2 minute read
Werktreu
Werktreu
„Nehmen Sie sofort die Vorderhufe von der jungen Dame, sonst können Sie Ihr Frühstück aus der Schnabeltasse lutschen!“(„Die 2“/ Dialoge: R. Brandt)
Advertisement
Fast jeder Zeitungsartikel, der sich mit deutscher Synchronisation beschäftigt, zitiert die Texte der britischen Serie „Die 2“ aus den 70er-Jahren. Entweder, um zu betonen, dass die Serie ohne die deutsche Synchro (trotz Roger Moore und Tony Curtis in den Hauptrollen) nur todlangweilig gewesen wäre oder um damit die These zu untermauern, dass Synchronisation jegliches Original verfälscht, entstellt und deshalb grundsätzlich abzulehnen sei.
Es gab später noch weitere Serien und sogar Filme, bei denen versucht wurde, diese „Masche“ anzuwenden, d.h. sich ohne Rücksicht auf Verluste vom Original zu entfernen, um lahme Gags lustig und holprige Dramaturgie halbwegs logisch zu machen. Da hieß dann die Aufgabe für Text und Regie: „Der Film ist großer Mist, aber wir müssen ihn bringen. Also macht da mal was draus!“ Daraufhin wurde dann Einiges getextet, aber oft genug der größte Teil der Dialoge im Atelier improvisiert. Motto: „Du kannst den Text, der dasteht, vergessen. Sag’ mal Folgendes...!“ Das war dann eine gute Übung fürs Ultra-Kurzzeitgedächtnis bzw. notgedrungene Stenografie. In der kritischen Rückschau erscheint diese Phase aber eher als Niedergang denn als Blütezeit des Synchron, und die Kalauer-Klasse eines Rainer Brandt hatten eh’ nur wenige seiner „follower“.
Wenn ein wichtiger Grundsatz unseres Metiers lautet „So nah am Original wie möglich!“, dann ist damit nicht genau definiert oder in Prozentzahlen festgelegt, wie viel Platz da noch für „Abweichendes“ bleibt. Was ist zum Beispiel mit Namen, die im Land des Originals jedes Kind kennt, die bei uns jedoch nur Eingeweihten geläufig sind? Da wurde schon mal aus Dick Cavett ein Rudi Carell gemacht, damit der Gag auf einen Talkmaster bei uns „rüberkam“. Aber auch das sind eher Sünden der Vergangenheit. Abgesehen von der Möglichkeit, in Sekundenschnelle jedes Wort und jeden Begriff zu „guurgeln“, wird seit einiger Zeit dem Publikum doch eher mehr an Allgemeinwissen zugetraut – dem Infotainment sei Dank!
Auf der anderen Seite steht die sog. „Werktreu-Fraktion“, einerseits repräsentiert durch Auftraggeber, die Alles(!) genau so haben wollen wie im Original – nur eben deutsch! Aber ansonsten: möglichst ähnliche Stimme, Intonation und Modulation. Wenn sich da jemand passendes findet – gut. Wenn nicht, gerät Synchronisation leicht zur mehr oder weniger gelungenen Stimmenimitation. Ein Genre, das ja eigentlich eher zu Kabarett und Comedy gehört. Um nicht missverstanden zu werden: Das Original ist und bleibt die Referenz und ist in den meisten Fällen die Orientierungsschnur für eine Rolle.
Doch zuweilen treibt die Werktreue auch merkwürdige Blüten, wenn selbst offensichtlich Falsches (aller Art) ins Deutsche „mitgenommen“ wird. Da kann man – je nach Temperament – aufbegehren, insistieren oder auch… …resignieren. Zumindest sind solche Momente ein schlagender Beweis, dass wir in unserer Arbeit weisungsgebunden sind, auch wenn unser eventueller Protest im Cutter oder Cutterinnen-Buch dokumentiert wird.
„Werktreu“ kann zweierlei bedeuten: Ganz nah dran oder haarscharf daneben. Das liegt aber auch immer in Auge und Ohr des Betrachters. Auf alle Fälle bedeutet es für unsere Arbeit nicht, das eigene Wissen und den persönlichen Geschmack an der Garderobe abzugeben. Respekt vor dem guten Original ist da genau so selbstverständlich wie berechtigte Kritik am schlechten.
Stefan Krause