Recht und Urteile 2010

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Recht und Urteile 2010 Wichtige gesetzliche Änderungen und Urteile, Erläuterungen zur Rechtsprechung und rechtliche Tipps für freie Finanzdienstleister.

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Recht und Urteile 2010

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

die Rechtsprechung ist in einem ständigen Fluss. Zum einen entwickeln sich die rechtlichen Grundlagen immer weiter. Beispielsweise wird die nationale Gesetzgebung zunehmend durch europarechtliche Vorgaben beeinflusst. Dies betrifft insbesondere auch das Recht der Finanzdienstleistungen. EU-Vermittlerrichtlinie, MiFID und AIFM sind wichtige, bei weitem aber nicht die einzigen EU-Richtlinien, die in jüngerer Zeit in nationales Recht umzusetzen waren oder kurzfristig umzusetzen sein werden. Zum anderen bricht aber auch die Rechtsprechung selbst immer wieder mit alten Grundsätzen. Angesichts der immer stärker im Vordergrund stehenden Bedeutung des Verbraucher- und Anlegerschutzes werden alte Rechtsprechungsgrundsätze zur Gänze geändert oder altbekannte Grundsätze verfeinert und erweitert. Bekannte Beispiele liefern Entscheidungen des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes, des sog. Bankensenates. Genossen Banken aufgrund ihres Stellenwertes und ihrer Reputation im Gesellschaftssystem seit jeher ein recht hohes Ansehen, so dass zunächst kaum vorstellbar schien, dass Banken mit Produktanbietern zum Nachteil von Kunden zusammenwirken könnten, hat sich die Rechtsprechung auch in diesem Bereich mittlerweile entscheidend geändert. Und last but not least blieb auch die Versicherungswirtschaft von dieser Entwicklung nicht verschont.

Es ist deshalb für alle in den verschiedenen Segmenten des Finanzdienstleistungssektors Tätigen wichtig, die aktuelle Rechtsprechung zu kennen. In diesem Magazin stellen wir Ihnen aktuellere Entscheidungen der letzten zwei Jahre zusammen. Die Auswahl stellt einen Mix aus den Bereichen geschlossene Fonds, Vertriebshaftung, Neues aus den Bereichen Banken- und Versicherungsrecht, Vermittlerrecht, Finanzierung und betriebliche Altersvorsorge dar. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Neben Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofes sind auch einige interessante Entscheidungen der Instanzgerichte zusammengetragen.

Ihr Team vom wmd-brokerchannel Friedrich A.Wanschka, Astrid Klee Carmen Lübke, Matthias Heß, Tobias Strenk und Werner Klumpe, Ulrich Nastold Rechtsanwälte Kanzlei Klumpe, Schroeder + Partner GbR 3



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Rechtsgebiete I.

Bereich geschlossene Fonds (Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn, Prospektfehler)

II.

speziell: Prüfungs-, Aufklärungs- und Nachforschungspflichten bei der Vermittlung von Anlage- produkten, Pflichtenkreise für Anleger und andere Beteiligte

III.

Immobilien und Finanzierung

IV.

Vermittler- und Maklerrecht

V.

Versicherungen

I. Rechtsprechung zum Bereich geschlossener Fonds (Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinn, Haftungsadressaten) Auch wenn sich an den Grundsätzen der Prospekthaftung, also insbesondere der Haftung von Initiatoren, des Vertriebs und sonstigen Beteiligten, seit langem kaum noch etwas geändert hat, erstaunt es doch immer wieder, welche konkreten Ansatzpunkte von der Rechtsprechung in den Vordergrund gerückt werden, auf deren Grundlage eine Haftung bejaht oder auch verneint wird. Während die Prospekthaftung im engeren Sinne ihre Grundlage in der Haftung für typisiertes Vertrauen hat, werden unter dem Begriff der Prospekthaftung im weiteren Sinn verschiedene Fallgruppen zusammengefasst, bei denen bestimmte Personen für Prospektfehler aufgrund allgemeiner rechtlicher Bestimmungen haften. Solche allgemeinen rechtlichen Bestimmungen können die Grundsätze der culpa in contrahendo (= c.i.c. oder Verschulden bei Vertragsschluss) oder positive Forderungs- bzw. positive Vertragsverletzung (pFV bzw. pVV) sein. Haftungsadressaten sind die Personen, zu denen die Anleger - künftig - in Vertragsbeziehungen 6

treten. Neben Treuhändern und Treuhandkommanditisten sind dies faktisch insbesondere die sog. „Gründungsgesellschafter“. Dementsprechend bejaht die Rechtsprechung auch vorvertragliche Aufklärungspflichten der Gründungsgesellschafter, die den Anleger über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände richtig und vollständig informieren müssen. So kann eine Treuhandkommanditistin die Pflicht treffen, die künftigen Treugeber über regelwidrige Auffälligkeiten zu informieren, die sich so nicht aus der Lektüre eines Emissionsprospektes erschließen (BGH, Urt. v. 08.10.2009, III ZR 207/07). Deswegen kann der unrichtige Inhalt eines Emissionsprospektes selbst dann, wenn er vom Treuhandkommanditisten nicht zu verantworten ist, Bedeutung erlangen. Ist im Prospekt ausgewiesen, dass eine Vertriebsgesellschaft für die Beschaffung des Eigenkapitals 7 % des Beteiligungskapitals erhalten sollte und sind weitere Kostenpositionen ausgewiesen, die sich als verkappte Provisionszahlungen herausstellen, so dass Vertriebsprovisionen von 20% bezahlt wurden, trifft eine Treuhandkommanditistin als Gründungskommanditistin die Pflicht, später beitretende Anleger hierüber zu informieren (BGH a.a.O.). Ähnlich lautet das Fazit, im BGH-Urteil vom 22.04.2010 (III ZR 318/08) Näheres dazu finden Sie unter II.5.2.


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1. (Prospekt-)Haftung bei fehlerhafter Prognose über die erwartete Mietentwicklung und zur Frage der Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleichung (BGH, Urt. v. 31.05.2010, II ZR 30/09) Ausgangspunkt Einmal mehr hatte sich der BGH mit Fragen der Prospekthaftung aufgrund eines Prospektfehlers zu befassen. Des Weiteren ging es in der Entscheidung um die Frage, inwieweit sich ein Anleger im Wege der Vorteilsausgleichung die im Zusammenhang mit der Anlage erzielten dauerhaften Steuervorteile auf seinen Schaden anrechnen lassen muss. Insoweit hatte der BGH schon seit langem geurteilt, dass Steuervorteile anzurechnen sind, sofern nicht die Ersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterliegt. Außerdem sind Steuervorteile anzurechnen, wenn der Anleger derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielt, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen. Im Urteil vom 31.05.2010 ging es auch um die Frage, wann solche außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Ein Anleger hatte sich auf der Grundlage eines Verkaufsprospektes mit einer Einlage von 100.000,00 DM zzgl. 5.000,00 DM Agio als Kommanditist an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt. Dessen Gegenstand war die Vermietung und Verwaltung eines Wohn- und Geschäftshauses. Der Anleger nahm die persönlich haftende Gesellschafterin der Fondsgesellschaft wegen unterlassener Aufklärung in Anspruch und forderte die Zahlung der geleisteten Einlage abzüglich erlangter Ausschüttungen. Des Weiteren begehrt er die Feststellung, von der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB freigestellt zu werden, alles jeweils Zug um Zug gegen Übertragung seiner Kommanditbeteiligung. In erster Instanz war der Anleger gescheitert. Das Berufungsgericht bejahte einen Schadenersatzanspruch nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo. Der Prospekt sei fehlerhaft gewesen, weil entgegen der Angaben im Prospekt die dort prognostizierten und über den wirtschaftlichen Erfolg der Anlage entscheidenden maßgeblichen Mietsteigerungen um jährlich 2% in den ersten Vermietungsjahren und in den folgenden Jahren dann ansteigend auf „Erfahrungswerten der Vergangen-

heit“ beruht hätten, obwohl den Prospektverantwortlichen keine Erkenntnisse darüber vorlagen, dass in der Vergangenheit bei vergleichbaren Objekten unter entsprechenden äußeren Umständen Mietzuwächse in der prognostizierten Höhe erzielt werden konnten. Das Berufungsgericht sah in der sukzessiven Absenkung des Einkommensteuerspitzensatzes von 53 % im Jahr der Zeichnung auf 45% zum Zeitpunkt des Schadensersatzverlangens einen außergewöhnlichen und dem geschädigten Anleger verbleibenden Steuervorteil. Deshalb seien Steuervorteile gegenzurechnen. Der BGH sah den letztgenannten Punkt anders. Prospektfehler Zutreffend sei jedoch die Bejahung eines Prospektfehlers. Die voraussichtlichen Mieterträge stellten ein wesentliches Kriterium für die Entscheidung des Anlegers dar, sich an einem geschlossenen Immobilienfonds zu beteiligen. Grundsätzlich werde aber vom Prospektherausgeber keine Gewähr dafür übernommen, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Der BGH bestätigte sodann die Ansicht des Berufungsgerichtes, welches einen Prospektfehler darin gesehen hat, dass die der Liquiditätsprognose zugrunde gelegte Entwicklung der Mieten nicht auf der behaupteten Grundlage beruhte. Die Prospektaussage, dass die Liquiditätsprognose und die ihr zugrunde gelegte künftige Mietentwicklung darauf beruhten, dass in der Vergangenheit bei vergleichbaren Objekten unter vergleichbaren äußeren Umständen Mietzuwächse in dieser Höhe erzielt werden konnten, konnte im Rechtsstreit nicht verifiziert werden. Kausalität Der Prospektfehler war auch für die Beitrittsentscheidung kausal, denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Die in Anspruch genommene Komplementärgesellschaft des Fonds hatte somit in das Recht des Anlegers eingegriffen, zutreffend informiert über die Verwendung seines Vermögens selbst zu bestimmen 7


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und sich für oder gegen die Anlage zu entscheiden. Ist ein Anleger durch die unzutreffende Aufklärung dazu veranlasst worden, dem Immobilienfonds beizutreten, kann er verlangen, im Wege der Naturalrestitution so gestellt zu werden, als wenn er sich an dem Fonds nicht beteiligt hätte. Des Weiteren hat er Anspruch auf Erstattung der für den Erwerb der Anlage gemachten Aufwendungen abzüglich erhaltener Ausschüttungen gegen Rückgabe der Anlage. Anrechnung von Steuervorteilen Umfassender setzt sich der BGH sodann mit der Frage der Anrechnung von Steuervorteilen und der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen außergewöhnlicher Steuervorteile auseinander. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Anrechnung von Steuervorteilen muss sich ein Anleger im Wege des Vorteilsausgleichs die im Zusammenhang mit der Anlage erzielten dauerhaften Steuervorteile auf seinen Schaden anrechnen lassen, sofern nicht die Ersatzleistung ihrerseits besteuert wird (z.B. BGH, Urt. v. 07.12.2009, v. 03.012.2007, v. 29.11.2004, v. 14.01.2002, v. 06.03.2008 u.a.m.). Trotz Versteuerung der Ersatzleistung sind die erzielten Steuervorteile demgegenüber aber anzurechnen, wenn ein Anleger außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihm außergewöhnliche Steuervorteile verbleiben, so dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen. Von einem Anleger, der einem Fonds aufgrund unrichtiger Prospektaussagen beigetreten ist, könne aber nicht erwartet werden, dass er Jahre nach Zeichnung einer Anlage im Einzelnen darlegt, welche anderweitigen Anlagemöglichkeiten zum damaligen 8

Zeitpunkt bestanden und welche steuerlichen Auswirkungen sich für ihn ergeben hätten, wenn er sich für ein Alternativinvestment entschieden hätte. Ist davon auszugehen, dass sich ein Anleger in Kenntnis des Prospektfehlers an einem anderen Steuersparmodell beteiligt hätte, spricht alles dafür, dass er eine Anlage gewählt hätte, die ihm Steuervorteile in vergleichbarer Höhe gebracht hätte. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Anhaltspunkte für beim Anleger verbleibende außergewöhnliche Steuervorteile bestehen, trägt der Schädiger. Es ist dessen Sache, eine konkrete Berechnung vorzunehmen. Den Geschädigten trifft dann allerdings eine sekundäre Darlegungslast, aufgrund derer er gehalten ist, die für die Berechnung erforderlichen Daten mitzuteilen. Kommt ein Anleger seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt die Behauptung der primär beweisbelasteten Partei als zugestanden. Die Absenkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer führt für sich genommen nicht dazu, dass die mit der Anlage verbundenen Steuervorteile erheblich höher sind als der durch die Besteuerung der Ersatzleistung entstehende Steuernachteil. Gerade wegen der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und der unterschiedlichen Entwicklung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen in verschiedenen Zeiträumen stellt die konkrete Berechnung der Steuervorteile und Steuernachteile einen sehr großen Aufwand dar. Dieser - im Regelfall unverhältnismäßige - Aufwand soll durch die pauschalierende Betrachtungsweise vermieden werden. Dies gelte auch im Falle der Absenkung des Spitzensatzes der Einkommensteuer. Der BGH billigte dem Anleger deshalb auch Ersatz der vom Berufungsgericht noch in Abzug gebrachten Steuervorteile zu.


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Fazit Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie führt dort zu einem schnelleren Ergebnis, wo Pflichtverletzung, Kausalität und Schaden schon feststehen. Einen Schädiger trifft dann die Notwendigkeit, ihn ggf. Entlastendes vorzutragen. Aufgrund der den Anleger dann obliegenden sekundären Darlegungslast werden unbillige Ergebnisse vermieden. 2. Prospektfehler bei Kostenangabe an „falscher“ Prospektstelle (OLG Stuttgart, Urt. v.12.08.2009, 9 U 21/09) Ein Anleger nahm die ihn beratende Bank wegen Verletzung von Auskunftspflichten aus einem Anlageberatungsvertrag in Anspruch. kmi hatte über die Beteiligungsofferte negativ berichtet, wobei allerdings nicht feststand, ob der Bank zum Zeitpunkt der Zeichnung der negative Pressebericht bekannt war. Das OLG Stuttgart bejahte einen Prospektmangel und verurteilte die Bank, weil sie den Prospektfehler nicht korrigiert hatte. Ein rechtlicher relevanter und hinweisbedürftiger Prospektmangel liegt vor, wenn „weiche“ Kosten bei einem Anlagemodell in nicht unerheblicher Höhe anfallen und ein Anleger dem Prospekt nicht ohne weiteres entnehmen kann, in welchem Umfang die von ihm eingezahlte Einlage nicht in das Anlageobjekt fließt, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird. Fehlerhaft ist der Prospekt schon, wenn sich die Kostenverteilung nicht unmittelbar aus den Erläuterungen zu abgedruckten Investitions- und Finanzierungsplänen ergibt, sondern wenn es erforderlich ist, zunächst einen Abgleich verschiedener Prospektangaben über die Anschaffungs- und Herstellungskosten und anschließend eine Reihe von Rechengängen vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.2006, II ZR 329/04). Im beanstandeten Prospekt waren Vermittlungskosten als Projektkosten, als Finanzierungskosten, als Kosten der Vertriebskoordination und als Eigenkapitalbeschaffungskosten zu finden, ohne dass eine konkrete Differenzierung und eine durchgehende Zuordnung konkreter Kosten möglich war. Es ist nicht ausreichend, wenn ein Fachmann eine fehlende Aufgliederung aus dem Prospekt ersehen kann. Von dem (durchschnittlichen) Anleger kann nicht erwartet werden, dass er den Prospekt mit dem geschulten Blick eines Fachmanns studiert. Auch

wenn er nicht nachfragt, ändert dies an der Haftung eines Anlageberaters nichts, denn unzureichende Prospektbeschreibungen bezüglich Umständen von objektiver Bedeutung können schadenersatzrechtlich nicht allein deshalb folgenlos bleiben, weil der Anlageinteressent aufgrund mangelnder oder nur begrenzter Erfahrung keinen Anlass gesehen hatte, sich zu dem betreffenden Punkt Informationen geben zu lassen. Ferner kritisierte das Gericht, dass die beratende Bank eine Vermittlungsprovision von 8 %, die sie im Wege der Rückvergütung aus Anlegergeldern erwartete und erhielt, nicht offengelegt hat. Eine unmissverständliche Offenlegung ist bei vorhandenen Interessenkonflikten zwingend geboten. Im Rahmen eines Beratungsvertrages besteht die Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen unabhängig von deren Höhe. 3. Prospekthaftung bei falscher Darstellung der Entwicklung eines Vorgängerfonds (BGH, Urt. v. 01.03.2010, II ZR 213/08) Mit der Behauptung, der Emissionsprospekt weise diverse Fehler auf, verlangte ein Anleger Erstattung seiner Einlage Zug um Zug gegen Abtretung seines Kommanditanteils. Das Berufungsgericht hatte die Aussage, zwei Vorgängerfonds längen „deutlich über Plan“ als bloße werbende Anpreisung gesehen. Diese werbende Anpreisung würde zudem durch den Prospekthinweis relativiert, dass die Vorgängerfonds teilweise anders konzipiert seien. Der BGH sieht dies anders. Er verweist auf seine ständige Rechtsprechung, dass einem Anlageinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden muss. Der Anleger muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden. Ändern sich diese Umstände nach der Herausgabe des Emissionsprospektes, so haben die Verantwortlichen das durch Prospektberichtigung oder gesonderte Mitteilung offenzulegen. Ein für die Anlageentscheidung wesentlicher Umstand kann der Erfolg oder der Misserfolg vergleichbarer Vorgängerfonds sein. Für eine Anlageentscheidung ist der Erfolg von Vorgängerfonds ein wichtiger Gesichtspunkt. Des Weiteren ist für die Anlageentscheidung von Bedeutung, wie sich die Marktlage in der Branche des Fonds entwickelt. Gerade der Terroranschlag vom 11.09.2001 hat die Medienbranche nicht unberührt gelassen. Eine dem 11.09.2001 zeitlich nachfolgende Aussage, die 9


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wichtigen wirtschaftlichen Rahmenfaktoren hätten sich als „nachhaltig stabil“ erwiesen, muss deshalb hinterfragt werden. Sodann nimmt der BGH auch noch einmal zu Verjährungsfragen Stellung: Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate seit Kenntnis des Prospektfehlers, längstens aber drei Jahre seit dem Beitritt zur Gesellschaft. Die Höchstfrist von drei Jahren beginnt allerdings nicht mit Unterzeichnung des Beitrittsangebots, sondern erst mit der Annahme des Antrags durch die Gesellschaft. Erst dann ist ein Anleger „beigetreten“.   4. Zur Frage, welche Schlussfolgerung ein Anleger aus der Überschrift „Garantiefonds“ in einem Prospekt über einen Medienfonds ableiten kann (OLG München, Urt. v. 08.02.2010, 17 U 2893/09) Ein Anleger hatte sich an einem Medienfonds beteiligt. Der Beteiligung lag der Emissionsprospekt zugrunde. Dieser war mit der Überschrift „Garantiefonds“ versehen. Aufgrund dieser - objektiv unrichtigen - Bezeichnung und wegen Nichtaufklärung über die an die vermittelnde Bank bezahlte Vermittlungsprovision wurde die Bank wegen Verletzung von Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag zum Schadenersatz verurteilt.

§

Ein Anlageberater - gleiches gilt auch für einen Anlagevermittler - ist zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Eine solche Plausibilitätsprüfung kann nicht durch den Verweis auf einen positiven Prüfbericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ersetzt werden. Lücken und Fehler des Prospektes erlangen auch für Berater und Vermittler Bedeutung, wenn bei Prüfung der Schlüssigkeit und Plausibilität des Anlagekonzeptes Lücken und Fehler erkennbar waren. Das tatsächliche Anlegerrisiko darf nicht verharmlosend und beschönigend dargestellt werden. Dies gilt auch, soweit Schlagwörter in Flyern oder in Überschriften verwendet werden. Das Wort „Garantie“ erweckt den Eindruck, dass ein bestimmtes Ereignis sicher eintreten wird. Es ist die stärkste Zusicherung, die man abgeben kann. Bei einem Anleger wird der Eindruck vermittelt, dass ein Verlust des eingezahlten Kapitals nicht zu erwarten ist. Tatsächlich wurde dies jedoch nicht garantiert, denn die Bank hatte durch eine Schuldübernahme nur das Kommanditkapital insgesamt gesichert, mit dem jedoch vor Auszahlung an die Gesellschafter etwaige Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu decken waren. Aufgrund bestehender hoher Verbindlichkeiten war deshalb nicht auszuschließen, dass auch ein Totalverlust der Einlage der Kommanditisten eintreten konnte. Für einen Anlagevermittler oder Anlageberater muss

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es sich daher aufdrängen, dass die lückenhafte Prospektdarstellung korrigiert wird oder die bestehenden Zweifel sind dem Anleger mitzuteilen. Dies war im konkreten Fall nicht geschehen.

Des Weiteren hatte es die vermittelnde (beratende) Bank unterlassen, den Anleger über Rückvergütungen aufzuklären. Die Höhe der Rückvergütung spielt hierbei keine Rolle. Auch macht es keinen Unterschied, ob der Berater Aktien- oder Medienfonds vertreibt. Der aufklärungspflichtige Interessenkonflikt ist in beiden Fällen gleich. Ein Anleger muss in die Lage versetzt werden, entscheiden zu können, ob ihm die Anlage gerade auch deshalb empfohlen wird, weil der Berater eine bestimmte Provision erhält. 5. Zur Prospekthaftung bei geschlossenen Immobilienfonds der GEHAG (BGH, Urt. v. 22.03.2010, u.a. II ZR 66/08, II ZR 184/08 u.a.)

Schon kurz nach Bekanntwerden der verschiedenen Urteile des II. Zivilsenates des BGH, die sich alle gegen die GEHAG richteten, war von „später Genugtuung“ und ähnlichem zu lesen. Man kann bezüglich dieser Entscheidungen auch den altbekannten Satz zitieren, dass derjenige, der klagen will, oftmals einen langen Atem braucht. Die Klagen verschiedener Kapitalanleger richteten sich gegen die GEHAG GmbH, deren Mehrheitsgesellschafterin das Land Berlin ist. Die GEHAG ist Gründungsgesellschafterin verschiedener GEHAG-Fonds. Die Fonds waren gegründet worden, um - größtenteils im sozialen Wohnungsbau - Wohnanlagen zu errichten und zu vermieten. Das Land Berlin bezuschusste die Mieten zum Teil. Die Hilfen wurden für 15 Jahre ab Bezugsfertigkeit bewilligt. Üblicherweise schloss sich an diesen Zeitraum eine ebenfalls 15-jährige „Anschlussförderung“ an. Im Februar 2008 beschloss der Berliner Senat den Verzicht auf die Anschlussförderung für solche Bauvorhaben, bei denen die Grundförderung nach dem 30.12.2002 endete. Davon betroffen waren u.a. die GEHAGFonds 11, 15 und 18.

Anleger verlangten deshalb wegen Prospektmängeln u.a. Ersatz ihrer Einlage und Freistellung von der quotalen Haftung für das von der Gesellschaft aufgenommene Bankdarlehen. Das Kammergericht hatte bei den genannten Fonds einen Prospektfehler angenommen, weil die Anschlussförderung in den maßgeblichen Beteiligungsprospekten als gesichert dargestellt worden sei. Die Klagen wurden aber abgewiesen, weil der Fehler nicht als ursächlich für die Beitrittsentscheidung angesehen worden war. Prospektaussagen erweckten den Eindruck, die An-


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schlussförderung sei gesichert. Tatsächlich bestand darauf aber kein Rechtsanspruch. Deshalb waren die Prospektaussagen unrichtig im Sinne der Prospekthaftungsrechtsprechung. Im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung hat der BGH auch in diesen Entscheidungen angenommen, dass eine fehlerhafte Aufklärung nach der Lebenserfahrung ursächlich für die Anlageentscheidung ist (Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens). Bei einem zutreffenden Hinweis auf die rechtliche Ungewissheit der Anschlussförderung wäre es für einen durchschnittlichen Anlageinteressenten durchaus vernünftig gewesen, nicht in dieses Vorhaben zu investieren. „Das Recht des Anlegers, das Für und Wider selbst abzuwägen und seine Anlageentscheidung in eigener Verantwortung zu treffen, wird in diesen Fällen auch durch unzutreffende Informationen über Umstände, für deren Eintritt eine nur geringe Wahrscheinlichkeit besteht, beeinträchtigt.“ Da noch von der GEHAG GmbH angebotene Beweise erhoben werden müssen, wurden die die Klagen abweisenden Urteile aufgehoben und die Angelegenheiten an das Kammergericht zurückverwiesen. 6. Hat der BGH den Rückwärtsgang eingelegt? Welche Konsequenzen sind aus dem Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 337/08 zu ziehen? Am 27.10.2009 hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt, welches in Kreisen von Anlegerschützern schnell zu einem Aufschrei geführt hat und zur Frage, ob der BGH die von ihm in den letzten Jahren geprägte Haftungsrechtsprechung nun wieder aufweichen können. Im konkret entschiedenen Fall ging es um die Beteiligung eines Anlegers an einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform der KG. Der Anleger erwarb eine Kommanditbeteiligung in Höhe von 600.000,00 DM. Gesellschaftszweck war die Errichtung und Vermietung zweier Geschäftshäuser in Berlin. Die Fremdkapitalquote lag bei gut 50 %, wobei sich aus der Sachverhaltsdarstellung nicht konkret ergibt, ob sich die 50% auf die Gesamtkostenverteilung beziehen oder auf den reinen Kaufpreis der Immobilien.

Das OLG Frankfurt am Main hatte in dem vom BGH nunmehr aufgehobenen Urteil einen „gravierenden Prospektmangel“ darin gesehen, dass die Prognoserechnung und die Erfolgsprognose auch aus damaliger Sicht kaufmännisch nicht vertretbar gewesen seien. Im Herbst 1994 sei der Markt für Gewerbeimmobilien in Berlin von einer „besonderen Dynamik“ geprägt gewesen. Ein Mietausfallwagnis in Höhe von - nur - 2 % sei deshalb zu optimistisch kalkuliert. Außerdem seien die Anleger nicht auf das Risiko eines Totalverlustes hingewiesen worden. Der BGH wiederholt in den Entscheidungsgründen den Pflichtenkreis eines Anlageberaters, der nicht nur eine zutreffende, vollständige und verständliche Mitteilung von Tatsachen schuldet, sondern darüber hinaus auch eine fachmännische Bewertung, um eine dem Anleger und der Anlage gerecht werdende Empfehlung abgeben zu können. Bevor eine Bank eine Anlage empfiehlt, müsse sie diese mit banküblichem kritischen Sachverstand prüfen. Diese Prüfungspflicht gelte aber nicht nur für den Bankberater, sondern auch für einen unabhängigen Anlageberater (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2009, III ZR 302/07). Selbst unter Zugrundelegung dieses strengen Maßstabes verneinte der BGH das Vorliegen von Prospektfehlern. Jeder Prospekt, der eine zukünftige Entwicklung beschreibe, basiere auf Prognosen über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjektes. Der Prospektherausgeber übernehme jedoch grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trage der Anleger. Das OLG Frankfurt am Main habe somit den Bogen überspannt, indem es forderte, dass eine Prognose nicht nur vertretbar sein müsse, sondern weitergehend eine realistische, kaufmännischen Erfahrungen entsprechende vorsichtige Kalkulation enthalten müsse. Auch hätte über die generelle Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung im konkreten Fall nicht aufgeklärt werden müssen. Dass eine zum Zeitpunkt ih11


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rer Erstellung vertretbare Prognose immer mit dem Risiko einer abweichenden negativen Entwicklung behaftet sei und sich die Entwicklung der Rentabilität einer Kapitalanlage nicht mit Sicherheit voraussagen lasse, gehöre zum Allgemeinwissen und bedürfe keiner besonderen Aufklärung. Entscheidend sei, dass die eine bestimmte Erwartung stützenden Tatsachen sorgfältig ermittelt sind und die darauf gestützte Prognose der künftigen Entwicklung aus damaliger Sicht vertretbar ist. Im Punkt des Totalausfallrisikos vertrat der BGH ebenfalls eine vom OLG Frankfurt abweichende Meinung: Aus der Fremdkapitalquote eines Immobilienfonds ergebe sich grundsätzlich kein strukturelles Risiko, über welches der Anleger gesondert aufzuklären sei. Anders als dies bei einem Filmfonds sein könnte, bei dem der Misserfolg der Produktion unmittelbar einen entsprechenden Verlust des eingebrachten Kapitals nach sich ziehen dürfte, stehe bei einem Immobilienfonds selbst bei unzureichendem Mietertrag den Verbindlichkeiten der Gesellschaft zunächst der Sachwert der Immobilie gegenüber. Zu einem Totalverlust des Anlagebetrages könne es also erst dann kommen, wenn die Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft den Wert der Immobilie vollständig aufzehren. Etwas anderes könne sich ergeben, wenn weitere, dem Anleger unbekannte, risikoerhöhende Umstände hinzutreten, etwa ein überteuerter Erwerb der Immobilie, der Einsatz von Eigenkapital für investitionsfremde Zwecke oder der Verfall der betreffenden Immobilienpreise. Die Frage, die sich nun für die Zukunft stellt, ist die, ob der BGH, der in den letzten zwei Jahrzehnten ein immer dichteres Haftungsnetz gesponnen hat, nunmehr die eingeschlagene Linie jedenfalls zum Teil wieder verlässt und die Anforderungen zurückschraubt. Dies ist nicht zu erwarten. Bereits im zweiten Leitsatz stellt der BGH auf den individuellen Beratungsbedarf des Anlegers ab, der sich nach dessen Wissensstand, seiner Risikobereitschaft und dem von ihm verfolgten Anlageziel bestimmt. Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits war mit immerhin 600.000,00 DM beteiligt, was für eine vorhandene größere Erfahrung und einen entsprechenden Wissensstand spricht. Vermutlich wäre die Entscheidung anders ausgefallen, wenn es sich um 12

einen unerfahrenen Anleger mit geringeren Einkünften und mit einer bescheidenen Beteiligungssumme gehandelt hätte. Die explizite Verneinung einer Hinweispflicht auf ein mögliches Totalverlustrisiko überrascht allerdings. Auch bei einer Fremdkapitalquote von (nur) 50% ist das Risiko eines Totalausfalls nicht so unwahrscheinlich, wie der BGH offensichtlich in diesem Fall gemeint hat. Emittenten und Beratern kann nur geraten werden, auch über ein solches Risiko in heutiger Zeit ausreichend und verständlich zu informieren. 7. Die rechtzeitige Übergabe eines Prospektes, der über die Risiken informiert, kann den freien Anlageberater entlasten (OLG Stuttgart, Urt. v. 12.05.2010, 3 U 200/09) Dass Anleger Prospekte lesen sollten, die ihnen vom Berater rechtzeitig vor Zeichnung der Anlage übergeben worden sind, zeigt ein vom OLG Stuttgart entschiedener Fall. Ein Anleger hatte sich mit 55.000,00 € zzgl. Agio an einem Filmfonds beteiligt. Vor dem Beitritt wurde der Anleger durch einen freien Anlageberater beraten. Dieser übergab dem Anleger auch einen Beteiligungsprospekt und wies darauf hin, dass er für die Vermittlung des Fonds eine Provision erhalte. Über deren Höhe machte er jedoch keine Aussage. Nachdem sich die wirtschaftliche Situation der Fondsgesellschaft schlecht entwickelt hatte, forderte der Anleger vom Berater Schadenersatz und begründete dies damit, der Berater habe ihn nicht über ein mögliches Totalverlustrisiko aufgeklärt. Das OLG Stuttgart verwies darauf, dass über dieses Risiko im Prospekt verständlich informiert worden ist. Es genüge, wenn dem Anlageinteressenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlagen überreicht werde. Dies müsse „ausreichend lange vor Zeichnung der Beteiligung“ geschehen. Ein Anlageberater kann seiner Hinweispflicht auf einen möglichen Totalverlust mithin auch dadurch genügen, dass er rechtzeitig vor Zeichnung einen Verkaufsprospekt aushändigt, in dem die Risiken verständlich beschrieben sind. Sodann verneinte das Gericht auch eine Pflichtverletzung wegen einer nicht offengelegten Kick-BackZahlung. Der Anlageberater hätte - unwiderspro-


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chen - eine Innenprovision erhalten. Diese war im Prospekt als Kostenbestandteil ausgewiesen. Eine solche Provision habe keinerlei anrüchigen oder gar schmiergeldähnlichen Charakter. Die Schwelle, ab der auch ungefragt über die Höhe der Provision aufzuklären sei, sei nicht überschritten. Der Anlageberater hätte deshalb keine Pflichten verletzt.

Der erste Themenbereich erstaunt nicht. Der zweite steht im Einklang mit dem BGH-Urteil vom 15.04.2010 (III ZR 196/09). Das OLG Stuttgart konnte seine Entscheidung auch darauf stützen, dass der Berater ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, für die Vermittlung des Fonds eine Provision zu erhalten. Hier kann in der Tat vom Anleger erwartet werden, dass er nach deren Höhe fragt. Anderenfalls kann durchaus gemutmaßt werden, den Anleger interessiere die konkrete Höhe nicht weiter. Solange in einem solchen Fall die Provision die Schwelle, ab der auch die konkrete Höhe ungefragt offenzulegen ist, nicht überschreitet und es keine zusätzlichen Anreize (Incentives, Boni etc.) gibt, erscheint die Argumentation plausibel und vertretbar. Eine Gewähr, dass dies immer so bleiben wird, ist für den freien Vertrieb damit jedoch nicht verbunden.   8. Prospektübergabe am Zeichnungstag kann Berater nicht entlasten (LG Mannheim, Urt. v. 26.08.2010, 9 O 413/09) Eine schon ältere Anlegerin nahm ihre Hausbank aus Schadenersatz aus einem Anlageberatungsvertrag in Anspruch. Sie hatte sich - nach einem Beratungsgespräch in der Bankfiliale - mit 40.000,00 € zzgl. Agio als über eine Treuhandgesellschaft mittelbar beteiligte Anlegerin an einer Fondsgesellschaft beteiligt. Investitionsziel war der Aufbau und der Handel eines Portfolios mit britischen Lebensversicherungspolicen. Die Anlegerin machte verschiedene Beratungsfehler geltend, u.a. die fehlende Aufklärung über ein Fremdwährungsrisiko, ein Zinsänderungsrisiko und die Möglichkeit des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung. Die in Anspruch genommene Bank berief sich insbesondere darauf, der Anlegerin einen Beteiligungsprospekt übergeben zu haben, in dem alle Chancen, aber auch Risiken beschrieben seien. Nach der Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass die Prospektübergabe frühestens am Tage der Zeichnung erfolgt ist. Die Anlegerin hatte ihrerseits vorgetragen, gar keinen Beteiligungsprospekt erhalten zu haben.

Das Landgericht Mannheim gab der Klage statt. Ein Verweis auf den Anlageprospekt helfe nicht weiter, denn Voraussetzung für eine exkulpierende Wirkung sei, dass sich ein Anleger vor Abschluss eines

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Beteiligungsvertrages aus dem Prospekt ausreichend informieren kann. Die Aushändigung eines 117 Seiten umfassenden Prospektes am Tag der Zeichnung sei jedenfalls nicht ausreichend. Außerhalb des Prospektes war über die von der Anlegerin explizit angesprochenen Risiken nicht aufgeklärt worden. Das Gericht konnte insoweit sogar offenlassen, ob - wie von der Anlegerin behauptet - die beratende Bank Rückvergütungen im Zusammenhang mit dem Anlagegeschäft erhalten hatte. Der Schadenersatzanspruch der Anlegerin umfasste auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, wobei es nicht darauf ankam, ob diese bereits gezahlt waren. Nachdem die Bank einen Ersatzanspruch in Abrede gestellt hatte, war ein etwaiger Befreiungsanspruch der Anlegerin nach § 250 Satz 2 BGB in einen Zahlungsanspruch übergegangen. Statt der geltend gemachten 1,8-fachen Rechtsanwaltsgebühr hielt das Gericht aber lediglich eine 1,3-fache Gebühr für angemessen.   9. Zur Frage der Ursächlichkeit eines Prospektmangels für die Anlageentscheidung (BGH, Urt. v. 02.03.2009, II ZR 266/07) In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob eine unrichtige Prospektdarstellung - die Lage des Beteiligungsgrundstückes war falsch angegeben - für die Anlageentscheidung ursächlich war oder nicht. Anleger waren einem Immobilienfonds beigetreten. Der Fonds erwarb ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück und in einer anderen Stadt ein weiteres mit einem Bürogebäude bebautes Grundstück, welches langfristig vermietet war. Eines der Grundstücke war im Prospekt zwar mit der richtigen Anschrift angegeben, seine Lage auf einer Planskizze aber falsch eingezeichnet. Wegen dieser unrichtigen Angabe und auch mit der Behauptung, der Wert für Grund und Boden des zweiten Grundstückes sei unzutreffend dargestellt, wurde die Rückabwicklung der Beteiligung gefordert. In Anspruch genommen wurde der Treuhandkommanditist, der auch einer der Gründungsgesellschafter des Fonds war und bei der Erstellung des Emissionsprospektes mitgewirkt hatte. Die Instanzgerichte hatten die Anlegerklage abgewiesen. Der BGH hat diese Entscheidungen allerdings aufgehoben und auf schon früher geäußerte Rechtsprechungsgrundsätze hingewiesen, nach denen bei einer unrichtigen oder unvollständigen Darstellung von für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen eine tatsächliche Vermutung dafür bestehe, dass die mangelhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich sei (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 79, 337, 346, BGH, Urt. v. 03.12.2007, II ZR 21/07 oder BGH, Urt. v. 21.03.2005, II ZR 149/03). 13


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Durch eine unzutreffende oder unvollständige Information des Prospektes werde in das Recht des Anlegers eingegriffen, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob der Anleger in das Projekt investieren wolle oder nicht. Eine Ausnahme komme allenfalls bei von vornherein spekulativen Geschäften in Betracht, bei denen es nur um das Maß der Sicherheit geht.

Derjenige, der in Anspruch genommen wird, kann die tatsächliche Vermutung, dass eine fehlerhafte Prospektdarstellung für die Anlageentscheidung ursächlich war, widerlegen. Die Vermutung ist grundsätzlich erschüttert, wenn dem Anleger der Prospektmangel beim Beitritt bekannt ist. Hierüber war noch Beweis zu erheben. Deshalb verwies der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.   10. Anforderungen an Prospekthaftung einer im Zusammenhang mit dem Fondsbeitritt von Anlegern eingeschalteten Bank (BGH, Beschl. v. 29.01.2009, III ZR 74/08)

In diesem Rechtsstreit ging es um die Beteiligung eines Anlegers an einem Filmfonds. Der Anleger nahm - u.a. - die Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank als Mitinitiatorin und Hintermann des Prospektes in Anspruch. Diese Gesellschaft war von der Fondsgesellschaft (!) mit der Beratung bei der Auswahl und Heranziehung potenzieller Vertragspartner und der Optimierung des gesamten Vertragswerkes sowie der gesamten Koordination des Eigenkapitalvertriebs sowie von der Prospektherausgeberin mit der Erstellung eines Prospektentwurfs beauftragt worden. Außerdem nahm sie als Einzahlungstreuhänderin für die Fondsgesellschaft (!) die Gelder der Anleger entgegen.

Der BGH hatte bereits im Jahr 2007 betreffend dieselbe Fondsgesellschaft festgestellt, dass der Emissionsprospekt fehlerhaft sei, weil die worstcase-Szenario-Beschreibung nicht deutlich genug sei. Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn waren im konkreten Fall allerdings verjährt. Deshalb kam es darauf an, ob die beklagte Banktochter Haftungsadressat einer Prospekthaftung im weiteren Sinn war. Die Vorinstanzen hatten dies - wie nun auch der BGH - verneint. Dass ein Unternehmen als Prospektverantwortliche Mitinitiatorin oder Hintermann in Betracht kommt, bedeutet nicht, dass dieses Unternehmen ohne weitere Voraussetzungen auch nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn haften würde. Die eigentliche Prospekthaftung knüpfe an typisiertes Vertrauen an. 14

Für die Prospekthaftung im weiteren Sinn kommt es jedoch darauf an, dass persönliches Vertrauen in Anspruch genommen worden ist. Aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet daher insoweit, wer Vertragspartner ist oder werden soll oder als ein für den Vertragspartner auftretender Vertreter oder Beauftragter aufgetreten ist und dabei für seine Person Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat. Das bloße Inempfangnehmen des Zeichnungsscheins sowie der Einzug und die Weiterleitung des Agios reichen hierfür nicht aus. Auch für die Annahme eines Auskunftsvertrages lagen keine Anhaltspunkte vor. Für die Annahme eines solchen Vertrages ist regelmäßig ein Kontakt zwischen den Parteien erforderlich, der im Hinblick auf die intendierte rechtsgeschäftliche Haftung dahin gehen muss, dass eine als verbindliche Willenserklärung anzusehende Auskunft gegenüber einem Interessenten erteilt wird, der sie zur Grundlage seiner Entscheidung machen möchte. Die Fülle und die Gesamtheit der im Emissionsprospekt enthaltenen Angaben können nicht als Auskunft bewertet werden. Die Beklagte war des Weiteren nicht als Urheberin oder Garantin für bestimmte Prospektaussagen hervorgehoben worden oder hervorgetreten. Der Beklagten konnte schließlich keine Kenntnis davon nachgewiesen werden, dass ihr bekannt gewesen wäre, eine Erlösausfallversicherung sei entgegen den Prospektangaben erst nach Produktionsbeginn möglich gewesen (ansonsten wäre eine Haftung nach §§ 31, 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB in Betracht gekommen).   11. BGH verlängert die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn (BGH, Urt. v. 07.12.2009, II ZR 15/08) Dass die sog. Prospekthaftung im engeren Sinn 31 Jahre nach den ersten BGH-Entscheidungen zu diesem Themenkreis nichts an Aktualität verloren hat, beweist die BGH-Entscheidung vom 07.12.2009. Mittels Prospektes, den der klagende Anleger auch erhalten hatte, war für eine Beteiligung an einer AG & Co. KG geworben worden. Die Anlegergelder sollten nach dem Emissionsprospekt auf vier Investitionsbereiche (Portfolios) verteilt werden. In den Jahren 2004 und 2005 sollte „schwerpunktmäßig“ in eine Kommanditbeteiligung an einer Gesellschaft investiert werden, deren Zweck der Aufbau einer neuen Vertriebsorganisation mit Exklusivvertretern sein sollte. Tatsächlich wurden mit den Anlegergeldern aber Mehrfachagenten geworben und geschult. Soweit der BGH über die Klage zu befinden hatte,


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richtete sie sich nur noch gegen den Gesellschafter, der mit 50 % an einer GmbH beteiligt war, die ihrerseits mit 50 % an einer AG beteiligt war. Diese AG war Muttergesellschaft der alleinigen Komplementärin der Beteiligungs-KG. Dieser Gesellschafter war zugleich Vorstand eines der Unternehmen dieses Beziehungsgeflechts und Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft. Bevor der BGH zu Fragen der Prospektrichtigkeit und Prospektverantwortlichkeit Stellung nahm, nahm er zur möglichen deliktischen Haftung wegen des nicht erlaubten Betriebs eines erlaubnispflichtigen Bankgeschäfts Stellung. Er verneinte ein solches und damit eine mögliche Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Zwar ist § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers. Die Beteiligungsgesellschaft besorgte jedoch kein Finanzkommissionsgeschäft (= Handel mit Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung). Hierfür ist nicht ausreichend, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf fremde Rechnung gehandelt wird. Die Beteiligungsgesellschaft erwarb und veräußerte Finanzinstrumente für eigene Rechnung. Weder dem Anleger noch der die Beteiligung treuhänderisch haltenden Treuhänderin wurde Eigentum an den angeschafften Finanzinstrumenten übertragen. Der BGH bejahte - anders als das Kammergericht in zweiter Instanz - einen Anspruch aus Prospekthaftung im engeren Sinn. Der Emissionsprospekt war unrichtig. Ein solcher hat dem Anleger ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln. Dazu gehört, dass sämtliche Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind oder sein können, zutreffend, verständlich und vollständig dargestellt werden. Zu den für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umständen gehört die Darstellung des Geschäftsmodells eines Unternehmens, in welches die Beteiligungsgesellschaft wie hier in den ersten Jahren erheblich investieren will samt der damit verbundenen Chancen und Risiken. Ein Prospektfehler wurde bejaht, da die anzuwerbenden und zu schulenden Vertriebspartner keine Exklusivpartner (Einfirmenvertreter), sondern Mehrfachvertreter waren. Der BGH bejahte sodann auch eine Prospektverantwortlichkeit des Beklagten, weil dieser einen ent-

sprechenden Einfluss auf die Geschicke der Fondsgesellschaft ausüben konnte. Er hatte sich in einem Schreiben an die Vertriebsmitarbeiter selbst als zu den Initiatoren zählend bezeichnet. Außerdem bejahte der BGH die sog. Hintermann-Haftung. Neben den Initiatoren, Gründern und Gestaltern der Gesellschaft, die das Management bilden oder beherrschen, haften auch die Personen, die hinter der Gesellschaft stehen, auf ihr Geschäftsgebahren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Hintermann nach außen in Erscheinung tritt. Sodann ging es um die Frage, ob ein Prospekthaftungsanspruch im engeren Sinn verjährt war. Der BGH stellte früher auf die gesetzlich geregelten Fälle der Prospekthaftung und die dort bestimmten Verjährungsfristen ab (u.a. § 47 BörsG a.F.). Danach verjährten Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinn in sechs Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem ein Gesellschafter von dem Prospektfehler Kenntnis erlangt hat, spätestens drei Jahre nach dem Abschluss des Gesellschafts- oder Beitrittsvertrages. Nachdem der Gesetzgeber des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes angesichts der Komplexität zahlreicher Sachverhalte eine Frist von sechs Monaten nicht für ausreichend erachtet hat, um die zur Vorbereitung eines Haftungsanspruchs erforderlichen Recherchen durchzuführen und deshalb die kenntnisabhängige Verjährung auf ein Jahr verlängert hat, übertrug der BGH diese Gesichtspunkte auch auf einen Prospekthaftungsanspruch im engeren Sinn. Da die Kausalität zwischen Prospektfehler und Anlageentscheidung - widerruflich - vermutet wird und der Beklagte die Vermutung nicht widerlegen konnte, wurde er zum Schadenersatz Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus dem Treuhandvertrag verurteilt. Steuervorteile wurden nicht gegengerechnet, da der Anleger eine Schadensersatzleistung als Betriebseinnahme zu versteuern hat. Der BGH hat - fast könnte man sagen lehrbuchhaft - das von ihm schon vor mehr als drei Jahrzehnten entwickelte Haftungskonstrukt bestätigt und konsequenterweise an die heutigen schärferen gesetzlich geregelten Verjährungsansprüche angeglichen. 15


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II. Speziell: Prüfungs-, Aufklärungs- und Nachforschungspflichten bei der Vermittlung von Anlageprodukten, Pflichtenkreise für Anleger und andere Beteiligte Prüfungs-, Aufklärungs- und Nachforschungspflichten für Anlagevermittler und Anlageberater folgen aus dem - im Regelfall stillschweigend zustande gekommenen - Auskunfts- oder Beratungsvertrag. Der einem Anlageinteressenten gegenübertretende Anlagevermittler ist regelmäßig vom Emittenten oder einem größeren Vertriebsunternehmen beauftragt, Anleger zu vermitteln. Für die erfolgreiche Vermittlung erhält er seine Provision vom Auftraggeber (Emittent oder Vertriebsgesellschaft). Mit dem Anlageinteressenten ist der Vermittler daher - zunächst - vertraglich nicht verbunden. Er wird aber vom BGH und den Instanzgerichten mit den Mitteln der Auslegung in eine vertragliche Position gebracht. Die Gerichte gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Rahmen der Anlagevermittlung zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zustande kommt, wenn der Interessent deutlich macht, dass er - auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen - die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (vgl. aus jüngerer Zeit beispielsweise BGH, Urt. v. 12.05.2005, III ZR 413/04). Beim Anlageberater kommt - im Ansatz ähnlich wie beim Auskunftsvertrag - ein stillschweigender Abschluss des Beratungsvertrages in Betracht, wenn der Anleger die Beratung nachsucht und mit ihr begonnen wird (vgl. aus jüngerer Zeit z.B. BGH, Urt. v. 05.11.2009, III ZR 302/08). Für diejenigen, die bei 16

einer angebotenen Kapitalanlage treuhänderische Aufgaben übernehmen, ist der Pflichtenkreis regelmäßig im Treuhandvertrag beschrieben. Sie müssen jedoch beachten, dass es auch außerhalb der eigentlichen Vertragspflichten einen Bereich gibt, in dem es geboten sein kann, die Interessen der Anleger gegen diejenigen der Produktpartner, insbesondere der Initiatoren, wahrzunehmen. Soweit sich ein Projektbeteiligter dabei in einem Interessenkonflikt befindet, ist dieser Interessenkonflikt offenzulegen. Die jüngere Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht über Kick-Backs, Rückvergütungen oder sonstige Incentives ist hierfür ein Beispiel. Ein anderes Beispiel bilden die Fälle, in denen die Rechtsprechung bei Produktfinanzierungen besondere Fallgruppen aufgestellt hat, die für Kreditgeber besondere Aufklärungspflichten auslösen können. Darauf wird im Abschnitt III. näher eingegangen. Auch die Anleger selbst können bestimmte Pflichten treffen, wenn es beispielsweise um die Frage geht, ob und unter welchen Voraussetzungen ggf. auch Nachschüsse geleistet werden müssen. Dem Pflichtenkreis der Anleger und sonstiger möglicher Dritter ist es deshalb ebenfalls ein kurzes Kapitel gewidmet. 1. Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Kick-Backs, Rückvergütungen, Incentives pp. 1.1 Die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens gilt auch für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen - BGH entscheidet über Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches Verschweigen von Rückvergütungen (BGH, Urt. v. 12.05.2009, XI ZR 586/07)


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Das Thema „Kick-Back“ beschäftigt die Rechtsprechung seit dem Kick-Back-Urteil des BGH vom 19.12.2006 (XI ZR 56/05) in besonderem Maße. Im Urteil vom 12.05.2009 ging es um die wichtige Frage der Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches Verschweigen von Rückvergütungen. Das OLG München hatte dies im Urteil vom 19.12.2007 (Az.: 7 U 3009/04) verneint, weil der Anleger den Vorsatz der Bank nicht hinreichend dargelegt habe. Nunmehr hat der BGH dieses Urteil des OLG München vom 19.12.2007 erneut aufgehoben und die Sache an einen anderen Senat des OLG München zurückverwiesen. Entsprechend den allgemeinen Darlegungsund Beweislastregeln müsse der Schuldner beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe. Im Rahmen des Entlastungsbeweises sei auch keine Differenzierung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit möglich (Anm.: Eine vorliegende fahrlässige Beratungspflichtverletzung war nach § 37a WpHG verjährt).

ten. In dem Prospekt war aufgeführt, dass neben dem Agio weitere Kosten für die „Eigenkapitalvermittlung“ anfallen würden. Ferner war angegeben, dass die Beratungsgesellschaft für den Anteilsvertrieb Provisionszahlungen erhält und den entgeltlichen Vertrieb auch auf Dritte übertragen kann. Die in Anspruch genommene Bank hatte über die ihr zufließende Vergütung in Höhe von 8,25 % nicht aufgeklärt. Landgericht und Oberlandesgericht bejahten einen Schadenersatzanspruch, weil die Bank verpflichtet gewesen wäre, auch ungefragt über die Vertriebsprovision aufzuklären. Diese stelle eine aufklärungspflichtige Rückvergütung dar.

Der BGH wies darauf hin, dass es im Übrigen auch unstreitig ist, dass die Bank ihre Anlageberater nicht angehalten hatte, die Kunden über Rückvergütungen aufzuklären. Möglicherweise befand sich die Bank in einem Rechtsirrtum. Wer sich aber darauf berufe, müsse einen solchen Irrtum auch darlegen und beweisen. Wenn dann eine Aufklärungspflichtverletzung zu bejahen sei, gilt die Vermutungsregel, dass sich ein Anleger aufklärungsrichtig verhalten hätte, also die Anlage nicht erworben hätte. In diesem Fall muss der Aufklärungspflichtige beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen.

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1.2 Eine einen Medienfonds empfehlende Bank muss über die ihr zufließende Rückvergütung aufklären (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 30.06.2010, 19 U 2/10) Auch bei den Obergerichten geht es seit den KickBack-Entscheidungen des BGH immer wieder um die Frage, inwieweit Banken, aber auch bankenunabhängige Finanzdienstleister die Aufklärung über Rückvergütung und die Höhe der von ihnen vereinnahmten Provision schulden. Im vom OLG Frankfurt am Main entschiedenen Fall ging es um die Klage eines Anlegers gegen die Bank, die ihm die Beteiligung an einem Medienfonds empfohlen hatte. Der Anleger hatte am Tag der Zeichnung den über 100 Seiten umfassenden Fondsprospekt erhal-

Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen vor, wenn Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren hinter dem Rücken des Kunden an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen. Auch wenn im Prospekt beschrieben ist, dass neben dem Agio weitere Kosten für die Eigenkapitalvermittlung anfallen und sogar angegeben wird, dass der entgeltliche Vertrieb auch auf Dritte übertragen werden kann, kann ein Anleger aufgrund dieser Angaben nur spekulieren, ob die Bank, die einem Anleger die Beteiligung empfiehlt, eine der Dritten ist, auf die die Vertriebstätigkeit übertragen worden ist. Das OLG Frankfurt spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „schmiergeldähnlichen Funktion“ der Zahlung. Die Vertragsbeziehung des Kunden zu seiner Bank sei regelmäßig davon geprägt, dass die Bank bereits für die übrigen Dienstleistungen wie Konto- und Depotführung, An- und Verkaufsprovisionen für Erwerb bzw. Veräußerung von Wertpapieren Entgelte und Provisionen erhält. Aus diesem Grund muss ein Anleger nicht damit rechnen, dass die beratende Bank auch noch ein umsatzabhängiges eigenes Provisionsinteresse gegenüber dem jeweiligen Fondsanbieter hat. Mithin sei ein Rückfluss „hinter dem Rücken des Kunden“ gegeben. Über diesen Rückfluss ist ein Anleger von der beratenden Bank zu informieren. 17


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1.3 Auch OLG Stuttgart bejaht die Beraterhaftung der Bank wegen Nichtoffenlegung der Vermittlungsprovision (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.02.2010, 9 U 58/09) Der Ehemann der Klägerin hatte sich an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt. 50 % der Beteiligungssumme wurden fremdfinanziert. Vermittelt wurde die Beteiligung von einer Bank, die auch den Kredit gewährte. Der Beteiligungsprospekt wurde am Tag der Zeichnung übergeben. Der Fonds erwirtschaftete zu keiner Zeit die prospektierten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung der Immobilien. Der Anleger trat seine Ansprüche auf Schadenersatz an seine Ehefrau ab, die von der Bank Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung forderte. Die Bank berief sich primär darauf, keine Pflichten verletzt zu haben, des Weiteren höchst vorsorglich auf Verjährung und wiederum höchst vorsorglich darauf, dass sich die Zessionarin im Wege der Vorteilsausgleichung Steuervorteile anrechnen lassen müsse. Das OLG Stuttgart bejahte eine Aufklärungspflichtverletzung, weil im Prospekt nur unzulänglich auf gezahlte Vermittlungsprovisionen hingewiesen worden sei. Eine beratende Bank müsse den Anleger über die Höhe der Vergütung aufklären, die sie von dem zukünftigen Vertragspartner ihres Kunden für ihre Tätigkeit erhält. Die Aufklärung im Prospekt sei nicht ausreichend und die Pflichtverletzung auch schuldhaft erfolgt. Für eine Aufklärungspflicht sei nicht erforderlich, dass es sich um „echte Rückvergütungen im Sinne eines Kick-Back“ handelt. Die Rückvergütung müsse mithin nicht in einer Erstattung eines vom Anleger an den Fonds gezahlten Ausgabeaufschlags bestehen. Ausschlaggebend ist das Vorliegen eines Interessenkonfliktes, der die Gefahr hervorruft, die Bank könnte sich bei ihrer Beratung weniger vom Kundeninteresse als von ihrem eigenen Interesse an einer möglichst hohen Provision für das empfohlene Produkt leiten lassen. Daher ist neben dem „Ob“ der Rückvergütung auch über ihre Höhe aufzuklären. Der Prospekthinweis, dass das Agio an die Fondsgesellschaft zu zahlen ist und zur Abdeckung weiterer Eigenkapitalverschaffungskosten zur Verfügung steht, ist nicht ausreichend, um die Provisionshöhen hinreichend zu erläutern. Beanstandet wird insbesondere das Fehlen eines Hinweises, dass die eigene Hausbank diejenige ist, die anteilig Vermittlungsprovisionen erhält, die als Kosten der Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen sind und darüber hinaus auch das Agio oder Teile davon.

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Eine Verjährung eines Schadenersatzanspruches wurde verneint. Das OLG Stuttgart verweist auf die jüngere BGH-Rechtsprechung, wonach die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche, die auf mehreren Aufklärungsfehlern beruhen können, für jeden Aufklärungsfehler gesondert zu laufen beginnt. Empfangene Steuervorteile mussten allerdings ebenso wie Ausschüttungen im Rahmen der Vorteilsausgleichung in Abzug gebracht werden.

1.4 Provisionsoffenlegung im freien Vertrieb - bringt das BGH-Urteil Klarheit? (BGH, Urt. v. 15.04.2010, III ZR 196/09) Im amtlichen Leitsatz des BGH-Urteils vom 15.04.2010 heißt es, dass der nicht bankmäßig gebundene, also freie Anlageberater seinen Kunden nicht ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären hat, wenn der Kunde selbst keine Provision zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden. Der III. Zivilsenat des BGH sieht dieses Urteil als Abgrenzung zu den BGH-Urteilen des XI. Zivilsenates insbesondere vom 19.12.2006, XI ZR 56/05 und vom 20.01.2009, XI ZR 510/07. In den Urteilen des XI. Zivilsenates ging es um Offenlegungspflichten von Banken. Diese müssten auch ungefragt Bankkunden über Rückvergütungen aufklären. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um Finanzinstrumente handelt, bei denen zusätzlich die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes zu beachten sind, oder um sonstige Produkte (im Urteil vom 20.01.2009 ging es konkret um die Beteiligung an einem geschlossenen Medienfonds). Das jüngste BGH-Urteil vom III. Zivilsenat wurde in ersten Reaktionen als ein Urteil für den freien Vertrieb gewürdigt. Die Sache ist jedoch wesentlich differenzierter zu analysieren. Insgesamt scheint der BGH nicht mehr zwischen Zuwendungen in Form


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von Provisionen oder Sondervorteilen, insbesondere Retrozessionen und Kick-Backs, differenzieren zu wollen. Im amtlichen Leitsatz ist von Provisionszuflüssen die Rede, während in der Urteilsbegründung dieser Begriff mit verdeckten Rückvergütungen, Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren gleichgesetzt wird. Das im Einklang mit der Rechtsprechung des XI. Zivilsenates auch für den III. Zivilsenat entscheidende Kriterium ist die Gefahr eines Interessenkonfliktes beim Vertrieb über den Bankschalter, wenn Vergütungen, die der Kunde über die Bank an die Produktgesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen. Beim freien Vertrieb soll dies anders sein. Die entscheidenden Unterschiede zwischen Bankenvertrieb und freiem Vertrieb sieht der BGH dabei in folgendem: Das Verhältnis zwischen Bank und Kunde sei regelmäßig durch eine dauerhafte Beziehung geprägt (a), der Kunde zahle Bankgebühren/ Kontoführungsgebühr/Depotgebühr usw. (b) und der Kunde wisse nichts von Rückvergütungen und etwaigen Interessenkonflikten (c). Demgegenüber sei das Verhältnis zwischen freiem Vertrieb und Kunde nicht durch diese Dauerbeziehung geprägt. Soweit der Kunde dem freien Berater nichts bezahle, müsse er auch davon ausgehen, dass der freie Berater nicht unentgeltlich arbeiten könne, mithin sein Geld vom Produktgeber erhält. Interessenkonflikte seien deshalb „nur“ durch unterschiedliche Provisionshöhen bedingt, die in verschiedenen Produkten enthalten sind. Wenn der Kunde Interesse daran habe, die genaue Höhe der Provision erfahren zu wollen, könne er ja fragen. Unter diesen Prämissen kommt der III. Zivilsenat zu seiner Aussage, dass vom freien Berater nicht erwartet werden könne, ungefragt über die Provisionen sämtlicher Produkte, die ein Berater in seinem Portefeuille hat, zu informieren. Betrachtet man sich diese Argumente genauer, wird sehr schnell deutlich, dass der BGH von einem Vertriebsbild ausgeht, welches dem alltäglichen Geschehensablauf fremd ist. Auch der freie Berater strebt eine Dauerbeziehung an. Dies gilt insbesondere für die Berater, die sich die ganzheitliche Beratung des Kunden auf ihre Fahnen geschrieben haben (die Beklagte des BGH-Verfahrens warb zur maßgeblichen Zeit noch mit dem Slogan „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“). Auch wenn der Kunde dem freien Berater nichts bezahlt, ist ihm - was repräsentative Umfragen belegen - im Regelfall nicht bewusst, dass Agio und Eigenkapitalvermittlungs-

provisionen zusammen Vergütungsbestandteile sind, die - kumuliert - für den freien Berater vorgesehen sind. Auch der BGH spricht sowohl im Leitsatz als auch in den Entscheidungsgründen von „Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung“ und von „Verwaltungsgebühren oder Ausgabeaufschlägen“. An anderer Stelle nennt der BGH das Beispiel, dass aus dem Agio „auch“ Vertriebsprovisionen gezahlt werden, an denen der Anlageberater partizipiert. Möglicherweise war diesbezüglich in den Tatsacheninstanzen einfach zu wenig vorgetragen worden, um dem BGH den auch im freien Vertrieb bestehenden Interessenkonflikt vor Augen zu führen. Beispielsweise scheint das Thema „Incentives“ nicht angesprochen worden zu sein und auch nicht die typische Konstellation, dass der freie Berater regelmäßig umsatzabhängige Boni erhält und dass Incentives und Boni starke Anreize bieten, bestimmte Produkte zu präferieren.

Die Gefahr des Interessenkonfliktes ist mithin auch beim freien Vertrieb sehr groß. Das jüngste BGHUrteil zur Provisionsoffenlegung deshalb als „Erfolg des freien Vertriebs“ feiern zu wollen, erscheint vorschnell. Wenn der BGH - wie offenbar geschehen nicht mehr zwischen Provisionen und sonstigen Zuwendungen unterscheidet, brechen die Argumente, auf die der BGH entscheidend abstellt, in Kenntnis der tatsächlichen Situation des Vertriebsalltags ganz schnell zusammen. Was den Bankenvertrieb anbelangt, ist das Urteil nicht nur eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, sondern bedeutet eine nochmalige Verschärfung. Und angesichts des Diskussionsentwurfes aus dem Finanzministerium dürfte die Offenlegungspflicht in Bälde kraft Gesetzes gegeben sein, wie dies bei zahlreichen anderen Finanzprodukten. z.B. Versicherungen oder Wertpapieren, schon heute zum Beratungs- und Vertriebsalltag gehört. Das BGH-Urteil kann mithin keineswegs als Entwarnung für den freien Vertrieb gewertet werden. Wer in diesem Punkt Haftungssicherheit errei19


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chen will, sollte auch ungefragt die Karten auf den Tisch legen, sprich die Höhe der Provision und möglicher weiterer Vorteile offenbaren.   1.5 OLG Stuttgart und OLG Düsseldorf bejahen Aufklärungspflicht des freien Anlageberaters über Rückvergütungen (OLG Stuttgart, Urt. v. 04.03.2010, 13 U 42/09 nrkr. und OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.07.2010, I-6 U 136/09)

falls im Rahmen eines als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Beratungsdienstvertrages gelten die für Banken entwickelten Grundsätze auch für freie Anlageberater. Ein offenzulegender Interessenkonflikt bestünde in diesem Fall in gleicher Weise wie bei Banken, zumal der Berater im konkreten Fall vom Kunden auf der Grundlage des abgeschlossenen Dauer-Beratungsvertrages eine jährliche Vergütung von 2.000,00 DM erhalten hatte.

Während es mittlerweile als gefestigte Rechtsprechung angesehen werden kann, dass Banken auch ungefragt über die ihnen bei der Empfehlung von Fondsbeteiligungen zufließenden Vorteile einschl. der genauen Angabe der Provisionshöhe aufklären müssen, ist die Frage beim freien Vertrieb nach wie vor umstritten. Das OLG Stuttgart bejahte eine Aufklärungspflicht auch des freien Anlageberaters. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Kurz danach entschied der III. Zivilsenat des BGH, dass Kick-Back-Zahlungen durch bankenunabhängige Finanzdienstleister dem Anleger gegenüber nicht offengelegt werden müssen. Es dauerte nicht lange, bis ein anderes Obergericht dem BGH die Gefolgschaft verweigerte. Das OLG Düsseldorf kritisiert die Differenzierung zwischen der Beratung durch Banken und durch freie Berater als pauschal und dem Einzelfall nicht gerecht werdend. Auch der bankenunabhängige Berater müsse seine Vergütung darlegen.

Ein Anleger hatte sich in den Jahren 1999 und 2001 an zwei geschlossenen Immobilienfonds beteiligt (Falk-Fonds 68 und Falk-Fonds 75). Die Zeichnung erfolgte auf der Grundlage eines Beratungsdienstvertrages, der im Jahr 1993 abgeschlossen worden war. Das OLG Stuttgart bejahte einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung dieses Beratungsdienstvertrages. Kurz setzte sich das Gericht mit dem nach wie vor unterschiedlichen Pflichtenkreis in den Tätigkeiten eines Anlageberaters und Anlagevermittlers auseinander. neben der Bezeichnung des Vertrages als „Beratungsdienstvertrag“ sei auch die Leistung als laufende Beratung und Betreuung des Vermögens des Auftraggebers bezeichnet. Sodann bejahte das OLG Stuttgart eine Pflicht eines Anlageberaters, über eine Provision in Höhe von 12 % der Beteiligungssumme ungefragt aufzuklären. Die Aufklärungsbedürftigkeit des Kunden entfalle nicht bereits dadurch, dass er weiß oder damit rechnet, dass eine Bank eine Vergütung von Kapitalsuchenden im Falle des Abschlusses eines Anlagegeschäfts erhalte. Aufklärungsbedürftigkeit bestünde auch im Hinblick auf die Höhe einer Rückvergütung. Jeden-

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Nachdem das OLG Düsseldorf ausdrücklich die Revision zum BGH zugelassen hat, bleibt es bei der „Kick-Back-Frage“ weiterhin spannend. 1.6 Zur - im konkreten Fall verneinten - Aufklärungspflicht eines freien Anlageberaters beim Vertrieb von Medienfondsanteilen (LG Bremen, Urt. v. 28.01.2010, 2 O 2431/08) In einem Beteiligungsprospekt über einen Medienfonds waren die Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen. Ferner war darauf hingewiesen, dass die mit dem Vertrieb beauftragte Gesellschaft zusätzlich das Agio erhält und dass die Vertriebsgesellschaft das Recht hat, ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte zu übertragen. Der Anleger nahm einen - bankenunabhängigen - Anlageberater mit der Begründung in Anspruch, er sei als Provisionsempfänger im Prospekt nicht namentlich genannt und hätte über die an ihn bezahlte Vertriebsprovision aufklären müssen. Das Landgericht Bremen verneinte eine solche Pflicht. Sie folge nicht als gesonderte Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag, denn im Prospekt seien die Angaben zur Provision und zum Empfängerkreis hinreichend deutlich gemacht. Einer namentlichen Nennung jedes in den Vertrieb eingeschalteten Beraters bedürfe es nicht, wenn der Prospekt deutlich darauf hinweise, dass eine beauftragte Vertriebsgesellschaft Dritte mit der Eigenkapitalvermittlung beauftragen könne. Es sei insoweit hinreichend, dass der Prospekt die Gesamthöhe der Innenprovisionen nennt, ohne dass angegeben wird, in welcher Höhe der einzelne Berater daran partizipierte, solange je-


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denfalls die an den Berater bezahlte Provision ihrer Höhe nach die im Prospekt angegebene Vertriebsvergütung nicht übersteigt. Selbst wenn man das anders sehen würde, läge aber ein im Jahr 2003 unvermeidbarer Verbotsirrtum vor. Grundsätzlich ist an das Vorliegen eines auch den Fahrlässigkeitsvorwurf ausschließenden unvermeidbaren Verbotsirrtums ein strenger Maßstab anzulegen. Ein Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten. Im Jahr 2003 sei nicht erkennbar gewesen, dass die vorhandenen Angaben zur Höhe der umsatzabhängigen Vergütungen im Prospekt nicht als genügende Aufklärung angesehen werden könnten, nur weil sie die Gesamthöhe dieser Vergütungen mitteilten, ohne die exakte Höhe des Anteils der Berater anzugeben.   1.7 Für Kreditinstitute besteht schon seit 1990 die Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen (BGH, Beschl. v. 29.06.2010, XI ZR 308/09)

§

Banken schulden auch ungefragt die Aufklärung über Sondervorteile (Rückvergütungen, Kick-Backs), wenn sie Anlageinteressenten über Investitionsmöglichkeiten beraten und ihnen hierfür Rückvergütungen (z.B. die Ausgabeaufschläge oder Teile davon oder Teile der Verwaltungskosten) zufließen. Seit den BGH-Urteilen vom 19.12.2006 (zu Investmentfonds) und vom 20.01.2009 (zu geschlossenen Fonds, hier konkret zu einem Medienfonds) herrschte eine kontroverse Diskussion darüber, ob sich Banken im Falle der Nichtbeachtung der gebotenen Aufklärung auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen könnten. Mehrere Oberlandesgerichte (z.B. OLG Dresden oder OLG Oldenburg) haben zwar eine Aufklärungspflicht der Bank über Rückvergütungen bejaht, den Rechtsirrtum aber für

entschuldbar gehalten, wenn die Aufklärungspflicht vor dem 19.12.2006 erfolgt war. Andere Stimmen stellten auf die Entscheidung vom 19.12.2000 ab (Az.: XI ZR 349/99). Damals hatte der BGH geurteilt, dass eine Bank, die mit dem Vermögensverwalter eines Kunden eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren Provisionen und Depotgebühren abgeschlossen hat, verpflichtet ist, dies gegenüber dem Kunden offenzulegen. Mit seinem Beschluss vom 29.06.2010 zog der BGH nunmehr einen Schlussstrich unter die Diskussion und entschied, dass sich eine Bank, die einen Kunden im Rahmen der Anlageberatung nicht auf an sie zurückgeflossene Rückvergütungen hinweist, jedenfalls für die Zeit nach 1990 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum über Bestehen und Umfang einer entsprechenden Aufklärungspflicht berufen könne. In dem vom BGH entschiedenen Fall begehrte ein Anleger von der in Anspruch genommenen Sparkasse Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung. Er zeichnete auf Empfehlung der Sparkasse in den Jahren 1997 und 1998 mehrere Fondsbeteiligungen. Die Sparkasse klärte den Anleger nicht näher darüber auf, dass bzw. in welcher Höhe sie dabei die von dem Anleger an die Fondsgesellschaft gezahlten Ausgabeaufschläge als sog. Rückvergütungen zurückerhielt. Der BGH führte aus, dass der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen müsse, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe. Zum Vertretenmüssen gehören Vorsatz und Fahrlässigkeit. Ein Aufklärungspflichtiger muss mithin bereits für leichte Fahrlässigkeit einstehen. Die Haftung wegen Fahrlässigkeit ist nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen. An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind stren21


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ge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen und soweit erforderlich auch Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten müsse.

2. Prüfungspflichten

Sodann wies der BGH darauf hin, dass er bereits in den Jahren 1989 und 1990 in zwei Entscheidungen (Urteile vom 28.02.1989, XI ZR 70/88, und vom 06.02.1990, XI ZR 184/88) bei vermittelten Warentermingeschäften heimliche Kick-Back-Vereinbarungen zwischen Anlagevermittler und Broker missbilligt habe und den Vermittler zur Herausgabe der Rückvergütungen nach §§ 675, 667 BGB für verpflichtet gehalten habe. Außerdem seien auch Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB

Bereits ein Anlagevermittler muss einen Prospekt über eine Beteiligung, die der Vermittler einem Kunden offerieren will, auf Plausibilität prüfen. Der Anlageberater muss weitergehend den Prospekt mit kritischem Sachverstand prüfen. Einen Prospektfehler, den er bei einer solchen kritischen Prüfung feststellen kann, muss er korrigieren. Im vom BGH erlassenen Beschluss ging es nun um die Frage, wer für einen Beratungsfehler darlegungs- und beweisbelastet ist. Grundsätzlich trifft diese Pflicht denjenigen, der eine Falschberatung behauptet. Im vorliegenden Fall war aber zwischen den Beteiligten offensichtlich unstreitig, dass der Beteiligungsprospekt einen Fehler aufwies. Den Prospektfehler hatte der BGH in früheren Entscheidungen, die dieselbe Fondsbeteiligung betrafen, bereits festgestellt.

2.1 Zur Prospektprüfungspflicht eines Anlageberaters (BGH, Beschl. v. 17.09.2009, XI ZR 264/08)

Es wäre mithin eine Sache des Beraters gewesen sich zu entlasten, also den Prospektfehler zu korrigieren. Und für diesen Nachweis - so der BGH - ist der Berater bereits nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig, denn wer sich auf einen bestimmten Umstand beruft, der ihm zum Vorteil gereicht, muss dies im Streitfall beweisen. i.V.m. § 263 StGB bei einer solchen Konstellation denkbar und zu prüfen. Aufgrund dieser Rechtsprechung war für eine Bank bereits ab diesem Zeitpunkt erkennbar, dass auch im Verhältnis zu ihren Kunden bei der Beratung über eine Kapitalanlage eine Aufklärungspflicht über solche Umstände besteht, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden. Schließlich habe die Beratung über eine Kapitalanlage allein im Interesse des Kunden zu erfolgen. Das BGH-Urteil vom 19.12.2000 (XI ZR 349/99) sei Ausschluss dieser Rechtsprechung. Die dortigen Ausführungen zur Offenlegungspflicht gelten nicht nur für die besondere Konstellation der Vermögensverwaltung, sondern bezogen sich erkennbar allgemein auf die Aufklärungspflicht der Bank bei einer von ihr geschaffenen Gefährdung der Kundeninteressen. Deshalb liegt in den Urteilen vom 19.12.2006 und 20.01.2009 auch keine rückwirkende Rechtsprechungsänderung, sondern eine bloße Fortführung und weitere Ausformung zur Offenlegung von Interessenkollisionen der Bank gegenüber ihren Kunden im Allgemeinen und von Rückvergütungen im Besonderen. 22

Konkret bedeutete dies folgendes: Wer einen fehlerhaften Prospekt übergibt und diesen zur Grundlage seiner Beratung macht, begeht eine Pflichtverletzung. Die Pflichtverletzung entfällt nur dann, wenn der Prospektfehler berichtigt wird. Selbst ein beanstandungsfreies Prospektprüfungsgutachten kann den Berater grundsätzlich nicht exkulpieren, denn der Berater haftet bereits für leichte Fahrlässigkeit. Gelingt der Enthaftungsnachweis nicht und im entschiedenen Fall war nach dem eigenen Vortrag des Beraters der Fehler nicht korrigiert worden - wird zugleich ein Verschulden des Beraters vermutet und eine Schadenersatzpflicht bejaht. Die Haftungsschlinge des Beraters ist somit vom BGH noch ein weiteres Stück enger gezogen worden. Und welcher Berater möchte sich die Blöße geben, seinem Kunden gegenüber ein Beteiligungsangebot zu unterbreiten und - aus Beweiszwecken am besten schriftlich - darauf hinzuweisen, dass er weder den Prospekt geprüft hat noch etwas zur Seriosität des Anbieters sagen kann noch eine sonstige Beratungsleistung erbringen will ….Oder anders ausgedrückt: wenn Berater (auf der Visitenkarte) drauf steht, muss auch eine Beratungsleistung (im Gespräch zwischen Finanzdienstleister und Kunden) drin sein!


§

2.2 Prospektprüfungspflicht des Anlagevermittlers (BGH, Urt. v. 05.03.2009, III ZR 17/08) In diesem Verfahren ging es um den Pflichtenkreis eines auf den Vertrieb von Beteiligungen an Windkraftanlagen spezialisierten Anlagevermittlers. Durch Werbebroschüren, die im Büro seines Steuerberaters auslagen, stieß der Anleger auf den Anlagevermittler, dessen Geschäftstätigkeit ausweislich seiner Visitenkarte u.a. die Vermittlung von Beteiligungen an Windparks war. Der Anleger beteiligte sich. Die den Windpark betreibende Gesellschaft faillierte. Der Anleger behauptete Prospektmängel und nahm den Vermittler wegen unterlassener Plausibilitätsprüfung persönlich in Anspruch. Der BGH führte aus, dass der Anlagevermittler eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände schuldet, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung waren.

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Als Mittel der Aufgliederung kann es genügen, wenn dem Interessenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgespräches ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird. Ein solcher Prospekt muss nach Form und Inhalt geeignet sein, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln. Der Prospekt muss dem Interessenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann. Vertreibt der Vermittler eine von ihm angebotene Anlage anhang eines Prospektes, muss er - um seiner Auskunftspflicht nachzukommen - im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit das mit zumutbarem Aufwand überprüft werden kann, sachlich vollständig und richtig sind. Ist eine solche Plausibilitätsprüfung unterblieben, hat der Anlagevermittler den Interessenten hierauf ebenfalls hinzuweisen. Auch eine unterbliebene Plausibilitätsprüfung führt jedoch nicht zwangsläufig zur Haftung des Vermittlers. Der Schutzzweck der Prüfungs- bzw. Offenbarungspflicht des Anlagevermittlers ist nicht betroffen, wenn der Prospekt einer Plausibilitätsprüfung in den für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkten standgehalten hätte. Deshalb ist jeweils festzustellen, ob eine hypothetische Untersuchung des Prospektes auf Plausibilität durch den Anlagevermittler Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte. Hierzu hatte das Berufungsgericht noch keine Feststellungen getroffen. Die der Klage des Investors weitgehend stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichtes wurde deshalb aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Ansonsten kann er seine sachgerechten Auskünfte erteilen. Unterlässt der Anlagevermittler diese Prüfung, muss er den Interessenten darauf hinweisen.

Dem Berufungsgericht gab der BGH-Senat ein paar ergänzende Hinweise mit auf den Weg: Die Plausibilitätsprüfung könne auch in gewissem Umfang Ermittlungspflichten einschließen, wenn es um Umstände geht, die nach der vorauszusetzenden Kenntnis des Anlagevermittlers Zweifel an der inneren Schlüssigkeit einer im Prospekt mitgeteilten Tatsache zu begründen vermögen. Wo die Grenzen einer Prüfungspflicht im Einzelfall zu ziehen sind, hänge weitgehend davon ab, welche Informationen der Anleger konkret abfragt und welches Vertrauen der Vermittler in Anspruch nimmt. An die Pflichten eines Anlagevermittlers dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Bezeichnet sich ein 23


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Vermittler aber als auf die „Vermittlung von Beteiligungen an Windparks“ spezialisiert, erwarte der Anleger regelmäßig nicht nur allgemeine wirtschaftliche Kenntnisse des Vermittlers, sondern weitergehendes - auch technisches - Wissen im Zusammenhang mit diesem besonderen Anlagesegment. Einer etwaigen Überforderung könne der Vermittler ohne weiteres dadurch begegnen, dass er wahrheitsgemäß unzureichende Kenntnisse offenlegt. Doch welcher Vermittler will sich diese Blöße geben …   2.3 Zur Aufklärungspflicht eines Anlagevermittlers, Anforderungen an die Prospektdarstellung und Frage des Vertrauens gegenüber Ratingagenturen (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 24.03.2010, 13 U 110/09) In seinem Urteil vom 24.03.2010 nimmt der 13. Zivilsenat des OLG Frankfurt fast schulmäßig zu Abgrenzungsfragen zwischen Anlageberatung und Anlagevermittlung, den jeweils damit verbundenen Auskunfts- und Informationspflichten sowie zur Frage Stellung, welche Anforderungen an eine Risikodarstellung eines Emissionsprospektes zu stellen sind. Schließlich geht das Gericht auch der Frage nach, inwieweit - möglicherweise zu positive - Bewertungen von Ratingagenturen gleichwohl entlastend wirken können.

Mehrere Anleger hatten sich im November 1999 und Dezember 2001 an Falk-Fonds beteiligt. Für die Beteiligungen hatte ein Vertriebspartner mittels an verschiedene Interessenten gerichteter Rundschreiben geworben. Die Anleger hatten sich anschließend an Fonds der Falkgruppe beteiligt und erhielten Teile des Agios vom Vermittler zurück. Im ersten Schritt ging es um die Frage, ob - wie von den Anlegern vorgetragen - ein Beratungsverhältnis zustande gekommen ist oder lediglich ein Auskunftsvertrag. Der Vermittler hatte auch einen solchen verneint und vorgetragen, jedenfalls einem der Anleger sei es nur um in Aussicht gestellte Verlustzuweisungen gegangen. An darüber hinausgehenden Informationen habe er kein Interesse gehabt. Eine Beratung scheide von vornherein aus, weil kein Anleger die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt hätte. Ein Anlageberatungsvertrag ist bekanntlich auf eine Beratung gerichtet. In diesem Fall wird eine anleger- und objektgerechte Beratung geschuldet, d.h. der Nachfragende erwartet eine auf seinen persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Ratserteilung. Der Berater ist deshalb u.a. verpflichtet, das Anlageziel des zu Beratenden zu erfragen und sich ein Bild über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, das Anlageziel und hier insbesondere die Risikoklasse zu verschaffen. Da die Rundschreiben des Vermittlers lediglich einen werbenden und anpreisenden Charakter hatten, konnte daraus kein Beratungsvertragsverhältnis abgeleitet werden. Allerdings ist auch der Anlagevermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Interessenten von Bedeutung sind oder sein können. Geschuldet wird eine objektbezogene Informationspflicht. Dieser war der Vermittler durch rechtzeitige Übergabe der vollständigen und richtigen Emissionsprospekte nachgekommen. Das Gericht führte aus, dass die Emissionsprospekte in klarer und verständlicher Form Chancen und Risiken der Anlage darstellten. Es war auch unstreitig, dass der Vermittler durch weitere mündliche oder schriftliche Erläuterungen kein anderes Bild gezeichnet hat, welches die Risikohinweise im Prospekt wieder entwertet hätten. Sodann ging das Gericht noch auf die Frage nach dem Einfluss von Ratingagenturen bei der Bewertung derartiger Beteiligungsmodelle ein. Es müsse letztlich auch berücksichtigt werden, dass damals (d.h. also um die Jahrtausendwende) den Ratingagenturen ein sehr großes und möglicherweise auch

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aus heutiger Sicht nicht gerechtfertigtes Vertrauen entgegengebracht wurde. Auch die Presse hatte seinerzeit über Falk-Fonds äußerst positiv berichtet. Da das OLG Frankfurt bereits den Tatbestand einer objektiven Pflichtverletzung des Vermittlers verneint hat, brauchte es auf weitere Streitfragen wie Anrechnung von Steuervorteilen, Verjährung oder Mitverschulden der Anleger nicht weiter einzugehen (das Landgericht Frankfurt hatte in erster Instanz eine Pflichtverletzung bejaht, zugleich aber ein Mitverschulden von 50 % angenommen).   2.4 Anlageberater wegen Verletzung der Pflicht zur Plausibilitätsprüfung des Beteiligungsprospektes verurteilt (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.04.2009, 17 U 209/08)

§

Ein Anleger hatte sich an einer Grundstücksverwaltungs- und Vermietungs KG beteiligt. Geworben wurde der Anleger über einen Beteiligungsprospekt und nach Beratung durch eine Anlageberatungsgesellschaft. Die Ehefrau des Anlegers machte aus abgetretenem Recht Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung geltend. Das OLG Frankfurt bejahte einen Schadenersatzanspruch. Es ließ offen, ob es sich beim zustande gekommenen Vertrag um einen Beratungs- oder Vermittlungsvertrag gehandelt habe. Jedenfalls sei der Vermittler verpflichtet gewesen, das Anlagekonzept auf seine Plausibilität und wirtschaftliche Tragfähigkeit hin zu prüfen. Dies hat er nicht getan, denn ansonsten hätten ihm die besonderen mit der Anlage verbundenen Risiken auffallen müssen. Ein Gutachter kam zum Ergebnis, dass das Konzept des Prospektes nur bei äußerst positiver Entwicklung des Immobilienmarktes wirtschaftlich hätte tragbar sein können, die Wahrscheinlichkeit der Chance auf einen wirtschaftlichen Erfolg aber nicht realistisch gewesen sei. Die Beratungs- bzw. Vermittlungsgesellschaft wandte noch ein, der Anleger sei im konkreten Fall - zusätzlich - durch einen Dritten beraten worden und auch der Steuerberater des Anlegers sei involviert gewesen. Ein Mitverschulden wurde verneint. In Betracht käme allenfalls eine - zusätzliche - Haftung der involvierten Personen neben der in Anspruch genommenen Gesellschaft. Aufgrund der Verletzung der Informations- und Aufklärungspflicht besteht die Vermutung, dass

sich der Anleger aufklärungsrichtig verhalten hätte und die mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals verbundene Beteiligung nicht erworben hätte. Er ist deshalb so zu stellen, als hätte er die nachteilige Anlage nicht gezeichnet.   2.5 Zum Pflichtenkreis eines Anlageberaters, der Filmfonds empfiehlt (BGH, Urt. v. 16.09.2010, III ZR 14/10) Der Pflichtenkreis des Anlageberaters ist ein sehr umfangreicher. In Bezug auf das Anlageobjekt, über welches er berät, hat sich seine Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Der Anlageberater ist zu mehr als nur zu einer Plausibilitätsprüfung ver-

pflichtet und muss deshalb eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand prüfen oder den Kunden auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen. Der Anlageberater hat sich dabei auch aktuelle Informationen über das Objekt, welches er empfehlen will, zu verschaffen. Hierzu gehört die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Im vor kurzem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um die Frage des Umfangs der Nachforschungspflichten eines Anlageberaters im Hinblick auf einen im Emissionsprospekt eines Filmfonds angesprochenen Erlösversicherer. Im Emissionsprospekt des Filmfonds war beschrieben, dass zur Reduzierung des Erlösrisikos für alle 25


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Filmprojekte eine Erlösversicherung abgeschlossen wird und diese Versicherung sicherstellen soll, dass innerhalb von 36 Monaten nach Fertigstellung eines Filmprojekts mindestens 80% des vom Fonds eingesetzten Produktionskostenanteils zurückfließen. Im Emissionsprospekt hieß es ferner, dass die Erlösversicherungen ausschließlich bei international tätigen, in Fachkreisen und bei Banken anerkannten Spezialversicherern abgeschlossen werden. Beispielhaft war die Gesellschaft „New England International Surety Inc. (NEIS)“ genannt. Knapp vier Jahre, bevor der auf Schadenersatz in Anspruch genommene Anlageberater seinem Kunden die Filmfondsbeteiligung empfahl, hatte das damalige Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen vor dieser Versicherungsgesellschaft gewarnt, die damals für kleine und mittlere Privatflugzeuge Flugzeugkaskoversicherungen abschloss. Es war unstreitig, dass sich der Anlageberater vor den Beratungsgesprächen auf einer Schulung über das Konzept des Filmfonds kundig gemacht sowie in Fachzeitschriften über den Ruf der Filmfonds des Emissionshauses nachgelesen hatte. Er hatte jedoch keine Informationen über die Erlösversicherungen, insbesondere die im Prospekt genannte NEIS eingeholt. Die klagende Anlegerin warf dem Anlageberater vor, er hätte sich nicht in der gebotenen Weise um die Solidität und Bonität des Erlösversicherers gekümmert. Hierzu hätte er sich auch beim Bundesamt über den Versicherer erkundigen müssen. Der BGH stellte - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht - zunächst fest, dass sich bei einer Kapitalanlage in Form der Beteiligung an einem Filmfonds die diesbezüglichen Pflichten eines Beraters auch auf den in Aussicht genommen Erlösversicherer beziehen müssen, selbst wenn dieser nur beispielhaft genannt wird. Die Absicherung eines Erlösausfallrisikos ist für einen Anleger ein wichtiges Beteiligungskriterium. Zur Minimierung des Ausfallrisikos sollte die Erlösversicherung eingedeckt werden. Die sorgfältige Auswahl des Versicherungspartners ist deshalb von großer

Bedeutung. Im konkreten Fall verneinte das Gericht allerdings eine Pflichtverletzung des Anlageberaters. Angesichts des Zeitablaufs von fast vier Jahren seit der Negativmeldung des Bundesaufsichtsamtes und weil sich dieser Bericht auf eine andere Versicherungssparte bezog und weil es auch keine Negativmeldungen in der einschlägigen Wirtschaftspresse gab, konnte dem Berater kein Vorwurf gemacht werden, schuldhaft Nachforschungen unterlassen zu haben. Eine Pflicht, sich durch eine direkte Anfrage beim Bundesaufsichtsamt davon zu vergewissern, dass es keine Verlautbarungen der Behörde gab, die Zweifel an der Bonität und Seriosität des in Aussicht genommenen Erlösversicherers begründeten, wurde vom BGH verneint. Ein Anlageberater könne regelmäßig davon ausgehen, dass für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen der zuständigen Aufsichtsbehörde auch in der vom Berater zur Kenntnis zu nehmenden einschlägigen Wirtschaftspresse ihren Niederschlag finden. Über deren Lektüre hinaus schuldet der Berater grundsätzlich keine Nachfrage bei der Aufsichtsbehörde. Gibt die geschuldete Lektüre der einschlägigen Wirtschaftspresse keinen Anlass, an der Seriosität der an einer Kapitalanlage Beteiligten zu zweifeln, schuldet der Berater grundsätzlich keine weiteren Nachforschungen, so dass auch keine Aufklärungspflicht im Hinblick auf eine diesbezügliche Unterlassung besteht. Man kann auch sagen, dass der Berater in diesem Fall Glück gehabt hat. Auch wenn er sich im konkreten Fall aus der Haftungsschlinge befreien konnte, hat auch der BGH keinen Zweifel daran gelassen, wie groß der Pflichtenkreis des Beraters heutzutage ist.   2.6 Zum Schadenersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung bei Erwerb einer FilmfondsBeteiligung und zur Frage, inwieweit Steuervorteile anzurechnen sind (OLG Schleswig, Urt. v. 25.02.2010, 5 U 79/09)

§

Eine sehr schöne Zusammenfassung verschiedener Rechtsprechungsgrundsätze zu den Themen Auskunftsvertrag, Plausibilitätsprüfung, Kausalität, Schadenersatz und Anrechnung von Steuervorteilen bietet das Urteil des OLG Schleswig vom 25.02.2010. Zusammenfassend wurde folgendes festgehalten: 1. Ein Anlagevermitttlungs- und Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.

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2. Erfolgt der Vertrieb anhand eines Prospektes, so ist der Anlagevermittler im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung verpflichtet, den Prospekt jedenfalls daraufhin zu überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Anlageobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit mit zumutbarem Aufwand überprüfbar, sachlich vollständig und richtig sind. 3. Fehlende Sachkunde muss der Anlagevermittler dem Vertragspartner offenlegen. 4. Hinsichtlich der Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung des Zedenten genügt nicht das bloße Bestreiten des Anlagevermittlers. Insoweit kommt dem Anleger eine auf die Lebenserfahrung gegründete tatsächliche Vermutung zugute, dass er sich bei einer deutlichen Aufdeckung des Risikos eines Totalverlustes gegen eine Beteiligung entschieden hätte. 5. Der Schädiger kann dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 BGB entgegenhalten, er habe auf die Auskunft nicht vertrauen dürfen. 6. Bei einer fehlerhaften Beratung haftet der Anlagevermittler gem. § 249 Abs. 1 BGB auf Ersatz des negativen Interesses, d.h. er hat den Anleger so zu stellen, als ob er die Anlageentscheidung nicht getroffen hätte. 7. Eine Anrechnung von Steuervorteilen kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Ersatzberechtigte - auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung - außerge-

wöhnliche Steuervorteile erzielt hat. 8. Einkommensteuerrechtlich handelt es sich bei einer Filmfondsgesellschaft um eine gewerblich tätige Publikumsgesellschaft und damit um eine Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. In der Folge stehen sämtliche Zu- und Abflüsse, die der Anleger im Rahmen seiner Beteiligung erfährt, im steuerlichen Nexus der Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit. Damit stellen auch zufließende Schadensersatzleistungen steuerpflichtige Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit dar, so dass grundsätzlich erzielte Steuervorteile ausgeglichen werden müssen. 9. Wenn aber nach § 15 EStG auch die Schadensersatzleistung zu versteuern ist, ist über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden (§ 287 Abs. 1 ZPO). 3. Nachforschungspflichten 3.1 Anlageberatung und Pflicht zur Auswertung negativer Presseberichte (BGH, Urt. v. 05.03.2009, III ZR 302/07) Neben anderen rechtlichen Fragen bezüglich der Anspruchsberechtigung ging es in diesem Rechtsstreit vor allem auch um die Frage, ob ein Anlageberater Beratungspflichten verletzt hat, weil er bezüglich der von ihm verkauften Beteiligung nicht auf einen negativen Pressebericht in der Wirtschaftswoche aufmerksam gemacht hat. Der BGH knüpft 27


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in dieser Entscheidung an seine Entscheidung vom 07.10.2008 (Az: XI ZR 89/07) an. Damals ging es um die Frage, welche Berichte eine Bank einbeziehen muss, wenn sie Kapitalanlagen vertreibt. Der BGH hatte damals entschieden, dass nicht jede negative Berichterstattung in Brancheninformationsdiensten bekannt sein muss. Wenn allerdings ein negativer Bericht bekannt ist, muss er bei der Prüfung der Kapitalanlage berücksichtigt werden. Anlageinteressenten müssen aber nicht ohne weiteres auf eine vereinzelt gebliebene negative Publikation, deren Meinung sich in der Fachöffentlichkeit noch nicht durchgesetzt hat, hingewiesen werden. An diese Grundsätze knüpft der BGH in seiner aktuellen Entscheidung an: Bei einem Beratungsvertrag ist der Anlageberater zu mehr als nur zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Ein Anlageberater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, welches er empfehlen will. Dazu gehört auch die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Zur Erfüllung der Informationspflichten des Anlageberaters über die von ihm empfohlene Anlage gehört es jedoch nicht, sämtliche Publikationsorgane vorzuhalten, in denen Artikel über die angebotene Anlage erscheinen können. Vielmehr kann der Anlageberater selbst entscheiden, welche Auswahl er trifft, solange er nur über ausreichende Informationsquellen verfügt. Der BGH setzt sich sodann noch weitergehend mit der Qualität mancher Berichterstattungen in der Wirtschaftspresse auseinander. Einer Presseberichterstattung, die sich noch nicht allgemein in der Wirtschaftspresse durchgesetzt habe, komme kein relevanter Informationswert zu, wenn in ihr keine zusätzliche Sachinformation enthalten ist, sondern lediglich eine negative Bewertung abgegeben wird. Solche Berichte sind nicht mitteilungspflichtig, weil 28

ihr Inhalt nicht über das hinausgeht, was ohnehin in den Unterlagen enthalten ist, die dem Anleger vom Berater bei der Erfüllung von dessen Beratungspflichten übergeben wurden (Chancen-Risiko-Raster).   3.2 Handelsblatt ist Pflichtlektüre für den Anlageberater (BGH, Urt. v. 05.11.2009, III ZR 302/08) Mit dieser Entscheidung nimmt der BGH zum dritten Mal innerhalb eines Zeitraums von 13 Monaten dezidiert zu den Pflichten des Anlageberaters Stellung, zeitnah die Wirtschaftspresse im Hinblick auf Pressemitteilungen über Anlageprodukte durch-

zusehen, die vom Anlageberater empfohlen werden. Konkret ging es um die Beteiligung an einer stillen Beteiligungsgesellschaft. Sechs Tage vor der Zeichnung hatte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der Gesellschaft, an der sich der Anleger still beteiligen sollte, das weitere Betreiben von Einlagegeschäften untersagt und die Rückabwicklung der Einlagegeschäfte angeordnet. Drei Tage vor der Zeichnung wurde über die Untersagung in einer kleinen Meldung im Handelsblatt berichtet. Der Anlageberater hatte das Handelsblatt weder bezogen noch auf sonstige Art und Weise über die Meldung Kenntnis erlangt. Das Berufungsgericht


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verneinte eine Aufklärungspflichtverletzung, weil der Abstand von drei Tagen zwischen dem Erscheinen des Artikels und der Beitrittsunterzeichnung zu knapp bemessen sei, um eine Pflichtverletzung bejahen zu können. Der BGH sah dies anders. Er verweist auf schon früher aufgestellte Grundsätze, die den Pflichtenkreis eines Anlageberaters beschreiben: Ein Anlageberater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, welches er empfehlen will (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2009, III ZR 302/07). Bislang bestand für den BGH keine Notwendigkeit, die Frage zu entscheiden, ob ein Anlageberater alle von ihm als relevant angesehenen Wirtschaftszeitungen vorzuhalten und auszuwerten sind. Bei diesen Wirtschaftszeitungen handelt es sich um die Börsen-Zeitung, die Financial Times Deutschland, das Handelsblatt und die FAZ. Im Hinblick auf die Pflicht zur Auswertung des Handelsblattes hat der BGH nunmehr entschieden, dass die Lektüre des Handelsblatts für jeden Anlageberater unverzichtbar ist. Das Handelsblatt biete als werktäglich erscheinende Zeitung mit spezieller Ausrichtung auf Wirtschaftsfragen und einem diesbezüglich breiten Informationsspektrum in ganz besonderem Maße die Gewähr, aktuell über wichtige und für die Anlageberatung relevante Nachrichten informiert zu werden.

der BGH könnte die von ihm in den letzten Jahren geprägte Haftungsrechtsprechung nun wieder aufweichen, wurden schnell eines Besseren belehrt. Der Pflichtenkatalog wurde nicht nur konkretisiert, sondern erneut um ein weiteres Stück erweitert. 3.3 Zur Pflicht eines Anlageberaters, der Filmfonds-Beteiligung offeriert, Erkundigungen über einen Erlösausfallversicherer einzuziehen (LG Düsseldorf, Urt. v. 18.09.2009, 2b O 245/08)

Der BGH ließ offen, ob das Handelsblatt noch am Erscheinungstag durchgesehen werden müsse. Jedenfalls nach Ablauf von drei Tagen war eine Lektüre erforderlich. Ein Anleger kann grundsätzlich erwarten, dass sich sein Berater aktuelle Informationen über das Anlageprodukt beschafft und zeitnah Berichte in der Wirtschaftspresse zur Kenntnis nimmt.

Ein seit Jahren von einer Bank beratener Anleger zeichnete eine Beteiligung an der ApolloMedia GmbH & Co. 5. Filmproduktion KG. Im Beteiligungsprospekt hieß es u.a., dass bei diesem Filmfonds 80% der Herstellungskosten durch den Abschluss einer Erlösausfallversicherung abgesichert seien.

Der BGH führt anschließend noch weiter aus, dass dem Anlageberater durch diese engen zeitlichen Vorgaben nicht Unzumutbares abverlangt werde. Er müsse die jeweiligen Presseorgane nicht vollständig lesen. Es reiche vielmehr aus, diese auf relevante Artikel zu den von ihm angebotenen Anlageprodukten durchzusehen und nur diese Nachrichten vollständig auszuwerten.

Das LG Düsseldorf verurteilte die Bank zur Zahlung von Schadenersatz, weil sie den Anleger nicht objektgerecht beraten habe. Sie habe jedenfalls ihre Pflicht zur Plausibilitätsprüfung verletzt. Der Abschluss einer Erlösausfallversicherung zur Absicherung von 80% der Herstellungskosten ist ein wichtiger Faktor für die Attraktivität eines Filmfonds. Weil der wirtschaftliche Erfolg einzelner Filmproduktionen nur schwer prognostiziert werden kann und daher mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist, ist eine Erlösausfallversicherung von zentraler Bedeutung. Deshalb muss ein Berater Erkundigungen über den Erlösausfallversicherer einziehen, wenn er seine Informations- und Beratungspflichten erfüllen möchte. Wenn einem Versicherer eine solche zentrale Bedeutung beizumessen ist, gehört es zu den Pflichten eines Beraters, sich auch beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zu erkundigen.

§

Auch die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden wurde bejaht, da eine Anlage in den Fonds bei Kenntnis von dem Artikel unterblieben wäre (Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Beschl. des BGH v. 09.04.2009, III ZR 89/08). Diejenigen, die nach dem BGH-Urteil vom 27.10.2009 (XI ZR 337/08) noch befürchtet hatten,

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4. Pflichtenkreis Anleger 4.1 Müssen Anleger wirklich keine Prospekte mehr lesen? (BGH, Urt. v. 08.07.2010, III ZR 249/09) Für reichlich Wirbel sorgt ein jüngeres BGH-Urteil, in dessen Leitsatz zu lesen ist, dass ein Anleger nicht grob fahrlässig handele, wenn er den ihm überreichten Emissionsprospekt nicht durchgelesen habe und auf diese Weise die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters oder Anlagevermittlers auf ihre Richtigkeit hin nicht kontrolliert habe. Betrachtet man das Urteil allerdings genauer, geht es weniger um Fragen der Prospektwahrheit und Prospektverständlichkeit, sondern um einen in der konkreten Situation vom BGH für vertretbar gehaltenen Vorwurf eines individuellen Beratungsverschuldens. Ein Anleger hatte aus dem Hausverkauf eines ererbten Grundstücks rund 150.000,00 DM zur Verfügung und suchte - jedenfalls auch - eine Anlage als Teil einer sicheren Altersvorsorge. Der Berater empfahl ihm die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds und hatte diese Beteiligung als sicher beschrieben. Im Prospekt war hingegen auf das Totalverlustrisiko hingewiesen worden. Der Fonds geriet in Schieflage. Der Anleger forderte Schadenersatz und bekam vor dem OLG Köln Recht. Der in Anspruch genommene Berater verwies auf den Emissionsprospekt. Das Berufungsgericht - vom BGH bestätigt - verneinte sowohl ein Mitverschulden als auch eine Verjährung des Schadenersatzanspruchs.

Der BGH stellte das besondere Vertrauensverhältnis heraus, welches zwischen einem in diesem Fall mit Fondsbeteiligungen unerfahrenen Anleger und seinem Berater bestünde. Soll gem. dem Anlageziel eines Kunden eine sichere Geldanlage getätigt werden, ist die Empfehlung einer Beteiligung an einem geschlossenen Fonds schon für sich genommen fehlerhaft. Es stand im vorliegenden Fall fest, dass der Berater gegenüber dem Prospekt abweichende Aussagen getätigt hatte. Dies war der Vorwurf, über den der BGH zu befinden hatte. Die Entscheidung bedeutet keineswegs einen Freibrief für den Anleger. Es mag zwar zutreffend sein, dass Emissionsprospekte von häufig weit mehr als 100 Seiten zumal von einem unerfahrenen Anleger gar nicht in relativ kurzer Zeit zur Kenntnis genommen werden können. Dennoch sind vollständige, richtige und verständliche Emissionsprospekte insbesondere auch für den Berater und Vermittler zur eigenen Absicherung ein absolutes Muss. Der Berater sollte aber auf keinen Fall von Prospektaussagen abweichende Zusicherungen tätigen. Dies kann ansonsten schnell ins Auge gehen.   4.2 Zur Treue-, Sanierungs- und Ausscheidenspflicht von Gesellschaftern eines geschlossenen Immobilienfonds (BGH, Urt. v. 19.10.2009, II ZR 240/08) In ständiger Rechtsprechung führt der BGH aus, dass ein Gesellschafter von Publikumsgesellschaften gegen seinen Willen nicht zu weiteren finanziellen Beiträgen gezwungen werden kann, sobald er den von ihm geschuldeten Beitrag geleistet hat. Im jetzt vom BGH entschiedenen Fall ging es um die sich anschließende Frage, ob ein Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, wenn er sich an der Sanierung der Gesellschaft nicht beteiligt, diese aber sanierungsfähig ist und die überwiegende Mehrzahl der Gesellschafter bereit ist, sich an einer von Gläubigerbanken geforderten Kapitalerhöhung zu beteiligen. Das besondere an diesem Fall war noch, dass zwei Gesellschafter den Mehrheitsbeschluss mitgetragen hatten und anschließend keinen Sanierungsbeitrag geleistet hatten. Zwei weitere Gesellschafter hatten gegen den Beschluss gestimmt und ebenfalls keinen Beitrag geleistet. Nach dem gefassten Beschluss sollten die Gesellschafter, die sich nicht bis zu einem bestimmten Stichtag verbindlich an der Kapitalerhöhung beteiligten, aus der Gesellschaft ausscheiden, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Gesellschaft bedurfte. Die Instanzgerichte hatten diesen Beschluss für un-

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wirksam erachtet, weil er eine mittelbare Nachschussverpflichtung bedeute, die der Zustimmung aller Gesellschafter bedurft hätte. Der BGH sah dies anders. Die beiden Gesellschafter, die den Beschlüssen zugestimmt hatten, seien an ihre Zustimmung gebunden. Aber auch gegenüber den beiden anderen Gesellschaftern war der Beschluss wirksam. Folge ist das Ausscheiden aus der Gesellschaft, denn die gesellschafterliche Treuepflicht gebiete, die Sanierung einer sanierungsfähigen Gesellschaft mitzutragen. Dies bedeutet aber keine Nachschusspflicht, sondern die Notwendigkeit, bei Nichtleisten der Einlage die beschlossene Rechtsfolge in Kauf zu nehmen, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Den Gesellschaftern, die die Chance einer Sanierung ergreifen wollen und die deshalb bereit sind, der Gesellschaft weitere finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, ist nicht notwendigerweise zuzumuten, den erhofften künftigen Sanierungserfolg mit den Gesellschaftern teilen zu müssen, die dazu nichts beitragen wollen. Die keinen Sanierungsbeitrag leisten können oder wollen, können auch nicht fordern, dass die Liquidation der Gesellschaft erfolgt, weil damit zusätzliche Zerschlagungsverluste verbunden sind, die den sanierungsbereiten Gesellschaftern wiederum nicht zuzumuten sind.

§

Geklagt hatte die Fondsgesellschaft. Die vier beklagten Gesellschafter waren zum Stichtag ausgeschlossen. Es bestand noch Streit darüber, wie hoch jeweils der von den ausgeschiedenen Gesellschaftern zu zahlende Auseinandersetzungsfehlbetrag war. Um dies zu klären, wurde der Rechtsstreit an das Kammergericht Berlin zurückverwiesen.   4.3 Keine Pflicht des Kapitalanlegers zur Überprüfung des Emissionsprospektes nach Zeichnung der Kapitalanlage auf Widersprüche (OLG Celle, Urt. v. 21.10.2009, 3 U 94/09) In diesem vom OLG Celle entschiedenen Fall ging es u.a. um die Frage, inwieweit ein Kapitalanleger verpflichtet sein soll, nach Zeichnung der Kapitalanlage den Emissionsprospekt auf Widersprüche zu den Angaben des Anlageberaters zu untersuchen und - sofern Widersprüche erkennbar sind die auf den Fondsbeitritt gerichtete Willenserklärung innerhalb der Widerrufsfrist zu widerrufen. Ein Besserverdienender hatte sich an einem Medienfonds beteiligt. Der Inhalt des Beratungsgespräches und der Zeitpunkt der Prospektübergabe waren streitig. Die in Anspruch genommene Bank, deren Mitarbeiter das Beratungsgespräch geführt hat, verneinte in erster Linie eine Aufklärungs-

pflichtverletzung, wandte darüber hinaus aber auch ein, bei Bejahung einer Schadenersatzpflicht treffe den Anleger ein nicht unerhebliches Mitverschulden, weil er den Emissionsprospekt auf Widersprüche hätte prüfen müssen. Deshalb treffe den Anleger eine Mitverschuldensquote von 1/3. Das OLG Celle verneinte ein Mitverschulden. Der Informationspflichtige könne dem Geschädigten

grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten, er habe den Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mit verantwortlich. Ein Anleger dürfe „vielmehr annehmen, vor Zeichnung der Kapitalanlage zutreffend … informiert worden zu sein.“. Es besteht im Übrigen auch kein Anlass, den Prospekt nach Zeichnung der Kapitalanlage durchzuarbeiten und auf Widersprüche zu dem Beratungsgespräch zu untersuchen. Neben der Verletzung von Aufklärungspflichten wegen nicht hinreichender Darstellung der mit der Anlage verbundenen Risiken bejahte das OLG Celle auch eine Aufklärungspflichtverletzung, weil die Bank nicht über die ihr zufließende Vertriebsvergütung aufgeklärt habe. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH sei eine Bank auch beim Vertrieb von Fondsanteilen verpflichtet, den Anleger über erhaltene Rückvergütungen zu informieren. Erst durch Offenlegung der Rückvergütung werde ein Interessenkonflikt des Anlageberaters deutlich. Nur wenn der Kunde wisse, dass der Anlageberater bzw. die von ihm vertretene Bank ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertrieb einer bestimmten Beteiligung habe, werde der Anleger in die Lage versetzt, dieses Interesse einschätzen zu können. Auch ein entschuldigter Verbotsirrtum wurde verneint. Es gebe seit den 80er Jahren (des letzten Jahrhunderts) Rechtsprechung dazu, wonach ein Berater verpflichtet sei, seinem Mandanten offenzulegen, dass er von 31


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dritter Seite eine bestimmte Provision dafür erhielt, dass er diesen zu einer bestimmten Vermögensanlage veranlasste (vgl. BGH, Urt. v. 19.06.1985, 20.05.1987 und 26.09.1990). Auch die Rechtsprechung des BGH, wonach Innenprovisionen (erst) ab einer Größe von 15 % und mehr offenzulegen seien, betreffe den Aspekt der damit verbundenen Auswirkungen auf die Werthaltigkeit der Anlage und sei mit dem hier im Vordergrund stehenden Interessenkonflikt des vermeintlich neutralen Beraters, der aber ein eigenes Interesse am Verkauf der Anlage hat, nicht vergleichbar. Ein weiterer Aspekt der Entscheidung betraf die Frage, ob der Schadenersatz nur Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung zu leisten sei oder ob es ausreichend ist, dass der Anleger lediglich ein Angebot auf Übertragung der Beteiligung abgibt. Das OLG Celle hielt letzteres für ausreichend, da vom Anleger nicht beeinflussbare Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung in den Risikobereich der zum Schadenersatz verpflichteten Bank fielen. Dies gelte namentlich, wenn die Übertragung der Gesellschaftsanteile von der Zustimmung Dritter abhängig sei.   4.4 Einlagenrückgewähr, Kommanditistenhaftung und guter Glaube (BGH, Urt. v. 20.04.2009, II ZR 88/08) In diesem Rechtsstreit ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Kapitalanteil eines Kommanditisten unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder durch eine Gewinnentnahme herabgemindert wird und ob Kommanditisten, die in gutem Glauben Ausschüttungen erhalten haben, gleichwohl zur Rückzahlung verpflichtet sein können. Ein Kommanditist hatte seine Einlagen vollständig erbracht. In der Folgezeit erhielt er Ausschüttungen. Ein Darlehensnehmer der Kommanditgesellschaft nahm den Kommanditisten in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen auf Darlehensrückzahlung in Anspruch. 34

Nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB lebt die Haftung auf, wenn der erbrachte Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert wird. Als Verluste gelten auch bilanzielle Herabminderungen der Einlage durch Sonderabschreibungen, obwohl derartige Abschreibungen keine echten Vermögensverluste darstellen. Es ging konkret um die Frage, ob sich der Kommanditist auf den Ausnahmetatbestand des § 172 Abs. 5 HGB berufen kann. Danach lebt die Kommanditistenhaftung dann nicht wieder auf, wenn eine Bilanz in gutem Glauben errichtet worden ist und der Kommanditist den Gewinn in gutem Glauben bezogen hat (sog. „doppelter guter Glaube“). § 172 Abs. 5 HGB war im vorliegenden Fall aber nicht anwendbar, da die Bilanzen nicht unrichtig waren. Der BGH stellte fest, dass Gewinn im Sinne des § 172 Abs. 5 HGB allein der aufgrund eines Jahresabschlusses und eines Gewinnverwendungsbeschlusses ausgeschüttete Gewinn ist. Gewinnvoraus- oder Gewinngarantiezahlungen fallen nicht darunter. Für den BGH war es aber unerheblich, ob der Kommanditist über seine Haftung in dem Emissionsprospekt zutreffend aufgeklärt worden war. Der Darlehensgläubiger muss sich etwaige Aufklärungsmängel jedenfalls nicht entgegenhalten lassen.


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5. Sonstiges 5.1 Zur Frage der Haftung von Prominenten bei Werbung für eine Kapitalanlage (OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.04.2010, 6 U 155/07) Das OLG Karlsruhe hat ein anders lautendes Urteil des Landgerichts Mosbach aufgehoben, in dem der frühere Bundesverteidigungsminister Dr. Scholz in einem Prozess um fehlgeschlagene Kapitalanlagen zum Schadenersatz verurteilt worden war. Ein Ehepaar hatte sich im Oktober 2004 an einer Publikums-KG beteiligt, über deren Vermögen später das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Beim Vertrieb der Anlage war in einer von dem Emissionsprospekt getrennten Werbebroschüre damit geworben worden, dass Dr. Scholz Vorsitzender des Beirats der Gesellschaft sei, die den Fonds initiiert hatte. In diesem Zusammenhang wurden positive Äußerungen von Robert Scholz über die Gesellschaft und die für die Gesellschaft handelnden Personen wiedergegeben. Der eigentliche Emissionsprospekt enthielt unrichtige und unvollständige Angaben. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe haftet Scholz nicht für die Fehler des Emissionsprospektes. Er sei nicht Initiator der Anlage, da der Beirat der Gesellschaft nur eine beratende Funktion habe. Eine Prospekthaftung (gemeint ist eine solche im engeren Sinn) kommt ansonsten nur bei solchen Personen in Betracht, die am Emissionsprospekt nach außen erkennbar mitwirken. Dies sei im konkreten Fall nicht erfolgt. Die Werbebroschüre sei nicht als Teil des Emissionsprospektes anzusehen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die in dem Werbeprospekt wiedergegebenen Aussagen von Scholz unzutreffend seien. Es habe sich vor allem um allgemeine und blumige Ausführungen zu verschiedenen Anlagemöglichkeiten und den damit verbundenen Chancen, Gewinn zu erzielen, gehandelt. In der Werbebroschüre sei des Weiteren ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine fundierte Entscheidung über die Beteiligung allein nach Kenntnisnahme des Emissionsprospektes getroffen werden könne.

Beteiligungsgesellschaft zu erfüllen hat, ist regelmäßig nicht selbst prospektverantwortlich. Dennoch bestehen auch für den Treuhandkommanditisten selbstverständlich Obhuts-, Sorgfalts- und auch Aufklärungspflichten. Im vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Frage, inwieweit eine Treuhandkommanditistin eines Filmfonds Anleger über die ihr bekannte wesentliche Einbindung eines großen Vertriebsunternehmens bei der Einwerbung von Anlegergeldern zu unterrichten hat, dessen Hauptgesellschafter zugleich Mehrheitsgesellschafter der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft war. Die Treuhandkommanditistin wurde im Prospekt als Gründungsgesellschafterin bezeichnet. Sie hatte allerdings ihre Stellung als Kommanditistin durch Abtretung des Geschäftsanteils eines anderen Gründungsgesellschafters erworben. Dieser andere Gründungsgesellschafter war Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementärin der Fondsgesellschaft. Zugunsten der Komplementärin waren als Vergütung für pauschale Werbungskosten 8% des Gesamtaufwandes vorgesehen. Die Komplementärin leitete diese Vergütung an den Hauptvertriebspartner weiter. Dieser vereinnahmte sie zusätzlich zu prospektgemäß vorgesehenen 12% (7% für die Eigenkapitalvermittlung „von innen“ und 5% Agio „von außen“). Das Hauptvertriebsunternehmen erhielt also insgesamt eine Vergütung von 20%. Die Treuhandkommanditistin wusste dies aufgrund eigener Berechnungen im Rahmen der Mittelfreigabe. Sie kannte auch die Verflechtungen zwischen dem Hauptvertriebsunternehmen und der Komplementärin. Der BGH verwies insoweit darauf, dass

Die Revision ist nicht zugelassen worden.   5.2 Treuhandkommanditist muss über ihm bekannte Sondervorteile zugunsten eines Vertriebsunternehmens, die im Prospekt nicht hinreichend dargestellt sind, aufklären (BGH, Urt. v. 22.04.2010, III ZR 318/08) Wer als Treuhandkommanditist treuhänderisch die Rechte der mittelbar beteiligten Anleger zu wahren hat und ebenfalls deren Pflichten gegenüber der 35


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auf die Verflechtung in einer Publikation des „Direkter Anlegerschutz“ hingewiesen worden sei und der Treuhandkommanditistin diese Publikation unwidersprochen bekannt war.

Der BGH sieht in diesem Antrag das Begehren auf Feststellung, über die notwendige Versteuerung der Ersatzleistung hinaus nicht auch noch die Verlustzuweisung zu verlieren. Dabei gilt folgendes:

Jedenfalls bei einer solchen Sachverhaltskonstellation wie der soeben geschilderten hätte die Treuhandkommanditistin ihre Treugeber über die ihr bekannten Umstände gesondert aufklären müssen. Für den Vertrieb einer Kapitalanlage macht es einen wesentlichen Unterschied, ob hierfür „nur“ 12% des Eigenkapitals aufgebracht werden müssen oder 20%. Der Prospekthinweis, dass der Komplementärin Sondervorteile gewährt werden - die dies dann an das Hauptvertriebsunternehmen weitergeleitet hatte - war nicht genügend.

Die begehrte Rückabwicklung führe zwar nicht zu einem Schadenersatzanspruch auf Ersatz der Steuervorteile, denn es gehe insoweit darum, so gestellt zu werden, als hätte sich der Anleger nicht beteiligt. Insoweit besteht kein Erfüllungsanspruch auf den Eintritt von Folgen, die sich aus der Beteiligung selbst ergeben. Bei einer Aberkennung von Verlustzuweisungen und einer damit einhergehenden steuerlichen Nachforderung kommt aber wegen der hierauf zu entrichtenden Zinsen ein Schadenersatzanspruch in Betracht, auf den die Vorteile aus der über Jahre währenden Anerkennung von Verlustzuweisungen anzurechnen wären. Weil noch Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht zu treffen waren, verwies der BGH die Angelegenheit an das OLG München als Berufungsgericht zurück.

Zugunsten des Anlegers greift auch bei dieser Konstellation wiederum die Kausalitätsvermutung. Sie sichert das Recht des Anlegers, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes Projekt investieren will oder nicht. Es obliegt insoweit dem Aufklärungspflichtigen, die Vermutung zu widerlegen und darzulegen, dass der einzelne Anleger den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte, sich also auch dann an der Gesellschaft beteiligt hätte, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre. Interessant und von großer praktischer Bedeutung sind sodann die weiteren Ausführungen des BGH zur Frage der Begründetheit des Antrags, dass die Treuhandkommanditistin dem Anleger den Steuerschaden zu ersetzen hätte, der diesem durch eine etwaige nachträgliche Aberkennung von Verlustzuweisungen entstehe.

5.3 Aufklärungspflichten einer Treuhandkommanditistin (BGH, Urt. v. 12.02.2009, III ZR 90/08) In diesem Rechtsstreit - es ging um die Beteiligung an einem Filmfonds - war über die Frage der Pflichtverletzung einer Treuhandkommanditistin zu befinden, den Anleger bei Annahme seines Vertragsangebotes zum Abschluss eines Treuhandvertrages über die der Treuhandkommanditistin bekannte regelwidrige Auffälligkeiten zu informieren. Sie erschlossen sich nicht aus der Lektüre des Emissionsprospektes. Der Anleger hat einen Prospektmangel u.a. darin gesehen, dass er nicht über Provisionszahlungen in Höhe von 20% für die Eigenkapitalvermittlung unterrichtet worden sei. Der BGH führt im Hinblick auf die einen Treuhandkommanditisten treffenden Pflichten folgendes aus: Einen Treuhandkommanditisten, der in ein Kapitalanlageprojekt der hier in Rede stehenden Art eingebunden ist, trifft die Pflicht, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 84, 141, 144 f.). Ein Treuhandkommanditist hat den Anleger insbesondere über regelwidrige Auffälligkeiten zu informieren. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Treuhandkommanditist mit den Anlegern nicht in einen persönlichen Kontakt tritt und sich die Funktion auf die einer bloßen Abwicklungs- und Beteiligungstreuhand bezieht.

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Der BGH sieht deshalb auch die Treuhandkommanditistin für verpflichtet an, den Anleger darüber zu informieren, dass die mit dem Vertrieb der Beteiligung befasste Vertriebs-GmbH hierfür eine Provision von 20% beanspruchte und erhalten sollte. Im Prospekt war die Vergütung für die Eigenkapitalbeschaffung mit 7% ausgewiesen. Den Verträgen zur Durchführung der Investition war des Weiteren zu entnehmen, dass die Komplementärin, die sich zur Vermittlung des Zeichnungskapitals verpflichtet hatte, hierfür das Agio von 5% erhalten sollte. Damit durfte für die Vermittlung des Eigenkapitals insgesamt eine Vergütung von 12% verwendet werden. Aus internen Unterlagen ergab sich, dass die Treuhandkommanditistin wusste, dass die Vertriebs-GmbH eine Vergütung von insgesamt 20% erhalten sollte. Der BGH führte weiter aus, dass es einem Anleger, der einem Medienfonds beitritt, angesichts der höheren Risiken darauf ankommt, dass die Kosten für den Vertrieb nicht zu hoch ausfallen, weil diese insoweit von vornherein verloren sind, als sie nicht für die Produktion von Filmen zur Verfügung stehen. Außerdem muss der Einsatz von Weichkosten für die damit verbundenen Aufgaben gesichert sein. Dieses Argument spielt eine Rolle, weil im Rechtsstreit behauptet wurde, die Vertriebsgesellschaft, die 20% Provision beanspruchte, habe ja nur einen Teil der Anleger geworben. Insgesamt sei die für die Eigenkapitalvermittlung vorgesehene Vergütung nicht überschritten worden, will die anderen Vertriebe entsprechend weniger bekommen hätten. Ferner wies der BGH darauf hin, dass über die Honorierung der Vertriebs-GmbH, die die 20% beanspruchte, Sondervereinbarungen getroffen worden waren. Der geschäftsführende Gesellschafter der Vertriebs-GmbH war auch Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Deshalb musste auch unter dem Gesichtspunkt, dass über wesentliche kapitalmäßige und personelle Verflechtungen aufzuklären ist, auf die Sonderabsprache hingewiesen werden müssen.   5.4 Zum Schutzzweck des Widerrufsrechts bei Erwerb einer Fondsbeteiligung (LG Mannheim, Urt. v. 26.08.2010, 9 O 413/09)

§

In diesem vom Landgericht Mannheim entschiedenen Fall ging es um die Geltendmachung von Schadenersatz aus einem Anlageberatungsvertrag. Anspruchsgegner war eine Bank, die einer Anlegerin die treuhänderische Beteiligung an einem geschlossenen Fonds empfahl, der mit britischen Lebensversicherungspolicen handelte. Es war u.a. streitig, ob die Anlegerin über das aus § 172 Abs. 4 HGB folgende Risiko aufgeklärt worden ist und ob überhaupt und wenn ja wann der Beteiligungs-

prospekt übergeben worden ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass ein solcher auf keinen Fall vor dem Beratungsgespräch übergeben worden ist. Die in Anspruch genommene Bank berief sich u.a. darauf, dass die Anlegerin ihre Beteiligung binnen einer 2-wöchigen Frist hätte widerrufen können.

Das Landgericht Mannheim führte insoweit aus, dass das Widerrufsrecht vor vertraglichen Bindungen schützen soll, die der Verbraucher möglicherweise übereilt und ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist. Dies setze aber voraus, dass der Widerrufsberechtigte vor Beginn der Widerrufsfrist sämtliche maßgebliche Informationen für seine Anlageentscheidung kennt. Nur dann kann er sich in Ruhe nochmals die Vor- und Nachteile des Geschäfts durch den Kopf gehen lassen. Die Widerrufsfrist bezweckt hingegen nicht, dem Anlageinteressenten erstmals die Möglichkeit einzuräumen, sich die für die Anlageentscheidung notwendigen Informationen zu verschaffen. Die Bank konnte bezüglich der Erfüllung der Aufklärungspflichten nicht auf die Prospektangaben verweisen. Auch die Aufklärung über die Risiken war allein auf den Inhalt des Beratungsgesprächs abzustellen. Die Risikoaufklärung im Beratungsgespräch war unvollständig. Die Anlegerin war deshalb so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie die streitgegenständliche Beteiligung nicht gezeichnet hätte. Die Frage, ob eine Pflichtverletzung auch darin lag, ob die Bank Rückvergütungen im Zusammenhang mit dem Anlagegeschäft erhalten hat, ließ das Gericht offen, weil es darauf nicht mehr ankam. 37


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5.5 Außerordentliches Informationsrecht des Kommanditisten auch in der Publikums-KG (OLG München, Beschl. v. 07.04.2009, 31 Wx 95/08 rkr.) Das OLG München hatte sich wieder einmal mit der Frage von Informations- und Kontrollrechten eines Kommanditisten einer Publikums-Personengesellschaft zu befassen. Der Anleger hatte sich mit 2 Mio. Euro als Kommanditist an einem Filmfonds beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag der KG ist bestimmt, dass die Kommanditisten ihr Kontrollrecht nach § 166 Abs. 3 HGB nur durch Einsichtsbevollmächtigte ausüben dürfen. Der Kommanditist begehrte Einsicht in ein noch vor Gründung der Fondsgesellschaft in Auftrag gegebenes Gutachten. In diesem ging es um die steuerrechtliche Beurteilung des Fonds. Der Anleger befürchtete, dass die von der Gesellschaft eingeworbenen Gelder zumindest teilweise nicht zur Produktion von Filmen, sondern für andere Zwecke (insbesondere zur Bezahlung von Garantien) verwendet worden sind. Anders als die Vorinstanzen verneinte das OLG München einen Anspruch auf Einsicht in das Gutachten. Nach § 166 Abs. 1 HGB ist ein Kommanditist berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Nach § 166 Abs. 3 HGB kann das zuständige Registergericht auf Antrag eines Kommanditisten die Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresabschlusses oder sonstiger Aufklärungen sowie die Vorlage der Bücher und Papiere jederzeit anordnen. Es müssen wichtige Gründe vorliegen. Zu den Büchern und Papieren einer KG gehören alle Geschäftsunterlagen, auch Prüfungsberichte und

„Geheimbücher“. Grundsätzlich kann der Kommanditist unter den Schriftstücken wählen. Das OLG München verneinte im konkreten Fall das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 166 Abs. 3 HGB. Ein solcher sei nur anzunehmen, wenn die sofortige Überwachung der Geschäftsführung im Interesse des Kommanditisten geboten sei (z.B. bei drohender Schädigung von Gesellschaft oder Kommanditisten, bei begründetem Verdacht nicht ordnungsgemäßer Geschäfts- oder Buchführung, bei Verweigerung oder längerer Verzögerung der Kontrolle nach § 166 Abs. 1 HGB). Das Gericht nahm den Standpunkt ein, der Kommanditist habe keine ausreichend konkrete Gefährdung seiner Interessen dargelegt. Er konnte sich nur auf negative Berichterstattungen in den Medien stützen. Sie betrafen weitestgehend andere Filmfonds. Bloße und äußerst vage Verdachtsäußerungen könnten aber keine konkrete Tatsachenbasis schaffen. 5.6 Zum außerordentlichen Informationsrecht des Kommanditisten eines Filmfonds (OLG München, Beschl. v. 05.09.2008, 31 Wx 63/07) § 166 HGB gewährt einem Kommanditisten Kontrollrechte. Dieser ist berechtigt, den Jahresabschluss in Kopie zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Nach § 166 Abs. 3 HGB kann das Gericht auf Antrag eines Kommanditisten neben der Mitteilung einer Bilanz oder eines Jahresabschlusses auch die Vorlage der Bücher oder sonstiger Geschäftsunterlagen sowie die Erteilung von Auskünften anordnen, wenn wichtige Gründe vorliegen. Im vorliegenden Fall hatte der Anleger einer PublikumsPersonengesellschaft die Einsichtnahme gem. § 166

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Abs. 1 HGB begehrt. Dies lehnte die PublikumsKG (ein Medienfonds) ab. Der Anleger verfolgte seinen Anspruch auf dem Rechtsweg. Das Gericht gab seinem Begehren statt. Es bejahte sowohl das Vorliegen eines wichtigen Grundes, weil der Anleger konkrete Verdachtsmomente vortrug, die Geschäftsführung habe nicht ordentlich gearbeitet als auch die Notwendigkeit der Auskunfts- und Akteneinsichtsgewährung. Das außerordentliche Informationsrecht wird auch nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass die Gesellschaft eine Publikums-KG mit einer Vielzahl von Kapitalanlegern ist, die ebenfalls entsprechende Auskünfte fordern könnten. Ob eine andere Entscheidung geboten ist, wenn es durch massenhafte Inanspruchnahme des Rechtes auf Einsichtnahme tatsächlich zu schwerwiegenden Störungen des Geschäftsbetriebes kommt, musste vom Gericht nicht berücksichtigt werden, da diese Situation im konkreten Fall nicht vorlag.

5.7 Zum Verjährungsbeginn eines Schadenersatzanspruches eines Kapitalanlegers für Steuernachzahlungen infolge verringerter Verlustzuweisungen (BGH, Urt. v. 12.11.2009, IX ZR 218/08) Hat ein Kommanditist Steuernachzahlungen infolge verringerter Verlustzuweisungen zu verzinsen, beginnt die Verjährung eines Ersatzanspruches gegen den steuerlichen Berater wegen verspäteten Hinweises auf dieses Risiko mit dem ersten Bescheid, welcher die Verluste der

KG in dementsprechend vermindertem Umfang feststellt, selbst wenn es gelingt, durch Vorziehung von Sonderabschreibungen die Gewinnerhöhung in spätere Veranlagungszeiträume zu verschieben und dadurch den Zinsschaden zu mindern. 5.8 Zur Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen bei mehreren Aufklärungspflichtverletzungen (BGH, Urt. v. 19.11.2009, III ZR 169/08) Bis zum 31.12.2001 galt für Schadenersatzforderungen aus der Verletzung von Pflichten eines Anlagevermittlungs- oder Anlageberatungsvertrages eine 30-jährige Verjährungsfrist. Soweit Ansprüche am 01.01.2002 noch nicht verjährt waren, gelten seither die neuen Verjährungsvorschriften. Die Verjährungsfrist beträgt nunmehr grundsätzlich drei Jahre. Der Beginn der Verjährungsfrist ist unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu berechnen. Im nunmehr vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um den Vorwurf gleich mehrerer Verletzungshandlungen und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob mehrere Handlungen rechtlich als Einheit zu betrachten sind oder ob jede einzelne Verletzungshandlung verjährungsrechtlich eine neue Schädigung darstellt und einen eigenen Ersatzanspruch mit eigenem Lauf der Verjährungsfrist erzeugt. Der BGH bestätigt die zweite der beiden vorgenannten Alternativen und begründet dies mit Parallelen alter Rechtsprechungsgrundsätze zu § 852 BGB a.F. Bei Ersatzansprüchen aus unerlaubten Handlungen stelle jede Handlung, die eigene Schadensfolgen zeitigt, verjährungsrechtlich eine neue selbstständige Schädigung dar. Der jeweilige neue Ersatzanspruch unterliege einer jeweils selbstständig zu prüfenden Verjährung. Dies gelte auch für vertragliche Schadensersatzansprüche, wenn mehrere, von einander abgrenzbare Beratungsfehler vorliegen. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB berechnet sich daher für jeden Beratungsfehler gesondert und beginnt zu laufen, wenn der Gläubiger die Umstände, insbesondere die wirtschaftlichen Zusammenhänge kennt, aus denen sich die jeweilige Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt. 39


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1. Zur Frage, wann finanzierende Banken ggf. welche Aufklärungspflichten haben (BGH, Urt. v. 10.11.2009, XI ZR 252/08) Sachverhalt

III.

Immobilien und Finanzierung

Immobilien stellen seit jeher einen wichtigen Baustein beim Vermögensaufbau und der Vermögensabsicherung dar. Immobilienbeteiligungen und hier insbesondere offene und geschlossene Immobilienfonds sind nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was hier in Betracht kommt. Die Möglichkeiten beginnen beim Erwerb und Halten unbebauter Grundstücke, können die Entwicklung, Bebauung und Weiterveräußerung von Grundbesitz betreffen, können sich bezüglich Haltefristen und der damit verbundenen rechtlichen Auswirkungen unterscheiden, und hören bei dem Erwerb von Aktien der verschiedenen ImmobilienAktiengesellschaften noch lange nicht auf. Investitionen in Immobilien und Immobilienbeteiligungsgesellschaften haben auch ihre unrühmliche Seite. Manche Investition hat sich nicht so entwickelt wie erhofft. Soweit für Immobilien und Immobilienbeteiligung mittels Prospektes geworben worden ist, stellt sich in diesen Fällen wiederum die Frage der Prospekthaftung. Da im Regelfall bei Immobilien in hohem Maße auch Fremdmittel eingesetzt werden, die meist von Kreditinstituten zur Verfügung gestellt werden, hat sich in den letzten Dekaden auch eine Rechtsprechung zur Frage entwickelt, unter welchen Voraussetzungen Kreditinstitute mit zur Verantwortung gezogen werden können. Einen schönen Überblick über die Frage der Aufklärungspflichten finanzierender Banken gibt das BGH-Urteil vom 10.11.2009, XI ZR 252/08, mit dem wir diesen Überblick beginnen. 40

Beim jetzt vom BGH entschiedenen Fall ging es um den fremdfinanzierten Erwerb einer Beteiligung an einem sog. WGS-Fonds. Eine Anlegerin war bereits im Jahr 1992 von ihrer Nachbarin angesprochen worden, ob sie sich für eine Beteiligung an diesem geschlossenen Immobilienfonds interessiere. Die Nachbarin war im Auftrag eines WGS-Vermittlers tätig geworden. Im Beteiligungsprospekt waren Vertriebskosten je vertriebenem Anteil ausgewiesen. Tatsächlich wurde noch einmal fast das Doppelte der ausgewiesenen Vertriebskosten an die Vertriebsgesellschaft bezahlt. Die Fondsgesellschaft fiel 1997 in Konkurs. Die Anlegerin kündigte das zur Finanzierung der Fondsbeteiligung aufgenommene Darlehen und löste es durch ein Darlehen einer anderen Bank ab. Das zur Beteiligungsfinanzierung ursprünglich aufgenommene Darlehen enthielt eine Widerrufsbelehrung, die den Vorgaben des Haustürwiderrufsgesetzes nicht entsprach. Die Anlegerin forderte deshalb u.a. unter Bezugnahme auf die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes die Rückabwicklung, des Weiteren wegen arglistiger Täuschung durch unrichtige Angaben im Fondsprospekt, die sich die Bank als finanzierende Bank zurechnen lassen müsse. Fehlgeschlagene kreditfinanzierte Anlagegeschäfte aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts beschäftigen nach wie vor die Gerichte in hohem Maße. Zum einen geht es um Rechtsfragen bei den sog. „SchrottImmobilien-Fällen“, zum anderen um durch Darlehen finanzierte Beteiligungen an geschlossenen Fonds. Die wesentlichen Gesichtspunkte der Entscheidung Ein Rückabwicklungsanspruch wegen der fehlerhaften Widerrufsbelehrung wurde vom BGH jedoch verneint. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bereits am 10.04.2008 (Rechtssache C-412/06) entschieden, dass eine bis zum 01.01.2002 geltende Regelung im Haustürwiderrufsgesetz mit europäischem Recht vereinbar ist. Für die Frage, ob Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 4 HausTWG beiderseits vollständig erbracht sind, ist auch bei einem verbundenen Geschäft allein auf das Rechtsgeschäft abzustellen, in welchem ein Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz begründet ist. Das verbundene Geschäft spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es kam also auf die Frage an, ob zum Zeitpunkt des Widerrufs das (ursprüng-


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liche) Darlehensverhältnis vollständig beendet war. Im Hinblick auf die Fondsbeteiligung mussten die wechselseitigen Leistungen noch nicht vollständig erbracht sein. Aufgrund der Darlehensablösung, die vier Jahre vor erfolgtem Widerruf erfolgte, war ein Widerrufsrecht erloschen.

§

Im Weiteren ging es um die Frage, ob der Anlegerin ein Schadenersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen einer arglistigen Täuschung zustand und ob sich die finanzierende Bank die Täuschungshandlung zurechnen lassen müsste. Nach der BGH-Rechtsprechung muss sich die das Anlagegeschäft des Verbrauchers finanzierende Bank bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9 VerbrKrG eine arglistige Täuschung des Vermittlers über das Anlageobjekt zurechnen lassen. Der Verbraucher kann in diesem Fall der finanzierenden Bank gegenüber den Darlehensvertrag entweder gem. § 123 BGB anfechten oder Schadenersatz aus vorsätzlichem Verschulden bei Vertragsschluss in Verbindung mit dem Grundsatz der Naturalrestitution gem. § 249 BGB verlangen. Das Berufungsgericht hatte ein arglistiges schuldhaftes Verhalten des Vermittlers verneint und hierbei auf die Person der Nachbarin abgestellt. Allein darauf - so der BGH - könne jedoch nicht abgestellt werden. Nach der BGH-Rechtsprechung darf derjenige, der es mit einer Organisation (z.B. einer juristischen Person) zu tun hat, grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der einer natürlichen Person gegenübersteht. Die Organisation darf nicht dadurch besser stehen, dass anstelle des konkret wissenden Organs oder Mitarbeiters für sie

ein Untervermittler auftritt, der über das geschäftsrelevante Wissen nicht verfügt. In einem solchen Fall ist es erforderlich, dass die Vertriebsgesellschaft zumindest bedingt vorsätzlich bei der Weitergabe unwahrer Tatsachen an die Untervermittler oder bei dem Zurückhalten geschäftsrelevanten Wissens gehandelt hat. Der Inhaber oder das Organ der Organisation muss die Pflicht zur Aufklärung des Kunden gekannt oder zumindest für möglich gehalten haben und es gleichwohl bewusst unterlassen haben, die unmittelbar tätigen Vermittler entsprechend zu instruieren. Im konkreten Fall waren die Vertriebskosten im Prospekt falsch mitgeteilt worden. Die Anlegerin hatte im Streitfall nicht nur darauf abgestellt, ob ihre Nachbarin Kenntnis der Unrichtigkeit der Prospektangaben gehabt oder nicht gehabt habe, sondern auf eine arglistige Täuschung durch die übergeordnete Vertriebsgesellschaft abgestellt. Feststellungen zu dieser - streitigen - Behauptung wurden vom Berufungsgericht nicht getroffen. Ferner ging es um die ebenfalls strittige Frage, ob die finanzierende Bank wegen eigener Aufklärungspflichtverletzungen in Bezug auf das Anlagegeschäft haftbar gemacht werden konnte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine finanzierende Bank nicht verpflichtet einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen. In vier Fallgruppen kommen aber eigene Aufklärungs- und Hinweispflichten in Betracht. Bei Vorliegen eines konkreten Wissensvorsprungs, bei Überschreiten der Kreditgeberrolle, bei Bestehen von Interessenkollisionen und bei Schaffung besonderer Gefährdungstatbestände.

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Zur letzt genannten Fallgruppe können das Wissen wegen Falschangaben des Vermittlers gehören, überhöhte Kaufpreise und höhere Innenprovisionen als nach außen dokumentiert.

2. Zur Frage, wann sich eine finanzierende Bank die arglistige Täuschung des Immobilienveräußerers zurechnen lassen muss (BGH, Urt. v. 29.06.2010, XI ZR 104/08)

Fazit

Der EuGH hat im Hinblick auf Verbraucherschutzrechte bei sog. „Schrottimmobilienfällen“ schon vor geraumer Zeit entschieden, dass es Sache des nationalen Gesetzgebers und der nationalen Gerichte sei, den Schutz des Verbrauchers vor den Folgen der Verwirklichung der Risiken zu gewährleisten, die ein Darlehen zur Finanzierung einer Immobilie oder eines Immobilienfonds abgeschlossen haben (vgl. Urteile des EuGH vom 25.10.2005, C-350/03 und C-229/04). Der XI. Zivilsenat des BGH hatte nun erneut über Schadenersatzansprüche von Verbrauchern im Zusammenhang mit dem Erwerb einer kreditfinanzierten Immobilie zu entscheiden. Im Jahr 1996 hatte eine Krankenschwester zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung erworben. Sie nahm bei der in Anspruch genommenen Bank ein tilgungsfreies Vorausdarlehen auf, das durch zwei mit der beklagten Bausparkasse abgeschlossenen Bausparverträgen getilgt werden sollte. Die von der Anlegerin abgeschlossenen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsaufträge vermittelten den Eindruck, dass zusammen 5,86% der Kaufpreissumme als Provisionen zu zahlen waren. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme betrugen die Provisionshöhen aber mindestens 15%.

Anhand dieses Falles konnte der BGH seine Rechtsprechung zu fehlgeschlagenen kreditfinanzierten Anlagegeschäften systematisch ein weiteres Mal zusammenfassen. Bevor ein Anleger umschuldet und ein ursprüngliches Darlehen tilgt, sollte er überprüfen, ob er den ursprünglichen Darlehensvertrag unter Umständen noch widerrufen kann. Daneben spielen weitere Beurteilungskriterien eine Rolle, über die der BGH anhand des konkreten Falles nicht zu befinden hatte, beispielsweise die Erörterung der Darlehensnehmereigenschaft eines Anlegers, der Unwirksamkeit eines Vertrages wegen Verstoßes nach den Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes, der Unterbrechung der Haustürsituation durch eine Notarbeurkundung oder Kausalitätsfragen zwischen Schaden und nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nach Haustürwiderrufsrecht. Beim kreditfinanzierten Fondsbeitritt hat ein Anleger jedenfalls bessere Chancen gegenüber der seinen Beitritt finanzierenden Bank als im Falle des darlehensfinanzierten Erwerbs einer Eigentumswohnung. 42


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Aufgrund dieser Tatsache war eine arglistige Täuschung des Finanzierungs- und Objektvermittlers zu bejahen. Durch Gestaltung und Ausfüllung des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages hatte der Vertrieb bewusst die falsche Vorstellung erzeugt, dass sich die Provisionen auf (lediglich) 5,86 % der Kaufpreissumme beschränken. Sowohl die finanzierende Bank als auch die mit verklagte Bausparkasse mussten sich die arglistige Täuschung des Vertriebs zurechnen lassen. Bereits in seinem Urteil vom 16.05.2006, XI ZR 6/04 hatte der BGH entschieden, dass die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer arglistigen Täuschung widerleglich vermutet wird, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutioneller Art und Weise zusammenwirken. Auch im konkreten Fall hatte der BGH die Fallkonstellation des „Wissensvorsprungs der finanzierenden Bank“ bejaht.

§

Da die finanzierende Bank sowie die in Anspruch genommene Bausparkasse zahlreiche Immobilien finanziert haben, bei denen gleichlautende Objekt- und Finanzierungsvermittlungsaufträge verwendet worden sind, hat das Urteil weit über den Fall hinausgehende Bedeutung.

3. Zur Frage des Überschreitens der Kreditgeberrolle einer eine Fondsbeteiligung finanzierenden Bank und damit einhergehender gesteigerter Aufklärungspflichten (OLG München, Urt. v. 13.07.2010, 5 U 2034/08; Revision ist anhängig unter Az: XI ZR 270/10)

In diesem vom OLG München entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob eine eine Fondsbeteiligung finanzierende Bank dem Anleger aus dem Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs zur gesonderten Aufklärung verpflichtet ist. Die Bank hatte im Rahmen des Anlagekonzeptes eine wesentliche Rolle über-

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nommen. Der Anleger hatte sich an dem Medienfonds „VIP 4 KG“ beteiligt. Den Beteiligungsbetrag nebst (reduziertem) 2,5 %-igen Agio brachte er in Höhe von 54,5 % aus eigenen Mitteln auf. 45,5 % des Beteiligungsbetrages finanzierte er dem Fondskonzept entsprechend über die - neben anderen Beteiligten - in Anspruch genommene Bank. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen dem Anleger und der Bank bestand vor der Zeichnung nicht. Im Prospekt war als zentrales und die Bezeichnung als „Garantiefonds“ veranlassendes Sicherungselement des Anlagemodells eine - im Einzelnen näher beschriebene - Schuldübernahme durch die Bank vorgesehen. Das OLG München bejahte eine vorvertragliche Pflichtverletzung der finanzierenden Bank. Zwar treffe einen Darlehensgeber, der keine Beratung vornimmt, grundsätzlich nicht die Pflicht, den Darlehensnehmer über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des zu finanzierenden Geschäfts sowie über Gefahren und Risiken der Darlehensverwendung aufzuklären oder vor dem Vertragsschluss zu warnen. Auch über die Zweckmäßigkeit der Anlage und der Kreditaufnahme muss die Bank grundsätzlich nicht aufklären. Das Kreditverwendungsrisiko liegt vielmehr beim Kreditnehmer. Allerdings ist eine kreditgebende Bank dann zur Risikoaufklärung verpflichtet, wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann. Ein solcher Wissensvorsprung wurde vom Gericht bejaht, weil bei der Bank das Wissen über die regelwidrige Auffälligkeit im Rahmen der künftigen Mittelverwendung vorhanden war. Sie wusste, dass Teile des Fondskapitals nicht für Filmproduktionskosten vorgesehen waren, sondern zur Begleichung des Schuldübernahmeentgelts, welches für die Bank vorgesehen war. Diese Kenntnis begründete 44

einen Wissensvorsprung über ein spezifisches Anlagerisiko. Zugleich bedeutete dieses Wissen eine Kenntnis von Tatsachen, die - hätten sie offen auf der Hand gelegen - ein Gefährdungspotenzial hinsichtlich der steuerlichen Anerkennung der Anlage begründeten. Zu einer vorvertraglichen Aufklärung wäre die Bank auch in der Lage gewesen, denn Darlehensaufnahme und Beitritt vollzogen sich durch Angebot und Annahme, waren also unabhängig von der fehlenden unmittelbaren vorvertraglichen Kontaktaufnahme zwischen der Bank und den Anlegern nicht möglich.

4. Zur Frage des Rückzahlungsanspruchs eines Fondsanlegers wegen rechtsgrundlos auf ein Darlehen erbrachter Leistungen (OLG Ffm., Urt. v. 24.02.2010, 9 U 93/06) In diesem Rechtsstreit ging es um Rückabwicklungsansprüche im Zusammenhang mit einer bankfinanzierten Fondsbeteiligung. Mehrere Kläger nahmen die finanzierende Bank in Anspruch und beriefen


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sich darauf, dass die Zahlungen, die sie auf die streitgegenständlichen Darlehensverträge erbracht hätten, rechtsgrundlos erfolgt seien. Landgericht und Oberlandesgericht hatten die Klage bereits abgewiesen. Auf die Revision der Anleger hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück, da das OLG einen Bereicherungsanspruch zu Unrecht schon dem Grunde nach verneint habe. Die Darlehensverträge waren mit der Fondsgesellschaft abgeschlossen worden. Eine persönliche Haftung für die Darlehensverbindlichkeiten schied aus, da die Anleger lediglich Treugeber-Gesellschafter waren, die - anders als unmittelbare Gesellschafter keine persönliche Außenhaftung für Gesellschaftsschulden analog §§ 128, 130 HGB treffen. Dem Rückzahlungsbegehren wurde somit stattgegeben, soweit Forderungen nicht verjährt waren, was für einen kleinen Teil der geltend gemachten Forderung zu bejahen war. Der Fall zeigt wieder einmal deutlich, wie wichtig es ist, als Kläger den „langen Atem“ zu haben und auch nach zwei Niederlagen in den ersten beiden Instanzen gründlich abzuwägen, ob doch noch ein finaler Sieg möglich erscheint.

§

5. Zu den Voraussetzungen für eine Mitwirkung einer finanzierenden Bank an Falschangaben des Emittenten und Gründungsgesellschafters (BGH, Urt. v. 29.09.2009, XI ZR 179/07) Verschiedene Anleger hatten sich an einem geschlossenen Immobilienfonds in Rechtsform einer GbR beteiligt. Nach den Angaben im Emissionsprospekt sollten die Anleger nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung haften. Ferner fand sich im Prospekt zur Haftung der Gesellschafter der Satz, dass zunächst das Grundstück insgesamt haftet, soweit Gläubiger durch Grundpfandrechte gesichert sind (Hervorhebung diesseits). Der Gründungsgesellschafter und Verantwortliche des Emissionshauses war bereits in einem gesonderten Verfahren zum Schadenersatz verurteilt worden. Nach den Feststellungen in diesem anderen Verfahren hatte er die Anleger darüber getäuscht, dass sie nicht lediglich subsidiär nach Verwertung des Fondsobjektes für die Rückzahlung der Objektfinanzierungsdarlehen haften, sondern unmittelbar persönlich. Durch den Gebrauch des Wortes „zunächst“ sei der falsche Schluss nahegelegt worden, dass im Falle von Zahlungsrückständen das persönliche Vermögen der Gesellschafter von Vollstreckungsmaßnahmen der Bank erst einmal nicht betroffen sei. Die Formulierung wecke beim Adressaten des Prospektes die Erwartung, dass das Risiko einer per-

sönlichen Inanspruchnahme erst dann drohe, wenn die Gesellschaft als solche in Liquidation gerate und das Grundstück verwertet worden sei (also lediglich eine subsidiäre Haftung bestehe). Nach den Darlehensverträgen, für die die Kläger persönlich hafteten, war dies jedoch nicht der Fall.

Im vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob sich die finanzierende Bank den Anlegern gegenüber schadenersatzpflichtig gemacht hat. Vertragliche Aufklärungspflichten der Bank wurden verneint. Der Finanzierungsvertrag zum Zwecke der Objektfinanzierung war zwischen einer externen Geschäftsführerin des Fonds geschlossen worden. Diese war nicht aufklärungsbedürftig. Die Anleger hatten aber auch vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die finanzierende Bank die subsidiäre Haftungsregelung erkannte, darauf hingewiesen habe, sie könne sie nicht akzeptieren und gleichwohl von einer Änderung bzw. Klarstellung abgesehen worden ist. Würden diese Umstände zutreffen, hätte die Bank an der Täuschung des Gründungsgesellschafters mitgewirkt. Dann hätte sie sich aber auch planmäßig und bewusst an der Täuschung der Anleger beteiligt und schadenersatzpflichtig gemacht. Sie durfte zwar darauf bestehen, dass die Gesellschafter unmittelbar persönlich hafteten. Sie durfte sich aber nicht an einer Täuschung der Anleger über den Umfang ihrer Haftung beteiligen. Die Sittenwidrigkeit einer Falschangabe, die erkennbar für die Entschließung der Anleger von Bedeutung ist, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie in Verfolgung eigener Interessen in dem Bewusstsein einer möglichen Schädigung der Anleger abgegeben wird. Weil noch weitere Feststellungen zu treffen waren, hob der BGH das die Klage gegen die Bank abweisende Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück. 45


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6. Zur Frage des Verjährungsbeginns von Schadenersatzansprüchen wegen Aufklärungsverschulden (hier: Pflichtverletzung durch finanzierende Bank bei geforderter Teilnahme an einem Mietpool) (BGH, Urt. v. 03.06.2008, XI ZR 319/06) Ein Anleger wurde von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung zu erwerben. Die Immobilie wurde im Jahr 1998 von einer Vertriebsgesellschaft angeboten, die in großem Umfang ähnliche Objekte anbot. Sie wurden von einer Bank finanziert, die in großem Umfang Anlageobjekte finanzierte, die von dieser Vertriebsgesellschaft vermittelt wurden. Der Anleger trat der für die zu erwerbende Wohnung bestehenden Mietpoolgemeinschaft (Mieteinnahmegemeinschaft) bei. Dies war eine Bedingung der finanzierenden Bank sowohl für die Auszahlung des (tilgungsfreien) Vorausdarlehens als auch für die Bauspardarlehen. Im Januar 2003 forderte der Anleger u.a. von der beklagten Bank Freistellung aus den geschlossenen Verträgen und widerrief im Dezember 2004 seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung unter Hinweis auf das Haustürwiderrufsgesetz. Die Klage reichte er im Februar 2005 ein. Der BGH weist auf seine ständige Rechtsprechung hin, nach der ein Schadenersatzanspruch der finanzierenden Bank wegen eines Aufklärungsverschuldens nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträgerund Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Die Bank darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Ausnahmen bilden bestimmte Fallgruppen.

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Eine dieser Fallgruppen ist es, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht; eine andere, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt; eine dritte, wenn sie sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen sowohl an den Bauträger als auch an einzelne Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder - Fallgruppe 4 - wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann. Im Verfahren vor dem BGH ging es um die Frage, ob ein Schadenersatzanspruch des Anlegers wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs gegeben sein könnte und ob - sollte diese Fallgruppe vorliegen - der Anspruch verjährt war oder nicht. Nach der jüngeren Rechtsprechung können sich die Anleger in Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgewährenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objektes unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank berufen. Die Kenntnis der Bank von einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospektes über das Anlageobjekt wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken. Wird die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten und ist die


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Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler nach den Umständen des Falls objektiv evident, drängt sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf, dass sich die Bank der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen hat. Es liegt dann an der Bank, diese Vermutung zu entkräften.

leger noch keine tatsächlichen Umstände bekannt, die gerade die finanzierende Bank als mögliche Ersatzpflichtige in Frage kommen ließen. Hierzu bedurfte es weiterer Feststellungen. Deshalb hob der BGH die zu Lasten des Anlegers ergangene Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurück.

Die finanzierende Bank harre zahlreiche Objekte finanziert, die derselbe Vertrieb vermittelt hatte, und wirkte somit im konkreten Fall im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung auf institutionalisierte Art und Weise mit dem Vertrieb zusammen. Es fehlte jedoch an Feststellungen dazu, ob der Vermittler den Anleger durch evident unrichtige Angaben über die erzielbare Miete arglistig getäuscht hat. Das Berufungsgericht war dieser Frage nicht weiter nachgegangen, weil es einen denkbaren Schadenersatzanspruch des Anlegers jedenfalls für verjährt erachtet hat. Auch insoweit verweist der BGH auf seine jüngere Rechtsprechung. Nach dieser kommt es für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist nicht nur auf den Stichtag an, sondern darauf, ob ein Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder diese infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat. Die Tatsache, dass versprochene und erzielte Miete auseinander fallen, reichte für eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht aus. Mit der bloßen Kenntnis davon, dass die ihm zugesagte Miete letztlich nicht erzielt wurde, waren dem An-

7. Zum Umfang des Schadenersatzes und insbesondere des Ersatzes von Finanzierungskosten bei Rückabwicklung eines Wohnungskaufs (BGH, Urt. v. 12.03.2009, VII ZR 26/06) In dieser Entscheidung ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erwerber einer mangelhaften Eigentumswohnung die Rückabwicklung des Erwerbsvertrages fordern kann und welche Positionen der in diesem Fall zu fordernde Schadenersatz wegen Nichterfüllung umfasst. Eine neu errichtete Eigentumswohnung wurde von den Erwerbern abgenommen und anschließend vermietet. Wegen Feuchtigkeitsschäden in den Außenwänden und nach mehreren erfolglosen Nachbesserungsversuchen, zuletzt mit Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung, wurde schließlich im Wege des großen Schadenersatzes u.a. die Rückzahlung der geleisteten Zahlungen Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnung gefordert. In einem solchen Fall kann ein Ausgleich dafür verlangt werden, dass nach Rückgabe der Wohnung den Aufwendungen des Erwerbers kein entsprechender Gegenwert gegenübersteht. Wie setzen sich die Aufwendungen nun zusammen? Der BGH führte aus, dass es auf eine Differenzberechnung ankommt. Der Schaden ergibt sich aus einem rechnerischen Vergleich zwischen dem im Zeitpunkt der Schadensberechnung vorhandenen Vermögen des Geschädigten und dem Vermögen, welches er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages gehabt hätte. Bei der Schadensberechnung sind im Falle der Vermietung die vom Erwerber erzielten Mieteinnahmen abzuziehen. Auf der anderen Seite gehören zu den Aufwendungen, die der Erwerber einer Eigentumswohnung bei dieser Art der Schadensberechnung geltend machen kann, auch die Kosten für die Finanzierung des Erwerbs der Wohnung. Auch insoweit gilt die Rentabilitätsvermutung, die dahin geht, dass diese Aufwendungen durch den Vorteil der Gegenleistung wieder eingebracht werden. Die Erwerber hatten mithin Anspruch auf Ersatz auch ihrer Finanzierungskosten, mussten sich aber die erzielten Mieteinnahmen gegenrechnen lassen. 47


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IV.

Vermittler- und Maklerrecht

Wenn wir in der Einleitung dargelegt haben, dass das Recht einem ständigen Wandel unterworfen ist und inzwischen ganz erheblich von EU-Richtlinien beeinflusst ist, gilt dies in ganz besonderem Maße für das Recht der Absatzmittler. Auch über drei Jahre nach Inkrafttreten des Versicherungsvermittlergesetzes sind längst nicht alle Streitfragen verbindlich gelöst. Nicht abschließend geklärt ist beispielsweise nach wie vor die Frage, mit welchem Status sich ein Vermittler registrieren lassen muss, der als Handelsvertreter für einen Makler tätig ist und wie ein solcher Absatzmittler gegenüber dem Kunden aufzutreten hat (als Versicherungsvertreter oder als Versicherungsmakler?).

§

Der sog. freie Finanzdienstleister und Finanzdienstleistungsvertrieb kam im Zuge der weltweiten Banken- und Finanzkrise ebenfalls ins Gerede und leidet unter den Folgen derer, die es mit der Analyse von Kundenwünschen und der anlegergerechten Beratung nicht immer ganz so ernst genommen haben. Vor allem dem strukturiert arbeitenden Vertrieb haftet deshalb ein schlechteres Image an, weil auf den unteren Vertriebsstufen nicht selten nebenberuflich tätige Finanzdienstleister ohne ausreichende Qualifikation tätig waren. Um gut qualifizierte Finanzdienstleister wird aber nach wie vor mit teils harten Bandagen gekämpft. Dass ein grundsätzlich wechselwilliger Vermittler Wettbewerbsverbote beachten sollte, zeigt ein vor kurzem vom Landgericht Münster entschiedener Fall. 1. Vermittler aufgepasst: Vorsicht beim Empfang von Handgeldern (LG Münster, Urt. v. 16.09.2010, 024 O 94/09) Erfolgreiche Vermittler sind begehrt. Das weiß in der Regel das Unternehmen, für welches ein solcher Vermittler tätig ist. Das weiß aber auch die Konkurrenz, die solche Vermittler gerne für sich gewinnen möchte. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang mit sog. „Handgeldern“, „Wechselprämien“ oder ähnlichen Vergünstigungen geworben. Für einen wechselwilligen Vermittler kann ein solches „Lockgeld“ aber sehr schnell zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen, wie der vom Landgericht Münster entschiedene Fall zeigt. Ein Finanzdienstleister war im Status eines Handelsvertreters als Führungskraft für ein Allfinanz-Dienstleistungsunternehmen tätig. Er stand einem Team von weiteren 11 Handelsvertretern vor, von deren Vermittlungserfolgen auch er selbst profitierte.

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Dieser Finanzdienstleister und sein gesamtes Team wechselten zu einem Konkurrenzunternehmen. Ob der Finanzdienstleister „sein Team“ abwarb, war strittig. Unstreitig erhielt der Handelsvertreter in einem Zeitraum, in welchem der Handelsvertretervertrag für das Alt-Unternehmen noch nicht beendet war, schon Zahlungen der Konkurrenz in Höhe von unstreitig 39.700,00 €. Der Handelsvertreter berief sich darauf, dies seien Vorschüsse, die mit späteren Vergütungen zu verrechnen waren. Er habe diese gebraucht, weil sein Alt-Unternehmen ihn vom Geldhahn abgedreht habe, nachdem er nach ausgesprochener Kündigung des Handelsvertretervertrages von seinen Aufgaben freigestellt worden war. Das Allfinanz-Dienstleistungsunternehmen warf seinem Handelsvertreter allerdings vor, die Zahlungen als „Kopfgelder“ bekommen zu haben. Es war ferner unstreitig, dass der Handelsvertreter vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses an einer mehrtägigen Veranstaltung des Konkurrenzunternehmens teilgenommen hat. Neben anderen Ansprüchen machte das AllfinanzUnternehmen den Anspruch auf Herausgabe der 39.700,00 € geltend. Zu Recht, wie das Landgericht Münster entschied. Gemäß §§ 675, 667 BGB hat ein Handelsvertreter dem Unternehmer alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Erlangt ist dabei jeder Vorteil, den er im inneren Zusammenhang mit der Führung des Geschäfts und nicht nur bei dieser Gelegenheit erhält. Dazu gehören auch Pro-


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visionen, Sondervergütungen, Schmiergelder und ähnliche Zuwendungen, die der Handelsvertreter ohne vorherige Billigung des Unternehmers von einem Dritten erhält, unabhängig davon, ob dem Unternehmer dadurch ein Schaden entsteht. Im konkreten Fall stellte allein der Umstand der Zahlung ein starkes Indiz für eine Konkurrenztätigkeit dar. Es hätte deshalb dem Handelsvertreter oblegen, detailliert die Hintergründe der Zahlungen offenzulegen und zu belegen. Dieser sog. sekundären Darlegungslast war der Handelsvertreter nicht nachgekommen. Seine Behauptung, die Zahlungen seien im Hinblick auf zukünftige Tätigkeiten geleistet worden, reichte nicht aus. Des Weiteren wurde er auch noch verurteilt, Auskunft über mögliche weitere Zahlungen des Konkurrenzunternehmens zu erteilen.   2. Zum Verstoß eines Versicherungsvertreters gegen ein Wettbewerbsverbot und zur Schätzung des Mindestschadens (BGH, Urt. v. 24.06.2009, VIII ZR 332/07) In diesem vom BGH entschiedenen Fall ging es u.a. um die Frage, ob einem Versicherungsmakler gegenüber einem für ihn tätigen Versicherungsvertreter wegen Verstoßes gegen ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot ein Schadenersatzanspruch zusteht und wie dann ggf. dieser Schadenersatzanspruch zu ermitteln ist. Der BGH stellt klar, dass der Verstoß gegen ein wirksames Wettbewerbsverbot einen Anspruch auf Schadenersatz wegen positiver Vertragsverletzung begründet. Der Schaden besteht im entgangenen Gewinn, der mithin zu ersetzen ist. Auch wenn es grundsätzlich Sache eines Anspruchstellers ist, diejenigen Umstände vorzutragen und ggf. zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen, muss ein Richter nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob er nicht wenigstens einen Mindestschaden schätzen kann (§ 287 ZPO). Eine Schätzung darf erst dann gänzlich unterlassen werden, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre.

der BGH nicht gelten, selbst wenn zu ersparten Betriebsaufwendungen nichts oder zu wenig vorgetragen worden sei. Ein ersparter Verwaltungsaufwand hätte notfalls mit Hilfe sachverständiger Begutachtung gewinnmindernd veranschlagt werden können. Ein zusätzlich erforderlicher Verwaltungsaufwand für die Erstellung von Provisionsabrechnungen sei - was auf der Hand liege - keinesfalls so hoch, dass der dargelegte Provisionsschaden vollständig aufgezehrt worden wäre.   3. Zur Abgrenzung zwischen Handelsvertreterund Arbeitnehmerstatus eines Versicherungsvermittlers (BAG, Urt. v. 09.06.2010, 5 AZR 332/09) Eine Versicherungsgesellschaft und ein laut Vertrag für diese als Versicherungsvertreter tätiger Vermittler stritten sich über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen. Der Vermittler forderte widerklagend die Zahlung einer üblichen Vergütung. Im Vermittlervertrag war die Tätigkeit des Vermittlers als diejenige eines selbstständigen Gewerbetreibenden gem. §§ 84 ff. HGB beschrieben. Der Vermittler hatte sich vertraglich allerdings auch verpflichtet, an einem Ausbildungsprogramm zum Versicherungsfachmann teilzunehmen und pro Woche 15 bis 20 Kunden zu besuchen. Von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss sollte unverzüglich Mitteilung gemacht werden. Trotz der Berichts- und der weiteren genannten Pflichten würdigt das Bundesarbeitsgericht das Vertragsverhältnis als dasjenige eines selbstständig tätigen Handelsvertreters. Es seien alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden

Der Versicherungsmakler hatte nachgewiesen, in welcher Höhe ihm Provisionen entgangen sind und in welcher Höhe er Provisionen an den schadenersatzpflichtigen Versicherungsvertreter zu zahlen gehabt hätte. So errechnete sich ein Betrag, der als entgangener Gewinn geltend gemacht wurde. Das Berufungsgericht hatte dieses Vorbringen als unzureichend beanstandet und den geltend gemachten Schadenersatzanspruch deshalb verneint. Dies ließ 49


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Anknüpfungspunkte müssen sich den gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend. Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragstypenwahl der Parteien gänzlich bedeutungslos wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die im Vertrag vorgesehene Rückzahlungspflicht erhaltener Vorschüsse war auch nicht unangemessen. Die Klage des Versicherers auf Rückzahlung unverdienter Provisionsvorschüsse war deshalb begründet und die Widerklage abzuweisen.

Die Bestimmung ist konkrete Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Die Aufzählung der Unterlagen im Gesetz ist nur beispielhaft, nicht abschließend. Der Begriff der Unterlagen ist weit zu fassen. Welche Unterlagen erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Branchenüblichkeit, den Gegenstand der Absatzmittlung und dem Tätigkeitsbild des Handelsvertreters. Der Handelsvertreter soll durch die zur Verfügung gestellten Unterlagen in die Lage versetzt werden, die Gegenstände, deren Absatz er zu fördern hat, bei den Kunden anzupreisen. Ausschlaggebend ist, was objektiv aus der Sicht eines normalen Handelsvertreters der jeweiligen Branche für die sachgerechte und erfolgreiche Erledigung der übertragenen Aufgabe, das Produkt mit Erfolg abzusetzen, benötigt wird. Erforderlich kann darüber hinaus sein, was der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig hält. Im Einzelnen gehören dazu neben Musterstücken auch spezielle, die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Computersoftware sowie umfassendes Werbematerial.

4. Zur Frage, welche Unterlagen einem Handelsvertreter unentgeltlich zu überlassen sind (OLG Köln, Urt. v. 11.09.2009, 19 U 64/09) Das OLG Köln hatte sich erneut mit der Frage der Wirksamkeit bestimmter Klauseln in einem Handelsvertretervertrag zu befassen, durch den einem Handelsvertreter die Pflicht zur Tragung der Kosten verschiedener Unterlagen auferlegt worden sind, u.a. einer Kundenzeitschrift und Kosten für die Wartung der EDV. Das OLG Köln nimmt den Rechtsstreit zum Anlass, nochmals Grundsätzliches zur Vorschrift des § 86a Abs. 1 HGB auszuführen. Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer dem Handelsvertreter „die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen“. 50

Produktunspezifische, allgemeine Hilfsmittel, die auch ein Handelsvertreter benötigt, der andere Produkte vertreibt, muss der Handelsvertreter dagegen selbst anschaffen. Dazu gehören beispielsweise Büromaterialien und sonstige Hilfsmittel wie betriebsinterne Geschäftsunterlagen, Kraftfahrzeuge, Autotelefone, gängige Personalcomputer sowie gängige Hard- und Software. Diese Grundsätze berücksichtigend verneint das OLG Köln die Wirksamkeit der Klausel, die den Handelsvertreter mit Kosten für eine vom Unternehmen herausgegebene Kundenzeitschrift belastete. Bei der Kundenzeitschrift handele es sich um Werbung im redaktionellen Gewand. Die Artikel seien auf Werbung und Absatz ausgerichtet und geben der Zeitschrift ihr prägendes Bild. Die Zeitschrift ist somit als klassisches Verkaufsinstrument einzustufen, welches den Handelsvertreter bei der Anpreisung der Ware gegenüber seinen Kunden unterstützt und den Vertrieb erleichtert. Anders sei dagegen die Klausel zu EDV-Sachkostenpauschale zu beurteilen. Diese Leistungen sind


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nicht den Unterlagen zuzurechnen, die einem Handelsvertreter unentgeltlich zu überlassen sind. Die Kosten der Vorhaltung allgemeiner Hard- und Software hat der Handelsvertreter im Rahmen der allgemeinen Geschäftsausstattung wie jeder andere Gewerbetreibender selbst zu tragen. Die EDV-Sachkostenpauschale diente zur Deckung der Kosten der EDV-Assistenten und der Wartung eigener Netzwerke. Abschließend nahm das Gericht noch zu Verjährungsfragen Stellung. Die regelmäßige Verjährung beträgt auch für Bereicherungsansprüche drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat. Die Kenntnis von den eine Rückforderung begründenden Umständen und der Person des Schuldners ist jeweils zu den Zeitpunkten gegeben, in dem ein Handelsvertreter von den Belastungen seines Provisionskontos Kenntnis nimmt. Auf die rechtliche Würdigung der bekannten tatsächlichen Umstände kommt es nicht an.

5. Anforderungen an die Nachweistätigkeit eines Maklers zur Begründung seines Provisionsanspruchs (BGH, Urt. v. 04.06.2009, III ZR 82/08) Die mit Immobiliengeschäften befassten Parteien stritten um das Gerechtfertigtsein eines Maklerprovisionsanspruchs. Der Makler sollte als Alleinbeauftragter vier Eigentumswohnungen mit PKW-Stellplätzen vermitteln oder einen Käufer nachweisen. Hierfür war eine Verkäuferprovision in Höhe von 3,48% des Kaufpreises vereinbart. Der Alleinauftrag wurde gekündigt. Danach kam es zu weiteren Gesprächen zwischen Makler und Verkäufer. Deren Inhalt ist streitig. Der Makler behauptet, er habe

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die Wohnungen weiterhin anbieten dürfen und er sollte im Erfolgsfall auch die vereinbarte Provision erhalten. Zweieinhalb Monate nach Beendigung des Alleinauftrages schloss der Verkäufer mit einem Käufer einen notariellen Kaufvertrag über eine Wohnung. Der Makler führte aus, dass sich der Käufer aufgrund eines von ihm geschalteten Zeitungsinserates gemeldet habe, er mit dem Käufer verschiedene Telefonate geführt habe und den Verkäufer mehrfach hierüber unterrichtet habe. Der BGH verneinte eine Vermittlungstätigkeit, hielt aber eine Nachweistätigkeit für möglich. Im Hinblick auf die Frage, ob ein Makler eine provisionsauslösende Tätigkeit erbracht hat, stellte er folgendes fest: „Eine Vermittlungsleistung des Maklers liegt nur dann vor, wenn er auf den potenziellen Vertragspartner mit dem Ziel des Vertragsabschlusses einwirkt. Vermittlungstätigkeit ist dabei die bewusste finale Herbeiführung der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners des zukünftigen Hauptvertrags. Der Vermittlungsmakler soll seine Provision durch Verhandeln mit beiden Seiten und durch Einwirken auf den potenziellen Vertragsgegner des Auftraggebers, das die Abschlussbereitschaft herbeiführt, verdienen. Die Übersendung eines Exposés dient grundsätzlich nur der Information im Vorfeld von Verhandlungen und hat noch keinen unmittelbaren Einfluss auf die Willensentscheidung eines potenziellen Käufers.

Ein „Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages“ ist hingegen erbracht, wenn aufgrund einer Mitteilung des Maklers an seinen Kunden und Auftraggeber dieser in die Lage versetzt wird, in konkrete Verhandlungen mit einem potenziellen Vertragspartner über den von ihm angestrebten Hauptvertrag einzutreten. Unverzichtbare, aber auch ausreichende Voraussetzung für einen Nachweis ist deshalb, dass der Makler dem Kunden einen Interessenten benennt und damit auf eine konkrete Vertragsgelegenheit hinweist. Dabei reicht es bei dieser Konstellation grundsätzlich aus, wenn der mögliche Käufer generell am Erwerb einer Immobilie interessiert ist, die dem angebotenen Objekt ähnlich ist. Für einen Nachweis ist es gerade nicht erforderlich, dass dem Auftraggeber des Maklers eine Person benannt wird, die bereits zum Kauf der jeweiligen Immobilie fest entschlossen ist. Eine andere Beurteilung hätte zur Folge, dass ein vom Verkäufer beauftragter Makler kaum in der Lage wäre, einen tauglichen Nachweis zu liefern. Denn im Unterschied zur umgekehrten Konstellation - Nachweis einer verkaufsbereiten Person gegenüber einem Kaufinteressenten - ist 51


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der Kaufinteressent, der einem Grundstücks- oder Wohnungseigentümer namhaft gemacht wird, typischerweise noch „auf der Suche“ und deshalb im Hinblick auf ein konkretes Objekt regelmäßig noch unentschlossen.“   6. Schutz von Kundendaten und Geheimnisverrat (BGH, Urt. v. 26.02.2009, I ZR 28/06) In dieser Entscheidung ging es um Abgrenzungsfragen zum UWG-Tatbestand des Geheimnisverrates und zur Frage, wer vom Verwertungsverbot gem. § 90 HGB betroffen ist. Ein selbstständiger Versicherungsmakler hatte über die Agentur seines Vaters (einem Generalagenten) Versicherungsverträge eingereicht. Nach Auflösung des Generalagenturverhältnisses hatte der Versicherungsmakler von ihm in der Vergangenheit betreute Kunden der Agentur angeschrieben und das Ziel verfolgt, den von ihm vormals betreuten Kunden neue Versicherungsverträge zu vermitteln. Die Versicherung sah darin einen Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und ein Verwertungsverbot gem. § 90 HGB. Täter eines Geheimnisverrats nach § 17 Abs. 1 UWG kann nur eine Person sein, die bei dem Unternehmen beschäftigt ist, dem das Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis zusteht. Auch wenn der Begriff des bei einem Unternehmen Beschäftigten weit auszulegen ist, fallen selbstständige Gewerbetreibende nicht darunter. Auch der Untervertreter eines Handelsvertreters übt eine selbstständige Tätigkeit aus. Sodann stellte sich die Frage, ob die Nutzung von Kundendaten im Zusammenhang mit einem unbefugten Verschaffen steht. Hierzu stellt der BGH fest, dass ein ausgeschiedener Mitarbeiter die während der Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse auch später unbeschränkt verwenden darf, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt. Dies gilt allerdings nur für Informationen, die der ausgeschiedene Mitarbeiter in seinem Gedächtnis bewahrt oder auf die er aufgrund anderer Quellen zugreifen kann, zu denen er befugtermaßen Zugang hat. Führt ein Mitarbeiter private Aufzeichnungen und 52

entnimmt er ihnen nach seinem Ausscheiden ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Arbeitgebers, verschafft er sich damit dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Einem solchen Verwertungsverbot im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterliegen nicht nur angestellte Handelsvertreter, sondern auch selbstständige Handelsvertreter. Ein Handelsvertreter ist verpflichtet, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses alle Kundenanschriften an den Unternehmer herauszugeben. Die Herausgabepflicht bezieht sich auf alles, was der Handelsvertreter aus der Tätigkeit für den Unternehmer erlangt. Sie umfasst auch die Daten solcher Kunden, die der Handelsvertreter selbst geworben hat. Anders ist die Rechtslage, wenn kein Handelsvertreter tätig geworden ist, sondern ein Versicherungsmakler. Kunden, die ein Versicherungsmakler über die Agentur eines Dritten (im konkreten Fall war dies der Vater) vermittelt hat, sind auch Kunden des Versicherungsmaklers. Dieser wird im Auftrag des Kunden tätig (§ 59 Abs. 3 VVG 2008). Eine Pflicht des Versicherungsmaklers zur Herausgabe solcher Kundendaten besteht nicht. Insoweit wäre ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 UWG zu verneinen. Da im konkreten Fall entsprechende Feststellungen noch nicht getroffen waren, wurde das die Klage abweisende Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.   7. Unwirksame Provisionsklausel in einem Handelsvertretervertrag (BGH, Urt. v. 21.10.2009, VIII ZR 286/07) In diesem vom BGH entschiedenen Rechtsfall ging es um die Klage eines Unterhandelsvertreters, der Provisionen forderte, die die Zeit nach Beendigung des Handelsvertretervertrages betrafen. Beklagte war eine Handelsvertreterin, die für zwei Telekommunikationsunternehmen tätig war. Im Handelsvertretervertrag mit dem Untervertreter war formularvertraglich vereinbart, dass ein Anspruch auf Provision mit der Beendigung des (Unter-)Vertragsverhältnisses endet. Diese formularmäßige Provisionsausschlussklausel hielt einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter - und


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wegen § 84 Abs. 3 HGB auch dessen Untervertreter - Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten geschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Der Provisionsanspruch entsteht dabei aufschiebend bedingt bereits mit dem Abschluss des vermittelten Vertrages zwischen dem Unternehmer und dem Kunden. In diesem Zeitpunkt ist die Provisionsforderung nach Grund und Berechnungsfuß festgelegt (vorbehaltlich des § 87b Abs. 2 Satz1 HGB). Eine anschließende Beendigung des Vertretervertrages beeinträchtigt diese Forderung nicht mehr. Die Vorschrift des § 87b Abs. 3 HGB trifft keine Bestimmung für die Dauer einer Provisionszahlungspflicht, sondern legt nur - in Ergänzung zu den in Abs. 1 und 2 aufgeführten Berechnungsfaktoren - die Berechnungsweise für Provisionen bei Gebrauchsüberlassungs- und Nutzungsverträgen fest. Aus § 87b Abs. 3 Satz 2 HGB lässt sich keine zeitliche Begrenzung des Provisionsanspruchs eines ausgeschiedenen Unterhandelsvertreters ableiten, der ein entsprechendes Dauerschuldverhältnis vermittelt hat. Die Revision hatte die Wirksamkeit der Vertragsklausel auch noch darauf gestützt, dass „vergleichbare“ Provisionsausschlussklauseln gegenüber Versicherungsvertretern seit Jahrzehnten unbeanstandet Verwendung fänden. Der BGH wies darauf hin, dass er sich mit tatsächlich vergleichbaren Klauseln in Versicherungsvermittlerverträgen noch nicht befassen musste. In Verträgen, über deren Wirksamkeit zu befinden war, erfasste der Provisionsausschluss nicht sämtliche Ansprüche zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses. Ausdrücklich ausgenommen waren „noch fällig werdende Abschlussprovisionen aus eingereichten, aber noch nicht dokumentierten Anträgen“. Für eine geltungserhaltende Reduktion war ebenfalls kein Raum, so dass die in Form einer Stufenklage geltend gemachten Ansprüche des Unterhandelsvertreters zugesprochen wurden.

entschied, dass diese Formularklausel unwirksam ist. Die Klausel widerspreche im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dem Grundgedanken der gesetzlichen Provisionsregelung der §§ 87 Abs. 1, 87a HGB. In diesen Bestimmungen ist gesetzlich geregelt, wann die Provisionsanwartschaft des § 87 HGB zu einem endgültigen und nicht mehr aufschiebend bedingten Provisionsanspruch erstarkt. Hierfür ist maßgeblich, ob das vermittelte Geschäft abgeschlossen und ausgeführt wird. Das Entstehen und ein etwaiges Erlöschen des Provisionsanspruchs knüpfen mithin stets an Umstände des Hauptgeschäfts an. Indem die Vertragsbestimmung im Untervermittlervertrag den Provisionsanspruch des Untervermittlers nicht nur vom Bestehen eines Provisionsanspruchs des Hauptvermittlers abhängig macht, sondern daran knüpft, dass dieser auch tatsächlich eine Zahlung erhält, stellt die Klausel die Ansprüche des Untervermittlers letztlich in das Belieben des Hauptvermittlers. Dies ist unbillig.   9. Erteilung des Buchauszugs ist Holschuld des Handelsvertreters (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.03.2008, I-16 W 77/07) Ein Handelsvertreter verlangte nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses wegen der anfallenden Abrechnung von seinem Auftraggeber die Erteilung eines Buchauszugs. Hierauf hat er gem. § 87c Abs. 2 HGB einen Anspruch. Der Handelsvertreter ging davon aus, dass die Übersendung der Unterlagen per Post erfolgen würde. Schließlich hatte er auch seine Provisionsabrechnungen in der Vergangenheit stets per Post erhalten. Hierzu ist das Unternehmen - so das OLG Düsseldorf - jedoch nicht verpflichtet. Anders als bei Provisionsabrechnungen, bei denen es sich um eine Schickschuld des Unternehmers handelt, ist die Erteilung des Buchauszugs rechtlich eine Holschuld des Handelsvertreters. Er muss sich also den gewünschten Buchauszug nunmehr selbst abholen.

8. Zur Frage der Nichtigkeit einer Provisionsvereinbarung im Untervermittlervertrag (OLG München, Urt. v. 17.12.2008, 7 U 4025/08) Das OLG München hatte zweitinstanzlich über folgenden Fall zu befinden: Ein Handelsvertreter setzte zur Erfüllung seiner Vermittlungstätigkeit auch Untervermittler sein. Im Untervermittlervertrag war geregelt, dass ein Anspruch auf Provision des Untervermittlers erst dann entsteht, wenn beim (Haupt-)Vermittler für das vom Untervermittler vermittelte Geschäft die Provision tatsächlich eingegangen ist. Das OLG München 53


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10. Zur Frage des Umfangs der von einem Versicherungsmakler im Jahr 2002 geschuldeten Beratung beim Wechsel des Privatkrankenversicherers (BGH, Beschl. v. 27.05.2009, III ZR 231/08) Der Versicherungsmakler, der sich einem privat krankenversicherten Kunden gegenüber verpflichtet hatte, die Zweckmäßigkeit seines Versicherungsschutzes und die Prämiengestaltung zu überprüfen, war im Jahr 2002 noch nicht gehalten, bei seiner Prüfung eine etwaige künftige Rechtsänderung zu berücksichtigen, durch die Altersrückstellungen beim Wechsel des Krankenversicherungsunternehmens übertragbar wurden. Im Rahmen auch einer umfassenden Betreuungsund Beratungspflicht muss ein Versicherungsmakler nur diejenigen Gesichtspunkte in die Abwägung einbeziehen, die zum Zeitpunkt der Beratung bekannt waren oder mit denen zumindest gerechnet werden konnte. Auf nicht vorhersehbare Änderungen der Rechtslage kann eine Beratung schon rein faktisch keine Rücksicht nehmen. Im Jahr 2002 entsprach es ganz überwiegender Auffassung, dass die Übertragbarkeit der Altersrückstellung sowohl rechtlich als auch praktisch ausgeschlossen sei. 11. Aufklärungspflicht eines (gebundenen) Versicherungsvermittlers und ihre Grenzen (OLG Celle, Urt. v. 07.02.2008, 8 U 189/07) Beim vom OLG Celle in zweiter Instanz entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Frage, ob ein Agent, der nur für ein Versicherungsunternehmen tätig ist (gebundener Vermittler) die Aufgabe hat, den Kunden umfassend darüber zu beraten, welche Folgen der Wechsel von der gesetzlichen in eine private Krankenversicherung mit sich bringt. Das Gericht verneint einen Schadenersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung. Neben anderen Argumenten wurde insbesondere eine schuldhafte Verletzung einer Beratungspflicht verneint. Die Aufklärungs- und Belehrungspflicht des Agenten bzw. des hinter ihm stehenden Versicherers besteht nicht darin, von sich aus über alle Einzelheiten des Deckungsumfangs oder der Bedingungen des 54

Vertrages aufzuklären. Der Agent (heutige Terminologie: Versicherungsvertreter) kann sich auf die Erläuterung derjenigen Punkte beschränken, die für den Abschluss des Vertrages üblicherweise von wesentlicher Bedeutung sind. Eine weitergehende Auskunfts- und Beratungspflicht trifft ihn nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzukommen. Hierbei kommt es auf das - erkennbare - Auskunfts- und Beratungsbedürfnis desjenigen an, der ein bestimmtes (Versicherungs-)Produkt nachfragt. Derartige besondere Umstände können vorliegen, wenn der Interessent durch Fragen oder auf sonstige Weise seinen Wunsch nach weitergehender Beratung konkret zum Ausdruck bringt oder wenn er sich für den Agenten erkennbar falsche Vorstellungen über Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes macht oder wenn der Agent wegen der Komplexität der Materie mit Missverständnissen rechnen muss und der Versicherer gerade zur Klärung einer schwierigen Frage dem Interessenten einen sachkundigen Mitarbeiter zur Verfügung stellt. Auch wenn der Agent von sich aus weitere Beratung angeboten hat, müssen die vom Agenten tatsächlich erteilten Auskünfte oder Ratschläge inhaltlich richtig sein (hier kann man auch noch ergänzen, dass derjenige, der den Eindruck einer umfassenden Beratung vermittelt, auch vollständig informieren und beraten muss).

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Wer als Mitarbeiter einer privaten Krankenversicherung über privaten Krankenversicherungsschutz informiert, hinterlässt nicht den Eindruck, dass er einen Interessenten umfassend über sämtliche Vorund Nachteile der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung im Vergleich informiert. Ein solcher Vermittler ist nicht unabhängiger Finanzberater oder Versicherungsmakler. Er ist insoweit auch nicht verpflichtet, den Versicherungsnehmer bei Neuabschluss eines Krankenversicherungsvertrages über die Höhe seiner finanziellen Belastung zu beraten, wenn sich die Höhe der Beiträge unschwer aus den vorliegenden Unterlagen entnehmen lässt. Da auch keine der Fallgruppen (Ausnahmetatbestände) vorlag, die eine weitergehende Aufklärungspflicht begründen würde, wurde die Klage abgewiesen.


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12. Zur Frage der Wirksamkeit eines selbstständigen Provisionsversprechens des Käufers bei Verflechtung zwischen Makler und Verkäufer (BGH, Urt. v. 20.11.2008, III ZR 60/08) Die in einem zwischen Unternehmern geschlossenen Grundstückskaufvertrag enthaltene Klausel, in der sich der Käufer verpflichtet, die seitens des Verkäufers einem Dritten aufgrund eines selbstständigen Provisionsversprechens geschuldete Vergütung zu zahlen, ist wirksam, auch wenn Verkäufer und Makler gesellschaftsrechtlich verflochten sind, wenn die Verflechtung dem Käufer bekannt ist. Der Käufer hatte eingewandt, durch die im Grundstückskaufvertrag enthaltene Klausel werde er unangemessen benachteiligt. Es werde von dem wesentlichen Grundgedanken eines Maklervertrages abgewichen. Der BGH wies auf seine Rechtsprechung hin, dass eine erfolgsunabhängige Provision, die in AGB’s vereinbart wird, grundsätzlich unwirksam ist. Darum gehe es jedoch nicht. Zur Beurteilung stehe nicht eine Klausel in einem abgeschlossenen Maklervertrag, sondern um eine solche im zwischen Käufer und Verkäufer abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag. In den Fällen der (grundsätzlich) provisionshindernden Verflechtung zwischen Makler und Verkäufer kann gleichwohl eine Provision vereinbart werden und zwar auch innerhalb des vermittelten Hauptvertrages als Vertrag zugunsten Dritter. Dies kommt in Betracht, wenn dem Versprechenden (hier also dem Käufer) die tatsächlichen Umstände bekannt sind, die einer echten Maklerleistung entgegenstehen. Im konkreten Fall sprachen die Umstände dafür, dass es sich um einen verschleierten Teil des Kaufpreises handelte, der an den Makler zu zahlen war. Der Käufer verpflichtete sich nicht zur Zahlung einer Provision für ihm gegenüber geleistete Maklerdienste, sondern übernahm die Erfüllung des dem Makler gegenüber dem Verkäufer zustehenden Provisionsanspruchs.   13. Zur Frage der Wirksamkeit einer in AGB’s vereinbarten sog. Reservierungsgebühr (BGH, Urt. v. 23.09.2010, III ZR 21/10)

der Kaufvertrag nicht zustande kommt, unwirksam ist. Auch wenn im konkreten Fall der Verwender dieser Klausel mit dem Verkäufer verflochten war, dürfte der Grundsatz auch genauso gelten, wenn es sich bei Verkäufer und Makler um wirtschaftlich vollkommen voneinander unabhängige Unternehmen handelt. Der BGH sah in der Klausel eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung ist dann anzunehmen, wenn der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Die Reservierungs-Entgeltvereinbarung stellt den Versuch des Vermittlers dar, sich für den Fall des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen gleichwohl eine erfolgsunabhängige Vergütung zu sichern. Dabei ist keineswegs gewährleistet, dass sich aus dieser entgeltpflichtigen Reservierungsvereinbarung für den Kunden nennenswerte Vorteile ergeben. Auch ist das Recht des Verkäufers unberührt, seine Verkaufsabsichten aufzugeben oder das Objekt ohne Einschaltung des Maklers an Dritte zu veräußern. Zum Schluss wies der BGH noch auf einen zusätzlichen Aspekt hin: Die einseitige Berücksichtigung der Interessen des Maklers werde noch dadurch verstärkt, dass nach dem Wortlaut der Klausel ein Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Reservierungsentgelts auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Kaufinteressenten das Nichtzustandekommen eines Vertragsschlusses nicht zu vertreten haben, sondern der Makler selbst oder die mit ihm in diesem Fall verflochtene Verkäuferin für das Scheitern des Kaufs verantwortlich sind.

Nicht selten lassen sich Immobilienvermittler von einem Kaufinteressenten eine „Gebühr für die Reservierung einer bestimmten Immobilie“ zusagen, für die sich ein Kunde interessiert oder begehren eine Entschädigung für einen „Auftrag zur Vorbereitung eines notariellen Kaufvertrages und der Finanzierungsbearbeitung“. Über einen solchen Fall hatte der BGH zu befinden und entschied, dass eine solche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, die den Erwerbsinteressenten zur Zahlung der Gebühr auch dann verpflichtet, wenn 55


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V. Rechtsprechung zum Versicherungsrecht Versicherungen bieten Schutz gegen den Unbill des Alltags und auch gegen Schicksalsschläge. Außerdem soll mit Lebens- und Rentenversicherungsprodukten gegen allzu starke Einschnitte im Alter vorgebeugt werden. Der umfassenden Beratung bei Eindeckung des Versicherungsschutzes kommt deshalb eine starke Bedeutung zu. Nicht immer läuft alles so glatt wie erhofft. Streitpunkte liefern gleichermaßen mögliche Anzeigepflichtverletzungen im Vorfeld des Abschlusses einer Versicherung, die Eindeckung des nicht passenden Versicherungsschutzes oder die Frage der Verständlichkeit von Versicherungsbedingungen. Aber auch die Frage, wer Berechtigter einer Versicherungsleistung ist, beschäftigt die Rechtsprechung immer wieder aufs Neue.

1. Rechtsfragen zu einer widerruflich getroffenen Bezugsrechtsbestimmung und anschließender Sicherungsabtretung bei einer Lebensversicherung (BGH, Urt. v. 27.10.2010, IV ZR 22/09) In diesem Rechtsstreit ging es um die Frage des Widerrufs eines Bezugsrechtes aus einer Lebensversicherung und die Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs auf die Todesfallleistung für einen Dritten, also als Fremdsicherheit. Der Lebensgefährte der Klägerin hatte bei der in Anspruch genommenen Versicherungsgesellschaft eine Lebensversicherung abgeschlossen. Er setzte seine Lebensgefährtin - widerruflich - als Bezugsberechtigte ein. Später hatte er die Rechte aus der Lebensversicherung zur Absicherung eines Kontokorrentkredits einer GmbH & Co. KG an die kreditgebende Sparkasse abgetreten. Soweit die Bezugsberechtigung der Lebensgefährtin den Rechten der Sparkasse entgegenstand, wurde deren Einsetzung widerrufen. 56

Nach dem Tod des Versicherungsnehmers führte die Sparkasse den Kontokorrentkredit zunächst über ein halbes Jahr fort. Dann kündigte sie diesen und zog die Versicherungsleistung von der Versicherungsgesellschaft ein. Sowohl im Zeitpunkt des Todes als auch bei Einziehung wies das besicherte Konto einen Soll-Stand auf, der die Todesfallleistung überstieg. Ein Anspruch der Lebensgefährtin auf Auszahlung der Todesfallleistung wurde verneint. Die Sicherungsabtretung war wirksam. Sie führte zwar nicht zum vollständigen Widerruf der zuvor widerruflich getroffenen Bezugsrechtsbestimmung, sondern lediglich zu einem Rücktritt der Bezugsrechtsbestimmung im Rang hinter die Sicherungsabtretung. Da aber der Kontokorrentkredit sowohl im Zeitpunkt des Todes als auch zum Zeitpunkt der Kündigung höher lag als die Todesfallleistung aus der Versicherung, blieb für die Lebensgefährtin nichts mehr übrig. Der BGH stellte weiterhin fest, dass es auch ansonsten keine Rolle spielen würde, dass das Kreditverhältnis zunächst fortgesetzt wird. Hierauf kam es im konkreten Fall zwar nicht an, denn der SollStand war sowohl zum Zeitpunkt des Todes als auch zum Zeitpunkt der Kündigung höher. Die Interessen der Beteiligten bei Absicherung der Verbindlichkeit eines Dritten gehen regelmäßig dahin, dass sich der Zweck der Sicherungsabtretung nicht mit dem Tod des Versicherungsnehmers erledigt haben soll. Deshalb kann der Gläubiger der Drittschuld die Todesfallleistung grundsätzlich auch nach dem Tod zunächst als Sicherheit behalten. 2. Arglistige Täuschung des Versicherers bei Einschaltung eines Maklers durch den Versicherungsnehmer (BGH, Beschl. v. 12.03.2008, IV ZR 330/06 und OLG Köln, Hinweis v. 25.04.2007, 5 U 242/06) In beiden vorgenannten Verfahren ging es u.a. um die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Versicherer Kenntnis des Versicherungsvermittlers zurechnen lassen muss. Wenn ein Vermittler dem Versicherer als rechtsgeschäftliche Vertreter des Versicherungsinteressenten gegenübertritt, also im La-


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ger des Versicherungsnehmers und nicht in dem des Versicherers steht, fehlt es in der Regel an der Vollmacht, die ein Vermittler zur Entgegennahme von Erklärungen für den Versicherer berechtigt. Auch eine arglistige Täuschung des Versicherers allein durch den Versicherungsmakler, der nicht Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, wäre einem Versicherungsnehmer zuzurechnen. Will der Versicherer den ihm nach § 123 BGB obliegenden Nachweis führen, der Versicherungsnehmer habe bei Anbahnung des Versicherungsvertrages arglistig falsche Angaben gemacht, so trifft, wenn objektiv falsche Angaben vorliegen, den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast. Wenn beispielsweise der Versicherungsmakler dem VN bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen behilflich ist, wird er in dessen Interesse tätig und übernimmt damit eine Aufgabe, die dem Versicherungsnehmer selbst oblegen hätte. Ein Fehlverhalten des Maklers bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen, welches eine arglistige Täuschung darstellt, wird dem Versicherungsnehmer zugerechnet.   3. Anforderungen an eine arglistige Täuschung bei Abschluss eines Versicherungsvertrages (BGH, Beschl. v. 04.05.2009, IV ZR 62/07) Die Klägerin machte Leistungen aus einem Unfallversicherungsvertrag geltend. Die Instanzgerichte hatten die Klage abgewiesen, weil die Versicherungsnehmerin die ihr obliegende Aufklärung verletzt habe. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Im konkreten Fall kam es darauf an, ob die Versicherungsnehmerin arglistig gehandelt hatte. Das Berufungsgericht nahm arglistiges Handeln an, weil sich der Versicherungsmakler vor Abschluss des Versicherungsvertrages beim Versicherer erkundigt hatte, ob die versicherte Person ohne Gesundheitsprüfung versichert werden könne. Die Versicherungsnehmerin hatte eingewandt, hiervon nichts gewusst zu haben.

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Ein Versicherungsnehmer, der in arglistiger Weise täuscht, muss bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirken. Eine Bereicherungsabsicht ist allerdings nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interesse des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, indem er beispielsweise Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Nach der sog.

Relevanzrechtsprechung ist (nur) dann eine relevante Aufklärungspflichtverletzung anzunehmen, wenn die Obliegenheitsverletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden zur Last fällt. Außerdem muss der Versicherer den Versicherungsnehmer vorher deutlich über den Anspruchsverlust belehrt haben, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht. Ohne Belehrung besteht Leistungsfreiheit, wenn der Versicherungsnehmer arglistig handelt und deshalb keinen Schutz verdient. Da diesbezügliche Feststellungen fehlten, konnte der BGH nicht abschließend über den Sachverhalt befinden.

4. Zu den formellen und materiellen Anforderungen einer Belehrungspflicht nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG 2008 (LG Dortmund, Urt. v. 17.12.2009, 2 O 399/09) § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG fordert, dass ein Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in zutreffender Art und Weise auf die Folgen einer (vorvertraglichen) Anzeigepflichtverletzung hingewiesen wird. Das Landgericht Dortmund hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Anforderungen eine Belehrung zu erfüllen hat. Es ging u.a. darum, ob eine „gesonderte Mitteilung“ - d.h. eine Mitteilung auf einem separaten Blatt - zu erfolgen hat oder ob es ausreicht, wenn die Belehrung durch einen beispielsweise in Schrifttyp oder Schriftfarbe hervorstechenden Hinweis erteilt wird, ohne dass diese auf einem separaten Schriftstück enthalten sein muss. Das Landgericht Dortmund hält in formeller Hinsicht letzteres für ausreichend, wenn der Hinweis in deutlich hervorstechender Form bei der Unterschriftsleiste platziert ist. Nicht ausreichend sei es, wenn die Belehrung inmitten des Antragsformulares neben weiteren Hinweisen zur Leistungsstaffel, zum Beitragseinzug oder dergleichen platziert wird. Dies gilt umso mehr, wenn nicht einmal in hervorgehobener Form auf die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung hingewiesen wird. 57


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Inhaltlich sei zu fordern, dass der Hinweis auch die einen Versicherungsnehmer möglicherweise treffenden Folgen enthält, die diesem bei einer Ausübung der Rechte des Versicherers drohen. Das Landgericht Dortmund hält es für erforderlich, dass der Hinweise einerseits dem Versicherer nach dem Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers eingeräumten Gestaltungsrechte (Rücktritt, Kündigung und Vertragsanpassung) erwähnt. Eine Bezugnahme auf eine Anfechtungsmöglichkeit bei arglistiger Täuschung ist nicht erforderlich, schadet aber auch nicht, weil § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG nur die in § 19 Abs. 2 bis Abs. 4 VVG eingeräumten Rechte erwähnt, nicht aber die in § 22 VVG geregelte Arglistanfechtung. Eine falsche Belehrung hat nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG zur Konsequenz, dass einem Versicherungsunternehmen Rücktritts- und Kündigungsrechte nicht zustehen.

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5. Zur Frage, ob ein Versicherer die Frage der Insolvenz eines Versicherungsnehmers auch durch eine Internetabfrage überprüfen muss (BGH, Urt. v. 15.04.2010, IX ZR 62/09) Ein Versicherungsnehmer kündigte eine Lebensversicherung und forderte die Auszahlung des Rückkaufswertes. Der Versicherer übersandte einen Verrechnungsscheck, den der Versicherungsnehmer einlöste. Was der Versicherer nicht wusste, war die Tatsache, dass bereits zum Zeitpunkt der Kündigung der Versicherung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet worden war. Die Insolvenzeröffnung war im Internet bekannt gemacht worden. Der Versicherer hatte sich im Internet nicht darüber erkundigt, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der im Verfahren zum Treuhänder bestellte Insolvenzverwalter forderte die nochmalige Zahlung, nachdem der Versicherungsnehmer den Scheck eingelöst hatte und das Geld nicht zur Masse gelangt war. Der BGH entschied, dass sich der Versicherer auf Unkenntnis berufen könnte. Er sei auch nicht gehalten, sich wegen der Möglichkeit der Internetabfrage beweismäßig für sämtliche Mitarbeiter zu entlasten. Eine flächendeckende Beobachtung aller Veröffentlichungsblätter im Bundesgebiet würde die Grenzen des Zumutbaren überschreiten. Der Versicherer hatte deshalb entweder gem. § 82 InsO befreiend geleistet oder hatte an den Versicherungsnehmer (Insolvenzschuldner) wegen Unwirksamkeit der vom VN ausgesprochenen Kündigung zunächst ohne Rechtsgrund geleistet, konnte dann aber nach der gebotenen einschränkenden Auslegung von § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO mit seinem Bereicherungsanspruch wirksam aufrechnen. 58

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Recht und Urteile 2010

Anlage 1 I.

Bereich geschlossene Fonds (Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn, Prospektfehler)

II.

speziell: Prüfungs-, Aufklärungs- und Nachforschungspflichten bei der Vermittlung von Anlage- produkten, Pflichtenkreise für Anleger und andere Beteiligte

III.

Immobilien und Finanzierung

IV.

Vermittler- und Maklerrecht

V.

Versicherungen

I.

Rechtsprechung zum Bereich geschlossener Fonds (Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinn, Haftungsadressaten) Nr. 1.

Gericht

Az.

Datum

BGH

II ZR

31.05.2010

Thema (Prospekt-)Haftung bei fehlerhafter Prognose über die erwartete Mietentwicklung und zur Frage der Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleichung

2.

OLG Stuttgart

9 U 21/09

12.08.2009

Prospektfehler bei Kostenangabe an „falscher“ Prospektstelle

3.

BGH

II ZR 213/08

01.03.201

Prospekthaftung bei falscher Darstellung der Entwicklung eines Vorgängerfonds

4.

OLG München

17 U 2893/09

08.02.2010

Zur Frage, welche Schlussfolgerung ein Anleger aus der Überschrift „Garantiefonds“ in einem Prospekt über einen Medienfonds ableiten kann

5.

BGH

II ZR 66/08

22.03.2010

Zur Prospekthaftung bei geschlossenen Immobilienfonds der GEHAG

27.10.2009

Hat der BGH den Rückwärtsgang eingelegt? Welche Konsequenzen

II ZR 184/08 6.

BGH

XI ZR 337/08

sind aus dem Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 337/08 zu ziehen? 7.

OLG Stuttgart

3 U 200/09

12.05.2010

Die rechtzeitige Übergabe eines Prospektes, der über die Risiken informiert, kann den freien Anlageberater entlasten

8.

LG Mannheim

9 O 413/09

26.08.2010

Prospektübergabe am Zeichnungstag kann Berater nicht entlasten

9.

BGH

II ZR 266/09

02.03.2009

Zur Frage der Ursächlichkeit eines Prospektmangels für die Anlage-

10.

BGH

III ZR 74/08

29.01.2009

entscheidung Anforderungen an Prospekthaftung einer im Zusammenhang mit dem Fondsbeitritt von Anlegern eingeschalteten Bank 11.

BGH

II ZR 15/08

07.12.2009

BGH verlängert die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn

60


Recht und Urteile 2010

II.

Speziell: Prüfungs-, Aufklärungs- und Nachforschungspflichten bei der Vermittlung von Anlageprodukten, Pflichtenkreise für Anleger und andere Beteiligte

1.

Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Kick-Backs, Rückvergütungen, Incentives pp. Nr.

Gericht

Az.

Datum

1.1

BGH

XI ZR 586/07

12.05.2009

Thema Die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens gilt auch für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen - BGH entscheidet über Darlegungsund Beweislast für vorsätzliches Verschweigen von Rückvergütungen

1.2

OLG Ffm.

19 U 2/10

30.06.2010

1.3

OLG Stuttgart

9 U 58/09

24.02.2010

1.4

BGH

III ZR 196/09

15.04.2010

Eine einen Medienfonds empfehlende Bank muss über die ihr zufließende Rückvergütung aufklären Auch OLG Stuttgart bejaht die Beraterhaftung der Bank wegen Nichtoffen legung der Vermittlungsprovision Provisionsoffenlegung im freien Vertrieb - bringt das BGH-Urteil Klarheit?

1.5 1.6

OLG Stuttgart

13 U 42/09

04.03.2010

OLG Stuttgart und OLG Düsseldorf bejahen Aufklärungspflicht des

OLG Düsseldorf

I-6 U 136/09

08.07.2010

freien Anlageberaters über Rückvergütungen

LG Bremen

2 O 2431/08

28.01.2010

Zur - im konkreten Fall verneinten - Aufklärungspflicht eines freien Anlageberaters beim Vertrieb von Medienfondsanteilen

1.7

BGH

XI ZR 308/09

29.06.2010

Für Kreditinstitute besteht schon seit 1990 die Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen

2.

Prüfungspflichten Nr.

Gericht

Az.

Datum

2.1

BGH

XI ZR 264/08

17.09.2009

Zur Prospektprüfungspflicht eines Anlageberaters

Thema

2.2

BGH

III ZR 17/08

05.03.2009

Prospektprüfungspflicht des Anlagevermittlers

2.3

OLG Ffm.

13 U 110/09

24.03.2010

Zur Aufklärungspflicht eines Anlagevermittlers, Anforderungen an die Prospektdarstellung und Frage des Vertrauens gegenüber Ratingagenturen

2.4

OLG Ffm.

17 U 209/08

22.04.2009

Anlageberater wegen Verletzung der Pflicht zur Plausibilitätsprüfung des Beteiligungsprospektes verurteilt

2.5

BGH

III ZR 14/10

16.09.2010

Zum Pflichtenkreis eines Anlageberaters, der Filmfonds empfiehlt

2.6

OLG Schleswig

5 U 79/09

25.02.2010

Zum Schadenersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung bei Erwerb einer Filmfonds-Beteiligung und zur Frage, inwieweit Steuervorteile anzurechnen sind

3.

Nachforschungspflichten Nr.

Gericht

Az.

Datum

3.1

BGH

III ZR 302/07

05.03.2009

Anlageberatung und Pflicht zur Auswertung negativer Presseberichte

Thema

3.2

BGH

III ZR 302/08

05.11.2009

Handelsblatt ist Pflichtlektüre für den Anlageberater

3.3

LG Düsseldorf

2b O 245/08

18.09.2009

Zur Pflicht eines Anlageberaters, der Filmfonds-Beteiligung offeriert, Erkundigungen über einen Erlösausfallversicherer einzuziehen

61


Recht und Urteile 2010

4.

Pflichtenkreis Anleger Nr.

Gericht

Az.

Datum

4.1

BGH

III ZR 249/09

08.07.2010

Müssen Anleger wirklich keine Prospekte mehr lesen?

Thema

4.2

BGH

II ZR 240/08

19.10.2009

Zur Treue-, Sanierungs- und Ausscheidenspflicht von Gesellschaftern eines ge-schlossenen Immobilienfonds

4.3

OLG Celle

3 U 94/09

21.10.2009

4.4

BGH

II ZR 88/08

20.04.2009

Keine Pflicht des Kapitalanlegers zur Überprüfung des Emissionsprospektes nach Zeichnung der Kapitalanlage auf Widersprüche

5.

Einlagenrückgewähr, Kommanditistenhaftung und guter Glaube

Sonstiges Nr.

Gericht

Az.

Datum

5.1

BGH

6 U 155/07

28.04.2010

Thema Zur Frage der Haftung von Prominenten bei Werbung für eine Kapitalanlage

5.2

BGH

III ZR 318/08

22.04.2010

Treuhandkommanditist muss über ihm bekannte Sondervorteile zugunsten eines Vertriebsunternehmens, die im Prospekt nicht hinreichend dargestellt sind, aufklären

5.3

BGH

III ZR 90/08

12.02.2009

Aufklärungspflichten einer Treuhandkommanditistin

5.4

LG Mannheim

9 O 413/09

26.08.2010

Zum Schutzzweck des Widerrufsrechts bei Erwerb einer Fondsbetei-

5.5

OLG München

31 Wx 95/08

07.04.2009

ligung Außerordentliches Informationsrecht des Kommanditisten auch in der Publikums-KG 5.6

OLG München

31 Wx 63/07

05.09.2008

Zum außerordentlichen Informationsrecht des Kommanditisten eines Filmfonds

5.7

BGH

IX ZR 218/08

12.11.2009

Zum Verjährungsbeginn eines Schadenersatzanspruches eines Kapitalanlegers für Steuernachzahlungen infolge verringerter Verlustzuweisungen

5.8

BGH

III ZR 169/08

19.11.2009

Zur Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen bei mehreren Aufklärungspflichtverletzungen

III.

Immobilien und Finanzierung

Nr.

Gericht

Az.

Datum

1.

BGH

XI ZR 252/08

10.11.2009

2.

BGH

XI ZR 104/08

29.06.2010

Thema Zur Frage, wann finanzierende Banken ggf. welche Aufklärungspflichten haben Zur Frage, wann sich eine finanzierende Bank die arglistige Täuschung des Immobilienveräußerers zurechnen lassen muss

3.

OLG München

5 U 2034/08

BGH

XI ZR 270/10

13.07.2010

Zur Frage des Überschreitens der Kreditgeberrolle einer eine Fondsbeteiligung finanzierenden Bank und damit einhergehender gesteigerter Aufklärungspflichten

4.

OLG Ffm.

9 U 93/06

24.02.2010

Zur Frage des Rückzahlungsanspruchs eines Fondsanlegers wegen rechtsgrundlos auf ein Darlehen erbrachter Leistungen

5.

BGH

XI ZR 179/07

29.09.2009

6.

BGH

XI ZR 319/06

03.06.2008

Zu den Voraussetzungen für eine Mitwirkung einer finanzierenden Bank an Falschangaben des Emittenten und Gründungsgesellschafters Zur Frage des Verjährungsbeginns von Schadenersatzansprüchen wegen Aufklärungsverschulden (hier: Pflichtverletzung durch finanzierende Bank bei geforderter Teilnahme an einem Mietpool)

7.

BGH

VII ZR 26/06

12.03.2009

Zum Umfang des Schadenersatzes und insbesondere des Ersatzes von Finanzierungskosten bei Rückabwicklung eines Wohnungskaufs

62


Recht und Urteile 2010

IV.

Vermittler- und Maklerrecht

Nr.

Gericht

Az.

Datum

Thema

1.

LG Münster

024 O 94/09

16.09.2010

Vermittler aufgepasst: Vorsicht beim Empfang von Handgeldern

2.

BGH

VIII ZR 332/07

24.06.2009

Zum Verstoß eines Versicherungsvertreters gegen ein Wettbewerbs-

3.

BAG

5 AZR 332/09

09.06.2010

4.

OLG Köln

19 U 64/09

11.09.2009

verbot und zur Schätzung des Mindestschadens Zur Abgrenzung zwischen Handelsvertreter- und Arbeitnehmerstatus eines Versicherungsvermittlers Zur Frage, welche Unterlagen einem Handelsvertreter unentgeltlich zu überlassen sind 5.

BGH

III ZR 82/08

04.06.2009

Anforderungen an die Nachweistätigkeit eines Maklers zur Begründung seines Provisionsanspruchs

6.

BGH

I ZR 28/06

26.02.2009

Schutz von Kundendaten und Geheimnisverrat

7.

BGH

VIII ZR 286/07

21.10.2009

Unwirksame Provisionsklausel in einem Handelsvertretervertrag

8.

OLG München

7 U 4025/08

17.12.2008

Zur Frage der Nichtigkeit einer Provisionsvereinbarung im Untervermittlervertrag

9.

OLG Düsseldorf

I-6 W 77/07

25.03.2008

Erteilung des Buchauszugs ist Holschuld des Handelsvertreters

10.

BGH

III ZR 231/08

27.05.2009

Zur Frage des Umfangs der von einem Versicherungsmakler im Jahr 2002 geschuldeten Beratung beim Wechsel des Privatkrankenversicherers

11.

OLG Celle

8 U 189/07

07.02.2008

Aufklärungspflicht eines (gebundenen) Versicherungsvermittlers und ihre Grenzen

12.

BGH

III ZR 60/08

20.11.2008

13.

BGH

III ZR 21/10

23.09.2010

Zur Frage der Wirksamkeit eines selbstständigen Provisionsversprechens des Käufers bei Verflechtung zwischen Makler und Verkäufer Zur Frage der Wirksamkeit einer in AGB’s vereinbarten sog. Reservierungsgebühr

V.

Rechtsprechung zum Versicherungsrecht Nr. 1.

Gericht

Az.

Datum

BGH

IV ZR 22/09

27.10.2010

Thema Rechtsfragen zu einer widerruflich getroffenen Bezugsrechtsbestimmung und anschließender Sicherungsabtretung bei einer Lebensversicherung

2.

BGH

IV ZR 330/06

12.03.2008

Arglistige Täuschung des Versicherers bei Einschaltung eines Maklers

OLG Köln

5 U 242/06

25.04.2007

durch den Versicherungsnehmer

3.

BGH

IV ZR 62/07

04.05.2009

Anforderungen an eine arglistige Täuschung bei Abschluss eines Ver-

4.

LG Dortmund

2 O 399/09

17.12.2009

5.

BGH

IX ZR 62/09

15.04.2010

sicherungsvertrages Zu den formellen und materiellen Anforderungen einer Belehrungspflicht nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG 2008 Zur Frage, ob ein Versicherer die Frage der Insolvenz eines Versicherungsnehmers auch durch eine Internetabfrage überprüfen muss

63


Recht und Urteile 2010

Anlage 2

Mögliche Grundlagen der Haftung bei gescheiterten Fondsbeteiligungen 1. Prospekthaftung im engeren Sinn Prospekthaftung für sog. „typisiertes“ Vertrauen; Anknüpfungspunkt: Verletzung von Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Prospekterstellung Haftung der Initiatoren, Hintermänner pp. 2. Prospekthaftung im weiteren Sinn Einstehen müssen für Prospektfehler durch bestimmte Personen und Personengruppen, die im Zusammenhang mit der Emission einer Fondsbeteiligung bestimmte Aufgaben übernehmen, z.B. Treuhänder, Treuhandkommanditisten, Gründungsgesellschafter; die Anspruchsgrundlage wird abgeleitet aus allgemeinen rechtlichen Bestimmungen (c.i.c. - Verschulden bei Vertragsverhandlungen oder pVV - positive Vertragsverletzung) 3. Die Haftung nach Verkaufsprospektgesetz Haftung bei fehlerhaftem Prospekt - § 13 VerkProspG - sowie die Haftung bei fehlendem Prospekt - § 13a VerkProspG 4. Haftung aus Vertrag Haftung aus einem - im Regelfall stillschweigend zustande gekommenen - Auskunfts - bzw. Beratungsvertrag, Anlagevermittler / - berater 5. Haftung aus Delikt § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz, z.B. § 263 StGB Betrug - oder § 264a StGB - Kapitalanlagebetrug

64


Recht und Urteile 2010

Anlage 3

Kurzer Überblick über Verjährungsvorschriften 1. Allgemeine Verjährungsvorschriften / Regelverjährung Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) im Jahr 2002 beträgt die neue regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Die Frist beginnt nur, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Tatsachen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlagen müssen (§ 199 BGB). Diese subjektive Anknüpfung soll dem Gläubiger die – faire (!) – Chance eröffnen, seinen Anspruch rechtzeitig vor Vollendung der Verjährung geltend zu machen. Im Interesse des Rechtsschutzes und des Rechtsfriedens endet die Verjährung unabhängig von der Erkennbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen nach 10 bzw. 30 Jahren (30 Jahre bei Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung von Leben, Gesundheit, Körper oder Freiheit betreffen; 10 Jahre bei sonstigen Schadenersatzansprüchen ohne Rücksicht auf Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis). Die 10-Jahresfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs und daher erst mit Eintritt des Schadens. Die 30-Jahresfrist beginnt mit der Vornahme der Handlung. Diese Verjährungsfristen gelten vorbehaltlich kürzerer spezialgesetzlicher Verjährungsvorschriften.

65


Recht und Urteile 2010

2. Spezialgesetzliche Vorschriften 2.1 Börsengesetz Der Anspruch aus Prospekthaftung für einen unrichtigen oder unvollständigen Wertpapierprospekt verjährt nach § 46 BörsG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts.

2.2 Fehlerhafter oder fehlender Verkaufsprospekt nach dem Verkaufsprospektgesetz a) § 13 VerkProspG (fehlerhafter Prospekt) i.V.m. § 46 BörsG Ein Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts. b) § 13a Abs. 5 VerkProspG (fehlender Prospekt) Ein Anspruch bei fehlendem Prospekt verjährt nach § 13a Abs. 5 VerkProspG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht, einen Prospekt oder Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts.

2.3 Investmentgesetz Nach § 127 Abs. 5 InvG verjähren Ansprüche wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Verkaufsprospektes einer Kapitalanlagegesellschaft oder ausländischen Investmentgesellschaft in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, in dem der Käufer von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Verkaufsprospekte Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluss des Kaufvertrages.

2.4 Verjährung nach dem Wertpapierübernahme- und Erwerbsgesetz (WpÜG) Nach § 12 Abs. 1 WpÜG verjähren Ansprüche gegen Prospektverantwortliche in einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruchsberechtigte von der Fehlerhaftigkeit des Angebotsprospektes Kenntnis erlangt, spätestens in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Angebotsprospektes (§ 12 Abs. 4 WpÜG).

2.5 Sonderverjährung nach § 37a WpHG § 37a WpHG stellt eine Sonderverjährungsregel zugunsten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf. Alle Schadenersatzansprüche wegen Verletzung einer Informationspflicht und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung, die nach dem 01.04.1998 entstanden sind, verjähren in drei Jahren nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung. § 37a WpHG wurde für Ansprüche, die nach dem 04.08.2009 entstehen, aufgehoben (vgl. Art. 4 Nr. 5 Schuldverschreibungsgesetz vom 31.07.2009, BGBl. I S. 2512).

2.6 Spezialgesetzliche Verjährung nach § 12 VVG a.F. Nach § 12 Abs. 1 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung verjährten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in zwei Jahren, bei der Lebensversicherung in fünf Jahren. Als Spezialvorschrift ging § 12 VVG a.F. den Regelungen des BGB vor. Mit der VVG-Reform wurde diese Sonderregelung aufgehoben. Auch für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gilt nunmehr die Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB.

66


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