August 2012
STADT.BILDUNG
Ulaanbaatar. Mongolei
Mongolei
Hauptstadt
2.754.685 Einwohner 1.564.116 QKM Fläche
Ulaanbaatar 1.044.500 Einwohner 4.705 QKM Fläche
Einwohnerdichte
1,76
Personen Pro QKM
Ankunftsstadt
Über ein Drittel der mongolischen Bevölkerung lebt in der monozentrischen Hauptstadt
Im Jahr 1950 lebten 309 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern in Großstädten, bis zum Jahr 2030 werden es 3,9 Milliarden sein.
Verstädterung
Kälteste Hauptstadt der Welt
Im Jahr 2025 werden 60% der Weltbevölkerung in Städten leben. 2050 werden es mehr als 70% sein.
Jahresdurchschnittstemperatur
1 2 3 4 5
-2.0°C
6 7 8 9 0
STADT.BILDUNG Ulaanbaatar. Mongolei
August 2012
Masterthesis SoSe 2012 Marlène Reinhardt Erstprüfer: Prof. Joachim Schultz-Granberg
msa
münster school of architecture
ABSTRACT
Dieses Buch beschäftigt sich mit der Land-Stadt Migration des 21.Jahrhunderts am Beispiel von Ulaanbaatar. Während die Hauptstadt der Mongolei mit ihren Plattenbauten immer noch von dem damaligen sowjetischen Einfluss geprägt ist, ist der ‚Jurtenkranz’ um Ulaanbaatar in den letzten 20 Jahren enorm gewachsen – die Infrastruktur der Stadt hält dem Bevölkerungsstrom nicht stand. Entwicklungshilfen aus verschiedenen Ländern versuchen durch unterschiedliche Interventionen zu helfen, doch meist profitieren durch entsprechende Maßnahmen nicht die wirklich bedürftigen Menschen, sondern nur die lokale Elite. Durch einen Eingriff in die bisher von der Regierung gemiedenen Ger-Settlements soll ein Prozess angestoßen werden, der den ‚neuen Städtern’ die Möglichkeit bietet, ihr Migrationsziel eines Tages erreichen zu können.
7
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT......................................................................................... 9 BEGRIFFE........................................................................................ 12 STADTBEGRIFF......................................................................................................................................... 12 VERSTÄDTERUNG.................................................................................................................................... 16 ANKUNFTSORT......................................................................................................................................... 19
LANDESKUNDE................................................................................ 22 MONGOLEI................................................................................................................................................. 22 GEOGRAPHIE...............................................................................................................................................22 BEVÖLKERUNG............................................................................................................................................25 WIRTSCHAFT..............................................................................................................................................30 POLITIK........................................................................................................................................................36 VERSTÄDTERUNG IN DER MONGOLEI...................................................................................................38 LANDBESITZRECHTE................................................................................................................................43 ULAANBAATAR.......................................................................................................................................... 48 STADTENTWICKLUNG...............................................................................................................................48 STADTENTWICKLUNGSPLÄNE.................................................................................................................51 AKTUELLE SITUATION..............................................................................................................................52 SCHEMATISCHE DARSTELLUNG ULAANBAATARS...............................................................................55
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG............................. 57 GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL.................................................. 68 ALLGEMEIN.................................................................................................................................................68
8
INHALTSVERZEICHNIS
STÄDTEBAULICHE GLIEDERUNG...........................................................................................................71 KHASHAAS: TYPEN.....................................................................................................................................77 ZUNEHMENDE SOZIALE | ÖKONOMISCHE UND ÖKOLOGISCHE PROBLEME DER GERDISTRICTS....................................................................................................................................................85
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS....................100 BESTEHENDE INTERVENTIONEN..................................................................................................... 100 POTENTIALE DER AKTUELLEN SITUATION UND STRATEGISCHE ENTWICKLUNGSANSÄTZE.................................................................................................................. 105
STADT.BILDUNG............................................................................. 120 SCHOOL PLUS......................................................................................................................................... 124 TOP DOWN TRIFFT BOTTOM UP..........................................................................................................127 BEDEUTUNG UND INHALT DER SCHOOL PLUS.................................................................................134 SCHOOL PLUS: TYPEN.............................................................................................................................151 SCHOOL PLUS: STANDORTE...................................................................................................................154
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK..............................................158 QUELLENNACHWEIS....................................................................... 165 LITERATUR.............................................................................................................................................. 165 INTERNET................................................................................................................................................ 166 BILDER....................................................................................................................................................... 167 ABBILDUNGEN........................................................................................................................................ 168
9
BILD 01 Quelle: Ă gnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture
10
VORWORT
„Die Menschen werden sich in einer großen, endgültigen Verschiebung vom Landleben weg bewegen und in die [...] Städte gehen. Das ist die Entwicklung, die vom 21. Jahrhundert am deutlichsten in Erinnerung bleiben wird [...]“ Denn die Städte bieten die Möglichkeiten zu sozialem und wirtschaftlichen Aufstieg 01. In Entwicklungs- und Transformationsländern wächst die Stadtbevölkerung, verglichen mit der Gesamtbevölkerung der entsprechenden Länder, gegenwärtig überproportional stark. Ein Großteil der globalen Urbanisierungs- und Verstädterungsprozesse findet somit in diesen Regionen statt. Die Mongolei stellt mit ihrer monozentrischen Hauptstadt Ulaanbaatar einen Extremfall der globalen Landflucht dar. Während sich in anderen Regionen die Land- Stadt Wanderung in lokalen Siedlungen und mittelgroßen Städten abspielt, konzentriert sich diese starke Abwanderung in der Mongolei nahezu ausschließlich auf die Hauptstadt Ulaanbaatar. Die Ursache aber auch zugleich die Folge dabei sind Arbeitslosigkeit und Armut, sowie mangelhafter Zugang zu öffentlicher Infrastruktur, wie Strom- und Wasserversorgung, sowie Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, aber auch Abwasser- und Müllbeseitigung. Die räumliche Ausbreitung des zu schnell und unkoordiniert ablaufenden Verdichtungsprozesses führt zu stadthygienischen, ökologischen und sozialen Problemen. Der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur kann der überstürzten Massenzuwanderung nicht standhalten. Das zusätzliche starke Bevölkerungswachstum führt zudem noch zur Verstärkung bestehender ökologischer Probleme wie Luftverschmutzung und dem Anwachsen der Müllberge.
01 Saunders, D. Arrival City S.7
11
VORWORT
Besonders betroffen sind dabei die Bewohner der Jurtenviertel, die vom Rest der Bevölkerung zunehmend an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und dadurch wenig am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Jedoch sind genau dies die Bewohner Ulaanbaatars, die von dem Land in die Stadt migriert sind, um ihrem perspektivlosen Landleben zu entfliehen. Viele Mongolen zieht es in die Hauptstadt, da sie mit ihrem nomadischen Leben unter den Bedingungen des globalen Marktes nicht mehr zurechtkommen. Sie verkaufen ihre Tiere und ziehen mit ihrer Jurte direkt in die Stadt, um dort Arbeit zu suchen und die vermeintlich infrastrukturellen Vorteile nutzen zu können. Durch das rasche Wachstum sieht sich Ulaanbaatar also bereits mit den typischen Problemen der Hauptstadt eines Entwicklungslandes konfrontiert. Zudem hat Ulaanbaatar durch die klimatischen Bedingungen mit noch mehr Problemen zu kämpfen, als viele andere Städte der ‚Dritten Welt‘, die vergleichsweise günstige klimatische Bedingungen aufweisen. Die Jurte, die für diese Witterungsumstände und das nomadische Leben eine optimale Heimstätte darstellt, erweist sich für das Leben in der Stadt als äußerst ungeeignet, da ihre Nutzbarkeit sehr unter den Bedingungen der städtischen Dichte leidet. (siehe dazu ‚Ger-Distrcts|Jurtenviertel‘) Doch die Bewohner der Ger- Settlements nehmen diese verhängnisvollen Umstände in Kauf, da es ihre einzige Hoffnung ist, einen Zugang zur Gesellschaft zu erlangen und damit einem alternativen Broterwerb zur mobilen Tierhaltung nachgehen zu können. Dabei sind es mit steigender Migrationsanzahl immer weniger Bewohner,
12
VORWORT
deren Hoffnung auf einen gut bezahlten Job und eine isolierte Wohnung erfüllt wird. Gleichzeitig beginnt sich, durch neu entstandenen Wohlstand, die soziale Durchmischung immer mehr aufzulösen und Gated Communities entstehen. Eine Exklusion der Jurtenviertel entsteht, die durch Eingriffe von Seiten der Regierung, wie beispielsweise das Errichten von Gated Communities, zum Teil sogar verschärft wird. Die Ger-Settlements werden immer mehr zu Problemvierteln und die Wahrscheinlichkeit, am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, wird immer geringer. Doch wie kann man die Land-Stadt Migration zu dem machen, was sich die Menschen von ihr erhoffen? Wie müsste ein solcher Ort aussehen, damit er die Menschen auf den gewünschten sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg vorbereitet bzw. ihn erfüllt? Wie lässt sich die ‚automatisierte Verstädterung’ steuern und welche Verantwortung trägt dieser Ort dabei für die Stadtentwicklung Ulaanbaatars selbst? Das Anliegen dieser Thesis ist es, mit einem strategischen Eingriff eine nachhaltige Stadtentwicklungsplanung Ulaanbaatars zu unterstützen und die Lebensbedingungen der ‚neuen Städter‘ zu verbessern.
13
BEGRIFFE
STADTBEGRIFF Im Jahr 2025 werden 60% der Weltbevölkerung in Städten leben. 2050 werden es mehr als 70% sein.01
Um der Land - Stadt Migration in der Mongolei auf den Grund gehen zu können, müssen zunächst Begrifflichkeiten geklärt werden. Doch gibt es nicht nur eine wahre Definition für den Begriff Stadt. Allein das Zitat „Stadt- was für ein knappes Wort für eine Vielzahl von Wirklichkeiten [haben kann]“ 02 zeigt, dass eine Definition dieses Begriffs nicht einfach ist und aus diesem Grund in dieser Arbeit nur kurz skizziert werden soll. Vor der Industrialisierung war nicht die Größe einer Siedlung dafür ausschlaggebend, ob sie als Stadt eingestuft wurde. Wichtiger war die Frage nach ihrer Ausstattung mit gewissen Rechten, wie dem Marktrecht, einer eigenen Verwaltung und Gerichtsbarkeit. 1920 gab es einen neuen Konzeptionsansatz zur Stadt. Unterschiedliche Ansätze wie Gartenstadt, Ernst Mays ‚Neues Frankfurt‘ oder Ludwig Hilberseimers ‚Großstadt‚ führten neue Stadtkonzeptionen ein. „Die Stadt [wurde] als
01 The endless City, The Urban Age Project by the London School of Economics and Deutsche Bank‘s Alfred Herrhausen Society 02 Häussermann, H. | Siebel, W.
14
BILD 02 Quelle: http://www.mongolian-art.de
15
BEGRIFFE
Abstraktum gefasst.“03 Mit Hilfe des statistischen Stadtbegriffs sollen ländliche Siedlungen von Städten unterschieden werden. Dazu wurde auf dem Statistischen Kongress 1860 in London die Vereinbarung getroffen, dass alle Gemeinden mit über 2.000 Einwohnern fortan als Städte gelten. Diese Regelung ist grundsätzlich noch heute gültig, doch ist diese Einteilung aufgrund des erheblichen Wachstums der Weltbevölkerung, sowie regionaler und nationaler Unterschiede nur begrenzt verwendbar, wenn nicht sogar als unzeitgemäß einzustufen. Eine solche Definition der Stadt ist aber auch heute in der Mongolei gültig. So heißt es im dritten Artikel des Law of Mongolia on Administrative and Territorial Units and their Governing Bodies, dass Städte in der Mongolei mindestens 15.000 Einwohner aufzuweisen hätten.04 Würde man doch allein diesem demographischen, gesetzlich festgehaltenen Merkmal einer Stadt nachgehen, so müsste die offizielle Zahl mongolischer Städte von 22 auf 18 nach unten korrigiert werden, da die Städte Mandalgobi und Dalanzadgad im Süden bzw. im Südosten der Mongolei weniger als 15.000 Einwohner haben. Desweiteren heißt es im Landgesetz der Mongolei, dass die Mehrzahl der mindestens 15.000 Einwohner einer Beschäftigung nachzugehen haben und die Siedlung eine „entwickelte urbane Infrastruktur“ aufweisen muss. Was jedoch unter einer entwickelten urbanen Infrastruktur zu verstehen ist, wird nicht aufgeführt. 03 Eisinger, A. Die Stadt der Architekten S. 17 04 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
16
BEGRIFFE
Unter baulich strukturellen Gesichtspunkten kann eine dichte Bebauungsweise mit einer entsprechenden urbanen Infrastruktur zu den wichtigsten Merkmalen von Städten gezählt werden. Fassman und Matznetter bezeichnen Städte auch als „langlebige Speichermedien der Vergangenheit“.05 Damit gemeint sind politische und gesellschaftliche Transformationsprozesse verschiedener historischer Phasen, die sich überlagern und als Stadtentwicklungsprozess konserviert werden. Geographisch gesehen ist eine städtische Siedlung eine dicht bebaute Fläche, die eine Abgrenzung gegen das Umland darstellt. Dabei hat sie eine besondere Bedeutung für das Umland und ein eigenes städtisches Leben, das durch Handel, Dienstleistungen und Gewerbe geprägt ist. „Die Stadt ist ein kompakter Siedlungskörper von hoher Wohn- und Arbeitsplatzdichte, mit vor allem durch Wanderungsgewinn wachsender Bevölkerung, mit breitem Berufsfächer bei überwiegend tertiär- und sekundärwirtschaftlichen Tätigkeiten, mit deutlicher innerer Differenzierung, mit relativ hoher Verkehrswertigkeit, mit einem Bedeutungsüberschuß an Waren und Dienstleistungen für einen erweiterten Versorgungsbereich bei weitgehend künstlicher Umweltgestaltung mit deren Folgen für ihre Bevölkerung.“06 05 Fassmann, H. | Matznetter, W. Stadtentwicklung in Osteuropa: Konvergenzen, Divergenzen, Transformation 06 Hofmeister, B. Stadtgeographie, das geografphische Seminar S. 237
17
BEGRIFFE
VERSTÄDTERUNG von Industrie- und Entwicklungsländern
Mit dem Prozess der Verstädterung war in den sogenannten Industrieländern die Umgestaltung einer traditionellen ländlichen Gesellschaft in eine stark arbeitsteilig-urbane Gesellschaft verbunden. Dabei ging der Industrialisierung und Verstädterung entweder eine tief greifende Agrarreform voraus, oder beide Prozesse erfolgten gleichzeitig. Die Verstädterungsprozesse in den Industrieländern haben eine recht lange Geschichte und begannen bereits Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts mit der industriellen Revolution. Aufgrund des Arbeitsbedarfs in den Städten begann eine Land-Stadt Migration. Der Wachstum der Städte war durch die Zuwanderung bedingt. Die Industrialisierung erfolgte in den Industrieländern durchweg durch nationale Eigenanstrengungen und unter enger Verknüpfung der verschiedenen industriellen Branchen miteinander und mit den übrigen Wirtschaftssektoren. Während Arbeitskräfte vom Land in die Städte wanderten, wurden gleichzeitig neue Produktions-Techniken im Agrarsektor eingesetzt. Diese aufeinander abgestimmten Faktoren fehlen bei der Verstädterung von Entwicklungsländern. Zudem lastet auf den Städten der Entwicklungsländer ein doppelter Druck. Denn während das Wachstum der Städte in Industrieländern hauptsächlich nur durch die Zuwanderung bedingt ist, wird das Wachstum in Entwicklungsländern neben der starken Zuwanderung (40-50 % des jährlichen Wachstums) von einem noch höheren, unvermindert anhaltenden natürlichen Wachstum (hohe Geburten-, niedrige Sterberate) begleitet.
18
BILD 03 SHANGHAI Quelle: http://upload.wikimedia.org
19
20
BEGRIFFE
ANKUNFTSORT Im Jahr 1950 lebten 309 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern in Großstädten, bis zum Jahr 2030 werden es 3,9 Milliarden sein.01 Urbanisierung geht immer einher mit Zivilisation, und der Weg vom Land in die Stadt bringt in der Tendenz immer Verbesserung der Lebensverhältnisse mit sich. Das Leben in schnell wachsenden Städten ist gekennzeichnet durch strukturarme, informelle aber zumeist effiziente und produktive Netzwerke, die die Möglichkeit zu Innovation mit sich bringen. Dieser Ort wird dadurch „zum Vorhof der Revolutionierung von Gesellschaften“.02 Häufig wird das Landleben von der westlichen Gesellschaft als etwas Romantisches interpretiert, jedoch sieht die Realität sehr gegensätzlich aus: Das „Landleben ist gegenwärtig noch die häufigste Todesursache, die am weitesten verbreitete Ursache für Unterernährung und eine verkürzte Lebenserwartung“.03 Die Stadt hingegen ist ein Zufluchtsort für die Menschen, die auf wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg hoffen. Auch wenn sie selbst nicht mehr von einem Aufstieg profitieren können, so können sie wenigstens ihre „Enkel zu erfolgreichen Menschen machen, wenn [sie] die richtige
01 Saunders, D. Arrival City S. 39 02 Saunders, D. Arrival City 03 Saunders, D. Arrival City S. 41 ff
BILD 04 Quelle: http://www.willwalkforsex.com
21
BEGRIFFE
Verdienstmöglichkeit [finden]. Auf dem Land kann man nur leben.“04 Ländliche Familien beginnen sich aufzuteilen. Und während der eine Teil auf dem Land zurück bleibt, zieht der andere Teil in die Stadt um dort Geld zu verdienen, von dem sie bestenfalls Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen für ihre Angehörigen bezahlen können. Die Neuankömmlinge ziehen in die billigen Wohnviertel, oft Elendsquartiere mit mangelnder Infrastruktur. Doch diese Wohnviertel sind Orte, in denen sie den Beginn eines sozialen Aufstieg erwarten können. Sie sind Orte der Ankunft. Die Regierung und Außenstehende jedoch nehmen diese Orte „meist als festgefügte Einheiten wahr: Als Ansammlung billiger Unterkünfte, in denen arme Menschen wohnen, meist unter wenig gesunden Bedingungen. In der Sprache der Stadtplaner und Regierungen werden diese Enklaven oft als statistische Anhängsel definiert, als krebsartige Wucherungen einer ansonsten gesunden Stadt“.05 In den vergangenen 60 Jahren haben die Regierungen versucht, die Entstehung von Ankunftsorten zu verhindern. Durch industrielles Wachstum wurden zunächst sehr viele Arbeitskräfte benötigt, die vom Land in die Stadt migrierten, um dort zu arbeiten. Doch der Zustrom der Migranten wurde Ende der 1960er Jahre zunehmend informell. Die Regierungen versuchten diese unkontrollierte Zuwanderung aufzuhalten - meist ohne Erfolg. In Ulaanbaatar findet man diese informellen Wohnsiedlungen
04 Saunders, D. Arrival City S.19 05 Saunders, D. Arrival City S. 35 ff
22
BEGRIFFE
in Form des sogenannten ‚Jurtenkranzes‘ rund um den sozialistischen Stadtkern. Mobile Tierhalter werden mit ihren Jurten unmittelbar vor der Hauptstadt der Mongolei sesshaft und können so von den Annehmlichkeiten der Stadt profitieren, ohne dafür eine teure Wohnung in den Apartmentvierteln bezahlen zu müssen. Jedoch nimmt dieser Profit mit der Zunahme der Land-Stadt Wanderung immer mehr ab. Die Probleme in diesen Vierteln nehmen hingegen immer mehr zu. Wie auch in den meisten anderen Ankunftsstädten sind diese Viertel politisch unerwünscht. In Zeiten des Sozialismus sollten sie durch den Bau neuer Plattenbauten vollständig ersetzt werden, jedoch kam dieser Stadtentwicklungsplan durch den Zusammenbruch der Sowjetunion nie zum tragen. Und obwohl heute mittlerweile mehr als die Hälfte der Einwohner Ulaanbaatars in diesen Bereichen der Stadt lebt, meidet die Regierung nach wie vor Eingriffe in diesen Vierteln. Doch die Vernachlässigung dieser Bezirke ist ein Zustand, der zum Scheitern verurteilt ist. Die Anthropologin Janice Perlman beschäftigte sich als eine der Ersten mit den Mythen der Ankuftsstadt™. Sie lebte in den 1960er Jahren in den Favelas von Rio de Janeiro und beschäftigte sich dort mit Untersuchungen der Marginalität. Ihre Schlussfolgerung war, dass „diese vermeintlich marginalen Orte Gemeinwesen [seien], die sich um Verbesserung bemühen und von dynamischen, ehrlichen, fähigen Menschen errichtet wurden, die ihre Wohnviertel aus eigener Initiative aufbauen könnten, wenn man ihnen sie Chance gibt.“06
06 Saunders, D. Arrival City
23
LANDESKUNDE
MONGOLEI
2.754.685 Einwohner // 1.564.116 QKM
Hauptstadt ULAANBAATAR 1.044.500 Einwohner
//
4.705 QKM
GEOGRAPHIE Die Mongolei umfasst eine Fläche von ca. 1,6 Millionen Quadratkilometer und ist damit mehr als vier Mal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Dabei leben dort nur 2.8 Mio. Menschen, was nicht einmal der Einwohnerzahl Berlins entspricht. Zwischen dem nördlichsten und dem südlichsten Punkt liegt eine Entfernung von 1250 km. Zwischen dem östlichen und westlichen Punkt liegen 2370 km. Übertragen auf Europa reicht die Ausdehnung dieses Landes im Westen von der französischen Atlantikküste bis nach Rumänien im Osten und im Norden von der deutsch-holländischen Grenze bis nach Rom im Süden. Das Klima ist sehr extrem. Die Temperaturen schwanken im Laufe des Jahres stark. Meist gibt es Temperaturunterschiede von bis zu 70°C zwischen Sommer- und Wintermaximum. Mit einer Durchschnittstemperatur von -2°C ist Ulaanbaatar die kälteste Hauptstadt der Welt, was eine sehr lange Heizperiode zur Folge hat.
24
LANDESKUNDE
Ulaanbaatar
Die Mongolei hat
4.38 0.78
mal
DIE FLÄCHE VON
mal
SOVIELE EINWOHNER
DEUTSCHAND WIE BERLIN
ABBILDUNG 01 Grafik: M. Reinhardt Quelle: http://www.ipicture.de
25
LANDESKUNDE
Diese klimatischen Bedingungen haben auch großen Einfluss auf das Leben und Wirtschaften der Menschen und besonders auf den Alltag in den Ger-Districts worauf an spätere Stelle eingegangen wird. Die Administration der Republik Mongolei gliedert sich in die Hauptstadt Ulaanbaatar, die gesondert verwaltet wird, und 21 Aimags, welche die oberste Ebene der regionalen Verwaltungsgliederung darstellen. Diese Aimags (Provinzen) gliedern sich wiederum in 340 Sums (Distrikte), diese wiederum in 1662 Bags und Khoroos (Unter-Distrikte). Unterschiede zu den deutschen Bundesländern sind, dass die Bezirke und Aimags keine politische Autonomie und Selbstverwaltungsrechte haben. Jedes Aimag hat, wie ein Bundesland, eine Landeshauptstadt, das Aimagzentrum. Der Staat übernimmt die Hauptaufgaben, die Aimagzentren verwalten die Regionen. Aus gesellschaftlicher Sicht haben die Zentren jedoch eine besondere Funktion, denn nur hier ist die Infrastruktur relativ gut im Vergleich zum Rest des Landes. Es gibt Schulen, 4-jährig oder 7-jährig, Kindergärten, Postund Telegraphenstationen, Polikliniken, Apotheken, Einzelhandelsgeschäfte, Werkstätten, Tankstellen, Ersatzteillager und Energieversorgungsstellen. Typisch für diese Provinzstädte sind mehrgeschossige Gebäude und ein monumentales Denkmal. Die Größe der Aimags schwankt zwischen 41000 und 165000 Quadratkilometer.n So sind einzelne Areale halb so groß wie die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Es leben allerdings 10000 bis 40000 Einwohner in den Gebieten.
26
LANDESKUNDE
BEVÖLKERUNG Mit einer Einwohnerdichte von 1,76 Einwohnern pro Quadratkilometer zählt die Mongolei zu einem der am dünnsten besiedelten Länder der Welt. Von den ca. 2,8 Millionen Einwohnern der Mongolei leben gut ein Drittel dicht gedrängt in der Hauptstadt Ulaanbataar. Unter diesem Aspekt betrachtet ergäbe sich eigentlich eine noch geringere Einwohnerdichte von 0,9 Einwohnern pro Quadratkilometer. Die Bevölkerung der Mongolei ist im Laufe des letzten Jahrhunderts mit einem durchschnittlichen Wachstum von 2,7% schnell gewachsen. Das enorme Wachstum wird vor allem dann deutlich, wenn man beachtet, dass „zum Zeitpunkt der Gründung der Mongolischen Volksrepublik 1924 [nur] 542.500 Mongolen, etwa 100.000 Chinesen und 5.000 Russen auf dem Territorium der Äußeren Mongolei“01 lebten. Grund für das enorme Wachstum dürfte die Urbanisierung im Land und die damit verbundene Verbesserung der Lebensstandards gewesen sein. Mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren ist die Mongolei ein sehr ‚junges Land‘; vergleichsweise liegt das Durchschnittsalter in Deutschland bereits bei 44 Jahren. Es wird jedoch in den nächsten 15 Jahren ein deutlicher Anstieg des Durchschnittsalters erwartet. Ebenso wie auch eine erheblich längere durchschnittliche Lebenserwartung prognostiziert wird. Derzeit liegt sie bei 64,6 Jahren und soll bis 2025 auf 72 Jahre ansteigen.02 01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung S.63 02 NSOM 2004
27
LANDESKUNDE
21
AIMAGS DER MONGOLEI 340 SUMS 1662 KHOROOS
KHUVSGUL
UVS BAYAN-ULGII
121.400 Einwohner 100.600 QKM 1.2 Einwohner pro QKM
81.000 Einwohner 69.600 QKM 1.2 Einwohner pro QKM
101.200 Einwohner 45.700 QKM 2.2 Einwohner pro QKM
BULGAN
ZAVKHAN KHOVD
80.700 Einwohner 82.500 QKM 1.0 Einwohner pro QKM
87.800 Einwohner 76.100 QKM 1.2 Einwohner pro QKM
60.800 Einwohner 48.700 QKM 1.2 Einwohner pro QKM
ARKHANGAI
94.900 Einwohner 55.300 QKM 1.7 Einwohner pro QKM
UVURKHANGAI GOBI-ALTAI
60.900 Einwohner 141.400 QKM 0.4 Einwohner pro QKM
113.200 Einwohner 62.900 QKM 1.8 Einwohner pro QKM
BAYANKHONGOR 83.800 Einwohner 116.000 QKM 0.7 Einwohner pro QKM
28
LANDESKUNDE
SELENGE
100.800 Einwohner 41.200 QKM 2.4 Einwohner pro QKM
DARKHAN
87.800 Einwohner 3.280 QKM 26.8 Einwohner pro QKM
TUV
ULAANBAATAR
KHENTII
71.200 Einwohner 80.300 QKM 0.9 Einwohner pro QKM
88.900 Einwohner 74.000 QKM 1.2 Einwohner pro QKM
DUND-GOBI
49.900 Einwohner 74.700 QKM 0.7 Einwohner pro QKM
DORNOD
GOBI-SUMBER 12.300 Einwohner 5.540 QKM 2.2 Einwohner pro QKM
73.700 Einwohner 123.600 QKM 0.6 Einwohner pro QKM
SUKHBAATAR 56.600 Einwohner 82.300 QKM 0.7 Einwohner pro QKM
DORNI-GOBI
UMNU-GOBI
52.500 Einwohner 109.500 QKM 0.5 Einwohner pro QKM
46.800 Einwohner 165.400 QKM 0.3 Einwohner pro QKM
ABBILDUNG 02 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
29
LANDESKUNDE
MONGOLEI
30
1.76 EINWOHNER PRO QUADRATKILOMETER
1x
LANDESKUNDE
DEUTSCHLAND
229 EINWOHNER PRO QUADRATKILOMETER
1x
ABBILDUNG 03 Grafik: M. Reinhardt Quelle: http://www.ipicture.de
31
LANDESKUNDE
WIRTSCHAFT Die mongolische Wirtschaft, bzw. das Wirtschaftssystem, änderte sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre schlagartig. Über Nacht war die Mongolei nach den bis dahin stark ausgeprägten Handelbeziehungen zur Sowjetunion auf sich allein gestellt und wurde mit den Bedingungen des Weltmarkts konfrontiert. Aufgrund dieser enormen Veränderung und „des Spektrums der aus- und eingeführten Waren weist die Mongolei Strukturen auf, wie sie typisch für sogenannte Entwicklungsländer sind“.01 Trotz aller Industrialisierungsversuche hat die Landwirtschaft auch heute noch ihre herausragende Stellung. Wie seit Jahrhunderten beruht sie auf extensiver nomadisierender Viehwirtschaft und Tauschhandel. Jeder Dritte Mongole lebt als nomadisierender Viehzüchter. Was den seltenen Ackerbau angeht, wird vor allem Getreide angebaut. Neben der Wirtschaft der mobilen Viehhaltung ist lediglich die Ausbeutung von Bodenschätzen wie Kupfer, Edelmetalle (Gold) und Flurspate ein bedeutender Industriezweig der Mongolei. Dabei sind Bodenschätze und Mineralien mit 40.7%, Edelmetalle, wie Gold und daraus angefertigter Schmuck mit 28%, das Hauptexportmittel der Mongolei. Die Produktion der weltweit begehrten Kaschmirwolle und die daraus hergestellten Textilien gewinnen aber immer mehr an Bedeutung. Doch den Problemen, die sich aus dem Zerfall der Sowjetunion für das Wirtschaftssystem ergeben haben und der Versuch, jenen mit entsprechenden strukturellen 01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
32
LANDESKUNDE
Maßnahmen in Zukunft zu begegnen, stellt für das Land eine große bis nahezu unlösbare Herausforderung dar. Vor allem wenn man die geographische Lage der Mongolei zwischen den beiden Großmächten China und Russland berücksichtigt.
33
LANDESKUNDE
MONGOLEI Jahresdurchschnittstemperatur max. 5.9°C
-14.4
-8.9
JAN
FEB
-0.8
8.7
17.1
20.8
MAR APR MAY JUN
21.8
19.3
14.1
JUL
AUG
SEP
8.1
-3.4
-11.9
OCT NOV DEC
Jahresdurchschnittstemperatur min. -6.4°C -25.0
-21.6
JAN
FEB
-13.8
-5.2
2.3
7.8
MAR APR MAY JUN
10,0
7.6
1.5
JUL
AUG
SEP
EINWOHNERDICHTE
KÄLTESTE HAUPTSTADT
der Welt
-2.0
Jahresdurchschnittstemperatur
-4.6
-14.4
-21.6
OCT NOV DEC
1,76 PERSONEN PRO QKM
Die durchschnittliche Haushaltsgröße liegt bei 4,2 Personen
25JHR
EINWOHNERZAHL
1.710.185 restl. Mongolei
Durchschnittsalter 1.044.500
Ulaanbaatar einhundertsiebzehn Regentage
7
5
JAN
FEB
34
7
8
8
14
MAR APR MAY JUN
18
16
10
JUL
AUG
SEP
7
8
9
OCT NOV DEC
LANDESKUNDE
DEUTSCHLAND Jahresdurchschnittstemperatur max. 12.8°C
2.0
3.0
JAN
FEB
22.0
23.0
23.0
19.0
MAR APR MAY JUN
8.0
13.0
18.0
JUL
AUG
SEP
13.0
7.0
3.0
OCT NOV DEC
Jahresdurchschnittstemperatur min. 5.5°C
-3.0
-3.0
JAN
FEB
11.0
13.0
12.0
9.0
MAR APR MAY JUN
0.0
4.0
8.0
JUL
AUG
SEP
EINWOHNERDICHTE
BERLIN
9.15
Jahresdurchschnittstemperatur
6.0
2.0
-1.0
OCT NOV DEC
229
PERSONEN
PRO QKM
Die durchschnittliche Haushaltsgröße liegt bei 2,1 Personen
45JHR
EINWOHNERZAHL
78.359.121
restl. Deutschland
Durchschnittsalter 1.499.897
Berlin
einhundertsechsundsechzig Regentage
17
15
JAN
FEB
12
13
12
12
MAR APR MAY JUN
14
14
12
JUL
AUG
SEP
14
16
15
OCT NOV DEC
ABBILDUNG 04 Grafik: M. Reinhardt Quelle: http://www.ipicture.de | http://wikipedia.de
35
LANDESKUNDE
HAUPTEXPORTPRODUKTE Produktgruppen Export für 2004 Anteil in Prozent am gesamten Exportvolumen
28%
SCHMUCK
EDELMETALLE
GOFINE 99 LD 9.9
N
100ET WT 0g
40.7% MINERALIEN
BODENSCHÄTZE
36
LANDESKUNDE
TEXTILIEN
BEKLEIDUNG
22.8%
3.1% SONSTIGES
LANDWIRTSCHAFTS
PRODUKTE
5.5%
ABBILDUNG 05 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
37
LANDESKUNDE
POLITIK Mit Beginn der 1930er Jahre war die Mongolei zwar formal ein unabhängiger Staat, die Politik wurde aber von Moskau aus gesteuert. Nachdem sich das mongolische Reich über mehrere Jahrhunderte hinweg unter chinesischer Fremdbzw. Vorherrschaft befunden hatte, wurde der chinesische Einfluss mit der Gründung der ‚mongolischen Volksrepublik‘ 1924 stark zurückgedrängt. Erst ab 1950 kam es zur Verbesserung des chinesischmongolischen Verhältnisses, nachdem China die Unabhängigkeit der mongolischen Volksrepublik anerkannte. Der sowjetische Einfluss auf die gesamte Entwicklung der Mongolei war enorm und unterlag Dreiund Fünfjahresplänen, die von der Sowjetunion erarbeitet wurden. „Die nomadische Agrargesellschaft wurde zwangsweise sukzessive zu einer urbanen, kollektivierten Pseudo-Industriegesellschaft umgewandelt“.01 In den Zeiten des Sozialismus wurden Landreformen durchgeführt, Staatsbetriebe und Schulreformen beschlossen, welche unter anderem eine Erhöhung des Bildungsniveaus der Mongolei zur Folge hatten. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion begann für die Mongolei politisch und ökonomisch eine Art Neubeginn, der von Ole Bruun und Ole Odgaard als „climbing out of the Black Hole“02 umschrieben wird. Ein Demokratisierungsprozess setzte ein, der 1992 rechtliche Grundlage erhielt und die ersten freien 01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung S. 02 Bruun, O. | Odgaard, O. Mongolia in Transition. Old patterns, New Challenges
38
LANDESKUNDE
Wahlen zur Folge hatte. Doch ist diese noch junge Demokratie nicht sonderlich stabil und zudem auch stark gefährdet, sollte die Mongolei ihre internen sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme nicht in den Griff bekommen.
BILD 05 Quelle: Ágnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture
39
LANDESKUNDE
60% VERSTÄTDERUNGSRATE DURCHSCHNITTLICHE
AUSSCHLAGEBEND FÜR DIESEN PROZENTSATZ IST ULAANBAATAR
WEST REGION
29.4%
KHANGAI REGION
34.6%
UB REGION
OST REGION
39.5%
ZENTRAL REGION
40.5%
VERSTÄDTERUNG IN DER MONGOLEI Die Ursprünge der ‚modernen‘ Verstädterung in der Mongolei begannen eigentlich erst mit der Volksrevolution 1921 unter sowjetischem Einfluss. Zwar gab es bereits vorher schon größere Siedlungen, jedoch sind diese nicht mit dem Verstädterungsprozess der Industrieländer gleichzusetzen. Solche sogenannten punktuellen Verstädterungen gibt es auch heute noch in der Steppe. Meist bestehen diese Siedlungen aus einigen wenigen öffentlichen Einrichtungen und einer Wasserstation, um die sich mehrere Gers und ein paar zusammengezimmerte Holzhäuser reihen. Die Sumzentren, die meist einen rudimentär urbanen Charakter haben, verfügen zwar über eine Schule und eine Krankenstation, bieten darüber hinaus aber wenig alternative Einkommensquellen zur mobilen Tierhaltung. Zudem bleibt eine Reise nach Ulaanbaatar bei schwerwiegenden
40
LANDESKUNDE
1x
60%
VERSTĂ„DTERUNGSRATE in der Mongolei
in
70 Jahren
ist die Einwohnerzahl
Ulaanbaatars von
10.000
auf mehr als
1Millionen gestiegen!
ABBILDUNG 06 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
41
LANDESKUNDE
VERSTÄDTERUNG
CHOIBALSAN ULAANBAATAR ERDENET
ENTWICKLUNG DES ANTEILS DER BEVÖLKERUNG DER FÜNF GRÖSSTEN STÄDTE IN DER MONGOLEI
DAKHAN MORON
an der Gesamtbevölkerung
36.7% 32.0% 26.8%
25.2% 22.3%
4.2%
3.2%
1.9% 1.6% 0.9% 0.0%
2.0% 1.8% 1.0%
1969
1979
3.2% 2.9% 1.6% 1.4%
2.9% 2.8% 1.7% 1.2%
2.7% 2.2% 1.1%
1989
2000
2004
ABBILDUNG 07 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
42
LANDESKUNDE
Erkrankungen oder dem Wunsch nach höherer Bildung unumgänglich. So sehr die Aimagzentren, sowie die stadtähnlichen Sumzentren und Siedlungen des Landes auch als Errungenschaften der modernen mongolischen Zivilisation gelten möchten, die alltägliche Realität ist heutzutage jedoch eher von Trostlosigkeit gekennzeichnet.01 Damit ist Ulaanbaatar bis heute die einzige große Stadt in der Mongolei. Im Zuge des Ausbaus industrieller Strukturen kam es dort zu einem schnellen demographischen Wachstum und spätestens seit der politischen Wende steigt die urbane Bevölkerung in der Mongolei kontinuierlich. Die Tendenz der Urbanisierung hält also an, und so sind auch die Nomaden des 21. Jahrhunderts gut mit den städtischen Lebens- und Wirtschaftsweisen vertraut. Denn neben dem Ger stehende Satellitenschüsseln ermöglichen selbst in den periphersten Regionen des Landes einen Einblick in das Leben in der Stadt. So sind die meisten Nomadenfamilien mit den städtischen Siedlungen eng verbunden, da mittlerweile nahezu jede Tierhalterfamilie Verwandte und Angehörige in den Städten hat. Während auf der einen Seite viele Städter aufgrund von traditioneller Verbundenheit auch zusätzlich Vieh auf dem Land besitzen, zieht es vor allem die Jugend vom Land immer mehr in die Städte. Die Zentralmongolei weist mit 40,5% [ohne Ulaanbaatar] den höchsten Verstädterungsgrad auf. Gefolgt von der Ostmongolei mit 39,% und der Khangai Region mit 34,6%. Die herausragende Stellung Ulaanbaatars wird, unter Berücksichtigung des nationalen Durchschnitts der Verstädterungsrate, die bei fast 60% liegt, sichtbar. 01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
43
BILD 06 Quelle: Ă gnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture
44
LANDESKUNDE
LANDBESITZRECHTE
Das mongolische Recht unterscheidet drei Arten der Landhaltung: Eigentumsrecht, Besitzrecht und Landnutzungsrecht. Die Eigentumsrechte eines Grundstücks und des darauf errichteten Gebäudes sind allerdings getrennt zu betrachten. Firmen oder Personen aus dem Ausland haben kein Recht auf eigenen Grundbesitz. Sie können jedoch eine temporäre Nutzung beantragen. Erwirbt ein ausländischer Investor das Nutzungsrecht für ein Grundstück, so kann er darauf ein Gebäude errichten und dies temporär nutzen. Das Grundstück bleibt aber Staatseigentum. Durch die Einführung des Landnutzungsrechts bestünde theoretisch die Möglichkeit, jedes private Bauvorhaben einem bestehenden Masterplan unterzuordnen. Das Problem Ulaanbaatars ist jedoch, dass es weder Flächenwidmungsverordnungen, Bauordnunggesetze, noch Aufsichtsbehörden gibt, die die Bauvorhaben überprüfen könnten. Daher müssen mit dem Erweb der temporären Bodennutzrechte keinerlei bauliche Vorgaben eingehalten werden. Im Zuge der Landreform 2003 stand jeder registrierten Familie in der Mongolei privater Landbesitz zu. Wobei nicht definiert wurde, welche Personen eine ‚Familie‘ beinhaltet. Mittlerweile hat sogar jeder registrierte Mongole Anspruch auf Eigentum von Land.01 Dabei unterscheidet sich die Größe des Grundstückes nach dem Ort der Niederlassung. Jedem in Ulaanbaatar registrierten Mongolen steht 700 Quadratmeter Landeigentum zu. Dabei gibt es keine genauen Regelungen für die Lage der Grundstücke. Mit 01 GIZ, deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit
45
LANDESKUNDE
einigen wenigen Ausnahmen, auf die an späterer Stelle eingegangen wird, siedeln die Menschen dort an, wo Platz ist und bekommen dieses Grundstück nach der Registrierung als ihr Eigentum zugesprochen. In einem Aimagzentrum sind es 3500 Quadratmeter und in einem Sumzentrum 5000 Quadratmeter, die einem Mongolen an Privatbesitz zustehen. Als Folge der Privatisierung der städtischen Randgebiete wird die Durchführung von Stadtentwicklungsprojekten sehr aufwendig. Der große Anteil an privaten Flächen macht Neustrukturierungen der städtebaulichen Siedlungsmuster zunächst kaum möglich. Der gering vorhandene ‚öffentliche Restraum‘ bietet wenig Spielraum für soziale und infrastrukturelle Einrichtungen. Doch birgt die Privatisierung von Land für die Menschen grundsätzlich Vorteile. Denn die mongolische Regierung handelt mit ähnlichen Argumenten wie der peruanische Ökonom Hernando de Soto: um die Schaffung ökonomischer Mittel für Arme zu schaffen, sollte man illegalen Besetzern offizielle Besitztitel zugestehen. Somit hätten sie eine Grundlage (Hypothek) für kleine Investitionen. Damit ist die Mongolei vielen Entwicklungsländern einen Schritt voraus. Zudem ergeben sich durch das Privateigentum auch Strategieansätze für den weiteren Verlauf dieser Arbeit. Eine große Schwachstelle der Mongolei liegt allerdings noch darin, dass die Grundstückswerte ohne geeignete Instrumente und Verfahren, die eine objektive und transparente Bewertung ermöglichen würden, staatlich festgesetzt sind. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechen somit noch nicht den Herausforderungen eines
46
LANDESKUNDE
gut funktionierenden Grundstücks- und lmmobilienmarktes: Überhöhte staatliche Verkaufspreise für landwirtschaftliche Grundstücke machen beispielsweise den Erwerb der Grundstücke unwirtschaftlich. Dadurch besteht nur geringer Anreiz zur Investition in landwirtschaftliche Nutzflächen und zum nachhaltigen Anbau landwirtschaftlicher Produkte. Zudem ist durch die mangelnde Werschätzung von landwirtschaftlichen Flächen sowie gewerblichen Immobilien und Wohngrundstücken deren Nutzbarkeit als Sicherheit für Hypotheken eingeschränkt. Kapitalausstattungen und Investitionen leiden folglich in landwirtschaftlichen sowie gewerblichen Betrieben. Immobilien werden nicht ausreichend instand gehalten und die Einnahmen der Verwaltung aus Grundsteuern und Pachten sind ungenügend. Doch gibt es von der GIZ02 bereits ein Pilotprojekt in Darkhan, bei dem die Katasterführung von den bisherigen manuellen Prozessen auf die mithilfe einer Entwicklungsmaßnahme entwickelte Datenbanklösung umgestellt wurde und sich bisher als erfolgreich darstellt. 02 GIZ, deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (Ruth Erlbeck)
47
48
BILD 07 Quelle: http://static.panoramio.com
49
LANDESKUNDE
ULAANBAATAR
Über ein Drittel der mongolischen Bevölkerung lebt in der monozentrischen Hauptstadt. STADTENTWICKLUNG
Bis zu der Verortung des heutigen Ulaanbaatars im Jahr 1778 wurde die Stadt etwa zwanzig Mal an den Ufern der Flüsse Orkhon, Selenge und Tuul entlang verlegt und änderte bis zum Jahr 1921 fünf Mal seinen Namen. Aus diesem Grund wird die Entwicklung Ulaanbaatars von vielen Autoren in fünf Phasen gegliedert. Ulaanbaatar wurde 1639 durch Errichtung eines Klosters namens Örgöö gegründet und hieß zu diesem Zeitpunkt noch Urguu. Das Kloster war der Sitz des buddhistischen Kirchenoberhauptes der Mongolei. Doch von einer Siedlung konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesprochen werden, denn, wie die Übersetzung Urga verrät, bestand Urguu ausschließlich aus dem Nomadenkloster. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurde am Nordufer des Tuul ein Holztempel erbaut, um welchen herum sich Gers ansiedelten. Dies war der Beginn der ersten festen Siedlung in der Mongolei. Mit der Volksrevolution 1921 erfolgte die Machtübernahme der Kommunisten und die Stadt wurde in Ulaanbaatar umbenannt. Das Territorium Ulaanbaatars, was bis dato noch nicht festgelegt war, wurde definiert. Murray, P. und Szelenyi, I. beschrieben den sozialistischen Urbanisierungsprozess in vier Phasen: deurbanization, zerourban growth, underurbanisation und socialist intensive
50
LANDESKUNDE
urbanisation. Auch wenn dieses Phasenmodell keineswegs allen sozialistischen Ländern entspricht, so trifft dieser besondere Verlauf ab Phase zwei auf die Entwicklung der Mongolei zu und führte zu entsprechenden sozialen Effekten und sozioökonomischen Strukturen, die auch noch bis heute in Ulaanbaatar ersichtlich sind. In den 1930er Jahren erlebte Ulaanbaatar durch den Anschluss an das Schienennetz der Transsibirischen Eisenbahn einen demographischen und auch wirtschaftlichen Aufschwung. Verschiedene staatliche Fabriken zur Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten, insbesondere denen der mobilen Tierhaltung, wurden neu gegründet und nahmen den Betrieb auf. Es entstand ein großer Druck auf dem Wohnungsmarkt und die Menschen begannen zwischen Land und Stadt zu pendeln. Allerdings waren die Pendler in der Mongolei, im Gegensatz zu den westlichen Pendlern, arm und konnten sich das Leben in der Stadt nicht leisten. Neben dem standardisierten, staatlich geplanten Wohnungsbau, der meist in Form von Plattenbauten umgesetzt wurde, gehörten auch neoklassistische respäsentative Prunkbauten staatlicher Einrichtungen zu der sozialistischen Stadtplanung, sowie breite Straßen, große Plätze und eine ausgeprägte Denkmalkultur. So bildet der zentrale Sukhbaatar-Platz, der nach einem Revolutionshelden benannt wurde, den Mittelpunkt der Stadt. An der Stelle des Platzes stand ehemals das lamaistische Hauptkloster. Privatbesitz von Land oder Wohnungseigentum, und somit der Bodenwertgradient, wurden ideologisch bestimmt. Die Volksrevolution führte letztendlich zur Genese einer komplett neuen Stadt.
51
52
LANDESKUNDE
STADTENTWICKLUNGSPLÄNE
Ausschnitt: BebauungsFlächennutzungsplan1968 1 Suchbaatar-Platz 2 Tscoibalsan- Universität 3 Nationaltheater 4 Hotel Ulan-Bator 5 Hauptbahnhof 6 Post 7 Nationalmuseum 8 Kloster 9 Brücke des Friedens 10 Hotel Bejangol 11 Pionierpalast 12 Zirkus 13 Zentrales Warenhaus 14 ehem. Kaiserpalast 15 Kulturhaus der Gewerkschaften 16 Ausstellungshalle
Im Jahre 1950 wurde nach sozialistischem Vorbild der erste von insgesamt vier Stadtentwicklungsplänen aufgestellt. In diesem Entwicklungsplan wurde der Ausbau der Infrastruktur, wie Heizungs- und Wasserversorgungssysteme, beschrieben. Auch die Erweiterung der Stromversorgung und des Telefonnetzes sollten aufgearbeitet werden. 1961 erschien der zweite Stadtentwicklungsplan, indem der sozialistische Wohnungsbau erstellt wurde. Gefolgt von dem Ausbau der Wohnungskapazitäten, die in dem dritten Plan 1975 beschrieben wurden. Der Stadtentwicklungsplan von 1986 war das letzte Vorhaben, das von der sozialistischen Stadtplanung aufgestellt wurde und enthielt planerische Visionen für Ulaanbaatar bis 2010. Diese Visionen forderten die völlige Abschaffung der GerSettlements und die Umsiedlung der Bewohner in neu errichtete Plattenbauten. Denn auch im mongolischen, sozialistischen Städtebau galt das grundsätzliche Gleichheitsprinzip. Doch wurde dies durch den siedlungstypologischen Dualismus von Ger-Settlements und Apartmentbauten und den damit verbundenen unterschiedlichen Lebensbedingungen der Menschen verhindert. Die Bautätigkeit geriet in den 60er Jahren wegen der Abkühlung der Beziehungen zwischen China und der Sowjetunion ins Stocken. Chinesische Baufachkräfte zogen ab und Bauruinen wurden erst zehn Jahre später fertig gestellt. In den Jahren nach der Wende von1989 wiederholte sich dies durch das Ausbleiben russischer Lieferungen des Baumaterials und Betongerippe blieben verwahrlost stehen. Erst Mitte der 1990er Jahre bzw. 2003, einhergehend mit der Landreform, begann mit der Privatisierung von
ABBILDUNG 08 Quelle: Barthel 1988
53
LANDESKUNDE
ehemals staatlichen Wohnungen und Land eine Auflösung der Besitzverhältnisse. Dies löste in den letzten Jahren einen neuen Bauboom aus. Jedoch haben sich die Preise für Boden und Wohnungen vervielfacht und sind heute oftmals unerschwinglich für die Bevölkerung.
AKTUELLE SITUATION Die sozialistische Stadt wandelte sich zur postsozialistischen Stadt. Doch während die meisten europäischen Städte Osteuropas das Erscheinungsbild der sozialistischen Stadt fast vollkommen verloren haben, dominieren neben den GerSettlements nach wie vor die unsanierten Plattenbauten in Ulaanbaatar das Stadtbild. So gibt es beispielsweise in der sozialistischen Kernstadt bis heute auch noch keine entsprechenden Zonen eines differenzierten Waren- und Dienstleistungsangebots. „Hier reihen sich Computergeschäfte an Lebensmittelläden, drängen sich Internetcafés neben Schneidereien [und das] Restaurant mit gehobenem Preisniveau [ist] von informellen Wirtschaftsaktivitäten vielfältiger Art umgeben“01 Ein Zentrum, wie in den europäischen Städten, in welchem hochwertige Waren und Dienstleistungen angeboten werden, existiert in Ulaanbaatar nicht. Lediglich um den SkhubaatarPlatz gibt es eine erhöhte Konzentration von städtischen und administrativen Einrichtungen. Doch eine Tendenz zu einer vermehrt kapitalistischen Konsumgesellschaft wird mehr und mehr ersichtlich: Straßen weisen eine große Dichte an Werbung aller Art auf und das Warenangebot ist
01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung S. 116
54
LANDESKUNDE
zunehmend international differenziert. Informelle Anbauten an Häuserfronten im innerstädtischen Bereich, die oftmals Gewerbe oder Dienstleistungen beinhalten, zeichnen die Stadt. Damit löst sich der uniforme Baustil zunehmend auf und lässt die Stadt farbiger und gleichzeitig diffuser wirken. Mit den unzähligen informellen wirtschaftlichen Aktivitäten, die das Stadtbild prägen und besonders der informellen Besiedlung außerhalb des Stadtkerns treten immer mehr die Merkmale der so genannten Dritten Welt auf. Doch während der ‚Jurtenkranz‘ um den sozialistischen Stadtkern immer größer wird, mischen sich auch punktuell entstehende Wohn- und Arbeitsräume inselhaft als Ausdruck des neuen Wohlstandes in das Stadtgebiet. Dominante Faktoren jüngster Stadtentwicklungsprozesse sind massive Immigration und Privatisierung von Land. Der Zuwanderungsdruck auf Ulaanbaatar wächst immer mehr und die Bereitstellung von Arbeitsplätzen wird immer schwieriger. Eine künftige Hyperurbanisierung ist wahrscheinlich. Bereits seit 1993 ist die Einwohnerzahl der Hauptstadt um 60% gestiegen. Dadurch hat die Stadt zunehmend mit ökologischen, infrastrukturellen und sozioökonomischen Problemen zu kämpfen. Der Ausbau der Infrastruktur kann dem migrationsbedingten Druck nicht standhalten, was eine Unterversorgung mit Wasser und Elektrizität zur Folge hat. Auch stellt der Mangel an Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen zunehmend ein Problem dar. Zudem kann der Ausbau von Straßen und Wegen nicht Schritt halten. Das ständige Bevölkerungswachstum führt zur Verstärkung dieser Belastungen und bringt auch noch ökologische Probleme wie Luft- und Wasserverschmutzung und dem Anwachsen der Müllberge mit sich.
55
Ulaanbaatar
ABBILDUNG 09 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
56
Ulaanbaatar
SCHEMATISCHE DARSTELLUNG ULAANBAATARS Ger- Settlements niedriger Verdichtung Ger-Settlements hoher Verdichtung sozialistischer Stadtkern punktuelle sozialistische Apartmentbauten Industriegebiet Hauptverkehrsachse
Im wesentlichen besteht Ulaanbaatar aus einem sozialistischen Stadtkern. Diesem kommen neben der Wohnund Gewerbefunktion auch Aufgaben der Administration, sowie der Versorgung der Bevölkerung mit öffentlicher Infrastruktur, wie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen zu. Das sozialistische Zentrum ist strukturell am höchsten verdichtet, und weist durch seine mehrgeschossige Bebauung die höchsten demographischen Dichten auf. In relativer Nähe zum Stadtkern liegt ein Industriegebiet, welches bis zur politischen Wende kurze Arbeitswege für die Werktätigen gewährleisten sollte. Unmittelbar an den sozialistischen Kern schließen sich konzentrisch die Jurtenviertel an. Hierbei geht ein baulich und demographisch hoch verdichteter Bereich in einen weniger verdichteten, peripheren Bereich über. An letzteren schließt der suburbane Raum an, in welchem an der unmittelbaren Grenze des sozialistischen Stadtkerns, verstärkt (vor allem entlang der Hauptverkehrsachse) die Wanderung stattfindet. Vereinzelt befinden sich jedoch auch innerhalb des Bereichs der Ger-Settlements Plattenbauten mit Apartments, die größtenteils ebenfalls aus Zeiten des sozialistischen Städtebaus stammen. Ein neues postsozialistisches Phänomen stellen die Wohlstandsviertel der urbanen Oberschicht, die von Einfamilienhäusern bis zu Gated Commiunities reichen, dar.01
01 Fassmann, H. | Matznetter, W.
57
BILD 08 Quelle: Ă gnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture
58
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
BEWEGGRUND
ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
Prozesse räumlicher Mobilität haben insbesondere im Zeitalter der Globalisierung enorm zugenommen und zu neuen Formen der Migration geführt. Insbesondere in der Mongolei spielen Migrationsprozesse, beziehungsweise Mobilität, eine wichtige Rolle. Seit jeher handelte es sich bei den Mongolen um eine hoch entwickelte Nomadengesellschaft, deren Existenz bis heute von der räumlichen Mobilität abhängig ist. Ab 1921 setze zusätzlich eine massive Migrationsbewegung im Sinne der dauerhaften Verlagerung des Wohnsitzes ein. Somit haben nicht nur die traditionelle Sonderform räumlicher Mobilität (Nomadismus), sondern auch moderne Formen der Migration erheblichen Einfluss auf die strukturelle Gestaltung sämtlicher Raumkategorien in der Mongolei. Bis zur politischen Wende 1990 war Migration jedoch meist staatlich gelenkt bzw. überwacht und erfolgte hauptsächlich zu Zwecken der Ausbildung. Zudem wurde sie beispielsweise dem hauptstädtischen Bedarf an Industrie- oder Bauarbeiten angepasst. Diese Verhältnisse änderten sich jedoch mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems tiefgreifend. Zunächst war sogar eine Abwanderung von der Hauptstadt zurück auf das Land zu beobachten. Der neu gewonnene Optimismus der Freiheit und Selbstbestimmung bewegte einige städtische Bewohner dazu aufs Land zu ziehen und
59
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
das traditionell nomadische Leben wieder aufzunehmen. Diese Richtung der Wanderung hielt jedoch nur sehr kurz an. Doch was sind die Gründe, die die Mongolen heute dazu bewegen in immer größerer Anzahl nach Ulaanbaatar zu migrieren? Wanderungsprozesse erfolgen entweder direkt vom Herkunfts- zum Zielort, oder in Etappen. Durch den Aufbau und die Entwicklung von Migrationsnetzwerken, aber auch der Möglichkeit von nationalen und internationalen Transportsystemen, hat in der Mongolei die Direktwanderung die Etappenwanderung mittlerweile abgelöst. Solche Migrationsnetzwerke entstehen meist durch die Zusammenführung sozialer Gruppen, bei denen frühere Migranten, so genannte Pioniermigranten, Familienangehörige oder Bekannte nachholen. Eine Erklärung zur Land-Stadt Wanderung ist also die Familienzusammenführung. Aber auch die Verbreitung von Informationen über städtische Lebensformen im ländlichen Raum mittels moderner Massenmedien bewegen die Menschen zur Migration nach Ulaanbaatar. Eine ungenügende Entwicklung der ruralen Regionen stehen den Möglichkeiten und Perspektiven, welche die Hauptstadt bietet, gegenüber. Die Hoffnung auf eine Ausbildung für sich selbst oder die Kinder und ein besseres Einkommen sind die häufigsten Beweggründe. Doch auch gesundheitliche Defizite bedingen eine Migration in die Hauptstadt, denn auch wenn in den Aimagzentren jeweils Krankenstationen
60
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
ABBILDUNG 10 MIGRATIONRICHTUNG MONGOLEI Entwurf d. Verfasserin
und Schulen vorhanden sind, ist bei schwerwiegenden Erkrankungen, oder aber auch dem Wunsch nach höherer Bildung, eine Migration nach Ulaanbaatar unumgänglich. Ein weiterer Umstand, der die Menschen dazu zwingt, die mobile Tierhaltung aufzugeben und in die Stadt zu wandern, ist ein massenhaftes Viehsterben und dem damit verbundenen Existenzverlust als Folge von Dürrewellen im Sommer [Gan] und im Winter [Dzud]. 1998 kam es in der Mongolei zu einer ausgeprägten Dürre, die die stärkste Migration nach Ulaanbaatar hervorrief. Dort suchen die Menschen nach alternativen Einkommensquellen, die es bis heute in den ländlichen Bereichen der Mongolei nicht gibt.
61
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
URSACHEN - FOLGE
VON IMMIGRATION UND STÄDTISCHEN
PROBLEMEN
ERWARTETE ANREIZE
IN DER STADT ALS ANZIEHFAKTOREN: Mehr Arbeitsmöglichkeiten Besserer Zugang zu Bildung
abwechslungsreiches RURALE PROBLEME ALS
städtisches Leben
ANTRIEBSFAKTOREN:
Viehverlust durch
ULAANBAATAR
Naturkatastrophen
Mangel an alternativen
STÄDTISCHE ARMUT
Einkommensmöglichkeiten
Mangel an Bildungs-,
Gesundheits- und kulturellen Einrichtungen
Mangelnde Unterstützung für kleine und mittelgroße
MIGRATION
SCHNELLES WACHSEN
MANGEL AN
DER GER-DISTRICTS
AUSBILDUNGSPLÄTZEN ARBEITSLOSIGKEIT
Unternehmen
ERWARTETE ANREIZE
IN DER STADT ALS ANZIEHFAKTOREN:
Besserer Zugang zu
Gesundsheitseinrichtungen
HOHE KONZENTRATION
DER STÄDTISCHEN
PROBLEME
höhere Einkommensmöglichkeiten
kulturelle Attraktionen
ABBILDUNG 11 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
62
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
Wie im Kapitel ‚Landbesitzrechte‘ bereits beschrieben, erfolgte 2003 die Landreform, welche gleichbedeutend mit der Privatisierung von ehemals staatlichem Land ist, und den Privatbesitz von Grund und Boden ermöglicht. Jeder Mongole darf am Ort seines dauerhaften Wohnsitzes sein gesetzlich verankertes Recht auf kostenloses Privatland geltend machen. Ein zusätzlicher Anreiz in die Hauptstadt zu migrieren besteht darin, dass seit 2003 die bis dato obligatorisch zu errichtende Gebühr für die offizielle Registrierung in der Stadt wegfällt. Die Einwohnerzahl Ulaanbaatars erhöhte sich seitdem in erster Linie auch dadurch, dass illegale Bewohner sich nachträglich anmeldeten, um so Anspruch auf Privatbesitz erheben zu können. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass Migrationsströme meist dem Gefälle von Arm nach Reich erfolgen, womit auf den wichtigsten Grund für eine Migration hingewiesen wird: Die Aussicht auf oder die tatsächliche Verbesserung der LebensBedingungen. „Für viele, speziell in Entwicklungsländern, ist Migration nach wie vor einer Existenzsicherung gleichbedeutend und stellt somit eine Überlebensstrategie dar.“ 01 01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung S. 38
63
BILD 09 Quelle: http://static.panoramio.com
64
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
ERWARTUNG UND REALITÄT: EIN FALLBEISPIEL Auszug aus einer Umfrage einer ‚Sample Population‘
Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
Die Gründe der Migration Die Immigration erfolgte in erster Linie aus Gründen der Ausbildung der drei Kinder des Paares, jedoch auch aus sozioökonomischen Überlegungen heraus. Zwar verfügte die Mutter im Herkunftssum über eine Anstellung als Verkäuferin [...], ihr Mann konnte jedoch über Jahre hinweg keine Arbeit finden. Die Erwartungen vor der Immigration Den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, das Familieneinkommen durch die gleichzeitige Beschäftigung von Vater und Mutter steigern und damit die Lebensbedingungen verbessern. Die Realität In Ulaanbaatar angekommen, ließen sie sich, bedingt durch den Mangel an ökonomischen und räumlichen Alternativen, in einem Ger in Hanglage in einem schwer zugänglichen Bereich im CTD [Duureg] nieder. Durch die exponierte Lage herrscht im Winter extreme Kälte. Der Bau einer Umzäunung der Siedlungsfläche konnte trotz deren Privatisierung aus Kostengründen bis dato nicht erfolgen. Dadurch müssen das offen stehende Ger und die Habseligkeiten der Familie jederzeit bewacht werden. Das Ausmaß an Kriminalität, vor allem Diebstahl, ist nach Angabe der Familie in dieser recht abgelegenden Region sehr hoch. Selbst wenn es für die Mutter der Familie Arbeit gäbe, könnte sie diese deshalb nicht annehmen. Der Familienvater hat eine mäßig bezahlte Anstellung als Fahrer gefunden. Zwei Kinder gehen zur Schule. Ob ein späteres Studium finanzierbar ist, scheint sehr fraglich. Ein Kind befindet sich in einer Art Ausbildung. Die Heizund Wasserkosten sind sehr hoch. Der tägliche Gang zur Wasserstation nimmt insgesamt etwa eine Stunde in Anspruch. Das Fazit und die Zukunft Die Familienmitglieder geben an, dass ihre Erwartungen | Träume bei Weitem nicht erfüllt wurden. Vor erfolgter Migration seien sie ‚glücklicher‘ gewesen. Eine Rückkehr nach Uvurkhangai ist aufgrund er Ausbildung der Kinder und des Mangels an Einkommensmöglichkeiten ausgeschlossen. Ihren Verwandten würde die Familie eine Immigration nach UB nicht empfehlen. Das kann sie auch nicht, denn alle Angehörigen leben bereits in der Hauptstadt.
65
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
86.0%
12.8%
2.1% 3.0%
3.4%
4.3%
66
SEHEN DIE MÖGLICHKEITEN | ATTRAKTIVITÄT ALS AUSSCHLAGGEBENDEN
MIGRATIONSGRUND MIGIREREN AUFGRUND VON PROBLEMEN IM HERKUNFTSAIMAG
Militärdienst
Marktmöglichkeiten | Zugang zum Markt
Mangel von Arbeitsmöglichkeiten auf dem Land Verlust von Vieh (z.B. durch Gan | Dzud)
ULAANBAATAR
BEWEGRUND ZUR MIGRATIONSENTSCHEIDUNG
12.8%
Generelle Verbesserung der Lebensbedingungen
13.7%
Zusammenleben mit Verwandten | Heirat
Zugang zu 5.1% Gesundheitsversorgung 16,7% 9.0%
Arbeitsmöglichkeiten in der Stadt
Leben in der Stadt
12.4%
Unterstützung der Ausbildung der Kinder
17.5%
Zugang zu Bildung.Für sie selbst
ABBILDUNG 12 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
67
Ger Viertel
Apartment Viertel
68
ABBILDUNG 13 SCHEMATISCHE DARSTELLUNG UB 2003 Quelle: Gardemann, E.
69
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
GER-DISTRICTS Knapp 600.000 Menschen (2006) leben in den Ger-Districts. Dabei nehmen sie 80% der Fläche Ulaanbaatars ein.01 ALLGEMEIN Innerhalb der Ger-Districts Ulaanbaatars verteilt sich über eine halbe Millionen Menschen auf eine Fläche von mindestens 3500 Qkm, die in Form eines Halbmondes nördlich an den sozialistischen Stadtkern anschließt. Der soziale, ökonomische und infrastrukturelle Aufbau der Ger-Districts unterscheidet sich grundlegend von der Formation des sozialistisch geplanten und erbauten hauptstädtischen Zentrums. Ger-Settlements sind als Siedlungselemente keine neue Erscheinung im Kontext von Urbanisierung und Verstädterung in der Mongolei und damit auch keine Viertel, die als Spiegelung einer neuen postsozialistischen Armut entstanden sind. Vielmehr sind sie der Ausdruck einer sesshaft gewordenen Nomadengesellschaft, welche ihre gewohnte Behausung beibehalten hat. Für das Leben in der Steppe ist das Ger auch heute noch die optimale Heimstätte, die den Gegebenheiten des nomadischen Lebens unter anderem durch die Leichtigkeit,
01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
70
BILD 10 Quelle: http://static.panoramio.com
71
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
mit der sie auf- und abgebaut werden kann, optimal entspricht. Das bedeutet, dass das Ger seine Funktion als Heimstätte für das nomadische Leben auch in Zukunft beibehalten wird. Anders ist es in der Stadt. Was in der Steppe verbesserungslos funktioniert hat, wendet sich in der Stadt zum Gegenteil. Sanitäre Einrichtungen weist ein Ger nicht auf und wenn nicht die Weite der Steppe vor der Ger-Tür liegt, sondern wenige Meter entfernt bereits das nächste Ger, wird das Besorgen von Wasser, Waschen, Kochen, Abfallbeseitigung, Toilette usw. zum Problem. Meist haben die Menschen in den Ger-Districts ihr Vieh verkauft oder durch Dürreperioden verloren und sind deshalb nur mit der Hoffnung auf neue Einkommensquellen nach Ulaanbaatar gekommen und sesshaft geworden. Unter solchen Umständen wird das Ger schnell zum Synonym für Elend. Anders als der Begriff Ger-Settlemet oder Jurtenviertel vermuten lässt, bestehen die Ger-Districts nicht ausschließlich aus den traditionellen Gers. Die verdichteten, zentrumsnäheren Bereiche weisen mittlerweile feste, teilweise sogar mehrgeschossige Bebauungen auf. Doch sind diese Bauten meist thermisch so schlecht isoliert, dass die Bewohner zusätzlich zu ihrer festen Behausung ihre Gers auf dem Grundstück stehen haben, um es dort in den Wintermonaten als Winterquartier nutzen zu können. Aus all dem folgt das Problem einer Verstädterung, die das Gleichgewicht des Landes zerstört.
72
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
STÄDTEBAULICHE GLIEDERUNG Die Entstehung von Ger-Districts wurde kaum staatlich gelenkt. Zwar gibt es gewisse Vorgaben, doch entscheidet sich das letztendliche Stadtbild dieser Viertel nach dem Verhandlungsgeschick der jeweiligen Bewohner. Das Ansiedeln der Menschen folgt aber dennoch einem immer wiederkehrenden Prozessablauf. Zunächst hat jeder Haushalt ein Grundstück, Khashaa genannt, das den Bewohnern seit Mai 2003 als Folge der Landreform als einmaliger Privatbesitz zusteht, bzw. weitere Grundstücke dazugekauft werden können. Die Khashaas bilden die Grundmodule der städtebaulichen Gesamtstruktur. Normalerweise werden die einzelnen Grundstücke durch einen bis zu zwei Meter hohen Holzzaun umgrenzt. Das Ausmaß einer solchen Khashaa beträgt derzeit in Ulaanbaatar zwischen 150 und 700 Quadratmeter. Auf dem Land haben die Menschen in ihrem Ger und in der umgebenen Landschaft ihre Ruhe und Privatsphäre soweit das Auge reicht. Doch in der Stadt sind sie nun den Blicken der Nachbarn ausgesetzt und sehen anstatt in die Weite der Steppe auf weitere Ger-District Bewohner und deren Khashaas bzw. Behausungen. Der Zaun dient also unter anderem als schützendes Element vor dem Ungewohnten. Zu Beginn des Verstädterungsprozesses hatte der Zaun zunächst auch eine stadthygienische Funktion: da die Siedlungen verschmutzt waren, verhinderte der Zaun das Einwehen von Abfall und Müll auf das eigene Grundstück. Heute dient die Umzäunung auch dazu privates Territorium zu kennzeichnen und einen gewissen Schutz vor Diebstählen zu bieten. Der höchste Verdichtungsgrad innerhalb der Ger-Districts befindet sich unmittelbar an dem sozialistischen Stadtkern.
73
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
Neben diesen Bereichen siedeln die Menschen ihre Khashaas in möglichst großer Nähe zu den wenigen asphaltierten Hauptstraßen oder an infrastrukturellen Knotenpunkten wie einer Wasserversorgungsstellen, Bushaltestellen oder Lebensmittelgeschäften an. Aufgrund von Erdrutschen in Hanglagen wird ebenes Terrain bevorzugt. Hat ein erster Haushalt seine Khashaa gebaut, gibt er das Signal für eine schnelle zeilenförmige Erweiterung an. Die Öffnung der Khashaas - soweit möglich - erfolgt traditionell nach Süden, womit die konstante Ost-West Ausrichtung der Viertel zu erklären ist. Mit Ausnahmen der peripheren Gebiete können die Viertel als ‚multilinear‘ mit einfacher oder doppelter Khashaasbebauung beschrieben werden. Bei der einfachen Bebauung der Siedlungsreihe verfügt jede Khashaa über zwei Ausgänge zu den jeweils angrenzenden Straßen und teilt lediglich zwei Grundstücksgrenzen mit Nachbarkhashaas. Ist die erste Zeile erschöpft entsteht mit etwas Abstand eine nächste. Da es keine Regulationen, Gesetze oder Kontrollorgane gibt, kommt diesen Abständen wichtige Bedeutung zu: bei zuviel gehaltenem Platz besteht die Gefahr, dass dort ein neuer Nachbar kommen könnte. Dies hat zur Folge, dass die Wege meist sehr schmal gehalten sind und Rettungsfahrzeuge oder öffentliche Verkehrsmittel diese nicht mehr passieren können. Die doppelte Bebauung ergibt sich häufig durch die Querteilung eines Grundstücks, oder, wie bereits erwähnt durch direktes Andocken eines Nachbarn. Straßen und Wege finden dann nur noch alle zwei Khashaasreihen Platz. Die Siedlungsreihen stehen meist im rechteckigen Winkel zu Hauptverkehrsachsen. Hervorgerufen wird diese Grundstruktur durch die meist rechteckige Grundfläche der
74
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
EINFACHE KHASHAASBEBAUUNG
HAUPTVERKEHRSACHSE [asphaltiert]
einzelnen Khashaas. Im Randbereich kommt es vor allem in den Hanglagen bzw. Bergketten zur Auflösung dieses Grundmusters und zur räumlichen Diffusion der Siedlungsreihen. Die Bebauung der einzelnen Khashaas ist hinsichtlich ihrer Dichte, aber auch bezüglich der dabei verwendeten Materialien sehr verschieden. Sowohl der soziökonomische Hintergrund der Bewohner, als auch die Lage und die Verweildauer am jeweiligen Ort spielen dabei eine große Rolle. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass sich die Bebauungsdichte in Richtung sozialistischem Stadtkern immer mehr verdichtet. Meist beginnt jeder Haushalt, sobald etwas Geld vorhanden ist, eine Holz- oder Ziegelhütte zu errichten. Jedoch erfolgt dieser Bau nicht durch geschulte Handwerker - meist sind es die Bewohner selbst, die ihr Haus bauen, oder Bekannte und Freunde, die bereits schon mal ein Haus errichtet haben, werden mit dem Bau beauftragt.
ERDSTRASSE
DOPPELTE KHASHAASBEBAUUNG
ABBILDUNG 14 SCHEMATISCHE DARSTELLUNG EINFACHER UND DOPPELTER KHASHAASBEBAUUNG AN EINER HAUPTVERKEHRSACHSE Entwurf d. Verfasserin
75
76
BILD 11 Quelle: http://static.panoramio.com
77
78
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
KHASHAAS: TYPEN Viele Familien bringen aus ihren Herkunftsaimags ihre Gers mit. Dementsprechend sind diese Bereiche auch vorerst überwiegend von einer Ger-Bebauung dominiert. Zu einem späteren Zeitpunkt, meist dann, wenn das Grundstück registriert und genügend Geld zusammen ist, ergänzen oder ersetzen errichtete Holz- und Steinhäuser die Khashaas. Zur Lagerung von Hausrat, Werkzeug und dergleichen werden kleine Verschläge aus Holz, Lehm oder Metall genutzt. Als Toilette dient eine Grube im Außenbereich der Khashaa, die meist mit einem Sichtschutz aus Holz versehen ist. Da in den Ger-Districts grundsätzlich keine Kanalisation existiert, werden auf den Grundstücken jeweils separate Gruben zur Verrichtung der Notdurft und der Entsorgung von Abwässern ausgehoben. Dies stellt nicht nur unter stadthygienischen Gesichtspunkten auf Dauer ein Problem dar. Während der Sommermonate versickern die Fäkalien und Abwässer im Grundwasser. Dies ist durch das dauerhafte tiefgründige Gefrieren des Bodens während der langen Wintermonate nicht möglich. Dann bleiben in der Regel zwei Möglichkeiten: das Auspumpen der Gruben gegen Bezahlung oder das Ausschachten einer neuen Grube und die Verlagerung der Außentoilette und damit des Problems. Letztere Variante wird aus Kostengründen meist angewandt. Insbesondere in den Sommermonaten sind in den zentralen Teilen der Ger-Districts die Folgen der massenhaften, ungeklärten Ableitung der Fäkalien und Abwässer von tausenden Haushalten durch den Geruch wahrzunehmen. Zwischen Lage, Alter, Rechtsstatus und Ausstattung der Grundstücke lassen sich verschiedene Khashaatypen generieren.
BILD 12 Quelle: http://static.panoramio.com
79
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
TYP 01 Peripherer Typ: Ist oft durch informelle Siedlungsnahme in jüngster Zeit entstanden und vorwiegend im peripheren Raum zu finden. Häufig ist er in physisch geographischen Risikoräumen wie Hanglagen oder ausgetrockneten Flussbetten platziert. Der typische Khashaacharakter ist durch eine nur partielle oder auch noch gar keine Umzäunung noch nicht richtig zu erkennen. Die Behausung besteht nur aus einem Ger und keiner festen Bebauung. Infrastrukturell ist dieser Khashaatyp am schlechtesten angeschlossen. Selten gibt es Elektrizität, die Wege zu Wasserstationen sind sehr weit. Es gibt kaum befestigte Wege, was zur Folge hat, dass diese Khashaas auch nicht mit einem Kraftfahrzeug zu erreichen sind. TYP 02 semiperipherer Typ: Ist älter als der periphere Typ und im semiperipheren Bereich der Stadt um die hoch verdichteten ältesten Ger-Districts gelegen. Auch dieser Typ weist große infrastrukturelle Defizite auf, jedoch gibt es teilweise Elektrizität und die Distanzen zu den Wasserstationen sind kürzer. Auch sind diese Bereiche Ulaanbaatars zum Teil durch Wege und öffentliche Verkehrsmittel erschlossen. Diese Khashaas sind vollständig umzäunt und beinhalten mehrere Gers oder ein Holzhaus (als eingeschossige Bebauung). Sie sind ‚semilegal‘ und haben die Tendenz zu weiterer Verdichtung.
GER
UMZÄUNUNG
TYP 01
PERIPHERER TYP
HOLZ HAUS
GER
GER UMZÄUNUNG
TYP 02 SEMIPERIPHERER TYP
HOLZ HAUS
TYP 03 Zentraler Typ: Diesen Typen findet man in den ältesten und zentralsten Ger-Districts. Die Khashaas befinden sich ausschließlich in ebenen Lagen der Stadt und sind hochgradig verdichtet. Häufig sind die komplett umzäunten Grundstücke mehrfach unterteilt. Es gibt mehrere feste Bebauungen von Holz- oder auch Steinhäusern, die zum
HOLZ HAUS GER
STEIN
HAUS
TYP 03
GER UMZÄUNUNG
ZENTRALER TYP
ABBILDUNG 15 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
80
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
Teil mehrgeschossig sein können. Bis auf einige Ausnahmen ist Elektrizität vorhanden und Distanzen zu der nächsten Wasserstation sind aufgrund der hohen Dichte kurz.
Die Ger-Districts verfügen in den Bereichen der semiperipheren Khashaatypen und der zentralen Khashaatypen über nur noch sehr geringfügig, oder keinerlei vorhandene Freiflächen. ‚Öffentliche Restflächen‘ entstehen oftmals nur an den Wasserversorgungsstellen (Wasserkiosk), um die Wendefläche des zuliefernden LKWs zu erhalten. Auch in Auswaschungen von Hanglagen und unterhalb von Stromspannungsleitungen ist das Ansiedeln verboten. Sowohl die baulich- strukturelle als auch die demographische Entwicklung dieser Stadträume ist stark durch Verdichtungsprozessen gekennzeichnet. So gibt es in diesen Bereichen auch nicht das Problem der illegalen Landnahme, denn selbst wenn die nicht registrierte Einwanderung immer noch stark verbreitet ist, ziehen die Land-Stadt Wanderer auf die Khashaas von Freunden oder Familienangehörigen. Darüber hinaus werden Teile der Khashaa oftmals untervermietet und dienen so gleichzeitig als Einnahmequelle. In den Bereichen, in denen die Fläche weitestgehend ausgeschöpft ist, beginnt ein vertikales Wachstum. Entweder durch zwei- oder dreigeschossige feste Bebauungen, oder das Ger wird beispielsweise auf dem Dach des Ziegelhauses wieder aufgebaut.
81
BILD 13 Quelle: google earth
82
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
RAUM- ZEIT- ABHÄNGIGE, STRUKTURELLE ENTWICKLUNG DER GER- SETTLEMENTS ENTWICKLUNGSSTUFE
PERIPHERIE
ALTER
TYP 00
Beginn der Sesshaftigkeit
Privatisierung
Grenze des Siedlungskontinuums
Zone des flächenhaften Wachstums bei imigrationsbedingtem demographischem Wachstum
TYP 01
Verdichtung der zentrumsnahen Khashaas TYP 02
Zone der strukturellen und demographischen Verdichtung
Migrationsanstieg TYP 03 Übergang zum sozialistischen Siedlungskern
ZENTRUM
ABBILDUNG 16 Entwurf d. Verfasserin
83
84
BILD 14 Quelle: http://static.panoramio.com
85
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
ZUSAMMENHANG DER ZUNEHMENDEN SOZIALEN | ÖKONOMISCHEN UND ÖKOLOGISCHE PROBLEME
KEINE REGULATION | GESETZE
KEINE GESUNDHEITS
KEINE
BILDUNGS
EINRICHTUNG
KONTROLLORGANE
EINRICHTUNG
die die Abstände der Khashaas zueinander regeln
KEIN AUSBAU VON BEFESTIGTEN
keine Straßenbeleuchtung erhöhte Kriminalität
STRAßEN
KEIN
LKWS UND BUSSE
KÖNNEN NICHT PASSIEREN
ÖPNV
KEIN ZUGANG ZU BILDUNG
HOHE KOSTEN FÜR WASSER
SCHLECHTE
CHANCEN AUF [GUT BEZAHLTE]
ARBEIT ABBILDUNG 17 Entwurf d. Verfasserin
86
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
ZUNEHMENDE SOZIALE | ÖKONOMISCHE UND ÖKOLOGISCHE PROBLEME DER GER-DISTRICTS Das Wohnen in den hauptstädtischen Ger-Districts bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Bewohner ein illegales, bzw. schlechtes Einkommen haben. Nach wie vor hat knapp die Hälfte der Bewohner einen ganz normalen Beruf, wie beispielsweise Polizist oder Hochschul- und Verwaltungsangestellter. Doch dass die Apartmentbewohner des Stadtkerns einem Broterwerb innerhalb der Ger-Districts nachkommen, ist äußerst selten und geschieht eigentlich nur dann, wenn ein (ehemaliger) Bewohner des Ger-Districts ökonomisch aufgestiegen ist und nun neben seiner Khashaa eine Wohnung in der Kernstadt hat. Insgesamt kann aber, was das Verhältnis von Ger-District Bewohnern zu Apartmentbewohnern angeht, eher von einer einseitigen räumlichen Abhängigkeit gesprochen werden. Während sich die Ger-District Bewohner in regelmäßigen Abständen, oft sogar täglich, im Raum des sozialistischen Stadtkerns aufhalten, meiden die meisten Bewohner der Apartmentviertel die Ger-Districts fast vollständig. Die hauptstädtischen Ger-Districts sind zunehmend durch eine Vielzahl sozialer, ökonomischer und auch ökologischer Probleme gekennzeichnet. Sie verlieren immer mehr ihren Status als „normales“ Siedlungselement der mongolischen Stadt, denn in ihnen konzentrieren sich infrastrukturelle Defizite, neue städtische Armut und Arbeitslosigkeit. Auch die sozialistische Zeit verschaffte den Ger-Vierteln ein negatives Image. Während die Ger-Districts immer mehr zum Sammelbecken städtischer Probleme werden, gewinnt das Leben in einer der Wohnungen im Stadtkern zunehmend an erstrebenswertem Charakter.
87
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
Eines der größten Probleme der Ger-Viertel ist die infrastrukturelle Unterversorgung und die damit verbundene zunehmend voranschreitende infrastrukturelle Marginalisierung.01 Insbesondere die Wasser- und Stromversorgung, das Abwasser, sowie der Ausbau und die Befestigung von Straßen und Wegen und die Installation von Straßenbeleuchtung weisen große Defizite auf oder sind erst gar nicht vorhanden. Davon sind vor allem die peripheren Räume betroffen, also die Räume, in denen die meisten ‚Neuankömmlinge‘ ihren Platz der neuen Sesshaftigkeit finden. Verantwortlich für diese Situation waren bereits die stadtplanerischen Maßnahmen der sozialistischen Zeit, die sich ausschließlich auf den Ausbau des Stadtkerns konzentrierten. Die Viertel, die durch die neue Sesshaftigkeit der Nomaden entstanden waren, wurden als eher störend empfunden und erhielten somit keinerlei Förderung in ihrer Entwicklung. Durch die umfangreiche Immigration seit 1990 in die Ger-Districts Ulaanbaatars wurde diese Situation enorm verschärft. Eines der größten Probleme für die Bewohner dieser GerDistricts stellt auch die Kosten für Wasser dar. Der Pro-Kopf Wasserverbrauch eines Ger-District Bewohners liegt deutlich unter dem von der WHO empfohlenen Minimalkonsum02. Der Ausbau von Straßen und Wegen gestaltet sich als äußert schwierig und da nicht alle Wasserstationen
01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung 02 GTZ 2008 integrated Urban Development, An energy-efficient and environmentally friendly bath house for Ulaanbaatar‘s gersettlements
88
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
25.6%
DER APARTMENT KHOROOS HAUSHALTE LEBEN UNTERHALB DER ARMUTSGRENZE
nach siedlungstypologischen Kategorien, Prozent, 2001
29.8%
GER- KHOROOS HAUSHALTE
LEBEN UNTERHALB DER
ARMUTSGRENZE
Ger- Khoroos Haushalte Mixed Khoroos Haushalte Apartment Khoroos Haushalte
Unter der Armutsgrenze lebende Haushalte
45.0% 43.4% 39.6%
33.1% 32.7% 31.4%
34.4% 32.6% 30.2%
30.4%
22.8% 22.4%
21.3%
18.3% 16.8% 14.2%
(BGD)
Bayangol Duureg
(BZD)
Bayanzurkh Duureg
(SXD)
Songinokhairkhan Duureg
(SBD)
Sukhbaatar Duureg
(KUD)
Khan-Uul Duureg
(CTD)
Chingeltei Duureg
ABBILDUNG 18 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
89
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
aus Tiefenbrunnen versorgt werden können, müssen Wassertanks von LKWs geliefert werden. Nur haben diese aufgrund der Straßenverhältnisse kaum Möglichkeiten zu den jeweiligen Stationen zu gelangen. Vor allem aber der nachträgliche Ausbau von Straßen ist aufgrund der Siedlungsdichte fast nicht möglich. Aber die schlechten Wege und Straßen bedeuten nicht nur Schwierigkeiten bei der Wasserbeschaffung, sondern auch die Unmöglichkeit des Passierens von öffentlichen Nahverkehrsmitteln. Da es in den Ger-Vierteln so gut wie keine öffentlichen Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen gibt, ist es für einige Bewohner kaum, oder gar nicht, möglich, ihre Kinder in Bildungseinrichtungen zu schicken. Obwohl der gesicherte Zugang zu Bildung eines der Hauptgründe für die Land-Stadt Migration darstellt, ist genau dies ein Problem der Ger-Viertel, was durch den starken Migrationszuwachs zunehmend verschärft wird. Der erschwerte oder verhinderte Zugang zu BildungsEinrichtungen ist das beste Beispiel, dass diese infrastrukturellen Defizite indirekt auch zu einer fortschreitenden sozialen Teilung der Stadt führen. Das Bildungsniveau von Apartment Bewohnern und GerDistrict Bewohnern weist deutliche Unterschiede auf - so ist der Anteil derer mit einem Hochschulabschluss unter den Apartment Bewohnern fast drei Mal so hoch wie in den GerDistricts.03 Und dies ist der Beginn eines Teufelskreises: eine schlechte Ausbildung bedeutet geringere Chancen auf eine gut 03 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
90
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
bezahlte Arbeit und keine gute bezahlte Arbeit verhindert den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Damit kann man von einem Versagen der Ger-Districts als erfolgreichen Ankunftsort sprechen.
91
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
5.2l
Wasser verbraucht ein Ger-District Bewohner am Tag
der von der WHO angegebene
Minimalkonsum liegt bei
15l pro Tag
Apartment Bewohner
280l
PRO KOPF
Wasserverbrauch
der tägliche Wasserverbrauch
pro Kopf in Deutschland liegt bei
128l
Der hohe Wasserverbrauch der Apartment Bewohner ist vor allem auf schwerwiegende Beschädigungen und Lecks in den Frischwasserrohrleitungen zurück zu führen.
600.000 Bewohner
140.000 Haushalte
47
Badehäuser
Wenn die Bewohner der Ger-Districts duschen möchten, müssen sie dies in einem der insgesamt 47 Badehäuser tun, oder sie kombinieren es mit einem Besuch bei Verwandten, die in einem Apartment im sozialen Stadtkern leben. Die Badehäuser sind weder mit hygienischen Standards ausgestattet noch sind sie gedämmt.
WISSEN
GEWOHNHEITEN
GEGEBENHEITEN
HYGIENISCHE UMSTÄNDE 92
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
1
X
BADEHAUS mit jeweils 8 Duschen
100 x
ABBILDUNG 19 Grafik: M. Reinhardt Quelle: GTZ 2008
93
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
42.1%
37.6%
30.0% 29.4% 22.4% 16.7%
15.8%
13.9%
12.2% 10.0%
3.9%
3.3% Umweltverschmutzung
94
Ökonomische Arbeitslosigkeit Situation
schlechte WasserStromversorgung
Kriminalität
Zugang zu Gesundheitsversorgung
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
WICHTIGSTE ALLTAGSPROBLEME DER BEWOHNER ULAANBAATARS
[Mehrfachnennungen möglich]
Das Ergebnis ist ein Ausschnitt aus einer Umfrage einer ‚Sample Population‘ zusammengestellt aus Ger-District Bewohnern und Apartmentbewohnern.
Ger-Settlement Bewohner Apartment Bewohner
ABBILDUNG 20 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
26.1%
12.1%
11.3%
9.5% 6.1%
3.9% Gesundheitliche Situation
8.2% 7.8%
8.9% 6.7%
5.6% 2.1% Heizen | Heizen im Winter
Zugang zu Bildung
Zugang zu ÖPNV
Sonstiges
Habe keine Probleme
95
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
DRINGLICHKEIT
Haus- und Wohnungssektor
96
Wasserversorgung
Energieversorgung
Heizung
StraĂ&#x;ennetz
GER-DISTRICTS | JURTENVIERTEL
VERBESSERUNGSBEDARF EINZELNER
SEKTOREN IM JEWEILIGEN GEBIET Das Ergebnis ist ein Ausschnitt aus einer Umfrage einer ‚Sample Population‘ zusammengestellt aus Ger-District Bewohnern und Apartmentbewohnern.
Ger-Settlement Bewohner Apartment Bewohner
ABBILDUNG 21 Grafik: M. Reinhardt Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung
Gesundheitsversorgung
Bildungssektor
EinkommenArbeitsmarktsituation
soziales Netz
sonstiges
97
98
BILD 15 Quelle: http://static.panoramio.com
99
100
BILD 16 Quelle: http://static.panoramio.com
101
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
BESTEHENDE INTERVENTIONEN
Beispiel: 40.000 Housing Program GTZ und Urban Development & Construction Sector Promotion
In die Weiterentwicklung Ulaanbaatars sind mehrere Hilfsorganisationen verschiedener L채nder involviert. Zur Verbesserung des Wohnungsangebotes im gesamten Stadtgebiet werden zwei Strategien als Teile des Housing Area Action Programs von UNDP (United Nations Development Programme) verfolgt. Die eine ist das
102
ABBILDUNG 22 MARSHALL TOWN Quelle: GIZ
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
Bauen neuer Wohneinheiten. Die andere besteht in der Verbesserung bestehender Gebäude. Das 40.000 Housing Program ist ein Beispiel für ein typisches Top-Down Planungsvefahren. Es wurde entwickelt, um auf die Wohnungsknappheit in Ulaanbaatar zu reagieren. 2005 entwickelte man in Zusammenarbeit mit der GTZ und Urban Development & Construction Sector Promotion einen Masterplan für eine von 2006-2009 stattfindende Implementierung für 40.000 neue Haushalte. Die Strategien hierfür sind die Verdichtung bestehender Wohngebiete und die Formulierung neun neuer, dicht bebauter Wohnzentren. Die Abbildung links zeigt Marshall Town, eines der neun Großprojekte. Doch betrachtet man die Qualitäten sowohl des entstehenden Stadtbildes als auch der Architektur, ist das Ergebnis eher ernüchternd. Marshall Town, sowie weitere neue Wohnzentren dieses Projektes sind Gated Communities, welche sich nur die besser verdienenden Bewohner Ulaanbaatars leisten können. Der neu entstandene öffentliche Raum steht ausschließlich den Bewohnern von Marshall Town zur Verfügung. Selbst den neuen Siedlungen zugeordnete Kinderspielplätze bleiben den Nicht-Bewohnern vorenthalten. Die Siedlungen sind reine ‚Schlafstätten‘, die keinen Platz für kleine Geschäfte, wie zum Beispiel Lebensmittelläden vorsehen. Dadurch sind auch diese Viertel infrastrukturell auf den sozialistischen Stadtkern angewiesen, doch die abgelegene Lage aller neuen Siedlungen unterstützt die urbane Verstreuung. Ein weiterer Kritikpunkt dieser Siedlungen sind die bereits erwähnten hohen Mietpreise. Dies hat eine Art ‚Insellösung‘ zur Folge und fördert den Marginalisierungsprozess, der in den Ger-Districts bereits immer mehr zunimmt, enorm.
103
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
Auch das Projekt „Eco-City“, welches im Rahmen des Programms „integrierte Stadtentwicklung“ 2007 realisiert wurde, sollte den Bewohnern Ulaanbaatars aufzeigen, wie man ökologisch bauen kann und gleichzeitig einen kleinen Teil der Khashaasbebauungen durch effizientere feste Wohnhäuser ersetzen. Mittlerweile ist der Bau dieser neuen Siedlung abgeschlossenfindet allerdings, vor allem wegen hohe Kosten, nur wenig Anklang bei den meisten Bewohnern Ulaanbaatars und wurde deshalb auch zu einer Gated Community der besser Verdienenden und größtenteils ausländischen Bewohner Ulaanbaatars. Auch das Projekt der „Ecosantoilette“ wurde von der GIZ entwickelt, um das Problem der fehlenden Kanalisation in den Ger-Districts teilweise beheben zu können. Bei dieser Toilette sollen die Ausscheidungen nicht nur gesammelt, sondern kompostiert und als Düngemittel auch noch weiterverwendet werden können. Doch um einen Kompostierungsprozess ganzjährig aufrecht erhalten zu können, dürfen die Temperaturen nicht unter 5°C fallen. Diese Tatsache schließt eine sinnvolle Nutzung der Toilette in der Mongolei aus. All diese Projekte beziehen sich auf einzelne Gegebenheiten und Probleme der Stadt und versuchen bei akuten Defiziten schnelle Abhilfe zu schaffen, ohne dabei einen längerfristigen Entwicklungsprozess anzustoßen. Auch der direkte Kontakt mit den Betroffenen bleibt zum großen Teil aus. Laut einer Umfrage von Thomas Taraschewski hatten lediglich 14% der erfassten Ger-Viertel Bewohner Kenntnisse von entsprechenden Hilfsprojekten, was sowohl auf eine verbesserungswürdige Informationspolitik, als auch
104
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
auf eine anscheinend wenig partitipative Projektgestaltung hindeutet.01 Vielmehr ist es also die Aufgabe eine Lösung zu finden, die nicht ein einzelnes Symptom behandelt, sondern den Auslöser anstößt und erlaubt, sich selbst weiter zu entwickeln. Nur so können die Regierung und die Bewohner Ulaanbaatars ihre eigene Stadt eines Tages eigenständig planen und gestalten.
01 Taraschewski, T. Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung, Umfrage einer Sample Population
105
BILD 17 Quelle: http://static.panoramio.com
106
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
POTENTIALE DER AKTUELLEN SITUATION UND STRATEGISCHE ENTWICKLUNGSANSÄTZE In den sozialistischen Zeiten der Mongolei war es das Ziel der Stadtplaner, die „primitive“ Siedlungsform der Jurtenviertel vollkommen zu beseitigen, da der sozialistische Mensch in modernen Wohnungen leben sollte. Man ging davon aus, die Jurtensiedlungen seien durch moderne Wohnhäuser zu ersetzen. Das ist jedoch nie geglückt. Es wurden aber auch nicht viele öffentliche Einrichtungen errichtet, um diese Siedlungsform nicht zu verfestigen. Das ist auch heute noch so, denn immer noch versucht die Regierung, die Jurtensiedlungen zu überwinden. Dafür gibt es auch nachvollziehbare Gründe. Natürlich ist die Jurtensiedlung die historische und bewährte Siedlungsform. In den kleineren Städten ist dies auch nicht problematisch. In Ulaanbaatar jedoch, wo 60% der Haushalte in Khashaas leben, entsteht dadurch eine erhebliche Umweltproblematik (Wasserver- und -entsorgung, Heizung, Boden- und Luftverschmutzung, sowohl im Innenbereich als auch draußen). Die nicht befestigten Straßen (Überschwemmung, Erosion nach Starkregen) und die fehlende Straßenbeleuchtung (Kriminalität) bergen zudem große Sicherheitsrisiken. Hinzu kommt der sozioökonomische Bereich. In Jurtensiedlungen leben zwar unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und teilweise auch recht wohlhabende Familien, aber natürlich mehrheitlich Angehörige der unteren Einkommensgruppen. Doch kann bei einer nachhaltigen Stadtentwicklung
107
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
nicht über die Hälfte der Einwohner außer Betracht gelassen werden. Das Ziel der Regierung für die derzeitige Stadtentwicklung lautet Wohnungsneubau. Dafür werden mittlerweile auch die zentrumsnahen Jurtensiedlungen aufgekauft oder die Besitzer enteignet. Sie sollen dann eine Wohnung an anderer Stelle erhalten. In Anbetracht der Ausmaße der Ger-Districts sollte allerdings erkannt werden, dass sich diese nicht in kurzer Zeit ‚entfernen‘ lassen und dass eine Umsiedlung einzelner Menschen nur wieder eine weitere Symptombekämpfung darstellt, aber nicht der Ursache auf den Grund geht. Im Folgenden soll nun eine Strategie entwickelt werden, die einen Prozess beginnen lässt und Entwicklungspotential für eine erfolgreiche Stadtgenese darstellt. Um die Ger-Districts zu Orten zu entwickeln, die den Bewohnern das bieten, was sie sich vor ihrer Migration erhofft haben, müssen sie zunächst auch als das verstanden und ihre Potentiale erkannt werden. Das bedeutet, dass der Fokus dieser Arbeit nicht auf der Beseitigung dieser Viertel, sondern auf ihrer Weiterentwicklung liegen sollte. Ein Potential liegt in der eigenständigen (automatischen) Verdichtung der Stadtstruktur in den Ger-Districts. Wie in Kapitel „Ger-Districts | Jurtenviertel“ bereits beschrieben, findet eine automatisierte Verdichtung statt, je näher sich das Viertel am sozialistischen Stadtkern befindet. Auch um infrastrukturelle Knotenpunkte, wie Wasserkioske oder Lebensmittelgeschäfte, findet eine konstante Verdichtung statt. Khashaas werden in kleinere Einheiten unterteilt und die Jurten werden überwiegend durch
108
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
feststehende Gebäude ergänzt oder vollständig ersetzt. Fast kreisförmig nimmt die Dichte in Richtung Peripherie immer weiter ab. Diese ‚eigenständige‘ Verdichtung ermöglicht mehreren Bewohnern kürzere Wege zu Wasserstationen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Zudem stellt sie für die Bewohner dieser älteren Ger-Districte eine zusätzliche Einnahmequelle dar, indem sie ihre Grundstücke zu einem Teil an neu zugezogene Migranten verkaufen oder untervermieten können. Vorteile bestehen auch für diejenigen, die sich dazu entschließen, ein Ladengeschäft oder eine Werkstatt auf ihrer Khashaa zu errichten, da ein größeres Potential an lokaler Kundschaft besteht. Doch ist der sozialistische Stadtkern der einzige Anziehungspunkt für die Bewohner der Ger-Districts, der eine solche verdichtende Auswirkung wirklich sichtbar auslöst. So werden die Entfernungen zu einer entwickelten Infrastruktur für die meisten Bewohner der Ger-Districts immer schwieriger zu überwinden und die urbane Verstreuung nimmt immer mehr zu. Ein weiteres bestehendes Potential in der gegebenen Situation besteht bei den Landbesitzrechten. Denn neben der Legalität fast aller Bewohner Ulaanbaatars wurde damit auch eine Verhandlungsbasis geschaffen, durch die man mit den Bewohnern über Land und deren Verwendung diskutieren kann. Auch eine positive Eigenschaft ist die soziale Durchmischung, die es in den Jurtenvierteln noch gibt. Dadurch, dass diese Wohnform die eigentlich ursprüngliche Form einer sesshaft gewordenen Nomadengesellschaft ist, leben dort nicht nur Menschen nahe der Armutsgrenze, sondern auch Bewohner mit besserem Einkommen. Das Potential besteht dabei in der Vielfältigkeit an Interessen und Qualitäten, die diese Siedlungen vorzuweisen haben.
109
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
BESTEHENDE POTENTIALE
IN DEN GER-SETTLEMENTS FÜR ENTWICKLUNGSPROZESSE
LANDBESITZRECHT der Ger-Settlement Bewohner Legalität | Verhandlungsbasis für Grundstücke
SOZIALE DURCHMISCHUNG der Ger-Settlement Bewohner Vielfältigkeit von Interessen und Qualitäten
EIGENSTÄNDIGE VERDICHTUNG der Ger-Settlement Bewohner kürzere Wege | Einnahmemöglichkeit | größeres Potential lokaler Kundschaft
110
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
BILD 18 Quelle: google earth
111
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
DAS POTENTIAL DER EIGENSTÄNDIGEN VERDICHTUNG Die Eigenschaft der steigenden Einwohnerdichte in Richtung von infrastrukturellen Angeboten, kann bei der weiteren Stadtentwicklung genutzt und gefördert werden. Implantiert man in die von der Regierung vorher gemiedenen semiperipheren Viertel der Ger-Districts infrastrukturelle Knotenpunkte, so schafft man neue Anziehungspunkte für eine weitere Verdichtung. Diese neuen Orte werden zu kleinen Unterzentren und schaffen so eine Stadterweiterung, die dem sozialistischen Stadtkern einen Teil des Leistungsdrucks abnehmen und die gesamte Situation in Ulaanbaatar vorantreiben kann. Das Migrationsziel der Ger-District Bewohner war es, die Vorteile der Stadt mit all ihren Einrichtungen und infrastrukturellen Vorteilen nutzen zu können. Doch da sich diese Vorteile in Ulaanbaatar bisher ausschließlich auf den sozialistischen Stadtkern konzentrieren, kann dieser der hohen Nachfrage nicht mehr standhalten. Die Platzierung neuer Unterzentren in den bislang semiperipheren Gebieten Ulaanbaatars bringt den Bewohnern das Ziel einer erfüllten Land-Stadt Migration näher. Die Einwohnerdichte um die neuen Unterzentren wird genauso steigen, wie sie es bisher um die infrastrukturellen Einrichtungen des sozialistischen Stadtkerns getan hat. Dadurch haben die Bewohner in den peripheren Bereichen Ulaanbaatars einen Anreiz, sich zwar auf einem kleineren, aber deutlich besser gelegenen Grundstück niederzulassen. Weitere Land-Stadt Wanderer haben die Möglichkeit, sich in den semiperipheren Bereichen, oder direkt in den neuen zentralen Bereichen niederzulassen. Dadurch wird die
112
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
urbane Zerstreuung, die derzeitig zunehmend stattfindet, unterbunden und Ulaanbaatar wird zu einem kompakteren Stadtgefüge. Die kategorische Einordnung der neuen Entwicklungspunkte erfolgt in Anlehnung an die Theorie der zentralen Orte von Walter Christaller01. Die Entfernungen werden kürzer und das Angebot größer. Es entstehen neue Einnahmemöglichkeiten für die Bewohner, entweder durch die Untervermietung oder den Verkauf von Teilgrundstücken, oder durch die Eröffnung von kleinen Ladengeschäften auf der eigenen Khashaa. Das Potential von lokaler Kundschaft wächst mit der zunehmenden Dichte und gibt daher Anlass zur Eröffnung eines eigenen Geschäfts. Ansatzpunkt der Arbeit ist es, bei dieser Art der Stadterweiterung, die gewissen Eigenschaften der GerSettlement Bewohner anzunehmen, sie als positiv zu werten und sie zu fördern. 01 Die Theorie eines Systems zentraler Orte wurde in den dreißiger Jahren von dem deutschen Geographen Walter Christaller (1893-1969) entwickelt. In seinem Modell entwickelt sich in idealtypischen, homogenen Räumen eine Struktur zentraler Orte auf unterschiedlichen Hierarchiestufen. Die zentralen Orte höherer Hierarchiestufe (z. B. größere Städte) weisen dabei Ausstattungsmerkmale auf, die den zentralen Orten niedrigerer Hierarchiestufe fehlen (z. B. bestimmte Verwaltungs- und Dienstleistungsfunktionen in Kleinstädten).
113
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
VERDICHTUNGSPROZESS UM SOZIALISTISCHEN DEN STADTKERN
PERIPHERIE
wachsende Entfernung
ZENTRUM
wachsende Entfernung
Urbane Ausdehnung
114
PERIPHERIE
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
AUTOMATISIERTE VERDICHTUNG UM SOZIALISTISCHEN DEN STADTKERN UND IMPLEMENTIERTE INFRASTRUKTURELLE KNOTENPUNKTE
PERIPHERIE
ZENTRUM Implementieren von infrastrustrukturellen Knotenpunkten
PERIPHERIE
Kompakte Stadt
ABBILDUNG 23 Entwurf d. Verfasserin
115
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
GEREGELTE VOLUMENVERTEILUNG BEI EIGENSTÄNDIGER VERDICHTUNG Die Khashaas, die sich nach dem Etablieren von infrastrukturellen Orten weiter verdichten werden, gehören derzeitig noch überwiegend zum Khashaa Typ 02, oder sogar Typ 01 an. Davon ausgehend ließe sich durch Wissensvermittlung und dem Einführen von Regeln die Verteilung der Gebäude auf dem Grundstück steuern. Bisher wurden die feststehenden Gebäude immer in einer gewissen Willkür auf der Khashaa errichtet. Meist mit einem geringen Abstand zu einer Grundstücksgrenze. Werden die neu errichteten Gebäude oder Anbauten aber grenzständig auf dem Grundstück angeordnet, kann man mit dieser gekoppelten Bauweise eine Reduzierung des Heizwärmeverbrauchs der einzelnen Haushalte erzielen. Zudem können grenzständige Gebäude, die zur Straße stehen und als Ladengeschäfte genutzt werden, besser als solche diese wahrgenommen werden. Kunden bleiben auf der Straße stehen, um zu verhandeln und zu kaufen. Der Raum zwischen den Khashaas bekommt eine neue wichtige Bedeutung. Vorbild und gleichzeitiger Beweis dafür, dass dieses Art von Kommunikation Anklang findet, sind die vielen kleinen informellen Läden, die im sozialistischen Stadtkern nach der Wende vor die unkommunikativen Fassaden der Plattenbauten errichtet wurden. (siehe dazu: Ulaanbaatar Aktuelle Situation)
116
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
EVOLUTION DIE DIE KHASHAAS DURCHLAUFEN
TYP 00
TYP 01 PERIPHERER TYP
TYP 02
SEMIPERIPHERER TYP
DERZEITIGE VOLUMENVERTEILUNG BEI DER VERDICHTUNG die Gebäude und Gers werden willkürlich auf der Khashaa angeordnet
TYP 02 SEMIPERIPHERER TYP
TYP 03 ZENTRALER TYP
BSP. NEUE VOLUMENVERTEILUNG BEI DER VERDICHTUNG die feststehenden Gebäude werden so auf der Khashaa angeordnet, dass eine gekoppelte Bauweise zur Reduzierung des Heizwärmeverbrauchs führt Verdichtung
TYP 02 SEMIPERIPHERER TYP
TYP 04 NEUER ZENTRALER TYP
ABBILDUNG 24 Entwurf d. Verfasserin
117
118
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
SOZIALE DURCHMISCHUNG Ein weiterer Vorteil für das Ansiedeln von kleinen Ladengeschäften und anderen gewerblichen Gebäuden bietet die soziale Durchmischung, wie sie in großen Teilen der Jurtenviertel immer noch vorzufinden ist. Dadurch kann sich eine Vielfältigkeit an Angeboten ergeben. Bewohner aus den vorher semiperipheren Vierteln Ulaanbaatars, die bis dahin im sozialistischen Stadtkern eine höhere Anstellung hatten, können durch den Ausbau der neuen Unterzentren nun in der Nähe ihrer Khashaa einen Job bekommen. Der Verruf der Ger-Districts durch die Maßnahmen der Regierung hat große Auswirkungen auf die dort lebende Bevölkerung, denn er trägt zu einem großen Teil zur Marginalisierung bei. Aber auch die Bildung von Gated Communities, die zum Teil sogar durch missglückte Entwicklungshilfe hervorgerufen wurde, sorgt dafür, dass sich eine Separation der Jurtenviertel entwickelt. „Sie dienen heute nicht mehr allein dazu, nachbarschaftlichen Grund voneinander zu trennen, sondern auch radikal unterschiedliche Lebenswelten.“01 Die Aufhebung der sozialen Durchmischung und das Leben ‚unter seinesgleichen‘ kann ein Angstgefühl bei den Menschen hervorrufen, wie viele Entwicklungsländer in Afrika oder Südamerika mit schweren Folgen aufzeigen. Bewohner Ulaanbaatars, die im sozialistischen Stadtkern ein Apartment bewohnen, bewegen sich nur sehr selten, oder gar nicht in den Jurtenvierteln. Gleichzeitig ziehen immer mehr der besser verdienende Bewohner der Ger-Districts in die 01 Greve, J. Mega Cities: Leben in getrennten Welten
BILD 19 Quelle: http://static.panoramio.com
119
STADTENTWICKLUNGSPROZESS DER GER-DISTRICTS
neuen Wohnviertel, die überwiegend ‚Gated Communities‘ sind. Das hat zur Folge, dass die Jurtenviertel der Hauptstadt ihrem schlechten Ruf folgen und nach und nach immer mehr arme Bewohner, die sich eine teure Apartmentwohnung in den luxuriösen neuen Wohnvierteln nicht leisten können, in den Ger-Districts ‚übrig bleiben‘. Wenn die Regierung beginnt die Jurtenviertel zu fördern und sie nicht zu vernichten, kann diese soziale Mischung auch weiterhin bestehen und dabei helfen, dass sich diese Viertel zu einer ökologischeren und ökonomischeren Siedlungsform entwickeln können.
LANDBESITZRECHTE Die Landbesitzrechte sind ein großer Vorteil Ulaanbaatars. Sie ermöglichen den Bewohnern Legalität und verschaffen gleichzeitig der Regierung einen Überblick über die Sesshaftigkeit der Einwohner. Dies erleichtert städtebauliche Eingriffe von Seiten der Regierung in den Jurtenvierteln. Zusätzlich gibt der private Landbesitz der Bewohner eine gerechte Verhandlungsgrundlage, um von Seiten der Regierung Grundstücke für die Errichtung neuer Unterzentren zu kaufen.
120
BILD 20 Quelle: http://static.panoramio.com
121
STADT.BILDUNG
STADT.BILDUNG Eine große Schwierigkeit der Ger-District Bewohner besteht in der Aufstellung neuer sozialer und wirtschaftlicher Netzwerke. Ein denkbarer Grund für diese Situation könnte unter anderem die nomadische Kultur sein. Persönliche und gewinnbringende Netzwerke sind allerdings auch sehr entscheidend, um Wege ins wirtschaftliche Zentrum der Stadt zu finden.01 Dem Individuum fehlt der Zugang zur Gesellschaft und damit geeignete Mittel wie Bildung, Sicherheit, die Möglichkeit zur Unternehmensgründung und die Anbindung an die Gesamtwirtschaft. Die meisten der Land-Stadt Wanderer haben, bevor sie nach Ulaanbaatar migrierten, eine schlechte oder gar keine Ausbildung, da das Leben auf dem Land (vor allem das der mobilen Tierhalter) nur wenig Zugangsmöglichkeiten zur Bildung bietet. Daher wächst die Quote der Menschen mit unzureichender Bildung in den Ger-Districts stetig. Doch Bildung ist eine Grundvoraussetzung für einen gut bezahlten Job und dem damit verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg. Das Bewusstsein, dass die individuellen Lebenschancen immer stärker von der erworbenen Bildung abhängen, wächst auch in der Mongolei. Doch fehlen für ein befriedigendes Angebot die nötigen Einrichtungen. Ulaanbaatar hat in der gesamten Mongolei bezüglich Bildung eine Sonderstellung. Um eine gute Bildung der Kinder zu gewährleisten, werden viele Kinder aus dem ganzen Land in Ulaanbaatar 01 Saunders, D. Arrival City
122
STADT.BILDUNG
angemeldet. Durch die vielen Neuzugänge vom Land kommt es in Städten zu enormen Klassengrößen mit bis zu 50 Kindern. Um dem großen Andrang ein wenig gerecht werden zu können, werden die Klassen sogar in drei Schichten unterrichtet, morgens, mittags und abends. Dabei ist die Schule nicht nur ein Gebäude der Wissensvermittlung, sondern eine Institution, die starken Einfluss auf den kulturellen und städtischen Wandel ausüben kann. Sie kann die Wirksamkeit eines gesamten Stadtteils übernehmen, indem sie nicht nur Lehreinrichtung ist, sondern als Bestandteil einer gut funktionierenden Infrastruktur auch ein Ort für öffentliche Veranstaltungen darstellt. Geeignete Orte für Treffs, Spiel- und Sportflächen sind sehr wichtig für die Sozialisation der Kinder und Jugendlichen sowie deren Integration in die neue Stadtgesellschaft: „Ein Quartier, das über reichlich Orte verfügt, in denen community spirit sich entwickeln kann, bringt den Jugendlichen die Chance primärer Freundschaftsgründung, der Kontakte zu anderen Familien“.02 Nur mit diesen Fähigkeiten kann später der mündige Stadtbürger aus Kontakten zu Nachbarn, zu im Alltag begegnenden Fremden und zum Freundeskreis ein Netz aus unterschiedliche Beziehungen bilden, und nicht nur in ‚lebloser Koexistenz’ ohne Bezug zum Quartier wohnen. In dieser Arbeit soll die Bauaufgabe für das Problem also nicht mit dem Entwurf grober, hoher und zusammengeballter Architekturen beginnen, sondern mit der Frage, wie Menschen auf diesen Prozess vorbereitet werden, wie sie neues Bauen mitgestalten werden und wie sie sich andere Formen des Zusammenlebens erarbeiten werden!
02 Mitscherlich, A. Die Unwirtlichkeit unserer Städte S.112
123
STADT.BILDUNG
SCHULSYSTEM „Die Grundbildung ist ein Recht für alle und kostenlos“
„The purpose of education is to provide the citizen with appropriate intellectual, moral and physical skills, and develop respect to the principles of humanism and ability to learn, work and live independently.“ (UNESCO IBE 2006).
Schüler Mädchen Schüler Jungen
EINSCHULUNGS QUOTE
96%
Zwar beginnen nahezu alle Kinder die Schule, „nach und nach brechen jedoch immer mehr Kinder die Schule ab“
STADT-LAND-DISKREPANZ Die Schulqualität gilt in der Hauptstadt als besser. Daher hat Ulaanbaatar in der gesamten Mongolei bezüglich Bildung eine Sonderstellung. Es mangelt erheblich an geeigneten Einrichtungen.
124
STADT.BILDUNG
HIGHER EDUCATION
LOWER SECONDARY
UPPER SECONDARY
Klassen 6 - 9
Klassen 10 - 11
SCHOOL
SCHOOL
16 15 14 13 12
11 10 9 8 7
PRIMARY
SCHOOL
Klassen 1 - 5
SCHULPFLICHTIGE GRUNDAUSBILDUNG
... 17
PRE-SCHOOL
EDUCATION
6 5 4 3
FREIWILLIGE AUSBILDUNG
Jahre
ABBILDUNG 25 Nikolas Wruck, Das Bildungssystem: Schulen, Hochschulen, Akademie der Wissenschaft
125
STADT.BILDUNG
SCHOOL PLUS
Durch Bildung Urbanität neu definieren und dem Individuum einen Zugang zur Gesellschaft ermöglichen Um das Ziel einer erfolgreichen Ankunfts-Stadt erreichen zu können muss man die Menschen dabei unterstützen, ihre Umwelt mit zu gestalten. Nur so kann durch eine Eigendynamik ein Prozess in Gang gesetzt werden. Aber um dies realisieren zu können, benötigt man ein Instrument, eine Strategie, die sehr sensibel auf die Bedürfnisse der Bewohner, aber auch auf die Interessen der Regierung reagieren kann und eine neue Stadtgenese beginnen lässt. Wissen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Zwar besteht in der Mongolei seit mehreren Jahren eine Schulpflicht, die dafür gesorgt hat, dass die Einschulungsquote bei mittlerweile 96% liegt, doch müssen immer mehr Kinder aufgrund mangelnder Kapazitäten die Schule wieder abbrechen. Für eine höhere Ausbildung haben nur wenige Mongolen die Möglichkeit. Doch die schulische Grundausbildung der Mongolen reicht dazu allein nicht aus. So ist es vor allem das mangelnde Wissen um ökologisches und ökonomisches Planen und Bauen, was den Einwohnern fehlt. Der sozialistische Stadtkern wurde fast ausschließlich von ausländischen Fachkräften (Chinesen, Russen) erbaut. Und auch heute werden den Bewohnern von Seiten der ausländischen Entwicklungshilfe meist vollendete Bauwerke vorgesetzt oder nur ein geringer Teil der Menschen wird bei
126
STADT.BILDUNG
der Planung und dem Bauen oder Umbauen von Gebäuden und ganzen Stadtteilen mit einbezogen. Ein Ziel soll es also sein, der Bevölkerung über Wissensvermittlung eine Möglichkeit zu bieten, sich und ihre Stadt selbstständig weiterzuentwickeln. Die Wissensvermittlung wird in Form von einer School PLUS in jeweils einem neuen Unterzentrum verortet. Neben der schulpflichtigen Grundausbildung, die durch die neuen Räumlichkeiten nun fast allen Bewohnern Ulaanbaatars ermöglicht wird, soll zusätzliches Wissen einer ökonomischen und ökologischen Stadtentwicklung vermittelt werden. Gesetze, die das Ansiedeln von neuen Land-Stadt Wanderern regulieren, werden formuliert und Kontrollorgane, die das Niederlassen der neuen Städter überwachen, werden ausgebildet. Dadurch entsteht eine neue Anordnung der Gebäudevolumen auf den Khashaas, die wie in Abbildung 24 dargestellt eine höhere Qualität aufweisen und sich zudem effizienter in Materialverbrauch und der Wärmespeicherung erweisen. Ist die horizontale Verdichtung um die neu implantierten infrastrukturellen Knotenpunkte ausgeschöpft, kann sich die Dichte in die Vertikale erhöhen. Die neuen zentralen Orte erweisen sich neben verschiedenen infrastrukturellen Einrichtungen und einem Gebäude zur Wissensvermittlung also auch noch zu einem Treffpunkt von Regierung und Bewohnern und das PLUS wird zu Top down meets Bottom up. Dies schafft die Grundlage, aus einer informellen Siedlungsform, die zunächst nur als Ausdruck einer sesshaft gewordenen Nomadengesellschaft entstanden war, eine Stadt aufkeimen zu lassen, die ihren Aufgaben gewachsen ist.
127
128
STADT.BILDUNG
TOP DOWN TRIFFT BOTTOM UP
Häufig, so auch in der Mongolei, wird unter Anwendung von Methoden und Techniken, die vielleicht anderenorts zu positiven Ergebnissen geführt haben mögen versucht, eurozentrische bzw. westliche Entwicklungsvorstellungen zu realisieren, ohne die Lokalbevölkerung an entsprechenden Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Verschiedene Strategien und Instrumente werden nicht an die lokalen Wünsche und Bedürfnisse angepasst. Das hat häufig zur Folge, dass nicht die wirklich bedürftigen Menschen von entsprechenden Maßnahmen profitieren, sondern nur die lokale Elite. Die Koordination von Wünschen der Bevölkerung und planerischer Leitgedanken der Administration sind also der erste Schritt, um die Wahrscheinlichkeit des Funktionierens einer Transformation zu einem lokalen Zentrum ausloten zu können. Aufgrund der ökologischen, ökonomischen sowie sozialen Probleme, wurden die Jurtenviertel bisher immer als verarmte Orte behandelt, in denen keine größeren Eingriffe getätigt wurden, um diese Art von Siedlungsform nicht zu verfestigen. Mit Hilfe von neu errichteten Wohnvierteln sollten die Bewohner von den Ger-Vierteln in feste Behausungen umgesiedelt werden – jedoch wurden die Probleme mit dieser Art von Entwicklungshilfe, durch die zunehmende sozialräumlicher Segregation, eher noch erhöht. Mit den neuen School Plus Unterzentren beruht die Lösung der Probleme in abstrakter Weise auf einer Weisheit aus dem Kampfsport: „Eine gute Weise, Aikido zu beschreiben ist zu sagen, dass man nicht versucht einen Angriff abzuwenden,
BILD 21 Quelle: Ágnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture
129
STADT.BILDUNG
sondern ihm zu seiner Vollendung zu verhelfen.“01 Zwar entspricht ein Eingriff in die Jurtenviertel zunächst genau dem was die Regierung nicht möchte: diese Viertel als eine Art der Siedlungsform Ulaanbaatars zu akzeptieren. Doch richtig gelenkt schafft man es mit diesem Ansatz, dass sich diese Art der Niederlassung beginnt zu entwickeln und letztendlich zu einer neuen effizienteren Siedlungsform mutiert. Mit diesem Prozess stellen auch die nächsten LandStadt Wanderer keine ‚Gefahr‘ für Ulaanbaatar mehr dar, da auch sie sich automatisch dem Entwicklungsprozess anschließen werden. Es ist also nicht das Ziel, die Bewohner vor vollendete Tatsachen zu stellen und ihre Lebensweise als ‚schlecht’ oder ‚falsch’ zu werten. Auf diese Weise werden die Interessen der Administration zwar auf den ersten Blick nicht vertreten, indem man durch öffentliche Einrichtungen in diesen Vierteln die unökonomische und ökologische Siedlungsform weiter verfestigt. Langfristig gesehen schafft man aber durch diesen strategischen Entwicklungsansatz eine Möglichkeit, den negativen Aspekten, die die Jurtenviertel mit sich bringen, durch Wissen und Willen auf Dauer entgegenzuwirken. Durch die aktive Teilnahme der Bürger an der Stadtgenese entwickeln sie ein Verantwortungsgefühl, was dazu beiträgt, positive Veränderungen zu pflegen. Für die Bewohner wirkt sich der Eingriff vor allem in Bezug auf einen besseren Zugang zu Bildung vorteilhaft aus. Damit wird die Aussicht auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz 01 www.stenudd.com
130
STADT.BILDUNG
gesteigert. Zusätzlich entstehen durch die neuen Unterzentren neue Erwerbsmöglichkeiten. Nicht nur die School PLUS und die dazu gehörenden infrastrukturellen Einrichtungen, auch die dadurch entstehende Stadtverdichtung bieten Möglichkeiten zur Unternehmensgründung und damit die Anbindung an die Gesamtwirtschaft.
131
STADT.BILDUNG
AUSGANGSSITUATION
URBAN SPRAWL erschwerter Anschluss an Infrastruktur
HAUPTVERKEHRS ACHSE Achse an der immer mehr Nomaden sesshaft werden
BEREICH DES STRATEGISCHEN EINGRIFFS ‚Top down‘ Intervention um einen Entwicklungsprozess anzustoßen
AN DEN HAUPTVERKEHRSACHSEN bereits bestehende kleine Unternehmen (meist Werkstätten)
EIGESTÄNDIGE VERDICHTUNG in Richtung des sozialistischen Stadtkerns
132
STADT.BILDUNG
PERIPHERIE ERDSTRASSE ERDSTRAßE ERDSTRASSE ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
HAUPTVERKEHRSACHSE [asphaltiert]
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE ERDSTRASSE
ZENTRUM
ABBILDUNG 26 Entwurf d. Verfasserin
133
134
135
STADT.BILDUNG
BEDEUTUNG UND INHALT DER SCHOOL PLUS Als Grundelement beinhaltet jedes School PLUS Unterzentrum eine Einrichtung zur schulpflichtigen Grundausbildung, sowie Räumlichkeiten der weiterführenden Upper Secondary School und einer Pre-Education. Allein schon durch Errichtung einer solchen Institution ergeben sich viele positive Effekte für die Ger-District Bewohner. Zum einen der nun mögliche Zugang zu Bildung, welcher später eine bessere Aussicht auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz darstellt. Zum anderen aber auch die Schule als Treffpunkt und zur Bildung neuer sozialer Netzwerke außerhalb der Familie. Mit den neuen Räumlichkeiten und Lehrkräften werden bereits bestehende Schulen im sozialistischen Stadtzentrum entlastet und die Unterrichtsgruppen müssen nicht mehr in Tagesabschnitte unterteilt werden, sondern können von morgens bis mittags unterrichtet werden. Danach stehen die Räumlichkeiten als Versammlungsort für andere Veranstaltungen zur Verfügung. Zusätzlich zur schulischen Grundlehre gibt es eine weitere Ausbildung, die in den Unterricht der weiterführenden Schulen mit eingebunden wird, bzw. gesondert außerhalb des Schulbetriebs unterrichtet wird- Die der Stadtbildung. Um feststehende Gebäude auf der Khashaa zu errichten, werden die Bewohner meist kurzerhand selbst zu Handwerken und orientieren sich bei der Bauweise am Nachbarhaus, oder lassen sich von Verwandten helfen, die bereits schon mal ein Haus gebaut haben. Dies hat in den meisten Fällen eine schlechte Bausubstanz der Häuser zur Folge. Die Dämmwerte sind so unzureichend, dass die Bewohner in den Wintermonaten häufig in ein Ger umsiedeln um den eisigen Temperaturen zu entkommen.
136
STADT.BILDUNG
REGULATIONEN DER VOLUMENVERTEILUNG NEUER FESTSTEHENDER GEBÄUDE AUF EINER KHASHAA § 1 ANBAU Ein Anbau eines bereits errichteten feststehenden Gebäudes darf nur dann erfolgen, wenn er mit mindestens einer Gebäudewand auf der Khashaagrenze liegt. § 1.2 ANBAU Ist auf der Nachbarkhashaa bereits ein feststehendes Gebäude grenzständig, so ist der Anbau nach Möglichkeit an der bestehenden Nachbarwand zu errichten. § 2 NEUBAU Ein Neubau auf einer Khashaa darf nur dann erfolgen, wenn mindestens zwei gegenüberliegende Gebäudewände auf der Khashaagrenze liegen. § 3 ÖFFNUNGEN Gebäudewände, die an ein Nachbargrundstück grenzen dürfen, keine Öffnungen aufweisen. § 4 VERKAUF VON TEILGRUNDSTÜCKEN Der Verkauf eines Teilgrundstücks darf nur so erfolgen, dass auf der neu enstandenen Khashaa ein festehendes Gebäude grenzständig an mindestens einer Nachwand zu errichten ist.
ABBILDUNG 27 Entwurf d. Verfasserin
137
STADT.BILDUNG
Eine gezielte Schulung für die Bewohner, wie man effizienter und ökonomischer bauen kann, hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Betroffenen selbst. Auch ein Anteil der Umweltproblematik, die die herkömmliche Bauweise hervorruft kann durch gezielte Wissensvermittlung stark eingedämmt werden. Die Ansiedlung der Khashaas lief bisher zwar informell ab, folgte aber dennoch einigen bereits genannten Grundsätzen, die eine spezifische städtebauliche Gesamtstruktur ergeben. Ausgehend von dieser Formation können nun Gesetze aufgestellt werden, die beinhalten, dass die Anordnung neuer Gebäudevolumen innerhalb einer Khashaa von nun an bestimmten Regulationen unterliegen. (siehe Regulationen der Volumenverteilung neuer feststehender Gebäude auf einer Khashaa) Einen Anreiz, diese Regeln einzuhalten, stellen ihre Auswirkungen dar. Durch eine gekoppelte Bauweise sinkt der Wärmeverlust der Gebäude und spart zudem Materialien. Die Gebäude stehen geschlossen und erzeugen damit mehr Platz für neue Gebäude. Dies hat zum einen durch Verkauf oder Vermietung von Teilgrundstücken eine neue Einnahmequelle zur Folge. Gleichzeitig erweckt die höhere Einwohnerdichte aber auch eine höhere Chance auf lokale Kundschaft. Dadurch können Bewohner ihre Khashaas, oder Teile davon, nicht nur zu Wohnzwecken gebrauchen sondern auch für kommerzielle Zwecke nutzen. Gleichzeitig sorgen aber auch Kontrollorgane, die in den School PLUS Zentren ausgebildet werden, dafür, dass die Regulation durch die Gesetze eingehalten werden. Neben der Schule als Gebäude der Wissensvermittlung
138
STADT.BILDUNG
beinhaltet die School PLUS in den ersten Entwicklungsphasen Serviceeinrichtungen, die anstelle einer ausgeprägten Infrastruktur innerhalb der Khashaas Grundeinrichtungen, wie z.B. Wasserkioske oder Badehäuser aufweisen. Um die Einrichtungen nach den Bedürfnissen der Bewohner sinnvoll in den Ger-Districts zu verteilen, werden diese in verschiedene Typen parzelliert, auf dessen genauen Inhalt im Kapitel ‚School PLUS Typen‘ genauer eingegangen wird.
139
STADT.BILDUNG
IMPLANTIEREN EINER SCHOOL PLUS Durch Regulation und Gesetze wird die Anordnung der Gebäude auf den Khashaas geregelt und der Platz effizienter und ökologischer genutzt. KHASHAA TYP 04
Verdichtung
ERDSTRASSE Verdichtung
DOPPELTE EINGESCHOSSIGE KHASHAASBEBAUUNG
SCHNITT
ABBILDUNG 28 Entwurf d. Verfasserin
140
HAUPTVERKEHRSACHSE [asphaltiert]
DOPPELTE EIN- BIS ZWEIGESCHOSSIGE KHASHAASBEBAUUNG
SCHOOL
PLUS
STADT.BILDUNG
ENTWICKLUNGSPROZESS SCHRITT 01 Das Implantieren eines School PLUS Unterzentrums in ein Ger-Viertel bewirkt, dass sich kreisförmig um die jeweiligen Zentren vermehrt Menschen auf Khashaas ansiedeln. Die Nachfrage nach zentrumsnah gelegenen Khashaas steigt mit dem Angebot. Die Gebiete an denen vorher fast ausschließlich Khashaas vom Typ 02 aufzufinden waren, beginnen sich zu verdichten. Prinzipiell funktioniert die Verdichtung um die neuen Unterzentren genauso wie sie sich um den sozialistischen Stadtkern bereits abspielt. Die Bewohner leben lieber auf einer kleineren Khashaa und haben Anschluss an Infrastruktur und öffentliche Einrichtungen, als in der Peripherie auf einer großen Khashaa zu wohnen. Dadurch wird der Urban sprawl erheblich eingedämmt. Zwar siedeln sich weiterhin wenige Land-Stadt Migranten aus finanziellen Gründen zunächst in den peripheren Bereichen an, jedoch in einem völlig anderen Maßstab als es bisher der Fall ist. Der entscheidende Unterschied zu der Verdichtung um das Stadtzentrum ist die Neuformulierung von Gesetzen, die von nun an die Volumenaufteilung auf den Khashaas regulieren. Ohne diese Regulierung würden Khashaas des Typen 03 entstehen. Die Gesetze ermöglichen die Bildung eines neuen Khashaatypen (Typ 04), der eine höhere Dichte und gleichzeitig auch eine ökonomischere und ökologischere Bauweise der einzelnen Häuser und des gesamten Städtebaus erlaubt. Ausgebildete Kontrollorgane überwachen die Einhaltung der Gesetze und sorgen damit für eine insgesamt effizientere Stadtgenese. Khashaa Typ 03 wird mit dieser Entwicklung der Stadtstruktur künftig fast vollständig aus dem Stadtbild verschwinden.
141
STADT.BILDUNG
01. PHÄNOGRAMM
COMPACT CITY besserer Anschluss an Infrastruktur
NEUE VOLUMENVERTEILUNG gekoppelte Bauweise führt zur Reduzierung des Wärmeverbrauchs
SCHOOL PLUS durch das Implementieren von ‚School Plus‘ Einrichtungen bilden sich neue Unterzentren
RESERVIEREN VON FLÄCHEN Durch Errichten von Spiel- oder Sportplätzen kann ein informelles Ansiedeln auf öffentlichen Freiflächen verhindert werden
142
STADT.BILDUNG
Verdichtung
PERIPHERIE
ERDSTRAßE ERDSTRASSE ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
PLUS
HAUPTVERKEHRSACHSE [asphaltiert]
ERDSTRASSE
SCHOOL
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
Verdichtung
ERDSTRASSE
ZENTRUM
ABBILDUNG 29 Entwurf d. Verfasserin
143
144
145
STADT.BILDUNG
VERKAUF VON KHASHAAS ZU KOMMERZIELLEN ZWECKEN Nachdem die horizontale Verdichtung ausgeschöpft ist, wachsen die Khashaas in die Vertikale. KHASHAA TYP 05
Verdichtung
ERDSTRASSE Verdichtung
DOPPELTE EIN- BIS ZWEIGESCHOSSIGE KHASHAASBEBAUUNG
SCHNITT
ABBILDUNG 30 Entwurf d. Verfasserin
146
HAUPTVERKEHRSACHSE [asphaltiert]
neu gewonnener Platz für kommerzielle Zwecke
Verdichtung
EINFACHE MEHRGESCHOSSIGE KHASHAASBEBAUUNG
SCHOOL
PLUS
STADT.BILDUNG
ENTWICKLUNGSPROZESS SCHRITT 02 Mit anhaltendem Entwicklungsprozess neu organisierter Verdichtung wird sich ein weiterer Khashaatyp herausbilden. Gemeinsam mit der neuen Gesetzgebung und der Wissensvermittlung über effizientere Bauweise der Häuser können nun auch mehrgeschossige Häuser errichtet werden. Ist das horizontale Wachstum eines Viertels ausgeschöpft, wachsen die Gebäude in die Höhe. Derzeit gibt es in nächster Nähe zum sozialistischen Stadtkern bereits Tendenzen zu dieser Art von Entwicklung. Die derzeitige Ausführung bei Khashaatyp 03 ist allerdings weder konstruktiv noch städtebaulich nachhaltig. Die Bewohner beginnen ihre Khashaas zu ausschließlich kommerziellen Zwecken zu verkaufen oder nutzen sie selbst als Grundstück zur Unternehmensgründung. Dadurch ergibt sich ein lebendiges Viertel rund um die School PLUS Unterzentren. Die städtebaulichen Strukturen können aufgebrochen werden, wenn auf privaten Grundstücken Shops entstehen und für den besseren Zugang die Zäune teilweise oder sogar ganz entfernt werden. Durch verstärkte Aktivitäten im öffentlichen Raum sehen immer mehr private Anwohner die Möglichkeit, Teile ihrer Grundstücke für eigene, private Verkaufsstände zu öffnen. Die Einbindung der Bewohner in Vorgänge des öffentlichen Raums wird intensiviert. Die Identifizierung mit dem eigenen Wohnviertel beginnt und bringt damit auch ein gesteigertes Verantwortungsgefühl im Umgang mit seiner nächsten Umgebung mit sich.
147
STADT.BILDUNG
02. PHÄNOGRAMM
COMPACT CITY besserer Anschluss an Infrastruktur
KOMMERZIELLE NUTZUNG Khashaas werden für kommerzielle Zwecke genutzt oder verkauft
NEUE VERDICHTUNG durch größeres Potential lokaler Kundschaft; neue Einnahmemöglichkeit
NEUE VERDICHTUNG nachdem die horizontale Verdichtung ausgeschöpft ist, wächst die Khashaasbebauung in die Vertikale
148
STADT.BILDUNG
Verdichtung
PERIPHERIE
ERDSTRASSE ERDSTRASSE
STRASSE ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
PLUS
HAUPTVERKEHRSACHSE [asphaltiert]
ERDSTRASSE
SCHOOL
STRASSE
ERDSTRASSE
ERDSTRASSE
Verdichtung
ERDSTRASSE
ZENTRUM
ABBILDUNG 31 Entwurf d. Verfasserin
149
150
151
STADT.BILDUNG
GRUNDAUSBILDUNG
TREFFPUNKT JOBCHANCEN
zusätzliche BILDUNG
STADTBILDUNG
infrastrukturelle Einrichtung TYP 01
SERVICE EINRICHTUNGEN
infrastrukturelle Einrichtung TYP 02
infrastrukturelle Einrichtung TYP 03
ABBILDUNG 32 Entwurf d. Verfasserin
152
Bildung sozialer Kontakte außerhalb der Familie bessere Aussicht auf eine gut bezahlte Arbeitsstelle Aufstellen von Regeln (Top down) Ausbildung von Kontrollorganen
informelle Gebäudeerrichtung innerhalb der Khashaas gestoppt
TÄGLICHER BEDARF
Bildung (SCHULE) Räumlichkeiten für Ausbildung Wasser Lebensmittel Hygiene
PERIODISCHER BEDARF Bildung (SCHULE) Räumlichkeiten für Ausbildungen/ kulturelle Veranstaltungen Berufsschule Wasser Lebensmittel Hygiene Gesundheit
EPISODISCHER BEDARF höhere Bildung Krankenhaus kulturelle Einrichtungen Verwaltung Shoppen
STADT.BILDUNG
soziale Netzwerkgründung Unternehmensgründung Einnahmequellen weniger Wärmeverlust der Häuser
Schule Wasserkiosk Badehaus Lebensmittelgeschäft Berufsschule Gesundheitseinrichtung Veranstaltungsraum
Universität Krankenhaus administrative Einr. Kaufhaus
SCHOOL PLUS: TYPEN Neben den nach und nach neu entstehenden Aktivitäten im öffentlichen Raum ist aber vor allem die Sicherung der Grundversorgung ein wichtiges Anliegen der School PLUS. Bedürfnisse wie Wasserversorgung, Waschmöglichkeiten aber auch Gesundheitseinrichtungen und Räumlichkeiten für Veranstaltungen, wie z.B. Märkte sollen mit den neuen Unterzentren gedeckt werden. Dabei werden die verschiedenen Serviceeinrichtungen nach Bedarf sortiert und anschließend in den Jurtenvierteln verteilt. Basis für die Art der Unterteilungen ist das System der Zentralen Orte von Walter Christaller, der in seiner Theorie die Unterzentren in tägliche, periodische und episodische Bedürfnisse unterteilt. Zu den täglichen Bedürfnissen, die von dem TYP 01 der School PLUS erfüllt werden, zählen neben der Bildungseinrichtung die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln, sowie Hygieneeinrichtungen. Die große Menge Wasser, die am Standort eines Unterzentrums benötigt wird, kann in Form von Tiefbrunnen gewonnen werden. Zwar sind die Tiefbrunnen kostenaufwändiger in der Herstellung und daher nicht allzu häufig in den Jurtenvierteln aufzufinden, doch erspart man sich die täglichen Anlieferungskosten für Wassertanks durch Lastkraftwagen, die bei einer solchen Einrichtung von Nöten wäre. Diese Art der Wassergewinnung hätte eine Kostenreduzierung pro Liter für die Bewohner zur Folge. Die Lebensmittelläden im Unterzentrum werden durch die Unternehmensgründung einzelner Bewohner in der späteren
153
STADT.BILDUNG
Stadtgenese von weiteren kleinen Geschäften im Umkreis unterstützt. Dies bringt eine räumliche Ausdehnung und eine Vervielfältigung des Angebots der School PLUS nach und nach mit sich. TYP 02 der School PLUS bietet neben den Einrichtungen für die täglichen Grundbedürfnisse des TYP 01 noch Räumlichkeiten für periodische Bedürfnisse, wie z.B. eine Gesundheitseinrichtung. Dort können sich die Bewohner von Fachpersonal untersuchen und behandeln lassen. Für schwerwiegendere Krankheiten muss allerdings nach wie vor ein Krankenhaus im sozialistischen Stadtkern aufgesucht werden. Durch mehr Räumlichkeiten bietet der School PLUS TYP 02 zudem Platz für weiterführende Ausbildungsstätten, in denen Ausbildungsberufe erlernt werden können. Durch die vermehrte Anzahl an Schulen kann der Unterricht auf die Zeit vom Morgen bis zum frühen Nachmittag begrenzt werden und muss nicht mehr, wie bisher, in Unterrichtseinheiten morgens, mittags und abends unterteilt werden. Dadurch können die am Nachmittag leerstehenden Räume als Treffpunkte für kulturelle Veranstaltungen oder Bürgerversammlungen genutzt werden. Den Bedarf an episodischen Bedürfnissen wird dieser Aufteilung zu Folge TYP 03 erfüllen. Zu den episodischen Belangen zählen Universitäten, Krankenhäuser sowie Kaufhäuser und administrative Einrichtungen. Da diese Einrichtungen bereits im sozialistischen Stadtkern angeboten werden, bedarf es
154
STADT.BILDUNG
aufgrund der Einwohnerzahl Ulaanbaatars zun채chst keiner Neuerrichtung einer School PLUS des TYP 03. Allerdings kann sich, je nach Bedarf, im Laufe der Stadtentwicklung der School PLUS TYP 02 zu einem Typ 03 entwickeln.
155
STADT.BILDUNG
SCHOOL PLUS: STANDORTE Das Ansiedeln der Khashaas erfolgte meist direkt an den Hauptverkehrsachsen, welche vom sozialistischen Stadtzentrum aus in die anderen Städte der Mongolei führen. Daher liegen die Hauptverkehrsachsen immer zentral in den Jurtenvierteln, deren Khashaas sich, in Ost-West Richtung, seitlich an ihnen entlang erstrecken. Ein strategisch guter Standort für eine School PLUS ist also ein Grundstück, welches an einer Hauptverkehrsachse gelegen ist. Denn hier gibt es Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel und damit die Möglichkeit die School PLUS ohne größeren Aufwand erreichen und nutzen zu können. Dies gilt sowohl für die Ger-Settlement Bewohner, als auch für die Apartment Bewohner. Zudem haben sich bereits einzelne Unternehmensgründer an den Hauptstraßen niedergelassen. Denn an einer Hauptverkehrsachse ergibt sich meist ein Geldfluss durch die sogenannte ‚Laufkundschaft‘. Dieses Phänomen kommt auch dem neuen Unterzentrum zu Gute und kann sich so gezielter weiterentwickeln. Die Abstände, in welchen die School PLUS Unterzentren voneinander gelegen, sind erschließen sich aus dem Schultypus. Die Entfernungen sind das Resultat aus der Distanz der zumutbaren Strecke für die Bewohner (um Grundversorgung und Schule zu erreichen) und dem nötigen Abstand zum nächsten Unterzentrum, um einen ausreichenden Gewinn von der Angebotsseite zu erzielen. Die Distanz wird nach dem Einzugsgebiet, bzw. in Fußweglänge berechnet, da die meisten Bewohner der GerDistricts nicht im Besitz eines Autos sind und auch ein Teil der Straßen häufig im Jahr nicht befahrbar sind. Der Fußweg zu einer School PLUS Typ 01 darf maximal
max. Entfernung 1.5km
School PLUS TYP 01 max. 20 min. Fußweg
max. Entfernung 2,25 km
School PLUS TYP 02 max. 30 min. Fußweg
ABBILDUNG 33 Entwurf d. Verfasserin
156
School PLUS TYP 01 School PLUS TYP 02
ca. 1 Kilometer
157
School PLUS TYP 01 School PLUS TYP 02 bestehende asphaltierte Straße neue Verbindungsstraße
ca. 1 Kilometer
158
STADT.BILDUNG
zwanzig Minuten dauern, was ungefähr einer Strecke von eineinhalb Kilometern entspricht. Demnach muss im Umkreis von drei Kilometern ein weiteres Unterzentrum folgen. Aus einem Einzugsgebiet von neun Quadratkilometern ergibt sich eine Anzahl von circa 400 Kindern und Jugendlichen zwischen 0-14 Jahren, die eine Pre-Education Einrichtung oder eine Primary-, Lower Secondary- oder Upper Secondary School besuchen. Die zusätzlichen Serviceeinrichtungen, wie Wasserkiosk, Badehaus oder Lebensmittelgeschäft werden von ungefähr 1450 Bewohnern der Ger-Settlements genutzt, was etwa 350 Haushalten entspricht. Der Typ 02 der School PLUS hat ein gut doppelt so großes Einzugsgebiet wie der Typ 01. Da dieser Typ vor allem von älteren Schülern und jungen Erwachsenen gefragt ist, ist die maximale Entfernung ein wenig weiter und liegt im Schnitt bei 2,25 km. Bei beiden School PLUS Typen soll aber beachtet werden, dass die gesamte Strecke zu einem Unterzentrum nicht ausschließlich zu Fuß zurückgelegt werden muss. Sobald von der Khashaa eine asphaltierte Verkehrsachse erreicht ist, kann der Rest der Strecke mit einem öffentlichen Verkehrsmittel gefahren werden. In einer weiteren Entwicklungsphase sollen sich die infrastrukturellen Knotenpunkte durch neue Verbindungsstraßen zu einem Gesamtgefüge vereinen. LandStadt Wanderer die sich auf keinem bereits bestehenden Grundstück niederlassen, sondern eine neue Khashaa errichten, werden an diesen neuen Verbindungsstraßen ansiedeln. Dadurch wird die urbane Verstreuung weiter eingedämmt und eine kompakte, infrastrukturell gesättigte Stadtgenese entsteht.
ABBILDUNG 34 Entwurf d. Verfasserin
159
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
ZUSAMMENFASSUNG
UND AUSBLICK
Bezug nehmend auf die eingangs formulierten Fragestellungen werden die Erkenntnisse und Resultate noch einmal systematisch zusammengefasst. Die historische Stadtentwicklung Ulaanbaatars wurde in der Vergangenheit vor allem von externen Einflüssen seitens China, Russland und internationaler Entwicklungshilfe, sowie gesellschaftspolitischen Interessen- und Paradigmenwechseln beeinflusst. Das Leben in der Stadt stellt für die nomadisch geprägte Kultur der Mongolei ein vergleichsweise neues Phänomen dar. Denn die Verstädterung ist noch ein sehr junger Prozess, der vor allem durch die Planwirtschaft der sozialistischen Zeit geprägt ist. Industrialisierung und die zunächst durch den Arbeitskräftebedarf gesteuerte Migration führten in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem schnellen Wachstum Ulaanbaatars. Seit der Wende, der darauffolgenden Einführung des Landbesitzes durch die Landreform 2003 und die Abschaffung der Registrierungsgebühren, steigt die Land-Stadt Wanderung zunehmend an. Menschen suchen nach alternativen Einkommensmöglichkeiten zur mobilen Tierhaltung und möchten die Bequemlichkeiten eines Stadtlebens nutzen können. Doch Ulaanbaatar kann diesem Migrationsstrom nicht standhalten. Und so sind es vor allem die Jurtenviertel unmittelbar vor dem sozialistischen Stadtkern, die sich immer mehr zu Problemsiedlungen entwickeln.
160
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Fremdländische Entwicklungshilfen haben in den Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion versucht, durch verschiedene Interventionen die ‚neuen Städter’ bei ihrem Weg sesshaft zu werden zu unterstützen- mehr oder weniger erfolgreich. Während einige Entwicklungsprojekte erfolgreich umgesetzt werden konnten, führten andere dazu einige Bevölkerungsschichten mehr und mehr an den Rand der Gesellschaft zu drängen und ihnen dadurch eine Teilnahme an wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Leben zu verwehren. Der Versuch die Bewohner der Jurtenviertel in neu errichtete Reihenhäuser umzusiedeln und damit die unökonomische und unökologische Siedlungsform zu eliminieren scheiterte. Denn nicht nur die Masse der Anwohner stellen eine unüberwindbare Hürde dar, auch die Kosten für eine Wohnung in einem solchen Reihenhaus sind so hoch, dass die meisten der Ger-Settlement Bewohner sich diese nicht leisten können. Die einzelnen Eingriffe gehen nicht über eine reine Symptombekämpfung hinaus. Ein Entwicklungsprozess mit zukunftsträchtigen Eigenschaften wird dabei aber nicht angestoßen. In dieser Arbeit liegt der Lösungsansatz dieses Problems darin, positive Qualitäten und Eigendynamiken der GerDistricts zu enthüllen und diese gezielt weiterzuentwickeln. Potentiale, wie die automatisierte Verdichtung der Khashaasreihen, die soziale Durchmischung und das von Seiten der Regierung eingeführte Landbesitzrecht sind die Faktoren, die bei diesem strategischen Eingriff entscheidend sind. Das Implementieren einer School PLUS führt zu einer Bildung von Unterzentren. Zusätzlich zum normalen Schulbetrieb gibt es in diesem Gebäudekomplex weitere
161
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
STRUKTURELLE ENTWICKLUNG DER GER- SETTLEMENTS VOR UND NACH DEM IMPLANTIEREN DER SCHOOL PLUS ENTWICKLUNGSSTUFE VOR DEM IMPLANTIEREN DER SCHOOL PLUS
ENTWICKLUNGSSTUFE NACH DEM IMPLANTIEREN DER SCHOOL PLUS
TYP 00
TYP 00
Grenze des Siedlungskontinuums
PERIPHERIE
Grenze des Siedlungskontinuums
Reduzierung des Typ 01 durch das Implantieren der Unterzentren TYP 01
TYP 01
Wegfall des Typ 02 durch Einführungen der Regulation der Gebäudeanordnung TYP 02
TYP 04
Wegfall des Typ 03 durch Einführungen der Regulation der Gebäudeanordnung TYP 03 Übergang zum sozialistischen Siedlungskern
TYP 05 Übergang zum [Unter-] Zentrum
[UNTER-] ZENTRUM
ABBILDUNG 35 Entwurf d. Verfasserin
162
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Bildungsmöglichkeiten, die den Bewohnern einen verantwortungsvollen und effizienteren Umgang mit ihrer nächsten Umgebung näher bringen. Die räumliche Entlastung bereits bestehender Schulen führt dazu, dass die Lokalitäten der School PLUS außerhalb der Unterrichtszeiten für weiterbildende aber auch kulturelle Veranstaltungen und Inszenierungen genutzt werden können. Dadurch erweist sich die School PLUS in den einzelnen Ger-Vierteln als eine Art Landmark und jeder Teilbereich bekommt seine eigene Identität. Durch Reglementierungen ergeben sich neue Khashaa Typen, welche eine nachhaltigere Anordnung der feststehenden Gebäudekomplexe auf den Khashaas vorsehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die genannten Satzungen nur einen Einstieg für ein kontrolliertes Ansiedeln darstellen und Aspekte, wie zum Beispiel Brandschutz, in einer weiteren Untersuchung bearbeitet werden müssen. Durch die neu eingeführten Gesetze soll zunächst das Verhältnis von Volumen zur Fläche so optimiert werden, dass ein geringerer Wärmeverlust der einzelnen Gebäude entsteht und städtebaulich ein Aufbruch von fest gefahrenen Strukturen erfolgen kann. Die Kombination aus Wissensvermittlung, einer steigenden Bewohnerdichte und einer sinnvolleren Volumenkonstellation begünstigt zudem die Unternehmensgründung in unmittelbarer Umgebung des neuen Unterzentrums. Dadurch ergeben sich neue Einkommensquellen und der öffentliche Raum wird zum Treffpunkt einer Gesellschaft. Zusätzliche Grundeinrichtungen, die bei der Errichtung einer School Plus mit inbegriffen sind, dienen als Servicesystem. Dies erspart den aufwendigen Ausbau einer gesamten Infrastruktur in einer ersten Entwicklungsphase und erleichtert dennoch den Bewohnern ihren Alltag. Im späteren
163
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Verlauf der Genese wird ein Ausbaus einer Zu- und Abwasser Versorgung mit der zunehmenden Bevölkerungsdichte rentabel. Die Ineffizienz des bestehenden Modells in der Mongolei zeigt sich im sozialistischen Stadtkern, wo täglich tausende Liter Wasser durch defekte Leitungen verloren gehen. Die genaue Ausführung sollte aber noch weiteren Recherchen unterliegen, bei denen aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen eine Alternative zu der uns bekannten Kanalisation ausfindig gemacht werden kann. Schlussfolgernd bleibt festzuhalten, dass es zum einen durch den strategischen Eingriff zu einem Prozess kommt, der es den Neuankömmlingen zunächst ermöglicht, ein Netzwerk zwischen ihrem Herkunftsort, der Ankunftsstadt und dem bestehenden Stadtkern zu schaffen und es zu pflegen. So gewinnen die Menschen ein Stück Sicherheit und Identität in einem zunächst fremdem Lebensraum. Zum anderen wandeln sich die Ger-Districts von einer ‚Schlafstätte’ zu einem lebendigen Ort, der den Menschen den erhofften wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg bieten kann. Die neuen Unterzentren dienen also nicht nur als Ort der Ankunft, sondern entlasten gleichzeitig den sozialistischen Stadtkern vom migrationsbedingten Druck. Es wird ein Prozess der eine Stadtgenese angestoßen, der nicht nur aus Top down Eingriffen beschlossen und gelenkt wird, sondern ein Zusammenspiel aus der Eigendynamik der Bewohner und dem Bestreben der Regierung bildet.
164
BILD 22 Quelle: http://www.welcome2mongolia.com
165
BILD 23 Quelle: http://masteremergencyarchitecture.com
166
QUELLENNACHWEIS
QUELLENNACHWEIS LITERATUR ALEXANDER, C. (1977) Christopher Alexander, A Pattern Language: Towns, Buildings, Construction BRUUN, O. ODGAARD, O. (1996) Ole Bruun | Ole Odgaard, Mongolia in Transition. Old Patterns, New Challenges CULLEN, G. (1971) Gordon Cullen, The Concise Townscape DARKAKIS-SMITH, D. (2000) David W. Darkakis-Smith, Third World Cities. 2nd Edition, Routledge Perspectives on Development DIERCKE WÖRTERBUCH (1997) Diercke-Wörterbuch Allgemeine Geographie, herausgegeben von Hartmut Leser EISINGER, A. (2006) Angelus Eisinger, Die Stadt der Architekten - Anatomie einer Selbstdemontag, Bauwelt Fundamente 131 FASSMANN, H. | MATZNETTER W. (2005) Heinz Fassmann | Walter Matznetter Stadtentwicklung in Ostmitteleuropa: Konvergenzen, Divergenzen, Transformation GREVE, J. (2012) Janna Greve, Megacities: Leben in getrennten Welten, ARCH+ 206/ 207 Juli 2012 Politsche Empirie, Globalisierung Verstädterung Wohnverhältnisse GRUNERT, J. | STOLZ, C. (2009) Prof. Dr. Jörg Grunert und Dr. Christian Stolz, Exkursionsführer - Mongolei 10. August - 2. September 2009 BAND 1 Ausarbeitungen zu den Referaten Johannes Gutenberg-Universität Mainz | Geographisches Institut GTZ (2008) GTZ Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, integrated Urban Development, An energy-efficient and environmentally friendly bath house for Ulaanbaatar‘s gersettlements, Preliminary survey, November 2008 HÄUSSERMANN H. | SIEBEL, W. (1987) Hartmut Häußermann | Walter Siebel, Neue Urbanität HOFMEISTER, B. (1993) Burkhard Hofmeister, Stadtgeographie, das geographische Seminar JICA (2009) Japan International Cooperation Agency (JICA) Ministry of Roads, Transportation, Construction and Urban Develpment | Ulaanbaatar City Goverment. The Study on City Master Plan and Urban Development Program of Ulaanbaatar City
167
QUELLENNACHWEIS
(UBMPS) Final Report Volume 1 LOFLAND, L. (1998) Lyn H. Lofland, The Public Realm. Exploring the city‘s quintessential social territory MITSCHERLICH, A.(1971) Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte Anstiftung zum Unfrieden NSOM (2004) National statistical office of Mongolia 2004 ROHRBACH, C. (2008) Carmen Rohrbach, Mongolei, Zu Pferd durch das Land der Winde ROWE, C. | KOETTER, F. (1984) Colin Rowe und Fred Koetter, Collage City SAUNDERS, D. (2011) Doug Saunders, Arrival City - Über alle Grenzen hinweg ziehen Millionen Menschen vom Lamd in die Städte. Von ihnen hängt unsere Zukunft ab. SPREITZHOFER, G. (2010) Günter Spreitzhofer, Megacities: Zwischen (Sub)urbanisierung und Globalisierung MURRAY, P. UND SZELENYI, I. (1984) Pearse Murray | Ivan Szelenyi, The city in the transition to socialism TARASCHEWSKI, T. (2008) Thomas Taraschweski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierender Entwicklung THE ENDLESS CITY (2007) The Urban Age Project by the London School of Economics and Deutsche Bank‘s Alfred Herrhausen Society UPRDI The Ulaanbaatar City urban planning Police and UB City “Master Plan“ up to 2020, Urban Planning, Research and Design Insititute. Ulaanbaatar City Goverment
INTERNET http://www.arte.tv http://www.associm.com http://www.eurasischesmagazin.de http://www.fes-online-akademie.de http://www.freundeskreis-mongolei.org http://www.ipicture.de http://www.isprs.org http://www.jica.go.jp http://www.stenudd.com http://unesdoc.unesco.org
168
QUELLENNACHWEIS
BILDER BILD 01 (Seite 6) Ágnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture BILD 02 (Seite 11) http://www.mongolian-art.de BILD 03 (Seite 15) http://upload.wikimedia.org BILD 04 (Seite 16) http://www.willwalkforsex.com BILD 05 (Seite 35) Ágnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture BILD 06 (Seite 40) Ágnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture BILD 07 (Seite 44|45) http://static.panoramio.com BILD 08 (Seite 56) Ágnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture BILD 09 (Seite 62) http://static.panoramio.com BILD 10 (Seite 69) http://static.panoramio.com BILD 11 (Seite 74|75) http://static.panoramio.com BILD 12 (Seite 76) http://static.panoramio.com BILD 13 (Seite 81) Google Earth BILD 14 (Seite 82|83) http://static.panoramio.com BILD 15 (Seite 95|97) http://static.panoramio.com BILD 16 (Seite 98|99) http://static.panoramio.com BILD 17 (Seite 104) http://static.panoramio.com BILD 18 (Seite 109) Google Earth BILD 19 (Seite 116) http://static.panoramio.com BILD 20 (Seite 119) http://static.panoramio.com BILD 21 (Seite 126) Ágnes Birtalan, Traditional Mongolian Culture BILD 22 (Seite 163) http://www.welcome2mongolia.com BILD 23 (Seite 164) http://masteremergencyarchitecture.com
169
QUELLENNACHWEIS
ABBILDUNGEN ABBILDUNG 01 (Seite 23) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: http://www.ipicture.de ABBILDUNG 02 (Seite 26|27) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 03 (Seite 28|29) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: http://www.ipicture.de ABBILDUNG 04 (Seite 32|33) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: http://www.ipicture.de | http://wikipedia.de ABBILDUNG 05 (Seite 34|35) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 06 (Seite 38|39) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 07 (Seite 40) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 08 (Seite 50) Quelle: Barthel 1988 ABBILDUNG 09 (Seite 54) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 10 (Seite 59) MIGRATIONRICHTUNG MONGOLEI, Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 11 (Seite 60) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 12 (Seite 64|65) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 13 (Seite 66|67) SCHEMATISCHE DARSTELLUNG UB 2003, Quelle: Gardemann, E. ABBILDUNG 14 (Seite 73) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 15 (Seite 78) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 16 (Seite 81) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 17 (Seite 84) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 18 (Seite 87) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 19 (Seite 90|91) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: GTZ 2008
170
QUELLENNACHWEIS
ABBILDUNG 20 (Seite 92|93) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 21 (Seite 94|95) Grafik: M. Reinhardt, Quelle: T. Taraschewski, Stadtentwicklung von Ulaanbaatar im Zeitalter fragmentierter Entwicklung ABBILDUNG 22 (Seite 100) MARSHALL TOWN, Quelle: GIZ, Gesellschaft Internationaler Zusammenarbeit ABBILDUNG 23 (Seite 112|113) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 24 (Seite 115) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 25 (Seite 122|123) Wruck, N., Das Bildungssystem: Schulen, Hochschulen, Akademie der Wissenschaft ABBILDUNG 26 (Seite 130|131) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 27 (Seite 135) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 28 (Seite 138) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 29 (Seite 140|141) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 30 (Seite 144) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 31 (Seite 146|147) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 32 (Seite 150|151) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 33 (Seite 154|155) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 33 (Seite 156) Entwurf d. Verfasserin ABBILDUNG 33 (Seite 160) Entwurf d. Verfasserin
171
Copyright © 2012. Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung, auch einzelner Teile, ist ohne Zustimmung der Verfasserin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die fotomechanische Vervielfältigung sowie Übernahme und Verarbeitung in EDV- Systeme. Druck und Bindung: Druckverlag Kettler, Bönen|Westfalen Printed in Germany
172
174