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Ausgesprochen richtig?

Aus dem Off...

Ausgesprochen richtig? Von Sex, sechs und den 3 Könichen

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Am Ende des 17. Bond-Films „Goldeneye“ ruft der CIA- Kumpel seinem Freund James im Hubschraubergetöse zu: „Wir sehen uns in ‚Guantanamo!’“ Natürlich heißt es korrekterweise Guantanamo, aber 1995 gab es ja noch nicht die Möglichkeit, das schnell mal im Internet zu recherchieren. Andererseits: Auch Duden und Lexika enthielten schon damals interessante Informationen über Bedeutung und Aussprache von Namen und Begriffen. In den Synchron-Frühzeiten wurde vieles geradezu über-korrekt ausgesprochen, aber deshalb nicht immer unbedingt richtig. Das fremde Englisch, aber auch andere europäische Sprachen, mussten den Deutschen in der Nachkriegszeit sehr vorsichtig nahegebracht werden: Ein „Mister Smith“ hieß da erst mal Herr Smith und eine Miss wurde natürlich zum Fräulein gemacht.

Auch später gab es immer wieder Aussprache-Pannen, und das Internet ist heutzutage voll mit diversen “Best of’s“ solcher Fehler in Kino und TV-Produktionen. Spricht Harrison Ford in „Krieg der Sterne“ von „Jabba, dem Hutten“, heißt dieser später „Jabba, the Hut“ – dann natürlich engl. ausgesprochen.

Neben dem Problem der richtigen Aussprache und Betonung von (Fremd-) Wörtern gab(gibt?) es gelegentlich auch gewisse Nord-Süd-Konflikte, die sich zum Beispiel um die Verwendung bzw. Verwechslung des weichen und scharfen s-Lauts drehten. Ein anderer Streitpunkt: War oder hatte man an der Haltestelle gestanden? Fatalerweise ist das „korrekte Deutsch“ in den überwiegenden Fällen die „preußische Variante“, weshalb ein König eben ein Könich und kein Könick ist. Und unlogischerweise sind dann mehrere davon wiederum Könige und keine Köniche. Das ist hundsgemein, aber so steht es halt im Regelwerk. Es scheint jedoch (zum Glück!), dass in globalisierten Zeiten die Auseinandersetzungen entlang des Weißwurst-Äquators an Schärfe verloren haben…

Nicht erst seit #metoo verschwimmt auch immer häufiger die korrekte Aussprache* von Sex (scharfes s) und sexistisch/Sexismus (weiches s). Die üblichen Verdächtigen (Politiker und Politikerinnen, Prominente und leider oft genug auch Medien-Menschen) sprechen diese Begriffe wiederholt falsch aus, und am Ende ist es wieder mal egal, dass ein weiterer feiner Unterschied glattgebügelt wurde. Den Schaupielerinnen und Schauspielern und anderen sprechenden Berufen kommt hier die bedeutungsvolle Aufgabe zu, tapfer die letzten Bastionen des Hochdeutschs zu repräsentieren – und gegebenenfalls zu verteidigen. Das gilt natürlich nicht für alles mundartliche Lokalkolorit. Denn da soll sich ja gerade der Reichtum unserer deutschen Dialekte zeigen und wird seit Jahrzehnten gern in „Tatort“ und anderen Publikums-Rennern praktiziert.

Was mir bisher niemand erklären konnte: Warum hört man von synchronisierenden Kindern immer öfter Sachen wie: „Was Du alles von mir leanst!“/ „Ja, Mama, sehr geane!“/ „Oh, die Keaze ist ausgegangen!“ Hallo? Haben die alle bei Bill Kaulitz von TOKIO HOTEL Sprechunterricht genommen? Oder fällt es Kindern einfach zunehmend schwer, ein stimmloses è herzustellen? Und die Synchronregie hat nach der 10. Aufnahme schlichtweg aufgegeben?

Es ist schon eine schwierige Sache mit der (Aus-)Sprache: Wir wollen keine Gscheidhaferl/Klugscheißer/ Klooksnacker sein, aber wir sollen in unserer Arbeit auch möglichst kein „falscher Deutsch“ verbreiten. Das passiert schon überall & ringsumher, wo eine „knorke Außenwerbung“ angepriesen oder über „okayen Sex“ geredet wird. Wir können nicht überall sein, um das Schlimmste zu verhindern. Und selbst eine massive Aufstockung der „Synchronpolizei“ würde nur wenig ausrichten können, um der vertrackten Lage Herr zu werden. Das ist zwar ausgesprochen traurig, aber leider auch ein bisschen wahr.

Stefan Krause

P.S.: Der Autor wurde in den letzten Jahren immer mal wieder auf gewisse Berliner „Töne“ hingewiesen. Das ist insofern unmöglich, da in Berlin ja bekanntermaßen das reinste Hochdeutsch gesprochen wird.

* ganz zu schweigen von der Bedeutung dieser Begriffe!

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