FOTOGRAFIE
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Bevor das Ende naht Urban Explorers fotografieren Verlassenes Vor ein paar Jahren war es auf der Zeche Zollverein noch abenteuerlich. Wie eben stillgelegt. Unerschlossen, schmutzig, ungesichert. Heute ist es dort schick. Aber authentisch? Nö. So ist es mit vielen alten Industriebauten. Es gibt aber auch noch verlassene Orte, die stehen nur da und atmen Vergangenheit. Und es gibt Leute, die von solchen „lost places“ magisch angezogen werden: „Urban Explorers“. Sie bahnen sich ihren Weg dorthin und fotografieren, was sie finden. Auch wenn sie nicht immer willkommen sind.
— Fotografieren, was Zeit, Verfall und Vandfalismus mit verlassenen Orten machen: „Urban Explorer“.
Der Zaun sieht noch richtig gut aus. Mitten im Wald. Wer nicht weiß, was der Zaun schützen soll, kann sich keinen Reim drauf machen. Selbst in der benachbarten Stadt dürften viele vergessen haben, dass dort in der Wildnis bis 1994 eine britische Kaserne war. Auf aktuellen Landkarten existiert sie nicht mehr. In der Explorer-Szene dagegen ist der Ort durchaus ein Begriff; man kennt, im Wortsinn, ihre geographischen Koordinaten. Man drückt dort einander nicht eben die Klinke in die Hand, aber es gibt schon einige, die jene Stelle im Wald kennen, wo jemand mal ein 38 |
Ruhr Revue
Stück Zaun ausgesägt hat. Das Gelände dahinter ist zugewuchert wie ein Ur wald. Es dauert Minuten, ehe das erste Gebäude in Sicht kommt: ein Kraftwerk. Die Briten waren da im Wald völlig autark. Weiter geht es durch Gestrüpp und an flachen Mannschaftsbaracken vorbei. Eine der quer verlaufenden Straßen gilt es im Laufschritt zu kreuzen: Am andern Ende des Geländes, wo früher der Eingang war, arbeiten Förster. Die sollten besser nichts mitkriegen von dem Besuch. Deshalb spricht man auch nur gedämpft und schrickt zusammen, wenn ein Ast unter dem Fuß lärmend bricht.
So erreicht die kleine Gruppe als nächstes einen verwüsteten „NAAFI-Club“, wo früher mal Partys gefeiert wurden. Eine Sporthalle. Ein Kino mit Namen „Globe“. Schließlich, und da wird die Szene fast unheimlich, zeichnet sich hinter dem Laubwerk der Umriss einer verfallenen Kirche ab. Wie Filmbilder aus dem südamerikanischen Dschungel – wäre dies nicht ein kühlgrau westfälischer Spätfrühlingstag. Wenn irgendwo „der Letzte das Licht ausgemacht“ hat, bleibt ein Gebäude selten lang sich selbst überlassen. Es kommen, offenbar unvermeidlich, die
Vandalen. Werfen Scheiben ein, dringen ins Gebäude, toben sich dort aus. Ihnen eng verwandt sind Sprayer oder Tagger; was sie hinterlassen, ist leider oft nicht besser als die pure Zerstörung: „Fuck the Police“ hat jemand an die Wand der Kasernen-Turnhalle gemalt. Da werden die Beamten aber zittern! Wirklich furchteinflößend kann die Begegnung mit Metalldieben werden, sagt Olaf Rauch. Der Bochumer zählt als „Urban Explorer“ zur vierten Spezies, die sich in den verlassenen Gebäuden einfindet. Er kennt die Kaserne im Wald von früheren Besuchen und ist entsetzt, wie Ruhr Revue
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Bevor das Ende naht Urban Explorers fotografieren Verlassenes Vor ein paar Jahren war es auf der Zeche Zollverein noch abenteuerlich. Wie eben stillgelegt. Unerschlossen, schmutzig, ungesichert. Heute ist es dort schick. Aber authentisch? Nö. So ist es mit vielen alten Industriebauten. Es gibt aber auch noch verlassene Orte, die stehen nur da und atmen Vergangenheit. Und es gibt Leute, die von solchen „lost places“ magisch angezogen werden: „Urban Explorers“. Sie bahnen sich ihren Weg dorthin und fotografieren, was sie finden. Auch wenn sie nicht immer willkommen sind.
— Fotografieren, was Zeit, Verfall und Vandfalismus mit verlassenen Orten machen: „Urban Explorer“.
Der Zaun sieht noch richtig gut aus. Mitten im Wald. Wer nicht weiß, was der Zaun schützen soll, kann sich keinen Reim drauf machen. Selbst in der benachbarten Stadt dürften viele vergessen haben, dass dort in der Wildnis bis 1994 eine britische Kaserne war. Auf aktuellen Landkarten existiert sie nicht mehr. In der Explorer-Szene dagegen ist der Ort durchaus ein Begriff; man kennt, im Wortsinn, ihre geographischen Koordinaten. Man drückt dort einander nicht eben die Klinke in die Hand, aber es gibt schon einige, die jene Stelle im Wald kennen, wo jemand mal ein 38 |
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Stück Zaun ausgesägt hat. Das Gelände dahinter ist zugewuchert wie ein Ur wald. Es dauert Minuten, ehe das erste Gebäude in Sicht kommt: ein Kraftwerk. Die Briten waren da im Wald völlig autark. Weiter geht es durch Gestrüpp und an flachen Mannschaftsbaracken vorbei. Eine der quer verlaufenden Straßen gilt es im Laufschritt zu kreuzen: Am andern Ende des Geländes, wo früher der Eingang war, arbeiten Förster. Die sollten besser nichts mitkriegen von dem Besuch. Deshalb spricht man auch nur gedämpft und schrickt zusammen, wenn ein Ast unter dem Fuß lärmend bricht.
So erreicht die kleine Gruppe als nächstes einen verwüsteten „NAAFI-Club“, wo früher mal Partys gefeiert wurden. Eine Sporthalle. Ein Kino mit Namen „Globe“. Schließlich, und da wird die Szene fast unheimlich, zeichnet sich hinter dem Laubwerk der Umriss einer verfallenen Kirche ab. Wie Filmbilder aus dem südamerikanischen Dschungel – wäre dies nicht ein kühlgrau westfälischer Spätfrühlingstag. Wenn irgendwo „der Letzte das Licht ausgemacht“ hat, bleibt ein Gebäude selten lang sich selbst überlassen. Es kommen, offenbar unvermeidlich, die
Vandalen. Werfen Scheiben ein, dringen ins Gebäude, toben sich dort aus. Ihnen eng verwandt sind Sprayer oder Tagger; was sie hinterlassen, ist leider oft nicht besser als die pure Zerstörung: „Fuck the Police“ hat jemand an die Wand der Kasernen-Turnhalle gemalt. Da werden die Beamten aber zittern! Wirklich furchteinflößend kann die Begegnung mit Metalldieben werden, sagt Olaf Rauch. Der Bochumer zählt als „Urban Explorer“ zur vierten Spezies, die sich in den verlassenen Gebäuden einfindet. Er kennt die Kaserne im Wald von früheren Besuchen und ist entsetzt, wie Ruhr Revue
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Bevor das Ende naht Urban Explorers fotografieren Verlassenes Vor ein paar Jahren war es auf der Zeche Zollverein noch abenteuerlich. Wie eben stillgelegt. Unerschlossen, schmutzig, ungesichert. Heute ist es dort schick. Aber authentisch? Nö. So ist es mit vielen alten Industriebauten. Es gibt aber auch noch verlassene Orte, die stehen nur da und atmen Vergangenheit. Und es gibt Leute, die von solchen „lost places“ magisch angezogen werden: „Urban Explorers“. Sie bahnen sich ihren Weg dorthin und fotografieren, was sie finden. Auch wenn sie nicht immer willkommen sind.
— Fotografieren, was Zeit, Verfall und Vandfalismus mit verlassenen Orten machen: „Urban Explorer“.
Der Zaun sieht noch richtig gut aus. Mitten im Wald. Wer nicht weiß, was der Zaun schützen soll, kann sich keinen Reim drauf machen. Selbst in der benachbarten Stadt dürften viele vergessen haben, dass dort in der Wildnis bis 1994 eine britische Kaserne war. Auf aktuellen Landkarten existiert sie nicht mehr. In der Explorer-Szene dagegen ist der Ort durchaus ein Begriff; man kennt, im Wortsinn, ihre geographischen Koordinaten. Man drückt dort einander nicht eben die Klinke in die Hand, aber es gibt schon einige, die jene Stelle im Wald kennen, wo jemand mal ein 38 |
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Stück Zaun ausgesägt hat. Das Gelände dahinter ist zugewuchert wie ein Ur wald. Es dauert Minuten, ehe das erste Gebäude in Sicht kommt: ein Kraftwerk. Die Briten waren da im Wald völlig autark. Weiter geht es durch Gestrüpp und an flachen Mannschaftsbaracken vorbei. Eine der quer verlaufenden Straßen gilt es im Laufschritt zu kreuzen: Am andern Ende des Geländes, wo früher der Eingang war, arbeiten Förster. Die sollten besser nichts mitkriegen von dem Besuch. Deshalb spricht man auch nur gedämpft und schrickt zusammen, wenn ein Ast unter dem Fuß lärmend bricht.
So erreicht die kleine Gruppe als nächstes einen verwüsteten „NAAFI-Club“, wo früher mal Partys gefeiert wurden. Eine Sporthalle. Ein Kino mit Namen „Globe“. Schließlich, und da wird die Szene fast unheimlich, zeichnet sich hinter dem Laubwerk der Umriss einer verfallenen Kirche ab. Wie Filmbilder aus dem südamerikanischen Dschungel – wäre dies nicht ein kühlgrau westfälischer Spätfrühlingstag. Wenn irgendwo „der Letzte das Licht ausgemacht“ hat, bleibt ein Gebäude selten lang sich selbst überlassen. Es kommen, offenbar unvermeidlich, die
Vandalen. Werfen Scheiben ein, dringen ins Gebäude, toben sich dort aus. Ihnen eng verwandt sind Sprayer oder Tagger; was sie hinterlassen, ist leider oft nicht besser als die pure Zerstörung: „Fuck the Police“ hat jemand an die Wand der Kasernen-Turnhalle gemalt. Da werden die Beamten aber zittern! Wirklich furchteinflößend kann die Begegnung mit Metalldieben werden, sagt Olaf Rauch. Der Bochumer zählt als „Urban Explorer“ zur vierten Spezies, die sich in den verlassenen Gebäuden einfindet. Er kennt die Kaserne im Wald von früheren Besuchen und ist entsetzt, wie Ruhr Revue
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— „Liebe geht durch den Magen“ – Küche einer Psychiatrie in Baden-Württemberg (Roswitha Schmid)
— „Erleuchtung“ – Kasernen-Kirche in NRW (Roswitha Schmid) und „La salle de bal“ – Grand-Hotel in Baden-Württemberg (Olaf Rauch)
sehr die Besucher der anderen drei Arten den Gebäuden mittlerweile zugesetzt haben. Wobei Kupferdiebe, wenn sie sich brutal und mit schwerem Werkzeug zu ihrer Beute vorarbeiten, zuweilen Wege eröffnen, die sonst verschlossen blieben. Doch andererseits zerstören sie dabei viel, sagt Olaf Rauch, und wer ihnen begegnet, müsse mit sehr nachdrücklichen Aufforderungen rechnen, das gleich wieder zu vergessen. Was aber haben die „Urban Explorers“ in den verlassenen Gebäuden zu suchen? Eine Antwort findet sich auf der Website www.rottenplaces.de: „Jedes Bauwerk erzählt eine Geschichte. Wir müssen sie erfassen, bevor das Ende naht. Dies ist unsere Aufgabe. Seit 2009.“ Starker Tobak, ganz schön pathetisch. Aber nicht ganz falsch, sagt Olaf Rauch, der schon 2004 zu dieser Szene gestoßen ist. Allerdings sei die Bewegung, ursprünglich in Australien und Amerika entstanden, ganz uneinheitlich, sagt Rauch. Die einen sähen sich tatsächlich vorwiegend als historische Dokumentaristen, anderen sei wie ihm selbst der fotokünstlerische Aspekt wichtiger. Die meisten arbeiten mit Stativ und langen Belichtungszeiten, um zu fotografieren, was sie sehen. Es gibt aber auch welche, die rücken mit Blitz und Beleuchtung an oder arrangieren Gefundenes so, wie sie es gut finden. Manche Explorer sind nur an neu entdeckten, nie erkundeten Objekten interessiert. Andere finden auch Gefallen daran, schon Gesehenes neu zu sehen und fotografisch zu interpretieren.
— „The fridge is empty“ – Zechensiedlung NRW (Olaf Rauch)
40 |
Ruhr Revue
15. August – 28. September 2014
Musiktheater / Tanz Konzert / Bildende Kunst Film / Installation Theater / Performance No Education / Forum
Bild: NASA images courtesy Jeff Schmaltz, LANCE / EOSDIS MODIS Rapid Response Team at NASA GSFC
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— „Liebe geht durch den Magen“ – Küche einer Psychiatrie in Baden-Württemberg (Roswitha Schmid)
— „Erleuchtung“ – Kasernen-Kirche in NRW (Roswitha Schmid) und „La salle de bal“ – Grand-Hotel in Baden-Württemberg (Olaf Rauch)
sehr die Besucher der anderen drei Arten den Gebäuden mittlerweile zugesetzt haben. Wobei Kupferdiebe, wenn sie sich brutal und mit schwerem Werkzeug zu ihrer Beute vorarbeiten, zuweilen Wege eröffnen, die sonst verschlossen blieben. Doch andererseits zerstören sie dabei viel, sagt Olaf Rauch, und wer ihnen begegnet, müsse mit sehr nachdrücklichen Aufforderungen rechnen, das gleich wieder zu vergessen. Was aber haben die „Urban Explorers“ in den verlassenen Gebäuden zu suchen? Eine Antwort findet sich auf der Website www.rottenplaces.de: „Jedes Bauwerk erzählt eine Geschichte. Wir müssen sie erfassen, bevor das Ende naht. Dies ist unsere Aufgabe. Seit 2009.“ Starker Tobak, ganz schön pathetisch. Aber nicht ganz falsch, sagt Olaf Rauch, der schon 2004 zu dieser Szene gestoßen ist. Allerdings sei die Bewegung, ursprünglich in Australien und Amerika entstanden, ganz uneinheitlich, sagt Rauch. Die einen sähen sich tatsächlich vorwiegend als historische Dokumentaristen, anderen sei wie ihm selbst der fotokünstlerische Aspekt wichtiger. Die meisten arbeiten mit Stativ und langen Belichtungszeiten, um zu fotografieren, was sie sehen. Es gibt aber auch welche, die rücken mit Blitz und Beleuchtung an oder arrangieren Gefundenes so, wie sie es gut finden. Manche Explorer sind nur an neu entdeckten, nie erkundeten Objekten interessiert. Andere finden auch Gefallen daran, schon Gesehenes neu zu sehen und fotografisch zu interpretieren.
— „The fridge is empty“ – Zechensiedlung NRW (Olaf Rauch)
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15. August – 28. September 2014
Musiktheater / Tanz Konzert / Bildende Kunst Film / Installation Theater / Performance No Education / Forum
Bild: NASA images courtesy Jeff Schmaltz, LANCE / EOSDIS MODIS Rapid Response Team at NASA GSFC
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— Vor ein paar Jahren noch machte das Kasernen-Kino etwas her. Nun haben Vandalen es ganz verwüstet. Schade, finden die fotografierenden Urban Explorer.
Ganz klar: Es ist aufregend, durch Gebäude zu streifen, die man nicht kennt, die an jeder Ecke Neues bergen können und die nicht vorbereitet, hergerichtet, ausgeschildert, abgesichert sind. Und das wird noch aufregender, wenn man keinen ortskundigen Führer hat, sondern sich seinen Weg selbst suchen muss. Das kann, natürlich, gefährlich werden. Und das dürfte, in vielen Fällen, schlicht verboten sein. Ist es am Ende das, was die Sache wirklich so spannend macht? Die Gefahr, dass man
irgendwo einbricht oder abstürzt? Dass man von Wächtern mit grimmigen Schäferhunden gestellt, gejagt und womöglich vor den Kadi gebracht wird? Es gibt Leute in der „Urbex“-Szene, die legen Wert darauf, nur da zu fotografieren, wo es erlaubt ist. Und natürlich gibt es andere, die das superuncool finden, die ohne den Reiz des Verbotenen, des Indianerspiels wenig Spaß in den „lost places“ haben würden. Für ihn selbst, sagt Rauch, spiele solcher Nervenkitzel eigent-
lich keine Rolle. Auch bei Käufern seiner Fotos habe er bislang nie den Eindruck gehabt, dass denen Bilder wertvoller würden, wenn sie unter Gefahr entstanden sind. Allerdings gibt Olaf Rauch ohne Weiteres zu, dass er, juristisch betrachtet, immer wieder mal illegal handelt und sich des Hausfriedensbruchs schuldig macht. Weil sonst die Auswahl der Objekte sehr klein oder uninteressant wäre. Bei vielen verlassenen Gebäuden sei es sehr schwierig herauszufinden, wem sie
— „Synchronschwimmen“ – Schwimmbad in NRW – (Olaf Rauch)
gehören, wer für eine Anfrage zuständig wäre und wie man an den herankommt. Und wenn, dann handele man sich meistens Absagen ein. Gerade Unternehmen, die noch etwas mit dem Grundstück oder den Gebäuden vorhätten, möchten meist nicht, dass sie mit Bildern des Verfalls in Zusammenhang gebracht werden. Viele Firmen genehmigen grundsätzlich gar nichts, und tatsächlich wäre das ja entweder ziemlich aufwendig, wenn man die Explorer begleiten lässt, oder versiche-
rungstechnisch extrem riskant, wenn man die Besucher einfach laufen lässt – und dann etwas passiert. Damit nichts passiert, geht Olaf Rauch auf seinen Expeditionen keine besonderen Risiken ein. Das heißt: Man tritt nicht irgendwo drauf und lehnt sich nicht irgendwo an, wenn Boden oder Geländer morsch sein könnten und wo man metertief fallen könnte, wenn sie nachgeben. Und wie ein Bergsteiger geht er nie allein, sondern in kleinen Gruppen oder mindes-
tens zu zweit, so dass man einander helfen oder Hilfe holen kann. Oft ist er mit seiner Freundin Roswitha Schmid unterwegs, die übrigens hörbar aus dem Schwarzwald stammt und somit beweist, dass man nicht im Industriegebiet zu Hause sein muss, um an verlassenen und verfallenden Gebäuden interessiert zu sein. Allerdings sind es ja beileibe nicht nur alte Industriebetriebe, die die beiden auf ihrer Liste haben. Es sind ebenso verlassene Handwerksbetriebe dabei, Bunker,
— Auf überwachsenen Pfaden und an flachen Wohnbaracken vorbei streifen die Fotografen mit Kamera und Stativ vorsichtig durch das Kasernen-Gelände.
VON PERLMUTTAUGEN UND FELSGESTEIN
INGE H. SCHMIDT I FRANK RÖDEL
17. 5. - 5.7.2014 Samstag von 11 - 13 Uhr und nach Vereinbarung Galerie art.ist - Gisa u. Winfried Radinger Am Markt 21 - 44575 Castrop-Rauxel T. +49 (0) 172 280 20 70 - www.art.ist-galerie.de
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— Vor ein paar Jahren noch machte das Kasernen-Kino etwas her. Nun haben Vandalen es ganz verwüstet. Schade, finden die fotografierenden Urban Explorer.
Ganz klar: Es ist aufregend, durch Gebäude zu streifen, die man nicht kennt, die an jeder Ecke Neues bergen können und die nicht vorbereitet, hergerichtet, ausgeschildert, abgesichert sind. Und das wird noch aufregender, wenn man keinen ortskundigen Führer hat, sondern sich seinen Weg selbst suchen muss. Das kann, natürlich, gefährlich werden. Und das dürfte, in vielen Fällen, schlicht verboten sein. Ist es am Ende das, was die Sache wirklich so spannend macht? Die Gefahr, dass man
irgendwo einbricht oder abstürzt? Dass man von Wächtern mit grimmigen Schäferhunden gestellt, gejagt und womöglich vor den Kadi gebracht wird? Es gibt Leute in der „Urbex“-Szene, die legen Wert darauf, nur da zu fotografieren, wo es erlaubt ist. Und natürlich gibt es andere, die das superuncool finden, die ohne den Reiz des Verbotenen, des Indianerspiels wenig Spaß in den „lost places“ haben würden. Für ihn selbst, sagt Rauch, spiele solcher Nervenkitzel eigent-
lich keine Rolle. Auch bei Käufern seiner Fotos habe er bislang nie den Eindruck gehabt, dass denen Bilder wertvoller würden, wenn sie unter Gefahr entstanden sind. Allerdings gibt Olaf Rauch ohne Weiteres zu, dass er, juristisch betrachtet, immer wieder mal illegal handelt und sich des Hausfriedensbruchs schuldig macht. Weil sonst die Auswahl der Objekte sehr klein oder uninteressant wäre. Bei vielen verlassenen Gebäuden sei es sehr schwierig herauszufinden, wem sie
— „Synchronschwimmen“ – Schwimmbad in NRW – (Olaf Rauch)
gehören, wer für eine Anfrage zuständig wäre und wie man an den herankommt. Und wenn, dann handele man sich meistens Absagen ein. Gerade Unternehmen, die noch etwas mit dem Grundstück oder den Gebäuden vorhätten, möchten meist nicht, dass sie mit Bildern des Verfalls in Zusammenhang gebracht werden. Viele Firmen genehmigen grundsätzlich gar nichts, und tatsächlich wäre das ja entweder ziemlich aufwendig, wenn man die Explorer begleiten lässt, oder versiche-
rungstechnisch extrem riskant, wenn man die Besucher einfach laufen lässt – und dann etwas passiert. Damit nichts passiert, geht Olaf Rauch auf seinen Expeditionen keine besonderen Risiken ein. Das heißt: Man tritt nicht irgendwo drauf und lehnt sich nicht irgendwo an, wenn Boden oder Geländer morsch sein könnten und wo man metertief fallen könnte, wenn sie nachgeben. Und wie ein Bergsteiger geht er nie allein, sondern in kleinen Gruppen oder mindes-
tens zu zweit, so dass man einander helfen oder Hilfe holen kann. Oft ist er mit seiner Freundin Roswitha Schmid unterwegs, die übrigens hörbar aus dem Schwarzwald stammt und somit beweist, dass man nicht im Industriegebiet zu Hause sein muss, um an verlassenen und verfallenden Gebäuden interessiert zu sein. Allerdings sind es ja beileibe nicht nur alte Industriebetriebe, die die beiden auf ihrer Liste haben. Es sind ebenso verlassene Handwerksbetriebe dabei, Bunker,
— Auf überwachsenen Pfaden und an flachen Wohnbaracken vorbei streifen die Fotografen mit Kamera und Stativ vorsichtig durch das Kasernen-Gelände.
VON PERLMUTTAUGEN UND FELSGESTEIN
INGE H. SCHMIDT I FRANK RÖDEL
17. 5. - 5.7.2014 Samstag von 11 - 13 Uhr und nach Vereinbarung Galerie art.ist - Gisa u. Winfried Radinger Am Markt 21 - 44575 Castrop-Rauxel T. +49 (0) 172 280 20 70 - www.art.ist-galerie.de
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— Links: „Schatten der Vergangenheit“ – NSAAbhörstation (O. Rauch). Rechts: „Bund(t)schuh“ – Kohlegrube in Belgien (R. Schmid)
— Auf der Empore der Kasernen-Kirche, in der der Verfall eine merkwürdige Mischung aus Beton- und Holzarchitektur sichtbar macht.
Zisternen, Kirchen, Krankenhäuser, ver waiste Wohnhäuser. Zuletzt waren sie häufiger in Frankreich und Belgien unterwegs und haben Herrenhäuser fotografiert, die – aus welchen Gründen auch immer – zum Teil seit Jahren leer und verlassen dastehen. Wobei – leer stimmt nicht so ganz. Man findet, sagt Olaf Rauch, immer wieder Situationen, da scheint der Bewohner eben erst vom Tisch aufgestanden zu
sein oder könnte im nächsten Moment ein Butler die Szene betreten. Wären da nicht Muff und Staub von Monaten und Jahren. Wie findet man solche Orte? Erstens natürlich, indem man sich mit offenen Augen durch Landschaft und Städte geht. Dazu sollte man in der Szene gut vernetzt sein. Wer einander vertraut, tauscht auch Hinweise auf interessante Objekte. Urban Explorer kommunizieren zwar intensiv über
das Internet. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass da oft mit Tarnnamen operiert wird und dass Fotos, die man öffentlich zeigt, oft keine genaue Ortsbezeichnung tragen. Damit man sich nicht selbst verrät. Damit nicht der Besitzer des Objekts aufgeschreckt wird und es womöglich neu abriegelt. Damit das Objekt nicht von Besuchern überflutetet wird, die sich an keine Regeln halten und die womöglich
nur neue Orte suchen, die sie verwüsten können. A propos Regeln: Ganz zum Schluss, als die Gruppe sich im Kasernengelände schon zum inoffiziellen „Ausgang“ bewegt, biegt plötzlich ein kleines rotes Auto um die Ecke. Einen Moment nicht aufgepasst! Zwei ducken sich ins Gebüsch und hasten hinter eine Mauer. Zwei finden
keine Deckung und erwarten das Unvermeidliche. Der freundliche Forstarbeiter belässt es bei Ermahnungen: Nicht in die Gebäude gehen! Und nicht von jemand anderem erwischen lassen. Glück gehabt. Es komme wohl vor, sagt Olaf Rauch, dass erwischten Urban Explorern Zerstörungen unterstellt werden, auch, um die Sache
juristisch aufzuladen: „Das waren Sie!“ Kaputtmachen allerdings lehnen die Urban Explorer strikt ab. Was bleibt, ist, wie bei jedem übermütigen Jugendgrüppchen: Hausfriedensbruch. Ohne den wäre eine ganze Welt aus „lost places“ aus den Augen, aus dem Sinn. Wie immer man dazu steht. l -na
Explorer in der Rotunde BO Seit zehn Jahren ist der vielseitige Künstler Olaf Rauch auch als Urban Explorer unterwegs. Kein bloßes Hobby mehr: Er hat mehrfach ausgestellt und kann seine Bilder verkaufen. 2012 veranstaltete er mit Freunden die erste „UrbEXPO“ in der Bochumer Rotunde. Zur dritten Auflage 2014 zeigen 17 Urban Explorer etwa 70 Fotos zum Thema „Lost Places“ und „Ästhetik des Verfalls“, vom 8. bis zum 17. August. Informationen über UrbEXPO, Olaf Rauch, seine Freunde und die ExplorerSzene findet man über diese Webseiten: www.urbane-kunst.de www.nullkunsteins.de
28. Juni 2014
Eine Nacht | 20 Städte 50 Spielorte | 2.000 Künstler
www.industrial-moods.de www.extraschicht.de | facebook.com/extraschicht | twitter.com/extraschicht | instagram@extraschicht — „Unterwelt“ – unvollendeter unterirdischer OP-Bunker in NRW (Olaf Rauch) Projektpartner:
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Förderer:
Medienpartner:
Premiumpartner:
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— Links: „Schatten der Vergangenheit“ – NSAAbhörstation (O. Rauch). Rechts: „Bund(t)schuh“ – Kohlegrube in Belgien (R. Schmid)
— Auf der Empore der Kasernen-Kirche, in der der Verfall eine merkwürdige Mischung aus Beton- und Holzarchitektur sichtbar macht.
Zisternen, Kirchen, Krankenhäuser, ver waiste Wohnhäuser. Zuletzt waren sie häufiger in Frankreich und Belgien unterwegs und haben Herrenhäuser fotografiert, die – aus welchen Gründen auch immer – zum Teil seit Jahren leer und verlassen dastehen. Wobei – leer stimmt nicht so ganz. Man findet, sagt Olaf Rauch, immer wieder Situationen, da scheint der Bewohner eben erst vom Tisch aufgestanden zu
sein oder könnte im nächsten Moment ein Butler die Szene betreten. Wären da nicht Muff und Staub von Monaten und Jahren. Wie findet man solche Orte? Erstens natürlich, indem man sich mit offenen Augen durch Landschaft und Städte geht. Dazu sollte man in der Szene gut vernetzt sein. Wer einander vertraut, tauscht auch Hinweise auf interessante Objekte. Urban Explorer kommunizieren zwar intensiv über
das Internet. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass da oft mit Tarnnamen operiert wird und dass Fotos, die man öffentlich zeigt, oft keine genaue Ortsbezeichnung tragen. Damit man sich nicht selbst verrät. Damit nicht der Besitzer des Objekts aufgeschreckt wird und es womöglich neu abriegelt. Damit das Objekt nicht von Besuchern überflutetet wird, die sich an keine Regeln halten und die womöglich
nur neue Orte suchen, die sie verwüsten können. A propos Regeln: Ganz zum Schluss, als die Gruppe sich im Kasernengelände schon zum inoffiziellen „Ausgang“ bewegt, biegt plötzlich ein kleines rotes Auto um die Ecke. Einen Moment nicht aufgepasst! Zwei ducken sich ins Gebüsch und hasten hinter eine Mauer. Zwei finden
keine Deckung und erwarten das Unvermeidliche. Der freundliche Forstarbeiter belässt es bei Ermahnungen: Nicht in die Gebäude gehen! Und nicht von jemand anderem erwischen lassen. Glück gehabt. Es komme wohl vor, sagt Olaf Rauch, dass erwischten Urban Explorern Zerstörungen unterstellt werden, auch, um die Sache
juristisch aufzuladen: „Das waren Sie!“ Kaputtmachen allerdings lehnen die Urban Explorer strikt ab. Was bleibt, ist, wie bei jedem übermütigen Jugendgrüppchen: Hausfriedensbruch. Ohne den wäre eine ganze Welt aus „lost places“ aus den Augen, aus dem Sinn. Wie immer man dazu steht. l -na
Explorer in der Rotunde BO Seit zehn Jahren ist der vielseitige Künstler Olaf Rauch auch als Urban Explorer unterwegs. Kein bloßes Hobby mehr: Er hat mehrfach ausgestellt und kann seine Bilder verkaufen. 2012 veranstaltete er mit Freunden die erste „UrbEXPO“ in der Bochumer Rotunde. Zur dritten Auflage 2014 zeigen 17 Urban Explorer etwa 70 Fotos zum Thema „Lost Places“ und „Ästhetik des Verfalls“, vom 8. bis zum 17. August. Informationen über UrbEXPO, Olaf Rauch, seine Freunde und die ExplorerSzene findet man über diese Webseiten: www.urbane-kunst.de www.nullkunsteins.de
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www.industrial-moods.de www.extraschicht.de | facebook.com/extraschicht | twitter.com/extraschicht | instagram@extraschicht — „Unterwelt“ – unvollendeter unterirdischer OP-Bunker in NRW (Olaf Rauch) Projektpartner:
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