Puch MUSEUMS-REVUE
SONDERDRUCK Nr. 1/2014
KoNZERT DER KONZERNE
Johann Puch Museum graz
Das Grazer Einser-Werk im Jahr 1916. Der linke Teil ist heute Standort des Museums.
Puch Steyr-Daimler-Puch MAGNA STEYR Von Peter Piffl-Percevic Über 100 Jahre glanzvolle Entwicklung des österreichischen Fahrzeug- und Automobilbaues dokumentiert im Grazer Johann Puch Museum. Der Standort Graz von MAGNA STEYR repräsentiert modernsten Automobil- und Fahrzeugbau. Die solide Basis dafür ist die mehr als herzeigbare ganz außerordentliche über 100-jährige österreichische und auch altösterreichische Maschinenbau- und Handwerkstradition gerade im Fahrzeugbau. Heute lassen so gut wie alle weltweit namhaften Automobilkonzerne in Graz Fahrzeuge und Antriebsaggregate entwickeln und fertigen. Die auch im Motorsport sowie im Allradbereich so legendären Puch oder Steyr-Puch-Fahrzeuge als Eigenmarke gibt es ja leider seit 1999 nicht mehr. Seit damals ist der Puch G nur mehr als Mercedes G erhältlich. Diese Geländewagen-Ikone wird übrigens seit 1979 also seit demnächst 35 Jahren mit einer Stückzahl von bisher über 240.000 Fahrzeugen erfolgreich in Graz-Thondorf gebaut. Für 2012 ist sogar ein neuer Produktionsrekord zu vermelden: 9.000 Stück! Die Fertigung wurde gerade erst modernisiert und erweitert und gilt zumindest bis 2019 als gut abgesichert. Eine neuerliche Produktionssteigerung für 2013 zeichnet sich ab.
Welche automobilen Gene stecken nun wirklich in den Fahrzeugen aus Graz? Diese Frage ist leicht beantwortet. Die Namen der Firmen, die allesamt zunächst in der von Johann Puch 1899 noch als Fahrradfabrik gegründeten Aktiengesellschaft aufgingen, sind im Firmennamen „Steyr-Daimler-Puch“ der Reihe nach aufgefädelt indem jeweils der Name der neu hinzugekommenen Firma vorangestellt wurde. Durch die Fusion mit Austro Daimler in Wiener Neustadt im Jahr 1928 war der Firmenwortlaut Austro Daimler-Puchwerke AG entstanden. 1934 fusionierte diese Firma mit der SteyrWerke AG zur Steyr-Daimler-Puch Aktiengesellschaft. Und bekanntlich 2001, also 67 Jahre später, ging diese Firma über in die heutige MAGNA STEYR. Austro Daimler in Wr. Neustadt Austro-Daimler ist untrennbar mit den Automobilpionieren schlechthin Gottfried und Paul Daimler und dem Altösterreicher Ferdinand Porsche, später Prof. DDr. Ferdinand Porsche, verbunden. Porsche siegte nicht nur als Fahrer des von ihm konstruierten Autos zusammen mit zwei weiteren Austro-Daimler-Fahrzeugen bei der legendären Prinz-Heinrich-Fahrt 1910, sondern Peter Piffl-Percevic, der Autor dieses Beitrages, ist aktiver Puch-Pilot mit einem Faible für historische Details.
war über 17 Jahre von 1906 bis 1923 Chefkonstrukteur und ab 1917 auch Generaldirektor in Wiener Neustadt. 1929/30 bekleidete er dann bei Steyr die Funktion des technischen Direktors unmittelbar bevor er in Stuttgart sein eigenes Konstruktionsbüro eröffnet hatte. Steyr-Werke Die 1934 fusionierten Steyr-Werke hatten sich bis 1916 abgesehen vom Waffenrad und von Flugmotoren überhaupt nicht mit Fahrzeugen bzw. mit dem Automobilbau befasst. Die vorausblickende Entscheidung lag 1917 darin, dass ein außerordentlicher österreichischer Fahrzeugpionier von den Nesselsdorfer Automobilwerken (ab 1923 Tatra-Werke) in Ostmähren an die Ennsstadt Steyr engagiert werden konnte: Der aus Klosterneuburg stammende Hans Ledwinka. Dort blieb er bis 1921, während dieser Zeit wurde ihm auch der Titel Ingenieur zuerkannt. Ledwinka war es, der in diesen vier Jahren erstmals
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das Automobil und die Fahrzeugproduktion mit großartigen Konstruktionen in Steyr heimisch machte. Bis dahin war Steyr bekannt für seine Waffenproduktion, die Leopold Werndl dort bereits 1821 begonnen hatte. Zurück in Nesselsdorf gelang Hans Ledwinka 1923 der erste erfolgreiche Einsatz des luftgekühlten zwei- und später vierzylindrigen (Viertakt-) Boxermotors in der Serie sowie des Zentralrohrrahmens mit Pendelachsen im Tatra 11. 1944 erhielt er von der Technischen Hochschule in Wien das Ehrendoktorat.
bis 1973 in Thondorf produzierten Puch 500. Er brachte ja bekanntlich 1954 den ersten Prototyp, den „U1“, aus seiner bisherigen Wirkungsstätte, dem Werk in Steyr, samt seinem Ingenieursteam in die Puchstraße mit. Hier im Einser-Werk, am damals ausschließlichen Zweiradstandort Graz, wurde in diesem Jahr ganz offiziell die „Gruppe Vierrad“ als Kondstrukteursgruppe gegründet. Als Leiter der Versuchsabteilung in Steyr hatte Erich Ledwinka bereits seit 1952 an einem eigenständigen österreichischen PKW-Konzept und dann eben am ersten Prototyp dafür gearbeitet.
Puchstraße: Geniale Familiengene am Konstruktionstisch im Einser-Werk ab 1953 Schon vor seiner Tätigkeit in Steyr war Erich Sein Sohn DI. Erich Ledwinka wurde zum lei- Ledwinka mit seinem Vater in Nesselsdorf, tenden Konstrukteur des legendären von 1957 heute Koprivnice, u.a. maßgeblich an der Ent-
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wicklung des richtungsweisenden Stromlinienfahrzeugs Tatra 77 beteiligt gewesen. An der damals noch Technischen Hochschule Graz erfolgte 1974 seine Dissertation zum Doktor der technischen Wissenschaften über das Thema Geländefahrzeuge. 1986 wurde er vom Herrn Bundespräsidenten zum Professor ernannt. Weltweiter Siegeszug der Allradtechnik aus Graz Der Haflinger (in Produktion von 1959 bis 1974) und der Pinzgauer (von 1971 an in Thondorf und zuletzt in Graz bis Mai 2000 in der Puchstraße in der Halle „P“ des heutigen Museums produziert) sind ebenfalls Konstruktionen von Erich Ledwinka ganz nach dem Vorbild der technischen Meisterleistungen seines Vaters Hans. Das „P“ steht seit damals für die letzte Fertigungstätigkeit in dieser Halle, den TurbodieselPinzgauer 716 und 718. Auch am Puch/Mercedes G wirkte er noch konstruktiv mit. Erich Ledwinka hatte (so wie bereits im Jahr 1900 Johann Puch) Graz im Jahr 1957 mit dem Steyr Puch 500 zum zweiten Mal zur Automobilstadt gemacht. Zwei Jahre später hatte er mit dem allradisierten 500er, dem Haflinger, den Welterfolg der SteyrDaimler-Puch / MAGNA STEYR - Allradtechnik aus Graz grundgelegt. Ein innovatives Konstruktionsprinzip als ungeplante Rettung des Puchwerks bereits 1923: Der Doppelkolben für das Motorrad Nicht vergessen dürfen wir den legendären Retter des Puchwerks in der Puchstraße Ing. Giovanni Marcellino.
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Steyr-Puch AP 700 Haflinger
Damals gab es noch lediglich das Stammwerk in der Puchstraße; Thondorf wurde ja erst ab 1942 errichtet. Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg schickte man von Banken- bzw. Eigentümerseite von Wien einen Liquidator nach Graz. Anstatt das angeschlagene Unternehmen niederzufahren brachte Marcellino das innovative Konzept des Doppelkolbenmotors mit nach Graz. Man hatte ganz offensichtlich übersehen, dass sich der Austro-Fiat-Mitarbeiter schon gleich nach 1910 äußerst erfolgreich mit seinem Fiat in die Siegerlisten der damals noch jungen Alpenfahrt eingetragen hatte. Als Direktor in Graz tat der Austro-Italiener nun entgegen seinem ursprünglichen Auftrag alles, damit dann ab etwa 1923 die Motorräder über ein modernes zukunftsfähiges Antriebsaggregat verfügen würden. Die Produktion der seit 1913 gefertigten legendären Alpenwagen in der heute denkmalgeschützten Halle des nunmehrigen Museums wurde unter ihm jedoch gleichzeitig eingestellt. Die wirtschaftliche Lage im Nachkriegsösterreich
Die Entwicklung und Fertigung der Allradkomponenten findet bei MAGNA Powertrain in Lannach bei Graz statt. Im Einser-Werk in der Puchstraße gleich neben dem Museum befindet sich auch die MAGNA STEYR Weltraumtechnik.
Der große Doppelkolben-Erfolg, die Puch 220 von 1926
war trist. Marcellino war es mit dieser Innovation gelungen, die Motorradproduktion und damit das gesamte Puchwerk wieder gehörig auf Touren zu bringen. Höhepunkt und Ende der Zweiradproduktion Der Doppelkolbenmotor wurde konsequent und mit großem technischem Geschick auch dann nach dem Zweiten Weltkrieg weiterentwickelt. Dies erfolgte in der letzten Entwicklungsstufe mittels eines sogenannten Gabelpleuels. Das ist ein Hilfspleuel für den zweiten Kolben, das beweglich am Hauptpleuel angelenkt ist. Erst in den 60iger Jahren wurde der Doppelkolben vom Einzylinder-Einkolben-Zweitakter verdrängt. Dies war die Folge der Anwendung der neueren Erkenntnisse optimaler Gemischströmungen in der Praxis. Erst die letzten PuchSerienmotorräder - so die M125 - lösten damit Marcellinos Prinzip nach mehr als 43 Jahren ab. 1987 wurde die gesamte Zweiradproduktion in Graz aus den bekannten Kostengründen eingestellt. Standort Graz heute Heute dominieren die Fahrzeugentwicklung und die Autoproduktion das Werk in Thondorf.
Seit dem 19. November 2013 ist hier im Innovationspark Puchstraße auch das Puch/Steyr-Logo vom Dach des ersten Grazer Hochhauses in Thondorf aufgestellt. Dieses Hochhaus war 1954 von der Steyr-DaimlerPuch AG als Wohnhaus für Puch-Mitarbeiter errichtet worden und steht ebenfalls so wie sein einstiger Kopfschmuck unter Denkmalschutz. Johann Puch Museum Graz Das Johann Puch Museum befindet sich seit Beginn 2012 in der heute ältesten noch erhaltenen Produktionshalle der Grazer Puchwerke in der Puchstraße Nr. 85. Diese Halle wurde erst vor wenigen Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Sie war noch unter Johann Puch vor seinem Tod im Jahr 1914 errichtet worden. Die Stadt Graz und MAGNA STEYR unterstützen das Museum maßgeblich, auch der Grazer Wechselseitigen Versicherung GRAWE ist für ihr Sponsoring zu danken.
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www.johannpuchmuseum.at
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