle auszubrechen. RM — In der Auseinandersetzung mit dem Stück sind dir Parallelen zwischen der Uraufführung von «Il barbiere di Siviglia» im Jahre 1816 und der gleich­ zeitig einsetzenden Industrialisierung aufgefallen. Was hat Rossini damit zu tun? MB — Rossini war fortschrittsgläubig und das hört man in der Musik: Er hat

den industriellen und maschinellen Er­ rungenschaften der Menschen ein Denkmal gesetzt. Bei ihm glitzern und funkeln die Melodien, die Rhythmen, die Harmonien. Mich interessiert dabei der Clash: diesen Zukunftsglauben von Rossinis Musik auf unsere heutige, umweltbewusste Perspektive treffen zu lassen. Denn Rossini ist wie ein Porsche: Einerseits fliegt man damit über die Autobahn und staunt darü­ ber, was die Menschen konstruieren können. Auf der anderen Seite denkt man über die damit verbundene ÖkoBilanz nach und wie viel CO2 man gerade in die Luft geblasen hat. Die­ ser Konflikt ist in Rossinis Musik eingeschrieben. Gerade diese Ambiva­ lenz macht «Il barbiere» zu einer richtig guten Opernkomödie. RM — Für deine Fassung hast du

alle Rezitative gestrichen, durch neue deutsche Dialoge ersetzt und eine neue Rahmenhandlung geschaffen. Wieso funktioniert diese Anpassung bei Rossini so gut? MB — Erstens hat Rossini die Rezita­ tive nachweislich gar nicht selbst ge­ schrieben; diese «Drecksarbeit» haben andere für ihn erledigt. Zweitens funktioniert es auch deshalb gut, weil «Il barbiere» ganz klar eine Num­ mernoper und Rossinis Werke sozu­ sagen «Musicalvorläufer» sind: Er


14 komponiert auf eine grossartige und fast lehrbuchhafte Art und Weise eine tolle Mischung zwischen Songformen und Teilen, in denen szenische Aktio­ nen passieren. Aber auch die Nummern selber sind unglaublich farbenreich und sprachlich gedacht. Sie bieten so viele Möglichkeiten zur Interpretation! Rossini hat eine perfekte Mischung aus konkret und abstrakt: Er ist sehr konkret auf der persönlichen Ebene, aber abstrakt genug, dass es in fast jeder Situation funktionieren kann. Ausser­ dem gibt es dazu eine gut erprobte Tradition: Früher wurde das Stück im deutschsprachigen Raum immer mit deutschen Dialogen und deutschen Gesangstexten gespielt.

Radikalität, der sich traut, den nächs­ ten Schritt zu gehen. Er handelt nur aus Idealismus, was an sich schon ein Privileg ist. Figaro hingegen ist total heruntergewirtschaftet: Er hat nichts und seine Energie geht ins Nichts. Er macht nur mit, weil er Geld braucht. Während Fiorello also die gesamtge­ sellschaftliche Perspektive und ein grosspolitisches Ziel im Blick hat, weil er es sich leisten kann, braucht Figaro schlicht eine Lebensgrundlage. Da wären wir wieder beim Thema Gesell­ schaft und Individuum …

RM — In deiner Fassung kämpfen

Fiorello und Figaro gegen das vom Gra­ fen erlassene Berührungsverbot: Aus Angst vor einem gefährlichen Virus ist zwar jeglicher zwischenmenschli­ che Kontakt verboten, doch abgese­ hen davon leben die Bürgerinnen und Bürger ein annehmliches Leben. Fiorello, der Schreibtischintellektuel­ le, und Figaro, der Gangster, sind der Kopf und die Kraft, die einander für die Revolution, die Abschaffung dieses Verbotes, brauchen. Was treibt die beiden an?

MB — Ich denke, dass der Graf sehr einsam ist. Er sitzt ganz oben, gefan­ gen in seiner Privilegiertheit und abge­ riegelt in einem aseptischen Palast. Er hat zwar Geld, soviel er essen kann, aber keine Freunde. Dabei sehnt er sich nach Liebe und Freundschaft, Rosina ist die erste Frau, die er überhaupt sieht! Fiorello versucht über diesen indivi­ duellen Wunsch des Grafen das All­ gemeine zu ändern, also über den Individualansatz die Gesetzesänderung und damit die Aufhebung des Berüh­ rungsverbotes durchzubekommen.

MB — Fiorello ist der Fridays-forFuture Anhänger mit jugendlicher

RM — Diese Welt, wie auch die Beset­ zung der Oper, ist sehr von Männern

RM — Und welche Rolle spielt der Graf

dabei? Er wird von den beiden ja für ihre Zwecke instrumentalisiert …


15 dominiert. Wie behauptet sich Rosina darin? MB — Rosina ist eine ausgesprochen emanzipierte weibliche Opern-Figur und beschreibt das selbst: Sie kann sanftes Mädchen oder Viper sein und den Männern damit genau das vor­ spielen, was sie von Frauen erwarten. Rosina handelt aus eigenem Antrieb, sie stellt Forderungen und hat klare Vorstellungen, was sie will. So wie sie auch in unserer Inszenierung sagt: «Ich hol mich hier selber raus!» RM — Bartolo hast du aus seiner Rolle des Lüstlings, die ihm oft anhaftet, befreit und ihn zu einem Sympathie­ träger gemacht. MB — Die Figur des Bartolo kommt aus der Commedia dell’arte und deren stereotypen Figurencharakterisie­ rung: Er ist der dicke, doofe Doktor, der keine Ahnung hat von Medizin und nur auf seinem Titel rumreitet. In unserer Inszenierung allerdings ist er tatsächlich ein Arzt, den vor allem die Sorge um seine Tochter umtreibt. Darin liegt auch der Generationen­ konflikt unserer Gesellschaft: Zu wel­ chen Mitteln greife ich zum Schutz meiner Liebsten? Diese Ambivalenz hat zur Folge, dass die Gut-BöseVerteilung nicht mehr eindeutig ist. Plötzlich ist Bartolo jemand, der aus

Liebe zu seiner Tochter handelt, und nicht aus Gier oder Lust. Aus Sicht der jungen Menschen behandelt diese Erzählung das grosse Thema der Ab­ lösung, des Sich-Selber-Findens in ei­ ner vorgegebenen Struktur. RM — Weshalb muss Bartolo trotz­

dem sterben?

MB — Weil er in einem gewissen Sin­ ne Recht gehabt hat. Er ist der ein­ zige, der sich verändert, die Ansicht der anderen übernimmt und sich auf Neues einlässt – am Ende aber tragi­ scherweise genau deshalb stirbt. Das Stück basiert darauf, dass die jungen Leute den alten Idioten zeigen wollen, wo es langgeht. In diesem Moment müssen sie schmerzlich feststellen, dass es auch anders kommen kann. Aber auch, dass niemand allein Recht behal­ ten muss, denn es stirbt ja «nur» ei­ ner, nicht alle. Es ist betrüblich, dass die Figuren es nicht schaffen, einen konstruktiven Mittelweg zu finden, sondern weiter in ihrer EntwederOder-Position verharren. Ich würde mir wünschen, dass sich eine stärkere Diskussionskultur mit Empathie und einem Verständnis für die Argumente des anderen etabliert. Deshalb verstehe ich die Inszenierung auch als eine Aufforderung, genau das zu tun – auch wenn das Stück nicht auf diesem schönen Kompromiss landet.




Biografien FLURIN CADUFF

HYOJONG KIM

studierte Gesang bei Armin Caduff und Hilde Zadek sowie Musik­ theorie an der Musikakademie St. Gallen. Von 2007 bis 2016 gehör­ te Flurin Caduff zum Ensemble des LT, wo er unter anderem die Titelpartie in «Don Pasquale», Schaunard in «La Bohème», Alidoro in «La Cenerentola» so­ wie Oroveso in «Norma» sang. 18/19 gastierte er am LT als Graf Pâris in «Roméo et Juliette». In dieser Spielzeit kehrt er als Ensem­ blemitglied ans LT zurück und ist in «Il barbiere di Siviglia», «Das schlaue Füchslein», «Cendrillon» und «Così fan tutte» zu hören.

studierte in Seoul und Berlin und ist seit der Spielzeit 12/13 Ensem­ blemitglied des Theater Bremen. Dort sang er u. a. Tamino in «Die Zauberflöte» und Duca in «Rigoletto». Am LT war er zu­ letzt in der Spielzeit 18/19 für «Les robots ne conaissent pas le blues oder Die Entführung aus dem Se­ rail» sowie als Alfredo Germont in «La traviata» zu Gast.

DIANA SCHNÜRPEL

studierte Gesang an der Chor­ kunstakademie in Moskau und an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig unter Prof. Regina Werner-Dietrich. Die Partie der Königin der Nacht in Mozarts «Die Zauberflöte» sang sie in Braunschweig, Detmold, Klagen­ furt, Salzburg, Graz und Weimar. Seit 16/17 ist sie Ensemblemit­ glied am LT. Hier sang sie u. a. Gepopo / Venus in «Le Grand Macabre» und die Titelpartie von «Maria Stuarda». In dieser Spiel­ zeit ist sie auch als Füchslein Schlaukopf in «Das schlaue Füchs­ lein» zu erleben.

EUNGKWANG LEE

war nach seinem Studium in Seoul und Berlin von 2009 bis 2015 im Ensemble des Theater Basel enga­ giert. Dort sang er Partien wie Figaro in «Le nozze di Figaro», Escamillo in «Carmen» und die Titelfigur in «Eugen Onegin». Er gastierte am Saarländischen Staatstheater, am Konzert Thea­ ter Bern sowie an der Koreani­ schen Nationaloper. Als Ulisse in «Il ritorno d’Ulisse in patria» war er am Tongyeong Internatio­ nal Music Festival und am Radial­ system Berlin zu erleben. ALEXANDRE BEUCHAT

absolvierte im Sommer 2016 seinen Master of Arts in Performance an der Hochschule Luzern – Musik. In der Spielzeit 15/16 gehörte der Sänger fest zum Ensemble des Luzerner Theater. Seit Septem­ ber 2016 ist er im Ensemble der Volksoper Wien engagiert und sang dort u. a. Papageno in «Die Zau­ berflöte» und Freddy in «My Fair Lady». Im September 2018 gab er sein Bühnendebüt an der Wiener Staatsoper in der Rolle des Marquis d’Obigny in Verdis «La

18 traviata». 19/20 war er am LT als Tancredi in Monteverdis «Ge­ schichten von Krieg und Liebe» zu erleben. VUYANI MLINDE

absolvierte sein Gesangsstudium an der Free State Musicon in Südafrika und am Royal College of Music in London. Von 10/11 bis 15/16 war er festes Mitglied des Opernensembles der Oper Frankfurt. Ausserdem trat er u. a. am Edinburgh International Fes­ tival, am Opernhaus von Oviedo, an der Cincinnati Opera, der Houston Grand Opera und in der Carnegie Hall New York auf. Zur Spielzeit 16/17 wechselte er ans LT. In der Spielzeit 20/21 ist er als nächstes in «Das schlaue Füchslein» und «Cendrillon» zu erleben. CAMILA MENESES

absolvierte ihren Bachelor in Cochabamba (Bolivien) und in Basel. Aktuell studiert sie Gesang im Master Performance an der Hochschule Luzern – Musik. Als Solistin sang sie zahlreiche Kon­ zerte und gibt regelmässig Lieder­ abende. Sie nahm als Gastsolistin am Crescendo-Sommerinstitut in Tokaj (Ungarn) und am Festi­ val de música Vivace in Bolivien teil. Als Berta in «Il barbiere di Siviglia» gibt sie ihr Debüt am LT.


19 ROBERT MASZL

MARTIN G. BERGER

studierte am Konservatorium in Wien. Seit der Spielzeit 09/10 gehört er fest zum Ensemble des LT. Zuvor sammelte er Bühnen­ erfahrung u. a. an der Wiener Volksoper und der Burgarena Reinsberg. Am LT sang er bereits Rollen von Eurimaco / Iro in «Il ritorno d’Ulisse in Patria» über Monostatos in «Die Zauberflöte» bis zu Dr. Blind in «Die Fle­ dermaus». In dieser Spielzeit ist er am LT als nächstes in «Das schlaue Füchslein» und «Cendrillon» zu erleben.

arbeitet als Regisseur, Autor und Übersetzer in Oper, Operette und Musical, aber auch im Schau­ spiel, in Performancekollektiven und mit Figurenspielern. Seine Arbeiten führten ihn u. a. ans The­ ater Basel, die Staatsoper Hannover, das Luzerner Theater, die Deut­ sche Oper Berlin (Tischlerei), das Theater Bremen, das Theater Trier, das Deutsche Nationalthe­ ater Weimar, das Staatstheater Augsburg, das Theater Heidelberg, das Staatstheater Darmstadt, die Oper Dortmund, die Volksoper Wien (Kasino am Schwarzenberg­ platz), die Staatsoperette Dresden, das Theater Oberhausen und die Neuköllner Oper. 2018 war er für seine Inszenierung von «Faust (Margarete)» für den deutschen Theaterpreis FAUST in der Ka­ tegorie Beste Regie Musiktheater nominiert. Nach «In 80 Tagen um die Welt» 16/17 ist «Il barbiere di Siviglia» seine zweite Inszenie­ rung am LT.

ALEXANDER SINAN BINDER

studierte Orchesterleitung und Klavier an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf sowie an der Zürcher Hochschule der Künste. Er stand bereits am Pult renommierter Klangkörper wie dem Tonhalle-Orchester Zürich, Lucerne Festival Strings, WDR Funkhausorchester Köln und der Staatsoperette Dresden. Seit der Spielzeit 18/19 ist er als Kapell­ meister und Korrepetitor am LT engagiert, wo er u. a. die musi­ kalische Leitung von «Tanz 30: Orfeo ed Euridice» sowie «Die Grossherzogin von Gérolstein» innehatte. In der aktuellen Spiel­ zeit übernimmt er die musikali­ sche Leitung von «Il barbiere di Siviglia», «Così fan tutte» sowie «Carmen im Roten Haus».

JAKOB BROSSMANN

studierte an der Universität für angewandte Kunst Wien Büh­ nen- und Filmgestaltung (Szeno­ grafie) und arbeitet als Regisseur, Produzent, Bühnenbildner und bildender Künstler. Mit Nikolaus Habjan entwickelt er seit dem Nestroypreis-nominierten Stück «Das Missverständnis» regel­ mässig Theaterabende, in denen Puppen und Schauspielerinnen gleichberechtigt mitwirken. Es ent­ standen Bühnenbilder für In­ szenierungen am Schauspielhaus Graz, Volkstheater Wien, Staats­ oper München, Residenztheater

München, Schauspielhaus Zürich und Akademietheater Wien. Mit Finali Film & Wortschatz Produk­ tion arbeitet er an interdiszipli­ nären Film- und Kulturprojekten. SARAH-KATHARINA KARL

arbeitet als Bühnenbildnerin, Kostümbildnerin und Architektin. Nach einem Architektur-Stu­ dium an der Leibnitz Universität Hannover und der TU Delft (Niederlande) war sie von 2010 bis 2013 als Bühnenbildassistentin an der Staatsoper Hannover tätig. Im Anschluss arbeitete sie als Ausstatterin an Häusern wie dem Theater Basel, dem Staatstheater Darmstadt, dem Deutschen Natio­ naltheater Weimar, der Deutschen Oper Berlin und der Volksoper Wien. Für «Der Barbier von Se­ villa» an der Oper Dortmund wurde sie in der Opernwelt drei Mal als Bühnenbildnerin des Jahres genannt, für «Aus Traditi­ on anders» am Staatstheater Darmstadt gewann sie den Deut­ schen Musical Theater Preis für das beste Bühnenbild.


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Il barbiere di Siviglia

G   lobe /  B   ühne  ←

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Werden Sie TcL-Mitglied zum halben Preis Diese Produktion wird unterstützt vom Theaterclub Luzern Das Luzerner Theater liegt uns am Herzen. Deshalb unterstützen wir Produk­ tionen wie «Il barbiere di Siviglia» und «Così fan tutte» und animieren unsere Mitglieder zum Theaterbesuch. Die Clubmitgliedschaft bietet allen Mitgliedern 30 % Vergünstigung zu Vorstellungen an speziellen Theaterclub-Tagen und 10 % auf die Abo-Preise. Alle, die sich während der Spielzeit von «Il barbiere di Siviglia» für eine Mit­ gliedschaft im Theaterclub Luzern anmelden, erhalten diese zum halben Preis. Sprich CHF 75 für Paarmitglieder anstatt CHF 150 und CHF 50 anstatt CHF 100 für Einzelpersonen. info@theaterclub-luzern.ch www.theaterclub-luzern.ch


Impressum TEXTNACHWEISE

BILDNACHWEISE

HERAUSGEBER

Alle Texte sind Originalbeiträge von Rebekka Meyer. Das Inter­ view mit Martin G. Berger führte ebenfalls Rebekka Meyer.

S. 5:

Luzerner Theater Theaterstrasse 2, 6003 Luzern www.luzernertheater.ch

Illustration von Valerie Hoberg S. 6 – 7: Diana Schnürpel, Flurin Caduff S. 10: Hyojong Kim, Flurin Caduff, Diana Schnürpel S. 11 oben: Vuyani Mlinde, Camila Meneses S. 11 unten: Hyojong Kim, Eungkwang Lee, Robert Maszl S. 16 – 17: Eungkwang Lee, Hyojong Kim Umschlag hinten: Eungkwang Lee Ingo Höhn fotografierte die Klavierhauptprobe am 16. September 2020.

Spielzeit 20/21 Intendant: Benedikt von Peter Verwaltungsdirektor: Adrian Balmer Operndirektorin: Johanna Wall Redaktion: Rebekka Meyer Gestaltung: Studio Feixen Druck: Engelberger Druck AG Diese Drucksache ist nachhaltig und klimaneutral produziert nach den Richtlinien von FSC und Climate-Partner.

TECHNISCHER STAB

Technischer Direktor: Peter Klemm, Technischer Leiter: Julius Hahn, Produktionsleiter: Roland Glück, Produktionsassistentin: Marielle Studer, Bühnenmeister: Dominic Pfäffli / Claudine Ulrich, Chefrequisiteurin: Simone Fröbel, Requisite: Irina Biadici, Leiter Beleuchtungsabteilung und Beleuchtungsmeister: David Hedinger-Wohnlich, Leiterin Ton- und Videoabteilung und Video: Rebecca Stofer, Tontechniker: Franz Schaden, Leiter Probenbühnen: Thomas Künzel, Transporte: Ido van Oostveen, Hamzi Gashi, Chefmas­ kenbildnerin: Lena Mandler, Leiterin Kostümabteilung: Ulrike Scheiderer, Gewandmeisterin Damen: Hanni Rütimann, Gewandmeisterin Herren: Andrea Pillen, Kostümmalerin: Camilla Villforth, Leiterin Ankleide­ dienst: Monika Malagoli, Fundusverwalterin: Rhea Willimann, Werkstättenleiter: Marco Brehme, Leiterin Malsaal: Brigitte Schlunegger, Schlosser: Nicola Mazza, Leiter Schreinerei: David Koch, Tapeziererin: Fernanda von Segesser, Leiterin Statisterie: Delphine Queval


MITTENDRIN  – AUCH SIE?! Jetzt Mitglied werden: www.luzernertheater.ch/freunde


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