Marburger Magazin Express 42/2020

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den werden, weil die Schüler an der Erstellung des Lehrmateriales direkt beteiligt waren. Viel stärker, als wenn ich es im Unterricht an einer Tafel erkläre und dann das fertige Blatt mit nach Hause gebe. Was mir einleuchtet, da diese neue Art des Arbeitens viel mehr den Aspekt des entdeckenden Lernen fördert, den Ansatz, den ich als am sinnvollsten erachte. Bei allen Schülern, die zu Hause mit den Playbacks üben, stelle ich eine viel schnellere Entwicklung in Sachen Rhythmik und Intonation fest und auch generell, dass man wieder mit Freude übt, da Musik immer mehr Spaß macht, wenn man mit anderen zusammen spielen kann, selbst wenn es nur eine „Midi-Band“ ist.

Dirk Kunz Foto: privat

Entdeckendes Lernen Neue Unterrichtskonzepte in Zeiten von Corona

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ie Freude am Üben kommt zurück: Musiklehrer Dirk Kunz erzählt im Express-Interview, wie sein Präsenz-Unterricht von Arbeitsmethoden aus den Monaten des Online-Lernens profitiert. Kunz unterrichtet Bass an der Musikschule Marburg.

Express: Wie wirken sich die aktuellen Beschränkungen auf Deinen Unterricht aus? Dirk Kunz: Von der Unterrichtsplanung im Vorfeld her hat sich gar nicht so viel verändert. Mein Unterricht setzt sich im Grunde aus verschiedenen Feldern zusammen, die sich an den individuellem Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler ausrichten. Verändert hat sich durch die CoronaZeit vor allem die Nachbereitung. Sind die Schüler sonst mit ausgedruckten Blättern oder handschriftlichen Notizen nach Hause gegangen, gibt es heute eine Mail mit PDFs, Übeanleitungen und Playbacks zu den Übungen dazu. Diese wurden gemeinsam im Unterricht erarbeitet und entworfen. Meine Schüler sagen, dass auf diese Weise das Üben zu Hause zielführender und effizienter wurde. Und vor allem mehr Spaß mache.

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Welche konkreten Änderungen hast Du mit Deinen Schülern eingeführt? Durch den Onlineunterricht habe ich immer mehr die Monitorshare-Funktion genutzt. Da ich meine Materialien mit Hilfe eines Notenschreibprogramms erstelle, konnte ich meinen Bildschirm zur Ansicht freigeben und zusammen mit dem Schüler direkt im Programm das Arbeitsblatt erstellen. Als dann wieder Präsenzunterricht möglich war, habe ich überlegt, wie kann ich diese Art des gemeinsamen Erstellens und Teilhabenlassens der Schüler bereits beim Anlegen eines Arbeitsblattes im Unterricht analog umsetzen? Die Antwort die ich gefunden habe, war ein Beamer. Seit Wiederaufnahme des Unterrichts wird also das zu erarbeitende Material schon beim Erstellen eines neuen Arbeitsblattes im Unterricht an die Wand projiziert, und wie im Onlineunterricht können wir dann gemeinsam das Lernmaterial jeweils auf den individuellen Schüler zugeschnitten erstellen. Kommen wir zum Musizieren ... Eine weitere Neuerung war das Erstellen von Playbacks zu den Übungen. Im Instrumentalunterricht wird viel Wert darauf gelegt,

dass man gemeinsam Musik macht. Durch das Mitspielen des Lehrers werden notwendige Fähigkeiten zum Zusammenspiel auf spielerische Weise mit anderen erlernt. In den Zeiten von Onlineunterricht war aber das große Problem, dass aufgrund der Verzögerung bei Übertragungen genau dieser Aspekt nicht mehr gegeben war. Das brachte mich auf die Idee, zu jeder Übung ein Playback zu erstellen, so dass die Schüler dadurch immer ihre Übungen in einem gesamtmusikalischen Kontext üben können. Wie beurteilst Du die Veränderungen, was sind die Resultate? Ein Resultat ist, dass die Unterrichtsinhalte viel besser verstan-

Wie werden sich die Änderungen künftig auf Deinen Unterricht auswirken? Meine Unterrichtsinhalte sind gleich geblieben, auch meine Konzeption des Unterrichts. Aber durch diese Änderungen habe ich einen viel schnelleren und mehr Spaß machenden Zugang gefunden, den Schülern das notwendige Wissen zu vermitteln. Manche meiner Schüler bringen mittlerweile nur noch ihr Tablet in den Unterricht mit, haben alle Unterlagen da drauf, und ich schicke ihnen direkt die neuen Inhalte rüber. So hat man auch noch einen Weg gefunden, Papier zu sparen. Für mich ist die größte Auswirkung, dass tatsächlich alle erstellten Arbeitsblätter direkt digitalisiert abgespeichert werden und sich meine Lehrmaterialsammlung auf diese Weise nach und nach von selbst vergrößert und nichts mehr verloren geht, was vorher auf ein Blatt Papier handschriftlich geschrieben wurde. Das Neuordnen und Überarbeiten bedeutet natürlich für den Lehrer einen größeren Aufwand in der Nachbereitung. Kommt aber im Endeffekt allen zugute.

MiA/pe

Dirk Kunz Der im Saarland geborene Kontrabassist studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Mannheim und machte sein Diplom 2009 mit Bestnote. In seinen Studienjahren war er Mitglied im Bundesjugendjazzorchester sowie der European Masterclass Bigband. In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und Peter Herbolzheimer war er als Dozent für Rhythmusgruppe in der Ukraine, Deutschland und Frankreich tätig. Heute lebt und unterrichtet er in Marburg und ist gefragter Sideman quer durch die Stilistiken. Dirk Kunz hat bislang an 14 CD-Produktionen mitgewirkt, von Pop über Jazz bis hin zu Theatermusik.


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