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GESELLSCHAFT

— So hatte sich Edna Brocke (oben) die neu gestaltete Synagoge immer vorgestellt: offen, weit, mit heiteren Farben statt des Gedenkstättengrau. Der Blick von der Empore Richtung Thora-Schrein zeigt, dass ihre Ideen beim Umbau verwirklicht wurden.

Neue Offenheit JĂźdisches Leben in Essens Alter Synagoge Mit der Alten Synagoge am Rand der Innenstadt schmĂźckt sich das offizielle Essen gern, wenngleich mit gemischten GefĂźhlen. 1913 wurde sie nach Plänen Edmund KĂśrners gebaut. 1938 aus Judenhass angezĂźndet. Dann ignoriert, als Designmuseum missbraucht und schlieĂ&#x;lich als Gedenkstätte etwas scheu respektiert. Jetzt ist der Bau umgestaltet zum „Haus jĂźdischer Kultur“ und zeigt ein neues, nahezu heiteres Gesicht.

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Ruhr Revue

Als sie im September 1913 ihre prächtige Synagoge einweihten, hofften die Essener Juden wohl, dass sie in der Gesellschaft angekommen seien. Das groĂ&#x;e Haus – 1400 Plätze – mit der mächtigen Kuppel erhob sich Ăźber den kleinen Häusern der Innenstadt kaum weniger prominent als die TĂźrme der Kirchen. Schon die monumentale Architektur allerdings spiegelte trotz orientalischer Anklänge neben Stolz auch Willen zur Anpassung. Und im Innern zeigte die Orgel, wie sehr die

reformfreudige Essener Gemeinde ihre Gottesdienste an christlichen Gebräuchen orientierte: nur etwa eine Stunde lang, weitgehend in Deutsch statt Hebräisch, mit Predigt und eben Orgelklang. FĂźr orthodoxe und traditionelle Juden ein Graus. Es hat den Juden nicht geholfen, dass sie sich der Ăźbrigen deutschen Gesellschaft derart zuwandten. 25 Jahre nach ErĂśffnung der Synagoge taten Essener Nazis, was Nazis in jener Novembernacht Ăźberall in Deutschland taten: Sie drangen in das Haus, misshandelten den Rabbiner, zerstĂśrten die Thora-Rollen – und zĂźndeten das Haus an. Die Feuerwehr lieĂ&#x; es brennen und schĂźtzte nur Nachbarn. Dass die Synagoge dem Feuer widerstand, muss den

Brandstiftern ein groĂ&#x;es Ă„rgernis gewesen sein. Schneller Abbruch oder Sprengung, wie anderenorts, verbot sich angesichts der massiven Stahlbeton-Struktur inmitten des dichtbebauten Stadtkerns. Nicht einmal der Bombenkrieg, den NS-Planer durchaus als Werkzeug der Innenstadtsanierung sahen, schaffte ihnen die mächtige Synagoge vom Hals. Sie blieb inmitten von TrĂźmmern stehen, während die Essener Juden „im Osten“ erschossen, vergast oder anders zu Tode gequält wurden, sofern sie nicht hatten fliehen kĂśnnen. Die winzige jĂźdische Gemeinde, die sich von 1945 an in Essen versammelte, hätte mit dem riesigen Synagogenbau nichts anfangen kĂśnnen, wenn sie gewollt

Kompetenz Erfahrung AugenmaĂ&#x; seit Ăźber 30 Jahren

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— So hatte sich Edna Brocke (oben) die neu gestaltete Synagoge immer vorgestellt: offen, weit, mit heiteren Farben statt des Gedenkstättengrau. Der Blick von der Empore Richtung Thora-Schrein zeigt, dass ihre Ideen beim Umbau verwirklicht wurden.

Neue Offenheit JĂźdisches Leben in Essens Alter Synagoge Mit der Alten Synagoge am Rand der Innenstadt schmĂźckt sich das offizielle Essen gern, wenngleich mit gemischten GefĂźhlen. 1913 wurde sie nach Plänen Edmund KĂśrners gebaut. 1938 aus Judenhass angezĂźndet. Dann ignoriert, als Designmuseum missbraucht und schlieĂ&#x;lich als Gedenkstätte etwas scheu respektiert. Jetzt ist der Bau umgestaltet zum „Haus jĂźdischer Kultur“ und zeigt ein neues, nahezu heiteres Gesicht.

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Als sie im September 1913 ihre prächtige Synagoge einweihten, hofften die Essener Juden wohl, dass sie in der Gesellschaft angekommen seien. Das groĂ&#x;e Haus – 1400 Plätze – mit der mächtigen Kuppel erhob sich Ăźber den kleinen Häusern der Innenstadt kaum weniger prominent als die TĂźrme der Kirchen. Schon die monumentale Architektur allerdings spiegelte trotz orientalischer Anklänge neben Stolz auch Willen zur Anpassung. Und im Innern zeigte die Orgel, wie sehr die

reformfreudige Essener Gemeinde ihre Gottesdienste an christlichen Gebräuchen orientierte: nur etwa eine Stunde lang, weitgehend in Deutsch statt Hebräisch, mit Predigt und eben Orgelklang. FĂźr orthodoxe und traditionelle Juden ein Graus. Es hat den Juden nicht geholfen, dass sie sich der Ăźbrigen deutschen Gesellschaft derart zuwandten. 25 Jahre nach ErĂśffnung der Synagoge taten Essener Nazis, was Nazis in jener Novembernacht Ăźberall in Deutschland taten: Sie drangen in das Haus, misshandelten den Rabbiner, zerstĂśrten die Thora-Rollen – und zĂźndeten das Haus an. Die Feuerwehr lieĂ&#x; es brennen und schĂźtzte nur Nachbarn. Dass die Synagoge dem Feuer widerstand, muss den

Brandstiftern ein groĂ&#x;es Ă„rgernis gewesen sein. Schneller Abbruch oder Sprengung, wie anderenorts, verbot sich angesichts der massiven Stahlbeton-Struktur inmitten des dichtbebauten Stadtkerns. Nicht einmal der Bombenkrieg, den NS-Planer durchaus als Werkzeug der Innenstadtsanierung sahen, schaffte ihnen die mächtige Synagoge vom Hals. Sie blieb inmitten von TrĂźmmern stehen, während die Essener Juden „im Osten“ erschossen, vergast oder anders zu Tode gequält wurden, sofern sie nicht hatten fliehen kĂśnnen. Die winzige jĂźdische Gemeinde, die sich von 1945 an in Essen versammelte, hätte mit dem riesigen Synagogenbau nichts anfangen kĂśnnen, wenn sie gewollt

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— So hatte sich Edna Brocke (oben) die neu gestaltete Synagoge immer vorgestellt: offen, weit, mit heiteren Farben statt des Gedenkstättengrau. Der Blick von der Empore Richtung Thora-Schrein zeigt, dass ihre Ideen beim Umbau verwirklicht wurden.

Neue Offenheit JĂźdisches Leben in Essens Alter Synagoge Mit der Alten Synagoge am Rand der Innenstadt schmĂźckt sich das offizielle Essen gern, wenngleich mit gemischten GefĂźhlen. 1913 wurde sie nach Plänen Edmund KĂśrners gebaut. 1938 aus Judenhass angezĂźndet. Dann ignoriert, als Designmuseum missbraucht und schlieĂ&#x;lich als Gedenkstätte etwas scheu respektiert. Jetzt ist der Bau umgestaltet zum „Haus jĂźdischer Kultur“ und zeigt ein neues, nahezu heiteres Gesicht.

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Als sie im September 1913 ihre prächtige Synagoge einweihten, hofften die Essener Juden wohl, dass sie in der Gesellschaft angekommen seien. Das groĂ&#x;e Haus – 1400 Plätze – mit der mächtigen Kuppel erhob sich Ăźber den kleinen Häusern der Innenstadt kaum weniger prominent als die TĂźrme der Kirchen. Schon die monumentale Architektur allerdings spiegelte trotz orientalischer Anklänge neben Stolz auch Willen zur Anpassung. Und im Innern zeigte die Orgel, wie sehr die

reformfreudige Essener Gemeinde ihre Gottesdienste an christlichen Gebräuchen orientierte: nur etwa eine Stunde lang, weitgehend in Deutsch statt Hebräisch, mit Predigt und eben Orgelklang. FĂźr orthodoxe und traditionelle Juden ein Graus. Es hat den Juden nicht geholfen, dass sie sich der Ăźbrigen deutschen Gesellschaft derart zuwandten. 25 Jahre nach ErĂśffnung der Synagoge taten Essener Nazis, was Nazis in jener Novembernacht Ăźberall in Deutschland taten: Sie drangen in das Haus, misshandelten den Rabbiner, zerstĂśrten die Thora-Rollen – und zĂźndeten das Haus an. Die Feuerwehr lieĂ&#x; es brennen und schĂźtzte nur Nachbarn. Dass die Synagoge dem Feuer widerstand, muss den

Brandstiftern ein groĂ&#x;es Ă„rgernis gewesen sein. Schneller Abbruch oder Sprengung, wie anderenorts, verbot sich angesichts der massiven Stahlbeton-Struktur inmitten des dichtbebauten Stadtkerns. Nicht einmal der Bombenkrieg, den NS-Planer durchaus als Werkzeug der Innenstadtsanierung sahen, schaffte ihnen die mächtige Synagoge vom Hals. Sie blieb inmitten von TrĂźmmern stehen, während die Essener Juden „im Osten“ erschossen, vergast oder anders zu Tode gequält wurden, sofern sie nicht hatten fliehen kĂśnnen. Die winzige jĂźdische Gemeinde, die sich von 1945 an in Essen versammelte, hätte mit dem riesigen Synagogenbau nichts anfangen kĂśnnen, wenn sie gewollt

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— Schon der Eingang der Alten Synagoge zeigt die neue Offenheit. Früher stand vor der Treppe eine Mauer mit Gittern und dem gut gemeinten, aber völlig unpassenden Sarkophag im Weg.

Er war tatsächlich erst für den Einzug der „Industrieform“ zerstört worden! Wer den Innenraum nur aus der Nachkriegszeit kannte, dem gingen schon bei dieser Rekonstruktion die Augen über: Nun erst war eigentlich auch die vertraute Hülle der Synagoge begreifbar geworden.

hätte. Sie traf sich in der ehemaligen Rabbinerwohnung und zog 1959 in eine kleine, neugebaute Synagoge. Die Stadt kaufte den verwaisten Körner-Bau – und wusste nichts Rechtes damit anzufangen. Bis die 1955 etablierte Designschau „Industrieform“ aus der Kruppschen Villa Hügel ausziehen musste. Man verlegte sie kurzerhand in die alte Synagoge, nachdem dort übriggebliebene Einrichtung entfernt und der Raum durch Verkleidungen unkenntlich gemacht worden war. Die Idee war aus heutiger Sicht höchst peinlich und zeugt von dem verbreiteten Unvermögen oder gar Unwillen, sich der Geschichte des Judenmords zu stellen. Das seltsame Arrangement hielt sich bis 1979, als – welch historische Ironie! – ein Kurzschluss den Innenraum in Brand setzte.

Inzwischen war man ein bisschen klüger geworden und gab der „Industrieform“ ein anderes Domizil. In der Synagoge installierte man statt dessen schuldbewusst die Dauerausstellung „Widerstand und Verfolgung in Essen 1933 - 1945“.

| Wisse, vor wem du stehst Bald darauf ging man einen Schritt weiter und wandelte die nunmehr offiziell so genannte „Alte Synagoge“ um. Die neue Dauerausstellung hieß „Stationen jüdischen Lebens“; eine gründliche Restaurierung ließ die Einbauten der „Industrieform“-Zeit verschwinden und rekonstruierte in Ansätzen den synagogalen Innenraum, einschließlich des mächtigen Thora-Schreins mit der hebräischen Inschrift „Wisse, vor wem du stehst“.

| Zu grau, zu trist Als diese neue „Alte Synagoge“ 1988 eröffnet wurde, übernahm Edna Brocke, Judaistin aus Israel, die Leitung des Hauses. Ganz glücklich war die neue Chefin mit dem Konzept und der Ausgestaltung nicht. Je länger, je mehr empfand sie den Zugang von außen abweisend, die graue Farbe im Innern bedrückend, den Innenraum von allzu vielen Ausstellungstafeln vollgestellt. Dazu die thematische Verengung auf jene 12 Jahre der NS-Zeit. Da seien die Leute doch „nur so reingegangen“, sagt Edna Brocke und macht die Schultern schmal, senkt den Kopf und beugt sich nach vorn. „Wir durften ja nur tote Juden zeigen“, sagt sie. Immer der gleiche Film sei da in den Köpfen abgerufen worden: Schwarzweißbilder von Juden mit Kaftan, Hut und Schläfenlocken, von ausgemergelten KZOpfern. Judentum sei doch mehr. Schon anfangs der neunziger Jahre begann Edna Brocke für eine neue Konzeption zu werben. Wenn sie gefragt wurde, was bitte sie denn wolle, dann habe sie erst mal immer so gemacht, erzählt Brocke

und breitet die Arme vor sich aus: wie jemand, der willkommen heißt, Türen öffnet, Gardinen aufreißt, einen weiten Raum beschreibt. Die gleiche Geste benutzt sie jetzt oft, wenn sie Besucher durch ihr Haus führt, weil jetzt da ist, was sie so lang schon vor Augen hatte. Es war nicht immer einfach für die streitbare Frau, Verbündete zu finden für ihren Plan. Aber jetzt, nach über 20 Jahren und am Ende ihres Berufslebens in Essen, ist sie am Ziel. Was ist anders? Am Eingang zum Beispiel: Einfach eine breite, einladende Treppe. Der frühere Vorhof mit zwei flankierenden

Mauern und Toren war nach dem Krieg beseitigt worden. Statt dessen hatte man vorn eine Mauer und dahinter Gitter quergestellt, die wie Barrieren wirkten. Auf der Mauer thronte auch noch ein steinerner Sarkophag, mit einer jener Sprüche versehen, die damals als „Vergangenheitsbewältigung“ ausgegeben wurden: „Mehr als 2500 Juden der Stadt Essen mussten in den Jahren 1933 – 1945 ihr Leben lassen.“ Mussten? Wegen einer Naturkatastrophe? Eine Tafel in der Nähe raunte von „furchtbarem Geschehen“. Die Inschrift am Sarkophag wurde erst 1981 ein bisschen kon— Die Ausstellung erzählt von jüdischem Leben in anderen Städten (oben), von koscherem Essen. Projektionen an der Decke darf man sich durchaus im Liegen anschauen, damit’s keine Nackenstarre gibt.

Schlafstörungen? Rückenprobleme? Vor allem Menschen mit Schlafstörungen und/oder Rückenbeschwerden profitieren von den einzigartigen SAMINA Schlaf-Gesund-Produkten. Deshalb wird das SAMINA-Schlafsystem von zahlreichen Ärzten, Schlafforschern, Heilpraktikern und Therapeuten empfohlen. Besuchen Sie uns und machen Sie sich selbst ein Bild von der überzeugenden Qualität und Vielfalt unserer SAMINA Produkte.

Gesunder Schlaf für Ihr Wohlbefinden. 18 |

wohn+schlafkontor johannes hentrich wigstr. 5 45239 essen-werden telefon (0201) 8946986 www.tischlerei-hentrich.de info@tischlerei-hentrich.de

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Ruhr Revue 1

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06.07.2010 13:44:24 Uhr


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— Schon der Eingang der Alten Synagoge zeigt die neue Offenheit. Früher stand vor der Treppe eine Mauer mit Gittern und dem gut gemeinten, aber völlig unpassenden Sarkophag im Weg.

Er war tatsächlich erst für den Einzug der „Industrieform“ zerstört worden! Wer den Innenraum nur aus der Nachkriegszeit kannte, dem gingen schon bei dieser Rekonstruktion die Augen über: Nun erst war eigentlich auch die vertraute Hülle der Synagoge begreifbar geworden.

hätte. Sie traf sich in der ehemaligen Rabbinerwohnung und zog 1959 in eine kleine, neugebaute Synagoge. Die Stadt kaufte den verwaisten Körner-Bau – und wusste nichts Rechtes damit anzufangen. Bis die 1955 etablierte Designschau „Industrieform“ aus der Kruppschen Villa Hügel ausziehen musste. Man verlegte sie kurzerhand in die alte Synagoge, nachdem dort übriggebliebene Einrichtung entfernt und der Raum durch Verkleidungen unkenntlich gemacht worden war. Die Idee war aus heutiger Sicht höchst peinlich und zeugt von dem verbreiteten Unvermögen oder gar Unwillen, sich der Geschichte des Judenmords zu stellen. Das seltsame Arrangement hielt sich bis 1979, als – welch historische Ironie! – ein Kurzschluss den Innenraum in Brand setzte.

Inzwischen war man ein bisschen klüger geworden und gab der „Industrieform“ ein anderes Domizil. In der Synagoge installierte man statt dessen schuldbewusst die Dauerausstellung „Widerstand und Verfolgung in Essen 1933 - 1945“.

| Wisse, vor wem du stehst Bald darauf ging man einen Schritt weiter und wandelte die nunmehr offiziell so genannte „Alte Synagoge“ um. Die neue Dauerausstellung hieß „Stationen jüdischen Lebens“; eine gründliche Restaurierung ließ die Einbauten der „Industrieform“-Zeit verschwinden und rekonstruierte in Ansätzen den synagogalen Innenraum, einschließlich des mächtigen Thora-Schreins mit der hebräischen Inschrift „Wisse, vor wem du stehst“.

| Zu grau, zu trist Als diese neue „Alte Synagoge“ 1988 eröffnet wurde, übernahm Edna Brocke, Judaistin aus Israel, die Leitung des Hauses. Ganz glücklich war die neue Chefin mit dem Konzept und der Ausgestaltung nicht. Je länger, je mehr empfand sie den Zugang von außen abweisend, die graue Farbe im Innern bedrückend, den Innenraum von allzu vielen Ausstellungstafeln vollgestellt. Dazu die thematische Verengung auf jene 12 Jahre der NS-Zeit. Da seien die Leute doch „nur so reingegangen“, sagt Edna Brocke und macht die Schultern schmal, senkt den Kopf und beugt sich nach vorn. „Wir durften ja nur tote Juden zeigen“, sagt sie. Immer der gleiche Film sei da in den Köpfen abgerufen worden: Schwarzweißbilder von Juden mit Kaftan, Hut und Schläfenlocken, von ausgemergelten KZOpfern. Judentum sei doch mehr. Schon anfangs der neunziger Jahre begann Edna Brocke für eine neue Konzeption zu werben. Wenn sie gefragt wurde, was bitte sie denn wolle, dann habe sie erst mal immer so gemacht, erzählt Brocke

und breitet die Arme vor sich aus: wie jemand, der willkommen heißt, Türen öffnet, Gardinen aufreißt, einen weiten Raum beschreibt. Die gleiche Geste benutzt sie jetzt oft, wenn sie Besucher durch ihr Haus führt, weil jetzt da ist, was sie so lang schon vor Augen hatte. Es war nicht immer einfach für die streitbare Frau, Verbündete zu finden für ihren Plan. Aber jetzt, nach über 20 Jahren und am Ende ihres Berufslebens in Essen, ist sie am Ziel. Was ist anders? Am Eingang zum Beispiel: Einfach eine breite, einladende Treppe. Der frühere Vorhof mit zwei flankierenden

Mauern und Toren war nach dem Krieg beseitigt worden. Statt dessen hatte man vorn eine Mauer und dahinter Gitter quergestellt, die wie Barrieren wirkten. Auf der Mauer thronte auch noch ein steinerner Sarkophag, mit einer jener Sprüche versehen, die damals als „Vergangenheitsbewältigung“ ausgegeben wurden: „Mehr als 2500 Juden der Stadt Essen mussten in den Jahren 1933 – 1945 ihr Leben lassen.“ Mussten? Wegen einer Naturkatastrophe? Eine Tafel in der Nähe raunte von „furchtbarem Geschehen“. Die Inschrift am Sarkophag wurde erst 1981 ein bisschen kon— Die Ausstellung erzählt von jüdischem Leben in anderen Städten (oben), von koscherem Essen. Projektionen an der Decke darf man sich durchaus im Liegen anschauen, damit’s keine Nackenstarre gibt.

Schlafstörungen? Rückenprobleme? Vor allem Menschen mit Schlafstörungen und/oder Rückenbeschwerden profitieren von den einzigartigen SAMINA Schlaf-Gesund-Produkten. Deshalb wird das SAMINA-Schlafsystem von zahlreichen Ärzten, Schlafforschern, Heilpraktikern und Therapeuten empfohlen. Besuchen Sie uns und machen Sie sich selbst ein Bild von der überzeugenden Qualität und Vielfalt unserer SAMINA Produkte.

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Wir wollen hier nie wieder weg!

— Im Treppenaufgang zur Empore hängen Porträts von Juden aus aller Welt. Sie zeigen beileibe nicht nur ernste Gesichter.

kreter gefasst. Alles gut gemeint, sagt Edna Brocke, aber eben auch nur das. Überdies widerspreche ein Sarg als Symbol des Todes an einer Synagoge der jüdischen Tradition. Das Ding kommt jetzt in den ehemaligen Rabbinergarten – als Teil der Ausstellung, nicht des Hauses. Mauer und Gitter sind weg; die Treppe lädt jetzt wirklich ein. Die Türen sind nicht nur aus Glas, sondern stehen sogar offen, wenn es irgend geht: Kommen Sie herein! Und dann? Raum. Großer weiter

Raum. Blick ungestört bis hinauf in die Kuppel – weil die großen Hängeleuchter verschwunden sind. Apricotfarben hell gestrichene Wände unterstreichen die Weite und wirken – heiter. Es gibt keine Ausstellungswände mehr. Der Raum ist leer bis auf Stühle, die Edna Brocke en passant ein wenig durcheinander bringt: Sie muss Mitarbeitern noch nahe bringen, dass geordnete Stuhlreihen zu sehr nach Gedenkfeier aussehen. Zur Empore, wo früher die Frauen saßen, führen zwei

schmale Treppenaufgänge. An der Wand hängen Porträts von bekannten Juden aus aller Welt. Nicht bloß schwarzweiß mit ernsten Gesichtern, im Gegenteil. Viele Schauspieler sind dabei. Komiker. Zuweilen ist man überrascht: ach der? Man sieht ja nur: einen Menschen. Dass er auch Jude ist – man möchte „ja und?“ sagen und weiß doch, dass diese naheliegende Reaktion auch 65 Jahre nach Hitler nicht ganz passen will. Schon auf dieser Treppe lernt man viel, obwohl da nur Bilder hängen.

Die Empore ist jetzt freigeräumt von beengenden Einbauten. Da die mächtigen Leuchter abgehängt sind, gibt es auch auf dieser Ebene ein ganz neues Raumgefühl durch Blickbeziehungen, die zuvor blockiert waren. Edna Brockes Lieblingsort ist eine Art Balkon oder Loge gegenüber dem mächtigen Thora-Schrein. Er wurde mit Sitzbänken versehen, so dass man die beste Sicht auf den ganzen Raum ungezwungen genießen kann. Drüben, hinter dem Schrein, ist die Ausstellung über jüdische Religion und ihre Wurzeln, über die Bedeutung der Thora und anderer Kultgegenstände. Seitlich auf der Empore sind acht Vitrinen verteilt, die sich wichtigen jüdischen Feiertagen widmen. Und zu den jeweiligen Terminen wird rund um die Vitrinen auch mehr geboten werden: Aktion. Zum ersten Mal wohl an Sukkot, Ende September. Man ahnt, warum Edna Brocke das besonders gern erwähnt: Das Laubhüttenfest ist das fröhlichste im jüdischen Festkalender. „Darf man da rein?“, fragen Kinder an der Loge. „Natürlich, natürlich dürft ihr rein“, sagt Edna Brocke. Sie freut sich, wenn Kinder herumlaufen in der Synagoge, wenn sie reden, lachen und auch mal lauter werden. Alles ist ihr recht: Interesse, Fröhlichkeit, Leben. Alles, bloß keine Trauerstimmung. So ist ihr liebster Ausstellungsraum auch der über Menschen und ihr Leben. Damit man bei „jüdisches Leben“ nicht sofort wieder jenen Tod assoziiert, den Paul Celan einen „Meister aus Deutschland“ genannt hat, deshalb heißt dieser Teil der von Jürg Steiner inszenierten Ausstellung „Jewish Way of Life“.

Da gibt es eine Kleidervitrine, in der zum Beispiel eine Blue Jeans gezeigt wird – natürlich von Levi’s: Gründer des Unternehmens war ein ausgewanderter Jude aus Deutschland. Außerdem sind Krawatten und T-Shirts mit jüdischen Motiven zu sehen – zum Teil banal und kitschig vielleicht, aber eben quietschlebendig. Nebenan in der Vitrine läuft ein Förderband mit Tabletts, ähnlich wie in der Mensa oder Kantine, darauf allerlei Getränke, Lebensmittel, Fertiggerichte, Süßigkeiten – zum Thema koscher natürlich. Unter den abrufbaren Filmen an Medienstationen sind auch ein paar jüdische „Klamotten“ zu sehen. Es darf gelacht werden. Und getanzt: Auf eine Glaswand werden die Silhouetten tanzender Menschen projiziert. Vor der Glaswand eine Haltestange, wie im Ballettstudio. Aus Lautsprechern klingt jüdische Musik – und die Besucher tanzen. Kinder sowieso, aber nach kurzem Zögern auch Erwachsene. Hausherrin Brocke ist begeistert, dass diese Idee „funktioniert“.

| Kein „Schlussstrich” Doch haben Brocke und ihr Team die Alte Synagoge nicht zum geschichts- und respektlosen Amüsierbetrieb verändert, keineswegs. Schon weil ins Rabbinerhaus das Ludwig-Steinheim-Institut für deutschjüdische Geschichte einziehen wird. Und natürlich wird auch in der Synagoge die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Essen dargestellt, mit Dingen, die zum

— Die hebräische Inschrift über dem Thora-Schrein mahnt: „Wisse vor wem du stehst.“ Der große Raum hat jetzt nichts Einschüchterndes mehr.

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Ruhr Revue

Diesmal:

Carsten Bödecker Carsten Bödecker hat es mit Autos, sein Sohn mit Tennis, Frau und Tochter mit Pferden. Da freut sich der Leiter der BMW-Niederlassung Essen, dass er im grünen Essener Stadtteil Heidhausen ein Haus für die Familie gefunden hat – hoch oben über dem schönen alten Werden, wo die Kinder zum Gymnasium gehen. In der frischen Landluft, ganz nahe dem Golfplatz Heidhausen, kann er selbst mit Hund Tobi, einem irischen Terrier, durch die Felder und Wiesen stromern, während „seine Frauen“ den kurzen Weg zum Pferd schätzen. Carsten Bödecker gehört zu denen, die schon viel herumgekommen sind: Lehre und Studium in der Geburtsstadt Hannover, dann BMW-Bank in Frankfurt am Main, dann Zentrale des Autobauers in München, dann Vertrieb in Berlin und jetzt seit drei Jahren Essen. Aber er gehört auch zu denen, die sagen: Wir wollen nie mehr von hier fort – es sei denn, man müsste. Er schwärmt davon, wie schnell man hier Kontakt findet und wie reich das kulturelle Angebot ist, das er denn auch gern unterstützt: So fördert BMW etwa die RuhrTriennale. Carsten Bödecker ist nur einer von vielen, die so empfinden. Freuen Sie sich auf weitere Liebeserklärungen von Freunden der RUHR REVUE! commedia

| Darf man da rein? Natürlich.


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Wir wollen hier nie wieder weg!

— Im Treppenaufgang zur Empore hängen Porträts von Juden aus aller Welt. Sie zeigen beileibe nicht nur ernste Gesichter.

kreter gefasst. Alles gut gemeint, sagt Edna Brocke, aber eben auch nur das. Überdies widerspreche ein Sarg als Symbol des Todes an einer Synagoge der jüdischen Tradition. Das Ding kommt jetzt in den ehemaligen Rabbinergarten – als Teil der Ausstellung, nicht des Hauses. Mauer und Gitter sind weg; die Treppe lädt jetzt wirklich ein. Die Türen sind nicht nur aus Glas, sondern stehen sogar offen, wenn es irgend geht: Kommen Sie herein! Und dann? Raum. Großer weiter

Raum. Blick ungestört bis hinauf in die Kuppel – weil die großen Hängeleuchter verschwunden sind. Apricotfarben hell gestrichene Wände unterstreichen die Weite und wirken – heiter. Es gibt keine Ausstellungswände mehr. Der Raum ist leer bis auf Stühle, die Edna Brocke en passant ein wenig durcheinander bringt: Sie muss Mitarbeitern noch nahe bringen, dass geordnete Stuhlreihen zu sehr nach Gedenkfeier aussehen. Zur Empore, wo früher die Frauen saßen, führen zwei

schmale Treppenaufgänge. An der Wand hängen Porträts von bekannten Juden aus aller Welt. Nicht bloß schwarzweiß mit ernsten Gesichtern, im Gegenteil. Viele Schauspieler sind dabei. Komiker. Zuweilen ist man überrascht: ach der? Man sieht ja nur: einen Menschen. Dass er auch Jude ist – man möchte „ja und?“ sagen und weiß doch, dass diese naheliegende Reaktion auch 65 Jahre nach Hitler nicht ganz passen will. Schon auf dieser Treppe lernt man viel, obwohl da nur Bilder hängen.

Die Empore ist jetzt freigeräumt von beengenden Einbauten. Da die mächtigen Leuchter abgehängt sind, gibt es auch auf dieser Ebene ein ganz neues Raumgefühl durch Blickbeziehungen, die zuvor blockiert waren. Edna Brockes Lieblingsort ist eine Art Balkon oder Loge gegenüber dem mächtigen Thora-Schrein. Er wurde mit Sitzbänken versehen, so dass man die beste Sicht auf den ganzen Raum ungezwungen genießen kann. Drüben, hinter dem Schrein, ist die Ausstellung über jüdische Religion und ihre Wurzeln, über die Bedeutung der Thora und anderer Kultgegenstände. Seitlich auf der Empore sind acht Vitrinen verteilt, die sich wichtigen jüdischen Feiertagen widmen. Und zu den jeweiligen Terminen wird rund um die Vitrinen auch mehr geboten werden: Aktion. Zum ersten Mal wohl an Sukkot, Ende September. Man ahnt, warum Edna Brocke das besonders gern erwähnt: Das Laubhüttenfest ist das fröhlichste im jüdischen Festkalender. „Darf man da rein?“, fragen Kinder an der Loge. „Natürlich, natürlich dürft ihr rein“, sagt Edna Brocke. Sie freut sich, wenn Kinder herumlaufen in der Synagoge, wenn sie reden, lachen und auch mal lauter werden. Alles ist ihr recht: Interesse, Fröhlichkeit, Leben. Alles, bloß keine Trauerstimmung. So ist ihr liebster Ausstellungsraum auch der über Menschen und ihr Leben. Damit man bei „jüdisches Leben“ nicht sofort wieder jenen Tod assoziiert, den Paul Celan einen „Meister aus Deutschland“ genannt hat, deshalb heißt dieser Teil der von Jürg Steiner inszenierten Ausstellung „Jewish Way of Life“.

Da gibt es eine Kleidervitrine, in der zum Beispiel eine Blue Jeans gezeigt wird – natürlich von Levi’s: Gründer des Unternehmens war ein ausgewanderter Jude aus Deutschland. Außerdem sind Krawatten und T-Shirts mit jüdischen Motiven zu sehen – zum Teil banal und kitschig vielleicht, aber eben quietschlebendig. Nebenan in der Vitrine läuft ein Förderband mit Tabletts, ähnlich wie in der Mensa oder Kantine, darauf allerlei Getränke, Lebensmittel, Fertiggerichte, Süßigkeiten – zum Thema koscher natürlich. Unter den abrufbaren Filmen an Medienstationen sind auch ein paar jüdische „Klamotten“ zu sehen. Es darf gelacht werden. Und getanzt: Auf eine Glaswand werden die Silhouetten tanzender Menschen projiziert. Vor der Glaswand eine Haltestange, wie im Ballettstudio. Aus Lautsprechern klingt jüdische Musik – und die Besucher tanzen. Kinder sowieso, aber nach kurzem Zögern auch Erwachsene. Hausherrin Brocke ist begeistert, dass diese Idee „funktioniert“.

| Kein „Schlussstrich” Doch haben Brocke und ihr Team die Alte Synagoge nicht zum geschichts- und respektlosen Amüsierbetrieb verändert, keineswegs. Schon weil ins Rabbinerhaus das Ludwig-Steinheim-Institut für deutschjüdische Geschichte einziehen wird. Und natürlich wird auch in der Synagoge die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Essen dargestellt, mit Dingen, die zum

— Die hebräische Inschrift über dem Thora-Schrein mahnt: „Wisse vor wem du stehst.“ Der große Raum hat jetzt nichts Einschüchterndes mehr.

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Diesmal:

Carsten Bödecker Carsten Bödecker hat es mit Autos, sein Sohn mit Tennis, Frau und Tochter mit Pferden. Da freut sich der Leiter der BMW-Niederlassung Essen, dass er im grünen Essener Stadtteil Heidhausen ein Haus für die Familie gefunden hat – hoch oben über dem schönen alten Werden, wo die Kinder zum Gymnasium gehen. In der frischen Landluft, ganz nahe dem Golfplatz Heidhausen, kann er selbst mit Hund Tobi, einem irischen Terrier, durch die Felder und Wiesen stromern, während „seine Frauen“ den kurzen Weg zum Pferd schätzen. Carsten Bödecker gehört zu denen, die schon viel herumgekommen sind: Lehre und Studium in der Geburtsstadt Hannover, dann BMW-Bank in Frankfurt am Main, dann Zentrale des Autobauers in München, dann Vertrieb in Berlin und jetzt seit drei Jahren Essen. Aber er gehört auch zu denen, die sagen: Wir wollen nie mehr von hier fort – es sei denn, man müsste. Er schwärmt davon, wie schnell man hier Kontakt findet und wie reich das kulturelle Angebot ist, das er denn auch gern unterstützt: So fördert BMW etwa die RuhrTriennale. Carsten Bödecker ist nur einer von vielen, die so empfinden. Freuen Sie sich auf weitere Liebeserklärungen von Freunden der RUHR REVUE! commedia

| Darf man da rein? Natürlich.


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— Nicht nur Kinder lassen sich durch bewegliche Silhouetten und jüdische Musik zum Tanzen animieren.

Teil noch nie zu sehen waren. Wer sich in diesen Teil der Ausstellung vertieft, wird sicher Grund finden zu weinen oder doch einen Kloß im Hals zu spüren angesichts dessen, was ihr Deutschland, ihr Essen, ihre Nachbarn diesen Menschen wenige Jahre später antaten. Aber das Lachen nebenan im andern Teil der Ausstellung setzt einen wichtigen Kontrapunkt. Wenn man so will, verweigert es Hitler, Himmler und all ihren willigen Helfern das letzte Wort. Edna Brocke, kann man sagen, hat ihr Haus bestellt: „Es ist so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte.“ Keine Selbstverständlichkeit. Es hat Kritik und Fragen gegeben. Man argwöhnte, auch Brocke wolle nun den berüchtigten „Schlussstrich“ unter die Geschichte des Judenmords setzen. Kunstfreunde beklagten den Verlust der prächtigen Hängeleuchter von 1988. Neu entstehende jüdische Reformgemeinden verstanden nicht, dass Brocke

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ihnen keinen Raum gibt für Gottesdienste. Die Diskussionen hängen mit dem zusammen, was die Alte Synagoge nicht (mehr) ist: kein Ort, der die NS-Zeit, den Widerstand und die Verfolgung zum Thema hätte. Dieser Teil der früheren Ausstellung wird Platz im „Haus der Geschichte“ haben. Keine Gedenkstätte im Dienst der „Vergangenheitsbewältigung“, auch wenn der Essener Juden dort gedacht wird. Kein historisches oder jüdisches Museum, auch wenn Geschichte und Juden dort Thema sind.

| Ein neuer Anfang Schließlich ist das Haus auch kein KultOrt, für niemanden, sagt Edna Brocke. Der letzte Gottesdienst in der Synagoge fand 1938 statt, vor dem Brand. Und dabei solle es bleiben. Das ist insofern schlüssig, als das neue jüdische Leben in Deutschland eben etwas Neues ist und nicht die

Tradition der Vorkriegszeit weiterführt – weil es nicht möglich ist, ebenso wenig wie man anhand weniger SchwarzweißFotos den ursprünglichen Innenraum der Synagoge wieder herstellen könnte. Man kann nicht so tun, als sei nichts gewesen. Die Alte Synagoge von 2010 ist etwas Neues, ein „Haus jüdischer Kultur“. Für Juden und für Nichtjuden. Kein Nichtjude, sagt Brocke, hätte diese Abkehr von der gewohnt betroffenen Erinnerungskultur durchsetzen können. Vermutlich ist das auch gut so. Aber auch gut, dass es anders gekommen ist. Mehr als zuvor wendet die Synagoge sich jetzt der Stadt zu, und soweit das über eine vielspurig trennende Straße möglich ist, gehört sie, mit der altkatholischen Friedenskirche nebenan und dem neugestalteten „Edmund-KörnerPlatz“ auch städtebaulich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder zur Innenstadt. Ein neuer Anfang, fast wie 1913. ● -na

H E R R E N A U S S TAT T E R

HUBERTUS & PETER OPHEY THEATERPASSAGE RATHENAUSTRASSE 2 · 45127 ESSEN 0201– 82 0 94-0 www.klasmeyer.de


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