KUNST
KUNST
Helmut Bettenhausen
„Grabe, wo du stehst“ Avantgarde – der Begriff ist nicht mehr sehr hilfreich, wenn es um die Beschreibung zeitgenössischer Kunst geht. Helmut Bettenhausen darf man dennoch einen Vorreiter nennen. Denn die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet und seinen Industriebauten hat er schon zu seinem Thema gemacht, als an IBA und „2010“ noch kein Mensch gedacht hat. „Kunst auf der Emscher— Helmut Bettenhausen zwischen einer stählernen Arbeit (links) und einer Variation seines Themas „Ortsbrust“; angeregt durch
insel“ lebt Bettenhausen seit 1964.
eine Grubenfahrt knapp 1000 Meter unter seinem Atelier.
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Ruhr Revue
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Helmut Bettenhausen
„Grabe, wo du stehst“ Avantgarde – der Begriff ist nicht mehr sehr hilfreich, wenn es um die Beschreibung zeitgenössischer Kunst geht. Helmut Bettenhausen darf man dennoch einen Vorreiter nennen. Denn die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet und seinen Industriebauten hat er schon zu seinem Thema gemacht, als an IBA und „2010“ noch kein Mensch gedacht hat. „Kunst auf der Emscher— Helmut Bettenhausen zwischen einer stählernen Arbeit (links) und einer Variation seines Themas „Ortsbrust“; angeregt durch
insel“ lebt Bettenhausen seit 1964.
eine Grubenfahrt knapp 1000 Meter unter seinem Atelier.
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Helmut Bettenhausen
„Grabe, wo du stehst“ Avantgarde – der Begriff ist nicht mehr sehr hilfreich, wenn es um die Beschreibung zeitgenössischer Kunst geht. Helmut Bettenhausen darf man dennoch einen Vorreiter nennen. Denn die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet und seinen Industriebauten hat er schon zu seinem Thema gemacht, als an IBA und „2010“ noch kein Mensch gedacht hat. „Kunst auf der Emscher— Helmut Bettenhausen zwischen einer stählernen Arbeit (links) und einer Variation seines Themas „Ortsbrust“; angeregt durch
insel“ lebt Bettenhausen seit 1964.
eine Grubenfahrt knapp 1000 Meter unter seinem Atelier.
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KUNST
YOUNG BAROQUE AT BECK Samstag, 12. Juni 2010 Großes Barockfest zur Kulturhauptstadt RUHR 2010 Kinder-Barockfest · ab 14.00 Uhr • mit Pferdedressur, Trapezkünstler, Märchenerzähler, Ballett und Musik • Eintrittspreis: 10,00 EUR p. P., inkl. Freizeitpark von 9.00 – 18.00 Uhr
Großes Barockfest · ab 19.00 Uhr • Musikalisches und Kulinarisches aus der Barockzeit • Sommertafel im Schlosshof • Trapezshow u. a. Artisten • Barocktänze • Illuminationen im ganzen Park
Geboren wurde Helmut Bettenhausen 1935 in Wanne-Eickel. Sein Vater arbeitete auf der Zeche „Unser Fritz“, die Familie wohnte in der Zechenkolonie, und Helmut wäre womöglich auch Bergmann geworden, wenn sein Vater das nicht verhindert hätte. So machte der junge Mann mit 14 eine Malerlehre und arbeitete als Anstreicher in der Industrie. Bettenhausen selbst spricht drastisch von seiner Zeit als „Eisenwichser“ – so lautete der Titel eines erfolgreichen Theaterstücks von 1970. Es handelt von den Erfahrungen eines Anstreichers mit giftigen Farben. Bettenhausen hat sich darin wiedererkannt: An beengten Arbeitsplätzen benebelten Farbdämpfe auch ihn zuweilen so stark, dass er wie berauscht war. Das war nicht nur unangenehm, das ging auf die Gesundheit. Der junge Bettenhausen musste sich einen anderen Beruf suchen, schulte um zum grafischen Zeichner, studierte angewandte Grafik an der Folkwang-Hochschule. Durch Zufall fand er einen Job im Planungsamt seiner Heimatstadt Wanne-Eickel. Als die sich 1975 mit Herne zusammenschloss, kam Bettenhausen dort als Grafiker zur Öffentlichkeitsarbeit und blieb bis zur Pensionierung. Besonders als Plakatdesigner hat er sich dort auch überregional einen Namen gemacht. Aber sein früher Flirt mit der Kunst hatte sich schon früh zu einer ernsten Affäre entwickelt, die er mit großer Intensität neben dem bürgerlichen Beruf weitertrieb.
welche aus den 60er Jahren, und es gibt welche aus den 90ern. Ein Lebensthema, und es fällt nicht schwer, darin die Inspiration durch viele genietete Metallflächen zu erkennen, die Bettenhausen einst angestrichen hat. Ein Atelier fand Helmut Bettenhausen 1964 auf der Zeche Unser Fritz 2/3. Da wurde zwar nicht mehr gefördert, aber als Außenanlage von „Consolidation“ war Unser Fritz noch aktiv. Ein Raum, das hatte Bettenhausen erfahren, stand leer. Er durfte dort einziehen und arbeitete acht Jahre lang allein unter Kumpeln. Als 1972 mehr Räume frei wurden, holte Bettenhausen andere Künstler dazu: Maler, Fotografen, Musiker. Obwohl Unser Fritz bis Anfang der neunziger Jahre Bergbaustandort war, wandelte sich die Kohlenzeche doch immer mehr zur Künstlerzeche; Ausstellungen und Konzerte in zwei Räumen der ehemaligen Kaue machten Unser Fritz allmählich zum Kulturzentrum zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal. Die Bushaltestelle heißt mittlerweile auch „Künstlerzeche“, und damit ist es wohl amtlich.
| Allen voran mit B1 Auch bevor Kollegen zu ihm auf die Zeche kamen, war Helmut Bettenhausen Teil der damaligen Szene junger Künstler und schloss sich verschiedenen Gruppen an. Die bekannteste war, obwohl sehr kurzlebig, „B1“. Neben Bettenhausen waren das Bernd Damke, Günter Dohr, Rolf Glasmeier, Kuno Gonschior, Friedrich Gräsel, Ewerdt Hilgemann, Franz-Rudolf Knubel, Ferdinand Spindel und Günter Tollmann. Sie wollten 1968 das Ruhrgebiet nicht nur künstlerisch verarbeiten, sondern gestalten. Die schon damals
• Videoprojektion auf das Herrenhaus • Feuerwerk und Feuershow • Eintrittspreis p. P.: Vorverkauf: 12,00 EUR Abendkasse: 14,00 EUR Nähere Informationen: www.schloss-beck.de
Am Dornbusch 39 · 46244 Bottrop - Kirchhellen Tel.: 02045 5134 · E-Mail: becki@schloss-beck.de
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Ruhr Revue
| Strukturen und Oberflächen Die ersten Zeichnungen und Grafiken waren noch naturnahe Wiedergaben dessen, was er um sich herum sah. Dann setzte er sich in zunehmend abstrakten Formen mit dem auseinander, was sein Leben prägte. Vor allem Strukturen und Oberflächen von Industrieanlagen, wie er sie als Anstreicher so genau kennengelernt hatte, beschäftigen Bettenhausen bis heute. In Serien schwarz bemalter Rechtecke aus Holz und Pappe zum Beispiel, mit noppenartigen Reliefs und gelegentlich sparsamen Farbakzenten. Es gibt
— Eine Schutzschicht aus Klarlack bewirkt, dass die fertigen Rostbilder sich nicht mehr verändern.
— Manchen seiner Rostbilder verleiht Helmut Bettenhausen freihändig mit der Flex zusätzliche Struktur. Natürlich „konstruktivistisch“, grient er, aber ein wenig Zufall und Spontaneität ist schon im Spiel, denn gerade Linien kriegt man mit dem Winkelschleifer so nicht hin, und das findet der Künstler auch gut so.
autobahnartige B1 wollten sie zu einem Kunstboulevard machen – etwa mit dem „Kurvenmonument B1“ von Bernd Damke, mit Neon-Installationen von Günter Dohr, mit Friedrich Gräsels röhrenförmigen Beton-Skulpturen als Wegmarken. Helmut Bettenhausen entwarf „Kurvensignale“ und ein Modell für Wohnbebauung über der Straße – temporäres Wohnen, zum Beispiel für Studenten, hatte er im Sinn. Seine Erfahrung im Modellbau fürs Wanne-Eickeler Planungsamt hatte ihn zu den geometrischen Modulen inspiriert. Es gab eine „B1“-Ausstellung in Oberhausen. Dann interessierte sich der Ruhrsiedlungsverband. Organisierte eine legendäre Busreise für Künstler und Presse. Ein Film über das Projekt war geplant. Doch dann war dem SVR die Finanzierung eines Revierparks wichtiger. Das Interesse erlahmte, die Gruppe löste sich schon 1970 auf. Das Zeitfenster schloss sich, bis ähnliche Ideen um 1990 bei der IBA wieder auftauchten – und erst recht bei „Ruhr.2010“. Dass die „B1“-Mitstrei-
ter von den Kulturhauptstadt-Machern nie angesprochen wurden, findet Helmut Bettenhausen schon merkwürdig. Ebenso, dass nun auswärtige Künstler zur Neugestaltung der Emscherregion gebeten werden – als wäre da vorher nichts und niemand gewesen. Schon „B1“, sinniert Bettenhausen, könnte auch daran gescheitert sein, dass irgendjemand zu jener Busreise noch zehn Düsseldorfer Künstler eingeladen hatte: „Als könnten wir hier das selbst nicht.“ Was die notwendigen „Macher“ angeht, traf das wohl zu: „Die IBA kam von Düsseldorf, dazu das Geld – da ging es dann.“
| Friedliche Besetzung Nach „B1“ fuhr Helmut Bettenhausen fort, das Ruhrgebiet gleichsam zu vermessen und sich anzueignen – „Sein vor Ort“ mit Kunstaktionen unter dem aktuellen Motto „Raus aus den Ateliers“. So nahm er einen einfachen weißen Stuhl und platzierte ihn vor wechselnder Industriekulisse auf eigentlich verbotenem Gelände. Eine Art friedlicher Besetzung,
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YOUNG BAROQUE AT BECK Samstag, 12. Juni 2010 Großes Barockfest zur Kulturhauptstadt RUHR 2010 Kinder-Barockfest · ab 14.00 Uhr • mit Pferdedressur, Trapezkünstler, Märchenerzähler, Ballett und Musik • Eintrittspreis: 10,00 EUR p. P., inkl. Freizeitpark von 9.00 – 18.00 Uhr
Großes Barockfest · ab 19.00 Uhr • Musikalisches und Kulinarisches aus der Barockzeit • Sommertafel im Schlosshof • Trapezshow u. a. Artisten • Barocktänze • Illuminationen im ganzen Park
Geboren wurde Helmut Bettenhausen 1935 in Wanne-Eickel. Sein Vater arbeitete auf der Zeche „Unser Fritz“, die Familie wohnte in der Zechenkolonie, und Helmut wäre womöglich auch Bergmann geworden, wenn sein Vater das nicht verhindert hätte. So machte der junge Mann mit 14 eine Malerlehre und arbeitete als Anstreicher in der Industrie. Bettenhausen selbst spricht drastisch von seiner Zeit als „Eisenwichser“ – so lautete der Titel eines erfolgreichen Theaterstücks von 1970. Es handelt von den Erfahrungen eines Anstreichers mit giftigen Farben. Bettenhausen hat sich darin wiedererkannt: An beengten Arbeitsplätzen benebelten Farbdämpfe auch ihn zuweilen so stark, dass er wie berauscht war. Das war nicht nur unangenehm, das ging auf die Gesundheit. Der junge Bettenhausen musste sich einen anderen Beruf suchen, schulte um zum grafischen Zeichner, studierte angewandte Grafik an der Folkwang-Hochschule. Durch Zufall fand er einen Job im Planungsamt seiner Heimatstadt Wanne-Eickel. Als die sich 1975 mit Herne zusammenschloss, kam Bettenhausen dort als Grafiker zur Öffentlichkeitsarbeit und blieb bis zur Pensionierung. Besonders als Plakatdesigner hat er sich dort auch überregional einen Namen gemacht. Aber sein früher Flirt mit der Kunst hatte sich schon früh zu einer ernsten Affäre entwickelt, die er mit großer Intensität neben dem bürgerlichen Beruf weitertrieb.
welche aus den 60er Jahren, und es gibt welche aus den 90ern. Ein Lebensthema, und es fällt nicht schwer, darin die Inspiration durch viele genietete Metallflächen zu erkennen, die Bettenhausen einst angestrichen hat. Ein Atelier fand Helmut Bettenhausen 1964 auf der Zeche Unser Fritz 2/3. Da wurde zwar nicht mehr gefördert, aber als Außenanlage von „Consolidation“ war Unser Fritz noch aktiv. Ein Raum, das hatte Bettenhausen erfahren, stand leer. Er durfte dort einziehen und arbeitete acht Jahre lang allein unter Kumpeln. Als 1972 mehr Räume frei wurden, holte Bettenhausen andere Künstler dazu: Maler, Fotografen, Musiker. Obwohl Unser Fritz bis Anfang der neunziger Jahre Bergbaustandort war, wandelte sich die Kohlenzeche doch immer mehr zur Künstlerzeche; Ausstellungen und Konzerte in zwei Räumen der ehemaligen Kaue machten Unser Fritz allmählich zum Kulturzentrum zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal. Die Bushaltestelle heißt mittlerweile auch „Künstlerzeche“, und damit ist es wohl amtlich.
| Allen voran mit B1 Auch bevor Kollegen zu ihm auf die Zeche kamen, war Helmut Bettenhausen Teil der damaligen Szene junger Künstler und schloss sich verschiedenen Gruppen an. Die bekannteste war, obwohl sehr kurzlebig, „B1“. Neben Bettenhausen waren das Bernd Damke, Günter Dohr, Rolf Glasmeier, Kuno Gonschior, Friedrich Gräsel, Ewerdt Hilgemann, Franz-Rudolf Knubel, Ferdinand Spindel und Günter Tollmann. Sie wollten 1968 das Ruhrgebiet nicht nur künstlerisch verarbeiten, sondern gestalten. Die schon damals
• Videoprojektion auf das Herrenhaus • Feuerwerk und Feuershow • Eintrittspreis p. P.: Vorverkauf: 12,00 EUR Abendkasse: 14,00 EUR Nähere Informationen: www.schloss-beck.de
Am Dornbusch 39 · 46244 Bottrop - Kirchhellen Tel.: 02045 5134 · E-Mail: becki@schloss-beck.de
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| Strukturen und Oberflächen Die ersten Zeichnungen und Grafiken waren noch naturnahe Wiedergaben dessen, was er um sich herum sah. Dann setzte er sich in zunehmend abstrakten Formen mit dem auseinander, was sein Leben prägte. Vor allem Strukturen und Oberflächen von Industrieanlagen, wie er sie als Anstreicher so genau kennengelernt hatte, beschäftigen Bettenhausen bis heute. In Serien schwarz bemalter Rechtecke aus Holz und Pappe zum Beispiel, mit noppenartigen Reliefs und gelegentlich sparsamen Farbakzenten. Es gibt
— Eine Schutzschicht aus Klarlack bewirkt, dass die fertigen Rostbilder sich nicht mehr verändern.
— Manchen seiner Rostbilder verleiht Helmut Bettenhausen freihändig mit der Flex zusätzliche Struktur. Natürlich „konstruktivistisch“, grient er, aber ein wenig Zufall und Spontaneität ist schon im Spiel, denn gerade Linien kriegt man mit dem Winkelschleifer so nicht hin, und das findet der Künstler auch gut so.
autobahnartige B1 wollten sie zu einem Kunstboulevard machen – etwa mit dem „Kurvenmonument B1“ von Bernd Damke, mit Neon-Installationen von Günter Dohr, mit Friedrich Gräsels röhrenförmigen Beton-Skulpturen als Wegmarken. Helmut Bettenhausen entwarf „Kurvensignale“ und ein Modell für Wohnbebauung über der Straße – temporäres Wohnen, zum Beispiel für Studenten, hatte er im Sinn. Seine Erfahrung im Modellbau fürs Wanne-Eickeler Planungsamt hatte ihn zu den geometrischen Modulen inspiriert. Es gab eine „B1“-Ausstellung in Oberhausen. Dann interessierte sich der Ruhrsiedlungsverband. Organisierte eine legendäre Busreise für Künstler und Presse. Ein Film über das Projekt war geplant. Doch dann war dem SVR die Finanzierung eines Revierparks wichtiger. Das Interesse erlahmte, die Gruppe löste sich schon 1970 auf. Das Zeitfenster schloss sich, bis ähnliche Ideen um 1990 bei der IBA wieder auftauchten – und erst recht bei „Ruhr.2010“. Dass die „B1“-Mitstrei-
ter von den Kulturhauptstadt-Machern nie angesprochen wurden, findet Helmut Bettenhausen schon merkwürdig. Ebenso, dass nun auswärtige Künstler zur Neugestaltung der Emscherregion gebeten werden – als wäre da vorher nichts und niemand gewesen. Schon „B1“, sinniert Bettenhausen, könnte auch daran gescheitert sein, dass irgendjemand zu jener Busreise noch zehn Düsseldorfer Künstler eingeladen hatte: „Als könnten wir hier das selbst nicht.“ Was die notwendigen „Macher“ angeht, traf das wohl zu: „Die IBA kam von Düsseldorf, dazu das Geld – da ging es dann.“
| Friedliche Besetzung Nach „B1“ fuhr Helmut Bettenhausen fort, das Ruhrgebiet gleichsam zu vermessen und sich anzueignen – „Sein vor Ort“ mit Kunstaktionen unter dem aktuellen Motto „Raus aus den Ateliers“. So nahm er einen einfachen weißen Stuhl und platzierte ihn vor wechselnder Industriekulisse auf eigentlich verbotenem Gelände. Eine Art friedlicher Besetzung,
KUNST
— Was man mit einem quadratischen Stück rostenden Blechs alles machen kann: eine kleine Auswahl im Atelier auf der Wanner Künstlerzeche.
Auch unter Tage setzte Bettenhausen Zeichen. Als er auf Zeche Consol eine Grubenfahrt machte und dabei in die alten Baue von Unser Fritz kam, stieß er 940 Meter unter seinem Atelier auf eine „Ortsbrust“, das Ende eines Stollens. Dort war ein kleines Kohlenflöz zu erkennen. „Helmut – das sind 300 Millionen Jahre“, sagte jemand zu ihm. Bettenhausen installierte weiße Kreuze davor, in Anlehnung an improvisierte Sperrungs-Signale: Stopp, nicht weiter! Er wollte den uralten Bodenschatz schützen (der Stollen ist übrigens tatsächlich nicht weitergetrieben worden). Die Tunnelform der Ortsbrust aber hat Bettenhausen dann über Jahre in Serien immer wieder variiert mit Chiffren für die typischen Arbeiten und wiederkehrenden Gefahren des Bergbauberufs.
die er dann selbst mit einer alten 6 x 6Kamera schwarz-weiß dokumentierte. Der Stuhl existiert noch – viele der alten Betriebe nicht mehr. Ähnlich flüchtig seine Arbeit auf der stillgelegten Zeche Consol, als er mit Pinsel und weißer Farbe oder mit Kreide Strukturen an Eisenobjekten akzentuierte: von Anfang an als „Verlorene Bilder“ gedacht, die mit dem Abriss der Anlage verschwanden. Im Wanner Westhafen fuhr Bettenhausen mit dem Ruderboot an Schiffswände heran, hinterließ dort Kreidezeichen, die
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Ruhr Revue
sich im Wasser spiegelten – und dann mit dem Schiff davonfuhren und allmählich abgewaschen wurden. Auf der berüchtigten schwarzen Emscher setzte Bettenhausen weiße Papierschiffchen aus und schickte sie auf die Reise zum Rhein und nach Holland. „Natürlich sind die meisten schnell abgesoffen“, sagt er. Aber die Grenze von Wanne nach Gelsenkirchen haben viele überschritten, das ist dokumentiert. Und um solche „Grenzüberschreitungen“ im Ruhrgebiet ging es dem Künstler.
| Gesteuerter Rost Auch die Materialien der heimischen Industrie, ihre Struktur und Oberfläche beschäftigen Bettenhausen bis heute. In seinem Atelier finden sich zahlreiche schwarze Rechtecke – Variation ganz früher Arbeiten. Bitumen auf Holz, oft mit Eisenwinkeln in wechselnder Anordnung verschraubt. Stahlbleche legt er über längere Zeit aufs Dach, verändert ständig ihre Lage, um unterschiedliche RostStrukturen zu provozieren. Dann bearbeitet Bettenhausen sie oft noch mit dem Winkelschleifer (Flex). Mit Klarlack wird das Ergebnis dann gewissermaßen eingefroren. Wieder herrscht das Rechteck vor:
KUNST
— Was man mit einem quadratischen Stück rostenden Blechs alles machen kann: eine kleine Auswahl im Atelier auf der Wanner Künstlerzeche.
Auch unter Tage setzte Bettenhausen Zeichen. Als er auf Zeche Consol eine Grubenfahrt machte und dabei in die alten Baue von Unser Fritz kam, stieß er 940 Meter unter seinem Atelier auf eine „Ortsbrust“, das Ende eines Stollens. Dort war ein kleines Kohlenflöz zu erkennen. „Helmut – das sind 300 Millionen Jahre“, sagte jemand zu ihm. Bettenhausen installierte weiße Kreuze davor, in Anlehnung an improvisierte Sperrungs-Signale: Stopp, nicht weiter! Er wollte den uralten Bodenschatz schützen (der Stollen ist übrigens tatsächlich nicht weitergetrieben worden). Die Tunnelform der Ortsbrust aber hat Bettenhausen dann über Jahre in Serien immer wieder variiert mit Chiffren für die typischen Arbeiten und wiederkehrenden Gefahren des Bergbauberufs.
die er dann selbst mit einer alten 6 x 6Kamera schwarz-weiß dokumentierte. Der Stuhl existiert noch – viele der alten Betriebe nicht mehr. Ähnlich flüchtig seine Arbeit auf der stillgelegten Zeche Consol, als er mit Pinsel und weißer Farbe oder mit Kreide Strukturen an Eisenobjekten akzentuierte: von Anfang an als „Verlorene Bilder“ gedacht, die mit dem Abriss der Anlage verschwanden. Im Wanner Westhafen fuhr Bettenhausen mit dem Ruderboot an Schiffswände heran, hinterließ dort Kreidezeichen, die
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sich im Wasser spiegelten – und dann mit dem Schiff davonfuhren und allmählich abgewaschen wurden. Auf der berüchtigten schwarzen Emscher setzte Bettenhausen weiße Papierschiffchen aus und schickte sie auf die Reise zum Rhein und nach Holland. „Natürlich sind die meisten schnell abgesoffen“, sagt er. Aber die Grenze von Wanne nach Gelsenkirchen haben viele überschritten, das ist dokumentiert. Und um solche „Grenzüberschreitungen“ im Ruhrgebiet ging es dem Künstler.
| Gesteuerter Rost Auch die Materialien der heimischen Industrie, ihre Struktur und Oberfläche beschäftigen Bettenhausen bis heute. In seinem Atelier finden sich zahlreiche schwarze Rechtecke – Variation ganz früher Arbeiten. Bitumen auf Holz, oft mit Eisenwinkeln in wechselnder Anordnung verschraubt. Stahlbleche legt er über längere Zeit aufs Dach, verändert ständig ihre Lage, um unterschiedliche RostStrukturen zu provozieren. Dann bearbeitet Bettenhausen sie oft noch mit dem Winkelschleifer (Flex). Mit Klarlack wird das Ergebnis dann gewissermaßen eingefroren. Wieder herrscht das Rechteck vor:
KUNST
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selben Jahr im selben Ort geboren wurde. „Wir haben wahrscheinlich gemeinsam am Rhein-Herne-Kanal gespielt“, mutmaßt Bettenhausen. Damals kannten sie sich nicht; heute sind sie in freundschaftlichem Kontakt. Auch wenn sie in ganz verschiedenen Welten leben.
— So gnadenlos konstruktivistisch, wie ein Kunstexperte meinte, sind Bettenhausens Arbeiten nicht alle …
Auch die Rostobjekte sind Fortsetzungen der frühen seriellen Arbeiten; sie wirken aber einzeln so gut wie nebeneinander. Eine „gnadenlos konsequente Orientierung an konstruktiv-konstruktivistischen Elementen … unter Ausschaltung alles Zufälligen und gestisch Spontanen“ hat man darin gesehen. Aber Rechteck,
kleine Form, Variationen im Detail und sorgfältige Konstruktion bedeuten nicht Abwesenheit von Emotion. In Einzel- und Gruppenausstellungen werden Bettenhausens Arbeiten immer wieder mal gezeigt. Manches ist in Museen der Region ständig zu sehen – aber das, räumt Bettenhausen unumwunden
ein, hält sich „in Grenzen“, so wie sein Arbeitsfeld sich in den Grenzen des Ruhrgebiets hält. Auch ein großer Verkäufer seiner Werke ist er nicht, musste er durch seinen bürgerlichen Beruf auch nie sein. Neidlos blickt er auf den internationalen Erfolg Kuno Gonschiors, der nicht nur Weggefährte bei „B1“ war, sondern im
| Das ist seine Welt Helmut Bettenhausens Welt ist das Ruhrgebiet: „Woanders hätte ich all diese Arbeiten nicht gemacht.“ Ob und wie er etwa in Hamburg als Künstler gearbeitet hätte – er weiß es nicht. „Grabe, wo du stehst“, Titel eines erfolgreichen schwedischen Buches über regionale Geschichtswerkstätten, ist auch Lebensmotto für Helmut Bettenhausen. Zur Zeit beschäftigt ihn das Projekt „Gahlenscher Kohlenweg“. Er möchte, mit anderen Künstlern, diesen fast vergessenen Kohle-Transportweg vom Ruhrtal bis zur Lippe markieren und ins Gedächtnis zurückholen. Er selbst wird mit einer Brückenskulptur bezeichnen, wo der Kohlenweg einst die Emscher gequert hat: in Wanne, ganz nah bei der heutigen Künstlerzeche. Wer sich für portable Stücke aus seinem Atelier interessiert: Sie sind bezahlbar. „Kunst nur für Leute, die sich schon zum Frühstück Kaviar leisten können“ – ist nicht Helmut Bettenhausens Welt. www.helmut-be.de ● -na
— Aktuelles Projekt: auf Nesselstoff frottierte Abdrücke von Gullydeckeln in 53 Ruhr-Städten
Wir gratulieren der Ruhr Revue zum 50. Geburtstag.
AHD × F? Ï Ï 9F<C= NMA>KÉ :EÉyÉ NMA>KÉ rAE> {|xzzÉ LL>G >E>?HG É y x { É} É | >E>?:Q É y x { É} É }
H;BE É x~~ ~y}Éy|É~ ×F:BE ÉF:BE§A:G=D>×@:E: => AHF> ÉPPP A:G=D>×@:E: =>
Arnold Puzicha GmbH Manderscheidtstr. 28 45141 Essen
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Ruhr Revue
0201.29 29 29 www.puzicha.de
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selben Jahr im selben Ort geboren wurde. „Wir haben wahrscheinlich gemeinsam am Rhein-Herne-Kanal gespielt“, mutmaßt Bettenhausen. Damals kannten sie sich nicht; heute sind sie in freundschaftlichem Kontakt. Auch wenn sie in ganz verschiedenen Welten leben.
— So gnadenlos konstruktivistisch, wie ein Kunstexperte meinte, sind Bettenhausens Arbeiten nicht alle …
Auch die Rostobjekte sind Fortsetzungen der frühen seriellen Arbeiten; sie wirken aber einzeln so gut wie nebeneinander. Eine „gnadenlos konsequente Orientierung an konstruktiv-konstruktivistischen Elementen … unter Ausschaltung alles Zufälligen und gestisch Spontanen“ hat man darin gesehen. Aber Rechteck,
kleine Form, Variationen im Detail und sorgfältige Konstruktion bedeuten nicht Abwesenheit von Emotion. In Einzel- und Gruppenausstellungen werden Bettenhausens Arbeiten immer wieder mal gezeigt. Manches ist in Museen der Region ständig zu sehen – aber das, räumt Bettenhausen unumwunden
ein, hält sich „in Grenzen“, so wie sein Arbeitsfeld sich in den Grenzen des Ruhrgebiets hält. Auch ein großer Verkäufer seiner Werke ist er nicht, musste er durch seinen bürgerlichen Beruf auch nie sein. Neidlos blickt er auf den internationalen Erfolg Kuno Gonschiors, der nicht nur Weggefährte bei „B1“ war, sondern im
| Das ist seine Welt Helmut Bettenhausens Welt ist das Ruhrgebiet: „Woanders hätte ich all diese Arbeiten nicht gemacht.“ Ob und wie er etwa in Hamburg als Künstler gearbeitet hätte – er weiß es nicht. „Grabe, wo du stehst“, Titel eines erfolgreichen schwedischen Buches über regionale Geschichtswerkstätten, ist auch Lebensmotto für Helmut Bettenhausen. Zur Zeit beschäftigt ihn das Projekt „Gahlenscher Kohlenweg“. Er möchte, mit anderen Künstlern, diesen fast vergessenen Kohle-Transportweg vom Ruhrtal bis zur Lippe markieren und ins Gedächtnis zurückholen. Er selbst wird mit einer Brückenskulptur bezeichnen, wo der Kohlenweg einst die Emscher gequert hat: in Wanne, ganz nah bei der heutigen Künstlerzeche. Wer sich für portable Stücke aus seinem Atelier interessiert: Sie sind bezahlbar. „Kunst nur für Leute, die sich schon zum Frühstück Kaviar leisten können“ – ist nicht Helmut Bettenhausens Welt. www.helmut-be.de ● -na
— Aktuelles Projekt: auf Nesselstoff frottierte Abdrücke von Gullydeckeln in 53 Ruhr-Städten
Wir gratulieren der Ruhr Revue zum 50. Geburtstag.
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