NZZ am Sonntag - Bitcoin

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Wirtschaft

NZZ am Sonntag 13. Juli 2014

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Auch die Schweiz hat eine Bitcoin-Szene Der Bundesrat hat Ende Juni einen Bericht über virtuelle Währungen publiziert. Damit sorgt er für Rechtssicherheit und löst Investitionen aus. Markus Städeli Die Firma SBEX hat in Kanada zehn Bancomaten der besonderen Art geordert: Man kann an diesen zwar Bargeld beziehen. Aber nur, wenn man im Gegenzug Bitcoins verkauft. Die meisten Benutzer werden ohnehin den umgekehrten Weg wählen und die Geldautomaten mit Franken füttern, um Bitcoins zu erhalten. «Wir wollen die zehn BitcoinBancomaten einen nach dem anderen in Betrieb nehmen, bis etwa Ende Jahr», sagt Firmenchef Alexis Roussel. Er ist auch Präsident der Piratenpartei. Die Geldautomaten der Partner-Firma BitAccess sind zwar schon in einigen Ländern in Betrieb. «Wir mussten aber Schweizspezifische Anpassungen vornehmen, damit sie Franken und Euro verarbeiten können und auch den legalen Rahmenbedingungen hier entsprechen», so Roussel. SBEX hat weitergehende Ambitionen: «Unser nächster Schritt ist, einen Online-Handel mit Bitcoin zu lancieren. Letztlich wollen wir aber zu einer Bank werden, bei der man KryptoWährungen sicher aufbewahren kann», sagt Roussel. Dass es der Firma mit Gründungsdatum Februar 2014 ernst ist, hat sie bereits ein erstes Mal unter Beweis gestellt: Sie schloss sich einer Selbstregulierungsorganisation in der Romandie an – wie es etwa auch unabhängige Vermögensverwalter tun. Über solche Organisationen stellt die Finanzmarktaufsicht Finma sicher, dass die Schweizer Geldwäscherei-Vorschriften eingehalten werden. Das Jungunternehmen nimmt zudem die Dienste der Audit-Firma KPMG in Anspruch. SBEX hat am 25. Juni auch Rückenwind von höchster Stelle bekommen. Der Bundesrat veröffentlichte einen Bericht über virtuelle Währungen. Er verweist pragmatisch auf bestehende Regelungen wie das GeldwäschereiGesetz und stellt fest, dass darüber hinaus kein «gesetzgeberischer Handlungsbedarf» bestehe. «Ich bin sehr zufrieden mit dem Bericht des Bundesrats», sagt SP-Nationalrat Jean Christophe Schwaab. «Er bringt Rechtssicherheit, indem er virtuelle Währungen dem bestehenden Recht unterstellt.» Er fände es wichtig, dass der Schweizer Finanzplatz diese Innovation nicht verpasse, sagt Schwaab, der wie auch GLP-Nationalrat Thomas

ANITA AFFENTRANGER

Neuenburger Firma will im ganzen Land Bitcoin-Bancomaten aufstellen und zur Bank werden

Einmal Bitcoin, bitte! Der Bancomat im Kafi Schoffel schluckt Franken und gibt Bitcoin aus. (Zürich, 11. Juli 2014) Weibel mit einem Postulat den 32-seitigen Bundesratsbericht auslöste. Schwaab berichtet von einer Art Saulus-zu-Paulus-Erfahrung: «Noch vor drei Monaten war ich sehr skeptisch und dachte, Bitcoin sei vor allem ein Vehikel für Geldwäscherei und den Kauf von illegalen Drogen und Kinderpornografie.» Nachdem er sich vertieft mit dem Thema auseinan-

dergesetzt habe, sehe er heute Bitcoin primär als ein Zahlungsmittel, das schnell und sehr kostengünstig sei und grenzüberschreitend funktioniere. Das dezentrale System von Bitcoin könne zum Vorbild für eine Reihe von Innovationen werden, hofft er. In der Schweiz fehlt es nicht an Initiativen. «Derzeit bauen wir in Neuenburg ein Haus, das zum In-

Achterbahnfahrt

Virtueller Geldbezug

Der Wert von Bitcoin in Dollars

kubator für Jungunternehmen wird, deren Geschäftsmodell mit Krypto-Währungen zu tun hat», sagt Roussel. Es gebe auch bereits einen Branchenverband mit 10 Unternehmen. Insgesamt beschäftigen sich wohl zwei Dutzend Firmen in der Schweiz mit virtuellen Währungen. Darunter auch der Pionier Allan Hertmanowski, der im Zür-

cher Kafi Schoffel einen BitcoinAutomaten betreibt. Nachdem er deswegen Probleme mit der Finma bekommen hatte, konnte er im Juni den Betrieb mit gewissen Auflagen wieder aufnehmen. Doch bergen virtuelle Währungen überhaupt wirtschaftliches Potenzial? Es ist ja nicht gerade bahnbrechend, am Geldautomaten Bitcoins zu erwerben und sie

So funktioniert es

1000 $ 800 600 400 200 0

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Quelle: Coindesk.com

Bitcoin ist ein rein virtuelles Zahlungsmittel in Gestalt eines digitalen Codes. Es existieren weder Noten noch Münzen. Im Internet gibt es verschiedene Plattformen, die den Kauf oder Verkauf von Bitcoin erlauben. Erwähnenswert ist etwa die finnische Firma LocalBitcoins. com, die Käufer und Verkäufer zusammenbringt – auch in der Schweiz und in Franken. Doch

wie kann ein Bancomat eine virtuelle Währung ausgeben? Das Gerät im Zürcher Kafi Schoffel druckt, nachdem es mit Franken gefüttert worden ist, ein Papier mit einem privaten und einem öffentlichen Schlüssel aus. Danach können die Bitcoins aber auch auf ein elektronisches Portemonnaie (Wallet) auf dem Handy transferiert wer-den. Die Firma SBEX,

die in der Crêperie des Paquis in Genf einen ersten Bancomaten aufgestellt hat, erlaubt ihren Kunden, die erworbenen Bitcoins auch direkt auf einer Wallet zu speichern. Dabei arbeitet sie mit dem Unternehmen Verso Solution in Sitten zusammen, das im Juni 2013 gegründet wurde. Verso bietet eine Lösung an, die (relativ) sicher vor Hackerangriffen scheint. (stä.)

zum Beispiel in der Mensa der Uni Zürich, die Bitcoins akzeptiert, wieder auszugeben. «Die Möglichkeiten von digitalen Währungen sind bestechend», sagt der Schweizer Internet-Unternehmer Marc Bernegger. «Kein anderes Zahlungssystem erlaubt mir, einen Kleinstbetrag praktisch in Echtzeit und zu Nullkosten weltweit zu überweisen.» Solche Mikrozahlungen ermöglichten ganz neue Geschäftsmodelle. Er sei überzeugt, dass sich virtuelle Währungen durchsetzen könnten. «Ob es Bitcoin sein wird oder ein komplett neues System, steht allerdings auf einem anderen Blatt», so Bernegger. Er hält es sogar für möglich, dass sich die Vorteile von Bitcoin auf herkömmliche Währungen wie den Franken übertragen lassen. Sicher ist: Kurz nach dem Untergang der Bitcoin-Handelsplattform Mt. Gox und einem damit verbundenen Kurssturz feiert Bitcoin ein Comeback. Die Londoner Bitcoin-Börse Coindoor etwa hat gerade den früheren Leiter des Rohstoffgeschäfts der Credit Suisse, Adam Knight, als Chef gewinnen können.

Eine Offerte der Mobiliar für die Nationale Suisse ist noch nicht vom Tisch. Sie könnte die Marke retten und weniger Arbeitsplätze kosten. Charlotte Jacquemart «Die Eigenständigkeit ist so lange sinnvoll, als wir glaubhaft darlegen können, dass wir die besten Besitzer sind für unsere Aktivitäten. Diese Frage stellt sich für uns heute aber nicht.» Das sagte Hans Künzle, CEO der Versicherung Nationale Suisse, der «NZZ am Sonntag» Ende 2013. Sechs Monate später ist Künzles Aussage Makulatur: Der Basler Nischenversicherer wirft sich der Helvetia

an den Hals. Die Helvetia hat diese Woche ein Übernahmeangebot für die Nationale angekündigt, das Anfang August offiziell folgen soll. Dass die Nationale mit nur 1,5 Mrd. Fr. Prämieneinnahmen im Jahr zu klein ist, um allein zu überleben, war seit Jahren klar. Eine komplexe Eigentümerstruktur und Vinkulierungen aber boten lange Schutz. Ob das Angebot der Helvetia, die pro Aktie einen stolzen Preis von 80 Fr. bieten will, das letzte Kapitel im Leben der Nationale sein wird, ist aber offen. Öffentlich äussert sich zwar niemand von den anderen Nationale-Grossaktionären. Dies sind die Mobiliar mit 19,2%, die

Bâloise mit 10% und die Nürnberger Versicherungen mit 6,5%. Während die Basler und die Nürnberger ihre Pakete angesichts des verlockenden Angebots verkaufen dürften, ist das bei der Berner Genossenschaft Mobiliar alles andere als klar. Sie hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie die Nationale selbst gerne unter ihre Fittiche nehmen möchte. Für die Mitarbeiter der Nationale hätte ein Besitzer, der «Mobi» heisst, zwei Vorteile: Zum einen würde die Marke «Nationale Suisse» für die «Specialty Lines» Kunst, Engineering, Transport, Seefahrt beibehalten. In diesen Sparten hat sie einen guten Namen – obwohl das Prämien-

PHOTOPRESS / KEYSTONE

Schicksal der Nationale Suisse noch nicht besiegelt

Aushängeschild Roger Federer.

volumen mit 360 Mio. Fr. sehr bescheiden ist. Zum anderen gingen bei einer Übernahme durch die «Mobi» deutlich weniger Stellen verloren, heisst es am Hauptsitz der Genossenschaft, da es «weniger Überschneidungen» gebe. Die Helvetia hat angekündigt, 100 bis 120 Mio. Fr. Kosten sparen zu wollen. Das geht kaum ohne grösseren Stellenabbau. Die Mobiliar wartet nun das offizielle Angebot der Helvetia ab. Erst dann werde entschieden, heisst es in Bern. Vier Optionen gibt es: • Die Mobiliar behält ihren Anteil. Tun das andere auch, könnte der Deal gar blockiert werden. • Die Mobiliar macht eine Gegen-

offerte. Geld hat die Genossenschaft mehr als genug. Für die Auslandsaktivitäten der Nationale müssten in dem Fall andere Eigentümer gesucht werden, da die Mobiliar an den wenigen, im Ausland verdienten 300 Mio. Fr. Prämien nicht interessiert ist. • Die Mobiliar dient ihre 19,2% der Nationale-Aktien der Helvetia an und verdient einen dreistelligen Millionenbetrag – den sie allerdings nicht braucht. • Ein externer Anbieter tritt auf den Plan. Damit rechnen die wenigsten, da alle grossen europäischen Versicherer bereits ihre eigenen (grösseren) Einheiten in der Schweiz besitzen (Axa, Allianz, Generali).


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