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Ausgabe 2012/02
Gilbert Gress: Die Makel des Monsieur Perfekt Ein Bargespräch über alles (außer Fußball) ➜ 14
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Ruf Lanz
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Die 20 beliebtesten Beiträge
Mag20 2012 I 02
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Impressum
Homepage
Frage der Woche
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Politik
1/20 Wahlkampf in der Provinz
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2/20 Ohne Steuerabkommen geht es uns besser
8
3/20 Schuldenberg abbauen – Krise verhindern
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4/20 Sicheres Wohnen im alter geht uns alle An
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5/20 Das Schnarchen der Männer
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6/20 10 Hochprozentige Ausreden
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7/20 Gilbert Gress: Die Makel des Monsieur Perfekt
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8/20 Heiweh? das kenni nid!
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9/20 Mit mobilem zeitgeist aus der Armut
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10/20 Fertig gestolpert
Reto Wüthrich
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11/20
ausgebeutet im verkehrsstau
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Ausgabe 2012/02 24. August 2012 Über Mag20 Mag20 ist das wöchentliche Crowdsourcing-Magazin mit mehr dahinter. Mehr Autoren und mehr Hintergrund. Bei Mag20 entscheiden die Leser, welche Das hochwertige Magazin arbeitet mit etablierten Medienpartnern zusammen eines Künstlers ergänzt. Verlag / Herausgeber Mag20 AG, Markus
Gesellschaft
strasse, Bahnhofbrücke, Paradeplatz, Bellevue, Bahnhof Stadelhofen, Oerlikon Nord und Süd, Bahnhof Hardbrücke), Bern (Hirschengraben, Zytglogge) und Winterthur (Bushaltestelle Bahnhof). BTL-Massnahmen in Basel,
Rita Angelone via Die Angelones
Rinaldo Dieziger
Christian Nill (Text) und Mischa Scherrer (Fotos) via Bar-Storys
Luzern und St. Gallen. Abonnierter
Wirtschaft
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Rino Borini via Punktmagazin
Layout aformat, Luzern. Korrektorat Claudia Walder, textit-gmbh.ch Druck pmc, Oetwil am See. Inserateverkauf Zürichsee Werbe AG,
Kultur
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13/20 «Habe ich dir schon erzählt»
30
14/20 Gefällt mir nicht
31
15/20 Kulturflatrate: strukturen sind vorhanden
33
16/20 Chris Nolan: Mittelfinger gegen Dummywood
33
17/20
34
Charly Suter
Raoul Haagen via Amina Chaudri
Marco Büsch via dieperspektive
Titelbild: Mischa Scherrer
Peter Achten via Journal21
12/20 Der Chinesische Verbrauchermarkt
Gedruckt in der Schweiz auf FSC-Papier. +41 44 928 56 11, mag20@zs-werbeag.ch.
Lukas Sieber
Bahnhof Seitenausgang Altstadt,
und Schweiz. E-Paper-Versand weltweit.
Olivier Kessler
Opernhaus, Bahnhof Enge, Bahnhof
Post-Versand nach Deutschland, Österreich
Prof. Dr. Hans Geiger
Bucheli, Eichstrasse 25, 8045 Zürich. Distribution Handverteilung jeweils
Thomas Kohler
und wird wöchentlich mit der Bildstrecke
freitags 6.00 – 9.00 Uhr in Zürich (Bahnhof-
20 Beiträge wöchentlich gedruckt werden.
Druckauflage 50 000 Exemplare.
Hagen Kohn
via Rckstr Magazine Twitter
@mag20news
Facebook Mag20 Fragen / Feedback
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Wissen
Zu viel geld
Hans Geiger via Schweizer Monat
18/20 Die bessere alternative zum plakativen offline-sein 35
Martin Weigert via Netzwertig
19/20 Dem internet kann man keine Rechnung schicken
Martin Weigert via Netzwertig
36
20/20 Sprachakrobatik 37
Art Network
Reinhard Meier via Journal21
antonov an-2 «rusalka» Fotografiert von Corinne Kramer
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Homepage
Frage der Woche
Euer Mut für das spannende Medienprojekt gehört gefeiert @Mag20news! Danke für die Probeausgabe heute in Winterthur!
Mag20-Team www.mag20.com Unsere Frage der Woche gibt es ab sofort jeden Donnerstag auf der Mag20 Fanpage
Wie gefällt euch unsere Erstausgabe? Wo seht ihr noch Entwicklungspotenzial?
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Ein wichtiger Beitrag zu #demokratiegerechtesmediensystem Hans Peter Rubi (@hp_rubi) via Twitter
Fabian Müller (@the_muellair) via Twitter
Ich finde Ihre Idee und allgemein das Projekt Mag20 einfach nur genial und hoffe auf einen entsprechenden Erfolg für dieses Magazin. Selbst etwas beitragen möchte ich natürlich auch und plane, in Zukunft selbst Artikel bei Ihnen zu veröffentlichen.
Das Mag20 von @Mag20news kommt mit gleichem Format und Papier wie das AKTUELL von @veloplus. Gute Wahl ;-) Oliver Lutz (@oliverlutz1) via Twitter
Überhaupt mag ich http://www.mag20.com ! Ich mag #mag20
Marco Fritschi via E-Mail
Sonja Hüsler (@sonjahuesler) via Twitter
Halte die erste Ausgabe von @Mag20news in der Hand. Wirklich interessantes Projekt. Erste Kritik: Bilder müssen besser werden.
Die erste Ausgabe gefällt mir schon mal sehr gut! Aber wie seit ihr bloss auf diese Altersbeschränkung nach oben bei der Zielgruppendefinition gekommen? Und das e-Paper ist auf dem iPad wegen der Doppelseite zu klein und schlecht lesbar. Wie wäre es mit einer entsprechenden App? Aber weiter so! Ich bin gespannt und habe die elektronische Version schon abonniert!
Barnaby Skinner (@BarJack) via Twitter
@BarJack Welche genau? Technisch und handwerklich gefällt uns die Bildsprache. Gratulation an:@Mag20news Politnetz.ch (@politnetzCH) via Twitter
Andrea Lüthi via Facebook
@politnetzCH @Mag20news Zu viel Klein-Klein. Hätte z. B. gerne 1-2 red. Bilder auf ganzer Seite. Nicht nur Werbung, wie Bildstrecke am Ende.
@BarJack Gut, das stimmt. Die Autorenbilder sind wirklich etwas gar filigran. Anyway: Aller Anfang ist schwer.
Hallo Andrea Lüthi – vielen Dank! Es freut uns, dass Ihnen Mag20 gefällt. Wir sind enorm dankbar für solche Inputs und setzen diese laufend um. Die Altersbeschränkung war noch ein Copy-/ Paste-Versehen. Beim E-Paper möchten wir baldmöglichst eine optimierte Version bieten können. Guter Punkt!
Politnetz.ch (@politnetzCH) via Twitter
Mag20-Team via Facebook
Danke @BarJack und @politnetzCH für die Feedbacks! Diese beiden Punkte bei den Bildern haben wir nun auch erkannt und werden sie umsetzen.
Endlich Zeit gehabt: Sehr schön, was aus @Mag20news geworden ist. Unbedingt reinschauen http://www.mag20.com/
Barnaby Skinner (@BarJack) via Twitter
«Die erste Ausgabe gefällt mir schon mal sehr gut.»
Mike Schwede (@mikeschwede) via Twitter
Markus Bucheli (@mag20news) via Twitter
Danke @mag20news für die schöne Post :) Toll! Ich mag die Auswahl und Vielfalt der Themen, das Layout. Kostenlos, wie 20min & BaA, aber eben interessant - danke! Einzig: das Papier ist ein wenig, wenig zu dünn, könnt Ihr nicht eine Werbung mehr platzieren und das damit verdiente Geld ins Papier stecken (na, das ist jetzt eine Formulierung!)? Christoph Steinmann via Facebook
Vielen Dank für dein Feedback Christoph Steinmann. Betreffend Papier werden wir sicherlich bis auf Weiteres mit dem jetzigen fahren. Wir benutzen momentan ein vergleichbares Papier wie «Das Magazin». Der Werbemarkt ist leider momentan sehr umkämpft, sodass eine solche Entscheidung, verbunden mit den höheren Druckkosten, gut überlegt sein sollte. Mag20-Team via Facebook www.mag20.com
Samuel Raymann (@samrayman) via Twitter
«Ich mag die Auswahl und Vielfalt der Themen, das Layout. Kostenlos, wie 20min & BaA, aber eben interessant – danke!»
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Homepage
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«Danke @mag20news für die schöne Post :)»
Das war unsere Erstausgabe.
Fotos Christoph Hess Stefanie Curat
Oben: Impressionen vom Mag20 Launch Event. Links: Markus Bucheli, Gründer und Herausgeber von Mag20. Mitte: Karin Steffen, Sängerin von my baby the bomb.
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Wahlkampf in der Provinz Thomas Kohler www.mag20.com/thomas-kohler Yes Sir I can boogie. But I need a certain song. – Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.
1/20 Worthülsen und Kurzarmhemden dominieren in der Lokalpolitik. Bei Wahlkampfveranstaltungen muss man beides ertragen. Ein Blick auf einen ganz normalen Wahlkampftag. Ganz weit weg von der internationalen Politik.
Wenn Deutschlands Jugend tatsächlich so bieder sein sollte, wie es die Jung-Parteiler verkörpern, ist einem um die Zukunft des Landes bange.
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Politik
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er Wahlkampfplakate erfunden hat, lässt sich heutzutage nicht mehr konkret ermitteln. Durchweg alle Parteien scheinen aber den Werbezweck dieser übergroßen Passbilder für Wahlen anzuerkennen. Zu sehen sind Männer mit und ohne Bart, mit und ohne Brille und mit und ohne Glatze. Meistens mit Krawatte, die coolen und wagemutigen Kandidaten lassen den Hals frei. Damen sind ganz eindeutig in der Unterzahl auf den Postern vertreten. Zudem sind die Farben auf blau, rot, grün und gelb, die Schriftgröße auf unlesbar und die Aussagekraft auf beliebig beschränkt. Spätestens nach dem dritten Laternenpfahl weiß man überhaupt nichts mehr von den Unterschieden der Parteien, alles verschwimmt in der bunten Gesichterwelt all dieser netten Leuten. Bemerkenswert sind die Versuche, durch schräg angebrachte, zusätzliche Aufkleber den Wähler von der Bedeutung der Zweitstimme zu überzeugen. Wirkt so etwas? Die Anzahl derer, die ein Interesse daran haben, Plakate zu verunstalten, zu zerstören oder zu klauen ist vermutlich größer.
Der direkte Draht zum (erhofften) Wähler
Mehr als je ein Polizeifahrzeug und ein Fotograf mit professioneller Ausrüstung sind unmissverständliche Zeichen. Die Politprominenz hält Hof im Wahlgebiet. Die Tatsache, dass Polizisten und Reporter zu entdecken sind, deutet darauf hin, dass die Spitzenkandidaten sich persönlich beim Wahlvolk sehen lassen. Die Anwesenheit von privaten Sicherheitsdiensten, die ausschließlich muskulöse Herren zwischen 25 und 40 mit bösem Blick, breiten Schultern, mäßig sitzenden Anzügen und einem Kabel im Ohr einstellen, bestätigt diesen Eindruck. Bei der zweiten oder dritten Garde der Kandidaten fehlen die Ordnungshüter garantiert (Personenschutz gibt es in Deutschland offenbar erst ab Minister aufwärts), die Presseleute meistens (wenn sich nicht irgendwo in der Nähe ein schwerer Verkehrsunfall zugetragen hat) und das Wahlvolk zuweilen auch. Die Fraktion der Kurzarmhemden
Die hohen Herren der Parteien ziehen vor allem die eigenen Mitglieder an. Einerseits ist es da schade um den Aufwand für die Wahlkampfveranstaltungen, andererseits wären sonst womöglich viele Reden gänzlich ohne Publikum abgehalten worden. So werden Turnhallen, Festzelte und andere (für professionelle Werbezwecke an sich ungeeignete) Veranstaltungsorte mit Ortsvereinsmitgliedern und deren Verwandten gefüllt. Viele von ihnen tragen kurzärmelige Hemden (ist ja Sommer) und Krawatten (ist ja was
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Offizielles), was bei den meisten in Kombination merkwürdig aussieht. Dazu sieht man die Mitglieder der Jugendorganisationen der jeweiligen Parteien. Das senkt den Altersdurchschnitt des Publikums beträchtlich. Diese Gruppe scheint die Hoffnung der Parteien zu sein. Warum, bleibt jedoch unklar. Wenn Deutschlands Jugend tatsächlich so bieder sein sollte, wie es die JungParteiler verkörpern, ist einem um die Zukunft des Landes bange. Andersrum: wollen diese Jugendlichen (in großer Mehrzahl Jungs) tatsächlich so werden, wie jene Parteimitglieder, die auf dem Podium reden? Warum sind Politiker für sie Idole? Mitunter passieren bei den Wahlkampfauftritten dann unerwartete Dinge. Der Wahlkampfauftakt (viel Sicherheitspersonal, viel Presse, viele geladene Gäste) platzt schon mal aus allen Nähten, weil einfach zu wenige Stühle vorhanden sind. Das Bemühen, doch noch ausreichend Sitzgelegenheiten für den Abend bereit zu stellen, wird dann auch der sympathischste Moment des Abends bleiben. Danach sinkt das Maß der Herzlichkeit und der Ehrlichkeit. Das musikalische Rahmenprogramm wurde sorgfältig ausgewählt. Mann/Frau, Jung/Alt – mindestens hier wirkt vorbildlich das GenderProgramm, das sich die Partei selbst auferlegt hat. Die jungen Damen spielen Pop-Rock und das gar nicht mal schlecht. Eine junge hübsche an der Geige, eine nicht ganz so junge und weniger hübsche an der Gitarre mit viel zu engen weißen Hosen, unnötigen Tattoos und weißblonden Haaren und eine Bassspielerin. Diese ist eine hervorragende Musikerin, Outfit und Haare scheinen ihr allerdings egal zu sein. Passend dazu: ihre Sandalen (es ist ja Sommer). Sie hat den Auftrag, Stimmung in den Saal zu bringen. Das soll durch die permanente Aufforderung zum Mitklatschen gelingen, tut es aber nicht. Es klatscht nur hier und da (in der vorderen Reihen etwas mehr, denn dort würden die Fotografen das Nicht-Klatschen festhalten können). Der männliche Gegenpart des Kulturteils ist dann noch befremdlicher. Er will sich offenbar für weitere dieser Veranstaltungen empfehlen und ruft zwischen seinen Songs zum Wählen der veranstaltenden Partei auf. Fast erstaunlich, dass er der Einzige an diesem Abend bleibt, der das wörtlich tut. Gelebte Lockerheit
Dann der Auftritt der Gladiatoren: die hochrangigen Politiker aus den anderen Bundesländern zur Unterstützung der Parteifreunde. Einer ist unterhaltsam und verständlich in seiner Argumentation. Den würde man wählen, wenn er denn in diesem Bundesland zur Wahl stünde.
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Politik
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Flickr mueritz
Landtagswahl in Rheinland-Pfalz.
«Lustig wird es nur dann, wenn auf den anderen Parteien und deren Strategen rumgehackt wird.»
Der andere nervt ungemein durch Namedropping seiner Vorgänger, Worthülsen und scheinbare Geschichten aus dem richtigen Leben, die ausnahmslos wie ausgedacht und vom persönlichen Redenschreiber aufgeschrieben wirken. Die Protagonisten, um die es an diesem Abend eigentlich geht, zeigen sich professionell vorbereitet und wahnsinnig locker. Nur interessiert das kaum noch jemanden nach neunzig Minuten Musik und Grußworten. Lustig wird es nur dann, wenn auf den anderen Parteien und deren Strategen rumgehackt wird. Ob das als Argument reicht, man solle diese Partei zu wählen, weil die anderen ganz viele Fehler machen, bleibt abzuwarten. Konstruiert wirken auch Parteiprogramme von derzeit an der Macht sitzenden Parteien. Warum sie das, was sie groß ankündigen, nicht einfach jetzt schon umsetzen, solange sie es in der Hand haben, bleibt eines der großen Geheimnisse der Politik. Ehrlich wird der Wahlkampfabend dann erst wieder am Buffet, an dem es Rustikales und Regionales gibt. Die Parteifreunde warten geduldig, dass die Bockwürste aufgefüllt werden und
trinken Bier in Mengen, die man mit der Länge der Reden und/oder der kostenlosen Verfügbarkeit begründen kann. Die Politprofis versuchen noch, Bedeutendes und Bewegendes in die anwesenden Mikrofone und Kameras zu formulieren. Der Wahlkampfbesucher ist zu dieser Zeit schon auf dem Heimweg und freut sich auf die nächsten Europawahlen. Dann werden die Menschen auf den Postern am Straßenrand noch unbekannter sein. n
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Ohne Steuerabkommen geht es uns besser Prof. Dr. Hans Geiger www.mag20.com/hans-geiger1 Professor Emeritus of Banking
2/20 Die drei Abkommen sind schludrig konzipiert und schlecht verhandelt. Für die ausländischen Kunden sind sie unattraktiv, für die Schweiz auch.
Politik
D
er erneute Kauf von Daten-CDs durch das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen hat Bundespräsidentin Eveline WidmerSchlumpf zu interessanten Wortspielchen verleitet. Die Bundesrätin sagt, «dass der aktive Erwerb von gestohlenen Bankdaten nicht mehr zulässig» sei. Ihr Staatssekretär Michael Ambühl sagt «ein Kauf ist immer aktiv». Warum spricht die Bundesrätin vom «aktiven Erwerb», wenn es gemäß ihrem Staatssekretär gar keinen anderen Erwerb oder Kauf gibt? Der Begriff «aktiver Erwerb» kommt im Abkommen gar nicht vor. Dort steht, «dass sich die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von […] entwendeten Kundendaten bemühen werden.» Kein Wort davon, dass Deutschland keine Daten mehr kaufen werde. Das Missverständnis ist Absicht. Ohne die gewollte Mehrdeutigkeit wäre das Abkommen nicht unterschrieben worden. Das Ganze ist eine bundesrätliche Nebelpetarde zur Täuschung des Parlaments und der Bürger. Und es ist nicht die einzige. Weißgeldstrategie, Informationsaustausch, Bankgeheimnis
Der Bundesrat präsentiert die drei Abkommen als wesentliche Bestandteile seiner «Weißgeldstrategie». Sie seien eine Alternative zum automatischen Informationsaustausch von Bankdaten mit ausländischen Behörden und schützten das Bankgeheimnis. Das ist falsch. Deutschland und Großbritannien verzichten nicht auf den automatischen Informationsaustausch. Der automatische Informationsaustausch bleibt EUNorm und Ziel. Im Vertrag mit Deutschland steht nur, dass sich die Vertragsparteien einig sind, «dass die […] vereinbarte Zusammenarbeit in ihrer Wirkung dem automatischen Informationsaustausch im Bereich der Kapitaleinkünfte dauerhaft gleichkomme». Dieser Satz tut niemandem weh. Richtig weh tut aber deutschen Kunden, dass das Abkommen den deutschen Behörden das Recht gibt, in den nächsten zwei Jahren bis zu 1300 Direktauskünfte über deutsche Steuerpflichtige in der Schweiz einzuholen. Diese Direktauskünfte dienen angeblich der «Sicherung des Abkommenszwecks». Damit sind 1300 Verletzungen des Bankgeheimnisses durch das Abkommen legitimiert. Zu guter Letzt müssen die Banken zustimmen, dass sich die deutsche Bankenaufsicht an Prüfungshandlungen durch die FINMA vor Ort beteiligen kann. Deutsche Aufseher werden Schweizer Banken inspizieren. Das ist eine der Schweiz unwürdige Form des «Informationsaustauschs». Ein pikantes Detail zum automatischen In-
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formationsaustausch findet sich versteckt in den Schlussbestimmungen des Vertrags. Das Abkommen mit Deutschland (und auch mit Großbritannien) eröffnet den Schweizer Behörden den direkten Informationsaustausch für Schweizer Steuerpflichtige mit Bankverbindungen in diesen Ländern. So kann die Schweiz den verhassten automatischen Informationsaustausch für Schweizer durch ein Hintertürchen einführen. Schweizer, hütet euch am Bernerhof, dem Sitz des Finanzdepartements! Die Abkommen verfolgen angeblich zwei Ziele: Einerseits die Vergangenheitsbewältigung von Steuerhinterziehung, andererseits die steuerliche Gestaltung der Zukunft. Beide Ziele lassen sich für die ausländischen Kunden ohne die Abgeltungssteuer günstiger erreichen. Die steuersündigen Kunden können sich selbst anzeigen, oder sie können ihre Vermögen in andere Länder verschieben. Sie werden das eine oder das andere tun. Die Selbstanzeige kostet für die Kunden sowohl bei der Bereinigung der Vergangenheit wie auch für die Zukunft weit weniger als die Inanspruchnahme des Abkommens. Und zudem ermöglicht die Selbstanzeige den Kunden in Zukunft einen ordentlichen Erbgang. Beim Vorgehen gemäß dem Abkommen mit Deutschland wird im Erbfall die Hälfte des Vermögens konfisziert, weit jenseits gängiger deutscher Erbschaftssteuersätze. Ist es möglich, dass es bei den Abkommen um etwas ganz anderes geht? Etwa um einen Persilschein für die Banken und Banker? In Artikel 17 des Abkommens mit Deutschland steht: «Beteiligte an einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, die vor Unterzeichnung dieses Abkommens von einer betroffenen Person […] begangen wurde, werden nicht verfolgt.» Schlecht für die Kunden
Warum sollte ein Kunde die Abgeltungssteuer überhaupt beanspruchen? Die offizielle Antwort lautet, weil damit das Bankgeheimnis gewahrt sei, und weil damit der automatische Informationsaustausch verhindert werden könne. Beide Behauptungen sind für die ausländischen Kunden unglaubwürdig. Sie wurden in den letzten Jahren von der Schweiz regelmäßig verraten. Es gibt aber auch ehrliche ausländische Kunden, die ihre Steuerpflichten immer erfüllt haben. Deutsche steuerehrliche Kunden werden durch das Abkommen gezwungen, den eigenen Steuerbehörden Informationen zu ihrer Vermögenslage zu liefern, welche sie nach deutschem Steuerrecht gar nicht offenlegen müssen. Eine Bankverbindung in der Schweiz wird so
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Politik
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mittlere Banken für jedes Land eine eigene Lösung realisieren müssen, können sie das Geschäft nicht kostendeckend betreiben. Sie werden es an die Großen und ans Ausland verlieren. Schon heute leiden die Kleinen überproportional an den Kosten der Regulierung im grenzüberschreitenden Geschäft. Deshalb bieten die Großbanken den kleinen Instituten an, ihre Auslandkunden zu übernehmen. Und sie versuchen für die kleinen Institute die Konto- und Depotführung zu übernehmen. Damit würden die kleineren Banken zu unabhängigen Vermögensverwaltern und könnten ihre Bankenlizenz gleich abgeben. Und die Großen würden noch größer. Dies ist nicht im Interesse der Schweiz. Wir haben schon genug «too big to fail».
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Ein Abkommen zum Schaden der Schweiz
Objekt der (Steuer-) Begierde.
«Diese Direktauskünfte dienen angeblich der ‹Sicherung des Abkommenszwecks›. Damit sind 1300 Verletzungen des Bankgeheimnisses durch das Abkommen legitimiert.»
auch für steuerehrliche Deutsche zu einem Ärgernis. Die drei Abkommen stehen in krassem Widerspruch zum internationalen Steuerrecht. Steuern auf bewegliches Vermögen sind grundsätzlich am Domizil des Steuerpflichtigen geschuldet und zu bezahlen. Kein Land treibt heute so für andere Regierungen Steuern ein. Wie kann ein kleines Land drei widersprüchliche Abkommen in einer Welt von 200 Ländern als zukunftsträchtiges Modell betrachten? Dass die Schweiz Kunden verschiedener Länder nach verschiedenen Grundsätzen behandeln will, führt zu Chaos und Rechtsunsicherheiten. Zudem stehen die drei Abkommen im Konflikt mit dem Zinsbesteuerungsabkommen der Schweiz mit der EG vom 26. Oktober 2004. Die «Lösung» dieses Konfliktes bezahlen die betroffenen ausländischen Kunden mit weit überhöhten Steuersätzen auf Zinserträgen. Im Übrigen diskriminieren die Abkommen die Schweizer Steuerpflichtigen rechtlich, denn sie eröffnen den ausländischen Kunden den Zugang zur Steuerabgeltung, welche die Schweiz den eigenen Bürgern verwehrt. Für die großen und gegen die kleinen Banken
Die Abkommen stärken die großen Banken und schwächen die kleineren, die nicht in der Lage sind, die durch die Abkommen geschaffene Komplexität zu meistern. Wenn kleine und
Die Abkommen werden zu einem massiven Kapitalabfluss führen, weit größer als ohne Abkommen. Die Banken bezahlen auf jeden Fall 2,5 Milliarden Franken an Deutschland und Großbritannien, auch wenn sie dieses Geld bei abgewanderten Kunden nicht mehr eintreiben können. Die Banken, die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte sind die Leidtragenden. Hohe Verluste an Arbeitsplätzen und an Steuereinnahmen treffen uns alle. Welches sind die Konsequenzen der Ablehnung der Verträge an der Urne für uns Schweizerinnen und Schweizer? Der Bankensektor wird zwar schrumpfen, aber weit weniger, als wenn die Kunden ihre unversteuerten Gelder innert Monaten in andere Länder verschieben. Die Banken haben die Chance, die Kunden, die ihre Steuersünden durch Selbstanzeige bereinigen, zu behalten. Dafür müssen sie beim Kundenservice und beim Anlageerfolg erstklassige Qualität zu angemessenen Preisen liefern, wie in jeder anderen Branche auch. Wohlhabende Europäer haben heute größere Sorgen als die Steuerfrage: Eine starke Währung statt eines wankenden Euros, Schutz vor Konfiskation ihrer Vermögen durch bankrotte Staaten, ein verlässlicher Rechtsstaat, geordnete Staatsfinanzen. Die Schweiz hat in allen Punkten Vorteile. Die Schweiz wird ohne Abkommen über mehr kleinere und mittlere Banken verfügen. Das einzige Problem bei Ablehnung der Verträge haben möglicherweise gewisse Bankangestellte: Als «Beteiligte an Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten» könnten deutsche Bankangestellte, die in der Schweiz arbeiten, nicht mehr in ihre Heimat reisen. Auch Schweizer Bankangestellte müssten ihre Ferien eher im Südtirol als im Schwarzwald verbringen. n
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Politik
Schuldenberg L abbauen und Krise verhindern Olivier Kessler www.mag20.com/olivier-kessler
3/20 Die ganze Welt kämpft gegen Schulden. Die Schweiz fördert sie. Das muss aufhören.
«Die Schweizer haben mittlerweile weltweit die fast höchste Pro-KopfVerschuldung.»
Sicheres Wohnen im Alter geht uns alle an Lukas Sieber www.mag20.com/lukas-sieber
4/20 Seit 80 Jahren wohnt Herbert Walt in einem Weiler bei Forch (ZH).
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easingautos, Konsumkredite, Leben auf Pump. Wenn wir an einen solchen Lebensstil denken, kommen den meisten von uns erst einmal die Amerikaner in den Sinn. Im Land der unbegrenzten Kreditkarten-Limiten und SubprimeHypotheken wurde tatsächlich fahrlässig über den eigenen Verhältnissen gelebt. Das Ergebnis kam dann postwendend: Immobilienkrise, Bankenkollapse, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Hausbesitzer, die auf der Straße landeten. So schnell kann’s gehen. Ein bisschen mehr Weitsichtigkeit kann deshalb nie schaden. Das Horrorszenario in Amerika und nun auch in Spanien wird es in der Schweiz sicherlich niemals geben, mögen sich die meisten denken. Aber Vorsicht: Verschuldungs-Spezialisten sind nämlich – aufgepasst – wir selbst! Die Schweizer haben mittlerweile weltweit die fast höchste Pro-Kopf-Verschuldung und die nahezu höchste Verschuldung gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP). Die privaten Haushalte sind mit 650 Milliarden Franken in Hypotheken verschuldet. Dass es um unsere Staatsfinanzen vergleichsweise gut steht, ist dabei ein schlechter Trost. Wie konnte es so weit kommen? Diese unheimlichen Gefahren wurden durch ein falsches Steuersystem gefördert: Das System der Eigenmietwertbesteuerung und des Schuldzinsabzuges. Der Eigenmietwert ist eine Steuer auf einem fiktiven Einkommen, das man gar nicht hat, während der Schuldzinsabzug es ermöglicht,
dass man die Zinsen für seine aufgenommenen Hypothekarkredite von den Steuern abziehen kann. Der staatlich abgesegnete Schuldzinsabzug ist geradezu eine Aufforderung zur Verschuldung der privaten Haushalte. Davon profitieren einzig und allein die Banken. Jeder, der heute seine Schulden abbezahlt, so wie es der gutschweizerischen Tugend entspricht, wird von den Steuerbeamten geschröpft. Die Welt kämpft gegen Schulden, die Schweiz fördert sie. Schluss damit! Diese übermäßige Verschuldung ist für die Schweiz hochgefährlich. Steigen nämlich die Hypozinsen unverhofft an oder bringt uns der Zusammenbruch des Euros eine Rezession ins Land, könnte es in der Schweiz zu einer Immobilienkrise kommen. Dies, weil die Zinsen nicht mehr bedient werden können oder die Arbeitslosigkeit steigt. In dieser Krise würde wegen des Immobilienpreiszerfalls die mühsam aufgebaute Altersvorsorge in Mitleidenschaft gezogen. Dies gilt es zu verhindern. Bauen wir endlich diese volkswirtschaftlich untragbaren Risiken ab und stimmen wir am 23. September der Initiative «Sicheres Wohnen im Alter» zu. Diese verleiht ab der Pensionierung ein Wahlrecht, den Eigenmietwert abzuschaffen. Im Gegenzug kann man dann aber auch nicht mehr seine Schuldzinsen abziehen. Dank diesem positiven Anreiz helfen wir mit, die private Verschuldung in der Schweiz abzubauen, unsere Altersvorsorge zu sichern und die Wirtschaft zu stabilisieren. n
«Z
bert Walt erzählt: «Mir wird jedes Jahr in der Steuerrechnung über 25 000 Franken Eigenmietwert aufgebrummt. Auf dem heutigen Markt würde man jedoch schon bei einer Monatsmiete von 500.- Franken von Wucher sprechen … !» Herbert Walt kämpft seit fast zehn Jahren erfolglos gegen diese ungerechte Besteuerung seines Eigenheims. Dieses fiktive Einkommen trägt wesentlich zur jährlichen Steuerlast der Walts bei. Als Rentner lebt er in bescheidenen Verhältnissen. «Ich war 18 Jahre in der Feuerwehr, habe Militär, Zivilschutz geleistet und lange im Wahlbüro gearbeitet – grundsätzlich ein vorbildlicher Bürger. Ich habe nie über meine Verhältnisse gelebt und mich stets nach der Decke strecken müssen. Die Behörden beeindruckt das nicht. Ein Beamter hat mir mal entgegnet, es sei halt ein Fehler, wenn ich alle Schulden abbezahlt hätte, da könne er ja nichts dafür … Das macht mich wütend!» n
eitlebens habe ich nie über meine Verhältnisse gelebt – von der Behörde werde ich dafür bestraft!» «Meine Eltern haben dieses 300-jährige Haus 1933 gekauft, ich bin hier aufgewachsen.» Durch den frühen Tod seines Vaters war Herbert Walt bald schon in der Verantwortung für Familie und Haus. «Ich arbeitete 36 Jahre als Mechaniker im Schichtbetrieb. Arbeitsausfälle konnte ich mir nicht leisten. Nach einem Töff-Unfall ging ich sogar mit einem Gipsbein zur Arbeit. Der Arzt hatte 2 Monate Ruhe verordnet, aber damit hätte ich die 5-köpfige Familie und das Haus nicht mehr finanzieren können.» Diese genügsame Verbundenheit mit seinem Zuhause ist für Herbert Walt aber schon länger ein harter Steuer-Nachteil: Das Häuschen wird trotz seiner Abgeschiedenheit und dem bescheidenen Standard vom Steueramt nach allgemeinen Durchschnitts-Kriterien beurteilt. Her-
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Schnarchen der Männer Rita Angelone www.dieangelones.ch Rita Angelone lebt in Zürich und ist Mutter von zwei Kindern. Die Kolumnistin und Bloggerin berichtet über den Wahnsinn des Familienalltags.
5/20 Kaum schlafen die Kinder endlich durch, eröffnet sich im Schlafzimmer ein neuer Abgrund: das Schnarchen der Männer.
Gesellschaft
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ft trifft es sich, dass Männer – wenn Kinder endlich zu guten Schläfern mutieren – in Richtung 40 driften. Dieses Alter markiert den Beginn der Schnarchkarriere auch für Männer, die vorher nie oder nur selten geschnarcht haben. Mit 40 schnarchen bereits rund 60 Prozent, Tendenz steigend. So spielen sich in Elternschlafzimmern Nacht für Nacht – während die Kinder tief und fest schlafen – kleine Dramen ab, die von außen betrachtet banal erscheinen, doch für die betroffenen Mütter verheerende Folgen haben können. Schließlich ist Schlafentzug eine Foltermethode und freuten sich Mütter, diese Tortur während der Kleinkindphase überlebt zu haben, sehen sie sich nun mit dem nächsten Martyrium konfrontiert. Dieses wird aber kein Ende nehmen, sondern Jahr für Jahr schlimmer werden. Mütter fürchten sich wieder vor der Nacht. Sie hoffen, vor ihren Männern einzuschlafen.
Doch diesen Wettkampf verlieren sie naturgemäß immer, denn kaum liegen Männer flach, schlafen und schnarchen sie. Sie suchen also aktiv die Löffelstellung, doch nicht, weil ihnen nach Sex mit schnarchenden Monstern wäre, sondern weil sie damit als Keil das Kippen ihrer Männer in die das Schnarchen fördernde Rückenlage verhindern wollen. Doch die physikalischen Kräfte lassen sie auch diesen Kampf verlieren. So bleibt ihnen nichts anderes, als sich Nacht für Nacht Ohrstöpsel so tief in beide Gehörgänge zu bohren, bis ihnen das Gehirn schmerzt und zu explodieren droht. Immerhin: stellten sich Mütter früher oft taub, als Weinen oder Rufe aus dem Kinderzimmer ertönten, brauchen sie sich jetzt nicht mehr zu verstellen: sie hören schlichtweg nichts! Sollen doch die Schnarchmonster schauen. n
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10 hochprozentige Ausreden! Rinaldo Dieziger www.mag20.com/rinaldo-dieziger Rinaldo Dieziger ist Gründer und CEO von Supertext, der ersten Textagentur im Internet. Er lebt mit Frau und Kind in der Stadt Zürich.
6/20 Sie wollen sich viel Zeit nehmen für die Familie. Sie wollen Mama entlasten, Windeln wechseln und da sein für ihr Kind. Warum steckt trotzdem nur 1 von 10 Vätern im Beruf zurück? Die 10 besten Ausreden.
Gesellschaft
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ie Party ist vorbei, der Samen platziert. Jetzt wird alles anders. Werdende Väter stehen wie nie zuvor im Flutlicht der Gesellschaft. Sie wollen sich viel Zeit nehmen für die Familie. Sie wollen Mama entlasten, Windeln wechseln, Staub saugen und vor allem: da sein für die Frucht ihrer Lenden. Fast jeder träumt von Teilzeitarbeit. Einige sehen sich sogar als Hausmann. Und trotzdem malochen sie, kaum ist das Kleine da, mehr als je zuvor. Nicht einer von zehn steckt zu Gunsten der Familie im Beruf zurück. Wo liegt der Hund begraben? In den Genen des Jägers und Nüsslisammlers? Im vermaledeiten System, das den Mann zum Helden der Arbeit stilisiert? In der zahnlosen Familienpolitik? In der unsäglichen Finanzkrise? Nein. Die Wahrheit ist viel profaner: Die meisten Männer wollen gar nicht Teilzeit arbeiten. Jedenfalls nicht wirklich. Und sie haben gute Ausreden: 1. «Ich arbeite doch gern.»
Der Beruf als Berufung. Er macht Männer erst zu dem, was sie sind oder sein wollen: angesehen, reich, sexy. Warum den hart erkämpften Status mit reduziertem Pensum gefährden? Und jetzt mal ehrlich: Es kommt doch auch Frau (BMW X5) und Kind (Balmoral Silver Cross) zugute.
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6. «Dann ist es mit der Karriere vorbei.»
Als Angestellter vielleicht, aber in einer leitenden Funktion, im Kader, kannst du Teilzeit vergessen. Zwischen 30 und 40 nimmt die Karriere Fahrt auf. Dann gibt es Beförderung, Bonus und erst richtig viel zu tun. Auf dem Golfplatz, an Kundenanlässen und im Nachtclub. 7. «Alle anderen arbeiten auch 100 Prozent.»
Es würde das Arbeitsklima vergiften, Neid und Missgunst schüren. Warum darf der Huber plötzlich Teilzeit und ich nicht? Dann könnte ja jeder kommen. Schön wär es, ja. Aber kannst du vergessen. 8. «In meinem Job geht das nicht.»
Ja, bei euch vielleicht. Aber bei uns, wir sind halt ein Produktionsbetrieb. Da muss die Maschine die ganze Woche laufen. Ist in einem Dienstleistungsbetrieb wahrscheinlich anders, oder rufen die Kunden da auch ständig an? 9. «Es gibt keine qualifizierten Teilzeitstellen.»
Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet. Hartes Brot. Die Deutschen nehmen uns die Stellen weg. Und für die paar Teilzeitstellen bewerben sich ja sowieso nur Frauen. Als Mann hast du da keine Chance. Kannst du vergessen.
2. «Wir haben bei uns im Moment viel zu tun.»
Und es wird nicht weniger. Jeder Chef weiß: Nicht weniger ist mehr, sondern mehr ist mehr. Mehr Kunden, mehr Aufträge, mehr Arbeitsplätze, mehr Gewinn für alle. Auch für unsere kleine Familie. 3. «Bei der Finanzkrise? Unmöglich.»
Im Moment ist es halt schwierig. Die Börse. Der Euro. Das wirtschaftliche Umfeld, «weisch»? Und Besserung ist nicht in Sicht. Auch wenn es eines schönen Tages wieder aufwärts gehen sollte. Dann muss erst recht jeder anpacken. Mit Teilzeit ist da nichts zu machen. 4. «Bei dem Chef? Kannst du vergessen.»
Er hat zwar auch zwei Kinder, aber wenn es ums Geschäft geht, ist er knallhart. Er ist der Erste am Morgen und der Letzte am Abend. Ein echtes Vorbild. Bevor der Kurzarbeit einführt, verlagert er die Produktion nach Asien. Dort arbeiten sie noch 60 Stunden die Woche. 5. «Meine Frau bleibt gern zu Hause.»
Und zu zweit um das Kind rumdödeln, wäre dann doch leicht übertrieben, oder? Und mir macht es nichts aus, 100 Prozent zu arbeiten. War ja vorher auch nicht anders. Und früher auch nicht. Oder?
10. «Das können wir uns schlicht nicht leisten.»
Wir haben im Excel ein Familienbudget gemacht und knapp kalkuliert. Meine Frau arbeitet momentan 40 Prozent. Und wenn ich auf 60 Prozent reduziere, hätten wir ja nur noch 100 Prozent. Das Haus, die beiden Autos und Ferien liegen da einfach nicht mehr drin. Wer nicht will, der will nicht. Kein Problem. Aber wie viele Väter stehen dazu, dass sie nicht mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen? Und wie viele wollten zwar, müssten die Windeln, die sie ihren Sprösslingen wechseln, aber eigentlich selbst anziehen? Weil sie die Hosen zu voll haben, um beim Arbeitgeber überhaupt einmal nachzufragen und Teilzeit einzufordern. Die meisten, die es wagen, gewinnen. Und die anderen werden es bereuen. Todsicher. Die australische Sterbebegleiterin Bronnie Ware trug in ihrem vielbeachteten Buch die fünf Dinge zusammen, die Sterbende am meisten bereuen. Auf Platz eins: «Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben statt das, das von mir erwartet wurde.» Und auf Platz zwei: «Ich wünschte, ich hätte weniger gearbeitet. Und mich mehr um Kinder, Partner und Freunde gekümmert.» n
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Gilbert Gress: W Die Makel des Monsieur Perfekt
Christian Nill (Text) und Mischa Scherrer (Fotos) www.bar-storys.ch «Ein Drink an der Bar mit … » sind Bargespräche von Bar-Storys.ch, einem regelmäßig erscheinenden Online-Magazin.
7/20 Gilbert Gress ist nicht nur ein legendärer Fußballer und Kommentator. Mit ihm kann man auch Privates sprechen. Z.B. warum es seine Familie nicht leicht hatten mit ihm. Und wieso er gerne unsterblich wäre.
ir treffen Gilbert Gress in der Hotelbar eines gesichtslosen Businesshotels. Ganz in der Nähe liegt das Schweizer Fernsehstudio. Obwohl er einen Medien-Marathon hinter sich hat, zeigt er keine Ermüdungserscheinungen. Das Gespräch, das durch Carlsberg ermöglicht wurde, hätte auch die ganze Nacht dauern können. Herr Gress, Fotograf Scherrer und meine Wenigkeit haben kein Interesse an Fußball. Ist das schlimm für Sie?
Niemand ist perfekt (lacht) Gilt das auch für Sie?
Nein! Aber Sie spielen doch Karten? Ich spiele Tarot, ein Kartenspiel. Wenn jemand mit mir spielen will, frage ich immer zuerst: Haben Sie Geld?! Sind Sie ein Gambler?
Gress: Eigentlich nicht. Wenn es um Geld geht, dann höchstens bis 25 Franken. Weshalb treffen wir uns hier, im Novotel am Stadtrand von Zürich? Das ist ja nicht gerade der In-Place von Zürich.
Das ist sozusagen meine Kantine. Wenn ich im Fernsehen auftrete, das hier gleich um die Ecke liegt, dann übernachte ich immer hier. Außerdem ist der Direktor Franzose. Was trinken Sie?
Gress: Ein Carlsberg. Da müssen wir jetzt wohl durch.
Es ist so: Wenn ich Alkohol trinke, dann immer Qualität vor Quantität. Lieber ein Glas frisches Wasser als schlechten Champagner. Carlsberg begann ich zu trinken, bevor die auf mich zu kamen und mich als Botschafter anfragten. Natürlich.
Sicher! Zuhause in Straßburg trank ich immer Kronenbourg. Eines Tages kam meine Frau mit einem Carlsberg nach Hause. Ich habe es probiert, und ich muss schon sagen, pardon Kronenbourg, aber es schmeckt mir besser. Nette Story. Haben Sie sich die zurechtgelegt, weil Sie jetzt deren Bierbotschafter sind?
Nein, ich schwöre es Ihnen, es war so. Wenn die Bezahlung stimmt …
Die stimmt schon, da haben Sie recht. Aber Sie können meine Frau anrufen, die wird Ihnen diese Geschichte bestätigen.
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Gilbert Gress: gern gesehen in Diskussionsrunden.
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Gilbert Gress im Gespr채ch mit Christian Nill.
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Nicht nötig. Trotzdem ist es erstaunlich: Es gibt
Geht es nicht auch um Nostalgie? Um eine
im Elsass, wo Sie herkommen, sechs Bierbraue-
Referenz an Ihre jungen Jahre, den Erfolg und
reien, die mehr als die Hälfte des gesamten
all die schönen Momente?
Bierkonsums in Frankreich produzieren.
Eigentlich nicht. Ich war nie modern. Ich sage Ihnen Folgendes: 1966 hätte ich mit der französischen Nationalmannschaft nach England gehen können! Einzige Bedingung des Trainers: Ich sollte mir die Haare schneiden. Nur die Beatles hatten damals lange Haare. Im französischen Team trugen sie alle kurz. Aber ich ging nicht zum Friseur und daher auch nicht nach England.
Und Sie entscheiden sich für eine dänische Weltbiermarke.
Ja. Als ich bei Straßburg noch Fussball-Profi war, spendete Kronenbourg nach jedem gewonnenen Spiel Bier für das ganze Team. Und wir gewannen fünf Jahre lang praktisch immer. Ich bin immer treu geblieben – bis vor Kurzem. Rufen Sie meine Frau an, die wird Ihnen bestätigen, dass Carlsberg besser ist als Kronenbourg.
Also eigentlich gehörten Sie mit Ihren langen Haaren, die an die Beatles erinnerten, zur
Wie lautet denn die Nummer Ihrer Frau?
Mode-Avantgarde, oder?
Die verrate ich Ihnen nicht. Ich bin doch nicht blöd (lacht).
Nein, von Mode halte ich gar nichts. Es muss mir gefallen.
Gut, jetzt haben wir genug Werbung für diese
Stimmt es, dass Sie diese quer über den Kopf
bestimmte Biermarke gemacht.
gescheitelte Frisur haben, damit man Ihre
Werbung muss sein. Aber ich mache es ja freiwillig.
abstehenden Ohren nicht sieht?
Wer's glaubt, wird selig. Wie haben Sie es eigentlich geschafft, aus Gilbert Gress eine Kultmarke zu machen?
«Ich will mal bescheiden bleiben. Ich hatte schon sehr früh Erfolg.»
Ich will mal bescheiden bleiben. Ich hatte schon sehr früh Erfolg. In der Bundesliga war ich 1966 der erste Franzose. Ich kam unheimlich gut an bei den Zuschauern, Fans und den Medien. Ich wurde zum Lieblingsspieler in Stuttgart gewählt, ebenso in Marseille. Aber man muss auch Intelligenz haben. Keine studierte Intelligenz, sondern emotionale Intelligenz. Als ich vor kurzem an einer Veranstaltung war, an der auch Andy Egli und Heinz Hermann auftraten, kamen die Kids nur auf mich zu und wollten Autogramme. Niemand ging auf die andern beiden zu. Die Kinder wussten gar nicht, wer das ist … Wenn man beim Fußball fünf Jahre weg ist, dann ist man vergessen. Mich kennt man natürlich vom Fernsehen. Zum Brand Gress gehören Brille und Frisur. Günter Netzer ist auch noch ein Mann mit 70erJahre-Frisur.
Der ist ja jetzt in den Ruhestand getreten. Das heißt, Sie haben nun das Frisur- und das Brillen-Monopol. Beides sind eigentlich Relikte aus einer vergangenen Epoche.
Lassen Sie mich Folgendes sagen: Sie sind ein alter Mann, Herr Nill! Die 13- bis 17-jährigen Jungs sagen zu mir, ich müsse unbedingt die Brille behalten. Ich kann sie nicht wechseln!
Es stimmt, dass ich als junger Bursche kurze Haare hatte und man meine abstehenden Ohren sehr gut sah. Einmal sagte dann die Bäckersfrau aus unserer Straße, ich müsse beim Schlafen auf meine Arme aufpassen, damit ich die Ohren nicht noch mehr aufstelle … Oder ich solle doch ein Klebeband darüber kleben. Damals hatte ich noch keine Komplexe deswegen. Später begann ich dann, einfach die Haare wachsen zu lassen, damit die Mädchen meine Ohren nicht sahen. Ich möchte nochmals nachhaken: Denken Sie mit Melancholie an die 1960er und 70er Jahren zurück?
Ja, klar. Der Tag wird kommen, an dem niemand mehr auf mich zukommt und nach einem Autogramm fragt. Damit werde ich vielleicht ein Problem haben. Und oft habe ich heute den Eindruck, alles, was früher war, habe keine Bedeutung mehr. Dabei ist Erfahrung so wichtig! Ich unterhielt mich immer gern mit älteren Menschen, wegen deren Erfahrung. In guter Erinnerung habe ich ein Gespräch mit Sepp Herberger (legendärer deutscher Fußballtrainer, Anm. d. Red.). Wir unterhielten uns 1970 darüber, warum er und sein Team 1954 beim «Wunder von Bern» Weltmeister wurden. Er sagte, sie hätten sich eingehend mit dem damaligen Gegner Ungarn auseinandergesetzt. Die Ungarn hingegen, die die Topfavoriten waren, hätten nur gesagt, die Deutschen seien nichts. Man kann viel lernen von älteren Menschen. Daher rede ich gern mit ihnen. Aber es werden immer weniger. Früher war nicht alles schlechter.
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Die Zeiten haben sich dennoch geändert.
Nein.
Ganz klar. Früher spielten Spieler 10, 15 Jahren für denselben Verein. Heute vielleicht noch 10, 15 Monate. Die Fans können sich nicht mehr identifizieren mit den Spielern.
Sie sind doch ein intelligenter Mann! Die beneiden uns alle. Die beneiden vielleicht das Erfolgsmodell Schweiz. Das muss man auch verteidigen,
Lassen Sie uns etwas allgemeiner werden.
damit es nicht untergeht.
Eine der wichtigsten Aufgaben eines Trainers
Bis das untergeht sind, wir alle längst tot. Ich habe vor Kurzem anlässlich des französischen Wahlkampfs diesem Mélenchon zugehört (Linksaußen-Politiker Jean-Luc Mélenchon, Anm. d. Red.). Das war so doof, was er über die Schweiz von sich gab! Alles nur negativ. Aber er vergaß zu erwähnen, dass die Schweizer regelmäßig gegen weniger Arbeitszeit oder mehr Ferien abstimmen. Sie wollen nicht weniger arbeiten. Fragen Sie mal das französische Volk, ob es lieber noch 5 Stunden weniger arbeiten möchte, also nur noch 32 Stunden pro Woche, oder ob es lieber acht Wochen Ferien hätte. Und dann wundert man sich, wenn der Staat in Schieflage gerät!
ist es, aus einem Haufen Individuen ein Team zu bilden. Wie bildet man ein Team?
Es beginnt schon vorher. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Man muss die richtigen Spieler holen. Außerdem kommt es gar nicht auf die Qualität eines Spielers an, sondern auf sein Köpfchen. Ich habe immer Intelligenz von meinen Spielern verlangt, was mir oft vorgeworfen wurde. Ich spreche von «Lebens-Intelligenz». Was meinen Sie damit?
Wenn man einen Spieler hat, der Mist baut, dann ist es schwierig, ihn zu integrieren. Wenn man aber zwei Spieler hat, die Mist bauen, dann wird es zum Problem. Natürlich: Man braucht Persönlichkeiten. Ein Spieler muss für die Mannschaft da sein. Aber in Frankreich meint man oft, ein Spieler habe Persönlichkeit oder Charakter, bloß weil er Mist baut. Das stimmt natürlich nicht. Deshalb: Ein Spieler muss intelligent sein.
Weg vom Staat, werden wir privat. Sie haben Glück, dass Sie eine Frau haben, die Ihnen jederzeit den Rücken frei gehalten hatte und dank der Sie ungehindert Karriere machen konnten.
Ja, das stimmt. Um Ihre Karriere nicht zu gefährden, ließen Sie sogar Ihre Kinder von deren Großeltern
Ich hatte gehofft, Sie könnten uns einen
aufziehen.
allgemeinen Tipp geben, wie man aus wider-
Stimmt.
borstigen Charakteren ein Team zusammenschweißt.
«Aber man muss auch Intelligenz haben. Keine studierte Intelligenz, sondern emotionale Intelligenz.»
Ich muss Sie enttäuschen, das ist nicht einfach. Da steckt viel Arbeit dahinter. Manchmal auch Glück. Wichtig ist, dass man alles gut vorbereitet und die richtige Taktik wählt. Taktik braucht's nicht nur im Fußball, sondern auch in der Politik. Die Schweiz steht zurzeit unter starkem Pressing aus dem Ausland. Wie würden Sie die Schweiz taktisch aufstellen, damit sie standhält gegen Gegner wie Deutschland, Italien oder die USA?
Vielleicht genügt es Ihnen nicht, was ich jetzt sage, aber ich sage Ihnen Folgendes: Wenn ich wieder nach Hause ins Elsass komme, dann sagen die Leute zu mir, was für ein Glück ich doch habe, einen Schweizer Pass zu besitzen – und auch noch in der Schweiz zu wohnen. Die beneiden mich. Alle. Meine Freunde, und darunter hat's Menschen vom Arbeiter bis zum Direktor, würden sofort in die Schweiz ziehen. Verstehen Sie, was ich sagen will?
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Wissenswertes über Gilbert Gress 17.12.1941, Straßburg Französisch-Schweizerischer Doppelbürger Verheiratet, 2 Kinder, 4 Enkelkinder Ehemaliger Profifußballer (Außenstürmer, Mittelfeldspieler) Erfolge als Spieler: Französischer Pokalsieger (1966) und Französischer Meister (1971, 1972) Erfolge als Trainer: Französischer Meister (1979) Schweizer Meister mit Xamax (1987, 1988) Schweizer Pokalsieger (2000) Französischer Trainer des Jahres 1978 Er trainierte die Schweizer Nati 1998/1999; die Quali für die EM 2000 verpasste er; ein weiteres Engagement als Nati-Trainer scheiterte an seiner Lohnforderung. Weitere Tätigkeiten: The Match-Trainer (Sendung auf SRF); u.a. Champions-LeagueExperte im SRF; Botschafter für Carlsberg Gress engagiert sich für Behindertensport und betreut regelmäßig eine Behindertenmannschaft. Gress hat keine Email-Adresse und keinen Computer; Nachrichten erreichen ihn ausschließlich über den postalischen Weg.
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Gilbert Gress wie man ihn kennt: mit Brille und 70er-Jahre-Frisur.
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Ist das etwas, was Sie heute bereuen?
«Der Tag wird kommen, an den niemand mehr auf mich zukommt und nach einem Autogramm fragt. Damit werde ich vielleicht ein Problem haben.»
Meine Frau bereut es. Das war nicht einfach. Ich war immer treu – zu Straßburg, zu Xamax, wo ich je 15 Jahre arbeitete. Dazwischen war ich immer viel unterwegs. Einmal in drei Ländern in sieben Monaten. Meine Kinder blieben bei meinen Schwiegereltern und waren dort glücklich. Was ist ideal für eine Familie? Ein schwedischer Fußball-Vollprofi kam mit mir nach Stuttgart. In Schweden war er Plattenleger gewesen. Nach drei Jahren wollte Stuttgart mit ihm verlängern. Aber seine Frau sprach kein Wort Deutsch, seine Tochter jedoch nur Deutsch. Die Mutter wollte mit der Tochter zurück nach Schweden, damit sie Schwedisch lerne. Mein Fußball-Kollege brach seine Karriere in Deutschland ab und ging mit seiner Familie zurück. Morgens arbeitete er als Plattenleger, nachmittags als Halbprofi bei Malmö. War er glücklich? Nein. War es seine Familie? Unsere Kinder waren glücklich bei ihren Großeltern.
ohne Kinder. Das war schwierig für sie. Aber sie sagte immer, dass sie es bevorzugt habe, beim Mann zu sein. Wenn wir dann unsere Kinder in Straßsburg besuchten, waren sie froh, uns zu sehen. Aber, das sagte meine Tochter später, sie waren auch froh, als wir jeweils wieder gingen … Gab es nie ein böses Wort, als die Kinder erwachsen waren?
Nein. Unsere Kinder haben es akzeptiert. Aber Sie haben schon recht. Meine Frau würde es heute nicht noch einmal so machen. Sie würde die Kinder mitnehmen. Ein großer Preis, den Ihre Frau für Ihre Karriere bezahlt hat.
Ja, aber die Idealsituation gibt es in diesem Beruf nicht. Für meine Kinder wars ok, für meine Frau nicht. Sie mag das Familienleben. Sie sagt heute noch, vielleicht habe sie nicht alles richtig gemacht mit den Kindern. Das beschäftigt sie.
Und Ihre Frau?
Aber Ihnen waren die schreienden Kinder eher
Die ist immer hin und her, war oft allein zuhause,
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Ich war in meinem Beruf drin. Ich musste Erfolg haben. 23 Stunden pro Tag beschäftigte ich mich mit Fußball. Und meine Frau war alleine zuhause. Das ist so. Macht es Sie traurig, dass das Leben endlich ist?
Ja, ich möchte gerne unsterblich sein. Ich sage Ihnen etwas: Mit 16 Jahren habe ich eine Geschichte über Unsterblichkeit im Kino gesehen. Ich dachte damals, dass in 50 oder 60 Jahren eine Spritze erfunden sein würde, die unsterblich macht. Gedanken über den Tod machte ich mir nicht. Heute bin ich 71. Und die Spritze gibt es immer noch nicht.
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nach Hause zum Frühstücken, danach spielten wir Fußball und nachmittags ging ich nach Straßburg, um die Profimannschaft zu sehen. Ich habe alle Spiele gesehen. Das war meine Jugend. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mich so aufgezogen haben. Als gläubiger Christ bräuchten Sie ja eigentlich keine Pille, die unsterblich macht, oder?
(lacht) Doch! Jesus ist ja mit 33 gestorben. Nur kurzfristig.
Dennoch bin ich schon mehr als doppelt so alt wie Jesus.
Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?
Sie vergleichen sich mit Jesus?
Sind Sie religiös?
Meine Tochter ruft mich immer am Saint-Gilbert-Tag an. Irgendwann begann sie damit, mich auch am Saint-Modest und am Saint-Parfait anzurufen. Weil modest bedeutet bescheiden und parfait bedeutet perfekt. Ich hab's natürlich lieber, wenn sie am Saint-Parfait anruft. Aber es stimmt schon, ich bin perfekt. Und bescheiden (lacht). n
Ja. Woran glauben Sie?
An Gott. Meine Eltern haben mich so erzogen. Als ich 14 war, spielten wir immer sonntags Fußball, nie am Samstag. Also ging ich am Sonntag von 8 bis 9 Uhr in die Kirche, danach Anzeige
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Das Schweizer Original gegen Kalk
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Heiweh? Das kenni nid! Noëmi Lerch www.transhelvetica.ch Transhelvetica, das Schweizer Magazin für Reisekultur.
8/20 Auf hoher See in den Tiefen von Bern: Daniel Trösch war von 1981 bis 1986 Matrose bei der Schweizerischen Hochseeflotte. Heute betreibt er den Seemannskeller in der Berner Altstadt.
Daniel Trösch erzählt von seinen Abenteuern auf hoher See.
D
er Wind steht gut, als ich in Bern aus dem Zug steige. Er kommt aus dem Süden und bringt Sand und getrocknete Algenblätter mit. Zwischen den Pflastersteinen der Altstadt sammeln sich Muscheln und auf dem Rand des Gerechtigkeitsbrunnens wachsen Korallen, so klein, dass man sie fast nicht sieht. Der Seemannskeller liegt am Ende der Straße, von hier aus kann man die Aare riechen und der Keller wird zur Hafenkneipe, an seinem Eingang wehen die Fahnen großer Seefahrtsnationen. Aus einem Radio kommt Rumba und Meeresrauschen. Ich setze mich auf die Treppe neben
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dem Eingang und warte auf einen Mann mit Tattoos und Goldzähnen. Der Mann, der sich mir dann als Dänu vorstellt, hat nichts von beidem, aber sein Händedruck verrät etwas aus seinem Leben da draußen auf dem Meer. Ich folge ihm die Treppe hinunter in den Keller, wo es kühl ist und der Geruch nach Öl wie ein Geist in der Luft liegt. An den Wänden, an der Decke Treibgut von tausend und einem Tag auf dem Meer: ausgediente Taue, Fotografien von schönen Frauen und Frachtschiffen aller Art, Rettungsringe, Steuerräder, Anker, gewellte und verblichene
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Postkarten. Ich stelle mir vor, dass hier Geschichten wie Schatzkarten ausgebreitet werden, ihre Ränder hängen über die Tischkanten herunter, so groß sind sie. Wir trinken Tonic Water und während der ehemalige Seemann erzählt, liegen seine Arme auf dem Tisch, als wären sie mit jedem Tag auf dem Schiff ein wenig schwerer geworden. Nach einer Lehre als Maschinenmechaniker wollte Trösch unbedingt im Ausland arbeiten. Der Vater sei auch schon ein «Reisefüdli» gewesen und so habe er die Reiserei von klein auf im Blut gehabt. 1981 ging Trösch im Alter von 18 Jahren an Bord des Frachtschiffs «Davos». Ein «heftiger Tag», erinnert er sich. Kaum war er auf dem Schiff, hieß es, Kabine beziehen und dann «ga bügle». Er sehe es noch heute vor sich, wie er die Tür zum Maschinenraum aufgemacht und sich einen Moment überlegt habe, ob er wieder umkehren soll. «E huere Lärm u e huere Hitz» sei es gewesen. Und all diese Ventile, Leitungen, das ganze Zeug, da habe er gedacht, das lerne er nie. Romantik der Seefahrer
«Ich stelle mir vor, dass hier Geschichten wie Schatzkarten ausgebreitet werden, ihre Ränder hängen über die Tischkanten herunter, so groß sind sie.»
Was es denn brauche, um Matrose zu werden, frage ich ihn. Er zögert einen Moment, sagt dann: «D’Seefahrerromantik, wi sä die Junge mängisch gseh, exischtiert nid.» Auf den Schiffen sei es ein knallhartes Arbeitsleben. Die Seefahrerromantik könne dann jeder selber machen. «Irgendwo ide Trope z’Nacht, wenn d’Büez hesch düre gha, de bisch dusse gsi u hesch dr Schtärnehimu gseh. Das si villich so Momänte gsi.» Sicher aber sei die Seefahrt eine gute Lebensschule und manchem täte ein halbes Jahr Seefahrt besser als die RS, da ist Trösch sich sicher. Denn auf See werde der Charakter geformt. Da sei es nicht so wichtig, ob einer ein «Finöggeli» oder ein Studierter sei. Und mit einem Gemisch aus Stolz und Schwermut erzählt er von den Abenden in den Hafenkneipen, von Prügeleien und Hafenweibern, da habe man schon ein wenig «über d’Schträng gschlage». «Und Heimweh hast du nie gehabt?», frage ich ihn. «Heiweh?», sagt Trösch, als hätte er einen Schluck warmes Bier getrunken. «Das kenni nid. Weni öppis ha, denn hani Färnweh.» Sturm und Meeresbläue
Und das Meer sei auch immer wieder anders, von der Farbe und vom Wellengang her, je nachdem, in welchen Zonen man sei. Am schönsten sei es gewesen, wenn es stürmte und das Meer sich bewegte. Den verrücktesten
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Sturm habe er im südchinesischen Meer erlebt, erinnert sich Trösch und legt die eine Hand in die andere. Dort seien sie drei Tage lang in einen Taifun gekommen. Der Kapitän habe den Kurs gewechselt, aber der Sturm sei ihnen einfach hinterher, mit Wellen von 22 Metern Höhe. Was man denn mache, in so einem Sturm, frage ich ihn. «Schaffe», sagt der ehemalige Matrose. «U hoffe, dass nüt ustiigt.» Ob er denn nie Angst gehabt habe? Eigentlich nicht. «Du bisch ja zmitzt drin. Wenn det Angscht hesch, das hiuft dir itz überhoupt nüt.» Heute wohnt Trösch in Thun, wo man die Berge sieht, nicht weit vom See. Träume habe er noch viele, sagt er, aber man dürfe im Leben nie den Fehler machen, dass man jeden Traum verwirklichen wolle. Jemand, der das Träumen aufgegeben habe, der sei ja eigentlich tot, dem fehle einfach etwas. Der Ausspruch «Wei mir de no u tüe mir de no» sei sein Antrieb, um weiter zu machen und Gas zu geben. Hin und wieder da vermisse er das Leben auf den Frachtern schon. «Aber de schtiige mir hurtig ines Outo u fahre i irgendene Hafe, wo de ds Wuchenänd chli usgläbt wird.» Als Trösch vor bald 30 Jahren während eines Landurlaubs seine Frau kennenlernte, hat er sich für die große Liebe entschieden und die Schifffahrt an den Nagel gehängt. Mit seinem Hobby, dem Seemanns Club, ihrer gemeinsamen Schifffahrtssammlung und der Stiftung Swiss-Ships sei er aber auch heute noch jeden Tag auf dem Wasser, einfach auf eine andere Art. Und wenn dann an den Freitagabenden im Seemannskeller Seemannsgarn gesponnen werde, sei immer wieder ein Matrose darunter, der noch fahre und die neusten Geschichten von hoher See in den Berner Altstadtkeller hinunter bringe. Das Band im Kassettenrecorder ist zu Ende und wir nehmen Kurs auf zur Gegenwart. Ein Sonntagabend erwartet uns oben auf der Straße, wir stellen die Gläser zusammen und ich hätte am liebsten gesagt, was man eben auch nicht kann, wenn man nachts beim Träumen aufwacht: Weiter erzählen! Auf zur nächsten Insel! Ahoi! n
Ausflugstipps Der Seemannskeller in Bern ist jeden Freitag für alle geöffnet. Ganz egal, ob Sie ehemaliger Matrose, Klippenspringerin oder Gleitschirmflieger sind. Gerechtigkeitsgasse 15, Bern. Wer in Zürich sein Fernweh unter seinesgleichen stillen will, der besuche die Zürcher Hafenkneipe, wo über dem Eingang die Möwen kreisen. hafenkneipe-zh.ch
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Mit mobilem Zeitgeist aus der Armut Rino Borini www.punktmagazin.ch PUNKT – das Wirtschaftsmagazin. Unter dem Motto «Wirtschaft ist mehr» werden Themen aufgegriffen, die sonst nicht überall zu lesen sind.
9/20 Der afrikanische Handymarkt verfügt über die weltweit höchsten Wachstumsraten. Doch große Telekomanbieter scheitern an der Cleverness der afrikanischen Bevölkerung.
«Bauern in Kenia lassen sich beispielsweise per Kurzmitteilung vor Elefanten warnen, die ihre Ernte bedrohen könnten.»
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Wirtschaft
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ie internationale, insbesondere die westliche Berichterstattung über den afrikanischen Kontinent beschränkt sich mit Vorliebe auf Krisen, Kriege und Katastrophen. Dabei wird oft übersehen, dass auch positive Entwicklungen stattfinden. So zum Beispiel, dass der afrikanische Mobilfunkmarkt der am schnellsten wachsende der Welt ist. Dies hat Auswirkungen auf Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft. Während hierzulande verzweifelt neue Geschäftskonzepte für Mobilfunktelefone gesucht werden und tagtäglich mehr oder weniger sinnvolle Applikationen für Smartphones entstehen, ist das Handy in Afrika ein, wenn nicht das, (Überlebens-)Instrument des Alltags. Viele Bewohner des Schwarzen Kontinents haben für unser Verständnis sehr fremde Herausforderungen zu meistern – die Mobiltechnologie erweist sich dabei als wichtigster Entwicklungshelfer. Wie keine andere Erfindung ist das Mobiltelefon auf Afrikas mangelhafte Infrastruktur – die Straßen sind schlecht, es mangelt an Fahrzeugen und ein Festnetz fehlt oft gänzlich – zugeschnitten. Die Vereinten Nationen sehen die Verbreitung mobiler Telekommunikation in armen, strukturschwachen Regionen als einen wichtigen Schritt zur Beseitigung der Armut. Wer Zugang zu Kommunikationsmedien hat, dem eröffnen sich auch wirtschaftliche Chancen. So lassen sich Bauern in Kenia beispielsweise per Kurzmitteilung vor Elefanten warnen, die ihre Ernte bedrohen könnten. Auf dieselbe Weise informieren sich Farmer und Fischer über Marktpreise und können so ihre Lagerhaltung und Verkäufe weitaus profitabler als zuvor organisieren. In Nigeria bekommen Jobsuchende die neusten Stellenanzeigen auf ihr Handy gesandt und in Südafrika nutzen die weniger Betuchten die «Call Me»-Funktion. Hat man zu wenig Guthaben für einen Anruf, wird das Gegenüber per kostenlosem SMS zu einem Rückruf aufgefordert. Multinationale Großkonzerne sehen zwar das wachsende Gewinnpotenzial in Afrika, doch im Alltag scheitern sie oft am Einfallsreichtum der Bevölkerung. Um Geld zu sparen, verständigen sich viele Handybesitzer per Klingelton. Bei Anruf nehmen sie nicht ab, sondern zählen die Anzahl der Klingelzeichen, für die sie untereinander Codes definiert haben. Studien zeigen, dass mittlerweile mehr als 30 Prozent aller Handy-Anrufe auf «Beeping» zurückzuführen sind. Was den Menschen nützt, schadet dem Anbieter, denn so verdient er kein Geld. Auch für politische Belange wird das Handy eingesetzt: Aktivisten nutzen es seit Jahren, um ihr Engagement für Menschenrechte zu koordi-
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nieren. Per Handy vernetzen sie sich in Echtzeit und belastendes Videomaterial wird innert Kürze ins Internet gestellt. Ein weiterer Trend, der schnell fortschreitet, ist «Mobile Payment», das Bezahlen per Handy. Während in den Industriestaaten seit Jahren darüber diskutiert wird, in welcher Form das telefonische Bezahlen umgesetzt werden könnte, ist es in Afrika Tatsache. Bereits im März 2007 begann das «Handy-Geld» seinen Siegeszug in Ostafrika. Es war der Anbieter Safaricom, inzwischen ein Tochterunternehmen von Vodafone, der ein Angebot lancierte, das Geldtransfers per Mobile erlaubte. M-Pesa heißt die Dienstleistung (Pesa bedeutet auf Swahili Geld). Zuvor mussten oftmals lange Reisen angetreten werden, um an Bargeld zu gelangen. Es wurde etwa von Verwandten oder vom Ehemann per Post in die nächste Stadt geschickt – Überfälle waren an der Tagesordnung. Durch den Verzicht auf Bargeld ist diese Gefahr deutlich gesunken. Inzwischen werden sogar Löhne, Schulgebühren oder Einkäufe in Supermarktketten per Handy bezahlt. Das Verfahren ist denkbar einfach. Der Kunde lässt sich registrieren, bekommt eine Nummer und ein Passwort. Somit verfügt er über ein (Geld-)Konto. Ist Guthaben vorhanden, kann er von überall aus Überweisungen tätigen. Für Ein- und Auszahlungen sorgen kontinentweit lizenzierte Service-Shops wie Tankstellen, Internet-Cafés oder Lebensmittelgeschäfte. Heute, fünf Jahre nach Lancierung, wird M-Pesa von fast 15 Millionen Ostafrikanern benutzt. Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Erfolg für die Telekomanbieter, sondern vereinfacht vor allem das Leben der Menschen ohne Bankzugang. Denn Banken findet man meist nur in Großstädten, auf dem Land verfügen jedoch nur gerade 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung über ein reguläres Bankkonto. 600 Millionen Neukunden
Laut GSMA, der weltweiten Industrievereinigung von Mobilfunkanbietern, ist der afrikanische Mobilfunkmarkt der am schnellsten wachsende überhaupt. Die Raten sind doppelt so hoch wie auf dem Weltmarkt. Von der Größe her ist er nach Asien die Nummer zwei. Diese Chancen wollen sich viele Unternehmen zunutze machen. Angesichts einer Penetrationsrate von «erst» 40 Prozent (Stand 2010) ergibt dies ein Potenzial von rund 600 Millionen Neukunden. Zwei Effekte dürften das Wachstum des afrikanischen Telekommarkts weiterhin beflügeln. Erstens steigt mit steigendem Einkommen die Anzahl Kunden, auch für die neue Mittelschicht wird
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Fabian Widmer - PUNKTmagazin
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Hohe Anzahl Geräte bei teilweise tiefer Alphabetisierung.
Fertig gestolpert Reto Wüthrich www.mag20.com/reto-wuethrich Reto Wüthrich ist Journalist und Geschäftsführer des Medienunternehmens PEPPER. Er lebt und arbeitet in Bern.
10/20 Es begann mit Stolpersteinen. Zuerst mit echten, mit finanziellen und schließlich mit bürokratischen. Doch nun hat Rikscha Taxi Schweiz endlich Fahrt aufgenommen und macht Taxifahren zur coolen Sache.
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in so gutes Gefühl wie jetzt hatten wir noch nie», sagt Pascal Nydegger und schaut dabei mit einem entspannten Lächeln zu Chantal Monnier. Sie nickt. Die beiden sitzen in einem Raum mit grün bemalten Wänden an einem Tisch zwischen Kaffeemaschine und Kühlschrank. Das sind zwei enorm wichtige Geräte, wenn man gerade ein Unternehmen aufbaut. Vor einiger Zeit wurde in diesen Räumen etwas außerhalb des Zentrums von Bern mit Motorrädern gehandelt. Nebenan betreibt der Autovermieter Avis eine Filiale. Nydegger, Monnier und ihr Geschäftspartner Bernhard Wyss hingegen stecken Zeit, Geld und Leidenschaft in ganz andere Gefährte: in Rikscha-Taxis. 2008 haben sie den Einfall dazu gehabt. 2009 eine Firma gegründet. Wenig später wäre die schöne Geschäftsidee beinahe eingestürzt wie ein Kartenhaus. Die Firmengeschichte ist am Anfang gespickt mit Stolpersteinen. Wobei: Ganz am Anfang noch nicht. Da war vor allem viel Euphorie. Der heute 30-jährige Pascal Nydegger führte seinerzeit ein Unternehmen für Sportbekleidung und war auf der Suche nach einer schlauen Werbeidee. Bei einem Brainstorming
Telefonieren erschwinglich. Zweitens geben bestehende Kunden bei steigendem Wohlstand mehr Geld für Telekomdienstleistungen aus. Der intensivere Gebrauch und die damit verbundene Effizienzsteigerung stimuliert auch die Wirtschaft – eine Wachstumsspirale entsteht. Eine Studie der Harvard University besagt, dass Menschen mehr verdienen, wenn sie Zugang zu einem Handy erlangen. So haben zum Beispiel Fischer in Südindien rund 8 Prozent mehr Gewinn erzielt, nachdem sie damit begonnen hatten, mögliche Käufer für ihren Fang unterwegs mit ihrem Mobiltelefon zu kontaktieren. Ins gleiche Horn stößt eine Studie der London Business School aus dem Jahre 2005. Diese besagt, dass pro zehn zusätzliche Mobiltelefone auf hundert Personen das Bruttoinlandprodukt eines Landes um 0,5 Prozent höher ausfällt. Trotz der unzähligen Vorteile hat der HandyBoom auch seine Schattenseiten. So haben zwar viele Menschen dank dem «Handy» den Sprung von der persönlichen Face-to-Face- zur elektronischen Kommunikation gemacht – aber ohne den Zwischenschritt der schriftlichen Kommunikation. Die Alphabetisierungsraten in den meisten Ländern Afrikas sind nach wie vor weitaus niedriger als in der industrialisierten Welt. n
kam der Geistesblitz: Werbung auf Rikscha-Taxis. Die Dinger sind sympathisch, ökologischer als Autotaxis und zumindest für den Fahrer oder die Fahrerin auch eine sportliche Angelegenheit. Das passte. Es passte sogar so gut, dass Nydegger sich mit seiner Kollegin Chantal Monnier hinsetzte, um ein Konzept für einen eigenen Taxibetrieb mit Rikschas zu entwickeln, wobei die Verschalungen als prominente Werbeflächen dienen sollten. Als sie davon dem Chef des Hotels Best Western in Bern erzählten, war dieser sofort Feuer und Flamme. Er stimmte zu, ein RikschaTaxi mit dem Logo des Hotels zu beschriften. Also kauften die Jungunternehmer bei einem Hersteller in Deutschland ein entsprechendes Fahrzeug und legten los. Doch nun kam der erste Stolperstein. Ein echter. Wer die Altstadt von Bern kennt, weiß dass dort viele Pflastersteine verlegt sind. Nach einigen Fahrten drohte die Rikscha in ihre Einzelteile zu zerfallen. Nydegger und Monnier hatten zwar feste Jobs und somit ein geregeltes Einkommen neben den Rikscha-Taxis. Sie arbeiteten auch mit schlanken Strukturen. Doch
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Ein Rikscha-Taxi im Einsatz vor der Berner Zytglogge.
dass kurz nach dem Start schon wieder Investitionen für ein neues Fahrzeug nötig waren, riss ein tiefes Loch in die Kasse. Drohender Konkurs
«Das Bundesamt für Straßen (Astra) hielt fest, dass Rikschas nicht als Fahrräder immatrikuliert werden dürften, sondern als Kleinmotorräder gälten.»
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«Das war schon ein turbulenter Anfang», blickt Nydegger auf diese Zeit zurück. Aber es kam dann ja noch viel dicker. Immerhin: Mit dem Berliner Rikscha-Hersteller Veloform fand sich vor gut zwei Jahren der ideale Partner, der mit seinen «CityCruiser»-Modellen genau das lieferte, was sich die drei Schweizer Jungunternehmer gewünscht hatten: ebenso robuste wie stilvolle Rikscha-Taxis. Damit baute das Jungunternehmen seinen Betrieb nun aus, heuerte Fahrerinnen und Fahrer an und expandierte nach Zürich. Doch als die Rikscha-Saison letzten Frühling gerade anrollte, stand die gesamte Flotte auf einmal still und das Unternehmen schon wieder kurz vor dem Konkurs. Dieses Mal wegen eines bürokratischen Stolpersteins: Das Bundesamt für Straßen (Astra) hielt fest, dass Rikschas nicht als Fahrräder immatrikuliert werden dürften, sondern als Kleinmotorräder gälten. Denn sie seien dreirädrig, fast ein Meter breit und verfügten zur Tretunterstützung über einen Elektromotor mit 250 Watt Leistung. Aber die Anmeldung als Töff plus die Taxilizenzen sprengten das Budget von Rikscha Taxi Schweiz. Hinzu kam, dass kaum eine Fahrerin oder ein Fahrer aus dem Team über einen Roller-Fahrausweis verfügte. Und noch schlimmer: Als Kleinmotor räder hätten die Rikschas nicht mehr in den Fußgängerpassagen der Innenstädte fahren dürfen – also genau dort, wo das Geschäft zu machen ist.
Ganz so glasklar war die Sache mit dem Gesetz allerdings nicht. In unzähligen Tests und Gesprächen mit Verkehrsexperten war die Rikscha mal ein Velo, mal ein Töff und mal ein Töffli, denn eine eindeutige Kategorisierung gab es bis dahin schlichtweg nicht. Selbst die Fachleute beim Astra waren zwar sehr engagiert und hilfsbereit, letztlich aber auch uneinig. Nydegger und seine Crew fürchteten den totalen Stillstand und ein ewiges Gerangel um Paragrafen. Sie setzten sich hin, schrieben einen leidenschaftlichen Brief und schickten diesen an alle Mitglieder des Ständerats, des Nationalrats und gleich auch noch an die zuständige Bundesrätin Doris Leuthard. Parallel dazu gelangte die Geschichte in die Medien. «Beamte bremsen VeloRikschas aus», titelte etwa der «Blick am Abend». Das löste eine Sympathie- und Solidaritätswelle aus. Bekannte Politiker wie FDP-Präsident Fulvio Pelli forderten eine rasche Lösung: «Diese Jungunternehmer müssen gefördert und sollen nicht von behördlicher Bürokratie behindert werden», ließ er verlauten. Von da an ging es erstaunlich schnell: Bundesrätin Leuthard erkannte das Problem und beauftragte das Astra letzten Mai mit der Ausarbeitung einer Art «Lex Rikscha». Am 23. Juni 2011 verschickte das Bundesamt eine offizielle Mitteilung unter dem Titel: «Erleichterungen für Elektrofahrzeuge». Darin war zu lesen, dass diese ab sofort für mehrspurige Fahrzeuge wie dreirädrige RikschaVelotaxis gälten. In der neuen Verordnung steht, dass die Rikschas zwar den Kleinmotorrädern zuzurechnen seien. Doch wenn die Höchstgeschwindigkeit mit elektrischer Tretunterstützung 25 km/h, das Gesamtgewicht 450 Kilo und die Motor-Dauerleistung 2 Kilowatt nicht überschreiten, brauchen die Gefährte zum Beispiel kein Abblendlicht, die Fahrenden keinen Töff-Ausweis, und das Befahren von Radwegen ist erlaubt. Damit war für alle Schweizer Rikscha-Unternehmen das Überleben gesichert – und es herrschte, nebenbei erwähnt, endlich Gleichstand mit den Rikschas in rund 40 anderen Ländern dieser Welt inklusive der gesamten EU. Die letzte Saison konnte damit in extremis noch gerettet werden. Dieses Jahr geht es nun seit dem warmen Frühlingsbeginn so richtig zur Sache. Die Rikschas sind unterwegs, sorgen für lächelnde Fahrgäste, zufriedene Werbepartner und beim Berner Unternehmen für einen florierenden Betrieb. Jetzt werden zügig Franchise-Lizenzen in andere Schweizer Städte vergeben (Basel läuft bereits, Luzern und Genf sollen als nächstes folgen). Und Nydegger hat wirklich allen Grund zur Aussage: «Ein so gutes Gefühl wie jetzt hatten wir noch nie.» n
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Ausgebeutet im Verkehrsstau Peter Achten http://www.journal21.ch Journal21 – Journalistischer Mehrwert. Nach dem Motto «we are old but not dead yet» betreiben wir eine täglich aktualisierte Online-Zeitung.
11/20 Noch vor wenigen Jahren waren Chinas Großstädte ein Paradies für Taxichauffeure und Taxikunden. Das hat sich radikal geändert.
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ie Taxifahrer sind sauer und arbeiten zu viel, die Taxikunden sind wütend und warten vergeblich auf Taxis. Taxis gehören in ganz Asien neben Untergrund- und S-Bahn, Bus oder Fähre zum Mix des Öffentlichen Verkehrs der Millionenstädte. Das Gewerbe freilich ist überall streng reglementiert. Nicht verwunderlich deshalb, dass vor allem städtische Beamte und Betreiber von Taxifirmen profitieren. Die Taxichauffeure kommen sich, nicht ganz zu Unrecht, ausgebeutet vor. Als ehemaliger Taxichauffeur – Werkstudent in Bern, Berlin und Paris – hat mich das Thema jedenfalls nie mehr losgelassen. Eine Fahrt im Chaoyang Distrikt im Zentrum von Peking ist preiswert. Zehn Kilometer schlagen mit 25 Yuan – umgerechnet rund 3.20 Franken – zu Buch. Klar, die Metro ist billiger. Gerade einmal zwei Yuan pro Fahrt, unabhängig von der Distanz. Noch billiger natürlich ist es mit dem Fahrrad. Nur eben: die Metro ist überfüllt, die Straßen sind im Dauerstress der Staus blockiert. Nur mit dem Velo kann man sich durchwieseln. All das ist aus der Perspektive des Taxichauffeurs die Hölle. Kein Wunder also, dass es heute im Gegensatz zur Zeit vor einem Jahrzehnt es extrem schwierig geworden ist, im heillosen Gewühl der Rushhour überhaupt noch einen Taxi zu ergattern. 72-Stunden-Woche
In den 1980er Jahren – dem ersten Jahrzehnt der chinesischen Wirtschaftsreform – gab es kaum Taxis, dafür umso mehr mit Pedalen und Menschenkraft betriebene Dreirad-Rikschas. Die gibt es heute nicht mehr, das heißt: nur noch für Touristen im eng begrenzten Umfeld der Hutong, d.h. der Pekinger Altstadt. In den 1990er Jahren begann dann die Taxi-Zeit. Die Regierung vergab Lizenzen, und wie überall waren auch in Peking die Risikofreudigsten und am besten Vernetzten die großen Gewinner. Damals war der Verkehr noch moderat. Noch nicht einmal eine Million Autos teilten sich die Boulevards mit fast zehn Millionen Fahrrädern. Heute nach dem dritten Jahrzehnt der Wirtschaftsreform rollen rund fünf Millionen Autos auf einem Straßennetz, das zwar eiligst ausgebaut wurde und wird, der Blechlawine jedoch nie gerecht werden kann. Die Taxichauffeure sind nicht zu beneiden. Rund 70 000 rote, blaue, weiße und grüne Taxis mit gelben Streifen fahren Tag und Nacht durch den Dschungel der Großstadt. Weit über zweihundert Taxibetriebe teilen die städtischen Lizenzen unter siach auf und machen schöne
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Profite. Nicht so der Taxichauffeur. Monatlich bezahlt er 3000 Yuan für den Wagen, plus Benzin, plus Reparaturen. Die Betreiber vermieten ihre Flotte rund um die Uhr, das heißt in zwei 12-Stunden-Schichten. Um einigermaßen über die Runden zu kommen, arbeitet ein Pekinger Taxichauffeur mindestens sechs Tage und kommt so auf eine Wochenarbeitszeit von 72 Stunden. Am Schluss bleiben ihm 3000-4000 Yuan pro Monat. Der Taxichauffeur hat auch eine Reihe von Bedingungen von der Firma und der städtischen Lizenzbehörde zu erfüllen. Er muss sich «anständig» kleiden, darf keinen Bart tragen, darf nicht rauchen, rotzen oder mit dem Handy telefonieren. Kurzum, er muss höflich und freundlich sein und darf keinesfalls Fahrgäste abweisen. Falls doch, kann man sich bei der Taxifirma beschweren. Das ist einfach, denn jeder Taxifahrer hat gut sichtbar seine Lizenz mit Konterfei und Nummer am Armaturenbrett angebracht. Bei einer Beschwerde erhält er einen Punkteabzug, was im Extremfall zum Lizenzverlust und zu Arbeitslosigkeit führen kann. «Wir werden ausgebeutet», sagt ein Fahrer, der sich verständlicherweise nur mit dem chinesischen Allerweltsnamen Wang zitieren lässt. Die Tarife sind für den Kunden vom unteren bis mittleren Mittelstand – und davon gibt es in Peking allein unterdessen Millionen – sehr günstig. Beim Einsteigen stehen 10 Yuan auf dem obligatorischen Taxameter. Das reicht für vier Kilometer. Danach werden pro Kilometer 2 und ab Kilometer fünfzehn 3 Yuan berechnet. Das größte Problem sind die Staus. Steckt man auf der zweiten, dritten oder vierten Ringstraße im Stau, kann das eine halbe Stunde oder mehr Zeit kosten. Der Taxameter aber berechnet pro fünf Minuten Wartezeit einen einzigen Yuan. Trick 15
Dazu kommt die Konkurrenz der «Schwarzen». Das sind nicht konzessionierte Taxis, das heißt Privatwagen. Dort gibt es keine Taxameter, sondern der Preis wird ausgehandelt. Die «Schwarzen» sind etwas teurer, dafür bei Regen oder Stoßverkehr immer zu haben. Dazu kommen noch die meist von Rentnern gefahrenen motorisierten Dreiräder, die zwar billig aber extrem gefährlich sind. Ein Pekinger Taxifahrer hat es also schwer. Und doch, die Pekinger Taxifahrer sind die besten. Finde ich wenigstens als ehemaliger Insider. In einem Ranking der Taxifahrer der mir bekannten Welt – also die beiden Amerikas, Europa, Australien und Asien – erfahren die Pekin-
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«Taxichauffeure sind nicht zu beneiden. Rund 70 000 rote, blaue, weiße und grüne Taxis mit gelben Streifen fahren Tag und Nacht durch den Dschungel der Großtadt.»
ger eindeutig die Nummer Eins. Zwar haben die meisten, weil aus der Provinz, wenig geografische Kenntnisse der 20-Millionen-Megalopolis, und die Englischkenntnisse beschränkten sich auch bei Olympia 2008 auf Okay, Okay und Money, Money. Dennoch: im Unterschied zu Basel, Bern oder Zürich – und nicht zu vergessen New York, Caracas, LA, Mexico City, Denver oder Hanoi und Jakarta – ist in Peking der Trick 15 unbekannt. Der Trick 15 besteht einfach darin, den Fremdling in kunstvollen Mäaandern durch die Stadt zu fahren, ohne dass er es merkt, um somit einen hohen Preis herauszuschinden. Er hört das Gras wachsen
Ich gestehe, ich bin nicht unschuldig. Als Werkstudent am Taxisteuer beherrschte ich – nach einiger Übung und Tipps von Profikollegen – den Trick 15 quasi perfekt. Einen kunstvollen Mäaandern hinzukriegen braucht ja, let’s face it, eine Spur von Kreativität. Und das hat natürlich seinen Preis. Dem kreativsten Mäaandern-Taxichauffeur bin ich in Washing-
ton D.C. begegnet. In später, dunkler Nacht ließ ich mich, erstmals in der Stadt, vom Flughafen ins Hotel fahren. Am nächsten Morgen bestieg ich wieder ein Taxi, das mich damals (1990) an meinen neun Arbeitsplatz bringen sollte. Ich saß also in einem Taxi in einer mir fremden Stadt und plauderte über Gott, die Welt und die amerikanische Regierung mit dem gut gelaunten, aufgestellten Afro-Amerikaner am Steuer. 45 Minuten später erreichten wir das Büro an der M Street. 33 Dollar und 50 Cents plus ein schönes Trinkgeld für die angenehme Fahrt. Nach dem ersten Arbeitstag bestieg ich an der M Street wieder ein Taxi und gab als Fahrziel das Hotel an. Der Taxichauffeur sagte dann ziemlich perplex: «Sir, das Hotel liegt gleich um die Ecke keine 200 Meter entfernt». Chapeau! Weltrekord in der Disziplin Trick 15. Kreativität in Ehren, aber mein Pekinger Lieblings-Taxichauffeur Xiao Liu ist mir da halt am Ende doch noch lieber. Vor allem auch deshalb: Er kennt alle Gerüchte seiner Stadt und hört buchstäblich das Pekinger Gras wachsen. n
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chinesischeR Verbrauchermarkt Charly Suter http://mag20.com/charly-suter Die Non-Profit-Plattform CONNECT CHINA dient dem Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen China - Schweiz.
12/20 Wenn Unternehmen zuwarten, bis sich der Schweizer Franken abschwächt, wird es zu spät zum Handeln sein, ließ sich Osec-CEO Daniel Küng zitieren und denkt dabei auch an das Potential Chinas.
«Habe ich dir schon erzählt» Raoul Haagen www.aminachaudri.ch Raoul Haagen ist 1964 in Hamburg geboren und in Lübeck aufgewachsen. Er arbeitete viele Jahre in München und Düsseldorf im Verlagsund Internetbereich.
13/20 So fängt nicht selten eine Unterhaltung an. Geschichten werden erzählt, aus dem eigenen und dem Leben anderer, gute und weniger gute Erlebnisse.
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as Potential des chinesischen Verbrauchermarktes ist riesig – und das Potential noch viel größer. Auf Grund der anderen Kultur, der anderen Bedürfnisse und zahlreicher weiterer Unterschiede aber kein einfacher Markt. Schweizer Exporteure treffen auf eine andere Kultur und andere Bedürfnisse. Dennoch können Schweizer Unternehmen von hohem und gutem Ansehen profitieren. Dabei spielt es weniger eine Rolle, ob die chinesische Wirtschaft nun um 14 oder «nur» 7 Prozent wächst, ist Dr. Martin Brasser von Connect China überzeugt. Vielmehr geht es darum, 1 Prozent der 200 Millionen Chinesen in der Mittel- und Oberschicht zu erreichen und dann hat man bereits ein Marktvolumen von zwei Millionen potentiellen Kunden. Ein riesiges Potential, insbesondere für Schweizer Unternehmen. Man bedenkt zudem, dass die Mittelschicht auf 700 Millionen anwachsen soll gemäß Prognosen. So wird China je länger je mehr von der verlängerten Werkbank der Welt zum dynamischen Binnenmarkt. Wer sich daher bereits ein Bild von China gemacht hat, sollte dies nun allmählich überdenken und der neuen Situation anpassen. Grund genug dafür zu sorgen, dass sich die Ent-
scheidungsträger von Schweizer Unternehmen über ihre Strategien austauschen und das andere von diesem reichen Erfahrungsschatz profitieren können. Denn mit dem in Verhandlung steckenden Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China könnte sich die kleine Schweiz einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber Europa verschaffen. Dass Freihandelsabkommen funktionieren, wissen wir ja nicht erst seit Kanada (+300 Prozent Exporte nach 2 Jahren) – sondern generell kann gesagt werden, dass sich die Exporte ins Zielland in den ersten 3 Jahren mehr als verdoppeln. Daher ist es umso wichtiger, sich rechtzeitig vorzubereiten und sich seine Markt-Nische zu suchen. Die richtige und auf den Zielmarkt angepasste Strategie ist entscheidend. Dank den vielen Großfirmen in der Schweiz können nun auch kleine Unternehmen vom Wissen und Know-how profitieren. Daher gilt es, diese Chance zu nutzen und sich mit dem Thema auseinander zu setzen. n
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konnte man bereits Bilder zu seinen Geschichten hinzufügen, und mit weiteren Versionen und Erweiterungen dann auch Podcasts, also die gesprochene Version der Geschichte, und Videos, sofern sie privat erstellt worden waren. Der Anfang war erwartungsgemäß zäh, aber nach und nach – und mit Hilfe von sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook – kamen mehr und mehr User auf die Seite und gewährten einen Einblick in ihr Leben, vom Foto einer besonderen Blume in ihrem Garten bis hin zu hochemotionalen Themen wie dem Verlust eines Menschen und Lebenskrisen, die gemeistert wurden. Und so sind bis zum heutigen Tag fast 1200 Geschichten online gegangen. Sie stammen von mehr als 500 Geschichtenschreibern. goodnewstoday.de möchte und kann nicht die Welt verändern. Aber wenn es der Seite gelingt, die schönen Seiten des Lebens für einen Moment ins Leben der Leser zu transportieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dann ist sie ihren Platz im Internet wert. n
nfang 2009. Ich treffe nach 20 Jahren einen Schulfreund wieder. Er hat auf einer Weltreise seine Liebe in Mittelamerika gefunden und lebt mittlerweile dort. Wir reden über alte Zeiten, Geschichten aus der Schule, was ist und was war. Und dann frage ich ihn, was die Unterschiede zwischen seinem heutigen Leben dort und seinem früheren hier seien. Ohne nachzudenken sagt er: «Den Menschen hier geht es verhältnismäßig gut, und doch haben sie das nicht vor Augen und sehen tendenziell das Negative im Leben.» Nach dieser Begegnung war die Idee zu goodnewstoday.de geboren: eine Webseite nur für schöne Geschichten aus dem Leben. Für alles andere gibt es schon genug Seiten im Internet, so mein Gedanke. Jeder kann auf goodnewstoday.de eine Geschichte schreiben und veröffentlichen – nur positiv soll sie sein. Das Schöne im Leben, widerspiegelt in vielen persönlichen Geschichten. Noch in derselben Woche erstellte ich ein Konzept und machte mich auf die Suche nach einer Internetagentur. Ich fand sie, und im September 2009 ging goodnewstoday.de online. In der ersten Version
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Gefällt mir nicht Marco Büsch www.dieperspektive.ch «dieperspektive» ist die lesergenerierte Monatszeitung für Kunst, Kultur und Politik.
14/20 Wie hat Stéphane Hessel so schön geschrieben: «Empört euch!» Aber wir empören uns doch jeden Tag! Wir sind empört, zeigen Mitgefühl und drücken «Gefällt mir».
«Was nützt mir ein entlastetes Gewissen, wenn die anderen nichts davon wissen?»
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ch wachse in einer Generation auf, welche sich zu einem großen Teil jeden Tag aufs Neue empört, indem sie «Gefällt mir» drückt. Und wer nicht «Gefällt mir» drückt, ist ein herzloser Unmensch. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der alles immer komplizierter wird und keiner mehr den vollständigen Durchblick hat. In so einer Welt ist es schön, wenn einem Dinge auf simple Weise erklärt werden. Zum Beispiel wenn die SVP einen vor die Wahl stellt, man könne entweder für die Ausschaffungsinitiative sein oder man sei pro Vergewaltiger. Da fällt einem die Wahl sicherlich leicht. Und so geht es uns mit vielen Dingen: Wer hat schon die Zeit, jede Nachricht genau zu lesen? Wichtiger ist es, «Gefällt mir» zu drücken und den Leuten zu zeigen, dass man nicht wegsieht. Auch wenn man nicht weiss, was man überhaupt ansieht. Da wäre zum Beispiel Kony 2012: Es ist so leicht, sich dieses Video anzusehen und dann vor lauter emotionalen Wallungen «Gefällt mir» zu drücken, das Video zu teilen, ein Kony-Bild zu posten oder sich gar die sündhaft teure KonyBox zu bestellen, um dann überall die Kleber zu verteilen. Ich will mich nicht darüber auslassen, ob diese Kony 2012-Aktion hilfreich gewesen ist oder nicht. Zudem werden sich viele fragen, warum ich jetzt, nach all dieser Zeit, wieder die Kony 2012-Diskussion anreiße, das ist doch Schnee von gestern. Und genau das stört mich: Gestern empört uns dies, heute das. Wir sind empörungssüchtig geworden! Denn man ist heute für oder gegen etwas, dazwischen gibt es nichts mehr, das ist verschwunden. Und dann ist die erste EmpörungsEuphorie plötzlich vorüber. Denn «20 Minuten» und «Blick am Abend» berichten nicht mehr darüber. Was tun? Man zieht weiter zur nächsten Empörung. Wen interessiert schon Kony? Er ist zwar immer noch nicht gefasst (Stand April 2012), aber es gibt schließlich auch noch andere Probleme auf dieser Erde. Es verunfallt ein Bus voller belgischer Kinder und tagelang sind die Medien voll von Artikeln über diesen Unfall. Ja, er ist tragisch. Vor allem, weil es Kinder gewesen sind. Das Ganze ist so traurig. Natürlich ist es das, aber ist es nicht auch traurig, dass ungefähr alle drei Sekunden ein Kind stirbt irgendwo auf dieser Erde? Diese Kinder haben leider kein Gesicht, keine Stimme, sie sind leider nur an Hunger gestorben in einem beliebigen Land in Afrika und nicht bei einem Busunfall in einem Schweizer Tunnel. Die Scheinwerfer werden sich nie auf sie richten. Und doch sind sie da. Wenn uns sterbende Kinder so nahe
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gehen, warum weinen wir nicht den ganzen Tag um diese Kinder? Wir weinen nicht, weil wir nur betroffen sind, wenn die Medien uns die Story schön aufbereiten und wir das Gefühl haben, es hätten auch unsere Kinder sein können. Dieses Gefühl haben wir bei den afrikanischen Kindern nicht: Wir haben keinen Bezug zu ihnen. Außer vielleicht, dass sie von allem zu wenig haben, wovon wir zu viel haben. Aber das ist zu abstrakt, um deswegen emotional zu werden.
Flickr Sean MacEntee
Wir lassen uns von den Medien diktieren, worüber wir uns als nächstes empören sollen. Wir empören uns über dieses und jenes und werden dabei von den Themen abgelenkt, über die man sich am meisten empören müsste. Wie zum Beispiel die oben genannte Kindersterblichkeitsrate. Oder darüber, dass wir mit unserer Subventionierung der Landwirtschaft den Hunger in der Welt aktiv fördern. Oder um es weniger abstrakt zu halten: Dass in der Schweiz 3 Prozent so viel besitzen wie die restlichen 97 Prozent. Die gelenkte Empörung und das vermeintliche Mitgefühl ist das neue «Brot und Spiele». Und wichtig dabei ist, dass wir es allen zeigen. Sonst wirkt es nicht. Wir drücken «Gefällt mir», anstatt zu spenden. Denn Spenden sind meistens nicht öffentlich. Wieso sollte ich spenden, wenn mein Nachbar nicht sieht, dass ich spende? Wenn ich «Gefällt mir» drücke, weiß er wenigstens, dass es nicht einfach so an mir vorbeigeht. Aber machen wir uns nichts vor: Wir spenden nicht aus Selbstlosigkeit. Wir spenden, um unser Gewissen zu entlasten. Damit wir Nike-Schuhe aus Kinderarbeit tragen können, denn: Wir haben gespendet. Aber was nützt mir ein entlastetes Gewissen, wenn die anderen nichts davon wissen? Und so drücken die meisten Menschen heute lieber «Gefällt mir», als tatsächlich zu spenden. Ein Klick reicht und du bist dabei. Du kümmerst dich um die Welt. Oder bist du vielleicht doch nur ein empörungssüchtiger Gaffer? Hangeln wir uns vielleicht doch nur von der einen Emotionalität zur nächsten, damit wir die großen Probleme nicht anpacken müssen? Ich wünschte mir, die Menschen würden sich etwas langfristiger und aufrichtiger empören! n
Management:
präsentiert
Exklusiv: Erstkonzert mit der Schweizer Pianistin & Young Steinway Artist
Retour à l’Art Brut 14. Oktober 2012, 17 Uhr Volkshaus Zürich Tickets: Vorverkauf bei Ticketcorner unter der Nummer 0900 800 800 (CHF 1.19/min., Festnetztarif), übers Internet: www.ticketcorner.ch
Sponsoren:
Medienpartner:
www.youth-and-classic.ch
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Kulturflatrate: Strukturen sind vorhanden Hagen Kohn www.mag20.com/hagen-kohn Hagen Kohn arbeitet als Projektentwickler beim Kulturportal Vioworld und ist als Dozent und Coach für Social Media an der UdK Berlin.
15/20 Die Verwertungsgesellschaften wären in der Lage, ihre Gebühren entsprechend einer Kulturflatrate zu verteilen. Man müsste aber alle Beteiligten, inklusive Google und Apple an einen Tisch bekommen.
Chris Nolan: Mittelfinger gegen Dummywood RCKSTR Magazine www.rockstar.ch Musik, Film, Games, manchmal nackte Brüste – das ist die Welt des RCKSTR Magazine, der grössten Musik- und Popkulturzeitschrift der Schweiz.
16/20 Der Kult-Regisseur ist zurück.
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eigt uns die Schweiz, wie es gehen könnte? Während hierzulande weiter auf die Kriminalisierung privater Nutzer gesetzt wird, ist man dort bereits einen Schritt weiter: Nicht nur sind in dem sonst so korrekten Ländchen private Downloads generell legal (ohne übrigens, dass iTunes dort schlechtere Geschäfte machen würde), es liegt Dank Gerd «Media Futurist» Leonhard ein ganz konkreter Vorschlag für die Umsetzung der viel diskutierten Kultur-Flatrate vor (zunächst für die Musikbranche). Leonhard schlägt in seinem offenen Brief an die Kulturindustrie unter anderem vor, die SUISA, also das schweizerische Pendant zur GEMA, in die Pflicht zu nehmen und so vorhandene Vergütungsstrukturen zu nutzen. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und dafür plädieren, alle Verwertungsgesellschaften und vor allem auch die Gebühreneinzugszentralen der Rundfunkanstalten mit dem Einzug und der Verteilung einer Kulturpauschale zu beauftragen. Damit wären die Internet-Provider, die Leonhard für den Gebühreneinzug vorschlägt, aus dem Schneider. Nehmen wir Deutschland als konkretes Beispiel: Die GEZ will ab 2013 jeden Haushalt mit Internetanschluss mit einer pauschalen Abgabe belegen. Eine «Einzugszentrale» haben wir also bereits, nur dass die Gebühren ausschließlich den Rundfunkanstalten zugutekommen. Wenn Fernsehen und Internet langsam aber sicher zusammenwachsen, ist es aus meiner Sicht nur
folgerichtig, dass die Rundfunkgebühr in eine «Kulturgebühr» umgewandelt wird. Würde man auf diese Gebühr 4 Euro pro Monat draufschlagen, hätte man den von Leonhard geforderten Betrag für eine Kulturpauschale zumindest schon mal eingezogen. Wie aber kommt das Geld nun bei den Urhebern und Produzenten an? Die Verteilungskompetenz ist ebenfalls vorhanden (wenn auch reformbedürftig), nämlich in Form der Verwertungsgesellschaften GEMA, GVL, GÜFA, VG Wort, etc. Wahrscheinlich wird man auch Google und Apple an den Tisch bitten müssen. Der ApfelKonzern wird sicher nicht freiwillig auf seine Cash-Cow iTunes verzichten wollen. Andererseits dürfte auch CEO Tim Cook wissen, dass der Verkauf von digitalen Kopien nur ein Übergangsmodell sein kann. Die Herkulesaufgabe wird darin bestehen, alle Beteiligten zur Zusammenarbeit zu verpflichten. In Anbetracht des immensen Reformbedarfs der genannten Einrichtungen und im Zuge einer unausweichlichen Novellierung des Urheberrechts muss die Entwicklung in diese Richtung gehen. Eine Alternative kann ich mir nicht vorstellen. Außer, es werden gleichzeitig alle Copyshops geschlossen. Hoffen wir, dass das «Schweizer Modell» Schule macht und man auch in Brüssel in diese Richtung zu denken beginnt. Bis zu einer EU-weiten Richtlinie ist es sicher noch ein langer, steiniger Weg. n
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zehntelang stolzierte Hollywood auf dem Holzweg im Glauben, großes Kino muss kleines Hirn haben. Action-Deppen wie Michael Bay schmierten die Leinwand voll mit CGI und Explosionen und ließen dabei den Rubel genauso rollen wie die Augen jener Filmfans, die nicht in glänzenden Jogginghosen das Kino betreten. Doch spätestens als sich auch Nolans verschachtelter Mindfuck-Thriller «Inception» 2010 als Kritikerliebling UND Kassenschlager erwies, wurde den mächtigen Männern in Tinseltown klar, dass sie den Engländer einfach machen lassen sollten. Doch das dürfte ihnen nicht leicht gefallen sein; denn der Regisseur/Drehbuchautor/Produzent ging keine kommerziellen Kompromisse für «The Dark Knight Rises» ein. 3D? Kommt nicht in Frage. Leonardo DiCaprio als Riddler? Geht’s noch?! Das Resultat: ein Film, der wie seine Vorgänger das Superheldengenre transzendiert. Ein Blockbuster, der Thrillseekers und Arthousegänger in einem Kinosaal vereint. n
oly gritty reboot, Batman! Mit «The Dark Knight Rises» hat Christopher Nolan das abschließende Ausrufezeichen seiner Trilogie um den heiseren Rächer von Gotham gesetzt. Die Erwartungen des Publikums waren nach dem gefeierten Vorgänger «The Dark Knight» höher als zehn aufeinander gestapelte Wayne Towers. Und Nolan, dieser cineastische Meister architekt, hat nicht enttäuscht. Schon klar, einige Kritiker mögen an «TDKR» Überladenheit und Humorlosigkeit bemängeln. Vielleicht zanken sich in einschlägigen Foren die Fanboys über technische Details. Und der wahrscheinlich beliebteste Satz unter Kinogängern dürfte in diesem Jahr lauten: «Aber Heath Ledger als Joker war halt schon etwas cooler.» Und dennoch, Nolan hat den Vorhang vor Batman so fallen lassen, wie wir es uns erhofft hatten: mit einem wuchtigen, epischen und vor allem klugen Spektakel. Denn Christopher Nolans Filme sind die Schnittstelle, wo sich Popcorn und Rotwein treffen. Jahr-
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Hans Geiger www.schweizermonat.ch Schweizer Monat – Die Autorenzeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur.
17/20 Eine Hand wäscht die andere: Wie sich unser Geldsystem selbst ad absurdum führt.
Die amerikanische Notenbank ist der größte Gläubiger der USA, noch vor China.
s war einmal ein fernes Land, in dem es zu einer Hypothekenkrise kam. Das war 2007 und hieß Subprimekrise. Der finanzielle Schaden war begrenzt. Daraus ergab sich im Herbst 2008 eine globale Bankenkrise. Der nächste Schritt waren Staatsfinanzkrisen, die seit Frühling 2010 zu einer Währungssystemkrise geführt haben. Und heute? Heute haben wir alle vier Krisen gleichzeitig. Was geht hier vor? Klar ist: die zentralen Eckwerte der Krise sind zu viel Geld, zu viele Schulden und Staatsgarantien: – Ausgelöst wurde die Krise durch die Versorgung der amerikanischen Wirtschaft (über Geschäftsbanken) mit zu viel Geld durch die amerikanische Notenbank. Dadurch ergaben sich an den Finanzmärkten zu tiefe Zinssätze. Der Markt wurde getäuscht. – Diese Krise ist eine Schuldenkrise. Es geht immer um eine Kreditbeziehung zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger. – Kompliziert wird die Krise durch die Tatsache, dass Schuldner und Gläubiger mit Staatsgarantien rechnen, die die Staaten gar nicht erfüllen können. Heute von einer Finanzkrise zu sprechen, ist eine Untertreibung. Die Wirtschaft steckt in einer Geldkrise, was viel schlimmer ist, denn Geld ist das zentrale Medium einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft. Ohne Geld als universelles Tauschmittel, als Recheneinheit und als Mittel der Wertaufbewahrung gibt es keine moderne Marktwirtschaft.
Staaten, Banken, Notenbanken
Die drei Hauptakteure der Krise sind die Staaten, die Geschäftsbanken und die Notenbanken. Alle drei verfügen heute in den entwickelten Ländern über zu hohe Schulden und wacklige Bilanzen. Sie finanzieren, garantieren und unterstützen sich gegenseitig auf mannigfach verschlungene Weise. In der finanziellen Ménage-à-trois wäscht eine Hand die andere. Die Industriestaaten haben bereits vor der Bankenkrise ihre Verschuldung massiv erhöht. Betrug sie Anfang der 1980er Jahre durchschnittlich noch 40 Prozent, belief sie sich 2008 auf 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Mit den Schulden wurde das Wachstum finanziert. In der Rolle als Stimmbürger und Wähler erteilte die Bevölkerung demokratische Legitimation. In der Rolle als Anleger und Steuerzahler wollen die gleichen Leute die Konsequenzen heute jedoch nicht tragen. Die Staatsschulden wachsen ungebremst weiter. Ende 2012 werden sie für die Industrie-
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länder durchschnittlich über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, also ein ganzes Jahr Arbeit. Grund sind einerseits die Rettungskosten für die Banken, andererseits und deutlich einschneidender sind es jedoch die einbrechenden Steuererträge, die sich aus dem Konjunktureinbruch im Gefolge der Bankenkrise ergeben haben. Diese Erfahrung ist nicht neu, das ist seit 200 Jahren der Fall. Heute kommen jedoch die in Krisenzeiten steigenden Kosten der Sozialsysteme dazu. Die großen internationalen Geschäftsbanken haben seit Ende der 1990er Jahre ihre Bilanzen massiv verlängert, ohne zusätzliches Eigenkapital aufzunehmen. Dank «großzügiger» staatlicher Eigenkapitalvorschriften haben diese Banken den Schuldenhebel rücksichtslos eingesetzt. Zudem misstrauen sich die Banken seit dem Krisenausbruch gegenseitig, wodurch das internationale Finanzsystem und damit der Handel zu kollabieren drohen. Abgewendet wurde und wird der Kollaps des Bankensystems durch die Notenbanken, die den Geschäftsbanken Geld billig zur Verfügung stellen und staatliche Schrottpapiere als Sicherheit akzeptieren. Im Gegenzug verhindern oder verzögern die Banken mit dem Kauf maroder Staatsanleihen den Zusammenbruch der Staatsfinanzen. Damit ist es nicht verwunderlich, dass die Banken von schuldengeplagten Regierungen ausdrücklich zum Kauf von Staatsanleihen aufgefordert werden und dass neue Liquiditätsvorschriften diesen fast schon erzwingen. Die Banken ihrerseits lassen sich nicht lange bitten – das Geschäft ist hochprofitabel. Beispielsweise können italienische Staatspapiere mit einer Rendite von 7 Prozent mit langfristigem Geld der Notenbanken fast gratis refinanziert werden. Sollte doch etwas schiefgehen, dürfen die Geschäftsbanken mit dem Wohlwollen der Politik rechnen, denn ein Staatsbankrott wäre beim Untergang der Banken nicht mehr abzuwenden. So wäscht eine Hand die andere. Als Dritte im Bunde spielen die Notenbanken eine zentrale Rolle. Auch sie haben ihre Bilanzen und Schulden massiv ausgebaut. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Bilanzsumme seit Ausbruch der Krise verdreifacht, das Eigenkapital hat sich zeitweise um 70 Prozent reduziert. Euphemistisch spricht man bei den Zentralbanken aber nicht von Schulden machen, sondern von «Geld schaffen». n Wollen Sie weiterlesen? Die Fortsetzung finden Sie unter www.mag20.com/artikel/zu-viel-geld
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Bewusster Surfen – die bessere Alternative zum plakativen Offline-sein. Martin Weigert www.netzwertig.com Martin Weigert ist Autor für den Blog Netzwertig.com von Blogwerk. Netzwertig befasst sich mit dem Thema Internet-Ökonomie.
18/20 Die These der Notwendigkeit gelegentlicher Offlinephasen hält sich hartnäckig. Eine bessere Alternative ist, sich bewusster im Netz aufzuhalten und eingefahrene Nutzungsmuster zu hinterfragen.
«Mein Vorschlag ist, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie das eigene Onlineverhalten im Social Web aussieht.»
Technologie und Wissen
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as bewusste Abschalten vom digitalen Informationsstrom ist ein von vielen Onlinemedien gerne und regelmäßig propagiertes Unterfangen – ein Evergreen des Internetzeitalters, der mit dem verbreiteten Einsatz von Smartphones noch an vermeintlicher Relevanz gewinnt. Das Offline-sein als einzig verbliebene Möglichkeit zur Entspannung, so liest man es oft. Auch manch ein Webworker freut sich in der ruhigen Sommerzeit darüber, für eine Weile dem Netz nicht so nahe zu sein – zum Unverständnis anderer. Meine Kollegin Corinne Dubacher beschreibt bei unserem Schwesterblog imgriff.com ihre Erlebnisse mit einer eintägigen Social-Media-Pause. Unterschiedliche Persönlichkeiten, Präferenzen und Idealvorstellungen zum perfekten Relaxen sorgen dafür, dass alle Menschen den für sie individuell am meisten geeigneten Weg finden müssen, um ihre Batterien aufzuladen. Manche können dies am besten mit abgeschaltetem Mobiltelefon in der Natur, für andere hingegen heißt Freizeit, mit dem iPad und einem Drink auf der Terrasse zu sitzen und dabei dem Sonnenuntergang zuzuschauen. Das Offline-sein als ultimative Lösung für die Allgemeinheit anzupreisen, ist daher in meinen Augen genauso falsch wie grundsätzlich auf Personen herabzublicken, die den Drang einer digitalen Auszeit verspüren. Letzterer Gruppe sollte jedoch bewusst sein, dass es sich zu lernen lohnt, auch ohne tage- oder wochenlange, vollständige und plakative Abnabelung vom Netz Ruhe und inneren Frieden zu finden. Genauso wie heutzutage niemand mehr auf die Idee käme, in einer wohlverdienten Pause den Strom abschalten zu müssen. Doch wie lernt man, sich Auszeiten zu gönnen, ohne dafür extra den Computer, das Smartphone sowie das Tablet zum Schweigen zu bringen und sich in ein Funkloch begeben zu müssen? Mein Vorschlag: Indem man digitale Routinen und zu Reflexen gewordene Verhaltensmuster im Onlinealltag bewusst wahrnimmt. Eigene Routinen und Verhaltensmuster bewusst wahrnehmen
Was ich in den vergangenen Tagen ausprobiert und unmittelbar genossen habe, ist ein stärkeres Bewusstsein über meine Aktivitäten im sozialen Netz. Sich selbst dabei zu beobachten, wie man reflexartig bestimmte Dienste und Apps immer und immer wieder aufruft, ohne noch darüber nachzudenken und ohne einen unmittelbaren Nutzen daraus zu ziehen, fasziniert und irritiert gleichermaßen. Eigentlich
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nicht überraschend und trotzdem erleuchtend ist außerdem die Erkenntnis darüber, was passiert, wenn man einen gedanklich bereits verfassten Tweet oder ein geplantes Status Update im letzten Augenblick doch nicht veröffentlicht: nichts natürlich. Zwei Sekunden später ist der jeweilige Gedanke schon wieder vergessen. Sollte er partout nicht verschwinden und das Mitteilungsbedürfnis an einem nagen, spricht nichts dagegen, dem Gefühl nachzugeben. Doch dies geschieht zumindest in meinem laufenden, noch sehr jungen Experiment nur selten. Innere Zufriedenheit statt Bestätigung von außen
Jason Timothy, der Autor des Blogbeitrags, gibt einen interessanten Ratschlag zur Verhaltensweise bei sozialen Diensten: «Die Belohnung sollte nicht Bestätigung von anderen sein, sondern das gute Gefühl, etwas abgeschlossen zu haben, womit man selbst zufrieden ist». Nach dieser Prämisse wäre jeder Tweet, jedes bei Google+ veröffentlichte Update, jedes bei Instagram hochgeladene Foto, jeder bei Facebook gepostete Link und jeder Blogbeitrag nur dann tatsächlich für eine Veröffentlichung zu empfehlen, wenn die Motivation des Urhebers nicht darin liegt, von anderen Menschen bestätigt zu werden. Mein Vorschlag ist, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie das eigene Onlineverhalten im Social Web aussieht, welche repetitiven Prozesse die eigene Nutzung kennzeichnen, welche Motive das Handeln steuern und welche Erwartungshaltungen man an den Content knüpft, den man über die zahlreichen Kanäle veröffentlicht. Ich glaube, im besseren Verständnis derartiger Aspekte liegt der Schlüssel zur Fähigkeit, auch im Always-On-Zeitalter ausspannen zu können, ohne von dem unangenehmen und mit Ausnahme von beruflichen Verpflichtungen völlig überflüssigen Zwang gesteuert zu werden, permanent Twitter, Facebook & Co einen Besuch abstatten zu müssen. Was würde wohl passieren, wenn ihr das nächste Status Update, den nächsten Tweet oder das nächste Foto NICHT veröffentlicht? n Dieser Beitrag erscheint in einer gekürzten Version. Die vollständige Version ist unter www.mag20.com/artikel/bewusster-surfen verfügbar.
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Dem Internet D kann man keine Rechnung schicken Martin Weigert www.netzwertig.com Martin Weigert ist Autor für den Blog Netzwertig.com von Blogwerk. Netzwertig befasst sich mit dem Thema Internet-Ökonomie.
19/20 Politik und Polizei wollen sogenannten Facebook-Partys einen Riegel vorschieben – und schließen nicht aus, das soziale Netzwerk an durch Polizeieinsätze entstandenen Kosten zu beteiligen.
«Online organisierte Zusammentreffen von Personen sind kein auf Dauer auf das soziale Netzwerk beschränktes Phänomen.»
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och dem Internet kann man keine Rechnung schicken. Die Forderungen der deutschen Politiker in Bezug auf das Internet sowie dessen dominierende Unternehmen sind in der Mehrzahl destruktiv, populistisch oder schlicht nicht durchführbar. Das ist eine traurige Tradition. Nur sehr selten legen die gewählten Volksvertreter Vorschläge zur Gestaltung des digitalen Zusammenlebens und Wirtschaftens auf den Tisch, die bei denjenigen, die sich mit der Thematik Tag für Tag intensiv auseinandersetzen, auf allgemeine Zustimmung stoßen. Der jüngste Vorstoß von Vertretern von Politik und Polizei fällt garantiert nicht in die letztgenannte Kategorie. Politiker und Polizeigewerkschaftschef wollen Facebook zur Verantwortung ziehen
Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) äußert sich im Interview mit der Südwest Presse zu den sogenannten «Facebook-Partys», also nicht angemeldeten Veranstaltungen, die sich ausgehend von einem bei Facebook angelegten Event versehentlich oder beabsichtigt zu Massenzusammenkünften entwickeln und damit Polizei und Ordnungsämter vor Herausforderungen stellen. Dem typischen Regulierungsdrang der hiesigen Politiker folgend sieht Gall sowohl den Bedarf von Änderungen am Landespolizeigesetz sowie Facebook in die Pflicht zu nehmen, um entsprechende Vorkommnisse zu verhindern. Er attestiert dem sozialen Netzwerk eine grundsätzliche Verantwortung und sieht dies generell als eine «moralische Pflicht», Grenzen zu setzen, wo es zu negativen Geschehen wie derartigen Partys oder Unterstellungen gegen Polizisten kommt. Laut Gall zeige sich Facebook bisher jedoch wenig einsichtig. Galls bayerischer Amtskollege Joachim Herrmann (CSU) äußert sich ähnlich, allerdings seiner politischen Gesinnung entsprechend noch etwas aggressiver, und verpasst dabei auch nicht die Chance, wieder einmal darauf hinzuweisen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei. «Es muss klar sein, dass für Beleidigungen, Cyber-Mobbing oder Straftaten im Internet kein Raum ist. Die Regeln, die außerhalb des Internets gelten, müssen selbstverständlich auch im Internet eingehalten werden. Daran muss sich auch ein so großer Konzern wie Facebook halten», so Herrmann. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt wird im selben Artikel mit den Worten zitiert, dass die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden müsse, Facebook an den Kosten beteiligen zu können.
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Das Problem ist das Internet, nicht Facebook
Dem grundsätzlichen Anliegen von Gall, Herrmann und Wendt kann man uneingeschränkt zustimmen. Natürlich müssen Menschen, die sich online zu gemeinsamen Zusammenkünften verabreden, sich an geltende Gesetze halten, und freilich müssen diese auch im Netz beachtet werden. Kein vernünftiger Bürger würde diesem Wunsch widersprechen. Die zwei Innenminister und der Polizeichef übersehen aber, dass ein Agieren gegen Facebook keine langfristige Lösung darstellen kann. Online organisierte Zusammentreffen von Personen sind kein auf Dauer auf das soziale Netzwerk beschränktes Phänomen. Facebook bietet lediglich Werkzeuge an, die den Einladungsprozess zu Veranstaltungen vereinfachen. Doch auch bei Google+ existiert mittlerweile ein Event-Feature, und während der Umstürze in den arabischen Ländern wurde Twitter intensiv von den Protestierenden dazu genutzt, sich spontan und flexibel für (nicht angemeldete) Veranstaltungen zu verabreden. Facebook-Partys sind ein Symptom der globalen Vernetzung. Selbst wenn tatsächlich ein Gesetz Facebook & Co dazu zwingen würde, für durch Nutzerpartys entstandene Kosten aufzukommen – was in der Praxis nach einer kaum umsetzbaren Lösung klingt – würde sich damit mittelfristig nichts ändern. Denn das aus Sicht der Politik und Polizei entscheidende Problem ist nicht Facebook, sondern es sind neue, über das Internet möglich gewordene Organisationsformen. Im Falle von Facebook steckt hinter dieser ein juristisches Unternehmen mit Adresse in Deutschland, dem man eine Rechnung zuschicken könnte. Doch wie würde man verfahren, wenn ein von den USA oder China aus gesteuerter Onlinedienst ohne Anschrift in Deutschland zu unangemeldeten Partys in der «realen Welt» führt, oder wenn spontane Veranstaltungen über nicht kommerzielle oder gar dezentrale Websysteme initiiert werden, bei denen schlicht niemand existiert, der die Verantwortung übernehmen kann? So sehr es sich Gall, Herrmann und Wendt auch wünschen würden: Dem Internet kann man keine Rechnung schicken, wenn dessen Nutzer sich nicht regelkonform verhalten. Solange hiesige Politiker in puncto Internet nicht ihre Hardliner-Positionen ablegen, wird Deutschland bei der Digitalisierung niemals eine weltweite Vorbild- und Führungsrolle einnehmen können. Und das ist sehr schade. n
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SprachAkrobatik Reinhard Meier www.journal21.ch Journal 21 – Journalistischer Mehrwert. Nach dem Motto «we are old but not dead yet» betreiben wir eine täglich aktualisierte Online-Zeitung.
20/20 Der Nachbar schaute in Colemans Haus nach und machte eine grausige Entdeckung: Colemans Frau und ihre beiden Söhne lagen erwürgt in ihren Betten.
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alls Sie das perfekte Verbrechen oder sonst eine krumme Tour planen, die polizeiliche Nachforschungen nach sich ziehen könnte, sollten Sie auf Ihre Sprache achten. Das legt ein Artikel mit dem Titel «Words on Trial» nahe, auf den ich unlängst im «New Yorker» gestoßen bin (Ausgabe vom 23. Juli 2012). Darin wird von einem schauerlichen Mordfall in der Stadt Columbia, Illinois berichtet: Chris Coleman, Angestellter eines privaten Sicherheitsdienstes, hatte Freunden und Bekannten berichtet, dass er und seine Familie via EMail Todesdrohungen von einem anonymen Verfolger bekämen. Um das Risiko zu mindern, hatte er bei seinem Nachbarn eine Überwachungskamera einrichten lassen, um so die Eingangsseite seines Hauses beobachten zu können. Eines Morgens rief Coleman seinen Nachbarn von auswärts an und sagte, er sei beunruhigt, weil seine Telefonanrufe zu Hause nicht beantwortet würden. Der Nachbar schaute in Colemans Haus nach und machte eine grausige Entdeckung: Colemans Frau und ihre beiden Söhne lagen erwürgt in ihren Betten. An den Wänden und auf den Betttüchern waren mit roter Farbe Graffiti gesprüht wie «Fuck you!» und «U have paid!» Der Mörder war offenkundig durch die Rückseite ins Haus eingedrungen. Ertappt durch ein Apostroph
Wegen des Verdachts, dass er selber die Bluttat begangen habe, kam es zum Prozess gegen Coleman. Ein Geschworenengericht befand ihn im vergangenen Jahr für schuldig und der Richter verurteilte ihn zu drei lebenslänglichen Gefängnisstrafen. Der Angeklagte wurde entscheidend durch die Analyse eines Linguisten belastet, der die Graffiti des Mörders mit 221 EMails verglich, die Coleman geschrieben hatte. Der Sprachexperte stellte unter anderem fest, dass die Abkürzung «U» für «you» zwar häufig in SMS-Botschaften verwendet wird, selten jedoch in E-Mail-Texten. In Colemans E-Mails kommt die Abkürzung häufig vor. Coleman setzte den Apostroph in seinen E-Mails in den Wort-Zusammenzügen «doesn’t» und «can’t» regelmäßig an die falsche Stelle (nämlich ans Ende des Wortes) – genau wie der Mörder bei seinen Graffitis. Auch der berüchtigte «Unabomber», der in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts die USA mit tödlichen Briefbomben an Wissenschaftler in Aufregung versetzt hatte, konnte laut dem Artikel im «New Yorker» dank Indizien verhaftet werden, bei denen sprachliche
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Eigenheiten eine wesentliche Rolle spielten. Der «Unabomber» hatte 1995 ein episches «Manifest» mit dem Titel «Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft» an verschiedene Adressaten verschickt. Eine minutiöse vergleichende Untersuchung von Syntax, Wortwahl und weiteren linguistischen Mustern mit andern Texten führte Sprachwissenschaftler zu der Überzeugung, dass der Autor dieses anarchistischen «Manifests» der einzelgängerische frühere Mathematik-Professor Ted Kaczynski sein musste, der seit Jahren in einer selbst gezimmerten Holzhütte in den Bergen von Montana lebte. Er wurde 1998 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Laut dem Artikel im «New Yorker» sind solche Sprachuntersuchungen (amerikanisch: Forensic Linguistics oder FL) ein expandierendes Spezialgebiet bei der Verfolgung von Kriminalfällen. Den bei solchen Untersuchungen herangezogenen Datenbergen scheinen umso weniger Grenzen gesetzt, je inflationärer wir als fleißige Kommunikatoren über elektronische Kanäle wie E-Mails, Voice Mails, SMS, Tweets usw. unsere Spuren für mögliche Sprach-Detektive hinterlassen. Also aufgepasst bei all diesen schönen neuen Aktivitäten! n
Antonov An-2 «Rusalka» Corinne Kramer
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Corinne Kramer
Was für Bilder zeigst du in dieser Ausgabe?
Eine Fotostrecke über eines der erfolgreichsten jemals gebauten Flugzeuge. Corinne Kramer www.corinnekramer.ch mail@corinnekramer.ch
Einen Ausschnitt aus der Langzeitreportage über die Antonov. Die letzten fünf Jahre hat es mich immer wieder auf den Flugplatz in Birrfeld (AG) gezogen, um die schöne Maschine zu fotografieren. Als ich den roten Oldtimer zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mich sofort in das Flugzeug verliebt. Das Flughafenleben und die Technik inspirieren mich. Ich mag Männerdomänen, das Raue und Emotionale. Die Antonov ist der größte einmotorige Doppeldecker der Welt, durch seine Eleganz fällt das aber gar nicht so auf. Für mich ein perfektes Design. Der Antonov Club Avianna unterhält den 10-Plätzer, der für Rundflüge gebucht werden kann. Wie hast du gelernt, solche Bilder zu machen?
Ich habe die Ausbildung bei einem Still-LiveFotografen gemacht. Danach habe ich bei verschiedenen Fotografen in den Bereichen Reportage, Mode und Werbung assistiert, unter anderem drei Jahre bei Juventino Mateo. Die Blicke hinter die unterschiedlichsten Kulissen haben meine Bildsprache beeinflusst. Parallel dazu habe ich mit meinen eigenen Projekten experimentiert und meine Stilrichtung gefunden. Woher nimmst du die Ideen für deine Bilder?
«Ich tauche gerne in eine andere Welt ein und möchte eine Geschichte erzählen oder ein Thema journalistisch erarbeiten.»
Meistens entsteht eine Idee aus dem Moment heraus. Aber auch Farbkonzepte und Kameraführung eines Films oder Arbeiten großer Reportagefotografen wie Henri Cartier-Bresson oder Jean Gaumy inspirieren mich. Ich tauche gerne in eine andere Welt ein und möchte eine Geschichte erzählen oder ein Thema journalistisch erarbeiten. Persönliche Schicksale interessieren mich genauso wie das Alltägliche, das die Routine auf seine Weise besonders macht.
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Die Antonov Oleg Konstantinovitch Antonov hat dieses Flugzeug in den 40er Jahren entwickelt und die ersten Exemplare in Kiew in der damaligen Sowjetunion hergestellt. Der Erstflug fand 1947 statt. Zu einer Zeit also, als man glaubte, die Ära der Doppeldecker sei längst vorbei. Doch die Antonov An-2 wurde zu einem der erfolgreichsten jemals gebauten Flugzeuge. Mit einer Spannweite von 18,18 m ist die An-2 der größte einmotorige Doppeldecker der Welt. Mit seinem Sternmotor gehört er zu den sichersten Flugzeugen überhaupt. Aufgrund der Motorisierung mit 1000 PS sowie der günstigen Aerodynamik benötigt die An-2 so kurze Start- und Landerollstrecken wie kaum ein anderes Flugzeug, das Fahrwerk erlaubt Landen und Starten auf unbefestigten Pisten und Rasen. Bauweise: Ganzmetall-Halbschale Spannweite × Länge × Höhe: 18 × 13 × 5,40 m Reisegeschwindigkeit: 180-200 km/h (~100 kts) Motor: 9 Zylinder Einfachstern Hubraum: 30 000 ccm Leistung: 1000 PS Propeller: Vierblatt, Ø 3,60 m Dienstgipfelhöhe: ca. 4500 m ü. M. Reichweite: ca. 1200 km Start- und Landestrecke: ca. 220 m
Geschichte der Rusalka Dank verschiedener Kontakte im In- und Ausland wurde der Club ANC Avianna fündig. In Lettland stand eine ausgediente Antonov An-2 zum Verkauf, eine im Jahr 1978 gebaute Maschine, die von der russischen Armee für den Transport von Offizieren verwendet worden war. Die Antonov wurde nun von Riga (Lettland) zum 250 Km entfernten litauischen Kaunas überflogen. Dort sind in einer kleinen Werft Flugzeugmechaniker zuhause, die diesen Flugzeugtyp durch und durch kennen und über große Erfahrung im Überholen solcher Maschinen verfügen. Sie zerlegten die YL-LEI – so ihre Immatrikulation – weitgehend und brachten sie in jeder Hinsicht auf Vordermann. Schließlich erhielt sie noch ein in der Schweiz entwickeltes Design, das die trübe militärische Tarnfarbe ersetzte. Ende Oktober 2007 erfolgte bei teilweise miserabler Witterung der Überflug von Kaunas ins Birrfeld, zwei wetterbedingte, eigentlich nicht vorgesehene Zwischenlandungen, eine auf einem polnischen Militärstützpunkt, inbegriffen. Der Freude über den nun einsatzbereiten «Vogel» tat dies keinen Abbruch. Im Gegenteil: Keiner der Passagiere und Piloten möchte diesen Überflug, der voll von Abenteuern war, missen. www.avianna.ch
Was für eine Ausstattung benützt du?
Ich arbeite mit einer Nikon Kleinbildkamera und lege Wert auf natürliches Licht, da ich meine Arbeiten nicht inszeniere. Mit wem arbeitest du normalerweise?
In der Regel arbeite ich alleine.
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Was sind deine Zukunftspläne?
Berufliche Unabhängigkeit. Reisen, bei denen ich interessante Menschen kennenlernen, mir für Land und Leute Zeit nehmen und aus meinem Blickwinkel fotografieren kann; wie bei meinen Reportagen in China und Madeira. Ich möchte klassische, zeitlose Reportagen machen. n
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Das Art Network ist eine Plattform für Künstler, die ihre Werke einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren möchten. Mag20 stellt dafür wöchentlich vier Doppelseiten zur freien Verfügung. Jetzt bewerben. www.mag20.com
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