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„Am Hafen mit Vogel“ am Hessischen Landestheater mit Mechthild Grabner und Artur Molin. Foto: Jan Bosch
„Wie geht Erinnern einer Stadt?“ Stadtschreiberin Anah Filou
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it der österreichischen Autorin Anah Filou kommt die erste Stadtschreiberin nach Marburg. Doch die Wienerin ist an der Lahn bereits keine Unbekannte mehr. Express: Premiere für Marburgs allererste Stadtschreiberin – Frau Filou, haben Sie Lampenfieber? Anah Filou: Habe ich! Es ist ja nicht nur eine Premiere für Marburg, sondern auch eine für mich. Und der Ausblick darauf, basierend auf meinen Recherchen vor Ort zum 800-Jahr-Jubiläum der Stadt einen Theatertext schreiben zu dürfen, macht das Lampenfieber nicht geringer. Insgesamt werde ich drei Monate in Marburg verbringen und werde danach, also im Juni 2021, im Austausch mit dem Hessischen Landestheater Marburg beziehungsweise der Regisseurin des zukünftigen Textes Carola Unser, mit der Schreibar-
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beit beginnen. Das Datum dieser Premiere steht übrigens auch schon fest: 11. Juni 2022. Was macht eine Stadtschreiberin? Fun fact: Ich habe heute erfahren, dass es hier auch einen Landschreiber gibt. Derzeit wohnt der Autor Marcus Braun auf Einladung des Vereins „Zwei Raben: Literatur in Oberhessen“ im Künstlerhaus des Malers Otto Ubbelohde in Goßfelden bei Marburg. Wahrscheinlich sollten wir uns mal kennen lernen. Wahrscheinlich sollten wir mal über Stadt, Land, Lahn und Schreiben sprechen. Jedenfalls: Insgesamt drei Monate verbringe ich in Marburg, diese drei Monate stehen unter den drei Überschriften des großen StadtGeburtstagsprojektes. Denn die „Stadtschreiberei“ ist Teil des Beitrags des HLTM zu „Marburg800“. Derzeit recherchiere ich in Sachen „Marburg erinnern“, im Januar
komme ich wieder für „Marburg erleben“ und im Mai 2021 werde ich mich mit „Marburg erfinden“ beschäftigen. Um die eigentliche Frage zu beantworten: Diese Stadtschreiberin liest, spaziert und hört grad sehr viel zu. Und schreibt mehr nebenher. Was planen Sie und wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor? Am 15. September haben Carola Unser und ich unsere ersten Gedanken zum Vorhaben im Rahmen der Auftakt-Veranstaltung „Torten & Texte“ im Theater im Schwanhof präsentiert. Dazu gab’s einen Text meinerseits, Titel: „Von Wien aus liegt Marburg vor allem in Slowenien“, in dem ich mich an mögliche Zugänge herantaste. Wie geht Erinnern einer Stadt? Große Frage. Bei dieser Auftakt-Veranstaltung wurde mir vom Oberbürgermeister Thomas Spies ein Bücherkorb überreicht.
Ich bin nun eingedeckt mit Marburger Stadtschriften aus dem Rathaus-Verlag und lese über „Das Jahr 1933 im Spiegel der Marburger Lokalpresse“ oder über „Die Marburger Hexenprozesse“. Außerdem wurde ich im Gespräch mit dem Publikum auch eingedeckt mit Adressen, Personennamen, Ausstellungen, Institutionen, mit Orten, die ich aufsuchen, Gespräche, die ich führen soll, und habe im nächsten Monat jedenfalls gut zu tun. Zur Stadtschreiberei braucht es ja zweierlei. Nämlich „Schreiben“ und „Stadt“. Und das Schreiben übernehme ich. Aber „die Stadt“, die eine, gibt es die? Wir wollen versuchen, vielfältige Perspektiven auf Marburg kennen zu lernen. Insofern: Ja. Es gibt Pläne. Es gibt einen dichten Monatsplan. Es gibt aber auch Spontaneität. Ich navigiere mich von einer Begegnung zur nächsten.