Ausgabe #1 Frühling 2010 7,50€
D e n ke n • S ehe n•Fühle n•Hör e n
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Gabel2 HEALTH Festung Europa Awesome Soundsystem Mathias Kaden Traumgeschichten Modentheater
Frühling!
Photographie: Kilian Ullmann Model: Elena Fiedler Assistenz: Johannes Hanemann Ausstattung: “Die Zwillingsnadeln�
..die Sonne geht auf!
Willkommen!
G
roßartig! Der Frühling ist da und mit ihm das Magazin XXX in seiner ersten Ausgabe. Und das passt sehr gut zusammen! Denn das Magazin XXX will neu und frisch sein – etwas neues erschaffen, ein neues Magazin sein das nicht Sachen bewerben und verkaufen will, sondern stattdessen eine Botschaft beinhaltet und die Möglichkeit bietet aktiv mitzugestalten. Das Magazin XXX und seine Autoren sind weltoffen und sind dennoch ein wenig lokalverbunden. Wofür stehen die vielen X fragst du dich vielleicht? Die XXX stehen für das Unbekannte, das Unerforschte und vielleicht auch verbotene – eben alles interessante! Du als Leser bist herzlich dazu eingeladen all jenes mit uns zu entdecken!
Bald wird auf www.magazinxxx.de eine Magazinseite mit Plattformcharakter erreichbar sein! Das bedeutet ihr könnt miteintscheiden wohin die 3 X gehen werden. Also schreibt was ihr liebt oder fürchtet, wegen was ihr weint oder lacht und zeigt uns euren Kram und Krimskrams! Dieser ersten Printausgabe werden erst einmal digitale folgen, aber auf eine Frühlingsausgabe sollte ja schliesslich ja auch eine im Sommer folgen, nicht wahr? Schaut vorbei im Netz, da wird etwas entstehen und ihr könnt daran teilhaben! Lassen wir es wachsen, ganz wie der Frühling. Wir wünschen euch viel Spaß mit dieser Ausgabe! Genießt sie wie das Wetter, den neuen Duft in der Luft und die bessere Laune die von Sonne gratis geliefert wird! Kilian Ullmann, “Chefredakteur”
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Denken . . . . Seiten 3-17 Sehen . . . . . Seiten 18-31 Die Festung Europa von Stephan Schmidt
Seite 6
A tiny little Nightmare von Kilian Ullmann
Seite 20
Das Theater der Mode von Ann-Kathrin Rudorf
Seite 10
K端nstlerportrait Gabelhochzwei
Seite 28
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Fühlen . . . Seiten 32-43 Hören . . . . Seiten 44-57 Vom Träumen illustriert von Friedemann Lichtenthal
Seite 34
The Awesome Soundsystem - Interview von Kilian Ullmann
Seite 46
Ego-Shooter zu zehnt.. von Marie Heidel
Seite 38
HEALTH - Interview von Kilian Ullmann
Seite 52
Im Osten was neues.. Das Mathias Kaden Interview von Jonas Hohlfeldt, Kilian Ullmann und Johannes Heinke
Seite 54
Denken Die Festung Europa eine soziologische Betrachtung der Fl端chtlingssituation in We i m a r m i t e i n e m I n t e r v i e w e i n e s E x i l - I r a n e r s von Stephan Schmidt Seite 6
Le Defile - Das Theater der Mode Die Geschichte der Modenschau und ein Einblick in die kulturelle E n t w i c k l u n g v o n M o d e u n d Wa h r n e h m u n g d e r s e l b e n von Ann-Kathrin Rudorf S e i t e 10
Festung Europa
Obwohl dank des digitalen Zeitalters die Grenzen der Informationen scheinbar weggefallen sind, wir fast zeitgleich mit allen Orten der Welt kommunizieren und erleben, sind manche Grenzen nach wie vor sehr permanent und werden sogar noch verstärkt. Die Rede ist von Europa, dass seine Außengrenzen immer mehr verschliesst, ganz entgegen dem Trend der digitalen Entgrenzung. Wir skizzieren für euch das Leben eines Flüchtlings in Weimar und sprechen mit einem politischen Flüchtling aus dem Iran, der die Flucht in die Festung Europa versuchte und schaffte.
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s war ein kalter Tag im Dezember 2002, als Europas Innenminister die Verordnung 243/2003, besser bekannt als Dublin II, verabschiedeten. Das Gesetz regelt, dass jeder Flüchtling in der Europäischen Union nur einen Asylantrag in dem Land stellen darf, in welchem er erstmals seinen Fuß auf europäischen Boden setzte. Deutschland, das von anderen EU-Mitgliedern umgeben ist, wurde damit quasi unerreichbar. Die wenigen verbliebenen Fluchtwege sind über Luftverbindungen mit gefälschten Pässen, die Einreise mit
Touristenvisa oder zumindest prinzipiell, indem den Behörden glaubhaft vermittelt wird, dass nicht bekannt ist, über welche Transitländer die Einreise erfolgte. Als Konsequenz (gleichwohl nicht nur von Dublin II) ist die Zahl der Asylanträge konstant gesunken – von fast 90.000 im Jahr 2001 auf circa 27.000 2009. Nach der Einreise und mit Beginn des Asylverfahrens werden Flüchtlinge einem bestimmten Bundesland und daraufhin einem bestimmten Land-kreis zugewiesen. Die Verteilung erfolgt nach Quoten und Kapazitäten – die Chance nach Weimar zu gelangen ist somit gering.
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m Jahr 2009 lebten 2.469 Migranten in Weimar, welche vier Prozent der Stadtbevölkerung ausmachen. Der Anteil liegt über dem thüringischen Durchschnitt von zwei Prozent aber immer noch weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von Menschen mit Migrationshintergund (oder Migrationserfahrung, wie jüngst eher gebräuchlich). Die obengenannte Zahl bezieht alle Arten von Ausländern ein: Spätaussiedler aus Osteuropa und dem postsowjetischen Raum, Austauschstudenten der Baushaus und Franz Liszt Universitäten, Migranten mit temporärem oder unbefristetem Aufenthalt und schließlich, hier von vordergründigem Interesse, Asylsuchende. Die letztgenannte ist die verletzlichste und hilfebedürftigste Gruppe, welche mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert wird. Ihr Aufenthaltsstatus entspricht in den meisten Fällen nur einer Duldung. Zum einen leben die geduldeten Flüchtlinge in einer ständigen Angst in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden, woraus permanenter Stress und Perspektivlosigkeit resultieren. Zum anderen ist ihnen im Regelfall eine Arbeitsaufnahme nicht gestattet. Die Flüchtlinge sind dadurch auf öffentliche Sozialleistungen angewiesen, welche im Übrigen noch unter dem „HartzIV“Satz liegen. Das wirft die Frage auf, inwiefern das vorgegebene Existenzminimum für einen Ausländer weniger betragen kann als für einen Deutschen? Dessen ungeachtet, beziehen etwa 50 Personen in Weimar die ohnehin niedrigen Leistungen nicht in Bargeld, sondern bekommen den Großteil ihres Lebensunterhaltes in Gutscheinen ausbezahlt. Die Höhe der monatlichen Leistung für Erwachsene beträgt 126,80 € in Gutscheinen und 40,90 € in Bargeld. Der Betrag ist für Kinder noch geringer und wurde seit den 1990er Jahren nicht erhöht .Die Ausgabe von Gutscheinen führt bei den Betroffenen zu vielen Problemen, denn nicht überall und nicht alles kann mit Wertgutscheinen eingekauft werden. Mit dem geringen Barbetrag müssen Kosten für Anwälte (die in vielen Asylverfahren nahezu unentbehrlich sind), Telefonkarten und -rechnungen, Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, ausländische Tageszeitungen, nicht verschreibungspflichtige Medikamente, und „Luxusgüter“ wie Kinobesuche, Spielzeug, Frisör, Eis, und Pizza usw. bezahlt werden. Die Leistungsberechtigten werden durch das Wertgutscheinprinzip diskriminiert und entmündigt. Sie werden massiv in ihren praktischen Möglichkeiten am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben eingeschränkt und als „unerwünschte Fremde“ stigmatisiert. Ein weiteres Problem, das aus dem Aufenthaltsstatus der Duldung resultiert, ist die sogenannte Residenzpflicht, welche es der betroffenen Personengruppe verbietet, die Stadt
Weimar ohne Genehmigung der Ausländerbehörde zu verlassen. In der alltäglichen Praxis bedeutet dies, dass nur ein kurzer Besuch bei Freunden oder Bekannten in Jena, von der Willkür der Ausländerbehörden abhängig ist. Sowohl das Gutschein-System als auch die Residenzpflicht (welche in dieser Form nur in Deutschland existiert!) isolieren die Flüchtlinge und verhindern eine erfolgreiche Integration. Trotz alledem, es könnte bedeutend schlimmer sein, vor dem Hintergrund, dass Flüchtlinge sich in der Regel glücklich schätzen, wenn sie nach Weimar verteilt werden. Verglichen mit anderen, vor allem strukturschwachen Regionen in Thüringen, erscheint Weimar als Insel von Solidarität und Toleranz. Unzählige Bürger, Organisationen und Institutionen engagieren sich aktiv, um die Situation von Flüchtlingen zu verbessern und sie in die Gemeinschaft zu integrieren. Das gilt für konfessionelle und gemeinnützige Träger wie Diakonie, Caritas und AWO, welche jeweils Beratungsangebote für Flüchtlinge bereitstellen. Die Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Ettersburgerstraße, deren Beratungsangebot gemeinschaftlich von Caritas und Diakonie getragen wird, genießt einen ausgezeichneten Ruf in Bezug auf die Unterbringung und Hilfeleistungen für Flüchtlinge. Vereine wie der Thüringer Flüchtlingsrat e.V. versuchen mit großem Enthusiasmus die politischen Rahmenbedingungen zu verbessern und observieren kritisch die Rechte und Lebensbedingungen von Flüchtlingen. Der Ausländerbeirat der Stadt Weimar organisiert jedes Jahr das interkulturelle Neujahrsfest und fungiert gemeinsam mit der Ausländerbeauftragten als Ansprechpartner für alle möglichen Anliegen von Flüchtlingen. Die lokalen Medien, allen voran Radio Lotte und Salve TV, berichten regelmäßig über die Situation von Flüchtlingen und Migranten in Weimar. C-Keller und Gerberstraße e.V. bieten beide Plattformen für interkulturellen Austausch. Letztere organisiert regelmäßig einen Gutschein-Umtausch, bei welchem Flüchtlinge obengenannte Gutscheine gegen Bargeld eintauschen können. Diese Möglichkeit besteht auch bei den monatlichen Treffen des ökumenischen Unterstützerkreises für Flüchtlinge. Schließlich ist es das ehrenamtliche Engagement vieler Weimarer Bürger, welches hilft die Situation der Betroffenen zu verbessern. Sie begleiten Flüchtlinge zu Ämtern, geben Deutschunterricht und spenden ein Gefühl des Willkommen-Seins, indem sie eine Einladung in ihre Häuser aussprechen und Flüchtlinge ihren Freunden vorstellen.
Text von Stephan Schmidt 7
als nächstes bringen würden, wir wussten nur, dass Kananda unser Ziel war. Es war immer beängstigend, diesen fremden Menschen zu trauen, auch wenn sie unsere einzige Hoffnung waren. Nach ein paar Tagen wurden wir per Auto nach Düsseldorf gebracht. Von dort hatten wir ein Ticket nach Toronto! Wir waren so nah dran, aber beim Zwischenstop in Prag entdeckte uns eine Spezialeinheit der Polizei und sagte: „Das sind nicht ihre Pässe!“ Von da an war es ein Albtraum. Der tschechische Zoll legte uns in Handschellen, schlug uns und behandelte uns sehr schlecht, sie können alles mit dir machen was sie wollen. Sie ließen uns 30 Stunden im Gefängnis, ohne uns etwas zu Essen zu geben. Sie fesselten uns an Händen und Füßen und flogen uns mit 3 Bewachern nach Düsseldorf zurück. Sie brachten uns nach Deutschland, weil wir von da kamen, und somit Deutschland über unser Asyl und weiteres Verbleiben zuständig war. Hier verbrachten wir eine Nacht im Gefängnis, und hatten danach die Wahl einen Asylantrag zu stellen, oder weiter im Gefängnis zu bleiben. Wir wollten immer noch nach Kanada, sodass wir ablehnten, worauf wir 6 Monate im Gefängnis waren. Die Beamten behandelten uns sehr schlecht, wir wurden kaum menschenwürdig behandelt. Zum Schluss blieb uns keine andere Wahl, als den Asylantrag zu stellen, allerdings kann das Jahre dauern.. Doch wir wurden nach 8 Monaten angenommen, da wir politische Flüchtlinge waren. Jetzt habe ich 3 verschiedene Pässe von den Behörden bekommen, aber ich kann mich frei bewegen.
Wie geht es dir? Ich ruh mich ein wenig aus, weil ich endlich eine Aufenthaltsgenehmigung von der Einwanderungsbehörde erhalten habe. Meinem Asylantrag wurde standgegeben. Jetzt kann ich endlich mein neues Leben in einem fremden Land beginnen. Was willst du jetzt machen? Ich ziehe nach Köln, dort sind gute Jobaussichten und die größte iranische Gemeinschaft in ganz Deutschland, was mir sicher helfen könnte. Ich werde einen 6-monatigen Deutschsprachkurs belegen, und dann muss ich einen Job finden. Ich habe im Iran Ökonomie studiert, aber ich will anfangs als Konditor arbeiten weil ich mehr über Land und Leute lernen will. Danach werde ich mir Gedanken über meine weitere Zukunft machen. Warum hast du den Iran verlassen? Ich verließ den Iran Anfang 2008. Die Regierung übt großen Druck auf die Bevölkerung aus, dort gibt es weder Freiheit noch Menschenrechte. Der Iran ist ein großartiges Land, aber die Regierung belügt uns und zwingt uns so viele Dinge auf. Ich denke die meisten (Flüchtlinge) wandern wegen der Regierung aus. Meine persönlichen Probleme mit der Regierung sind auf meinen „ethnischen Hintergrund“ zurückzuführen: meine Eltern kommen aus einem kleinen Dorf, das dafür bekannt ist, sehr politisch und gegen die Regierung zu sein. Es bekommt von öffentlicher Seite keinerlei Hilfe, noch nicht mal eine Wasserversorgung. Wenn die Polizei dich anhält und sie erfahren, wo du herkommst, werden sie dich sicher durchsuchen und so viele Schwierigkeiten wie möglich bereiten.
Wie denkst du jetzt über deine Herkunft? Unter Berücksichtigung deiner Flucht und den Schwierigkeiten in deiner Heimat, die dich zum Gehen gezwungen haben? Es ist hart den Zangen deines Landes zu entkommen. Du weisst nicht, was mit dir passiert, du weißt nicht wo du hingehst, du willst einfach nur entkommen. Natürlich denkt man auch an seine Familie, du musst ja Alle und Alles zurücklassen, Eltern, Geschwister, Freunde, das ist sehr hart. Man muss alles zurücklassen, die guten Erinnerungen ebenso wie die Schlechten. Das deprimiert mich immernoch sehr, sodass ich oft nicht schlafen kann.
Erzähl uns bitte von deiner Flucht! Meine Familie entschied das für mich. Es war einfach kein sicherer Ort mehr für mich. Darüber hinaus organisierte meine Familie auch die komplette Flucht für mich, zusammen mit einem Freund. Wir wurden jemandem vorgestellt, der uns zu einem Kurden brachte. Wir verbrachten die Nacht bei ihm und am nächsten Tag führte er uns übers Gebirge über die Grenze in die Türkei zu einem kleinen Dorf. Von dort aus fuhr er uns nach Istanbul - Er war unfreundlich und beantwortete keine Fragen, es war sein Geschäft. Ich hatte die ganze Zeit große Angst! In Istanbul warteten wir ein paar Tage in einer Wohnung auf unsere Pässe, wir sollten nach Kanada! Zuerst flogen wir nach Amsterdam. Glaube mir, mit einem gefälschten Pass zu fliegen, macht einen sehr nervös und gestresst. In Amsterdam wurden wir wieder zu einer Wohnung gebracht, in der wir einige Tage warteten. Wir wussten nie, wohin sie uns
Würdest du zurückkehren, wenn du könntest? Wenn es einen Regierungswechsel geben würde? Definitiv, da würde ich nicht der einzige sein. Ich glaube, dass viele, die jetzt in den westlichen Staaten leben, zurückgehen würden, aber nur wenn es einen Regierungswechsel geben würde. Ein Regierungswechsel ist im Allgemeinen auch nicht unmöglich. Ich denke, dass 90% der Exil-Iraner zurückkehren würde, das würde dem Land gut tun.
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“Die normale Bevölkerung könnte auch die Opposition im Iran unterstützen, wenn sie grüne Kleidung tragen würde. Denn die Farbe Grün steht symbolisch für die Opposition im Iran.”
Dies kann nur eine vorübergehende Lösung seinirgendwann muss damit Schluss sein, aber dafür muss sie sich ändern. Die Iraner im Ausland haben auch einen großen Einfluss auf die Veränderung und die westlichen Staaten üben auch verstärkt Druck auf die iranische Regierung aus. Die normale Bevölkerung könnte auch die Opposition im Iran unterstützen, wenn sie bloß grüne Kleidung tragen würde oder einen Schal. Denn die Farbe grün steht symbolisch für die Opposition im Iran. Was denkst du über die „Festung Europa“? Ich denke am wichtigsten ist es das Gesetz zu befolgen, wenn man in ein westliches Land kommt, besonders als Flüchtling. Denn sie betrachten dich als Menschen, selbst wenn du Flüchtling bist. Aber auf der anderen Seite sind die Gesetze für Flüchtlinge ziemlich hart. Manche müssen 5 Jahre warten, bis sie als Flüchtling angenommen werden, ich brauchte nur 8 Monate. Aber man wird als Flüchtling auch sehr benachteiligt, z.B. wenn man zum Arzt muss. Sie kümmern sich schlechter um dich, geben dir weniger Medikamente und lassen dich sehr lange warten und machen alles unnötig kompliziert. Selbst die Unterstützung für Lebensmittel ist auf Essensmarken bei großen Supermärkten wie Rewe beschränkt. Wenn man Flüchtling ohne Asyl ist, lebt man in einer anderen Welt, man mag in Deutschland leben, jedoch in einer Parallelwelt. Da gibt es so viele Leute, die den ganzen Tag im Asylbewerberheim rumsitzen müssen, die keine Möglichkeit haben, rauszugehen und zB. Deutsch lernen können. Dort werden keine Sprachkurse angeboten, und wie soll man ohne die Sprache zu sprechen normale Leute oder Arbeit finden? Wenn du zu den Behörden musst, brauchst du einen Dolmetscher, der dich ein Vermögen kostet. Was fühlst du wenn du jetzt an Deutschland denkst? Am Anfang hab ich mich garnicht wohl gefühlt in Deutschland. Aber jetzt fühl ich mich wirklich gut, besonders in Weimar! Es ist wirklich alles gut hier in Weimar und es gibt sogar engagierte Menschen die sich für dich vor Gericht oder Ämtern einsetzen. Dafür bin ich wirklich dankbar und das hat mir auch Frieden gegeben. Ich möchte der Caritas und Diakonie danken und auch der Stadt Weimar, das sie mich als Flüchtling anerkannt haben. Farhad*
* Name von der Redaktion geändert
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Le Défilé Das Theater der Mode Text Ann-Kathrin Rudorf Photographie Kilian Ullmann
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as Défilé, es lässt das Herz des Designers höher schlagen. Denn bei der Modenschau präsentiert er die aufwändige Arbeit vieler Monate oder Jahre. Wer sich hier auf eine fabelhafte Art und Weise präsentiert, gewinnt Presse, Händler und Käufer für sich und dies sagt monetär erfolgreiche Monate voraus. Aber nicht nur für die Designer ist dies ein atemberaubendes Moment, die Modenschau bezierzt seit mehr als einem Jahrhundert Jene die sich der Mode verschrieben haben und Jene die Wert auf Inszenierung, Szenografie und Performance legen. Hier erst entwickelt sich die Idee des textilen Designs und geht eine Symbiose mit Körper, Licht, Musik und Performance ein – ein mitreißender Augenblick. Vor gut 100 Jahren erkannte dies bereits L. Roger Milés und schreibt im Vorwort seines Buches: „Les Créateurs de la Mode - Dessins et Documents de Jungbluth“: „…Wenn im Februar die Sommermode und im August die Wintermode präsentiert wird, werden die Salons der großen Courtiers von einer Menschenmenge gestürmt. Und es ist ein herrliches Schauspiel, selbst für die blasiertesten Blicke, die Kollektionen über den Laufsteg defilieren zu sehen. Diese Modenschauen haben etwas Beglückendes und Traumhaftes. Und damit meine ich nicht die technische Ausstattung der Kleider, ich meine alleine diesen Anblick und den kaleidoskopischen Eindruck, den er auf der Netzhaut hinterlässt. Denken wir nur an den üppigen Rosenblätterteppich bei Givenchy (Frühjahr/Sommer 2009), prunkvolle, illuminierende Kristall-Leuchter und einen Catwalk als unendlich lange Tafel bei Dries Van Noten (F/S 2005), John Gallianos inszenierten nebeligen barocken Friedhof für Dior (Herbst/ Winter 2005/6) oder die Performance Hussein Chalayan‘s in der Models ihren Kolleginnen die aus Zuckermasse gefertigten Kleider abschlugen – ich kann und möchte mit Sicherheit sagen, dass dies Inszenierungen waren die einen Nachhaltigen Eindruck auf der Netzhaut hinterlassen haben und die dem textilem Kunstwerk Leben einhauchen. Wie Marc Jacobs schon sagte: „Ich mag den Gedanken, Kleider könnten nach Ende der Show ein Leben haben.“ Aber woher kommt der Begriff „Défilé“ überhaupt? Défilé ist französisch und bedeutet so viel wie Vorbeimarsch, filé bedeutet Faden, Schlange. Es ist Begriff aus dem Militärwortschatz des 18. Jahrhunderts, kam die Truppe in einen
Engpass, mussten sich die Soldaten, Mann für Mann in einer Schlange aufstellen um diesen zu passieren, ein ähnliches Bild der Formatierung wie bei unseren heutigen Schauen. Aber machen wir einen Sprung zurück, einen großen Sprung zurück und schauen in eine Zeit, in der es weder Courtiers, Designer, Modehäuser, Pret a Porter oder Haute Couture gegeben hat. Beginnen wir im 14. Jahrhundert. Zu dieser Zeit gab den Beruf des Schneiders, der sich ausschließlich um die Gewandung des Herren kümmerte und die Schneiderin welche für die weibliche Kundschaft zuständig war. Erst im 14. Jahrhundert konnte man eine Nähnadel aus Stahl herstellen, zuvor wurde aus Gräten oder Knochen eine Nadel gebastelt. Die Tätigkeit beschränkte sich auf das Fertigen der Kleidung, über Schnitt, Stoff und Design entschied die Kundin – dies sollte sich auch bis ins 19. Jahrhundert nicht ändern. Was sich jedoch ändern sollte war die Form der Verbreitung der neuesten höfischen Moden. Königshäuser schmückten sich mit exquisiter Schneiderkunst, schon in der Renaissance galt: „Kleider machen Leute“. Nun soll es sich zugetragen haben, dass Elisabeth von Bayern, Frau des französischen Königs Karl VI, dem Hofscheider anwies Puppen zu fertigen und gleich mit Puppenkleider im höfischen Stil. Diese sollten der Königin von England übersandt werden um sie zu erfreuen. 1396 entstanden also die ersten Mannequins welche bis ins 18. Jahrhundert am Hofe üblich wurden und zuletzt auch in die Provinzen geschickt wurden. Die „pupées de mode“ waren die Werbebotinnen des jeweiligen Hofes und der Adelshäuser, in dieser Zeit überzeugte übrigens besonders Paris mit seiner Schneiderkunst. Die Form des Mannequins, der Schaufensterpuppe, veränderte über die Jahrhunderte, soll es noch zu Beginn eher ein zweidimensionales Holzgerüst gewesen sein, fertigte man im 18. Jahrhundert weibliche Puppen mit Kopf und Körper. Mit diesen noch statischen Modellen führte man im Ausland seine Mode vor. Durch die neuesten Erfindungen im Druckbereich, wie etwa die Möglichkeit des Kunstdrucks und der Illustration von 1837 und der Erfindung der Rollen-Rotationsdruckmaschine, die Massenauflagen von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften mit kurzfristigem Erscheinungstermin ermöglichte, entwickelten sich bis Ende des 19. Jahrhunderts verschiedenste Modemagazine und lösten die Modepuppen ab.
Hier erst entwickelt sich die Idee des textilen Designs und geht eine Symbiose mit Körper, Licht, Musik und Performance ein – ein mitreißender Augenblick.
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er Engländer Charles-Frederick Worth, geboren 1826, war Textilkaufmann und eröffnetet 1858 in der Pariser Rue de la Paix sein „House of Worth“ (einige Jahre später, 1898, eröffnete hier auch die Familie Cartier ihren ersten Laden). Worth selbst entwirft Mode für Damen, sucht die Stoffe selbst aus und Kennzeichnet seine Kreationen mit seinem Namenszug im inneren des Stückes. Er gilt somit als Begründer der Haute Couture, was französisch ist und so viel bedeutet wie gehobene Schneiderei. Worth war es, der das traditionelle Schneiderhandwerk zur Kunst machte und seine Kunst waren textile, signierte Einzelstücke. Wenige Jahre zuvor entwickelte der Amerikaner Elias Howe die Doppelsteppstichmaschine und ab ca. 1850 konnte man bereits Nähmaschinen für 100 US Dollar erwerben. Dies ersetzte die mühsame Handarbeit und machte die Serienproduktionen von Mode in den kommenden Jahrzehnten möglich. Aber zurück zu Worth, er revolutionierte nicht nur die Bekleidungsindustrie, sondern war auch der Erste der mit lebenden Modellen arbeitete. Als geschickter Verkäufer erkannte er früh, dass sich sein Absatz steigern lassen würde, würde er nur seine Modelle dreidimensional vorführen. Worth begann damit Modelle unter seinen Verkäuferinnen auszuwählen, darunter seinen Frau Marie Vernet. Sein guter Geschmack sprach sich schnell herum und fix konnte er verschiedenste königliche Persönlichkeiten zu seinen Kundinnen zählen und nicht er kam zu seinen betuchten Kundinnen, sie „pilgerten“ förmlich zu ihm. In seinem Salon ließ er seine Modelle, die er nach Ähnlichkeit mit der Kundschaft aussuchte, die aktuelle Kollektion vorführen. Die Mannequins trugen unter den Modellen eine dünne Schicht aus schwarzem Stoff, damit die Stoffe nicht direkt auf der Haut liegen und einfach wieder abzustreifen sind. Es gab keine Musik – eine Ausruferin kündigte Model für Model in Form von Zahlen an. Die Anfänge der Couture werden mit der Gründung des Chambre Syndicale de la Couture 1868 gesetzt, eine Art Interessenverband der streng
reglementiert ist, sich für die globale Schneidekunst einsetzt und noch heute als „Fédération française de la couture, du prêt-à-porter des couturiers et des créateurs de mode“ in Frankreich agiert. Wer also heute Haute Couture entwerfen möchte und diese bei den Pariser Schauen vorführen will muss einige Kriterien erfüllen. Punkt Eins, er muss ein Atelier mit min. 15 Vollzeitmitarbeitern in Paris unterhalten. Punkt Zwei, es müssen zwei Präsentationen im Jahr stattfinden zu vorgegebenen Terminen. Punkt Drei, der Designer muss min. 35 verschiedene Modelle präsentieren. Punkt Vier, jedes Stück muss ein Unikat sein. Jeder Designer muss sich Jahr für Jahr neu bewerben, die Kriterien werden jedes Jahr neu überprüft. Aber zurück im späten 19. Jahrhundert: Der Couturier hatte sich dank Worth durchgesetzt, die Schickeria, die Reichen und Betuchten vertrauten ab sofort ihrem Couturier. Die Haute Couture wurde zum Inbegriff von Luxus. Wenige Jahre später, circa um 1901 (ein Jahr nach der großen Weltausstellung in Paris), machte eine gewisse Lucy Duff Gordon auf sich aufmerksam. Sie kreierte stoffgewaltige Kleider im farbenfrohen Stil, die entfernt an eine Reise in den Orient erinnern. Unter ihrem Label LUCILE konzipierte sie Modenschauen, die an eine Theateraufführung erinnern. Sie setzte als erste Musik und aufwendige Dekorationen ein, erstellte für jede Show eine Art Dramaturgie. Angelehnt an das Theater arbeitete sie mit Bühnenvorhang und suchte die schönsten der schönen Frauen für ihre Stücke. Sie war es die das Berufsbild des Models prägte, so ließ sie die Namen ihrer Darstellerinnen laut ausrufen, studierte mit ihnen theatralische Posen ein und verhalf ihnen so zu Persönlichkeit auf der Bühne. Nennen möchte ich kurz ihre Modeaufführung von 1909 „The seven Ages of Woman“, hier stellte sie in sieben Akten das Leben einer Frau dar. Bei weitem keine einfache Modepräsentation mehr – eine Parade, eine Show! Zu gleichen Zeit verändert in Paris ein gewisser Paul Poiret (ehemaliger Lehrling von Worth) die Damenmode grundlegend – er befreit die Dame nun endlich vom Korsett. Noch unvorstellbar zu dieser Zeit – jedoch sollte sich dies langsam aber sicher fundamental ändern.
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oiret wusste sich zu vermarkten und inszeniert große exklusive Shows, die zum absoluten High Society Event wurden, darüber hinaus führte er Regie und drehte den wohl ersten Modefilm. Um seine Mode auch in Amerika zu vermarkten, filmte er eines seiner Défilés in Paris. Wie schon LUCILE war auch er auf eine Zusammenarbeit mit dem Model bedacht, denn so sagt er: “Das Mannequin ist nicht jener hölzerne Gegenstand ohne Kopf und Herz, den man mit Kleidern behängt wie ein Garderobenständer.“ Zu dieser Zeit, 1910, eröffnet auch Gabrielle Chanel, besser bekannt als Coco Chanel ihre erste Boutique in Paris. Zur gleichen Zeit passiert auch viel in Amerika, in Warenhäusern werden Modenschauen gezeigt um den Verkauf zu fördern und die Händler haben alle Hände voll zu tun, den Pariser Schick nach Amerika zu holen. Von 1914 – 1918 rüttelte der Erste Weltkrieg an den Entwicklungen in der Modeindustrie. Die Illustration löste langsam aber sicher die Fotografie in der Zeitschrift ab und plötzlich sah man die Damen „der höheren Gesellschaft“ in Modemagazinen. Die Courtiers reagierten schnell und begannen damit Schauspielerinnen, Sängerinnen, Reiche und Adelige mit ihren aktuellsten Kollektionen auszustatten, kostenlos – na klar! Eine Art der Werbung die auch heute gern angewendet wird. Das Brautkleid wird 1928 erstmals als Highlight und krönendes Ende einer Modenschau gezeigt, ein Jahr später werden die ersten Männermodenschauen veranstaltet. Herausragende Modeveranstaltungen präsentierte Elsa Schiaparelli, zudem brachte sie das knallige Pink in Mode, machte den Reißverschluss Salonfähig und verzauberte durch gradlinige elegante Schnitte. Aber noch viel interessanter ist, dass sie in den frühen 30er Jahren ihre Modekollektion „Le Cirque“ in ihrem Atelier von Zirkusartisten und -akrobaten zu einer atemberaubenden Vorführung machte. In diesen Jahren legte das Chambre Syndicale de la Couture, die uns heute bekannten Termine für die halbjährlichen Haute Couture Präsentationen fest. Darüber hinaus wurden die Kollektionen von üblichen 400 Teilen auf max. 100 Stücke limitiert. Der Zweite Weltkrieg schwächte die Modeindustrie ein weiteres Mal mit verheerenden Auswirkungen. Viele Designer mussten ihre Läden schließen, darunter auch Chanel. Da das NSRegime den Stoffeinkauf für das Europäische Ausland erschwerte, war die Basis der Arbeit genommen. Revolutionieren sollte Christian Dior die Modebranche in der Nachkriegszeit 1947 mit dem „New Look“ (nach Carmel Snow von Harper‘s
Bazaar). Die taillierte Kleidung, die wadenlangen, Halbtellerröcke antworteten auf den Verzicht der Kriegsjahre und versprachen eine neue und bessere Zukunft. Die Courtiers gaben ihren Shows bestimmte Charakteristika. Dior entwickelte eine Reihenfolge/ Dramaturgie der verschiedenen Kleidungsstücke (welche sich bis heute durchgesetzt hat). Coco Chanel entwickelt für ihre Models einen speziellen Gang. Hüften nach vorne, abfallende Schultern, eine Hand in die Tasche, die andere frei beweglich und natürlich die kühle und bestimmte Eleganz die Coco selbst verstrahlte. Ab den sechziger Jahren veränderten sich die Modenschauen, Paraden und Spektakel, denn sie waren nicht mehr ein Phänomen in der Haute Couture. Die Pret-a-Porter, in Amerika Ready to Wear, setzte sich durch. Design für die Massen, weniger Schneiderkunst, dafür bezahlbar. Mehr Spektakel, verrückte Ideen und Provokationen revolutionieren die Modenschau zum Modeevent. Mary Quant, die Erfinderin des Minirocks und Model Twiggi sind in bunter Erinnerung. Vivien Westwood holt den Punk auf den Laufsteg und macht durch ihre Kostüme für die Sex Pistols von sich reden. Die Modeschau ist kein elitäres Instrument der oberen Gesellschaft mehr, nun nutzen frische Designer und kreative Köpfe den Hype und die allgemeine Begeisterung um die Inszenierung für sich. Mode wird zum Ausdruck für Individualismus und zu einer Lebenshaltung. Ob nun Punk, Yuppie oder extravagante Partybewegung – jeder Style hat seine spezifische Handschrift. Die Kunst der persönlichen Inszenierung spiegelt sich auch in den Inszenierungen der Mode wieder. Schauen der Superlative, aufwändige Kulissen, bunte Farben, Happenings und Tableaus statt Catwalks, Performances, Fashion Weeks und Messen entwickeln sich. Modisch sein ist en Vogue. Die Modenschau hat sich zu einer Branche entwickelt in der Designer, Models, Stylisten, Fotografen, Videokünstler, Pressemenschen und Modenschauregisseure ein fester und etablierter Teil sind. Genug der vielen Worte, John Galliano trifft es auf den Punkt: Die Mode ist eine sehr aufregende Zukunft – ich habe noch nie eine derart brodelnde Atmosphäre erlebt.
Sehen “A tiny little nightmare” Eine kleine böse Nachtgeschichte von Kilian Ullmann Seite 20
Künstlerporträt Gabelhochzwei Ein Interview der persönlichen Art mit einem jungen K u n s t s c h a f f e n d e n a u s We i m a r Seite 28
a tiny little
Nightmare
Photographie Kilian Ullmann Styling Eli Schรถnbrunn
Modelle Eli Schönbrunn Daniela Garkov Ausstattung “Die Zwillingsnadeln” Assistenz Vincent Schünzel Licht Norma Brecht
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o t ä h r l t r e o p b r a e l t G üns “Jeder Mensch ist ein Künstler” Joseph Beuys
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Das Magazin XXX möchte euch einen jungen Kreativen vorstellen, der vielleicht nicht der typische Künstler ist, dafür aber schönes erschafft und außerdem ein begeisterter Anhänger der Badewannenkultur ist! Es ist die eine, mehrfach gepiercte, Hälfte des Künstlerduos Gabelhochzwei aus Weimar. Er selbst sagt er sei kein Künstler – aber wir sehen das anders. Nehmt euch die Worte von Beuys zu Herzen und entscheidet selbst!
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XXX: Wer bist du und wie geht es dir? Gabelhochzwei: Ich bin Paul und mir geht’s prächtig Das klingt prächtig. Du nennst dich g² warum? Muss ich das beantworten? Nein. Was machst du so? Äääh. Tja, was mach ich denn so? Ich arbeite als Buchbinder und in meiner Freizeit male ich sehr viel und betätige mich auch in einer Siebdruckwerkstatt und bin seit jahren verzweifelt damit beschäftigt Comics zu malen Warum verzweifelt? Weil ich die nie zu ende bringe und es nur Bruchstücke sind, ganz viele Brocken. Würdest du dich als Künstler bezeichnen? Nein.
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Was ist Kunst für dich? Können wir das streichen? Schön, mich interessiert es nur, was die Leute denken, weil es ja keine allgemeine Definition gibt. Ich würd das nicht als Kunst bezeichnen, was ich mache. Ich mach das nur um mich zu beruhigen, ich kann da abschalten. Was malst du so am liebsten, und wie? Am liebsten mit Finelinern, weil da so schöne Konturen entstehen, ich liebe feine Striche, so dass hell und dunkel Kontraste entstehen... Was inspiriert dich? Meine Freunde auf jeden Fall, all das was ich erlebt hab, meine Jugendzeit, verreisen, oder was man da erlebt, oft vom Wetter abhängig...
Arbeitest du grad an einem besonderen großen Projekt, hast du ein konkretes Ziel? Kein Ziel, ich hab meine Malbücher, die werden nie voll vielleicht ist es ein Ziel, sie mal vollzumalen aber eigentlich hab ich kein großes Projekt das letzte war was selbstgemaltes als Siebdruck zu machen. Aber das hat eher schlecht als recht geklappt, die Siebe waren nicht so gut... (zeigt Bilder) Das kenn ich! Hast du das im Netz? jaja... Erinnert mich an Friedemann Lichtental. Kenn ich nich... Der von Boytalk, mit der Brille, der Cheslo... Geiles Papier, hardcoreperfekt für Fineliner... ein richtig geiles Schwarz, wie gedruckt. OK, such dir ein Wort aus, Rock oder Rave? Rave Schwarz oder Weiß? Schwarz
Bier oder Wein? Beides What else... fuck is das Bild detailiert! (schweigen) Schön! Ich liebe es, wenn Fineliner ganz dünn sind, so 0,1 mm Du magst also Details? Ja ganz viele Details Malst du auch im größeren Maßstab also Wände oder so? Ich hab schon in mehreren WG´s mehrere Wände bemalt aber ich mag es nicht mit Pinsel zu malen. Das einzige wo ich mich mit Pinsel richtig ausgelassen hab war unten in der Gerberstraße hinter der Bar... Warum Gabelhochzwei?? So richtig weiß das keiner mehr, irgendwie haben wir als Jugendliche im Park gesessen, haben viel Langeweile gehabt und Lukas und ich haben aus Gaffa Gabeln geformt und in der Stadt verklebt und so kam das. Seit dem haben wir viel zusammen gemacht: Plakate, Fanzines, viel über Nacht und irgendwann ist es zu diesem
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Gabelding geworden, Buttons gemacht und Gabelarmbänder... und ich male hauptsächlich nur Charaktere. Warum? Charakter werden über die Jahre halt immer detailreicher. Auch wenn es nicht mein Bestreben ist, perfekt zu werden... Was ist Flop, was ist Top? Flop ist auf jeden Fall hmmm... Krocher. Das ist aber nur situationsbedingt. Was allgemeines... Geld? Geld is super. Wenn man es hat. Was ist Top?? Äähm ausgelassene Feten aber das is jetzt banal. Hedonistisch halt. Top ist die Erfindung der Badewanne. Dazu haste wohl eine leichte Affinität.. Ja und Flop sind die Krocher...
mehr von Gabelhochzwei auf myspace.com/gabelhochzwei
F체hlen V o m Tr 채 u m e n Tr a u m g e s c h i c h t e n u n d Tr a u m p o r t r 채 t s illustriert von Friedeman Lichtenthal Seite 34
Ego Shooter zu zehnt D i e D e f i n i t i o n v o n P r i va t s p h 채 re i n Vi e t n a m erlebt von Marie Heidel Seite 38
Vom Träumen Illustration Friedemann Lichtenthal “Träumen heißt durch den Horizont zu blicken” Egal wie rational man die Funktion des Traumes betrachten mag, ist man erstmal in einem gefangen, fällt die Unterscheidung zwischen vermeintlicher Realität und Traumwelt meist unmöglich. Der Traum war schon immer Inspiration und Nullpunkt unseres Verstandes zugleich – In Filmen wie “Waking Life” von Richard Linklater, oder “Akira Kurosawas Träume” wird diesem ganz speziellen Bewusstseinszustand besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Ist die “normale” Realität auch nur ein Traum aus dem man aufwachen kann? Haben Träume mit ihrer Symbolik eine Art universelle Sprache? Um letzteres zu ergründen möchten wir euch ein paar Träume präsentieren, die unterhaltsam, vielleicht aber auch aussagekräftig sind. Entscheidet selbst und lasst uns von euren Traumwelten hören!
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Es war ein Wochentag. Also wie üblich Totenstille in der Lieblingskneipe.Trotzdem hat dieser so gewöhnliche, nicht vielversprechende Abend eine wahrhaftig unvergessliche Anekdote geboren. Zu dritt, wie wir waren, saßen wir, wie gewohnt, in unserer Stammecke. Um die stumpfe Langeweile zu vertreiben, wurden nach einer kurzen Weile die skurrilsten Themen ausgepackt. Mein Kumpel erzählte von einem unterhaltsamen und zugleich dezent unappetitlichem Todesfall eines jungen Mannes mit der widernatürlichen Vorliebe, sich von Pferden beglücken zu lassen. Dessen Darm ist während des Verkehrs geplatzt und die dadurch freigelassenen Gifte haben sich augenblicklich im Rest des Körpers verbreitet. Ein schneller, jedoch sicherlich schmerzhafter Tod. Infolge dieser Darstellung wurden natürlich ausgiebig selbige und ähnlich perverse Gelüste ausgewertet, diskutiert, mit Ekel und zugleich großer Faszination bestaunt.
Unbewusst in gleicher Pose des vorher heiß diskutierten Opfers, blickte ich in meinem Traum hinter mich. Doch was ich sah, war nicht mein Freund beim Akt der Liebe, sondern ein Männerkörper mit monströsem Pferdekopf, sich mit keuchenden Stößen bewegend. Schweißgebadet erwacht, durch Ekel am ganzen Körper geschüttelt, nahm ich noch ganz verwirrt wahr, dass mein Freund, auch wach, den Akt der Liebe betreiben wollte. Dieses mal wies ich ihn zurück, voll Grauen in Erinnerung an den geplatzten Darm und den mörderischen Hengstschädel.
Anscheinend mit so großer Faszinazion meinerseits, dass mich auch im darauffolgendem Schlaf das Thema verfolgte. Anfangs schien mein Traum normal – der Vorzeige-erotische Traum mit dem eigenem Freund, der gerade neben einem liegt. Unschuld pur. Mit der Zeit wurde es leidenschaftlicher, wilder, animalischer….
“Das Pferd” von Cathleen Costa
Als Kind werde ich beim Klauen in einem HO-Markt (DDR „Supermarkt“) erwischt und schlage beim raus rennen aus dem Laden eine Fensterscheibe ein. Ich renne die linke Straßenseite hinunter und neben mir ist eine lange Hecke. Ich kann schon die Straße sehen, dort ist auch eine Wiese.
“Schwarz” von Friedemann Lichtenthal
Plötzlich ist der linke Weg wie abgeschnitten und ich falle ins Leere. Eine schwarze, große, dunkle und unheimliche Gestalt taucht vor mir wie aus dem Nichts auf und breitet ihre Arme aus. Da wache ich immer auf.
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„Der Doktor“ von Howard Marks
Ich gehe zu einem Arzt, weil ich schlimme Schmerzen habe. Mein Rücken und das rechte Bein... sind nicht mehr wie früher. Der Arzt schaut sich alles an und sagt: „Kein Problem. Wir behalten ihren Kopf und sie bekommen von mir dazu einen neuen Körper. Den alten Körper brauchen sie nicht mehr. Im Nachbarraum liegt schon der neue Körper für sie bereit. Sie können ihn gern mal begutachten, ob er ihnen gefällt.“ Ich gehe in den Nachbarraum und dort liegt auf einer Bahre ein Körper. Als ich ihn mir anschauen will, richtet er sich auf und umarmt mich und zieht mich zu sich herunter. Er ist kalt. Er ist der Tod.
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Ego Shooter zu Zehnt.. Text und Photographie Marie Heidel
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nd plötzlich musste ich anfangen zu heulen. Es war nicht die Kritik an sich, die Lola äußerte, sondern die Art wie sie es sagte verletzte mich. Dazu kam die Situation, dass ich mich in dem Moment, in dem ich gekränkt war, nicht zurückziehen konnte. Es gab keinen Raum, wo ich meinen Tränen freien Lauf lassen konnte. So unterdrückte ich den Wasserfall, der in mir hoch sprudelte bis der Damm nicht mehr standhielt. Drei Monate teile ich mir mit Lola eine Wohnung. Wir schlafen jede Nacht in einem Raum. Arbeiten jeden Tag am gleichen Ort. Verbringen so gut wie jede Minute miteinander. Bisher haben wir uns sehr gut verstanden und ich empfand die Zweisamkeit nie als störend. Doch in jenem Moment wollte ich einfach alleine mit meinem Schmerz sein. Lola nicht meine Verletzbarkeit zeigen. Ab diesem Punkt wurde mir klar, was Privatsphäre für mich bedeutet. In Deutschland hatte ich immer die Möglichkeit irgendwo hin zu flüchten, wenn es mir nicht gut ging und alleine sein wollte. In Vietnam ist man nie allein. Das liegt nicht unbedingt an meiner Unterbringung, sondern generell an der Mentalität der Vietnamesen. Das vietnamesische Völkchen ist ein geselliges. Das Leben spielt sich auf den Straßen, vor den Häusern ab. Dort sitzt die Mutter mit ihrem Kind und Oma am Straßenrand und schaut zu wie die Motorbikes vorüber düsen. Die schmalen Häuser ähneln Garagen auf denen einfach noch zwei oder mehr Etagen aufgestockt wurden. Das meist weit geöffnete Tor gibt den Blick frei auf das spärlich eingerichtete Wohnzimmer. Davor ist ein kleiner Kiosk mit Plastik-Höckerchen aufgebaut, um die Haushaltskasse aufzubessern. Auch Pho-Stube be-
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deutet hier man sitzt direkt in der Stube der Familie und lässt sich Essen bringen. Hinter der schönen DDR-Schrankwand mit Altar verbirgt sich mit Garantie das Bett, in dem die Oma schläft. Und die Wäsche hängt zum Trocknen im Flur. Am Anfang kommt man sich darin völlig fehl am Platz vor. Da schauen dich kitschige Familienbilder an und das Kind strullert gerade ins Töpfchen. Doch so ist das hier. Unfreiwillig nimmt man Teil am Leben der Familie.
»In Vietnam ist man nie allein« Letztens wurde ich von der Köchin des Zentrums für behinderte Kinder, in welchem ich arbeite, nach Hause eingeladen. Auch sie besitzt zusätzlich einen Klamottenladen. Hinter dem Laden befindet sich das Haus der Mutter. Doch lebt sie nicht alleine darin. Die Schwester von Nhung (die Köchin) und der Bruder wohnen zusammen mit Frau, Mann und Kind in dem kleinem Häuschen. Es besteht nur aus dem Laden, offener Küche und Bad. Das Dach ist undicht, weswegen an jenem Tag, an dem es wie aus Eimern regnete, die Küche feucht, kalt und nass war. Ebenfalls in der untersten Etage befindet sich das Zimmer der Mutter. Treppaufwärts finden die zwei jungen Familien Platz. Ein SpielSchlaf-Ess-Zimmer (es wird je nach Verwendung eine andere Reismatte ausgerollt), ein Altarzimmer (für den vor zwanzig Jahren verstorbenen Vater) sowie noch ein Schlafzimmer. Alles ist eng beieinander und die Wände sind nicht schalldicht. Doch so leben die
meisten Familien im ärmeren Teil Vietnams. Teilweise teilen sich die Familienmitglieder sogar zusammen ein Bett. Es ist nie anders gewesen. Nicht so wie in Deutschland, wo jedes Kind Recht auf ein eigenes Zimmer hat. Hier ist schon die erste Unterscheidung von Privatsphäre auszumachen. In deutschen Familien hat jeder trotz Zusammenlebens, die Möglichkeit und von Anfang an das Bedürfnis ab und zu alleine zu sein. In vietnamesischen Familien ist es Tradition, dass die Verwandtschaft unter einem Dach lebt und jeder am Leben des anderen Teil nimmt. So ist es üblich, dass der Sohn im Haus der Mutter bleibt und seine Frau dazuzieht. In Deutschland fliegt der Vogel früh aus dem elterlichem Nest, um sein eigenes Leben zu führen. Vietnamesen sind gerne unter Leuten und sind immer am Wohlbefinden der Anderen interessiert. Während in der westlichen Welt alle aneinander vorbei leben und keiner am Leben des anderen interessiert ist und es niemanden angeht, was man so tagtäglich macht, kann es schon aufdringlich erscheinen, wenn ein fremder Vietnamese dich fragt, ob du schon Reis gegessen hast, wie viel du wiegst und ob du verheiratet bist. Solche Fragen kommen in Deutschland nicht bei der ersten Begegnung über die Lippen.
Man ist in Vietnam einander ein wenig näher. Man trinkt Tee zusammen und genießt die Zeit miteinander. Die ersten Tage kam mir dieses Verhalten sehr merkwürdig vor. Warum will der jetzt wissen, wie viel ich wiege? Und nein, ich möchte wirklich noch nicht heiraten und vorerst auch keinen Vietnamesen! Hinzu kommt, dass Vietnamesen sehr auf Körperkontakt fixiert sind. Die Hand auf der Schulter, an der Hüfte oder sogar auf dem Po ist völlig legitim während eines Gesprächs. Da fängt meine zwanzig Jahre ältere Mitarbeiterin an mich in den Arm zu nehmen und zu knuddeln, so als wäre ich ihre aller beste Freundin. Ein anderes Mal wurde ich gefüttert! Auch habe ich mich daran gewöhnt, dass mir während des Mittagessens immer irgendwas zu Essen auf die Schüssel gelegt wird. Unvorstellbar in Deutschland, dass dir jemand mit seiner angelutschten Gabel im Essen rumgräbt. Und wer hätte schon Lust sich von seinem Chef kraulen zu lassen?!
Ein Deutscher beansprucht alleine im Bus zwei Sitzplätze. Ich musste schon mehrmals an der schweißigen Achsel eines Vietnamesen riechen, während die Sitznachbarin ununterbrochen kotzt, weil die Scheiben vom schlechtem Atem der Mitfahrer beschlagen sind. Angst vor Körperkontakt ist in diesem Land mehr als unpassend. Die Lieblingsbeschäftigung der Mitarbeiter während der Mittagspause ist es Mahjongg am Computer zu spielen. Selbstverständlich zusammen versammelt an einem Bildschirm. Auch als ich AlienShooter spielte, tummelten sich um die zehn Kinder um mich herum und gaben Ratschläge, wie ich welchen Alien zu töten habe. In Deutschland nennt es sich Ego-Shooter, in Vietnam Sozi-Shooter.
»Ein Deutscher beansprucht alleine im Bus zwei Sitzplätze«
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ch lebe also für ein Jahr in einem Land, in dem Privatsphäre ganz anders definiert wird, beziehungsweise in dem es so etwas wie Raum für sich selbst überhaupt gar nicht gibt. Da ich direkt auf dem Gelände wohne, wo ich auch arbeite, habe ich ständigen Kontakt zu den Kindern mit denen ich arbeite und zu meinen Mitangestellten. Morgens vor dem Weckerklingeln, stehen die Kinder bereits an der Tür uns schreien und klopfen, sodass man völlig genervt den Arbeitstag beginnt. Auch muss man damit rechnen, dass jeden Moment der Vize-Direktor hereingeplatzt, wenn man gerade unter der Dusche steht und seine frischen Klamotten noch im Schrank hat. Oder es steht einfach so der Pförtner in der Küche und kritisiert das Essen, welches man gerade gekocht hat und man selbst behauptet die Pampe sei typisch deutsch. Die vier anderen Freiwilligen, welche im Haus von Frau Bac Mohn zur Untermiete wohnen, sind ständigem Fernsehgeräuschen ausgesetzt. Von morgens um vier bis mitternachts läuft die Glotze. Und während Herr Bac Mohn sich seinem Medienkonsum hingibt, tappt Frau Bac Mohn durchs Haus, räumt auf und bringt Essen. Immer mal wieder lunst sie durch den Spalt der Schiebetür und freut sich über die Anwesenheit der reichen Weißen. Letztens trafen zwei meiner Mitfreiwilligen auf dem Markt ein Mädchen, was glaubte uns zu kennen (wie die meisten hier) und fragte, wo sie wohnen. Nichts böses ahnend gaben sie die Adresse an mit der Bitte nicht am selben Tag vorbei zu kommen. Am Abend stand sie urplötzlich in der Küche. Sie konnte so viel Englisch wie wir Vietnamesisch. Und doch kam sie die darauf folgende Woche jeden Tag. Zunächst waren alle sauer darüber, dass sie die Bitte missachtet hatte und die Dreistigkeit besaß sich immer wieder selbst einzuladen. Doch auch das ist nicht untypisch in Vietnam. Man möge es dreist, aufdringlich und völlig unangebracht nennen – in Deutschland. Aber wir sind hier in Vietnam! Ich blieb in der Küche sitzen, kämpfte gegen die Tränen an, doch schließlich gab ich mich den Tränen hin und die kleine Auseinandersetzung zwischen meiner Mitbewohnerin und mir wurde ausgesprochen. Alles ist wieder im Lot. Vielleicht ist es doch manchmal besser sich nicht abzuschotten und sich im Moment den Emotionen hinzugeben.
»Ich lebe also für ein Jahr in einem Land, in dem Privatsphäre ganz anders definiert wird, beziehungsweise in dem es so etwas wie Raum für sich selbst überhaupt gar nicht gibt.«
Hören The Awesome Soundsystem Die HipHop Band gibt uns ein ausführliches Interview und plaudert über das kommende Album Seite 46 H E A LT H I n t e r v i e w Die magischen vier Noisegötter aus Kalifornien plaudern mit u n s ü b e r F a r b e n , M u s i k u n d To u r e r l e b n i s s e Seite 52 Im Osten was Neues.. Te c h n o i n T h ü r i n g e n . D a s f ä n g t b e i d e s m i t “ T ” a n , d a s s i s t e i n gutes Zeichen! Und Mathias Kaden interviewen wir auch noch zu diesem Thema Seite 54
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Es war einmal ein Meister der Feierei (MC) und ein Plattenwechsler (DJ), die auszogen der Republik den HipHop zu lehren. Mittlerweile besteht das Awesome Soundsystem aus 9 Köpfen und vereint Concious Rap mit Funk, Jazz und jeder Menge Groove.
XXX: Guten Morgen, wie gehts? Alex (Schlagzeug): Sehr gut Ize (Rap): Sehr gut Alex: Ich komm aus dem Proberaum und mach eine Pause Ize: Ich komm aus einem Seminar, das mach ich aber wohl nicht weiter... Seit 1 1/2 Jahren gibt es nun das Awesome Soundsystem, wie hat das eigentlich angefangen? Alex: Na eigentlich gab es das Awesome Sounsystem ja schon 3 Jahre vorher als DJ/MC Duo. Dann habe ich das Bewerbungsvideo von Ize für die Bauhaus Uni gesehen, da hab ich sofort gedacht – das funzt mit Band – und ich glaub ich hab die 2 Richtigen angesprochn. Ize: Seit 1998 schreib ich Texte, Constantin und ein anderer Freund haben als “Breitseitfrontal” gerappt. Wir waren Freunde, ich hab geschrieben, mit gerappt und irgendwann gefeatured. Für ein Mixtape hab ich 2000 das erste Lied gemacht, ab 2003 hab ich dann öfter gefeatured bei BSF. “Bissfest” (Album der BSF Combo, Anmerkung der Redaktion) kam 2005 und danach war nicht mehr viel los, obwohl die Reaktionen der Leute gut waren. Ich wollte halt zusammen mit Jan (DJ Wildstyle) weitermachen. Dann haben wir uns für ein Projekt im Klock11 zusammengesetzt und dabei kamen wir auch auf den Namen. Ich hatte schon
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“Es ist ein Melting Pot der den Sound bestimmt. Zwischen Jazz, Funk und Pop – im HipHop vereint.”
viele Beats und so.. und Text halt auch schon. Erster Auftritt war 2005 im klock11. Dann haben wir 3 Jahre immer mal gespielt, vorallem in Weimar und dann kam das halt zum Alex und schon waren wir eine Band - das gab einen ordentlichen Push! Wie würdet ihr eure Musik und euch selbst eigentlich beschreiben? Alex: Ich glaub die Band besticht durch das bunt Zusammengemischte, die einen wie Niklas (Saxophon) sind ultra Jazzer, andere wie Martin (Keyboard) sind Popleute, ich komm eher aus dem Rock und Johannes ist sehr klassisch, die wirklichen HipHopper sind Ize, Jan und Const (Rap). Es ist ein Melting Pot der den Sound bestimmt. Zwischen Jazz, Funk und Pop - im HipHop vereint. Es ist nicht der reine Partybums, sondern auch textlich anspruchsvoll und dementsprechend tiefergehende Musik, als jetzt z.Bsp Punk oder so... selbst unser Housetrack ist recht komplex. Wir spielen recht songdienlich, wir dünnen auf dem Album auch etwas aus, damit die Texte noch besser rauskommen. Es geht also weg vom reinen Rap und bewegt sich in eine sehr niveauvolle musikalische Richtung. Eine Band grooved mehr als eine Platte, sie wirkt auch anders und unterstützt die Message. Die Leute kennen HipHop und haben meist ein schlechtes Bild, aber durch die Band sind sie überrascht, es geht organischer, musikalischer. Wir hören oft die Überraschung der Leute, die nicht dachten, das sie von HipHop so begeistert sein können. Ize: HipHop is ja eh nicht das, als was es in den Medien dargestellt wird. In Deutschland ist HipHop halt Bushido, nur Gangsterbla und voll auf der 90er Jahre Schiene, was ausgelutscht ist. Ghettoromantik is eh überholt, das ist nichts Wahres. Ich war schon immer mehr geflasht von HipHop der mich angesprochen hat und nicht nur über Crack gelabert hat. Alex: Im HipHop geht viel mehr ab als man denkt, man muss nur schauen. Was kann man von Awesome erwarten in den nächsten 1 1/2 Jahren? Alex: Jetz nehmen wir erstmal das Album auf in Erfurt, die Songs sind mehr oder weniger fertig. Das wird dann hoffentlich auf dem Bauhauslabel Marcel & Wassily released. Und wenn die Platte fertig ist müssen wir spielen, spielen, spielen. Die Band hat verdient das sie mal festgehalten wird. Wir haben schon soviel gemacht und wurden so oft gefragt, es ist schön mal ein richtig fertiges Produkt zu haben. Wir haben teils so tolle Texte, aber Live ist das nicht alles, wir haben auch Lieder zum Zuhören, das kommt besser von Platte Zuhause. Und natürlich ist es einfach wichtig auch mal endlich ein fertige Release zu haben. Wir wollen nicht nur den Live Sound reproduzieren, sondern auch ein bisschen experimentieren. Ize: Was Neues machen, mehr Bläser, es soll schon richtig gut werden. Ihr habt viel im Zughafen aufgenommen, mit Leuten aus der Clueso Crew. Jetzt seid ihr aber beim Bauhaus Label Marcel&Wassily, erklärt das mal genauer? Ize: Wir waren halt bei der Gründung sehr involviert, machen grad ne Menge Verträge fertig, wir haben einen Vertrieb namens Finetunes, über den werden wir alles vertreiben. Es wird erstmal ein Onlinerelease, wir müssen
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ja erstmal das Studio bezahlen und so weiter... mal schauen wie weit wir kommen. An sich wollen wir schon was pressen, was zum Anfassen. Wir möchten ja auch nen bissl Merchandising machen, wir kommen ja aus einer kreativen Ecke und müssten eigentlich schon was finanzieren können. Alex: Es ist ja grad kein Profitplan, es ist und bleibt eher ein Liebhaberprojekt von uns allen, weil es bei uns nicht das Geld war, das war nicht das Ziel. Ize: Der Grossteil der Kohle war ja nur für Studio und fahren - wir sind eine Nonprofitorganisation. Alex: Bei uns ist es “about the music”, wir sind schon alle professionelle Musiker, aber bei Awesome gehts nicht um Geld. Ihr seit mit 9 Mann eine große Gruppe, is das nicht manchmal problematisch, manche wohnen ja sogar weiter weg? Alex : Wir haben es ja bis jetzt so, dass wir schon länger zusammen spielen und deswegen alles gut funktioniert. Aber öfters treffen muss schon sein.. das ist schon manchmal problematisch, zum Glück sind wir aber alle so fit dass es trotzdem gut geht. Wir haben viel gelernt bei den Gigs, die Band weiß was sie bringen kann. Es war gut das wir soviel gespielt haben, viele Leute kennen uns schon und wir kennen uns. Was sind eure Inspirationen / Vorbilder? Ize: Ich mag ja Atmosphere sehr, der schreibt sehr vom Herzen, sehr tief, keine Angst seine Emotionen zu verstecken, das is Wahnsinn was der erzählt und lyrisch der Wahnsinn. MF Doom is sehr abstrakt und fasziniert mich auch, aber in diese Richtung will ich weniger gehen... Das ist so abgefahren, die Metaphern, da muss man sehr genau hinhören! Aesop Rock und MF Doom, haben eine ganz andere Art zu erzählen, die haben die abgefahrensten Rhymes des Planeten, wo jede Zeile ein Bild zeichnet. Klar haben die auch Lieder wo es recht normal läuft, aber die haben auch viel viel bizarren Kram. Alex: Musikalisch auf jedenfall The Roots, HipHop Band. Hocus Pocus sind ein Geheimtipp, die auch mit Band einen jazzigen, souligen Sound haben, sehr ähnlich wie wir, auch nicht total Party sondern eher chillig aber virtuos.
Hättet ihr mal Lust auf ein featuring, oder remixe? Wo geht ihr kreativ hin? Alex: Ja na klar! Ize: Das war schon immer unser Anspruch, wir wollten immer schon andere ins Boot holen, wir hatten ja auch viele Elektro Beats, es war schon so gedacht das es offen bleibt. Es wäre schon geil wenn mal ein Produzent einen Remix macht, muss man halt gucken wie das live zu spielen geht. Alex: Es gibt ja auch bei “Instinktiv nach vorn” ein RJD2 Sample, was von der Band live eingespielt wird. Solang das auf dem künstlerischen Weg und nicht nur billig ist, haben wir da Bock drauf. Aber Saa Recordz würde ich keinen Auftrag geben.
Habt ihr noch ein paar Worte an die Leser zum Ende unseres Gesprächs? Wir lieben euch alle! Lang lebe der Groove. Das Album kommt! Behaltet uns im Auge, sonst steht ihr dann dumm da! Weil das wird gut, wir freuen uns aufs Studio damit wir noch richtig schön basteln können. Wir waren sehr livelastig bisher, aber jetzt machen wir ein richtiges Studioalbum, was gut zu unserer Musik passt. Es wird strukturierter werden. Ize: Es wirken auch die ruhigen Sounds viel mehr in Ruhe zu Hause oder über den Ipod im Park als bei einer exzessiven Party..
myspace.com/awesomesoundsystem
Interview
HEALTH Gesundheit! Wer bisher Noise Rock mit dunkler Kleidung, Gebrüll und atonalen Gitarrensoli in Verbindung brachte, wird von HEALTH aus Kalifornien eines besseren belehrt. Statt Distorsionfilter echte Kompositionen und Arrangements jenseits von Geschraddel – HEALTH definiert die Grenzen seines Genres neu! Der Crystal Castles Remix von ihrem Song “Crimewave” machte eine tüchtige Welle in den UK Charts und spült sie nun endlich auch nach Europa! XXX sprach darüber mit Bassist John Famiglietti Wir mögen den Namen “HEALTH”. Ist der Name mit einer Intention gewählt wurden? Wir wollten einen Namen der kalt und futuristisch ist. Mit dem Namen HEALTH, wollten wir eigentlich nicht mit Gesundheitsoder Ernährungsbildern verbunden werden. Deshalb verwenden wir bei unseren Kunst- und Merchandiseprodukten keinerlei Naturgrafiken. Von welchem musikalischen Hintergund kommt ihr 4? Wir kommen alle aus der Rockrichtung, mehr oder weniger. Wir mögen alle dieselben Dinge, begannen aber alle mit einer Vorliebe für unser jeweiliges Subgenre. Jake: Punk, John: Punk, Jupiter: Metal, BJ: Classic Rock. Ist eure Musik gesund? Nein. Die ist schlecht für die Ohren! Ihr macht noch viel neben eurer Musik. Ihr macht erstaunliche Mode, lustig debile Videos und erschafft nebenher noch Goldene Tickets die man mit Glück in euren Plattencovern finden kann. Ist HEALTH für euch mehr eine Marke als eine Band? Oder ist euch Musik allein einfach zu langweilig? Eher wie eine Marke. Bands haben soviele Möglichkeiten um das Erscheinungsbild ihrer Band zu beeinflussen. Wir finden das sehr aufregend.
Ohne Zweifel überschreitet euer Stil die Grenzen des “Noise Rock”. Was sind eure Einflüsse und wohin wird HEALTH musikalisch gehen? Wir wollen HEALTH weiter entwickeln und voranbringen, weiter fliessen lassen und dabei das Vokabular erweitern. Wir wollen es effektiver machen. Eure Mode und visueller Stil ist sehr farbenfroh, glaubt ihr Farben haben positive Kräfte? Was inspiriert euch für eure Designs? Nein. Wir nutzen die hellen, grellen Farben mit Grund, denn wir machen laute und destruktive Musik aber wollten uns von der Last der “Heavy Bands” befreien, die dunkel und düster aussehen. Wir wollten uns nicht in eine Schublade stecken lassen nur weil wir laut sind, wir wollten als eine neue Band existieren. Unsere Grafiken sind inspiriert von Werbung, altem Layout, Katalogen, meist eine Faszination wie man Dinge auf einer Seite komponieren kann. Es ist nun 2010, was erwartet ihr von der Welt in den kommenden 10 Jahren? Wir erwarten große Sprünge in der Computer Technologie. Jeden Tag werden die Dinge immer interessanter! Meint ihr Noise Rock wird kommerzieller werden in naher Zukunft?
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Ja. Aber das sag ich nur so. Es scheint nicht viele Bands zu geben, in diesem Genre, die es weit schaffen. Rock oder Rave? Rock Schwarz oder Weiss? Weiss Welche Künstler favorisiert ihr im Moment und habt ihr Pläne für Remixe oder Kollaborationen? Ich mag besonders gerade Solo Elektro Acts, Pictureplane, Gold Panda und Jay Orbison. Momentan arbeiten wir an einem Remix Album “DISCO2”, welches im Juni erscheinen wird. Gibt es endlich mal eine Chance euch in Europa zu sehen? Oh ja wir können echt nicht mehr warten. Spätestens im Sommer! Zum krönenden Abschluss, was war euer krassestes Erlebnis während eines Konzertes oder auf Tour? Wir haben für Nine Inch Nails als Vorband gespielt und nach 3 Liedern waberte dieser schrecklicher Gestank die Bühne herauf. Plötzlich fingen alle Leute an zu schreien und auf jemanden zu zeigen, dann wurde dieses arme Mädel über die Barriere gehoben, mit Scheisse die ihr die Beine runterlief (sie trug kurze Hosen). Braune Anekdote? healthnoise.com myspace.com/healthmusic
n e t s O . . Im s e u e N s a w
Wächst man in einer provinziellen Gegend wie Thüringen auf, überkommt einen schnell das Gefühl, das jenes große und famose Leben woanders geschieht – es scheint, man ist am stagnierendsten Ort der Welt gelandet. “Der Osten” ist ja eh ein Synonym für sympathische Rückständigkeit in den Köpfen vieler. Umso bemerkenswerter, das gerade aus diesen Oasen der Lethargie immer wieder Großes kommt. So geschehen mit den sympathischen Jungs um das “Freude am Tanzen” Label, welche in ausverkauften Clubs in aller Welt spielen, oder auf einer Studentenparty bei euch um die Ecke. Wir sprachen darüber mit DJ und Produzent Mathias Kaden.
Die Technokultur ist ja eigentlich eine, die in der großen Welt zu Hause ist und die überall dort wo sie sich niederlässt – ob nun im wiedervereinten Berlin oder im stickigen Detroit – einen Hauch von Globalisierung verspricht. Nicht ohne Grund fällt ihre Hochzeit auf das Ende des kalten Krieges und damit auf den Zeitpunkt, an dem es nicht mehr zwei Lager sondern tatsächlich eine Welt gab. Dieser Flair von Welt will nun so gar nicht nach Thüringen passen, in dieses verschlafene Stück Wald mit ein paar Dörfern und Bauern und trotzdem hat sich hier eine rege elektronische Musikszene entwickelt, die schon seit einiger Zeit enormen Einfluss auf die Technometropolen nicht in Deutschland hat. Die größte Rolle dabei spielt wohl das Jenaer Label „Freude am Tanzen“, welches 1998 sein erstes Release hat, dem sich inzwischen 46 Veröffentlichungen anschlossen. Namen wie Marek Hemmann, Matthias Kaden oder die Wighnomy Brothers sind ja inzwischen nicht nur im mitteldeutschen Bereich zumindest denen ein Begriff, die Wochenends nicht im Wald sitzen müssen, weil kein Bus in die nächste Stadt mehr fährt. Doch nicht nur reichlich, inzwischen enorm erfolgreiche, DJ´s und Producer kommen aus dem Dunkel des thüringer Waldes gestapft, sondern ebenso hat sich eine recht großstädtisch anmutende Kultur zwischen Kuhstall und Acker herausgebildet. Auch hier spielt wohl Jena eine zentrale Rolle. Während normalerweise Techno in Thüringen Dorfdisko mit
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Goldkettchen und Top40 DJ´s bedeutet, ist es in Jena vor allem mit dem Kassablanca und dem Plattenladen „Fatplastics“ gelungen, eine Kultur zu etablieren, die weitaus angenehmeres verspricht, als das, was man als ausgehlustiger Jugendlicher in Thüringen von Parties in Rummelbuden und Brauereiparkplätzen kennt. So war es auch möglich, dass sich ein Sound etablierte, der Abstand nahm von dem Techno, welches bereits Anfang der 90er seinen Platz im Radio gefunden hatte. Jetzt war es nicht mehr nur Four to the Floor und bouncige Bässe, die zum Tanzen brachten sondern viel mehr ließ man sich von Jazz, Deephouse und minimalen Beats beeinflussen, deren Mischung den typischen Jena – Kassa – FAT Sound ausmacht. Dass der Fatplastics dabei eine wichtige Rolle spielt, ist kein Zufall. Selbst in Berlin fällt es schwer, neben dem Hardwax ein ebenso gut sortieren, geschmackvoll zusammengestellten und vor allem familiären Laden zu finden. Inzwischen gilt er als einer der besten Plattenläden Deutschlands. Doch hier zeigt sich auch, dass doch noch ein bisschen bäuerische Mentalität in der thüringischen Technoszene steckt. Im eisernen Kampf gegen den Tod des Vinylbusiness – der digitalen Musik und vor allem dem Auflegen, dass sich nur noch am Computer abspielt – steckt doch ein bisschen von dem drin, was wir alle so ätzend an altbackenen Thüringern finden, die immer noch Oberlippenbärte tragen und damit auch noch voll im Trend liegen, weil mittlerweile Retro ja äußerst hip ist..
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so viel Umbruch wie bei uns aber trotzdem hat sich auch da einiges verändert. Das Leben ist überall nicht so leicht, aber ich denke bei uns muss man sich noch mehr drehen als Woanders. Ich hoffe in 20 Jahren hat sich das Alles ausgeglichen.
Hallo Mathias, wie gehts dir und wo hat es dich gerade hin verschlagen? Mir geht es sehr gut, bin gerade aus Amerika wieder gekommen und bin ganz froh mal ein paar Tage zu Hause zu sein! Du kommst eigentlich aus Gera und hast auch dein viel gelobtes Album “Studio 10” dort aufgenommen. Was macht das Leben in einer Stadt wie Gera für dich aus? Nicht nur eigentlich... Ich komme aus Gera, bin zwar nicht hier geboren aber seit meinem 8 Lebensjahr ist Gera mein zu Hause! Ich habe meine ganzen Freunde hier und ich fühle mich in der Stadt des „altersgerechten Wohnen“ immer noch sehr wohl. In unserem Stadtteil Langenberg habe ich zusammen mit einigen Freunden ein eigenes Haus, wo sich unter anderem das „Studio 10“ befindet. Mein persönlicher Rückzugsort...
Was inspiriert dich mehr, das Reisen und Rumkommen in der Welt oder die Ruhe in der Ostprovinz? Es sind viele Dinge, die mich inspirieren: meine Reisen, die damit verbundenen verschiedenen Kulturen aber auch alltägliche Geräusche in unserer Umwelt. Ich höre selbst sehr viel Musik. Von den Anfängen der elektronischen Musik über Pop der 80er bis hin zu Jazzmusik. Thüringen hat eine sehr überschaubare, aber doch für die ländliche Gegend sehr rege Technoszene, die doch ganz anders ist als beispielsweise die in Berlin. Warum ist das deiner Meinung nach so und welche Gegenden “entsprechen” Thüringen in punkto Techno?
Gera ist eine ziemlich typische Ostdeutsche Stadt, empfandest du das jemals als Nachteil für deine persönliche Entwicklung oder auch deinen musikalischen Erfolg? Nein nie, wenn du weißt was du machen möchtest und ein gewisses Engagement aufbringst ist es egal woher du kommst oder wo du wohnst! Der einzige Nachteil wenn du in Gera wohnst sind die Reiseanbindungen, aber daran gewöhnt man sich auch. ;-)
Thüringen allgemein ist sehr elektronisch... Ob House oder Techno, hier ist und war schon immer eine super Szene für unsere Musik, die sich Mitte der 90er entwickelt hat! Wir haben schon immer unser eigenes Ding gemacht. Natürlich hat man sich in den Anfängen sehr von der Technokultur aus Frankfurt und Berlin inspirieren lassen aber wir haben unsere ganz eigene Interpretation daraus gemacht, die bis heute anhält. Wie wichtig schätzt du Freude am Tanzen für die Entwicklung der ostdeutschen Technoszene?
Was macht für dich Heimat aus? Heimat bedeutet für mich schöne Erinnerungen, Freunde, Familie und einfach zu Hause fühlen. Machen Begriffe wie Heimat überhaupt noch Sinn in deinen Augen? Das Leben wird ja, dank Internet und neuen Kommunikationsformen, zunehmend von dem geografischen Standpunkt unabhängig. Ja sehr, gerade weil ich so viel reise ist das sehr wichtig für mich! Natürlich macht das Internet alles möglich und es erleichtert so vieles aber ich bin kein großer Internetfan. Ich mag es mehr die Leute um mich herum zu sehen anstatt sie in einem Chat zu treffen. Wie denkst du unterscheidet sich das Leben und Denken in den “neuen” Bundesländern, verglichen mit dem Leben in den “alten” Bundesländern? Bei uns in den neuen Bundesländern hat sich die letzten 20 Jahre einiges verändert... im Grossteil zum Guten aber auch teilweise zum Schlechten z.b. die Arbeitssituation ist immer noch sehr schlecht... speziell in Gera. Hier habe ich oft das Gefühl, dass schon einige junge Leute kapituliert haben und sich einfach nur noch treiben lassen. Wenn ich dagegen Jena sehe, ist da der Aufschwung schon längst geschehen und in Sachen Mietpreise machen die den alten Bundesländern nichts mehr vor. In den alten Bundesländern gab es nicht
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Freude am Tanzen war und ist eine sehr wichtige Institution für den House- und Technomarkt auf der ganzen Welt. Unser Label gibt es schon seit 12 Jahren. Das Label wurde mit klassischer Housemusik gestartet und hat sich über die Jahre weiter entwickelt und seinen ganz eigenen Stil entwickelt! Ganz entscheident dabei waren die Wighnomy Brothers und Robag Whrume, die das Label zu dem gemacht haben was es heute ist! Du hast inzwischen international Erfolg als DJ. Wo legst du lieber auf: zu Hause in Jena oder in der weiten Welt? Natürlich ist es schön zu Hause in der Muna oder auch bei uns im Kassa aufzulegen, aber nach vielen Jahren macht es auch sehr Spass seine eigene Musik der Welt zu präsentieren und in verschiedene Länder zu reisen. Es ist auch sehr wichtig sich weiter zu entwickeln und nie stehen zu bleiben. Was ist für dich wichtiger - das Produzieren oder das Auflegen? Beides ist gleich wichtig für mich... Du hast neben Freude am Tanzen auch bei anderen Labels (vakant, we are) released. Wo besteht da der Unterschied und bei welchem Label fühlst du dich wirklich zu Hause?
Meine beiden Labels sind Freude am Tanzen und Vakant!! FAT ist mehr meine Houseseite und Vakant mehr meine Technoseite! Ich finde es wichtig für einen Künstler sich zu positionieren anstatt auf vielen verschiedenen Labels seine Musik zu releasen. Du legst öfter mit anderen DJ´s zusammen auf - z.B. Onur Özer oder Johannes Moses. Was macht dir mehr Spass allein aufzulegen oder mit Partner? Den Großteil meiner Auftritte bestreite ich Alleine... Aber umso schöner ist es, wenn man sich dann mal den Abend und die damit verbundenen Emotionen mit Jemanden teilen kann. Du benutzt meistens Platten und CD´s zum DJ´ing - was ist angenehmer für dich und welche Technik nutzt du und wie stehst du dem Trend von Serato Final Scratch u. Ä. entgegen? Ich spiele mit Schallplatten und auch Cd´s, was ich für mich am angenehmsten empfinde. Die ganzen Final Scratch- und Serato Sachen sind sehr interessant aber für mich noch keine wirklichkeit des DJ- Daseins. Zu guter Letzt, wo denkst du wird die Technoszene hingehen in unserer Ecke der Welt, siehst du bestimmte Strömungen, Entwicklungen? Die elektronische Tanzszene ist in den letzten 5 Jahren so groß geworden, dass sie sich auch in der kommerziellen Bandbreite Platz geschaffen hat. Ich bin selber sehr gespannt wo es hingeht... Ich denke nach dem großen Houseaufschwung kommt der Techno wieder (der aber auch noch nie weg war)... Wir werden sehen!!!
www.myspace.com/mathiaskaden mathiaskaden.de
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Impressum Magazin XXX Denken • Sehen • Fühlen • Hören Entstanden im Studiengang Mediengestaltung an der Bauhaus Universität Weimar Betreut von Prof. Ben Sassen und Juliane Fuchs Verwendete Schriften Goudy Heavyface, Goudy Catalogue, Platin Idee, Layout, Photographie und Text Kilian Ullmann “Denken” Bild von Benedikt Maurer “Sehen” Bild von Paul Staupendahl “HEALTH” Bild von Sarah Marschall “Festung Europa” Bild von Feuerbach / photocase.com Gedruckt bei druckspezialist.de April 2010