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–W.H.  Riehl –

=========================== Glück und Unglück einer mit uns verwandten Familie =========================== D as älteste bekannte Portraitfoto eines Mitglieds unserer Sippe entstand geschätzt um 1850. Darauf sehen wir den Waiblinger Rotgerber Gottlob Pfleiderer (1797–1868), der mit Frau Friederike fünf Söhne und eine Tochter hatte. Gottlobs zweitjüngster Sohn Ernst* – ebenfalls Rotgerber von Beruf – nahm 1868 Maria Luise Warth aus Untertürkheim zur Frau. Auf den folgenden Seiten werden wir Angehörige dieser Familie Warth näher kennenlernen. Ein Herr Hermann Warth aus Oberesslingen war Direktor bei der Firma Elring Klinger, früher Paul Lechler. Aus dessen Ahnenforschung stammt das Papier, das uns Isolde Pfleiderer, geb. Stahl dankenswerterweise zukommen ließ. Es fand sich im Nachlass ihres Mannes Hellmut (†1991 ). * D 64.215.485

Carl Friedrich War th (1844–1927) erkrankte in jungen Jahren wie seine Mutter und mehrere Geschwister an Typhus. Aus seiner Jugendzeit ist kaum etwas bekannt. 1872 heiratete er Friederike Schönberger; aber auch über die Ehefrau war nur zu erfahren, dass sie aus einer vermögenden Heilbronner Weingärtnerfamilie stammte und eine sehr liebe Mutter gewesen sei. Die Familie bewohnte ein schönes Anwesen in der Alexanderstraße am Eugensplatz in Stuttgart. Enkelin und Urenkelin erinnern sich noch gerne an die Besuche dort. – Frühzeitig ergriff Carl Warth die Beamtenlaufbahn. 40 Jahre lang stand er in den Diensten der Stadt Stuttgart – zuerst als Ratsschreiber, später als Stadtpfleger, Stadtkämmerer, wie man heute sagen würde. 1892 wurde er zum Vorstand des Württembergischen Weinbauvereins gewählt und lenkte nahezu 30 Jahre lang „in der ihm eigenen, kraftvollen Art und mit hervorragendem Geschick das Steuer des Vereins“, wie es in einem Nachruf heißt. Zugleich gehörte er dem Vorstand des Deutschen Weinbauvereins an und wirkte in dieser Eigenschaft mit an wichtigen Gesetzesvorlagen der damaligen Zeit, wie Weingesetz, Weinsteuergesetz, Reblausgesetz u.a. Noch als Ehrenvorstand hatte sein Rat und Wort Gewicht. Im Württembergischen Obstbauverein war er ebenfalls Vorstandsmitglied. Der erwähnte Nachruf schließt mit den Worten: „Warth war ein prächtiger Mensch. Ein sonniger Humor und ein leutseliges Wesen mussten ihm die Herzen seiner Mitmenschen gewinnen“. Bis ins hohe Alter war Carl Warth rüstig und gesund; erst im letzten Lebensjahr spürte er deutlich, dass seine Kräfte abnahmen.

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Im öffentlichen Leben der Stadt Stuttgart war Carl Warth eine bedeutende Persönlichkeit – u.a. gehörte er fast 60 Jahre dem Verschönerungsverein Stuttgart an, lange Zeit als Vorstandsmitglied und zuletzt als Ehrenmitglied – aber privat und in der Familie blieb er einfach und sparsam. Jeder unnötige Luxus ärgerte ihn. Mitunter fand seine Frau die Sparsamkeit übertrieben und konnte dann sagen, dass sie, wenn sie gewollt hätte, sechsspännig durch Heilbronn hätte fahren können. Der Vater war aber der Meinung, dass seine Kinder z.B. an Weihnachten zu reich beschenkt wurden. Da sie Puppenstube und -küche, Kaufladen und Baukasten besaßen, wurden ihnen Brettspiele, die sie von ihren Paten bekamen, nach dem Heiligen Abend wieder weggenommen und zum Weiterschenken aufgehoben. Sie protestierten natürlich, worauf der Vater von den Notzeiten in seiner Jugend erzählte. Der Heilige Abend wurde damals noch nicht festlich begangen. Die Mutter schmückte in der Nacht den Christbaum mit Äpfeln und Springerle. Am Weihnachtsmorgen stürmten die Buben den Baum und balgten sich um die raren Früchte und das Gebäck. Der Baum fiel um und statt einer Weihnachtsbescherung bekamen die Buben eine Tracht Prügel. Anschließend ging man zur Kirche. Das war der Christfestmorgen.

Familie Warth bewohnte ein schönes Haus in der Alexanderstraße am Stuttgarter Eugensplatz. Enkelin und Urenkelin erinnern sich noch gerne an die Besuche dort.

1927 starb Carl Warth. In der Grabrede nannte Prälat Groß ihn einen treuen Haushalter, der 40 Jahre im Dienst der Stadt Stuttgart stand und „…über den unmittelbaren Kreis seines Berufes hinaus hat er noch allerlei Bestrebungen zum Wohle des Volkes, besonders der landwirtschaftlichen Bevölkerung, mit seinem Können und Wissen gefördert und der engsten Heimat wertvolle Dienste geleistet“.

Carl und Friederike Warth hatten vier Kinder: 1. Johanna (1873–1945) 2. Elise (1875–1962) 3. Karl Heinrich (1879–1936) 4. Reinhold (1881–1956) Johanna, die Älteste, verbrachte in ihrer Jugend einige Zeit in einem Mädchenpensionat in St. Petersburg, um dort die Bildung einer Tochter aus gutem Hause – einschließlich Musik- und Sprachunterricht – zu bekommen. Sie war nicht verheiratet und führte nach dem Tod der Mutter dem Vater das Haus. Nach dessen Tod bezog Johanna eine Wohnung in der Neckarstraße. Man kann sich heute kaum vorstellen, dass dies damals eine sehr gute Wohngegend mit freiem Blick auf die Anlagen (Schlossgarten) war. Nachkommen der Familie erinnern sich noch immer gerne an schöne Ferienwochen, die sie dort verbrachten. Bei jedem Familienfest im Hause ihres Onkels Christian in Untertürkheim, der als ältester Sohn von Jakob Friedrich Warth nach dessen Tod in vielfältiger Weise die Familientradition fortsetzte und den Mittelpunkt der Verwandtschaft bildete, war sie immer ein gern gesehener Gast. Für ihre Großnichte, Frau Hella Georg in Frankfurt, zählt es zu den schönsten Jugenderinnerungen, dass ihre Tante Johanna so schöne Geschichten erzählen und so wunderbar Klavier spielen konnte. Und sie erinnert sich auch, dass die Tante sehr gut französisch sprach. Elise, die zweite Tochter, war mit Rechtsanwalt Heinrich Breitling in Heilbronn verheiratet, der in der Stadt ein Anwaltsbüro hatte. Da ihr Mann offenbar die „Außenbeziehungen“ in streng patriarchaler Art meist alleine wahrnahm, galt ihr Wirken umso mehr ganz der Familie. Aus ihrer Kindheit erzählte sie einmal: „Da man mit dem Ableben vieler älterer Verwandter in Untertürkheim rechnen musste, wurde beschlossen, für sie und ihre Schwester Johanna Beerdigungshüte zu kaufen.“ Die Anschaffung würde sich rentieren. Die vier Geschwister freuten sich immer sehr auf solche Beerdigungen, weil sie da andere Gleichaltrige aus der großen Verwandtschaft trafen und vor allem auf den Leichenschmaus. Als bei einer Beerdigung die neuen Hüte eingeweiht werden sollten, fiel Elises Hut in das Grab auf den Sarg. Sparsam wie man war, konnte das gute Stück ja nicht verloren gegeben werden. Mit einer langen Stange gelang es schließlich, den Hut wieder heraufzuholen. Aber mit der Feierlichkeit des Begräbnisses soll es dann nicht mehr weit her gewesen sein. Das Ehepaar Breitling hatte zwei Töchter. Die ältere, Hanna (1900–1944) war mit Alexander Schoellkopf (1897–1944) in Heilbronn verheiratet, wo sie eine renommierte Weinhandlung besaßen. Sie hatten zwei Kinder: Peter (1924–1944) und Hella, geb. 1930. Die Familie hatte ein tragisches Schicksal. Beim Bombenangriff am 4. Dezember 1944,

bei dem Heilbronn fast vollständig zerstört wurde, kamen Hanna und Alexander Schoellkopf zusammen mit ihrem 20-jährigen Sohn ums Leben. Dieser war als Soldat in Russland verwundet worden und befand sich zur ambulanten Nachbehandlung im Heimaturlaub. Hella Georg, geb. Schoellkopf, von der diese Informationen stammen, damals 14 Jahre alt, war die einzig Überlebende der Familie. Sie verdankt ihre Bewahrung dem Umstand, dass sie – wie schon des öfteren – bei den Großeltern übernachtete, weil man hoffte, dass sie im Luftschutzkeller von deren Haus – mit Fliegerangriffen hatte man jede Nacht zu rechnen – eher Schlaf finden könnte. Zwar wurde in jener Nacht auch dieses Haus getroffen, aber der Großvater verließ mit den Seinen (gegen alle Proteste des Luftschutzwartes) den Keller mitten durch den brennenden Phosphor. Die jüngere Breitling-Tochter Dorette (1904–1983) war nicht verheiratet. Viele Jahre arbeitete sie im Anwaltsbüro ihres Vaters und war dann während des Krieges dienstverpflichtet. Später

Heilbronns brennender Hauptbahnhof, gespenstischer

Feuerschein, flüchtende Gestalten …

Gibt es ein schrecklicheres

Bild der Zerstörung?

Aus Fotosammlung Stadtarchiv HeilbronnAufnahme: Max Richard Platte

hat sie ihre Mutter bis zu deren Tod gepflegt. Nach dem schrecklichen Verlust der Eltern übernahm die Großmutter Elise Breitling, geb. Warth – der Großvater war bald nach dem Krieg gestorben – Mutterstelle an der Vollwaise Hella. Die ersten Jahre nach dem Krieg lebten die beiden, gemeinsam mit Tochter bzw. Tante Dorette, die den Haushalt führte, zu dritt in einem Zimmer. Auch später, als Hella längst im Berufsleben stand, hatte sie ihr Zuhause immer noch bei der Großmutter; bis zu deren Tod 1962. Die Enkelin hat sie als sehr liebe und gütige Frau in bleibender Erinnerung. Karl Heinrich wurde Sprachlehrer, nachdem es ihn im erlernten Kaufmannsberuf offenbar nirgends lange gehalten hatte. Viele Jahre lebte er als Junggeselle noch im Haus des Vaters zusammen mit seiner Schwester Johanna, die nach dem Tod der Mutter den Haushalt führte. Als sprachkundiger Mann gründete er in Stuttgart einen Ausländerverein, der zu Silvester, Fasching und dgl. Anlässen Bälle veranstaltete, bei denen vom Konsul bis zum Kastanienverkäufer alles vertreten war. Die Heilbronner Nichten wurden manchmal dazu eingeladen und haben davon geschwärmt. Die in Buenos Aires lebende, wesentlich jüngere Nichte Ruth Warth de Lueg schreibt, dass sie ihren Onkel Heinrich geliebt habe. „Er pflückte für mich die schönste Spalierbirne von der Hauswand und holte mit dem Pflück-Körbchen reife Aprikosen vom Baum. In sein großes Taubenhaus durften

wir auch und die frisch gelegten Eierchen rausholen“. Zur Verwandtschaft hatte Heinrich Warth wenig Kontakte. Auch auf dem großen Familienbild anlässlich des 90. Geburtstages seines Großvaters im Jahre 1904 fehlt er. Mit nahezu 50 Jahren heiratete er Angela Dalla Riva aus Padua, eine 25 Jahre jüngere italienische Lehrerin. Das Ehepaar hatte eine Tochter, die aber schon als junges Mädchen starb. Heinrich Warth starb 1936 an Malaria, die er sich im Ersten Weltkrieg zugezogen hatte. Reinhold, der jüngste Sohn von Carl Warth, hatte in einem Stuttgarter Handelshaus Kaufmann gelernt. Mit 24 Jahren ging er nach Argentinien, wo er als Woll-Kaufmann Geschäftsführer einer belgischen Firma für Argentinien und Uruguay wurde. Vor seiner Ausreise verbrachte er beruflich ein Jahr in Brüssel und ein halbes Jahr in Antwerpen. 1911 heiratete er Maria Paulina Noorthoorn van der Kruyff (1882–?) in Amsterdam. Sie lernten sich in Antwerpen kennen, wo Reinhold Warth eine Ausbildung für seine künftige Arbeit absolviert hatte. Die jung Verheirateten zogen dann nach Bahía Blanca, der damaligen Woll-Exportstadt Argentiniens. Auf ei

ner ihrer Europareisen wurden sie 1914 vom Ersten Weltkrieg überrascht und blieben bis 1920 in Stuttgart. Reinhold kam wegen eines Herzfehlers nicht an die Front. Da er spanisch, englisch und französisch sprach, wurde er als Übersetzer eingesetzt. In dieser Zeit wurden dem Ehepaar zwei Töchter geboren. 1920 kehrte die Familie nach Argentinien zurück. Weil aber die Strände und die Luft jenseits des Rio de la Plata besser waren, ließ sich die Familie in Montevideo nieder. Der Vater fuhr häufig am Abend mit dem Flussdampfer nach Buenos Aires, um morgens dort anzukommen und seinen Geschäften nachgehen zu können. 1956 starb Reinhold Warth in Montevideo. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges fuhr Reinhold Warth alle zwei Jahre zur Berichterstattung in der Zentrale des Unternehmens nach Europa. Da die Geschäfte nach Schafschur, Woll-Einkauf und -Export eine Pause vertrugen, nahm er die ganze Familie mit. Man blieb 5–6 Monate und besuchte den Vater und Großvater Carl Warth, Tanten und Onkel sowie die Verwandten der Mutter in Holland. Außerdem gab es schöne Ferienreisen in die Schweiz, nach Tirol, Italien und Österreich. Die beiden Töchter wuchsen in einer glücklichen und schönen Umgebung auf.

Jede Familie z u sein ; sie und bewahren soll den soll daher , was Stol z haben alles Besondere die Eigenart , ein

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Lotte Warth de Amsinck, Mutter von zwei Kindern, starb am 29.12.1976 in Montevideo. Ruth Warth de Lueg, Mutter dreier Kinder, verheiratet mit Heinrich Hermann Lueg, lebte zuletzt in einem Vorort von Buenos Aires. Nachdem die Verbindung gefunden war, konnte ihr ein handschriftlicher Bericht ihres Vaters Reinhold Warth zugestellt werden, den dieser über seine mehrwöchige Schiffsreise bei seiner Auswanderung nach Südamerika im Jahre 1905 schrieb und der sich im Nachlass von Jakob Friedrich Warth befand. ●

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