Muelheim rr 07 4

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MÜLHEIM

MÜLHEIM

— An der Ruhr: Mülheim von der Stadthalle aus gesehen. Links der Rathausturm, rechts das alte Stadtbad. Hier soll der Ruhrbania-Hafen entstehen.

Ufer. Von dort sieht man auf der anderen Flussseite die Stadthalle in der Sonne liegen – die Sonne sollte bei diesem Ausflug unbedingt scheinen. Denn dann erinnert die 1925 eröffnete Stadthalle mit ihren Arkaden sofort an einen venezianischen Palast, so wie die Architekten Pfeifer und Grossmann das gewollt haben. Zusammen mit üppigem Grün und der Wasserfontäne im Fluss erweckt dieser Anblick unweigerlich so etwas wie Urlaubsgefühl – wetten?

| Arkaden am Fluss

Mölm boowenaan

Beim Namen ihrer Stadt sind die

Mehr Ruhr als in Mülheim gibt’s nicht

gar nicht, wenn Mülheim mit zwei „h“

Mülheimer eigen. Erstens mögen sie’s

geschrieben wird. Zweitens bestehen sie auf dem Zusatz „an der Ruhr“. Dass sie „Stadt am Fluss“ sind, ist ihnen wichtig. Mit Recht.

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Ruhr Revue

Mehr denn je wirbt Mülheim mit der Lage seiner Innenstadt direkt am Wasser: „Mehr Ruhr geht nicht“, heißt es in einem Stadtprospekt. Das dürfte ein wenig übertrieben sein, zumal die Stadt selbst gerade intensiv an diesem Punkt arbeitet. Also sagen wir mal so: „Mehr Ruhr gibbet nich.“ Jedenfalls nicht im Ruhrgebiet. Ursprünglich war „an der Ruhr“ nur eine Arbeitserleichterung für Postbeamte, zur Unterscheidung von Mülheim am Rhein. Das ist unterdessen längst von

Köln geschluckt; außerdem gibt es ja Postleitzahlen. Das „an der Ruhr“ blieb, weil man sich damit vor allen anderen Städten des Reviers hervortun konnte. Keine liegt mit ihrem Zentrum so nah am Fluss. Und anders als viele Städte der Welt wendet Mülheim dem Wasser nicht bloß Schnellstraßen, Bahngleise und Fabrikhöfe zu. Man gehe, zum Beispiel, die zentrale Leineweberstraße von der Innenstadt Richtung Westen bis zur Ruhrbrücke und dann rechts treppab zum parkartigen

Man gehe nun wieder hinauf zur Brücke und über den Fluss. Ein Rundumblick zeigt, dass die Arkaden der Stadthalle sich hier gleich dreifach wiederfinden: links der Brücke am Verwaltungsgebäude des Wasserwerks und auf der östlichen Innenstadtseite am alten Hallenbad. Das hat schon was. Der rechte Fußweg der Brükke führt direkt in die seitliche Arkade der Stadthalle, man fühlt sich wie hineingezogen. Dort findet sich der Eingang zum Restaurant „Caruso“. Da lässt sich mediterran tafeln im Ambiente eines Marmorsaals, der dem Äußeren der Stadthalle in nichts nachsteht. Aber bitte – gegessen wird später! Wir gehen nämlich an der Stadthalle wieder hinunter zum Ufer, unter der Brücke hindurch und am Verwaltungsgebäude des Wasserwerks mit seinem Restaurant „Ruhrkristall“ vorbei. Mitten im Grünen flussaufwärts am Ufer entlang. Man könnte so weiter laufen über Saarn bis Kettwig und ein besonders schönes Stück Ruhrtal genießen, aber es geht ja um die Innenstadt. So gehen wir über die Kassenbergbrücke hinüber auf die Schleuseninsel: Wasser, Grün, die Boote der Weißen Flotte, und drüben am städtischen Ufer die Wohnanlage „Luisental“ im Bauhaus-Stil. Da kann man’s aushalten. Mitten in der Stadt. Doch nun von der Schleuseninsel wieder hinüber zum städtischen Ufer, dort flussabwärts durch den Park zurück

Ruhr Revue

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— An der Ruhr: Mülheim von der Stadthalle aus gesehen. Links der Rathausturm, rechts das alte Stadtbad. Hier soll der Ruhrbania-Hafen entstehen.

Ufer. Von dort sieht man auf der anderen Flussseite die Stadthalle in der Sonne liegen – die Sonne sollte bei diesem Ausflug unbedingt scheinen. Denn dann erinnert die 1925 eröffnete Stadthalle mit ihren Arkaden sofort an einen venezianischen Palast, so wie die Architekten Pfeifer und Grossmann das gewollt haben. Zusammen mit üppigem Grün und der Wasserfontäne im Fluss erweckt dieser Anblick unweigerlich so etwas wie Urlaubsgefühl – wetten?

| Arkaden am Fluss

Mölm boowenaan

Beim Namen ihrer Stadt sind die

Mehr Ruhr als in Mülheim gibt’s nicht

gar nicht, wenn Mülheim mit zwei „h“

Mülheimer eigen. Erstens mögen sie’s

geschrieben wird. Zweitens bestehen sie auf dem Zusatz „an der Ruhr“. Dass sie „Stadt am Fluss“ sind, ist ihnen wichtig. Mit Recht.

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Mehr denn je wirbt Mülheim mit der Lage seiner Innenstadt direkt am Wasser: „Mehr Ruhr geht nicht“, heißt es in einem Stadtprospekt. Das dürfte ein wenig übertrieben sein, zumal die Stadt selbst gerade intensiv an diesem Punkt arbeitet. Also sagen wir mal so: „Mehr Ruhr gibbet nich.“ Jedenfalls nicht im Ruhrgebiet. Ursprünglich war „an der Ruhr“ nur eine Arbeitserleichterung für Postbeamte, zur Unterscheidung von Mülheim am Rhein. Das ist unterdessen längst von

Köln geschluckt; außerdem gibt es ja Postleitzahlen. Das „an der Ruhr“ blieb, weil man sich damit vor allen anderen Städten des Reviers hervortun konnte. Keine liegt mit ihrem Zentrum so nah am Fluss. Und anders als viele Städte der Welt wendet Mülheim dem Wasser nicht bloß Schnellstraßen, Bahngleise und Fabrikhöfe zu. Man gehe, zum Beispiel, die zentrale Leineweberstraße von der Innenstadt Richtung Westen bis zur Ruhrbrücke und dann rechts treppab zum parkartigen

Man gehe nun wieder hinauf zur Brücke und über den Fluss. Ein Rundumblick zeigt, dass die Arkaden der Stadthalle sich hier gleich dreifach wiederfinden: links der Brücke am Verwaltungsgebäude des Wasserwerks und auf der östlichen Innenstadtseite am alten Hallenbad. Das hat schon was. Der rechte Fußweg der Brükke führt direkt in die seitliche Arkade der Stadthalle, man fühlt sich wie hineingezogen. Dort findet sich der Eingang zum Restaurant „Caruso“. Da lässt sich mediterran tafeln im Ambiente eines Marmorsaals, der dem Äußeren der Stadthalle in nichts nachsteht. Aber bitte – gegessen wird später! Wir gehen nämlich an der Stadthalle wieder hinunter zum Ufer, unter der Brücke hindurch und am Verwaltungsgebäude des Wasserwerks mit seinem Restaurant „Ruhrkristall“ vorbei. Mitten im Grünen flussaufwärts am Ufer entlang. Man könnte so weiter laufen über Saarn bis Kettwig und ein besonders schönes Stück Ruhrtal genießen, aber es geht ja um die Innenstadt. So gehen wir über die Kassenbergbrücke hinüber auf die Schleuseninsel: Wasser, Grün, die Boote der Weißen Flotte, und drüben am städtischen Ufer die Wohnanlage „Luisental“ im Bauhaus-Stil. Da kann man’s aushalten. Mitten in der Stadt. Doch nun von der Schleuseninsel wieder hinüber zum städtischen Ufer, dort flussabwärts durch den Park zurück

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MÜLHEIM

MÜLHEIM

— An der Ruhr: Mülheim von der Stadthalle aus gesehen. Links der Rathausturm, rechts das alte Stadtbad. Hier soll der Ruhrbania-Hafen entstehen.

Ufer. Von dort sieht man auf der anderen Flussseite die Stadthalle in der Sonne liegen – die Sonne sollte bei diesem Ausflug unbedingt scheinen. Denn dann erinnert die 1925 eröffnete Stadthalle mit ihren Arkaden sofort an einen venezianischen Palast, so wie die Architekten Pfeifer und Grossmann das gewollt haben. Zusammen mit üppigem Grün und der Wasserfontäne im Fluss erweckt dieser Anblick unweigerlich so etwas wie Urlaubsgefühl – wetten?

| Arkaden am Fluss

Mölm boowenaan

Beim Namen ihrer Stadt sind die

Mehr Ruhr als in Mülheim gibt’s nicht

gar nicht, wenn Mülheim mit zwei „h“

Mülheimer eigen. Erstens mögen sie’s

geschrieben wird. Zweitens bestehen sie auf dem Zusatz „an der Ruhr“. Dass sie „Stadt am Fluss“ sind, ist ihnen wichtig. Mit Recht.

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Mehr denn je wirbt Mülheim mit der Lage seiner Innenstadt direkt am Wasser: „Mehr Ruhr geht nicht“, heißt es in einem Stadtprospekt. Das dürfte ein wenig übertrieben sein, zumal die Stadt selbst gerade intensiv an diesem Punkt arbeitet. Also sagen wir mal so: „Mehr Ruhr gibbet nich.“ Jedenfalls nicht im Ruhrgebiet. Ursprünglich war „an der Ruhr“ nur eine Arbeitserleichterung für Postbeamte, zur Unterscheidung von Mülheim am Rhein. Das ist unterdessen längst von

Köln geschluckt; außerdem gibt es ja Postleitzahlen. Das „an der Ruhr“ blieb, weil man sich damit vor allen anderen Städten des Reviers hervortun konnte. Keine liegt mit ihrem Zentrum so nah am Fluss. Und anders als viele Städte der Welt wendet Mülheim dem Wasser nicht bloß Schnellstraßen, Bahngleise und Fabrikhöfe zu. Man gehe, zum Beispiel, die zentrale Leineweberstraße von der Innenstadt Richtung Westen bis zur Ruhrbrücke und dann rechts treppab zum parkartigen

Man gehe nun wieder hinauf zur Brücke und über den Fluss. Ein Rundumblick zeigt, dass die Arkaden der Stadthalle sich hier gleich dreifach wiederfinden: links der Brücke am Verwaltungsgebäude des Wasserwerks und auf der östlichen Innenstadtseite am alten Hallenbad. Das hat schon was. Der rechte Fußweg der Brükke führt direkt in die seitliche Arkade der Stadthalle, man fühlt sich wie hineingezogen. Dort findet sich der Eingang zum Restaurant „Caruso“. Da lässt sich mediterran tafeln im Ambiente eines Marmorsaals, der dem Äußeren der Stadthalle in nichts nachsteht. Aber bitte – gegessen wird später! Wir gehen nämlich an der Stadthalle wieder hinunter zum Ufer, unter der Brücke hindurch und am Verwaltungsgebäude des Wasserwerks mit seinem Restaurant „Ruhrkristall“ vorbei. Mitten im Grünen flussaufwärts am Ufer entlang. Man könnte so weiter laufen über Saarn bis Kettwig und ein besonders schönes Stück Ruhrtal genießen, aber es geht ja um die Innenstadt. So gehen wir über die Kassenbergbrücke hinüber auf die Schleuseninsel: Wasser, Grün, die Boote der Weißen Flotte, und drüben am städtischen Ufer die Wohnanlage „Luisental“ im Bauhaus-Stil. Da kann man’s aushalten. Mitten in der Stadt. Doch nun von der Schleuseninsel wieder hinüber zum städtischen Ufer, dort flussabwärts durch den Park zurück

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MÜLHEIM präsentiert vom Kölner

5. bis 28. November 2007

— Die Stadthalle – kultureller Mittelpunkt Mülheims. Rechts unten der modernisierte Eigang.

in Richtung Brücke. Die Straße „Delle“ führt in wenigen Minuten zum Stadtkern – und schon steht man am romantischen Aufgang zum Altstadt-„Kirchenhügel“. Jetzt bitte in den Biergarten des Restaurants „Mausefalle“. Der liegt direkt über dem alten Tunnelaufgang zur Altstadt und im Schatten der uralten Petrikirche. Dort noch ein Bier, ein Wasser oder einen Kaffee trinken und zugeben, dass dieser vielleicht einstündige Rundgang Sie überzeugt hat: Schöner kann man die Ruhr in keiner Stadt erleben.

| Broich und Mulinhem Der Fluss stand schon im Mittelpunkt, als um 884 beim westlichen Ufer die „älteste karolingische Festung nördlich der Alpen“ entstand; sie beherrschte den Übergang des Hellwegs über die Ruhr. Die Festung (später: Schloss) Broich steht, renoviert, noch heute. Etwas später bildete sich jenseits des Flusses auf dem „Kirchenhügel“ das Dörflein „Mulinhem“, aus welchem Namen Historiker schließen, dass die Geschichte Mülheims, zweites „h“ oder nicht, doch mit Mühlen begonnen hat.

Noch ehe Mülheim 1808 Stadt wurde, hatte die Idylle am Fluss ein vorübergehendes Ende. Die Ruhr nämlich wurde vom preußischen Staat bis nach Holzwickede schiffbar gemacht, und der Mülheimer Hafen in Nähe der heutigen Schlossbrücke wurde zum wichtigen Umschlagplatz, vor allem für Kohle. Mathias Stinnes, Sohn eines Schiffers, gründete eine Reederei und Kohlenhandlung, die schnell zu einem Großunternehmen anwuchs und auch mehrere Kohlenzechen im Ruhrgebiet umfasste. In rascher Folge

Kabarettfestival in Essen

— Grüne Idylle an der Schleuseninsel – nur ein paar hundert Meter von der Innenstadt entfernt.

Eröffnungsrevue in der Lichtburg 5. November 2006, 20 Uhr mit allen Künstlern Stargast Gaby Köster Newcomer Holger Edmaier Rebecca Carrington

Einzelgastspiele im Stratmanns Theater 14. November 2007, 20 Uhr, Lioba Albus und Andrea Badey spielen die „Pottsäue“ 22. November 2007, 20 Uhr, Florian Schroeder 26. November 2007, 20 Uhr, Fatih Çevikkollu 28. November 2007, 20 Uhr, Sia Korthaus

Kartenvorverkauf Für die Revue: Touristikzentrale Essen, Am Hauptbahnhof 2, T 0201/8872333 sowie an ausgesuchten Ticket-Online-Vorverkaufsstellen im Ruhrgebiet Für die Einzelgastspiele: Stratmanns Theater, Kennedyplatz 7, T 0201/8204060 www.spass-gesellschafts-abende.de

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MÜLHEIM präsentiert vom Kölner

5. bis 28. November 2007

— Die Stadthalle – kultureller Mittelpunkt Mülheims. Rechts unten der modernisierte Eigang.

in Richtung Brücke. Die Straße „Delle“ führt in wenigen Minuten zum Stadtkern – und schon steht man am romantischen Aufgang zum Altstadt-„Kirchenhügel“. Jetzt bitte in den Biergarten des Restaurants „Mausefalle“. Der liegt direkt über dem alten Tunnelaufgang zur Altstadt und im Schatten der uralten Petrikirche. Dort noch ein Bier, ein Wasser oder einen Kaffee trinken und zugeben, dass dieser vielleicht einstündige Rundgang Sie überzeugt hat: Schöner kann man die Ruhr in keiner Stadt erleben.

| Broich und Mulinhem Der Fluss stand schon im Mittelpunkt, als um 884 beim westlichen Ufer die „älteste karolingische Festung nördlich der Alpen“ entstand; sie beherrschte den Übergang des Hellwegs über die Ruhr. Die Festung (später: Schloss) Broich steht, renoviert, noch heute. Etwas später bildete sich jenseits des Flusses auf dem „Kirchenhügel“ das Dörflein „Mulinhem“, aus welchem Namen Historiker schließen, dass die Geschichte Mülheims, zweites „h“ oder nicht, doch mit Mühlen begonnen hat.

Noch ehe Mülheim 1808 Stadt wurde, hatte die Idylle am Fluss ein vorübergehendes Ende. Die Ruhr nämlich wurde vom preußischen Staat bis nach Holzwickede schiffbar gemacht, und der Mülheimer Hafen in Nähe der heutigen Schlossbrücke wurde zum wichtigen Umschlagplatz, vor allem für Kohle. Mathias Stinnes, Sohn eines Schiffers, gründete eine Reederei und Kohlenhandlung, die schnell zu einem Großunternehmen anwuchs und auch mehrere Kohlenzechen im Ruhrgebiet umfasste. In rascher Folge

Kabarettfestival in Essen

— Grüne Idylle an der Schleuseninsel – nur ein paar hundert Meter von der Innenstadt entfernt.

Eröffnungsrevue in der Lichtburg 5. November 2006, 20 Uhr mit allen Künstlern Stargast Gaby Köster Newcomer Holger Edmaier Rebecca Carrington

Einzelgastspiele im Stratmanns Theater 14. November 2007, 20 Uhr, Lioba Albus und Andrea Badey spielen die „Pottsäue“ 22. November 2007, 20 Uhr, Florian Schroeder 26. November 2007, 20 Uhr, Fatih Çevikkollu 28. November 2007, 20 Uhr, Sia Korthaus

Kartenvorverkauf Für die Revue: Touristikzentrale Essen, Am Hauptbahnhof 2, T 0201/8872333 sowie an ausgesuchten Ticket-Online-Vorverkaufsstellen im Ruhrgebiet Für die Einzelgastspiele: Stratmanns Theater, Kennedyplatz 7, T 0201/8204060 www.spass-gesellschafts-abende.de

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MÜLHEIM

MÜLHEIM

— An der Ruhr und über die Ruhr hinweg: Spaziergang flussaufwärts

siedelten sich in Mülheim eine Weberei an, mehrere Lederfabriken, und schließlich gründete Johann Dinnendahl, Bruder des berühmteren Franz, die FriedrichWilhelm-Hütte. Zum Glück für die Mülheimer Innenstadt entstand die Hütte, wo 1846 zum ersten Mal in Deutschland ein Hochofen mit Koks beheizt wurde, flussabwärts Richtung Styrum. Dort gründete August Thyssen später auch sein erstes Stahl-

werk, und dorthin wurde der Hafen verlegt, bis die Ruhrschifffahrt ganz eingestellt wurde. Die Lederfabriken konzentrierten sich am jenseitigen Ufer an der Straße nach Saarn, und die Weberei Troost wurde Ende des 19. Jahrhunderts geschlossen. Die großen Werke der Stinnes und Thyssen wuchsen anderenorts. So konnten an der innenstadtnahen Ruhr bald erste Grünflächen und Wohnhäuser entstehen.

— Dieser schlanke Turm steht in Styrum und wurde zum Wasser-Museum „Aquarius“ umgebaut.

Im 20. Jahrhundert setzte die Stadt neue, ruhrnahe Akzente. 1906 entstand das Stadtbad am Fluss als erster Arkadenbau. 1915 folgte nahebei das Rathaus von Pfeifer und Grossmann, und sie bauten dann auch Stadthalle und die Verwaltung des Wasserwerks am Fluss, in ähnlich italienischem Stil wie das Rathaus. Bei Eingemeindungen achteten die Stadtpolitiker darauf, Mülheim nur mäßig nach Norden auszudehnen und statt dessen im Westen, Süden und Osten ländliche Flächen aufzunehmen. So festigte Mülheim seinen Ruf als „grüne Stadt“.

| Wandel zum Handel Dieser Trend wurde verstärkt, als während der sechziger Jahre schon die letzte Mülheimer Zeche im Stadtteil Heißen schloss und die Stahlerzeugung in Styrum aufgegeben wurde. Der Strukturwandel kam früh in Mülheim, das ohnedies mehr vom Handel geprägt war als andere Revierstädte. Als große Unternehmen der Stadt etablierten sich, neben den Mannesmann-Röhrenwerken in Styrum, Siemens/ KWU (Kraftwerksbau), Wissoll/Tengelmann und Aldi-Süd (Lebensmittelhandel) – Grundlage für Mülheims Ruf als wohlhabende Stadt. Die Hinwendung zur Ruhr machte 1992 einen großen Schritt mit der „MüGa“, der Mülheimer Landesgarten-

schau. Sie wurde genutzt, um die grünen Ruhrufer mit Wanderwegen weiter zu erschließen; der eingangs geschilderte Rundweg wäre zuvor nicht möglich gewesen. Das Hauptgelände der damaligen Gartenschau liegt an der Ruhr westlich und nördlich der Stadthalle; jenseits einer breiten Straße wurde ein altes Bahngelände umgestaltet, das bis dahin das ehrwürdige Schloss Broich hässlich umklammert hatte. Jetzt ist es Teil des MüGa-Parks, samt Ringlokschuppen und Wasserturm, mit direkter Einbindung des Schlosses. Seit einiger Zeit arbeitet die Stadt am Projekt „Ruhrbania“, um Mülheim noch näher an die Ruhr zu bringen. So soll die breite Autostraße, die jetzt noch das Rathausviertel vom Ruhrufer trennt, verschwinden. Das östliche Ruhrufer gegenüber der Stadthalle soll eine neue Promenade mit Wohn- und Bürobauten erhalten, nebst Restaurants und einem Bootshafen. Dieser Aspekt der RuhrbaniaPlanung ist allerdings in der Stadt umstritten, weil dafür die bisherige Grünfläche am Fluss weichen muss.

Kaum umstritten ist dagegen die Ruhrbania-Idee von der „Museumsmeile“. Meile soll dabei heißen, dass die Museen mehr oder minder an der Ruhr entlang zu finden sind, auch wenn’s dabei ein wenig im Zickzack geht. Wie auch immer: Jetzt erst wird man ganz gewahr, wie viele originelle Museen die Stadt hat. In der Reihenfolge des MuseumsmeilenProspekts: 1. Kunstmuseum in der alten Post: Gleich in der Innenstadt wird Kunst des 20. Jahrhunderts gezeigt: eine respektable Expressionisten-Sammlung als Schwerpunkt darunter, außerdem zahlreiche Wechselausstellungen. 2. Aquarius Wassermuseum: In einem alten Styrumer Wasserturm am Ufer der Ruhr zeigen die RWW-Wasserwerke alles über – erraten. 3. Camera Obscura: Noch ein alter Wasserturm, diesmal ein Erbstück der Bahn im MüGa-Park. Oben der dunkle Raum, in den ein Periskop das Abbild der Außenwelt projiziert. Darunter ein erstaunliches Museum zur Vorgeschichte des Films.

— Noch zwei Türme: Bismarckturm (links) und Camera Obscura, zum Runtergucken und Reinschauen

Mülheims neue Kleider Wäre die Stadt Mülheim eine normale Frau, man bekäme sie zur Zeit wohl nicht zu Gesicht. Der Grund: Sie zieht sich gerade um. Frau Mülheim hat sich nämlich entschlossen, in Zukunft mehr ihren Typ zu unterstreichen und ist dabei, hierfür die Garderobe zu schneidern. – Aus 100 % Ruhrbania. In zwei Jahren will sie stolz vorm Spiegel stehen, umrahmt von ihrer begeisterten Familie mitsamt staunenden Gästen. Bis es soweit ist, sollte man sich taktvoll außerhalb ihres Intimbereichs aufhalten. Mein Vorschlag: In der sie umgebenden Natur, ihrer hinreißenden Flusslandschaft und ihren Wäldern. Wie dem Uhlenhorst. Schönere Wege zum Laufen und Gehen gibt es nirgendwo. Dann die Ruhr entlang. Leinpfad oder Deichweg Mintarder Straße. Man muss kein Zen-Mönch sein, um sich hier nach zwei Stunden wie neu zu fühlen. Von da oder dort am Mintarder Kirmesplatz angekommen, erklimmt der Sehnsüchtige die höchste Stufe der Befreiung von allem Irdischen, indem er über 85 Stufen zur Erkenntnis kommt: Oben auf dem Storchenturm Georch schließt er nach Wunsch des Künstlers die Augen und guckt nach innen. Danach hat er wieder den richtigen Blick für alles Schöne und schlendert die Düsseldorfer Straße entlang durchs malerische und vitale Saarn ...

Herz, was willst du? Noch mehr Mülheim? – Geduld!

Peter Torsten Schulz, M lheimer K nstler

Schönheit ist käuflich! Erleben Sie Polstermöbel, die Ihre Sinne berühren. Mit der neuen, eleganten Serie von Machalke. Zum Beispiel die abgebildete Winkelkombination aus strapazierfähigem Nappaleder. „Staunen“ Sie mal vorbei!

ab 2.995,00 Euro

Leineweberstr. 2 - 6 · 45468 Mülheim a.d. Ruhr Tel. 02 08/38 02 51 · Mo - Fr 9.30 - 19.00, Sa 9.30 - 16.00 Uhr

ªPetoschu ist der geistige Vater des ªOllen Hansen , einer vor 30 Jahren entstandenen Kunstfigur. Seit 40 Jahren ist er als Maler, Dichter und Fotograf aktiv, die letzten zehn davon in seinem Atelier im Dorf Saarn. Zum doppelten Jubil um ist im Juli Petoschus gro§formatige, reich bebilderte Autobiografie ªWas hier nicht ist, ist nirgendwo ? er schienen. Die Sparkasse M lheim widmet ihm vom 29. Oktober bis

www.moebel-vonderlinden.de

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— An der Ruhr und über die Ruhr hinweg: Spaziergang flussaufwärts

siedelten sich in Mülheim eine Weberei an, mehrere Lederfabriken, und schließlich gründete Johann Dinnendahl, Bruder des berühmteren Franz, die FriedrichWilhelm-Hütte. Zum Glück für die Mülheimer Innenstadt entstand die Hütte, wo 1846 zum ersten Mal in Deutschland ein Hochofen mit Koks beheizt wurde, flussabwärts Richtung Styrum. Dort gründete August Thyssen später auch sein erstes Stahl-

werk, und dorthin wurde der Hafen verlegt, bis die Ruhrschifffahrt ganz eingestellt wurde. Die Lederfabriken konzentrierten sich am jenseitigen Ufer an der Straße nach Saarn, und die Weberei Troost wurde Ende des 19. Jahrhunderts geschlossen. Die großen Werke der Stinnes und Thyssen wuchsen anderenorts. So konnten an der innenstadtnahen Ruhr bald erste Grünflächen und Wohnhäuser entstehen.

— Dieser schlanke Turm steht in Styrum und wurde zum Wasser-Museum „Aquarius“ umgebaut.

Im 20. Jahrhundert setzte die Stadt neue, ruhrnahe Akzente. 1906 entstand das Stadtbad am Fluss als erster Arkadenbau. 1915 folgte nahebei das Rathaus von Pfeifer und Grossmann, und sie bauten dann auch Stadthalle und die Verwaltung des Wasserwerks am Fluss, in ähnlich italienischem Stil wie das Rathaus. Bei Eingemeindungen achteten die Stadtpolitiker darauf, Mülheim nur mäßig nach Norden auszudehnen und statt dessen im Westen, Süden und Osten ländliche Flächen aufzunehmen. So festigte Mülheim seinen Ruf als „grüne Stadt“.

| Wandel zum Handel Dieser Trend wurde verstärkt, als während der sechziger Jahre schon die letzte Mülheimer Zeche im Stadtteil Heißen schloss und die Stahlerzeugung in Styrum aufgegeben wurde. Der Strukturwandel kam früh in Mülheim, das ohnedies mehr vom Handel geprägt war als andere Revierstädte. Als große Unternehmen der Stadt etablierten sich, neben den Mannesmann-Röhrenwerken in Styrum, Siemens/ KWU (Kraftwerksbau), Wissoll/Tengelmann und Aldi-Süd (Lebensmittelhandel) – Grundlage für Mülheims Ruf als wohlhabende Stadt. Die Hinwendung zur Ruhr machte 1992 einen großen Schritt mit der „MüGa“, der Mülheimer Landesgarten-

schau. Sie wurde genutzt, um die grünen Ruhrufer mit Wanderwegen weiter zu erschließen; der eingangs geschilderte Rundweg wäre zuvor nicht möglich gewesen. Das Hauptgelände der damaligen Gartenschau liegt an der Ruhr westlich und nördlich der Stadthalle; jenseits einer breiten Straße wurde ein altes Bahngelände umgestaltet, das bis dahin das ehrwürdige Schloss Broich hässlich umklammert hatte. Jetzt ist es Teil des MüGa-Parks, samt Ringlokschuppen und Wasserturm, mit direkter Einbindung des Schlosses. Seit einiger Zeit arbeitet die Stadt am Projekt „Ruhrbania“, um Mülheim noch näher an die Ruhr zu bringen. So soll die breite Autostraße, die jetzt noch das Rathausviertel vom Ruhrufer trennt, verschwinden. Das östliche Ruhrufer gegenüber der Stadthalle soll eine neue Promenade mit Wohn- und Bürobauten erhalten, nebst Restaurants und einem Bootshafen. Dieser Aspekt der RuhrbaniaPlanung ist allerdings in der Stadt umstritten, weil dafür die bisherige Grünfläche am Fluss weichen muss.

Kaum umstritten ist dagegen die Ruhrbania-Idee von der „Museumsmeile“. Meile soll dabei heißen, dass die Museen mehr oder minder an der Ruhr entlang zu finden sind, auch wenn’s dabei ein wenig im Zickzack geht. Wie auch immer: Jetzt erst wird man ganz gewahr, wie viele originelle Museen die Stadt hat. In der Reihenfolge des MuseumsmeilenProspekts: 1. Kunstmuseum in der alten Post: Gleich in der Innenstadt wird Kunst des 20. Jahrhunderts gezeigt: eine respektable Expressionisten-Sammlung als Schwerpunkt darunter, außerdem zahlreiche Wechselausstellungen. 2. Aquarius Wassermuseum: In einem alten Styrumer Wasserturm am Ufer der Ruhr zeigen die RWW-Wasserwerke alles über – erraten. 3. Camera Obscura: Noch ein alter Wasserturm, diesmal ein Erbstück der Bahn im MüGa-Park. Oben der dunkle Raum, in den ein Periskop das Abbild der Außenwelt projiziert. Darunter ein erstaunliches Museum zur Vorgeschichte des Films.

— Noch zwei Türme: Bismarckturm (links) und Camera Obscura, zum Runtergucken und Reinschauen

Mülheims neue Kleider Wäre die Stadt Mülheim eine normale Frau, man bekäme sie zur Zeit wohl nicht zu Gesicht. Der Grund: Sie zieht sich gerade um. Frau Mülheim hat sich nämlich entschlossen, in Zukunft mehr ihren Typ zu unterstreichen und ist dabei, hierfür die Garderobe zu schneidern. – Aus 100 % Ruhrbania. In zwei Jahren will sie stolz vorm Spiegel stehen, umrahmt von ihrer begeisterten Familie mitsamt staunenden Gästen. Bis es soweit ist, sollte man sich taktvoll außerhalb ihres Intimbereichs aufhalten. Mein Vorschlag: In der sie umgebenden Natur, ihrer hinreißenden Flusslandschaft und ihren Wäldern. Wie dem Uhlenhorst. Schönere Wege zum Laufen und Gehen gibt es nirgendwo. Dann die Ruhr entlang. Leinpfad oder Deichweg Mintarder Straße. Man muss kein Zen-Mönch sein, um sich hier nach zwei Stunden wie neu zu fühlen. Von da oder dort am Mintarder Kirmesplatz angekommen, erklimmt der Sehnsüchtige die höchste Stufe der Befreiung von allem Irdischen, indem er über 85 Stufen zur Erkenntnis kommt: Oben auf dem Storchenturm Georch schließt er nach Wunsch des Künstlers die Augen und guckt nach innen. Danach hat er wieder den richtigen Blick für alles Schöne und schlendert die Düsseldorfer Straße entlang durchs malerische und vitale Saarn ...

Herz, was willst du? Noch mehr Mülheim? – Geduld!

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Schönheit ist käuflich! Erleben Sie Polstermöbel, die Ihre Sinne berühren. Mit der neuen, eleganten Serie von Machalke. Zum Beispiel die abgebildete Winkelkombination aus strapazierfähigem Nappaleder. „Staunen“ Sie mal vorbei!

ab 2.995,00 Euro

Leineweberstr. 2 - 6 · 45468 Mülheim a.d. Ruhr Tel. 02 08/38 02 51 · Mo - Fr 9.30 - 19.00, Sa 9.30 - 16.00 Uhr

ªPetoschu ist der geistige Vater des ªOllen Hansen , einer vor 30 Jahren entstandenen Kunstfigur. Seit 40 Jahren ist er als Maler, Dichter und Fotograf aktiv, die letzten zehn davon in seinem Atelier im Dorf Saarn. Zum doppelten Jubil um ist im Juli Petoschus gro§formatige, reich bebilderte Autobiografie ªWas hier nicht ist, ist nirgendwo ? er schienen. Die Sparkasse M lheim widmet ihm vom 29. Oktober bis

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MÜLHEIM

MÜLHEIM

— Mülheim begann früh, seine „Weiße Flotte“ zu vermarkten. Dazu gehört seit Jahrzehnten der „Wasserbahnhof“ auf der Schleuseninsel.

4. Haus Ruhrnatur: noch ein RWW-Museum, diesmal zur Ökologie des Ruhrtals. 5. Leder- und Gerbermuseum: An der „Lederstraße“ nach Saarn gibt es nur noch zwei aktive Fabriken – dafür ein nagelneues Museum zum Thema. 6. Kloster Saarn: Dokumente aus 800 Jahren Klostergeschichte. 7. Historisches Museum im Schloss Broich: Blick in älteste Mülh-

eimer Geschichte. 8. Heimatmuseum Tersteegenhaus: In diesem Altstadt-Haus wohnte 20 Jahre lang der pietistische Prediger Gerhard Tersteegen. Die Ausstellung erinnert an ihn und an das Leben in Mülheim bis zum 19. Jahrhundert. 9. Büromuseum im Rathausturm: Welch passender Ort für eine Parade historischer Büromaschinen! Und dann kann man

— Der alte Ringlokschuppen im MüGa-Gelände ist heute bekannter Veranstaltungs-Ort.

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gleich das ganze Haus erkunden, ein richtig ehrwürdiges Rathaus, samt Bohnerwachsgeruch und anständigem Ratskeller, wo man gutbürgerlich „mölmsch“ essen kann.

| Da ist man platt: Mölmsch Mölmsch? So sagt man „Mülheimerisch“ auf – na, eben Mölmsch. Das ist das lokale Platt, welches man in Mölm sprach, ein „kleverländischer“ Dialekt, wie er ähnlich auch am Niederrhein und in den Niederlanden anzutreffen ist. Immer mehr Mölmsche bemühen sich um die Wiederbelebung und Bewahrung dieser Spezialität. „Mölm boowenaan“ ist sogar vom Namen einer Karnevalsgesellschaft fast zum Stadtmotto geworden: Mülheim obenauf, an der Spitze. Das klingt für ein Städtchen von 170.000 ziemlich eingebildet, aber die Mülheimer sind durchaus zur Selbstironie fähig – jedenfalls die Karnevalisten. So bildete sich nach dem Krieg ein Narrenverein, dessen Mitglieder großenteils auch zum Bund Hirnverletzter gehörten – sie nannten sich „Mölmsche Houltköpp“.

Das mag nun alles sehr brav und provinziell klingen, aber den Schuh gepflegter Langeweile muss sich Mülheim nicht anziehen lassen. Wir möchten nur eben an das „Theater an der Ruhr“ erinnern, das Roberto Ciulli vor über 25 Jahren draußen beim Solbad Raffelberg in Speldorf gegründet hat – heute ein gepriesenes Juwel in der deutschen Theaterlandschaft. Und schon seit 30 Jahren gibt es jedes Jahr die „Stücke“-Präsentation zur Vergabe des „Mülheimer Dramatikerpreises“. Nichts weniger als Provinz. Dann sollte man sich noch an beispielhafte Gewächse aus Mülheims freier Szene erinnern: Helge Schneider zum Beispiel, noch immer in Mülheim zu Hause, aber längst ein deutscher Star. Oder der sanfte Christoph Schlingensief, der routiniert die halbe Welt mit seinen Inszenierungen schockt. Jetzt sind wir aber wieder mal, genau wie in Gelsenkirchen, ins Schwärmen geraten und dabei kaum aus der Innenstadt herausgekommen. Was wir noch erwähnen sollten, wollten: Spazieren gehen im Witthausbusch, im ländlichen Menden,

— Schloss Styrum am Fuss des Aquarius-Turms: grüne Oase flussabwärts Richtung Duisburg

am Saarner Auwald, am Raffelberg oder im Broich-Speldorfer Wald. Weiße Flotte im Ruhrtal bis Kettwig. Das Dorf Saarn an der Ruhr („Mölm boowenaan, Ssaan obendrop“), womöglich der beste Ort in Mülheim zum gemütlichen Einkaufen, unter anderem mit meinem Lieblingsmetzger… Na gut, jetzt werden sie protestieren: in Speldorf vielleicht, in Heißen, auf dem Kirchenhügel in der Alt-

stadt, in der City-Schloßstraße oder im wirklich guten Einkaufszentrum „Forum“ beim Bahnhof. Ach – schauen Sie selbst. Die Mülheimer helfen wirklich gern; im Info-Zentrum auf der Schlossstraße haben sie jede Menge schöner Prospekte und Tour-Angebote. Die denken wirklich, Mülheim sei eine Reise wert. Und liegen damit nicht einmal falsch. ● -na


MÜLHEIM

MÜLHEIM

— Mülheim begann früh, seine „Weiße Flotte“ zu vermarkten. Dazu gehört seit Jahrzehnten der „Wasserbahnhof“ auf der Schleuseninsel.

4. Haus Ruhrnatur: noch ein RWW-Museum, diesmal zur Ökologie des Ruhrtals. 5. Leder- und Gerbermuseum: An der „Lederstraße“ nach Saarn gibt es nur noch zwei aktive Fabriken – dafür ein nagelneues Museum zum Thema. 6. Kloster Saarn: Dokumente aus 800 Jahren Klostergeschichte. 7. Historisches Museum im Schloss Broich: Blick in älteste Mülh-

eimer Geschichte. 8. Heimatmuseum Tersteegenhaus: In diesem Altstadt-Haus wohnte 20 Jahre lang der pietistische Prediger Gerhard Tersteegen. Die Ausstellung erinnert an ihn und an das Leben in Mülheim bis zum 19. Jahrhundert. 9. Büromuseum im Rathausturm: Welch passender Ort für eine Parade historischer Büromaschinen! Und dann kann man

— Der alte Ringlokschuppen im MüGa-Gelände ist heute bekannter Veranstaltungs-Ort.

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gleich das ganze Haus erkunden, ein richtig ehrwürdiges Rathaus, samt Bohnerwachsgeruch und anständigem Ratskeller, wo man gutbürgerlich „mölmsch“ essen kann.

| Da ist man platt: Mölmsch Mölmsch? So sagt man „Mülheimerisch“ auf – na, eben Mölmsch. Das ist das lokale Platt, welches man in Mölm sprach, ein „kleverländischer“ Dialekt, wie er ähnlich auch am Niederrhein und in den Niederlanden anzutreffen ist. Immer mehr Mölmsche bemühen sich um die Wiederbelebung und Bewahrung dieser Spezialität. „Mölm boowenaan“ ist sogar vom Namen einer Karnevalsgesellschaft fast zum Stadtmotto geworden: Mülheim obenauf, an der Spitze. Das klingt für ein Städtchen von 170.000 ziemlich eingebildet, aber die Mülheimer sind durchaus zur Selbstironie fähig – jedenfalls die Karnevalisten. So bildete sich nach dem Krieg ein Narrenverein, dessen Mitglieder großenteils auch zum Bund Hirnverletzter gehörten – sie nannten sich „Mölmsche Houltköpp“.

Das mag nun alles sehr brav und provinziell klingen, aber den Schuh gepflegter Langeweile muss sich Mülheim nicht anziehen lassen. Wir möchten nur eben an das „Theater an der Ruhr“ erinnern, das Roberto Ciulli vor über 25 Jahren draußen beim Solbad Raffelberg in Speldorf gegründet hat – heute ein gepriesenes Juwel in der deutschen Theaterlandschaft. Und schon seit 30 Jahren gibt es jedes Jahr die „Stücke“-Präsentation zur Vergabe des „Mülheimer Dramatikerpreises“. Nichts weniger als Provinz. Dann sollte man sich noch an beispielhafte Gewächse aus Mülheims freier Szene erinnern: Helge Schneider zum Beispiel, noch immer in Mülheim zu Hause, aber längst ein deutscher Star. Oder der sanfte Christoph Schlingensief, der routiniert die halbe Welt mit seinen Inszenierungen schockt. Jetzt sind wir aber wieder mal, genau wie in Gelsenkirchen, ins Schwärmen geraten und dabei kaum aus der Innenstadt herausgekommen. Was wir noch erwähnen sollten, wollten: Spazieren gehen im Witthausbusch, im ländlichen Menden,

— Schloss Styrum am Fuss des Aquarius-Turms: grüne Oase flussabwärts Richtung Duisburg

am Saarner Auwald, am Raffelberg oder im Broich-Speldorfer Wald. Weiße Flotte im Ruhrtal bis Kettwig. Das Dorf Saarn an der Ruhr („Mölm boowenaan, Ssaan obendrop“), womöglich der beste Ort in Mülheim zum gemütlichen Einkaufen, unter anderem mit meinem Lieblingsmetzger… Na gut, jetzt werden sie protestieren: in Speldorf vielleicht, in Heißen, auf dem Kirchenhügel in der Alt-

stadt, in der City-Schloßstraße oder im wirklich guten Einkaufszentrum „Forum“ beim Bahnhof. Ach – schauen Sie selbst. Die Mülheimer helfen wirklich gern; im Info-Zentrum auf der Schlossstraße haben sie jede Menge schöner Prospekte und Tour-Angebote. Die denken wirklich, Mülheim sei eine Reise wert. Und liegen damit nicht einmal falsch. ● -na


commedia

MÜLHEIM

ESSEN:?HAUMANNPLATZ ESSEN: HAUMANNPLATZ

4 Dr. Gerhard Schmidt 4 Dr. Jochen Schmidt Ausgepr gtes Wissen, kompetente Erfahrung, ?kreati 4 Dr. Emil Huber 4 Dr. Bernd Klein LL.M. ves Mitdenken, konzeptionelle Phantasie, durchset ? 4 Dr. Manfred Friedrich zungsstarke Prozessf hrung. 4 Dr. Franz?Josef Dahm 4 Dr. Carl Otto Stucke 4 Dr. Christiane Wilkening Wir wissen das. Und versuchen, diesem Anspruch 4 Dr. Till Wegmann tagt glich gerecht zu werden. Darauf beruht das4 Dr. Almut Gathmann M.A. 4 Dr. Regine Cramer Vertrauen der Unternehmer und Unternehmen,? Frei4 Dr. Notker L tzenrath LL.M. berufler und Einzelpersonen, die wir betreuen ? —4teil Dr. Rainer Burghardt 4 Dr. Ulf Rademacher weise seit Jahrzehnten. 4 Dr. Stefan B une 4 Dr. Lars Kolks Unsere Aufgaben sind immer dieselben: Optimale 4 Dr. Daniel Fischer

— Könnte auch in Harvestehude stehen: Villa an der „Straße der Millionäre“.

Was erwarten Mandanten von ihren Anw lten?

Haumannplatz 28/30 ¥ 45130 Essen ¥ www.soh.de

Schöner Wohnen für Millionäre Mülheim ist die Stadt der Super-Villen Mülheim war und ist wohlhabend, und das sieht man. Kaum eine andere Stadt im Ruhrgebiet beherbergt so viele prächtige bis schlossartige Villen. Ganz nah bei der Innenstadt gibt es sogar eine „Straße der Millionäre“.

Eigentlich ist es nur ein Teilstück der Friedrichstraße, aber die findigen Mülheimer Tourismusleute haben den Millionärs-Namen inzwischen einigermaßen etabliert. Wer an der Straße vorbeikommt, dem fällt sie ohnedies auf. Selbst wenn man vorher zur Durchgangsstraße links abbiegt, bleibt der kurze Eindruck haften: Was war das denn?

Das war, von 1880 an, eine Art Kleinsiedlung wirklich begüterter Mülheimer. Textil- und Lederfabrikanten, Bankiers ließen eine Prachtvilla neben der anderen bauen: Man war unter sich und doch ganz nah an der Stadt, nur einen Steinwurf von der Ruhr entfernt und auch gar nicht so weit von einigen der Industriebetriebe. Auf der anderen Straßenseite ent-

stand eine geschlossene Reihe aufwendig verzierter Etagenhäuser. Nicht für die ganz Reichen, aber gewiss fürs höhere Bürgerturm. Weil Villen wie Hausreihe vorwiegend in Weiß oder hellen Tönen gestrichen sind, fühlt man sich fast ins vornehme Hamburger Harvestehude versetzt. In der Zwischenkriegszeit setzte die Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft einen ganz anderen, modernen WohnAkzent: In der Friedrichstraße selbst findet sich ein bemerkenswerter rechteckiger Wohnblock, um einen Innenhof herumgebaut. Und ein paar Meter weiter ruhrwärts, direkt am Wasserbahnhof liegt

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ESSEN:?HAUMANNPLATZ ESSEN: HAUMANNPLATZ

4 Dr. Gerhard Schmidt 4 Dr. Jochen Schmidt Ausgepr gtes Wissen, kompetente Erfahrung, ?kreati 4 Dr. Emil Huber 4 Dr. Bernd Klein LL.M. ves Mitdenken, konzeptionelle Phantasie, durchset ? 4 Dr. Manfred Friedrich zungsstarke Prozessf hrung. 4 Dr. Franz?Josef Dahm 4 Dr. Carl Otto Stucke 4 Dr. Christiane Wilkening Wir wissen das. Und versuchen, diesem Anspruch 4 Dr. Till Wegmann tagt glich gerecht zu werden. Darauf beruht das4 Dr. Almut Gathmann M.A. 4 Dr. Regine Cramer Vertrauen der Unternehmer und Unternehmen,? Frei4 Dr. Notker L tzenrath LL.M. berufler und Einzelpersonen, die wir betreuen ? —4teil Dr. Rainer Burghardt 4 Dr. Ulf Rademacher weise seit Jahrzehnten. 4 Dr. Stefan B une 4 Dr. Lars Kolks Unsere Aufgaben sind immer dieselben: Optimale 4 Dr. Daniel Fischer

— Könnte auch in Harvestehude stehen: Villa an der „Straße der Millionäre“.

Was erwarten Mandanten von ihren Anw lten?

Haumannplatz 28/30 ¥ 45130 Essen ¥ www.soh.de

Schöner Wohnen für Millionäre Mülheim ist die Stadt der Super-Villen Mülheim war und ist wohlhabend, und das sieht man. Kaum eine andere Stadt im Ruhrgebiet beherbergt so viele prächtige bis schlossartige Villen. Ganz nah bei der Innenstadt gibt es sogar eine „Straße der Millionäre“.

Eigentlich ist es nur ein Teilstück der Friedrichstraße, aber die findigen Mülheimer Tourismusleute haben den Millionärs-Namen inzwischen einigermaßen etabliert. Wer an der Straße vorbeikommt, dem fällt sie ohnedies auf. Selbst wenn man vorher zur Durchgangsstraße links abbiegt, bleibt der kurze Eindruck haften: Was war das denn?

Das war, von 1880 an, eine Art Kleinsiedlung wirklich begüterter Mülheimer. Textil- und Lederfabrikanten, Bankiers ließen eine Prachtvilla neben der anderen bauen: Man war unter sich und doch ganz nah an der Stadt, nur einen Steinwurf von der Ruhr entfernt und auch gar nicht so weit von einigen der Industriebetriebe. Auf der anderen Straßenseite ent-

stand eine geschlossene Reihe aufwendig verzierter Etagenhäuser. Nicht für die ganz Reichen, aber gewiss fürs höhere Bürgerturm. Weil Villen wie Hausreihe vorwiegend in Weiß oder hellen Tönen gestrichen sind, fühlt man sich fast ins vornehme Hamburger Harvestehude versetzt. In der Zwischenkriegszeit setzte die Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft einen ganz anderen, modernen WohnAkzent: In der Friedrichstraße selbst findet sich ein bemerkenswerter rechteckiger Wohnblock, um einen Innenhof herumgebaut. Und ein paar Meter weiter ruhrwärts, direkt am Wasserbahnhof liegt

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MÜLHEIM

— Die Villen liegen gegenüber – doch auch die Häuserreihe an der Friedrichstraße wirkt gediegen.

die große Wohnsiedlung „Luisental“ im Bauhausstil, mit den typisch um die Ecken gezogenen Fenstern. Zweifellos eine höchst bevorzugte Lage, wenn auch nicht eben für Millionäre. Der Block ist weitgehend original erhalten, nur die angebauten Balkone trüben den Eindruck etwas, auch wenn die Bewohner sich drüber gefreut haben werden.

| Thyssen und Stinnes Die Millionäre wären wohl entsetzt gewesen über so viele neue Nachbarn – aber sie hatten sich da längst anderweitig orientiert, ruhigere Viertel gefunden, noch größere Häuser gebaut. Eine der bekanntesten Unternehmervillen steht nur ein paar hundert Meter von der Friedrich-Straße entfernt: Im Jahr 1900 gönnte Joseph Thyssen sich diese neobarocke Schönheit, mit einem riesigen Park, der direkt hinunter bis an die Ruhr reicht. Joseph Thyssen war der Bruder von August Thyssen. Der ließ es ein paar Jahre später nicht mehr mit einer Villa bewenden und bezog gleich ein Schloss: Landsberg – bei Kettwig, aber auf Ratinger Boden. 42 |

Ruhr Revue

Oberhalb der Thyssen-Villa, am Kahlenberg über der Ruhr, ließ sich der Lederfabrikant Coupienne eine Prachtvilla bauen, „Haus Urge“ genannt. Mülheimer erklärten sich den seltsamen Namen gern mit der Auflösung „unser Reichtum gestattet es“. Von 1924 an lebte dort Hugo Stinnes jr., der Sohn des plötzlich verstorbenen Hugo senior, der als „Kaufmann aus Mülheim“ aus der Firma seines Großvaters Mathias jenes kurzlebige Riesen-Imperium errichtet hatte, das seine Beschäftigten gern als „Stinnesien“ bezeichneten. Am Kahlenberg, beim Bismarckturm und dem berühmten Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohleforschung, entstand eines der

gediegensten Villenviertel Mülheims, wenn nicht der ganzen Region. Ein Spaziergang dort oben, immer noch sehr innenstadtnah, ist sehr zu empfehlen. Villenviertel gibt es darüber hinaus auch am „Oppspring“, in Speldorf am Raffelberg, in Uhlenhorst. — Üppige Verzierungen wie in der Friedrichstraße waren vor Bauhaus-Zeiten noch nicht verpönt.

— Sie wussten zu repräsentieren, die Millionäre in der Friedrichstraße. Heutzutage werden die meisten der Prachthäuser von Büros oder Praxen genutzt.

Der alte Hugo Stinnes aber war beteiligt an einem Projekt, das die Mülheimer Bemühungen um „Schöner Wohnen für Superreiche“ auf die Spitze trieb. Im Wald an der Stadtgrenze zu Duisburg entstand nämlich 1909 das Projekt der „Broich- Speldorfer Wald- und Gartenstadt AG“. Diese Gartenstadt sollte keineswegs Wohnraum für schuftende Arbeiter und ihre Familien bieten, sondern Riesengrundstücke für Unternehmer, denen es, so die einfühlsamen Planer, „ein immer dringenderes Bedürfnis“ sei, „ein Heim in stillem Waldesfrieden, in herrlich gesunder Luft“ zu finden. Mit — Links die Thyssen-Villa an der Dohne. Rechts moderner Wohnbau in der Millionärs-Straße.

anderen Worten: dem Lärm und Gestank ihrer eigenen Werke zu entfliehen. Die Werbebroschüre behauptete sogar allen Ernstes: „Die Wohnungsfrage ist für den rheinisch-westfälischen Industriellen fast brennender als für alle anderen Stände.“ Bei diesem fast satirisch anmutenden Satz ahnt man allerdings schon, dass da ein paar allzu Schlaue den Bogen überspannt hatten.

| Zu schlau gedacht Nicht nur tat sich die Stadt Mülheim schwer damit, dass sie den Superreichen auch noch die Wege-Infrastruktur vor die Paläste legen sollte. Es fanden sich einfach nicht genug Interessenten für das Projekt. Emil Kirdorf, reaktionärer Manager der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, ließ seinen „Streithof“ dort bauen. Gerhard Küchen, Unternehmer und Vetter von Hugo Stinnes senior, baute sein Riesen-„Haus Küchen“. Der alte Hugo Stinnes wollte sich ebenfalls dort ansiedeln, obwohl er sowohl mit Kirdorf wie mit Vetter Küchen beruflich über Kreuz war, aber er starb, ehe sein Wohnhaus Gestalt annehmen konnte. In den dreißiger Jahren löste sich die Gesellschaft auf. Der Wald blieb; möglicherweise hat das abstruse Projekt immerhin seine Zersiedlung verhindert. Die wenigen verstreuten Häuser dienen längst als Domizile für Firmen, Kliniken oder andere Institutionen. Das gilt für die meisten der ganz großen Industriellenvillen in Mülheim. Niemand will oder kann heute noch mit solch privaten Prachtbauten „Urge“ sagen: unser Reichtum gestattet es. ● -na

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— Die Villen liegen gegenüber – doch auch die Häuserreihe an der Friedrichstraße wirkt gediegen.

die große Wohnsiedlung „Luisental“ im Bauhausstil, mit den typisch um die Ecken gezogenen Fenstern. Zweifellos eine höchst bevorzugte Lage, wenn auch nicht eben für Millionäre. Der Block ist weitgehend original erhalten, nur die angebauten Balkone trüben den Eindruck etwas, auch wenn die Bewohner sich drüber gefreut haben werden.

| Thyssen und Stinnes Die Millionäre wären wohl entsetzt gewesen über so viele neue Nachbarn – aber sie hatten sich da längst anderweitig orientiert, ruhigere Viertel gefunden, noch größere Häuser gebaut. Eine der bekanntesten Unternehmervillen steht nur ein paar hundert Meter von der Friedrich-Straße entfernt: Im Jahr 1900 gönnte Joseph Thyssen sich diese neobarocke Schönheit, mit einem riesigen Park, der direkt hinunter bis an die Ruhr reicht. Joseph Thyssen war der Bruder von August Thyssen. Der ließ es ein paar Jahre später nicht mehr mit einer Villa bewenden und bezog gleich ein Schloss: Landsberg – bei Kettwig, aber auf Ratinger Boden. 42 |

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Oberhalb der Thyssen-Villa, am Kahlenberg über der Ruhr, ließ sich der Lederfabrikant Coupienne eine Prachtvilla bauen, „Haus Urge“ genannt. Mülheimer erklärten sich den seltsamen Namen gern mit der Auflösung „unser Reichtum gestattet es“. Von 1924 an lebte dort Hugo Stinnes jr., der Sohn des plötzlich verstorbenen Hugo senior, der als „Kaufmann aus Mülheim“ aus der Firma seines Großvaters Mathias jenes kurzlebige Riesen-Imperium errichtet hatte, das seine Beschäftigten gern als „Stinnesien“ bezeichneten. Am Kahlenberg, beim Bismarckturm und dem berühmten Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohleforschung, entstand eines der

gediegensten Villenviertel Mülheims, wenn nicht der ganzen Region. Ein Spaziergang dort oben, immer noch sehr innenstadtnah, ist sehr zu empfehlen. Villenviertel gibt es darüber hinaus auch am „Oppspring“, in Speldorf am Raffelberg, in Uhlenhorst. — Üppige Verzierungen wie in der Friedrichstraße waren vor Bauhaus-Zeiten noch nicht verpönt.

— Sie wussten zu repräsentieren, die Millionäre in der Friedrichstraße. Heutzutage werden die meisten der Prachthäuser von Büros oder Praxen genutzt.

Der alte Hugo Stinnes aber war beteiligt an einem Projekt, das die Mülheimer Bemühungen um „Schöner Wohnen für Superreiche“ auf die Spitze trieb. Im Wald an der Stadtgrenze zu Duisburg entstand nämlich 1909 das Projekt der „Broich- Speldorfer Wald- und Gartenstadt AG“. Diese Gartenstadt sollte keineswegs Wohnraum für schuftende Arbeiter und ihre Familien bieten, sondern Riesengrundstücke für Unternehmer, denen es, so die einfühlsamen Planer, „ein immer dringenderes Bedürfnis“ sei, „ein Heim in stillem Waldesfrieden, in herrlich gesunder Luft“ zu finden. Mit — Links die Thyssen-Villa an der Dohne. Rechts moderner Wohnbau in der Millionärs-Straße.

anderen Worten: dem Lärm und Gestank ihrer eigenen Werke zu entfliehen. Die Werbebroschüre behauptete sogar allen Ernstes: „Die Wohnungsfrage ist für den rheinisch-westfälischen Industriellen fast brennender als für alle anderen Stände.“ Bei diesem fast satirisch anmutenden Satz ahnt man allerdings schon, dass da ein paar allzu Schlaue den Bogen überspannt hatten.

| Zu schlau gedacht Nicht nur tat sich die Stadt Mülheim schwer damit, dass sie den Superreichen auch noch die Wege-Infrastruktur vor die Paläste legen sollte. Es fanden sich einfach nicht genug Interessenten für das Projekt. Emil Kirdorf, reaktionärer Manager der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, ließ seinen „Streithof“ dort bauen. Gerhard Küchen, Unternehmer und Vetter von Hugo Stinnes senior, baute sein Riesen-„Haus Küchen“. Der alte Hugo Stinnes wollte sich ebenfalls dort ansiedeln, obwohl er sowohl mit Kirdorf wie mit Vetter Küchen beruflich über Kreuz war, aber er starb, ehe sein Wohnhaus Gestalt annehmen konnte. In den dreißiger Jahren löste sich die Gesellschaft auf. Der Wald blieb; möglicherweise hat das abstruse Projekt immerhin seine Zersiedlung verhindert. Die wenigen verstreuten Häuser dienen längst als Domizile für Firmen, Kliniken oder andere Institutionen. Das gilt für die meisten der ganz großen Industriellenvillen in Mülheim. Niemand will oder kann heute noch mit solch privaten Prachtbauten „Urge“ sagen: unser Reichtum gestattet es. ● -na

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