Willkommen bei Ausgabe # Ausgabe #
magazine, Leipzig
Herausgeber: Tim Klinger, Leipzig Gestaltung und Satz: , Leipzig, meandesign.com Cover-, Karten- und Posterdruck: flock-in GmbH, Wiesloch, flock-in.com Magazindruck: Druckerei Friedrich Pöge e.K., Leipzig Auflage: www.howtomag.com
Liebe Leserinnen und Leser, das Thema Essen ist in den letzten Jahren immer stär ker medial vertreten. Seit Jahren inszeniert die ARD Alfred Biolek in einer Kochsendung. Aber er ist schon lange nicht mehr der Einzige. Die Köche haben das Fern sehen erobert. Es gibt kaum eine Uhrzeit, in der man nicht beim Durchzappen auf einen Fernsehkoch stößt. Essen ist mehr als pure Nahrungsaufnahme geworden: Es ist Lifestyle! Haufenweise Literatur darüber weist den Weg. Abwechslungsreiche Nahrung zuzubereiten ist bezahlbar und einfach geworden. Hummer für 5 € beim Discounter, Mangos das ganze Jahr über für 3 €€ das Stück, Lachs zum Frühstück, Straußenfilet für das abendliche Barbecue mit Freunden. Und dann ist es 20 Uhr, und die Tagesschau macht uns mit dem neuen Gammelfleischskandal alles kaputt. Die heile Welt ist für schauerliche 15 Minuten im Arsch. Das ist so fies, da fällt einem nichts mehr zu ein. Ran an den Pranger mit den Schurken, denkt man sich. Doch Rettung naht. Rockmusik, Flammen und Lichterblitze kündigen sie an – Tim Mälzer erscheint im Rampenlicht Ham’se noch Hack – reichlich und natürlich frisch, von glücklichen Kühen. Der Staat jagt dem Gammel fleisch hinterher, und das Volk lässt sich bekochen. Bei Tim Mälzers Auftritt in der Arena denkt keiner mehr daran, dass durch den preisbewussten Massenkonsum der Bevölkerung den Geschäftemachern die Möglich keit gegeben wird, schnelles Geld mit illegalen Fleisch verkäufen zu machen. Man überlegt sich auch nicht, ob vielleicht der eigene Konsumhunger damit etwas zu tun haben könnte. Man will es gar nicht, dafür ist keine Zeit und dafür gibt es Leute, die sich damit beschäftigen. Die sind auch bitter nötig, denn die Zusammenhänge sind so komplex, dass bei der Lösung eines Problems sofort ein weiteres auftaucht. So sind beispielsweise Bioprodukte umwelt schonend und nachhaltig angebaut. Doch ökologischer Landbau braucht Platz. Die Agrarlebensmittelproduk tion hat sich seit den 50ern mehr als verdoppelt, bei
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einer Vergrößerung der Anbaufläche von gerade 10%. Synthetische Dünger sind der Grund, und die dürfen beim ökologischen Landbau nicht benutzt werden. Somit bräuchte man etwa doppelt so viel Anbaufläche, um die ganze Weltbevölkerung mit Bioprodukten zu versorgen. Wir können hierfür den Regenwald abholzen oder müs sen einsehen, dass Bioprodukte Luxusgüter sind, für die es in einer Welt mit 7 Mrd. Menschen nicht genügend Platz gibt. Auf diesen Lösungsmangel, der uns zu einem passiven Konformismus bei der Nahrungsbeschaffung zwingt, geht Jasmin Sidki im ersten Artikel Mission impossible (S. 4) ein. Doch Allerweltslösungen kann und will das HOW TO food nicht bieten. Es liefert unkonventio nelle Herangehensweisen. Simon Roth dokumentiert die Hinrichtung eines Cheeseburgers (S. 22) – für die Schwachen, für die Menschenrechte – und Max Kornert hat in Das große Darben (S. 30) ungewöhnliche Vor schläge für Nahrungsmittelspenden in Dritte-Welt-Län der. Hannes Gräf schreibt über den Verlust eines der ältesten Rituale und die daraus resultierende psychi sche Störung – Anorexia nervosa (S. 12). Dahingegen entdeckt Pia Katzenberger eine uralte Tradition wieder, die vor ein paar Dekaden Jahren noch normal war und heute vor allem an deutschen Fleischtheken verdrängt wird: der Schlachttag (S. 24). All das sind Blicke über den Tellerrand. Etwas abseits der schönen, heilen Welt des Fernsehers und des Supermarktregals. Keine Skan dalenthüllungen, nichts, von dem man nicht schon ein mal gehört hat. Anders angeordnet und abgespielt, für das eine oder andere Ohr in einem ungewöhnlichen Ton, doch dieser macht ja bekanntlich die Musik
HOW TO magazine Ausgabe #2
Mission Impossible
von Jasmin Sidki
Vielleicht ist es einfach nur der verlorene Glaube an Veränderungen und die Ohnmacht, die uns zu einem passiven Konsumkonformismus zwingt.
Wir müssen draußen bleiben: XXS all Areas
Ana
von Betti Trummer
von Hannes Gräf
Über Anorexia Nervosa, die Pro-AnaBewegung und Menschen die, so zerbrechlich aussehen wollen, wie sie sich fühlen.
Paris umnachtet
Wurstserie 1979 von Peter Fischli und David Weiss
Schlachttag
Cheeseburger sind böse Burger
Ein Samstag im November, auf einem kleinen Bauernhof bei Schweinfurt.
von Simon Roth
Metzgers Freunde
Das große Darben
von Kilian Krug
von Vanessa »ZOE« Nikolidakis und Alex Leask
Der kleine Trojaner in uns e
Über Fisch, Konsum und den GloFish als erstes kommerziell zugelassenes gentechnisch verändertes Lebewesen.
e g te s i n gel
Auweiowei
Falscher Hase
Einbahnstraße Gentechnik
Sirup von Glukosio
Für die Fleißigen
Für die Meinung 2
Autoren Dank & Impressum
N ov e m b er 20 07
von Franziska Becker
oder Gedichte für Verbraucher – Stilblütenfelder für immer.
Into thin air
von Line Hadsbjerg
Kilimanjaro, Pole-Pole and Deep-fried Jam Sandwiches.
Die T-Shirts zum kritischen Themenmagazin.
HOW TO food
von Simone Sonnentag
Die Natur lässt sich nicht so leicht austricksen! Was uns die Gentechnik verspricht und was wir riskieren.
Zweimal jährlich HOW TO genießen. Im Abo, damit unterstützt man das Projekt und spart.
Der Schlachthof zum lernen.
von Mike Kroiss
Wie der Kasperl zu Trinken anfing und es zum Glück ganz schnell wieder sein ließ.
von 2xGoldstein
Für die Cleveren
Für die Kleinen
von Tim Klinger
®
Das Angus Highland Steak Sandwich in drei Schritten.
Aufruf zum mitmachen bei Ausgabe #3 – HOW TO clown.
von Max Kornert
Für die unvorstellbare Anzahl von über 800 Millionen hungernden Menschen weltweit gibt es viele Gründe – gibt es auch endlich einen Grund dagegen?
Ein Mann, ein Messer
Für die Hungrigen
von Pia Katzenberger
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HOW TO magazine Ausgabe #2
Mission Impossible
von Jasmin Sidki
Vielleicht ist es einfach nur der verlorene Glaube an Veränderungen und die Ohnmacht, die uns zu einem passiven Konsumkonformismus zwingt.
Wir müssen draußen bleiben: XXS all Areas
Ana
von Betti Trummer
von Hannes Gräf
Über Anorexia Nervosa, die Pro-AnaBewegung und Menschen die, so zerbrechlich aussehen wollen, wie sie sich fühlen.
Paris umnachtet
Wurstserie 1979 von Peter Fischli und David Weiss
Schlachttag
Cheeseburger sind böse Burger
Ein Samstag im November, auf einem kleinen Bauernhof bei Schweinfurt.
von Simon Roth
Metzgers Freunde
Das große Darben
von Kilian Krug
von Vanessa »ZOE« Nikolidakis und Alex Leask
Der kleine Trojaner in uns e
Über Fisch, Konsum und den GloFish als erstes kommerziell zugelassenes gentechnisch verändertes Lebewesen.
e g te s i n gel
Auweiowei
Falscher Hase
Einbahnstraße Gentechnik
Sirup von Glukosio
Für die Fleißigen
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Autoren Dank & Impressum
N ov e m b er 20 07
von Franziska Becker
oder Gedichte für Verbraucher – Stilblütenfelder für immer.
Into thin air
von Line Hadsbjerg
Kilimanjaro, Pole-Pole and Deep-fried Jam Sandwiches.
Die T-Shirts zum kritischen Themenmagazin.
HOW TO food
von Simone Sonnentag
Die Natur lässt sich nicht so leicht austricksen! Was uns die Gentechnik verspricht und was wir riskieren.
Zweimal jährlich HOW TO genießen. Im Abo, damit unterstützt man das Projekt und spart.
Der Schlachthof zum lernen.
von Mike Kroiss
Wie der Kasperl zu Trinken anfing und es zum Glück ganz schnell wieder sein ließ.
von 2xGoldstein
Für die Cleveren
Für die Kleinen
von Tim Klinger
®
Das Angus Highland Steak Sandwich in drei Schritten.
Aufruf zum mitmachen bei Ausgabe #3 – HOW TO clown.
von Max Kornert
Für die unvorstellbare Anzahl von über 800 Millionen hungernden Menschen weltweit gibt es viele Gründe – gibt es auch endlich einen Grund dagegen?
Ein Mann, ein Messer
Für die Hungrigen
von Pia Katzenberger
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HOW TO magazine Ausgabe #2
von Jasmin Sidki
Bewusste Ernährung ist das Thema unserer Tage. Über gesunde Ernährung, gewichtsreduzierende Ernährung, Ernährungsfehler und Essstörungen wird medienweit berichtet, beratschlagt und diskutiert. Im Wesentlichen geht es immer um die eine Frage: Was dürfen wir essen und was nicht? Während wir nach Antworten suchen und unser Ess- und Kochverhalten gesundheitsgerecht wie auch umweltbewusst ändern wollen, gibt es immer wieder neue irritierende Nachrichten über einen erneuten Fall von BSE oder dem Vogelgrippevirus. Falls man das große Glück hat, nicht unter Lactoseintoleranz, Fructoseintoleranz, Zöliakie oder sonstigen Lebensmittelunverträglichkeiten zu leiden, gelingt es einem vielleicht doch noch, neben gesund auch noch unbeschwert zu essen.
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S
o soll es sein: Wir beginnen mit der Mission, uns eine gesundheitsbewusste Ernährung anzueignen. Natürlich darf an erster Stelle nicht vergessen werden zu erwähnen, dass man dann auf das größte Übel un serer Tage am besten komplett verzichten sollte: FastFood! Ob Burger, Döner und seit neustem auch pastato-go, Hauptsache schnell und to eat soll es ein. Und davon gibt es genug Auswahl. Falls wir es also schaffen, McDonald und Co. an jeder Ecke, auf jedem Kanal und zu jeder Zeit die meiste Zeit zu ignorieren, sind wir, so denken wir zumindest, auf dem richtigen Weg zu ei ner bewussten und gesunden Ernährung. Guter Dinge streichen wir dann auch noch die Fertigprodukte und Mikrowellengerichte von unserem Speiseplan, um nur noch Frisches und Nahrhaftes zu uns zu nehmen. Doch stehen wir nun vor dem großen Problem: Beim nächs ten Supermarkt um die Ecke versuchen wir, relativ ge sundheitsbewusst und auch kostenbewusst zu unseren Lebensmitteln zu kommen. Leider sind das zwei sich ausschließende Kriterien. Die gute Absicht, sich eine bewusste und gesunde Lebensführung anzueignen, er scheint nicht allzu erschwinglich zu sein. So stehen wir letztlich vor der Wahl zwischen der Butter No-Name und preisgünstig, der Butter einer populären Marke und et was teurer oder Bio-Butter, teuer. Ebenso geht es uns mit allen Arten von Obst und Gemüse, Fleisch und allen Sorten von Milchprodukten, mittlerweile auch Knabber sachen und Süßwaren. Wir wissen, dass Bio ja etwas
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HOW TO magazine Ausgabe #2
von Jasmin Sidki
Bewusste Ernährung ist das Thema unserer Tage. Über gesunde Ernährung, gewichtsreduzierende Ernährung, Ernährungsfehler und Essstörungen wird medienweit berichtet, beratschlagt und diskutiert. Im Wesentlichen geht es immer um die eine Frage: Was dürfen wir essen und was nicht? Während wir nach Antworten suchen und unser Ess- und Kochverhalten gesundheitsgerecht wie auch umweltbewusst ändern wollen, gibt es immer wieder neue irritierende Nachrichten über einen erneuten Fall von BSE oder dem Vogelgrippevirus. Falls man das große Glück hat, nicht unter Lactoseintoleranz, Fructoseintoleranz, Zöliakie oder sonstigen Lebensmittelunverträglichkeiten zu leiden, gelingt es einem vielleicht doch noch, neben gesund auch noch unbeschwert zu essen.
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o soll es sein: Wir beginnen mit der Mission, uns eine gesundheitsbewusste Ernährung anzueignen. Natürlich darf an erster Stelle nicht vergessen werden zu erwähnen, dass man dann auf das größte Übel un serer Tage am besten komplett verzichten sollte: FastFood! Ob Burger, Döner und seit neustem auch pastato-go, Hauptsache schnell und to eat soll es ein. Und davon gibt es genug Auswahl. Falls wir es also schaffen, McDonald und Co. an jeder Ecke, auf jedem Kanal und zu jeder Zeit die meiste Zeit zu ignorieren, sind wir, so denken wir zumindest, auf dem richtigen Weg zu ei ner bewussten und gesunden Ernährung. Guter Dinge streichen wir dann auch noch die Fertigprodukte und Mikrowellengerichte von unserem Speiseplan, um nur noch Frisches und Nahrhaftes zu uns zu nehmen. Doch stehen wir nun vor dem großen Problem: Beim nächs ten Supermarkt um die Ecke versuchen wir, relativ ge sundheitsbewusst und auch kostenbewusst zu unseren Lebensmitteln zu kommen. Leider sind das zwei sich ausschließende Kriterien. Die gute Absicht, sich eine bewusste und gesunde Lebensführung anzueignen, er scheint nicht allzu erschwinglich zu sein. So stehen wir letztlich vor der Wahl zwischen der Butter No-Name und preisgünstig, der Butter einer populären Marke und et was teurer oder Bio-Butter, teuer. Ebenso geht es uns mit allen Arten von Obst und Gemüse, Fleisch und allen Sorten von Milchprodukten, mittlerweile auch Knabber sachen und Süßwaren. Wir wissen, dass Bio ja etwas
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HOW TO magazine Ausgabe #2
Gutes ist, so sagt man und so wird es uns gelehrt. Also steht man plötzlich vor folgender tiefgreifenden Frage: Bio oder nicht Bio? Da es mittlerweile Bio-Produkte in jedem Supermarkt zu kaufen gibt, scheint wohl nicht nur etwas dran, sondern das gerade auch ziemlich in Mode zu sein. Doch was genau steckt hinter dem Be griff Bio? Laut Wikipedia erhalten den Bio-Siegel nur Lebensmittel, die:
• • • •
nicht zur Konservierung radioaktiv bestrahlt werden, nicht durch gentechnisch veränderte Organismen erzeugt werden, nicht mit Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln und nicht mit Hilfe von leicht löslichen mineralischen Düngern erzeugt werden, jedoch bis zu 5 % konventionell erzeugte Bestandteile enthalten dürfen.
Es wird zudem gefordert,
• • •
Fruchtfolgen (Zwei-, Drei- und Vierfelderwirtschaft) abwechslungsreich zu gestalten, Tiere artgerecht zu halten und mit ökologisch produzierten Futtermitteln ohne Zusatz von Antibiotika und Leistungsförderern zu füttern.
Man muss zugeben, das hört sich beruhigend an, wirft aber eine andere Frage auf: Wenn Bio so viel gesünder ist, ist dann Nicht-Bio, also der ganze große Rest alles Kaufbaren, nicht gesund, also ungesund? Laut der WikiDefinition scheint das der Fall zu sein. Also finden wir uns plötzlich in einem Dilemma wieder, in das uns un sere Mission der bewussten und gesunden Ernährung hineingeführt hat. Wir haben nun die Wahl zwischen Bio-Tomaten und Nicht-Bio-Tomaten, eingeflogen aus Australien, die womöglich radioaktiv bestrahlt, che misch behandelt und zudem noch gentechnisch verän dert wurden. Mit einer Unzahl weiterer Produkte geht es uns genauso. Wir blenden so schnell wie möglich die Frage aus, wie es überhaupt dazu kommen kann, einen Normalverstandesmenschen vor die Wahl zwischen einem nichtbestrahlten, nicht gentechnisch erzeugten, nicht schadstoffbelasteten versus bestrahlten, gentech nisch erzeugten und schadstoffbelasteten Abendessen auf seinem Teller zu stellen!? Ein näheres Beschäftigen mit dieser Frage könnte viel Unangenehmes hervorbrin gen, das einiger Verdrängungsleistung bedarf, um wie der einigermaßen entspannt essen zu können. Da uns gelehrt wird, auf unsere Gesundheit zu achten, und wir persönlich die Bio-Bewegung engagiert unterstützen wollen, entscheiden wir uns für die Kombination aus Nicht-Bios und einigen Bios. Damit wird es nicht mehr ganz so kostengünstig, aber man fühlt sich etwas besser dabei. Die Mission kann also quasi erfolgreich beendet werden. Seltsam ist nur der fade Beigeschmack, der zu rück bleibt bei all solchen Entscheidungen, die sich um bewusstes Einkaufen und Ernähren drehen. Denn zuge schüttet von Informationen, warnenden Hinweisen, auf klärenden Ratschläge darüber, was gut oder nicht gut
HOW TO food
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für uns sei, stehen wir gleichzeitig einem nicht enden wollenden Bombardement von Dingen gegenüber, die essbar sind, ob nährreich und aus ökologischem Anbau oder synthetisch hergestellt und vollgepumpt mit Zu satzstoffen. Letztlich nehmen wir das, was uns vorge setzt wird. Denn die Hülle und Fülle an Wahlmöglich keiten lässt eines nicht mehr zu: die freie Wahl! Die Wahl zwischen Gutem und Schlechtem beschreibt die Parodie des Ganzen. Gewarnt und informiert befindet man sich als normal Konsumierender in einem konti nuierlichen Dilemma, das man mit sich selbst oder mit seinem Geldbeutel auszumachen hat. Die Wahlmöglich keit als großer Gewinn unserer modernen Gesellschaft ist gleichsam die Kehrseite der Medaille. Die Moderne, die Technokratie und ihre Errungenschaften führen in einen Mechanismus der Fremdsteuerung. Die freie Ent scheidung, beruhend auf einem kritischen Bewusstsein, wird klein gehalten in einer Produktionsgesellschaft, in der es um genau das nur geht: Produktivität und Leistung. Denn inmitten dieses Stroms ist ein Mit schwimmen leichter als eine kritische Meinungsbildung. Wir habe keine Zeit und auch keine Muße, alles, was uns jeden Tag so vorgesetzt wird, nach seinem Gehalt, seinem Erzeugungsweg zu hinterfragen und vertrauen letztlich auf die Dinge, die uns angepriesen werden, auch wenn der fade Beigeschmack nicht mehr ganz ver schwindet. Also was tun? Weder schnellwirksame Re zepte noch schöne Utopien sollen hier verbreitet werden. Eher wird der Versuch unternommen, das Alltägliche kritisch zu hinterfragen und somit zu mehr Autonomie und weniger Automatismus zu gelangen. All inclusive beschreibt am treffendsten das Phänomen des KonformKonsums, womit auch so manche Urlaubsschnäppchen betitelt werden. Auch hier stehen wir vor einer Vielfalt
N ov e m b er 20 07
»Wir müssen draußen bleiben: XXS all Areas« von Betti Trummer
Gutes ist, so sagt man und so wird es uns gelehrt. Also steht man plötzlich vor folgender tiefgreifenden Frage: Bio oder nicht Bio? Da es mittlerweile Bio-Produkte in jedem Supermarkt zu kaufen gibt, scheint wohl nicht nur etwas dran, sondern das gerade auch ziemlich in Mode zu sein. Doch was genau steckt hinter dem Be griff Bio? Laut Wikipedia erhalten den Bio-Siegel nur Lebensmittel, die:
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nicht zur Konservierung radioaktiv bestrahlt werden, nicht durch gentechnisch veränderte Organismen erzeugt werden, nicht mit Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln und nicht mit Hilfe von leicht löslichen mineralischen Düngern erzeugt werden, jedoch bis zu 5 % konventionell erzeugte Bestandteile enthalten dürfen.
Es wird zudem gefordert,
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Fruchtfolgen (Zwei-, Drei- und Vierfelderwirtschaft) abwechslungsreich zu gestalten, Tiere artgerecht zu halten und mit ökologisch produzierten Futtermitteln ohne Zusatz von Antibiotika und Leistungsförderern zu füttern.
Man muss zugeben, das hört sich beruhigend an, wirft aber eine andere Frage auf: Wenn Bio so viel gesünder ist, ist dann Nicht-Bio, also der ganze große Rest alles Kaufbaren, nicht gesund, also ungesund? Laut der WikiDefinition scheint das der Fall zu sein. Also finden wir uns plötzlich in einem Dilemma wieder, in das uns un sere Mission der bewussten und gesunden Ernährung hineingeführt hat. Wir haben nun die Wahl zwischen Bio-Tomaten und Nicht-Bio-Tomaten, eingeflogen aus Australien, die womöglich radioaktiv bestrahlt, che misch behandelt und zudem noch gentechnisch verän dert wurden. Mit einer Unzahl weiterer Produkte geht es uns genauso. Wir blenden so schnell wie möglich die Frage aus, wie es überhaupt dazu kommen kann, einen Normalverstandesmenschen vor die Wahl zwischen einem nichtbestrahlten, nicht gentechnisch erzeugten, nicht schadstoffbelasteten versus bestrahlten, gentech nisch erzeugten und schadstoffbelasteten Abendessen auf seinem Teller zu stellen!? Ein näheres Beschäftigen mit dieser Frage könnte viel Unangenehmes hervorbrin gen, das einiger Verdrängungsleistung bedarf, um wie der einigermaßen entspannt essen zu können. Da uns gelehrt wird, auf unsere Gesundheit zu achten, und wir persönlich die Bio-Bewegung engagiert unterstützen wollen, entscheiden wir uns für die Kombination aus Nicht-Bios und einigen Bios. Damit wird es nicht mehr ganz so kostengünstig, aber man fühlt sich etwas besser dabei. Die Mission kann also quasi erfolgreich beendet werden. Seltsam ist nur der fade Beigeschmack, der zu rück bleibt bei all solchen Entscheidungen, die sich um bewusstes Einkaufen und Ernähren drehen. Denn zuge schüttet von Informationen, warnenden Hinweisen, auf klärenden Ratschläge darüber, was gut oder nicht gut
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für uns sei, stehen wir gleichzeitig einem nicht enden wollenden Bombardement von Dingen gegenüber, die essbar sind, ob nährreich und aus ökologischem Anbau oder synthetisch hergestellt und vollgepumpt mit Zu satzstoffen. Letztlich nehmen wir das, was uns vorge setzt wird. Denn die Hülle und Fülle an Wahlmöglich keiten lässt eines nicht mehr zu: die freie Wahl! Die Wahl zwischen Gutem und Schlechtem beschreibt die Parodie des Ganzen. Gewarnt und informiert befindet man sich als normal Konsumierender in einem konti nuierlichen Dilemma, das man mit sich selbst oder mit seinem Geldbeutel auszumachen hat. Die Wahlmöglich keit als großer Gewinn unserer modernen Gesellschaft ist gleichsam die Kehrseite der Medaille. Die Moderne, die Technokratie und ihre Errungenschaften führen in einen Mechanismus der Fremdsteuerung. Die freie Ent scheidung, beruhend auf einem kritischen Bewusstsein, wird klein gehalten in einer Produktionsgesellschaft, in der es um genau das nur geht: Produktivität und Leistung. Denn inmitten dieses Stroms ist ein Mit schwimmen leichter als eine kritische Meinungsbildung. Wir habe keine Zeit und auch keine Muße, alles, was uns jeden Tag so vorgesetzt wird, nach seinem Gehalt, seinem Erzeugungsweg zu hinterfragen und vertrauen letztlich auf die Dinge, die uns angepriesen werden, auch wenn der fade Beigeschmack nicht mehr ganz ver schwindet. Also was tun? Weder schnellwirksame Re zepte noch schöne Utopien sollen hier verbreitet werden. Eher wird der Versuch unternommen, das Alltägliche kritisch zu hinterfragen und somit zu mehr Autonomie und weniger Automatismus zu gelangen. All inclusive beschreibt am treffendsten das Phänomen des KonformKonsums, womit auch so manche Urlaubsschnäppchen betitelt werden. Auch hier stehen wir vor einer Vielfalt
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»Wir müssen draußen bleiben: XXS all Areas« von Betti Trummer
an Speisen und Getränken, die meist am Buffet oder an unter Ausblendung dieser Fakten moralisch vertretbar der Bar zu erhalten sind, und das zu jeder Zeit. Schnell zu sein. und fließbandgerecht werden hier für die Urlaubsmas Unser Konsum-Konformismus fördert nur leider nicht sen Essensbedürfnisse gestillt. Massen an Essen für die die umwelt- und tiergerechte Produktion oder den Pro Massen an Menschen, was tatsächlich ein wenig an Mas duktionsstandort Deutschland. Wir verstärken durch senfütterung erinnert. solch ein Konsumverhalten eher die Verlagerung der Doch auch das bleibt ausgeblendet. Besser so! Ob im Produktion ins Ausland, Niedriglöhne und den Abbau Laden um die Ecke oder im Hotel tausende Kilometer von Stellen und Sozialleistungen. Doch wird der enorme entfernt, der Mechanismus ist überall der gleiche, als Beitrag jedes einzelnen zu dieser Misere gerne ignoriert wollten wir es nicht anders. Ob das so ist oder auch nicht, und weiter auf Politik und System geschimpft. Hierzu manchmal wird der innere Drang nach ein bisschen we bemerkt die Zeit vom 8.06.2006 in einem herrlichen Ar niger Steuerung, nach ein bisschen mehr Eigengestal tikel: »Es ist eine Persönlichkeitsspaltung: Wir schimpfen tung, wirklicher Individualität und Überschaubarkeit über die Schließung deutscher Standorte und kaufen am etwas lauter. Man kann nichts machen gegen die Inva selben Tag eine Hose für 30 Euro, die in Bangladesh gesion von Ernährungsweisheiten und Essensmoden. Aber näht wurde. Auch die französischen Studenten, die gegen vielleicht kann man etwas tun gegen die unbedachte die Globalisierungsscheiße, die merde mondialiste, auf die Massenabfertigung, wie wir sie jeden Tag antreffen, in Straße gehen, die jetten billig durch die Welt und kleiden dem man etwas mehr nachdenkt darüber, was man alles sich von Kopf bis Fuß in H&M. Der Protestwähler ist im so auf seinem Teller vorfindet, und kritisch danach fragt, Zivilstand Schnäppchenjäger. Wir sind Schizophrene. Die was denn nun wirklich gut oder auch nicht gut für uns Diagnose trifft die Völker aller westlichen Demokratien. ist. Zum Beispiel berichtet die Zeit vom 7.09.2006, die Als Bürger sind wir Sozialisten – Verfechter der alten sonaturnahe Produktion finde nicht mehr nur in Deutsch zialen Errungenschaften. Als Kunden sind wir Neolibeland statt, im Gegenteil: »Biosonnenblumenkerne kom- rale. Marktradikale. Uns ist Recht, was billig ist. „Für men mit dem Frachtschiff aus China, Biomilch aus Dä- 19 Euro nach Barcelona.“ Noch nie war Doppelmoral nemark, Biotomaten aus Spanien.« Denn dort ist es um so preiswert. So sieht sie aus, unsere Bonusmeilen-Affäre. einiges günstiger zu produzieren als im eigenen Land. Und wenn es uns dennoch an Geld mangelt, nehmen wir So berichtet die Zeit weiter: »Während in Deutschland Kredite auf. Deficit spending. Unsere Haushalte sind bedie Subventionen sinken, setzt beispielsweise Polen gezielt lastet wie noch nie. Rekordverschuldung.« Fördermittel für seine Biobauern ein. Die Lohnkosten sind Ob Doppelmoral, Bequemlichkeit oder Verblendung, dort ohnehin niedrig, und vielen polnischen Bauern fällt vielleicht sind es einfach nur der verlorene Glaube an die Umstellung leicht. „Die haben vorher auch schon Veränderungen und die Ohnmacht, die uns zu einem ohne Kunstdünger und Spritzmittel gearbeitet – passiven Konformismus zwingen. Ein Konformismus, der uns in den Lebensmitteldiscounter führt und uns weil sie sich die nicht leisten konnten“, sagt Markus Rippin von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle zu Schnäppchenjägern macht, auch wenn wir dort dann (ZMP) der deutschen Agrarwirtschaft.« Auch hier hat Bio kaufen, ist eher unser Beitrag zu noch mehr Kampf der Kampf um die billigste Produktion begonnen. Und um die billigste Produktion und Massenherstellung als zu erwarten ist, dass auch wieder die Qualität der Le zu mehr Qualität der Lebensmittel und umweltbewuss bensmittel darunter leiden wird. Die Entscheidung für ter Erzeugung. Unsere Mission zu einer gesunden und Bio auf dem Weg zu einem gesunden und umweltbewuss bewussten Ernährung entpuppt sich als eine kontrol ten Konsumverhalten impliziert nicht mehr nur made liert-automatisierte Aktion, die weder mehr Bewusst sein beweist noch zu mehr Gesundheit führt. Mission? in Germany und eine hohe Qualität – leider wird das durch das Bio-Siegel, dem wir folgen, nicht klar. Un Impossible! Man könnte nun, wie es so oft getan wird, als Lösungs sere Mission, gesund, bewusst und naturnah zu kon sumieren, verliert hiermit ebenfalls etwas ihrem unei ansatz die Förderung der lokalen Händler und Land gennützigen Sinn. Wie wir sehen, ist nicht nur die gute wirte propagieren. Doch das soll nicht Ziel dieser Zeilen Absicht von Bedeutung, sondern vor allem die bewusste sein. Ziel soll sein, trotz aller Schwemme an Essens- und Absicht. Also das bewusste Hinterfragen der Dinge, die Ernährungsvorschlägen, trotz des Massenangebots an uns vorgesetzt und als gesund, ökologisch etc. angeprie Essbarem, ein bisschen mehr hinter diesen Schein der sen werden und gerade Mode und Trend sind. So ist die Freiheit blicken zu können. Falls wir jemals wieder die Chance bekommen sollten, Entscheidung für ein Bio-Produkt auch wieder ein Auto matismus, dem wir folgen, ohne wirklich zu wissen, was ein wenig mehr Selbststeuerung zu erhalten und etwas dahinter steckt. Unsere Mission büßt weiter an Glanz mehr ehrliche Wahlfreiheit, so sollten wir diese ergrei und Bedeutung ein, sie ist eher Kollektivverhalten als fen – insofern wir sie erkennen werden individuelles Statement. Wir sind zwar interessiert an der Erhaltung unserer Umwelt, doch das möglichst kos tengünstig und ohne großen Aufwand. Denn es fehlt uns an Muße, Zeit sowie an Geld, um ständig das Beste zu suchen und zu kaufen. Günstig und mit Bio-Siegel, billig produziert und massenweise irgendwo in Fernost herge stellt, der gesunde und bewusste Lebensstil scheint nur
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Wie wär‘s mit dem berühmten Angus Highland Steak Sandwich in drei Schritten?
Angus Highland Rind finden. Arsch abputzen, Hörner weg.
Kurz erhitzen.
Guten Appetit!
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und findet eine erneute Häufung im 18. Lebensjahr. Allerdings existieren bei diesen Zahlen hohe Dunkelzif fern, denn viele sind sich ihrer Krankheit (noch) nicht bewusst oder wollen sie einfach nicht wahrhaben. Eine der Bloggerinnen, die ich während der Recherche zu diesem Artikel kennenlernte, Nicola, erlaubte mir die Entstehung ihrer Essstörung hier zu zitieren:
von Hannes Gräf
Verehrte Leser(innen), in dieser Ausgabe von HOW TO geht es ums Essen. Deshalb möchte ich Ihnen über Menschen erzählen, deren einziger Lebensinhalt das Essen ist. Sie sind oft sehr sensibel und verfügen meist über ausgeprägte kreative und künstlerische Fähigkeiten. Sie sehen ihre Stärke in der Verweigerung. Kontrolle hat für sie oberste Priorität, auf die sind sie stolz. Der Grund dafür ist oft ein Kontrollverlust.
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as sich im ersten Moment paradox anhört, ist es nicht. Es handelt sich um Menschen, die un ter einer Essstörung leiden. Die wissenschaftlichen Be zeichnungen dieser psychosomatischen Erkrankungen lauten Anorexia Nervosa (Magersucht / Anorexie) und Bulimia Nervosa (Ess-Brechsucht / Bulimie). Das Krank heitsbild der Magersucht stellt sich in dem zwanghaften Abnehmen durch die Verweigerung von Nahrungsauf nahme dar. Die Bulimie hingegen äußert sich durch nor male und / oder übertriebene Nahrungsaufnahme (sog. Fressanfälle) verbunden mit anschließend absichtlich
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Ich wollte auch so schön, bei den Jungs beliebt und gut in der Schule sein (wie ihre Freundin, Anmerk. d. Verf.). Diese Dinge waren damals das Wichtigste für mich. Daher begann ich mich zu fragen, was sie hat was herbeigeführtem Erbrechen, bevor die Nahrung verdaut ich nicht habe, und das war für mich ganz ist. Das Ziel hierbei ist ebenfalls das Abnehmen oder klar das Gewicht. Ich wog damals 63 Kilo zumindest das Halten des Gewichts. Es gibt aber auch auf 1,68 m. Zuerst begann ich keine SüßigUnterformen, wie die atypische Bulimie . Dabei wird keiten mehr zu essen, was eine Zeitlang nach dem Essen nicht erbrochen, sondern eine starke Dosis Abführmittel verwendet, um die aufgenommene auch ausreichte, dann aber strich ich mir komplette Mahlzeiten, um mein WunschNahrung wieder loszuwerden. Die Gründe, die zu einer Essstörung führen, sind sehr ziel schneller zu erreichen. Ich dachte imvielfältig. Da es sich um eine psychosomatische Erkran mer, je schneller ich meinen „Traum“ von kung handelt, überrascht es nicht, dass Essstörungen 55 Kilo erreicht habe, umso schneller kann oftmals in Kombination mit Depressionen auftreten. ich dann wieder normal essen. Als ich dann Selbsthass ist ein wichtiger Grund, der durch die Ab aber wirklich 55 Kilo wog, dachte ich, iss lehnung durch Andere, Demütigung oder Missbrauch lieber noch weniger, dann bist du auf jeden ausgelöst werden kann. Stress ist ein weiterer Grund, Fall auf der sicheren Seite. Das habe ich imder oft durch Leistungsdruck ausgelöst wird. Die Angst mer weiter so fortgeführt, bis ich dann vor vor dem Erwachsenwerden und der damit implizierten Verantwortung ist einer der häufigsten Gründe für die 8 Monaten mit einem Gewicht von 48 Kilo Entwicklung einer Essstörung. Man spricht in diesem auf einer Körpergröße von 1,70 m zusammenbrach, zurückzuführen auf einen KreisFall von einem Peter-Pan-Syndrom . Betrachtet man diese Gründe, dann leuchtet es ein, dass laufkollaps. Essstörungen am häufigsten während der Pubertät auf treten. Diese Zeit des Heranwachsens, in der der Ver gleich mit anderen zur eigenen Standortbestimmung so wichtig ist und die Schule einen permanenten Spiegel der eigenen Leistungen darstellt. Das bestätigen auch die für das Jahr 2006 durch das Deutsche Kinderhilfs werk veröffentlichen Zahlen zur Situation in Deutsch land: Im Zeitraum 2003 – 2006 wiesen 21,9% der 11 – 17jährigen eine Auffälligkeit bezüglich ihres Essverhaltens auf. Die weiblichen Jugendlichen waren mit 28,9% in höhe rem Maße betroffen als die männlichen mit 15,2%. Die Häufigkeit des Auftretens in einer Bevölkerungs gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt betrug bei den männlichen und weiblichen 11jährigen ca. 20 % und nahm dann bei den Mädchen im Alter von 17 Jahren stark zu (30,1%), während sie bei den Jungen gleichen Alters rückläufig war (12,8%). Zum Thema Anorexie heißt es: In der Risikogruppe der 14 – 24jährigen litten ca. 18% der weiblichen Jugendlichen unter Anorexie. Bei je dem zehnten betroffenen Mädchen führt die Anorexie zum Tod und ist somit in diesem Alter die häufigste Todesursache in Deutschland. Unter den männlichen Jugendlichen waren 5 % der Jugendlichen betroffen. Die Erkrankung erreicht um das 14. Lebensjahr ihren Gipfel
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Anhand dieser Geschichte wird deutlich, dass Mager sucht lange Zeit mit allgemein akzeptierten Verhaltens weisen und favorisierten Idealen unserer Zeit einher geht. Sie äußert sich als konsequente Verwirklichung eines überall in der westlichen Welt propagierten Ge sundheits- und Schlankheitsideals. Die Motive, abzu nehmen, um besser auszusehen, selbstbewusster zu wer den, oder ganz einfach, weil andere im eigenen Umfeld auch Diät machen, sind weder außergewöhnlich noch krankheitsverdächtig. Auch wenn die Krankheit bereits Ende des 17. Jahrhunderts von dem Mediziner Richard Morton in dessen Aufzeichnungen erwähnt wurde, hat ihre Verbreitung in der heutigen Konsumgesellschaft eine völlig neue Dimension erlangt. Das überall prokla mierte 90-60-90-Schönheitsideal, das von Models auf den Titelseiten von Hochglanzmagazinen und XXL-Plakaten vorgelebt wird, darf inzwischen ja auch gerne etwas un terschritten werden. Praktischerweise findet man die entsprechenden Diät-Anleitungen in den gleichen Ma gazinen nur ein paar Seiten weiter. Das größte Problem an diesem Schönheitsideal, das Mädchen und Frauen in unserer heutigen Gesellschaft von jeder Seite an springt, ist, dass die Grenze zur Magersucht fließend ist. Gesunde Menschen würden bei ihrem Wunschgewicht aufhören mit der Diät – kranke machen weiter. Und der Begriff krank ist in diesem Zusammenhang Ausdruck
HOW TO magazine Ausgabe #2
und findet eine erneute Häufung im 18. Lebensjahr. Allerdings existieren bei diesen Zahlen hohe Dunkelzif fern, denn viele sind sich ihrer Krankheit (noch) nicht bewusst oder wollen sie einfach nicht wahrhaben. Eine der Bloggerinnen, die ich während der Recherche zu diesem Artikel kennenlernte, Nicola, erlaubte mir die Entstehung ihrer Essstörung hier zu zitieren:
von Hannes Gräf
Verehrte Leser(innen), in dieser Ausgabe von HOW TO geht es ums Essen. Deshalb möchte ich Ihnen über Menschen erzählen, deren einziger Lebensinhalt das Essen ist. Sie sind oft sehr sensibel und verfügen meist über ausgeprägte kreative und künstlerische Fähigkeiten. Sie sehen ihre Stärke in der Verweigerung. Kontrolle hat für sie oberste Priorität, auf die sind sie stolz. Der Grund dafür ist oft ein Kontrollverlust.
W
as sich im ersten Moment paradox anhört, ist es nicht. Es handelt sich um Menschen, die un ter einer Essstörung leiden. Die wissenschaftlichen Be zeichnungen dieser psychosomatischen Erkrankungen lauten Anorexia Nervosa (Magersucht / Anorexie) und Bulimia Nervosa (Ess-Brechsucht / Bulimie). Das Krank heitsbild der Magersucht stellt sich in dem zwanghaften Abnehmen durch die Verweigerung von Nahrungsauf nahme dar. Die Bulimie hingegen äußert sich durch nor male und / oder übertriebene Nahrungsaufnahme (sog. Fressanfälle) verbunden mit anschließend absichtlich
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Ich wollte auch so schön, bei den Jungs beliebt und gut in der Schule sein (wie ihre Freundin, Anmerk. d. Verf.). Diese Dinge waren damals das Wichtigste für mich. Daher begann ich mich zu fragen, was sie hat was herbeigeführtem Erbrechen, bevor die Nahrung verdaut ich nicht habe, und das war für mich ganz ist. Das Ziel hierbei ist ebenfalls das Abnehmen oder klar das Gewicht. Ich wog damals 63 Kilo zumindest das Halten des Gewichts. Es gibt aber auch auf 1,68 m. Zuerst begann ich keine SüßigUnterformen, wie die atypische Bulimie . Dabei wird keiten mehr zu essen, was eine Zeitlang nach dem Essen nicht erbrochen, sondern eine starke Dosis Abführmittel verwendet, um die aufgenommene auch ausreichte, dann aber strich ich mir komplette Mahlzeiten, um mein WunschNahrung wieder loszuwerden. Die Gründe, die zu einer Essstörung führen, sind sehr ziel schneller zu erreichen. Ich dachte imvielfältig. Da es sich um eine psychosomatische Erkran mer, je schneller ich meinen „Traum“ von kung handelt, überrascht es nicht, dass Essstörungen 55 Kilo erreicht habe, umso schneller kann oftmals in Kombination mit Depressionen auftreten. ich dann wieder normal essen. Als ich dann Selbsthass ist ein wichtiger Grund, der durch die Ab aber wirklich 55 Kilo wog, dachte ich, iss lehnung durch Andere, Demütigung oder Missbrauch lieber noch weniger, dann bist du auf jeden ausgelöst werden kann. Stress ist ein weiterer Grund, Fall auf der sicheren Seite. Das habe ich imder oft durch Leistungsdruck ausgelöst wird. Die Angst mer weiter so fortgeführt, bis ich dann vor vor dem Erwachsenwerden und der damit implizierten Verantwortung ist einer der häufigsten Gründe für die 8 Monaten mit einem Gewicht von 48 Kilo Entwicklung einer Essstörung. Man spricht in diesem auf einer Körpergröße von 1,70 m zusammenbrach, zurückzuführen auf einen KreisFall von einem Peter-Pan-Syndrom . Betrachtet man diese Gründe, dann leuchtet es ein, dass laufkollaps. Essstörungen am häufigsten während der Pubertät auf treten. Diese Zeit des Heranwachsens, in der der Ver gleich mit anderen zur eigenen Standortbestimmung so wichtig ist und die Schule einen permanenten Spiegel der eigenen Leistungen darstellt. Das bestätigen auch die für das Jahr 2006 durch das Deutsche Kinderhilfs werk veröffentlichen Zahlen zur Situation in Deutsch land: Im Zeitraum 2003 – 2006 wiesen 21,9% der 11 – 17jährigen eine Auffälligkeit bezüglich ihres Essverhaltens auf. Die weiblichen Jugendlichen waren mit 28,9% in höhe rem Maße betroffen als die männlichen mit 15,2%. Die Häufigkeit des Auftretens in einer Bevölkerungs gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt betrug bei den männlichen und weiblichen 11jährigen ca. 20 % und nahm dann bei den Mädchen im Alter von 17 Jahren stark zu (30,1%), während sie bei den Jungen gleichen Alters rückläufig war (12,8%). Zum Thema Anorexie heißt es: In der Risikogruppe der 14 – 24jährigen litten ca. 18% der weiblichen Jugendlichen unter Anorexie. Bei je dem zehnten betroffenen Mädchen führt die Anorexie zum Tod und ist somit in diesem Alter die häufigste Todesursache in Deutschland. Unter den männlichen Jugendlichen waren 5 % der Jugendlichen betroffen. Die Erkrankung erreicht um das 14. Lebensjahr ihren Gipfel
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Anhand dieser Geschichte wird deutlich, dass Mager sucht lange Zeit mit allgemein akzeptierten Verhaltens weisen und favorisierten Idealen unserer Zeit einher geht. Sie äußert sich als konsequente Verwirklichung eines überall in der westlichen Welt propagierten Ge sundheits- und Schlankheitsideals. Die Motive, abzu nehmen, um besser auszusehen, selbstbewusster zu wer den, oder ganz einfach, weil andere im eigenen Umfeld auch Diät machen, sind weder außergewöhnlich noch krankheitsverdächtig. Auch wenn die Krankheit bereits Ende des 17. Jahrhunderts von dem Mediziner Richard Morton in dessen Aufzeichnungen erwähnt wurde, hat ihre Verbreitung in der heutigen Konsumgesellschaft eine völlig neue Dimension erlangt. Das überall prokla mierte 90-60-90-Schönheitsideal, das von Models auf den Titelseiten von Hochglanzmagazinen und XXL-Plakaten vorgelebt wird, darf inzwischen ja auch gerne etwas un terschritten werden. Praktischerweise findet man die entsprechenden Diät-Anleitungen in den gleichen Ma gazinen nur ein paar Seiten weiter. Das größte Problem an diesem Schönheitsideal, das Mädchen und Frauen in unserer heutigen Gesellschaft von jeder Seite an springt, ist, dass die Grenze zur Magersucht fließend ist. Gesunde Menschen würden bei ihrem Wunschgewicht aufhören mit der Diät – kranke machen weiter. Und der Begriff krank ist in diesem Zusammenhang Ausdruck
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für eine Sucht. Wie Nicola es beschreibt, wird das zu erreichende Gewicht immer niedriger angesetzt und das Erreichen dieses Ziels bestimmt den Alltag. Die Waage wird zum Stimmungsbarometer. Nicht nur die Mahlzei ten werden in Kalorien umgerechnet, sondern auch alle weiteren täglichen Aktivitäten. Wird das selbstgesetzte Zielgewicht erreicht, dann wird das als Glücksgefühl wahrgenommen – man ist dem perfekten Körper ein Stück näher. Und man hat hart dafür gearbeitet, denn freiwillig hungern bedeutet nicht, an Appetitlosigkeit zu leiden. Natürlich hat man Appetit. Deshalb kommt es in Momenten der Schwäche ja auch zu Fressanfällen. Hat man es aber geschafft, den Versuchungen zu trotzen und das Wunschgewicht erreicht, dann hat man Stärke gezeigt. Der Wille hat über den Körper gesiegt, man hat gezeigt, dass man den Körper kontrollieren kann. Das gibt ein Gefühl der Sicherheit. Man hat Kontrolle – zu mindest über den eigenen Körper. So schreibt Nicola in ihrer Rubrik:
Ansporn – zum immer wieder Durchlesen: – – – – – – – –
Du trägst Tops in Größe M! Wie kann das sein, wo es doch auch Größe XS gibt? XS für schöne Frauen, für Frauen mit Selbstdisziplin! Sieh den Tatsachen ins Auge: Du magst vielleicht in ein paar Wochen schlank sein, aber schlank ist nicht genug! Wieso gibst Du Dich mit dem Mittelmaß zufrieden, wenn Du auch Perfektion haben könntest? Wo Du auch DÜNN sein könntest? Iß nicht. Sei ein weiteres Mal stark, und ich werde Dir geben, was Du Dir so sehr wünschst. Du wirst einen perfekten Körper haben, dünn und zart und zerbrechlich.
Es fällt schwer, diesen Ansporn aus gesunder Sicht zu verstehen – für Nicola ist er eine Alltagsanleitung. Zu sätzlich klingt ein weiteres, wichtiges Motiv durch, das viele Betroffene weiter in die Essstörung treibt:
Dünn sein bedeutet schwach sein zu dürfen! So lautet auf einer der Webseiten der verzweifelte Grund für die Essstörung:
Ich will dünn sein, damit ich endlich so zerbrechlich und schwach aussehe wie ich mich innerlich fühle.
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Hat dieser Teufelskreis erst einmal begonnen, gehen damit weitere Effekte einher. Die eigene Wahrnehmung verändert sich. Die Betroffenen empfinden sich, obwohl sie teilweise schon offensichtliches Untergewicht haben, als zu dick. Oftmals wird dann nicht mehr die gesamte Erscheinung betrachtet, sondern einzelne Körperpar tien, wie z.B. die Oberschenkel oder der Rücken. Zudem wird oft das soziale Umfeld gestört, weil die Betroffenen ihre Gewohnheiten geheim halten, um keinen Verdacht zu wecken. Enge Vertraute, wie die eigenen Eltern und Freunde, werden deshalb getäuscht oder gemieden. Die Einladung zum romantischen Italiener wird zur Qual, das gemeinsame Abendessen in der Familie zum Hor rortrip. So gewöhnt man sich an das Gefühl zu lügen und zu täuschen, isoliert sich und untergräbt die eigene Identität. Die Anonymität des Internet bietet daher den perfek ten Raum für Betroffene, um sich auszutauschen. Im Netz gibt es unzählige Seiten, Blogs und Foren, in denen die meist jungen Mädchen sich mitteilen. Das Internet machte es auch erst möglich, dass sich ganze Bewegun gen von Magersüchtigen bzw. Ess-Brechsüchtigen bilde ten. Sie nennen sich Pro-Ana (von pro: für und Anorexia nervosa) bzw. Pro-Mia (von pro: für und Bulimia nervosa). Auf den entsprechenden Seiten wird Magersucht bzw. Bulimie nicht als Krankheit, sondern als Lifestyle dargestellt. Hier gibt es Bilder von Vorbildern, sog. Thinspirations , die sowohl Prominente wie Victoria Beckham oder Nicole Richie zeigen als auch unbekannte Mädchen, die mit ihren dürren Körpern stolz vor der Kamera posieren. Hier wird Magersucht als Körperkult zelebriert. Je dünner, desto besser. So findet man auf den Seiten unzählige Tipps zum Abnehmen, aber auch viele pseudo-religiöse Glaubensbekenntnisse, Verse und Ge bote. Der Eindruck eines Kults entsteht. Solche Gebote klingen beispielsweise so:
1. Wenn ich nicht dünn bin, bin ich nicht attraktiv. 2. Dünn sein ist wichtiger als gesund sein. 3. Ich muss alles tun, um dünner auszusehen! 4. Ich darf nicht essen, ohne mich schuldig zu fühlen! 5. Ich darf nichts essen, ohne danach Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 6. Ich muss Kalorien zählen und meine Nahrungszufuhr dementsprechend gestalten. 7. Die Anzeige der Waage ist am wichtigsten! 8. Gewichtsverlust ist gut, Zunahme ist schlecht. 9. Du bist niemals zu dünn!
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Dabei wird die Krankheit personalisiert. Es ist die Rede von Meinem Leben mit Ana , Meine Freundin Ana und der Brief von An a ist ein häufig rezitiertes Manifest der Bewegung. Allerdings haben alle diese Pro-Ana-Webseiten einen Disclaimer, d.h. Leute, die nicht an einer Essstörung leiden, werden aufgefordert, die Seite zu verlassen. Die meisten Blogs zu dem Thema sind zudem durch ein Pass wort geschützt. Das ist auch nötig, denn als die Bewe gung in den Medien aufkam, zog sie entrüstete Reakti onen nach sich. Besonders die Verbände, die sich dem Kampf gegen die Magersucht verschrieben haben, schlu gen Alarm. So wurden nach Kampagnen der National Association of Anorexia Nervosa and Associated Disorders (ANAD) und weiteren Verbänden Pro-AnaWebseiten und ensprechende Webgemeinschaften von vielen Anbietern, wie Yahoo, MSN, Lycos und Myspace, vom Netz genommen. Dies geschah auf Grundlage der ethischen Richtlinien in ihren Nutzungsbedingungen. Die Pro-Ana-Bewegung reagierte mit dem Argument der Meinungsfreiheit und der in den USA teilweise gesetz lich garantierten Einstellung von Übergewichtigen. Die Bewegung Pro-Ana stellt aber ein Extrem dar. Die Mädchen, mit denen ich während der Recherche Kontakt hatte, können sich nicht mit Pro-Ana identifizieren. Ihr tägliches Ziel heißt dennoch: Abnehmen! Sie wissen, dass sie krank sind, und sie wären gerne gesund. Doch es ist extrem schwierig, den Teufelskreis der Essstörung zu durchbrechen und den Weg zu einem gesunden Selbst bild wiederzufinden. Jedem, den dieser Artikel interessiert hat, kann ich nur raten, sich selbst im Netz umzuschauen. Schaut Euch eines der unzähligen Videos auf youtube an, z.B. ana angel 2 und tippt Pro-Ana in die Suchmaschine. Was Ihr zu sehen bekommen werdet, wird Euch teilweise sicherlich entsetzen. Wenn man genau hinsieht, macht es einfach nur traurig. Aber Ihr werdet viele Menschen, die euch täglich umgeben, besser verstehen
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für eine Sucht. Wie Nicola es beschreibt, wird das zu erreichende Gewicht immer niedriger angesetzt und das Erreichen dieses Ziels bestimmt den Alltag. Die Waage wird zum Stimmungsbarometer. Nicht nur die Mahlzei ten werden in Kalorien umgerechnet, sondern auch alle weiteren täglichen Aktivitäten. Wird das selbstgesetzte Zielgewicht erreicht, dann wird das als Glücksgefühl wahrgenommen – man ist dem perfekten Körper ein Stück näher. Und man hat hart dafür gearbeitet, denn freiwillig hungern bedeutet nicht, an Appetitlosigkeit zu leiden. Natürlich hat man Appetit. Deshalb kommt es in Momenten der Schwäche ja auch zu Fressanfällen. Hat man es aber geschafft, den Versuchungen zu trotzen und das Wunschgewicht erreicht, dann hat man Stärke gezeigt. Der Wille hat über den Körper gesiegt, man hat gezeigt, dass man den Körper kontrollieren kann. Das gibt ein Gefühl der Sicherheit. Man hat Kontrolle – zu mindest über den eigenen Körper. So schreibt Nicola in ihrer Rubrik:
Ansporn – zum immer wieder Durchlesen: – – – – – – – –
Du trägst Tops in Größe M! Wie kann das sein, wo es doch auch Größe XS gibt? XS für schöne Frauen, für Frauen mit Selbstdisziplin! Sieh den Tatsachen ins Auge: Du magst vielleicht in ein paar Wochen schlank sein, aber schlank ist nicht genug! Wieso gibst Du Dich mit dem Mittelmaß zufrieden, wenn Du auch Perfektion haben könntest? Wo Du auch DÜNN sein könntest? Iß nicht. Sei ein weiteres Mal stark, und ich werde Dir geben, was Du Dir so sehr wünschst. Du wirst einen perfekten Körper haben, dünn und zart und zerbrechlich.
Es fällt schwer, diesen Ansporn aus gesunder Sicht zu verstehen – für Nicola ist er eine Alltagsanleitung. Zu sätzlich klingt ein weiteres, wichtiges Motiv durch, das viele Betroffene weiter in die Essstörung treibt:
Dünn sein bedeutet schwach sein zu dürfen! So lautet auf einer der Webseiten der verzweifelte Grund für die Essstörung:
Ich will dünn sein, damit ich endlich so zerbrechlich und schwach aussehe wie ich mich innerlich fühle.
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Hat dieser Teufelskreis erst einmal begonnen, gehen damit weitere Effekte einher. Die eigene Wahrnehmung verändert sich. Die Betroffenen empfinden sich, obwohl sie teilweise schon offensichtliches Untergewicht haben, als zu dick. Oftmals wird dann nicht mehr die gesamte Erscheinung betrachtet, sondern einzelne Körperpar tien, wie z.B. die Oberschenkel oder der Rücken. Zudem wird oft das soziale Umfeld gestört, weil die Betroffenen ihre Gewohnheiten geheim halten, um keinen Verdacht zu wecken. Enge Vertraute, wie die eigenen Eltern und Freunde, werden deshalb getäuscht oder gemieden. Die Einladung zum romantischen Italiener wird zur Qual, das gemeinsame Abendessen in der Familie zum Hor rortrip. So gewöhnt man sich an das Gefühl zu lügen und zu täuschen, isoliert sich und untergräbt die eigene Identität. Die Anonymität des Internet bietet daher den perfek ten Raum für Betroffene, um sich auszutauschen. Im Netz gibt es unzählige Seiten, Blogs und Foren, in denen die meist jungen Mädchen sich mitteilen. Das Internet machte es auch erst möglich, dass sich ganze Bewegun gen von Magersüchtigen bzw. Ess-Brechsüchtigen bilde ten. Sie nennen sich Pro-Ana (von pro: für und Anorexia nervosa) bzw. Pro-Mia (von pro: für und Bulimia nervosa). Auf den entsprechenden Seiten wird Magersucht bzw. Bulimie nicht als Krankheit, sondern als Lifestyle dargestellt. Hier gibt es Bilder von Vorbildern, sog. Thinspirations , die sowohl Prominente wie Victoria Beckham oder Nicole Richie zeigen als auch unbekannte Mädchen, die mit ihren dürren Körpern stolz vor der Kamera posieren. Hier wird Magersucht als Körperkult zelebriert. Je dünner, desto besser. So findet man auf den Seiten unzählige Tipps zum Abnehmen, aber auch viele pseudo-religiöse Glaubensbekenntnisse, Verse und Ge bote. Der Eindruck eines Kults entsteht. Solche Gebote klingen beispielsweise so:
1. Wenn ich nicht dünn bin, bin ich nicht attraktiv. 2. Dünn sein ist wichtiger als gesund sein. 3. Ich muss alles tun, um dünner auszusehen! 4. Ich darf nicht essen, ohne mich schuldig zu fühlen! 5. Ich darf nichts essen, ohne danach Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 6. Ich muss Kalorien zählen und meine Nahrungszufuhr dementsprechend gestalten. 7. Die Anzeige der Waage ist am wichtigsten! 8. Gewichtsverlust ist gut, Zunahme ist schlecht. 9. Du bist niemals zu dünn!
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Dabei wird die Krankheit personalisiert. Es ist die Rede von Meinem Leben mit Ana , Meine Freundin Ana und der Brief von An a ist ein häufig rezitiertes Manifest der Bewegung. Allerdings haben alle diese Pro-Ana-Webseiten einen Disclaimer, d.h. Leute, die nicht an einer Essstörung leiden, werden aufgefordert, die Seite zu verlassen. Die meisten Blogs zu dem Thema sind zudem durch ein Pass wort geschützt. Das ist auch nötig, denn als die Bewe gung in den Medien aufkam, zog sie entrüstete Reakti onen nach sich. Besonders die Verbände, die sich dem Kampf gegen die Magersucht verschrieben haben, schlu gen Alarm. So wurden nach Kampagnen der National Association of Anorexia Nervosa and Associated Disorders (ANAD) und weiteren Verbänden Pro-AnaWebseiten und ensprechende Webgemeinschaften von vielen Anbietern, wie Yahoo, MSN, Lycos und Myspace, vom Netz genommen. Dies geschah auf Grundlage der ethischen Richtlinien in ihren Nutzungsbedingungen. Die Pro-Ana-Bewegung reagierte mit dem Argument der Meinungsfreiheit und der in den USA teilweise gesetz lich garantierten Einstellung von Übergewichtigen. Die Bewegung Pro-Ana stellt aber ein Extrem dar. Die Mädchen, mit denen ich während der Recherche Kontakt hatte, können sich nicht mit Pro-Ana identifizieren. Ihr tägliches Ziel heißt dennoch: Abnehmen! Sie wissen, dass sie krank sind, und sie wären gerne gesund. Doch es ist extrem schwierig, den Teufelskreis der Essstörung zu durchbrechen und den Weg zu einem gesunden Selbst bild wiederzufinden. Jedem, den dieser Artikel interessiert hat, kann ich nur raten, sich selbst im Netz umzuschauen. Schaut Euch eines der unzähligen Videos auf youtube an, z.B. ana angel 2 und tippt Pro-Ana in die Suchmaschine. Was Ihr zu sehen bekommen werdet, wird Euch teilweise sicherlich entsetzen. Wenn man genau hinsieht, macht es einfach nur traurig. Aber Ihr werdet viele Menschen, die euch täglich umgeben, besser verstehen
HOW TO magazine Ausgabe #2
Peter Fischli und David Weiss
In den Bergen
HOW TO food
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alle Motive © Peter Fischli / David Weiss Courtesty Monika Sprüth Philomene Magers, Köln / München / London
Peter Fischli und David Weiss
In den Bergen
HOW TO food
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alle Motive © Peter Fischli / David Weiss Courtesty Monika Sprüth Philomene Magers, Köln / München / London
Der Brand von Uster
Moonraker
Der Unfall
Modeschau
Pavesi Im Teppichladen
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alle Motive © Peter Fischli / David Weiss Courtesty Monika Sprüth Philomene Magers, Köln / München / London
Der Brand von Uster
Moonraker
Der Unfall
Modeschau
Pavesi Im Teppichladen
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alle Motive © Peter Fischli / David Weiss Courtesty Monika Sprüth Philomene Magers, Köln / München / London
„ von Simon Roth
… sie machen Appetit, schmecken gut und sind ungesund. Auf Grund dessen habe ich mir einen Burger gekauft und verurteilt. Zuerst habe ich ihn erkalten lassen und dann zerrissen. Dieser Mord soll all den Menschen Mut machen, die dem Cheeseburger nicht widerstehen können. Aus Dokumentationsgründen habe ich den Mord auf einem Scanner begangen.
“
„ von Simon Roth
… sie machen Appetit, schmecken gut und sind ungesund. Auf Grund dessen habe ich mir einen Burger gekauft und verurteilt. Zuerst habe ich ihn erkalten lassen und dann zerrissen. Dieser Mord soll all den Menschen Mut machen, die dem Cheeseburger nicht widerstehen können. Aus Dokumentationsgründen habe ich den Mord auf einem Scanner begangen.
“
e d En
Ein Samstag im November, auf einem kleinen Bauernhof bei Schweinfurt. von Pia Katzenberger
D
amit das Wasser rechtzeitig kocht, wird bereits um halb 7 der Kessel in der Waschküch aufge setzt. Gegen halb 8 beginnt man mit dem Schlachten. Geschlachtet wird 1 – 2 mal im Jahr; in der kühlen Jah reszeit von Oktober bis März. Der gelernte Metzger Lud wig Lubber Leibert aus dem Nachbarort übernimmt seit Jahren diese Aufgabe. Sein Handwerkszeug bringt er mit: Messer, Wetzstahl zum Messerabziehen, Fleischha ken, Putzglocken; außerdem diverse Gerätschaften zum Wurstmachen: Fleischwolf und Handfülltrichter bzw. Füllmaschine für Därme und Dosen. Heute wird auf dem Hof Susi, das letzte Schwein aus eigener Aufzucht, geschlachtet. Danach werden keine ei genen Tiere mehr gehalten. Für den nächsten Schlacht tag kauft man wohl ein Schlachttier von einem Bauern im Dorf (Kosten: ca. 1,50 Euro/kg Lebendgewicht). Susi ist ein fränkisches Hausschwein und hat mit 143 kg ein gutes Schlachtgewicht. Das Schlachtgewicht sollte mindestens 100 kg betragen, normal sind 130 bis 150 kg, sonst ist die Schlachtung nicht ergiebig genug oder das Fleisch zu fett. Ein deutsches Mastschwein in der indus triellen Produktion erreicht das Schlachtgewicht durch Kraftfutter und Zusätze bereits nach 3 bis 4 Monaten. Susi hatte etwas mehr Zeit. Sie ist neun Monate alt. In diesem 3/4 Jahr wuchs sie als letztes Tier in einem tra ditionellen Schweinestall auf. Allein, dafür aber mit viel Platz – 15 m 2 gepflastertem Boden und frischem Stroh belag alle 2 – 3 Tage. Raus kam sie nie. Freilandhaltung hätte ihr wahrscheinlich gefallen, die ist jedoch aufwen dig, mit hohem Platzbedarf verbunden und daher selten. Der Speiseplan bestand aus gekochten und im Muser zerkleinerten Kartoffeln, Rüben, Lebensmittelresten, aber auch frischem Gras und Getreideschrot. Teilweise
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gab es Kraftfutter (Pellets aus Fischresten), vorwiegend im Sommer, zusätzlich zum Gras. Das Schlachten beginnt, Susi wird von den Helfern aus dem Stall zum Metzger getrieben. Der bindet eines ih rer Hinterbeine mit einem Strick an einem Ring an der Mauer fest. »Einmal is ne Sau dem Metzger aus dem Stall nachgelaufen, ganz zutraulich, die wusste garnet was geschah. Des ging sogar dem Metzger an die Nieren.« So erinnert sich Oma Ida auf dem Weg zurück ins Haus. Da bleibt sie, bis das Tier tot ist. Selbst nach so vielen Jahren kann sie sich »net an des Schreien von dem Tier gewöhn«. Lubber setzt das Bolzenschussgerät an und drückt ab. Susis Tod tritt nicht sofort ein. Ein Bolzen betäubt nur das Gehirn des Tieres, dann wird gestochen . Das Blut, das aus der Hauptschlagader fließt, fängt einer der Helfer in einer Emailleschüssel auf und rührt es bis zum Erkalten. Das ist wichtig für die Blutwurst. Sobald das Schwein ausgeblutet ist, wird es in einer Zinkwanne abgebrüht. Das Wasser darf nicht zu heiß und nicht zu kalt sein, da sonst das Abschaben der Borsten nicht gut funktioniert. Hierzu nutzt man eine Putzglocke , mit der man die Borsten und die oberste Hautschicht ab schabt. Anschließend wird nachrasiert mit einem schar fen grossen Metzgermesser. Mit dem Haken am oberen Ende der Putzglocke zieht man die Klauen ab, Augen, Ohrmuschel, Ohrbutzen , Gehörgang usw. werden mit dem Messer herausgeschnitten und die restlichen Bors ten abgeflammt. Nachdem die Sau gereinigt ist, wird sie an den Sehnen der Hinterbeine aufgehängt. »Und wenn das Schwein am Haken hängt, wird erst ´ m al einer eingeschenkt«, sagt Opa Willi und füllt die Gläser der Helfer für eine Runde Schnaps.
HOW TO magazine Ausgabe #2
Nach dem Wiegen schneidet Lubber das Schwein auf, entfernt die Zunge und entnimmt Gedärme und Inne reien. Därme und Blase dienen später als Hülle für Wurst und Schwartenmagen. Entlang der Wirbelsäule teilt er mit seinem Beil das Schwein in zwei Hälften. Wo das Beil versagt, muss die Säge her. Der Kopf bleibt an den Kiefern verbunden, damit nichts den Boden berührt. In eineinhalb Stunden wird das Schwein geputzt und vorbereitet. Bevor es innerhalb einer weiteren Stunde zerwirkt wird (zerteilt), kommt der Fleischbeschauer. Nieren, Herz, Lunge und Zunge werden zur Begutach tung an einen extra Haken gehängt. Mit Quetschglas und Mikroskop untersucht der offiziell bestellte Fleisch beschauer, an diesem Tag Onkel Alfred, am Küchentisch die Fleischproben gründlich auf Unregelmäßigkeiten. Susi war ein gesundes Schwein. Es gibt keinerlei Bean standungen, die Stempel werden aufgebracht und weiter geht es: Gehirn und Rückenmark werden herausgeholt und beiseite gestellt. Zusammen mit Ei, Zwiebeln und etwas Salz und Pfeffer in der Pfanne gebraten, auf Bau ernbrot angerichtet, ergibt das eine sehr cholesterinhal tige Zwischenmahlzeit zur Stärkung. Die Därme für die Wurst werden vorsichtig ausgestreift, umgedreht und gründlich in einer Lake aus Zwiebeln und Salz gewäs sert, das nimmt ihnen den Darmgeschmack. »Der ganze Scheiß da, wenn ich ne keff, kosts mich 3 Euro. Für 3 Euro kann ich des net putz. Därme hab ich
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da, o Mass, die kannste garnet aufarbeit. Aber da plack ich mich garnet lang rum- Russn und Polen putzen des fürn Stundenlohn von 2,85 plus Steuer, dafür kannste dich garnet hiestell. Also des is amal mei Meinung dazu, wenns einer will die Därm von seiner Sau, dann putz ich se scho, ansonsten net«, sagt Lubber und entleert den Inhalt der Därme auf den Misthaufen. Vom Kopf bis zu den Füßen werden fast alle Teile ver arbeitet. Die Mandeln wandern als Bakterienherde in den Müll, zusammen mit der ungenießbaren Galle. Die Milz kommt später in die Leberwurst. Die Schulterblät ter kommen komplett mit Knochen in den Kessel für das Kochfleisch. Auch die Schädelhälften werden mit gekocht. Oft wird bei einem Metzger ein extra Schwei nekopf bestellt, da vor allem das Kopffleisch beliebt ist. Die grossen Fleischstücke brauchen 1 – 2 Stunden, um durchgekocht zu sein, wegen ihres hohen Knochenan teils sind die Köpfe am schnellsten fertig und kommen daher erst am Ende der Kochzeit mit in den Kessel. In diesem werden die für die Wurst bestimmten Fleisch stücke und Innereien in Wasser gekocht, mit Suppenge müse, Knoblauch, Salz und Pfeffer. Währenddessen zerteilen die Helfer die rohen Fleisch stücke in kleinere Brocken und drehen sie durch den Fleischwolf. Für die Fettstücke gibt es einen Aufsatz mit fingerdicken Lochscheiben, auch das Fett wird durchge dreht und später ausgelassen , für Grieben und Schwei nefett. Teile wie Kotelett, Schnitzel, Braten und Gulasch, also Rohfleisch, werden für mindestens 2 Stunden zum Aus kühlen beseite gelegt, bevor man sie teilweise zerlegt und zum Einfrieren eintütet. Gegen 11 Uhr gibt es Kesselfleisch. Alle 9 Helfer versam meln sich um den Tisch in der Waschküche, der Hund muss draußen bleiben. Auf einem tischgroßen Holzbrett werden die gekochten Fleischstücke vom Metzger vor geschnitten. Zuerst das Bauchfleisch, dann Kopffleisch, Rüssel, Ohren; danach Nieren, Herz und Zunge. Die Helfer schneiden die Stücke in Würfel für die Wurst verabeitung und naschen fleißig davon gewürzt nach Geschmack mit etwas Meerrettich Gria oder der in kleinen Häufchen auf dem Tisch verteilten Salz-PfefferMischung. Nur das Brot wird in Jacken- oder Schürzen tasche aufbewahrt, beinahe heimlich, doch darf keine Krume in die Wurst gelangen, da diese davon schlecht wird. Dazu gibt es Most- oder Weißweinschorle und na türlich Schnaps zur Verdauung zwischendurch. Ist das gekochte Fleisch verarbeitet und für die Wurst gewür felt, beginnt das Wurstmachen. Därme, aber auch Gläser
und Dosen, werden mit den verschiedenen Wurstmassen befüllt. Für Bratwurst verwendet man nur rohes Fleisch. Das Blut, zusammen mit den gekochten Fleischwürfeln und Gewürzen, ergibt die Blutwurst, in Darm und Glä sern. Der Rotgelegte kommt in Blase, Dickdarm oder Magen. Lubber schmeckt die Blutwurstmasse mit dem Zeige finger ab. Alles gut. Nun gibt es noch für die mutigen Abschmecker unter den Kindern ein Streifenmuster aus Blut auf Wangen und Stirn – die Kriegsbemalung ist komplett. Und für den Spaß der Erwachsenen sorgt das mit einem Draht versehene Ringelschwänzchen des Schweins. Es wird unaufmerksamen Personen hinter deren Rücken angehängt . Der Ruf »Er hängt, er hängt!« zeigt an: Das Schwänzchen ist entdeckt. Das Gelächter ist groß, und es gibt noch eine Runde Schnaps. Prost
Die Bilanz: 9 Monate, 143 kg, nach Putzen, Transport, ohne Blut: 134 kg Wurst - Darm: Blutwurst 10 Stück, 2 Rotgelegte Fleischwurst 20 Stück, 2 Weißgelegte Bratwurst 50 Stück, Leberwurst 20 Stück Wurst - Gläser (200gr): Blutwurst 15 Stück, Bratwurst 15 Stück, Leberwurst 15 Stück, Fleischwurst 20 Stück Schinken: 10 Stück, Gesamtgewicht 22,5 kg Fleischstücke: für Gulasch, Hackfleisch, Lende, Suppenknochen, Leiterle (Spareribs). 8 Koteletts, 15 Schnitzel, 4 Braten
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Nach dem Wiegen schneidet Lubber das Schwein auf, entfernt die Zunge und entnimmt Gedärme und Inne reien. Därme und Blase dienen später als Hülle für Wurst und Schwartenmagen. Entlang der Wirbelsäule teilt er mit seinem Beil das Schwein in zwei Hälften. Wo das Beil versagt, muss die Säge her. Der Kopf bleibt an den Kiefern verbunden, damit nichts den Boden berührt. In eineinhalb Stunden wird das Schwein geputzt und vorbereitet. Bevor es innerhalb einer weiteren Stunde zerwirkt wird (zerteilt), kommt der Fleischbeschauer. Nieren, Herz, Lunge und Zunge werden zur Begutach tung an einen extra Haken gehängt. Mit Quetschglas und Mikroskop untersucht der offiziell bestellte Fleisch beschauer, an diesem Tag Onkel Alfred, am Küchentisch die Fleischproben gründlich auf Unregelmäßigkeiten. Susi war ein gesundes Schwein. Es gibt keinerlei Bean standungen, die Stempel werden aufgebracht und weiter geht es: Gehirn und Rückenmark werden herausgeholt und beiseite gestellt. Zusammen mit Ei, Zwiebeln und etwas Salz und Pfeffer in der Pfanne gebraten, auf Bau ernbrot angerichtet, ergibt das eine sehr cholesterinhal tige Zwischenmahlzeit zur Stärkung. Die Därme für die Wurst werden vorsichtig ausgestreift, umgedreht und gründlich in einer Lake aus Zwiebeln und Salz gewäs sert, das nimmt ihnen den Darmgeschmack. »Der ganze Scheiß da, wenn ich ne keff, kosts mich 3 Euro. Für 3 Euro kann ich des net putz. Därme hab ich
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da, o Mass, die kannste garnet aufarbeit. Aber da plack ich mich garnet lang rum- Russn und Polen putzen des fürn Stundenlohn von 2,85 plus Steuer, dafür kannste dich garnet hiestell. Also des is amal mei Meinung dazu, wenns einer will die Därm von seiner Sau, dann putz ich se scho, ansonsten net«, sagt Lubber und entleert den Inhalt der Därme auf den Misthaufen. Vom Kopf bis zu den Füßen werden fast alle Teile ver arbeitet. Die Mandeln wandern als Bakterienherde in den Müll, zusammen mit der ungenießbaren Galle. Die Milz kommt später in die Leberwurst. Die Schulterblät ter kommen komplett mit Knochen in den Kessel für das Kochfleisch. Auch die Schädelhälften werden mit gekocht. Oft wird bei einem Metzger ein extra Schwei nekopf bestellt, da vor allem das Kopffleisch beliebt ist. Die grossen Fleischstücke brauchen 1 – 2 Stunden, um durchgekocht zu sein, wegen ihres hohen Knochenan teils sind die Köpfe am schnellsten fertig und kommen daher erst am Ende der Kochzeit mit in den Kessel. In diesem werden die für die Wurst bestimmten Fleisch stücke und Innereien in Wasser gekocht, mit Suppenge müse, Knoblauch, Salz und Pfeffer. Währenddessen zerteilen die Helfer die rohen Fleisch stücke in kleinere Brocken und drehen sie durch den Fleischwolf. Für die Fettstücke gibt es einen Aufsatz mit fingerdicken Lochscheiben, auch das Fett wird durchge dreht und später ausgelassen , für Grieben und Schwei nefett. Teile wie Kotelett, Schnitzel, Braten und Gulasch, also Rohfleisch, werden für mindestens 2 Stunden zum Aus kühlen beseite gelegt, bevor man sie teilweise zerlegt und zum Einfrieren eintütet. Gegen 11 Uhr gibt es Kesselfleisch. Alle 9 Helfer versam meln sich um den Tisch in der Waschküche, der Hund muss draußen bleiben. Auf einem tischgroßen Holzbrett werden die gekochten Fleischstücke vom Metzger vor geschnitten. Zuerst das Bauchfleisch, dann Kopffleisch, Rüssel, Ohren; danach Nieren, Herz und Zunge. Die Helfer schneiden die Stücke in Würfel für die Wurst verabeitung und naschen fleißig davon gewürzt nach Geschmack mit etwas Meerrettich Gria oder der in kleinen Häufchen auf dem Tisch verteilten Salz-PfefferMischung. Nur das Brot wird in Jacken- oder Schürzen tasche aufbewahrt, beinahe heimlich, doch darf keine Krume in die Wurst gelangen, da diese davon schlecht wird. Dazu gibt es Most- oder Weißweinschorle und na türlich Schnaps zur Verdauung zwischendurch. Ist das gekochte Fleisch verarbeitet und für die Wurst gewür felt, beginnt das Wurstmachen. Därme, aber auch Gläser
und Dosen, werden mit den verschiedenen Wurstmassen befüllt. Für Bratwurst verwendet man nur rohes Fleisch. Das Blut, zusammen mit den gekochten Fleischwürfeln und Gewürzen, ergibt die Blutwurst, in Darm und Glä sern. Der Rotgelegte kommt in Blase, Dickdarm oder Magen. Lubber schmeckt die Blutwurstmasse mit dem Zeige finger ab. Alles gut. Nun gibt es noch für die mutigen Abschmecker unter den Kindern ein Streifenmuster aus Blut auf Wangen und Stirn – die Kriegsbemalung ist komplett. Und für den Spaß der Erwachsenen sorgt das mit einem Draht versehene Ringelschwänzchen des Schweins. Es wird unaufmerksamen Personen hinter deren Rücken angehängt . Der Ruf »Er hängt, er hängt!« zeigt an: Das Schwänzchen ist entdeckt. Das Gelächter ist groß, und es gibt noch eine Runde Schnaps. Prost
Die Bilanz: 9 Monate, 143 kg, nach Putzen, Transport, ohne Blut: 134 kg Wurst - Darm: Blutwurst 10 Stück, 2 Rotgelegte Fleischwurst 20 Stück, 2 Weißgelegte Bratwurst 50 Stück, Leberwurst 20 Stück Wurst - Gläser (200gr): Blutwurst 15 Stück, Bratwurst 15 Stück, Leberwurst 15 Stück, Fleischwurst 20 Stück Schinken: 10 Stück, Gesamtgewicht 22,5 kg Fleischstücke: für Gulasch, Hackfleisch, Lende, Suppenknochen, Leiterle (Spareribs). 8 Koteletts, 15 Schnitzel, 4 Braten
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HOW TO magazine Ausgabe #2
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von Max Kornert
Für die unvorstellbare Anzahl von über 800 Millionen hungernden Menschen weltweit gibt es viele Gründe – gibt es auch endlich einen Grund dagegen?
21, 22, 23, tot.
Alle vier Sekunden stirbt ein Mensch an Unterernäh rung. Immer noch – obwohl unser Planet laut UNO pro blemlos bis zu 12 Milliarden Menschen ernähren könnte. Wenn der Wille vorhanden wäre. Denn die Schuld am Welthunger trägt weder das ständige Bevölkerungs wachstum, die Inkompetenz afrikanischer Kleinbau ern noch der Klimawandel, sondern in erster Linie die unerträgliche Arroganz und der blinde Egoismus der westlichen Welt. Wie sonst sind Perversionen wie die milliardenschweren Agrarsubventionen der reichen Länder an die eigenen Bauern zu erklären? Immerhin geben alle Länder der OECD zusammen die gleiche Summe, die sie jährlich an Afrika leisten, täglich für ihre eigenen Landwirte aus. In Form direkter Finanz hilfe, bezuschussten Treibstoffs, billiger Darlehen. Das Ergebnis: Riesige Nahrungsmittelüberschüsse, die spä ter großzügig an die Entwicklungsländer verschenkt werden. Almosen, die sich für die dortigen Bauern fatal auswirken. Denn gegen die landwirtschaftlichen Güter aus dem Westen haben sie keine Chance. In manchen
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HOW TO magazine Ausgabe #2
von Max Kornert
Für die unvorstellbare Anzahl von über 800 Millionen hungernden Menschen weltweit gibt es viele Gründe – gibt es auch endlich einen Grund dagegen?
21, 22, 23, tot.
Alle vier Sekunden stirbt ein Mensch an Unterernäh rung. Immer noch – obwohl unser Planet laut UNO pro blemlos bis zu 12 Milliarden Menschen ernähren könnte. Wenn der Wille vorhanden wäre. Denn die Schuld am Welthunger trägt weder das ständige Bevölkerungs wachstum, die Inkompetenz afrikanischer Kleinbau ern noch der Klimawandel, sondern in erster Linie die unerträgliche Arroganz und der blinde Egoismus der westlichen Welt. Wie sonst sind Perversionen wie die milliardenschweren Agrarsubventionen der reichen Länder an die eigenen Bauern zu erklären? Immerhin geben alle Länder der OECD zusammen die gleiche Summe, die sie jährlich an Afrika leisten, täglich für ihre eigenen Landwirte aus. In Form direkter Finanz hilfe, bezuschussten Treibstoffs, billiger Darlehen. Das Ergebnis: Riesige Nahrungsmittelüberschüsse, die spä ter großzügig an die Entwicklungsländer verschenkt werden. Almosen, die sich für die dortigen Bauern fatal auswirken. Denn gegen die landwirtschaftlichen Güter aus dem Westen haben sie keine Chance. In manchen
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afrikanischen Ländern überschwemmen tonnenweise italienisches Tomatenmark, niederländische Zwiebeln oder europäische Hühnchenteile die lokalen Märkte und lassen das Angebot geradezu explodieren – und damit die Preise ins Bodenlose sinken. Dieser Preissturz nimmt den bedürftigen Bauern jede Möglichkeit, ihre eigenen Erzeugnisse gewinnbringend zu verkaufen sowie neues Saatgut oder einfachstes Gerät zu erwerben. Man muss kein Ökonom sein, um zu erkennen, dass Geschenke die ser Art den Hungernden in Afrika zwar helfen, kurzfris tig zu überleben, nicht aber, ihnen die Aussicht zu geben, sich mittelfristig selbständig zu versorgen. Bis zum Eintritt des neuen Welthandelsabkommens im Jahr 2013 bleibt daher nur die bittere Hoffnung, dass sich doch bitteschön auch noch andere um den globa len Hunger kümmern mögen als ausschließlich unsere Regierungen. Doch wer? Denn auch andere westliche Akteure im Hilfssektor fühlen sich nicht unbedingt dem Altruismus verpflichtet. Als ein Mitglied des US-Außen ministeriums den klugen Vorschlag machte, ein Viertel der amerikanischen Lebensmittelhilfen ab sofort in bar auszuzahlen, um Erzeugnisse von lokalen Bauern und nicht von amerikanischen zu kaufen, war das Gezeter bei den renommierten Hilfsorganisationen groß. Fürch teten sie doch, nicht mehr so viele Weizensäcke von Kan sas nach Kenia transportieren und vor Ort verteilen zu dürfen, als dass diese Aufgabe ihre hohen Budgets für Verwaltung und Personal noch rechtfertigen würde. Vielleicht sollte man die Bekämpfung des globalen Hungers einfach kompetenteren Leuten überlassen. Zum Beispiel uns selbst. Schließlich gibt es für jeden Einzel nen inzwischen die Möglichkeit, die Armutsbekämpfung im Internet quasi eigenhändig in Angriff zu nehmen. Zu nennen wäre dabei k iva.org , eine Börse für Mi krokredite, über die seit dem Start der Seite im Herbst 2005 bereits über 10 Millionen Dollar an bedürftige En trepreneurs verliehen wurden. Allerdings naturgemäß ausschließlich in jene Länder, in denen die Gesetze der
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Marktwirtschaft gelten. Logisch: Wer heute unter Hun ger leidet, hat es sehr schwer, schon morgen Gewinne zu erwirtschaften, die er übermorgen verzinst an den Kiva -Lender zurückzahlen kann. Als mögliche Alterna tive kündigt sich für Ende Oktober mit betterplace.org nun eine Plattform an, die sich, wie es in der Selbst beschreibung heißt, als »Brücke zwischen Bedarf und unzähligen neuen Möglichkeiten« sieht. Sie verhilft zu einem direkten, transparenten, vor allem langfristigen Kontakt zwischen Geber und Empfänger. Mit anderen Worten: Dort sucht sich jeder genau das Hilfsprojekt aus, das ihm persönlich am meisten Erfolg verspricht. Die ses kann er mit Geld, Sachleistungen, Know-How oder als Volunteer vor Ort unterstützen. Im Gegenzug wird seitens des Empfängers ein kontinuierliches, multimedi ales Feedback versprochen. Der clevere Hintergedanke dabei: Es sind nicht die Industrienationen, die ihre über schüssige Nahrung verschenken, nicht die etablierten Hilfsorganisationen mit ihren hohen Verwaltungskos ten, sondern es sind allein die Bedürftigen vor Ort, die am besten wissen, was sie brauchen: Meistens etwas zu essen, etwas zu trinken – und verdammt noch mal endlich bessere Zukunftschancen
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von Tim Klinger
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m Aquarium am Ende des Tiergeschäfts in der 86. Straße mitten in New York tänzelt ein Fisch in sei nem Becken. Er schimmert leicht bläulich, beinahe als würde er von selbst leuchten. Es erinnert an einen Raver Mitte der 90er mit weißem T-Shirt und Handschuhen unter den UV-Leuchten im Dorian Grey. Bei näherer Betrachtung kann man beobachten, dass der Fisch wegen der Leuchtstoffröhre im Aqarium flu oresziert. Es ist der GloFish®. Der US. pantentierte Fisch trägt das Gen einer nordpazifischen Quallenart, der Aequorea victoria, das ein fluoreszierendes Pro tein produziert. Dieses Gen ersetzt nicht die Zimmerbe leuchtung, sondern entfaltet seine Leuchtkraft am bes ten in einem dunklen Zimmer unter einer UV-Lampe. Die Verkäuferin erklärt, dass dieser Fisch für nur 5.95$ endlich wirkliche Farbenfreude in die Süßwasseraqua rien bringt, was sonst nur den Salzwasseraquarianern vorbehalten war. Nicht schlecht. Der Rest des genetischen Codes ist der eines herkömm lichen Zebrabärblings, eine in Indien und Pakistan vor kommende Süßwasserfischart und weltweit der häufigste Aquariumfisch. Der Unterschied zum GloFish® sind ein paar genetische Modifikationen. Dafür ist der Zebrabär bling ein dankbarer Modellorganismus. Er braucht we nig Platz und verfügt über hervorragende Zuchteigen schaften. Ein Babyfisch ist nach Befruchtung des Eies in nur 5 Tagen selbstständig und auf Nahrungssuche. So können Entwicklungsabläufe, die bei Säugern Jahre dauern, in wenigen Wochen beobachtet werden. Durch die gentechnische Nutzung zählt der Zebrabärbling zu den am besten untersuchten Lebewesen unseres Plane ten. Im Max-Plank-Institut in Tübingen z.B. werden an 400‘000 Exemplaren genetische Grundlagentests durch geführt. In 7‘000 Aquarien werden die Fische gezüchtet, manipuliert und beobachtet. Der 2003 auf dem amerikanischen Markt zugelassene GloFish® ist in einem ähnlichen Institut in Singapur
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entstanden. Dr. Zhiyuan Gong von der Nationalen Uni versität Singapur schaffte es 1999, das Gen der Qualle in das Genom eines Zebrabärblings zu transferieren. Das Ziel, an dem Dr. Gong noch arbeitet, so schreibt er, ist es, einen Fisch zu züchten, der als Reaktion auf Umweltgifte aufleuchtet, wie z.B. bei Schwermetallbela stung. Der erste Schritt war, einen transgenen Fisch zu züchten, bzw. der GloFish® entstand als Nebenprodukt seiner Arbeit. Als Yorktown Technologies vom Neben produkt erfuhren, begannen sie den Fisch in den USA zu vermarkten. 2003 wurde der GloFish®auf dem amerika nischen und taiwanesischen Markt zugelassenen und ist bis heute das einzige legale gentechnisch manipulierte kommerzielle Tier der Welt. Alle im Handel zu kaufen den GloFish® sind, laut offiziellen Stellungnahmen, Nachfahren der genetisch veränderten Elterntiere, die jedem Nachkommen einen individuellen anderen fluo reszierenden Farbton verleihen. Durch weitere Zusätze von Korallen- und Anemonengenen gibt es den GloFish® mittlerweile auch in Starfire Red®®, Electric Green® und Sunburst Orange®. Diese Vielfalt bringt wirklich Farbenfreude ins Süßwasseraquarium und lässt die Her zen der Aquarienbesitzer höher schlagen. Nur nicht in Europa, wo EU-Gesetze verhindern, dass gentechnisch manipulierte Tiere vertrieben werden dür fen. Zum Leidwesen nicht nur der Aquarianer, sondern auch von Yorktown Technologies. Sie verkauften im ers ten Monat nach der Einführung über 100‘000 Stück in den USA. Wenn es um Fisch im allgemeinen geht, sind das aber kleine Zahlen in Europa. 100’000 Lachse produziert Nor wegen in weniger als 2 Tagen. Diese sind noch nicht genetisch manipuliert, aber sie werden auch gezüchtet. Züchten statt fangen, in Aquakulturen. Diese riesigen schwimmenden Käfige gibt es nicht nur vor der Küste Norwegens, sondern rund um den Globus werden seit Jahren industriell Fische gezüchtet, und nicht nur Lachse. In den 90ern kamen die Aquakulturen in Verruf, da durch die Massentierhaltung Krankheiten grassierten und viele Antibiotika benutzt wurde. Gerade der nor wegische Lachs war stark betroffen. Durch technische Weiterentwicklung und Impfungen der Fische konnte bis 2003 der Einsatz von Antibiotika drastisch reduziert werden, und der Atlantiklachs ist seitdem im Fisch- und Kühlregal wieder salonfähig geworden. 600‘000 Tonnen
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m Aquarium am Ende des Tiergeschäfts in der 86. Straße mitten in New York tänzelt ein Fisch in sei nem Becken. Er schimmert leicht bläulich, beinahe als würde er von selbst leuchten. Es erinnert an einen Raver Mitte der 90er mit weißem T-Shirt und Handschuhen unter den UV-Leuchten im Dorian Grey. Bei näherer Betrachtung kann man beobachten, dass der Fisch wegen der Leuchtstoffröhre im Aqarium flu oresziert. Es ist der GloFish®. Der US. pantentierte Fisch trägt das Gen einer nordpazifischen Quallenart, der Aequorea victoria, das ein fluoreszierendes Pro tein produziert. Dieses Gen ersetzt nicht die Zimmerbe leuchtung, sondern entfaltet seine Leuchtkraft am bes ten in einem dunklen Zimmer unter einer UV-Lampe. Die Verkäuferin erklärt, dass dieser Fisch für nur 5.95$ endlich wirkliche Farbenfreude in die Süßwasseraqua rien bringt, was sonst nur den Salzwasseraquarianern vorbehalten war. Nicht schlecht. Der Rest des genetischen Codes ist der eines herkömm lichen Zebrabärblings, eine in Indien und Pakistan vor kommende Süßwasserfischart und weltweit der häufigste Aquariumfisch. Der Unterschied zum GloFish® sind ein paar genetische Modifikationen. Dafür ist der Zebrabär bling ein dankbarer Modellorganismus. Er braucht we nig Platz und verfügt über hervorragende Zuchteigen schaften. Ein Babyfisch ist nach Befruchtung des Eies in nur 5 Tagen selbstständig und auf Nahrungssuche. So können Entwicklungsabläufe, die bei Säugern Jahre dauern, in wenigen Wochen beobachtet werden. Durch die gentechnische Nutzung zählt der Zebrabärbling zu den am besten untersuchten Lebewesen unseres Plane ten. Im Max-Plank-Institut in Tübingen z.B. werden an 400‘000 Exemplaren genetische Grundlagentests durch geführt. In 7‘000 Aquarien werden die Fische gezüchtet, manipuliert und beobachtet. Der 2003 auf dem amerikanischen Markt zugelassene GloFish® ist in einem ähnlichen Institut in Singapur
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entstanden. Dr. Zhiyuan Gong von der Nationalen Uni versität Singapur schaffte es 1999, das Gen der Qualle in das Genom eines Zebrabärblings zu transferieren. Das Ziel, an dem Dr. Gong noch arbeitet, so schreibt er, ist es, einen Fisch zu züchten, der als Reaktion auf Umweltgifte aufleuchtet, wie z.B. bei Schwermetallbela stung. Der erste Schritt war, einen transgenen Fisch zu züchten, bzw. der GloFish® entstand als Nebenprodukt seiner Arbeit. Als Yorktown Technologies vom Neben produkt erfuhren, begannen sie den Fisch in den USA zu vermarkten. 2003 wurde der GloFish®auf dem amerika nischen und taiwanesischen Markt zugelassenen und ist bis heute das einzige legale gentechnisch manipulierte kommerzielle Tier der Welt. Alle im Handel zu kaufen den GloFish® sind, laut offiziellen Stellungnahmen, Nachfahren der genetisch veränderten Elterntiere, die jedem Nachkommen einen individuellen anderen fluo reszierenden Farbton verleihen. Durch weitere Zusätze von Korallen- und Anemonengenen gibt es den GloFish® mittlerweile auch in Starfire Red®®, Electric Green® und Sunburst Orange®. Diese Vielfalt bringt wirklich Farbenfreude ins Süßwasseraquarium und lässt die Her zen der Aquarienbesitzer höher schlagen. Nur nicht in Europa, wo EU-Gesetze verhindern, dass gentechnisch manipulierte Tiere vertrieben werden dür fen. Zum Leidwesen nicht nur der Aquarianer, sondern auch von Yorktown Technologies. Sie verkauften im ers ten Monat nach der Einführung über 100‘000 Stück in den USA. Wenn es um Fisch im allgemeinen geht, sind das aber kleine Zahlen in Europa. 100’000 Lachse produziert Nor wegen in weniger als 2 Tagen. Diese sind noch nicht genetisch manipuliert, aber sie werden auch gezüchtet. Züchten statt fangen, in Aquakulturen. Diese riesigen schwimmenden Käfige gibt es nicht nur vor der Küste Norwegens, sondern rund um den Globus werden seit Jahren industriell Fische gezüchtet, und nicht nur Lachse. In den 90ern kamen die Aquakulturen in Verruf, da durch die Massentierhaltung Krankheiten grassierten und viele Antibiotika benutzt wurde. Gerade der nor wegische Lachs war stark betroffen. Durch technische Weiterentwicklung und Impfungen der Fische konnte bis 2003 der Einsatz von Antibiotika drastisch reduziert werden, und der Atlantiklachs ist seitdem im Fisch- und Kühlregal wieder salonfähig geworden. 600‘000 Tonnen
HOW TO magazine Ausgabe #2
Atlantiklachs produzierte Norwegen im Jahr 2006, bei nahe die Hälfte der weltweiten Nachfrage, die seit 2001 um über 20% gestiegen ist. Mit Aquakulturen dachte man eine mögliche Form ge funden zu haben, um die völlig überfischten Weltmeere zu entlasten – blue Revolution wurde sie genannt. Es wurde in den letzten Jahrzehnten viel an der jungen Technologie gearbeitet. Aus Gründen der Wirtschaft lichkeit und um Aquakulturen in der Öffentlichkeit populärer zu machen, füttert man die Fische in vielen Aquafarmen nicht mehr mit Fischfang aus der direkten Umgebung, sondern füttert mit Pellets, die teilweise aus Getreide bestehen, je nach Fischart mit mehr oder we niger Getreideanteil. Die Pellets für den Lachs vor der norwegischen Küste bestehen etwa zur Hälfte aus Getreide und zur anderen Hälfte aus Fisch. Die Masteffizienz hat sich in den letz ten Jahren stark verbessert, so benötigen norwegische Lachsfarmen nach eigenen Angaben nur noch 1,1 kg Fut ter für 1 kg Lachs. Früher waren das noch 1,5 kg. Zum Vergleich bekommt man 1kg Hühnchen oder Schweine fleisch aus 2 kg bzw. 3 kg Futter. Bei Rind liegt der Wert erheblich höher. Die etwa 600 g Fisch in den Pellets, die man für 1 kg Lachs benötigt, sind Fischreste aus der Fischproduktion. Biomasse, die nicht zum menschlichen Verzehr geeignet ist: Innereien, Gräten, Schup pen, immer häufiger auch Beifang – die Meeresbewoh ner, die nur zufällig in das Netz gehen. Anstatt diese wieder über Bord zu werfen, wobei nur etwa 20% den Aufenthalt an Bord überleben, nutzt man nun diese Bio masse, um mehr Fisch zu produzieren. Wirtschaftlich und effektiv! Man entlastet dadurch aber die Weltmeere nicht. Ein weiteres Problem der Aquafarmen ist, dass sie gar nicht fähig sind, jeden Fisch, der auf unseren Spei sekarten steht, industriell zu züchten. Tunfische, die zu den am meisten gefährdeten Fangfischen zählen, werden immer noch wild gefangen, gemästet und dann geschlachtet. Openwater Aquafarming, das nach der überstandenen Antibiotikakrise in den letzten Jahren verheißungsvoll angepriesen wurde, ist nicht die Lösung für die über fischten Weltmeere. Der Hunger der Menschen auf ge sunden Fisch ist zu groß. Es ist eine junge Technologie, die noch ihre Zeit braucht, um sich zu entwickeln, die sie vom Konsumenten aber nicht bekommt.
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Doch es gibt auch hierfür schon eine verheißungsvolle Lösung, eine noch jüngere Technologie, die mehr als be reit ist einzuspringen – die Gentechnik. Sie hat den Ze brabärbling zum Leuchten gebracht, und den Atlantik lachs will sie wachsen lassen. Die Firma Aqua Bounty, mit Hauptsitz in Boston, steht mit der AquAdvantage™ in den Startlöchern. 1982 haben sie angefangen daran zu forschen, seit 1999 wartet die Firma auf die Zulassung des AquAdvantage™ Salmon . Der transgene Lachs wächst durch manipuliertes Wachstumshormon deut lich schneller als sein wilder Artgenosse. Laut Herstel ler erreicht er das Marktgewicht ein Jahr früher und setzt Futter 10 – 30 % besser in Körpermasse um. Wenn man diese Zahlen umrechnet, könnte man bei gleicher Belastung der Meere an der norwegischen Atlantikküste beinahe doppelt so viel Lachs herstellen. In Boston lehnt man sich zurück, betreibt etwas Lob byismus und wartet auf ein GO. Für Investoren wirbt man mit einer Verdoppelung der Fischproduktion in nerhalb von 2 Jahren und dadurch für die Rettung der Weltmeere, sobald die AquAdvantage™ Produkte end lich zugelassen werden.
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2000 veröffentlichen der Tierwissenschaftler Bill Muir und der Biologe Rick Howard einen Forschungs bericht über die Auswirkung von transgenen Medakas auf den Wildbestand. Der Medaka ist eine kleine Süß wasserfischart, die hauptsächlich in Japan vorkommt. In einem Modellversuch gehen die beiden Forscher da von aus, dass männliche Medakas, die durch ein ma nipuliertes Wachstumshormon gentechnisch verändert wurden, mit der Wildpopulation in Kontakt kommen. Laut Untersuchung wird der gentechnisch veränderte, schneller und größer wachsende männliche Fisch von den weiblichen Fischen des Wildbestands viermal häufi ger als Paarungspartner gewählt als der natürliche Kon trahent. Die Brut der Transgen-Wildgen-Mischung hat aber im Vergleich zur Wildbrut eine um 30 % geringere Chance zu überleben. Eine Simulation errechnet aus den beiden Häufigkeiten, dass die ganze Wildpopulation schon durch die Vermischung mit nur 0,01 % transgener männlicher Medakas nach 40 Generationen aufgrund der reduzierten Überlebensfähigkeit des Nachwuchses aussterben würde. Muir und Howard nennen dies die Trojanische-Gen-Hypothese. Ein Jahr später kommt eine Studie der Royal Society of Canada zum gleichen Ergebnis. Die Aqua Bounty fühlt sich und Aqu Ava nta ge™ angegriffen und erwirkt 2002 einen offenen Brief von Muir an die Aqua Bounty, in dem er schreibt, dass man vom Modellcharakter seines Experiments mit Me dakas nicht davon ausgehen kann, dass es 1 zu 1 auf den AquAdvantage™Salmon übertragbar sei, (der in Muirs Studie nie erwähnt wurde, Anmerk. d. Red.). Fer ner schreibt er, dass der Effekt des Trojanischen Gens nur im Modellcharakter auftauchte und dass in freier Wildbahn noch weitere Faktoren hinzukommen, wie na türliche Feinde und verändertes Fluchtverhalten, Para siten usw. Somit könne man nicht mit Sicherheit sagen, dass der Effekt dort überhaupt auftritt. Muir stimmt zu, dass transgene Fische und der Verzehr von transgenen Fischen keine Gefahr für die Umwelt oder für den Men schen darstellen und dass transgene Fische eine Hilfe bei der Welternährung sein werden. Er vermerkt jedoch, er sei ein etablierter Forscher, aber dieser Brief sei kein Forschungsbericht und bestätige daher nicht die Unge fährlichkeit von transgenen Fischen. Aqua Bounty geht auf ihrer Webseite heute noch auf die Fragen um das Trojanische Gen bei den FAQs ein: »Muir und Howard, die Forscher der Purdue Universitäts, die die Trojanische Gen Hypothese aufstellten, forschten nicht am advanced hybrid salmon. Sie entwickelten ein mathematisches Modell, dass sich auf das Verhalten des
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japanischen Medaka bezog, ein kleiner Süßwasserfisch, der in 56 Tagen geschlechtsreif ist und sich bis zu seinem Tode fortpflanzt. Lachs hingegen braucht drei, fünf oder bis zu zehn Jahre, bis er geschlechtsreif ist, und die meisten pflanzen sich nur einmal fort. Sterile Lachse pflanzen sich gar nicht fort.« Der Medaka ist kein Lachs, und dieser laicht höchs tens drei Mal in seinem Lebenszyklus. Wobei nur 10 % der Lachse zweimal laichen und weniger als 0,1 % drei mal. Somit gibt es einige große Fortpflanzungsunter schiede zwischen den Spezies. Muir oder Howard gingen bei ihrem Modellversuch mit anschließender mathema tischer Hochrechnung nicht davon aus, dass man es 1 zu 1 auf die freie Wildbahn umsetzen kann. Es gibt viele Faktoren, die man nicht genau vorhersagen kann. Beispielsweise kann nicht gesagt werden, ob die transge nen Tiere, evtl. durch größere Körpermassen, schneller Beute von natürlichen Feinden werden oder ob die Größe sie auf einmal interessanter für andere Jäger macht. Man kann unmöglich alle Eventualitäten und Möglich keiten in dem komplexen Nahrungskettengeflecht der Ozeane vorhersagen. Was das Experiment aber zeigt, ist, dass im Gegensatz zu allen herkömmlichen Schadstof fen, die der Mensch in die Umwelt gelangen lässt, gen technische Verschmutzung sich mit der Zeit exponiert und nicht wie beispielsweise radiaktive Isotopen sich zersetzt. Gene reproduzieren sich. Der AquAdvantage™Salmon birgt ein Riskio, auch wenn AquaBounty das gerne seinen Investoren ver schweigt. Aus Aquakulturen gelangen immer wieder Zuchtfische in die freie Wildbahn. 2003 berichtet der Economist über als einer Million gezüchtete atlantische Lachse, die schätzungsweise seit 1993 in die freie Wild bahn gelangt sind, und schreibt »Es gibt Fjorde in Norwegen, da sind 90% der Population Zuchttiere aus Farmen.« Was passiert, wenn tausende transgener Lachse jährlich in die Wildnis gelangen? Lachse, die schneller wachsen und mehr Körpergewicht haben, aber auch in kürzerer Zeit mehr fressen und Lachse sind keine Pflanzenfresser. Ob es zur Kreuzung zwischen AquAdvantage™Salmon und der Wildspezies kommt, ist ungewiss. Aqua Bounty bestreitet es, da »all ihre weiblichen Gentiere steril sind«. Dies geschieht, indem befruchtete Eier mit einem En zym behandelt werden. Um Kosten zu sparen, wird das Enzym in einen riesigen Tank mit Millionen von Eiern gegeben in der Hoffnung, dass alle Eier mit dem Enzym
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Atlantiklachs produzierte Norwegen im Jahr 2006, bei nahe die Hälfte der weltweiten Nachfrage, die seit 2001 um über 20% gestiegen ist. Mit Aquakulturen dachte man eine mögliche Form ge funden zu haben, um die völlig überfischten Weltmeere zu entlasten – blue Revolution wurde sie genannt. Es wurde in den letzten Jahrzehnten viel an der jungen Technologie gearbeitet. Aus Gründen der Wirtschaft lichkeit und um Aquakulturen in der Öffentlichkeit populärer zu machen, füttert man die Fische in vielen Aquafarmen nicht mehr mit Fischfang aus der direkten Umgebung, sondern füttert mit Pellets, die teilweise aus Getreide bestehen, je nach Fischart mit mehr oder we niger Getreideanteil. Die Pellets für den Lachs vor der norwegischen Küste bestehen etwa zur Hälfte aus Getreide und zur anderen Hälfte aus Fisch. Die Masteffizienz hat sich in den letz ten Jahren stark verbessert, so benötigen norwegische Lachsfarmen nach eigenen Angaben nur noch 1,1 kg Fut ter für 1 kg Lachs. Früher waren das noch 1,5 kg. Zum Vergleich bekommt man 1kg Hühnchen oder Schweine fleisch aus 2 kg bzw. 3 kg Futter. Bei Rind liegt der Wert erheblich höher. Die etwa 600 g Fisch in den Pellets, die man für 1 kg Lachs benötigt, sind Fischreste aus der Fischproduktion. Biomasse, die nicht zum menschlichen Verzehr geeignet ist: Innereien, Gräten, Schup pen, immer häufiger auch Beifang – die Meeresbewoh ner, die nur zufällig in das Netz gehen. Anstatt diese wieder über Bord zu werfen, wobei nur etwa 20% den Aufenthalt an Bord überleben, nutzt man nun diese Bio masse, um mehr Fisch zu produzieren. Wirtschaftlich und effektiv! Man entlastet dadurch aber die Weltmeere nicht. Ein weiteres Problem der Aquafarmen ist, dass sie gar nicht fähig sind, jeden Fisch, der auf unseren Spei sekarten steht, industriell zu züchten. Tunfische, die zu den am meisten gefährdeten Fangfischen zählen, werden immer noch wild gefangen, gemästet und dann geschlachtet. Openwater Aquafarming, das nach der überstandenen Antibiotikakrise in den letzten Jahren verheißungsvoll angepriesen wurde, ist nicht die Lösung für die über fischten Weltmeere. Der Hunger der Menschen auf ge sunden Fisch ist zu groß. Es ist eine junge Technologie, die noch ihre Zeit braucht, um sich zu entwickeln, die sie vom Konsumenten aber nicht bekommt.
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Doch es gibt auch hierfür schon eine verheißungsvolle Lösung, eine noch jüngere Technologie, die mehr als be reit ist einzuspringen – die Gentechnik. Sie hat den Ze brabärbling zum Leuchten gebracht, und den Atlantik lachs will sie wachsen lassen. Die Firma Aqua Bounty, mit Hauptsitz in Boston, steht mit der AquAdvantage™ in den Startlöchern. 1982 haben sie angefangen daran zu forschen, seit 1999 wartet die Firma auf die Zulassung des AquAdvantage™ Salmon . Der transgene Lachs wächst durch manipuliertes Wachstumshormon deut lich schneller als sein wilder Artgenosse. Laut Herstel ler erreicht er das Marktgewicht ein Jahr früher und setzt Futter 10 – 30 % besser in Körpermasse um. Wenn man diese Zahlen umrechnet, könnte man bei gleicher Belastung der Meere an der norwegischen Atlantikküste beinahe doppelt so viel Lachs herstellen. In Boston lehnt man sich zurück, betreibt etwas Lob byismus und wartet auf ein GO. Für Investoren wirbt man mit einer Verdoppelung der Fischproduktion in nerhalb von 2 Jahren und dadurch für die Rettung der Weltmeere, sobald die AquAdvantage™ Produkte end lich zugelassen werden.
N ov e m b er 20 07
2000 veröffentlichen der Tierwissenschaftler Bill Muir und der Biologe Rick Howard einen Forschungs bericht über die Auswirkung von transgenen Medakas auf den Wildbestand. Der Medaka ist eine kleine Süß wasserfischart, die hauptsächlich in Japan vorkommt. In einem Modellversuch gehen die beiden Forscher da von aus, dass männliche Medakas, die durch ein ma nipuliertes Wachstumshormon gentechnisch verändert wurden, mit der Wildpopulation in Kontakt kommen. Laut Untersuchung wird der gentechnisch veränderte, schneller und größer wachsende männliche Fisch von den weiblichen Fischen des Wildbestands viermal häufi ger als Paarungspartner gewählt als der natürliche Kon trahent. Die Brut der Transgen-Wildgen-Mischung hat aber im Vergleich zur Wildbrut eine um 30 % geringere Chance zu überleben. Eine Simulation errechnet aus den beiden Häufigkeiten, dass die ganze Wildpopulation schon durch die Vermischung mit nur 0,01 % transgener männlicher Medakas nach 40 Generationen aufgrund der reduzierten Überlebensfähigkeit des Nachwuchses aussterben würde. Muir und Howard nennen dies die Trojanische-Gen-Hypothese. Ein Jahr später kommt eine Studie der Royal Society of Canada zum gleichen Ergebnis. Die Aqua Bounty fühlt sich und Aqu Ava nta ge™ angegriffen und erwirkt 2002 einen offenen Brief von Muir an die Aqua Bounty, in dem er schreibt, dass man vom Modellcharakter seines Experiments mit Me dakas nicht davon ausgehen kann, dass es 1 zu 1 auf den AquAdvantage™Salmon übertragbar sei, (der in Muirs Studie nie erwähnt wurde, Anmerk. d. Red.). Fer ner schreibt er, dass der Effekt des Trojanischen Gens nur im Modellcharakter auftauchte und dass in freier Wildbahn noch weitere Faktoren hinzukommen, wie na türliche Feinde und verändertes Fluchtverhalten, Para siten usw. Somit könne man nicht mit Sicherheit sagen, dass der Effekt dort überhaupt auftritt. Muir stimmt zu, dass transgene Fische und der Verzehr von transgenen Fischen keine Gefahr für die Umwelt oder für den Men schen darstellen und dass transgene Fische eine Hilfe bei der Welternährung sein werden. Er vermerkt jedoch, er sei ein etablierter Forscher, aber dieser Brief sei kein Forschungsbericht und bestätige daher nicht die Unge fährlichkeit von transgenen Fischen. Aqua Bounty geht auf ihrer Webseite heute noch auf die Fragen um das Trojanische Gen bei den FAQs ein: »Muir und Howard, die Forscher der Purdue Universitäts, die die Trojanische Gen Hypothese aufstellten, forschten nicht am advanced hybrid salmon. Sie entwickelten ein mathematisches Modell, dass sich auf das Verhalten des
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japanischen Medaka bezog, ein kleiner Süßwasserfisch, der in 56 Tagen geschlechtsreif ist und sich bis zu seinem Tode fortpflanzt. Lachs hingegen braucht drei, fünf oder bis zu zehn Jahre, bis er geschlechtsreif ist, und die meisten pflanzen sich nur einmal fort. Sterile Lachse pflanzen sich gar nicht fort.« Der Medaka ist kein Lachs, und dieser laicht höchs tens drei Mal in seinem Lebenszyklus. Wobei nur 10 % der Lachse zweimal laichen und weniger als 0,1 % drei mal. Somit gibt es einige große Fortpflanzungsunter schiede zwischen den Spezies. Muir oder Howard gingen bei ihrem Modellversuch mit anschließender mathema tischer Hochrechnung nicht davon aus, dass man es 1 zu 1 auf die freie Wildbahn umsetzen kann. Es gibt viele Faktoren, die man nicht genau vorhersagen kann. Beispielsweise kann nicht gesagt werden, ob die transge nen Tiere, evtl. durch größere Körpermassen, schneller Beute von natürlichen Feinden werden oder ob die Größe sie auf einmal interessanter für andere Jäger macht. Man kann unmöglich alle Eventualitäten und Möglich keiten in dem komplexen Nahrungskettengeflecht der Ozeane vorhersagen. Was das Experiment aber zeigt, ist, dass im Gegensatz zu allen herkömmlichen Schadstof fen, die der Mensch in die Umwelt gelangen lässt, gen technische Verschmutzung sich mit der Zeit exponiert und nicht wie beispielsweise radiaktive Isotopen sich zersetzt. Gene reproduzieren sich. Der AquAdvantage™Salmon birgt ein Riskio, auch wenn AquaBounty das gerne seinen Investoren ver schweigt. Aus Aquakulturen gelangen immer wieder Zuchtfische in die freie Wildbahn. 2003 berichtet der Economist über als einer Million gezüchtete atlantische Lachse, die schätzungsweise seit 1993 in die freie Wild bahn gelangt sind, und schreibt »Es gibt Fjorde in Norwegen, da sind 90% der Population Zuchttiere aus Farmen.« Was passiert, wenn tausende transgener Lachse jährlich in die Wildnis gelangen? Lachse, die schneller wachsen und mehr Körpergewicht haben, aber auch in kürzerer Zeit mehr fressen und Lachse sind keine Pflanzenfresser. Ob es zur Kreuzung zwischen AquAdvantage™Salmon und der Wildspezies kommt, ist ungewiss. Aqua Bounty bestreitet es, da »all ihre weiblichen Gentiere steril sind«. Dies geschieht, indem befruchtete Eier mit einem En zym behandelt werden. Um Kosten zu sparen, wird das Enzym in einen riesigen Tank mit Millionen von Eiern gegeben in der Hoffnung, dass alle Eier mit dem Enzym
HOW TO magazine Ausgabe #2
in Kontakt kommen. Neutrale Forscher, wie der Mole kularbiologe Bob Devlin vom staatlichen Fischereilabor in West Vancouver, bestätigen, dass man nicht 100 % si cher sein kann, dass jeder der aus den Millionen Eiern schlüpfenden Fische wirklich steril ist. Die Folgen, die in Freiheit gelangte Zuchtlachse, trans gen oder nicht, jetzt schon für den Wildbestand und die Weltmeere haben, ist nicht abzusehen. Unabhängige Stu dien sind selten, und die weltumfassende Nahrungskette ist so komplex, dass es beinahe unmöglich ist, genaue Vorhersagen zu treffen. Da bleibt uns nur, mit den Kon sequenzen leben zu lernen. Man braucht kein Spezialist in Aquafarming oder Gen technik zu sein, um zu erkennen, dass unser Fischkon sum das Problem ist. Wir verbrauchen zu viel Fisch, und die Industrie versucht, die Nachfrage so kostengünstig wie möglich zu decken. Das deutsche Konsumverhalten ist so preisbewusst, dass der Konsument immer effek tivere Produktionsmethoden von den Herstellern ver langt. Der Schnäppchenwahn in deutschen Haushalten treibt die Produzenten in jeder Branche ans Limit. Um die Preise senken zu können oder zu halten – also um wettbewerbsfähig zu bleiben – muss effektiver produ ziert werden. Bei der Fischereiindustrie muss entweder mehr gefangen oder mehr gezüchtet werden. Die welt weite Überfischung wird zum langsamen, aber sicheren Erliegen des Wildfangs führen. Ein Prozess, der schon begonnen hat. Das übt mehr und mehr Produktions druck auf Aquakulturen aus, die wiederum Druck auf Regierungen und Behörden ausüben, und früher oder später muss – der besseren Produktivität wegen – nach gegeben werden, und der AquAdvantage™ Salmon bekommt grünes Licht. Es ist der Konsument, der durch sein preisorientier tes Einkaufen Massentierhaltung fordert, die Weltmeere leerfischt und den Regenwald abholzt, um darauf Soja oder Tomaten anzupflanzen. Er ist es, der die Markt wirtschaft am Laufen hält und durch Preiskämpfe Re gierungen zwingt, gentechnisch veränderte Produkte zuzulassen, die sicher nicht zum Wohle der Mensch heit entwickelt werden, sondern um dem westlichen und bald auch asiatischen Standard – der Luxusge sellschaft – mehr Konsumauswahl zu einem besseren Preis zur Verfügung zu stellen. Wie auch im Aquarium in der 86. Straße. Doch der GloFish® bekommt sicher kein Biosiegel oder Dolphin Save Stempel und verleiht
HOW TO food
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dem Konsumenten auch nicht das Gefühl, mit dem Kauf etwas Gutes getan zu haben. Man hat damit nicht ein mal einem Tier ein besseres Leben ermöglicht, weil es streng genommen gar nicht existieren würde, wenn der Konsument es nicht gewollt hätte. Der GloFish®® ist ein nutzloses Lebewesen, geboren aus dem Kapitalismus und gentechnisch geformt für den Konsum. Er ist ein Symbol und wird ein Präzedenzfall werden, wenn es demnächst wieder ernsthaft darum gehen wird gentech nisch veränderte Nutztiere zuzulassen. Doch bis dahin bleibt er nur eine weitere Ware für das Aquarium um unsere Nachfrage zu befriedigen. Da kann der GloFish® nur zappeln und unter seiner UV-Lampe leuchten. Ihm geht’s gut, er kann am wenigsten dafür
N ov e m b er 20 07
Nürnberg, aus der Serie »Metzgers Freunde« von Kilian Krug
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HOW TO magazine Ausgabe #2
in Kontakt kommen. Neutrale Forscher, wie der Mole kularbiologe Bob Devlin vom staatlichen Fischereilabor in West Vancouver, bestätigen, dass man nicht 100 % si cher sein kann, dass jeder der aus den Millionen Eiern schlüpfenden Fische wirklich steril ist. Die Folgen, die in Freiheit gelangte Zuchtlachse, trans gen oder nicht, jetzt schon für den Wildbestand und die Weltmeere haben, ist nicht abzusehen. Unabhängige Stu dien sind selten, und die weltumfassende Nahrungskette ist so komplex, dass es beinahe unmöglich ist, genaue Vorhersagen zu treffen. Da bleibt uns nur, mit den Kon sequenzen leben zu lernen. Man braucht kein Spezialist in Aquafarming oder Gen technik zu sein, um zu erkennen, dass unser Fischkon sum das Problem ist. Wir verbrauchen zu viel Fisch, und die Industrie versucht, die Nachfrage so kostengünstig wie möglich zu decken. Das deutsche Konsumverhalten ist so preisbewusst, dass der Konsument immer effek tivere Produktionsmethoden von den Herstellern ver langt. Der Schnäppchenwahn in deutschen Haushalten treibt die Produzenten in jeder Branche ans Limit. Um die Preise senken zu können oder zu halten – also um wettbewerbsfähig zu bleiben – muss effektiver produ ziert werden. Bei der Fischereiindustrie muss entweder mehr gefangen oder mehr gezüchtet werden. Die welt weite Überfischung wird zum langsamen, aber sicheren Erliegen des Wildfangs führen. Ein Prozess, der schon begonnen hat. Das übt mehr und mehr Produktions druck auf Aquakulturen aus, die wiederum Druck auf Regierungen und Behörden ausüben, und früher oder später muss – der besseren Produktivität wegen – nach gegeben werden, und der AquAdvantage™ Salmon bekommt grünes Licht. Es ist der Konsument, der durch sein preisorientier tes Einkaufen Massentierhaltung fordert, die Weltmeere leerfischt und den Regenwald abholzt, um darauf Soja oder Tomaten anzupflanzen. Er ist es, der die Markt wirtschaft am Laufen hält und durch Preiskämpfe Re gierungen zwingt, gentechnisch veränderte Produkte zuzulassen, die sicher nicht zum Wohle der Mensch heit entwickelt werden, sondern um dem westlichen und bald auch asiatischen Standard – der Luxusge sellschaft – mehr Konsumauswahl zu einem besseren Preis zur Verfügung zu stellen. Wie auch im Aquarium in der 86. Straße. Doch der GloFish® bekommt sicher kein Biosiegel oder Dolphin Save Stempel und verleiht
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dem Konsumenten auch nicht das Gefühl, mit dem Kauf etwas Gutes getan zu haben. Man hat damit nicht ein mal einem Tier ein besseres Leben ermöglicht, weil es streng genommen gar nicht existieren würde, wenn der Konsument es nicht gewollt hätte. Der GloFish®® ist ein nutzloses Lebewesen, geboren aus dem Kapitalismus und gentechnisch geformt für den Konsum. Er ist ein Symbol und wird ein Präzedenzfall werden, wenn es demnächst wieder ernsthaft darum gehen wird gentech nisch veränderte Nutztiere zuzulassen. Doch bis dahin bleibt er nur eine weitere Ware für das Aquarium um unsere Nachfrage zu befriedigen. Da kann der GloFish® nur zappeln und unter seiner UV-Lampe leuchten. Ihm geht’s gut, er kann am wenigsten dafür
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Nürnberg, aus der Serie »Metzgers Freunde« von Kilian Krug
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Berlin, aus der Serie ÂťMetzgers FreundeÂŤ von Kilian Krug
von Mike Kroiss
Wie der Kasperl zu Trinken anfing und es zum Glück ganz schnell wieder sein ließ.
M
ike Kroiss, gebürtiger Münchner, wohnhaft in greifbarer Nähe zur berühmtesten Wies‘n der Welt und selbst mal wie einst Obelix in den Bierkes sel gefallen, hat seither Trinkverbot vom bayerischen Zaubertrank, aber immer noch Durst. Seines Zeichens Werber, angehender Schriftsteller und Mitglied der Graf von Pocci* Gesellschaft , spekuliert Mike Kroiss für HOW TO über das Trinkverhalten der Bayern und den Durst vom Rest der Welt. Spekulationsgrundlage: Eine eigens von ihm und für diesen Zweck erdachte Kasper legeschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und Völkern sind wahrscheinlich nicht zufällig. Ob die Ge schichte jetzt aber wahr ist, sich jemals so zugetragen hat, weiß keiner so genau. Aber sein könnt es ja schon. * Graf von Pocci (München 1807 – 1876) ist als Schöpfer von über 40 Puppenko
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mödien rund um den Kasperl Larifari bis heute berühmt. Der »Kasperlgraf« hatte als hoher Hof beamter aber auch Anteil am vielfältigen gesellschaft lichen und literarischen, musikalischen und bildkünstlerischen Leben unter drei bayerischen Königen, nämlich Ludwig I., Max II., und Ludwig II. In seinen Tausenden von Karikaturen spiegelt sich die geistige Physiognomie Münchens wider, in seinen Zeichnungen und Aquarellen das Antlitz seiner bayerischen Heimat. Besondere Liebe zu den Kindern spricht aus der Fülle seiner Bilderbücher, Illustrationen, Lieder und Gedichte für das kleine Volk. Siehe auch www.franzgrafpocci-gesellschaft.de
ie ein jeder weiß, war der Kasperl viel in der Welt unterwegs gewe sen. Zuletzt, bevor er häuslicher wurde, verbrachte er einige Zeit auf der von Sagen umwobenen Insel UIUIUIUI. Eine Insel, die so weit weg liegt, dass außer dem Kasperl und den In sulanern, den UIUIUIUIs, kein Mensch jemals zuvor noch danach dieses Fleckchen Erde betreten hatte. So wusste auch niemand etwas über die dort in frühen Zei ten verbreitete Krankheit, die angeblich von dem selte nen, aber ganz grauenhaften AUWEIOWEI-Bakterium übertragen wurde. Die Insulaner waren im Laufe vieler Jahrhunderte immun gegen dieses seltsame Bakterium geworden, so dass auch niemand mehr sagen konnte, ob es ein Heilmittel gab oder nicht. Der Kasperl hatte zwar viele schaurige Geschichten über dieses AUWEIOWEIBakterium und seine seltsame Krankheit gehört, aber machte sich einfach keine Sorgen oder Gedanken darü ber, ob er selbst krank werden könnte. Der Kasperl war eben ein sehr aufgewecktes und lustiges Kerlchen, das nicht mal wusste, wie man Sorgen schreibt. Bis zum Tag seines Abschieds von UIUIUIUI und den UIUIUIUIs war der Kasperl auch kerngesund und freute sich auf der lan gen Heimreise auf sein Zuhause und erinnerte sich an die lustigen Zeiten mit den UIUIUIUIs, die so leicht zu begeistern waren und dabei ihr berühmtes »UIUIUIUI« schnatterten.
HOW TO food
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Wieder daheim, hatten dem Kasperl seine Freunde eine große Willkommensfeier im Wirtshaus seines Dorfes organisiert. Alle waren sie da: Der Pfarrer und seine Magd, der Bürgermeister mit Gattin, der Oberleh rer mit seinem Münchner Gspusi, der Dorfarzt mit sei ner kranken Schwester, viele befreundete Burschen aus dem hiesigen Trachtenverein und natürlich die schönen und nicht so schönen Damen vom Gesangsverein. Und weil eben noch niemand von denen auf UIUIUIUI war, hatte der Kasperl sehr viel zu erzählen. Und wie das so ist bei Festen im Wirtshaus, wo sehr viel erzählt wird, wurde da auch sehr viel getrunken. Auch der Kasperl, der sich bis dahin an Kracherl, Milch, Wasser oder die fruchtigen Säfte der UIUIUIUIs gehalten hatte, fand Geschmack an Hopfen und Malz. Und weil der Kas perl dachte, er könne das Bier genauso wegtrinken wie Kracherl, Milch, Wasser oder die fruchtigen Säfte der UIUIUIUIs, kam es zu später Stunde, wie es kommen musste. Sternhagelvoll mit einem lauten UIUIUIUI krachte der Kasperl am Stammtisch vom Stuhl, so dass die Damen vom Gesangsverein in C-Dur zu Kreischen anfingen, der Dorfarzt nicht mehr ganz nüchtern »Der is voi wia a Haubitzn« diagnostizierte und vier etwas leichter angetrunkene Burschen vom Trachtenverein angesprungen kamen und den Kasperl kurzerhand an allen Vieren packten, um ihn von der Bildfläche ver schwinden zu lassen. Schwankend und wankend trugen sie den Kasperl heim, warfen ihn ins Bett und machten sich schnell auf, selbst in die Federn zu kommen. Auch der Rest des heiteren Völkchens verließ nach und nach schnatternd und gackernd, schwankend und wankend das Wirtshaus. Nur der Wirt blieb, räumte den Festsaal auf und freute sich mit einem lauten »UIUIUIUI« über seinen prall gefüllten Geldbeutel.
N ov e m b er 20 07
Am nächsten Morgen, als der Kasperl aufwachte, mit einem riesigen Schädel und einem Brand im Maul, des sen selbst ein Feuerwehrlöschzug nicht hätte Herr wer den können, war das erste was er sagte: »AUWEIOWEI.« Und so tönte es den ganzen Morgen: »AUWEIOWEI, AUWEIOWEI.« Der Kasperl, der zum ersten Mal in sei nem Leben einen Kater hatte und so gar nicht wusste, wie ihm geschah, bekam es plötzlich schwer mit der Angst zu tun: »Hatte er sich etwa auf UIUIUIUI an dem mysteriösen AUWEIOWEI-Bakterium angesteckt? Sollten die grausigen Geschichten der UIUIUIUIs etwa wahr sein, oder was war jetzt eigentlich passiert?« Irgendwie konnte er sich gar nicht mehr so recht erinnern, und um seine Erinnerung aufzufrischen, schlich sich der Kasperl zum Pfarrer, der gleich ums Eck wohnte. Und schon von draußen hörte er das AUWEIOWEI vom Pfarrer. »Jessas na«, dachte sich der Kasperl, »hab ich etwa den Pfarrer angesteckt?« Und so ging er weiter zum Bürgermeister: AUWEIOWEI, dann zum Oberlehrer: AUWEIOWEI, zum Dorfarzt: AUWEIOWEI, und wo der Kasperl auch hin kam, hörte er das selbe Lied: AUWEIOWEI AUWEIOWEI. »Nein, das kann ja gar nicht sein – das ganze Dorf von mir angesteckt.«
Langsam ahnte der Kasperl, was geschehen war, und beendete seine Runde im Wirtshaus, wo alles begonnen hatte. Ohne Gäste saß der Wirt zufrieden vor einem Schweinsbraten mit Knödel, zu dem er ein Kracherl trank. »Mai, Kasperl, host Du an Rausch im Gsicht ghabt gestern!« sprach der Wirt, nachdem er seinen ersten Knödel verputzt hatte. »Aso, jamai, aha a Rausch war des«, stammelte der Kasperl. »Und de andern?« fragte der Kasperl. »Mai, an gscheidn Durst hams halt wieder ghabt, allesamt.« »So so an Durst! Und i hob scho denkt, die hom si des AUWEIOWEI-Bakterium vo de UIUIUIUIs eigfangt«, bemerkte der Kasperl beruhigt und bestellte sich von da an wie früher Kracherl, Wasser oder Milch. Und zu den UIUIUIUIs wollte er auch noch mal –
wegen der fruchtigen Säfte, die sie dort hatten.
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ie ein jeder weiß, war der Kasperl viel in der Welt unterwegs gewe sen. Zuletzt, bevor er häuslicher wurde, verbrachte er einige Zeit auf der von Sagen umwobenen Insel UIUIUIUI. Eine Insel, die so weit weg liegt, dass außer dem Kasperl und den In sulanern, den UIUIUIUIs, kein Mensch jemals zuvor noch danach dieses Fleckchen Erde betreten hatte. So wusste auch niemand etwas über die dort in frühen Zei ten verbreitete Krankheit, die angeblich von dem selte nen, aber ganz grauenhaften AUWEIOWEI-Bakterium übertragen wurde. Die Insulaner waren im Laufe vieler Jahrhunderte immun gegen dieses seltsame Bakterium geworden, so dass auch niemand mehr sagen konnte, ob es ein Heilmittel gab oder nicht. Der Kasperl hatte zwar viele schaurige Geschichten über dieses AUWEIOWEIBakterium und seine seltsame Krankheit gehört, aber machte sich einfach keine Sorgen oder Gedanken darü ber, ob er selbst krank werden könnte. Der Kasperl war eben ein sehr aufgewecktes und lustiges Kerlchen, das nicht mal wusste, wie man Sorgen schreibt. Bis zum Tag seines Abschieds von UIUIUIUI und den UIUIUIUIs war der Kasperl auch kerngesund und freute sich auf der lan gen Heimreise auf sein Zuhause und erinnerte sich an die lustigen Zeiten mit den UIUIUIUIs, die so leicht zu begeistern waren und dabei ihr berühmtes »UIUIUIUI« schnatterten.
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Wieder daheim, hatten dem Kasperl seine Freunde eine große Willkommensfeier im Wirtshaus seines Dorfes organisiert. Alle waren sie da: Der Pfarrer und seine Magd, der Bürgermeister mit Gattin, der Oberleh rer mit seinem Münchner Gspusi, der Dorfarzt mit sei ner kranken Schwester, viele befreundete Burschen aus dem hiesigen Trachtenverein und natürlich die schönen und nicht so schönen Damen vom Gesangsverein. Und weil eben noch niemand von denen auf UIUIUIUI war, hatte der Kasperl sehr viel zu erzählen. Und wie das so ist bei Festen im Wirtshaus, wo sehr viel erzählt wird, wurde da auch sehr viel getrunken. Auch der Kasperl, der sich bis dahin an Kracherl, Milch, Wasser oder die fruchtigen Säfte der UIUIUIUIs gehalten hatte, fand Geschmack an Hopfen und Malz. Und weil der Kas perl dachte, er könne das Bier genauso wegtrinken wie Kracherl, Milch, Wasser oder die fruchtigen Säfte der UIUIUIUIs, kam es zu später Stunde, wie es kommen musste. Sternhagelvoll mit einem lauten UIUIUIUI krachte der Kasperl am Stammtisch vom Stuhl, so dass die Damen vom Gesangsverein in C-Dur zu Kreischen anfingen, der Dorfarzt nicht mehr ganz nüchtern »Der is voi wia a Haubitzn« diagnostizierte und vier etwas leichter angetrunkene Burschen vom Trachtenverein angesprungen kamen und den Kasperl kurzerhand an allen Vieren packten, um ihn von der Bildfläche ver schwinden zu lassen. Schwankend und wankend trugen sie den Kasperl heim, warfen ihn ins Bett und machten sich schnell auf, selbst in die Federn zu kommen. Auch der Rest des heiteren Völkchens verließ nach und nach schnatternd und gackernd, schwankend und wankend das Wirtshaus. Nur der Wirt blieb, räumte den Festsaal auf und freute sich mit einem lauten »UIUIUIUI« über seinen prall gefüllten Geldbeutel.
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Am nächsten Morgen, als der Kasperl aufwachte, mit einem riesigen Schädel und einem Brand im Maul, des sen selbst ein Feuerwehrlöschzug nicht hätte Herr wer den können, war das erste was er sagte: »AUWEIOWEI.« Und so tönte es den ganzen Morgen: »AUWEIOWEI, AUWEIOWEI.« Der Kasperl, der zum ersten Mal in sei nem Leben einen Kater hatte und so gar nicht wusste, wie ihm geschah, bekam es plötzlich schwer mit der Angst zu tun: »Hatte er sich etwa auf UIUIUIUI an dem mysteriösen AUWEIOWEI-Bakterium angesteckt? Sollten die grausigen Geschichten der UIUIUIUIs etwa wahr sein, oder was war jetzt eigentlich passiert?« Irgendwie konnte er sich gar nicht mehr so recht erinnern, und um seine Erinnerung aufzufrischen, schlich sich der Kasperl zum Pfarrer, der gleich ums Eck wohnte. Und schon von draußen hörte er das AUWEIOWEI vom Pfarrer. »Jessas na«, dachte sich der Kasperl, »hab ich etwa den Pfarrer angesteckt?« Und so ging er weiter zum Bürgermeister: AUWEIOWEI, dann zum Oberlehrer: AUWEIOWEI, zum Dorfarzt: AUWEIOWEI, und wo der Kasperl auch hin kam, hörte er das selbe Lied: AUWEIOWEI AUWEIOWEI. »Nein, das kann ja gar nicht sein – das ganze Dorf von mir angesteckt.«
Langsam ahnte der Kasperl, was geschehen war, und beendete seine Runde im Wirtshaus, wo alles begonnen hatte. Ohne Gäste saß der Wirt zufrieden vor einem Schweinsbraten mit Knödel, zu dem er ein Kracherl trank. »Mai, Kasperl, host Du an Rausch im Gsicht ghabt gestern!« sprach der Wirt, nachdem er seinen ersten Knödel verputzt hatte. »Aso, jamai, aha a Rausch war des«, stammelte der Kasperl. »Und de andern?« fragte der Kasperl. »Mai, an gscheidn Durst hams halt wieder ghabt, allesamt.« »So so an Durst! Und i hob scho denkt, die hom si des AUWEIOWEI-Bakterium vo de UIUIUIUIs eigfangt«, bemerkte der Kasperl beruhigt und bestellte sich von da an wie früher Kracherl, Wasser oder Milch. Und zu den UIUIUIUIs wollte er auch noch mal –
wegen der fruchtigen Säfte, die sie dort hatten.
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von Simone Sonnentag
Die Risiken und Folgen sind ungewiss.
B
eim Frühstück streift mein Blick die Zeitung. Ich überfliege einen Artikel über das geplante Gen technik-Gesetz. Wir als fortschrittliche Industrienation können uns im Angesicht der weltweiten Bevölkerungs explosion und des bevorstehenden Klimawandels mit ex tremen Bedingungen für unsere Äcker dieser fortschritt lichen Technologie nicht verschließen. Genmanipulation kann die Eigenschaften der Pflanzen verbessern und sie gegen Trockenheit und Überschwemmungen, Bakte rien oder ähnlichem resistent machen. Pestizide können spezifischer eingesetzt werden, da nur die genmanipu lierte Nutzpflanze das Spritzmittel überleben kann, das Unkraut hingegen vernichtet wird. Zudem soll es auch in Zukunft bei der Standortoffenlegung von Genfeldern bleiben. Der Mindestabstand von 150 Metern zum her kömmlichen Anbau und 300 Metern zum Ökolandbau sind geplant. Und last but not least: Gentechnisch verän derte Lebensmittel sind kennzeichnungspflichtig. Jeder kann also selbst entscheiden, ob er manipulierte Lebens mittel essen möchte oder nicht. Beruhigt drehe ich das Radio an, dabei fällt mein Blick auf die Milchtüte. Gentechnisch unverändert steht da. Ich stutze. Bedeutet das nun: Jede andere Milch ohne diese Aufschrift ist genmanipuliert, selbst wenn eine spezielle Gen-Kennzeichnung fehlt? Ich recherchiere im Internet. In Deutschland müs sen alle Lebensmittel und Zutaten, die vollständig oder anteilig aus gentechnisch verändertem Mais oder Soja hergestellt werden, speziell etikettiert sein. Aber weder Milch, Fleisch, Wurst und Eier sind kennzeichnungs pflichtig, wenn die Tiere genmanipuliertes Futter zu sich genommen haben. Heutzutage sind viele Zusatz stoffe, Enzyme und Aromen gentechnisch verändert, doch eine Kennzeichnung fehlt meistens. Selbst bei Bio produkten sind kleine Gentechnikspuren erlaubt und leider nicht zu verhindern.
HOW TO food
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rund 27 Quadratkilometern angebaut. Dies entspricht bundesweit einem Anteil von 0,15 %. Das scheint zunächst wenig. Doch genmanipulierte Erbmasse wird durch Pol lenflug oder Insekten auch auf herkömmliche Pflanzen übertragen – beim Raps und Mais durch Bienen sogar bis zu 6 Kilometer weit. Übrigens gilt das auch für die Kartoffel. Diese vermehren sich ungeschlechtlich über die Knollen, aber auch geschlechtlich – wenngleich ihre Pollen nicht so weit fliegen wie bei Mais oder Raps. So bald sich die künstlichen Gene in der Saat oder in Wild pflanzen einmal festgesetzt haben, ist dies nicht mehr zu revidieren. Der geplante Mindestabstand ist eine Farce. Die Biobauern in Kanada können heute schon keinen herkömmlichen und schon gar keinen Bio-Raps mehr anbauen. Gehören meine nicht genmanipulierte Milch und andere Bioprodukte also auch bald der Vergangen heit an?
Jetzt will ich es aber genauer wissen: Was ist Gentech nik eigentlich und welche Folgen hat der Einsatz von Gentechnik? Bei der Gentechnik werden Gene in das Erbgut einer Pflanze gebracht mit dem Ziel, deren Ei genschaften positiv zu verändern. Im Gegensatz zur nor malen Züchtung werden hier Artengrenzen ignoriert. So kann man Quallengene in Mäuse transferieren, was auf natürlichem Wege nicht passieren würde. Leider lässt sich die Natur nicht ganz so einfach austricksen. In den USA haben sich die Resistenzen der genmanipulierten Pflanzen auf artverwandte Wildkräuter übertragen. Um diese resistenten Kräuter auf den Feldern nun zu be kämpfen, müssen Pestizide in noch größeren Mengen eingesetzt werden als bisher. Kein Wissenschaftler kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, welche Folgen die Genmanipulation für unsere Gesundheit und Umwelt hat. Es liegen keine Langzeitstudien darüber vor, welche Folgen der Einsatz von genmanipulierten Futtermitteln auf unsere Gesund heit hat. Die genmanipulierte Kartoffelsorte Amflora wird schon in Deutschland angebaut, obwohl nicht klar ist, ob sich ihre Antibiotika-Resistenz möglicherweise auch auf den Menschen überträgt. Insgesamt werden in Deutschland heute schon manipulierte Pflanzen auf
N ov e m b er 20 07
Die Mehrheit der Deutschen ist tendenziell gegen den Einsatz von Gentechnik. Es bleibt die Frage nach der Ur sache: Sind wir generell kritisch gegenüber Neuerungen oder tatsächlich über die unwiderruflichen und unbe kannten Folgen der Gentechnik informiert? Wer wirklich etwas tun möchte, findet wertvolle Infor mationen im Internet unter einkaufsnetz.org . Neben praktischen Tipps findet sich hier der Ratgeber »Essen ohne Gentechnik«, mit einer Liste von Firmen, die zu sichern, auch auf Genpflanzen in ihrem Tierfutter zu verzichten
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HOW TO magazine Ausgabe #2
von Simone Sonnentag
Die Risiken und Folgen sind ungewiss.
B
eim Frühstück streift mein Blick die Zeitung. Ich überfliege einen Artikel über das geplante Gen technik-Gesetz. Wir als fortschrittliche Industrienation können uns im Angesicht der weltweiten Bevölkerungs explosion und des bevorstehenden Klimawandels mit ex tremen Bedingungen für unsere Äcker dieser fortschritt lichen Technologie nicht verschließen. Genmanipulation kann die Eigenschaften der Pflanzen verbessern und sie gegen Trockenheit und Überschwemmungen, Bakte rien oder ähnlichem resistent machen. Pestizide können spezifischer eingesetzt werden, da nur die genmanipu lierte Nutzpflanze das Spritzmittel überleben kann, das Unkraut hingegen vernichtet wird. Zudem soll es auch in Zukunft bei der Standortoffenlegung von Genfeldern bleiben. Der Mindestabstand von 150 Metern zum her kömmlichen Anbau und 300 Metern zum Ökolandbau sind geplant. Und last but not least: Gentechnisch verän derte Lebensmittel sind kennzeichnungspflichtig. Jeder kann also selbst entscheiden, ob er manipulierte Lebens mittel essen möchte oder nicht. Beruhigt drehe ich das Radio an, dabei fällt mein Blick auf die Milchtüte. Gentechnisch unverändert steht da. Ich stutze. Bedeutet das nun: Jede andere Milch ohne diese Aufschrift ist genmanipuliert, selbst wenn eine spezielle Gen-Kennzeichnung fehlt? Ich recherchiere im Internet. In Deutschland müs sen alle Lebensmittel und Zutaten, die vollständig oder anteilig aus gentechnisch verändertem Mais oder Soja hergestellt werden, speziell etikettiert sein. Aber weder Milch, Fleisch, Wurst und Eier sind kennzeichnungs pflichtig, wenn die Tiere genmanipuliertes Futter zu sich genommen haben. Heutzutage sind viele Zusatz stoffe, Enzyme und Aromen gentechnisch verändert, doch eine Kennzeichnung fehlt meistens. Selbst bei Bio produkten sind kleine Gentechnikspuren erlaubt und leider nicht zu verhindern.
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rund 27 Quadratkilometern angebaut. Dies entspricht bundesweit einem Anteil von 0,15 %. Das scheint zunächst wenig. Doch genmanipulierte Erbmasse wird durch Pol lenflug oder Insekten auch auf herkömmliche Pflanzen übertragen – beim Raps und Mais durch Bienen sogar bis zu 6 Kilometer weit. Übrigens gilt das auch für die Kartoffel. Diese vermehren sich ungeschlechtlich über die Knollen, aber auch geschlechtlich – wenngleich ihre Pollen nicht so weit fliegen wie bei Mais oder Raps. So bald sich die künstlichen Gene in der Saat oder in Wild pflanzen einmal festgesetzt haben, ist dies nicht mehr zu revidieren. Der geplante Mindestabstand ist eine Farce. Die Biobauern in Kanada können heute schon keinen herkömmlichen und schon gar keinen Bio-Raps mehr anbauen. Gehören meine nicht genmanipulierte Milch und andere Bioprodukte also auch bald der Vergangen heit an?
Jetzt will ich es aber genauer wissen: Was ist Gentech nik eigentlich und welche Folgen hat der Einsatz von Gentechnik? Bei der Gentechnik werden Gene in das Erbgut einer Pflanze gebracht mit dem Ziel, deren Ei genschaften positiv zu verändern. Im Gegensatz zur nor malen Züchtung werden hier Artengrenzen ignoriert. So kann man Quallengene in Mäuse transferieren, was auf natürlichem Wege nicht passieren würde. Leider lässt sich die Natur nicht ganz so einfach austricksen. In den USA haben sich die Resistenzen der genmanipulierten Pflanzen auf artverwandte Wildkräuter übertragen. Um diese resistenten Kräuter auf den Feldern nun zu be kämpfen, müssen Pestizide in noch größeren Mengen eingesetzt werden als bisher. Kein Wissenschaftler kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, welche Folgen die Genmanipulation für unsere Gesundheit und Umwelt hat. Es liegen keine Langzeitstudien darüber vor, welche Folgen der Einsatz von genmanipulierten Futtermitteln auf unsere Gesund heit hat. Die genmanipulierte Kartoffelsorte Amflora wird schon in Deutschland angebaut, obwohl nicht klar ist, ob sich ihre Antibiotika-Resistenz möglicherweise auch auf den Menschen überträgt. Insgesamt werden in Deutschland heute schon manipulierte Pflanzen auf
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Die Mehrheit der Deutschen ist tendenziell gegen den Einsatz von Gentechnik. Es bleibt die Frage nach der Ur sache: Sind wir generell kritisch gegenüber Neuerungen oder tatsächlich über die unwiderruflichen und unbe kannten Folgen der Gentechnik informiert? Wer wirklich etwas tun möchte, findet wertvolle Infor mationen im Internet unter einkaufsnetz.org . Neben praktischen Tipps findet sich hier der Ratgeber »Essen ohne Gentechnik«, mit einer Liste von Firmen, die zu sichern, auch auf Genpflanzen in ihrem Tierfutter zu verzichten
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clown Ausgabe #3 Anstelle zu bloggen oder auf Myspace Deine Bilder zu posten, setzte Dich mit dem Thema »Clown« auseinander und schicke uns bis zum 4. Februar 2008 Deine Arbeit. Mehr unter: www.howtomag.com des HOW TO magazines
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clown Ausgabe #3 Anstelle zu bloggen oder auf Myspace Deine Bilder zu posten, setzte Dich mit dem Thema »Clown« auseinander und schicke uns bis zum 4. Februar 2008 Deine Arbeit. Mehr unter: www.howtomag.com des HOW TO magazines
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HOW TO magazine Ausgabe #2
von Franziska Becker
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in Knopfdruck und eine halbe Minute später lässt der Poesieautomat unter Geklapper ein neues Ge dicht auf der Anschlagtafel entstehen. Der Poesieauto mat, von Hans Magnus Enzensberger 1974 entworfen, errechnet nach dem Prinzip des programmierten Zu falls Gedichte. In der Gebrauchsanweisung für seinen Automaten schreibt Enzensberger, dass ein Lyrik-Auto mat im Vergleich zu einem Prosa-Automaten eine beson dere Schwierigkeit darstellt, da »ein Maximum an Mannigfaltigkeit, Überraschung, Polysemie und begrenzter Regelverletzung« erfordert wird, so »verstoßen lyrische Texte gegen die semantischen Regeln und erweitern sie zugleich«. Ganz unautomatisch entstehen auf Lebensmittelver packungen Zufallsgedichte, welche die von Enzensber ger genannten Anforderungen spielend erfüllen. Diese Art von Poesie begegnete mir das erste Mal in einer italienischen Tiefkühltrühe; in Form von Pilzravioli, die unter geschutzte Atmosfere verpackt waren, und nicht nur aus frischen eier ta g , sondern auch aus gemurre (Anm. d. Redaktion: vielleicht Gewürze?) beste hen. Als mir im gleichen Supermarkt auch noch Sirup von Glukosio, der lyrische Ausdruck für Glukosesirup, begegnete, war meine Fantasie beflügelt und ich komm nicht mehr drumherum mir einen glücklichen Sirup von Glukosio vorzustellen, ein Adeliger, der von der Farbe ein bisschen der orangenen Aranciata gleicht, auf deren Etikett mir seine Durchlaucht das erste Mal begegnete. Wenn Gedichte im Supermarkt gelesen werden oder während des Löffelns von Frühstücksflocken, passt dann der Begriff Verbraucher nicht besser als Leser, dieser homo prä-consumus, der Inhalte konzentriert aufnimmt? Ich schlage deswegen ein verbraucherge recht einfaches Kategoriensystem mit wenigen Genres vor: Inhaltsstoffe, Verpackungshinweise, Zubereitungs
HOW TO food
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N ov e m b er 20 07
von Franziska Becker
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in Knopfdruck und eine halbe Minute später lässt der Poesieautomat unter Geklapper ein neues Ge dicht auf der Anschlagtafel entstehen. Der Poesieauto mat, von Hans Magnus Enzensberger 1974 entworfen, errechnet nach dem Prinzip des programmierten Zu falls Gedichte. In der Gebrauchsanweisung für seinen Automaten schreibt Enzensberger, dass ein Lyrik-Auto mat im Vergleich zu einem Prosa-Automaten eine beson dere Schwierigkeit darstellt, da »ein Maximum an Mannigfaltigkeit, Überraschung, Polysemie und begrenzter Regelverletzung« erfordert wird, so »verstoßen lyrische Texte gegen die semantischen Regeln und erweitern sie zugleich«. Ganz unautomatisch entstehen auf Lebensmittelver packungen Zufallsgedichte, welche die von Enzensber ger genannten Anforderungen spielend erfüllen. Diese Art von Poesie begegnete mir das erste Mal in einer italienischen Tiefkühltrühe; in Form von Pilzravioli, die unter geschutzte Atmosfere verpackt waren, und nicht nur aus frischen eier ta g , sondern auch aus gemurre (Anm. d. Redaktion: vielleicht Gewürze?) beste hen. Als mir im gleichen Supermarkt auch noch Sirup von Glukosio, der lyrische Ausdruck für Glukosesirup, begegnete, war meine Fantasie beflügelt und ich komm nicht mehr drumherum mir einen glücklichen Sirup von Glukosio vorzustellen, ein Adeliger, der von der Farbe ein bisschen der orangenen Aranciata gleicht, auf deren Etikett mir seine Durchlaucht das erste Mal begegnete. Wenn Gedichte im Supermarkt gelesen werden oder während des Löffelns von Frühstücksflocken, passt dann der Begriff Verbraucher nicht besser als Leser, dieser homo prä-consumus, der Inhalte konzentriert aufnimmt? Ich schlage deswegen ein verbraucherge recht einfaches Kategoriensystem mit wenigen Genres vor: Inhaltsstoffe, Verpackungshinweise, Zubereitungs
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anleitungen. Diese Genres gibt es in den übergeordneten Kategorien nahezu aller Sprachübersetzungsmöglich keiten, z.B. italienisch-deutsch, französisch-deutsch, englisch-deutsch.
Hier ein genreübergreifendes Gedicht aus der Kategorie englisch-deutsch:
Ein kurzes dadaistisches Gedicht vom Vietnamesen an der Ecke geht so:
Diese Pizza
»Lollo rotto*«
(statt Lollo rosso.) [*=verrottet]
ist aus den Ingredienzen der höchsten Qualität vorbereitet Ökologisch schonende Dose Seien Sie klug und machen Recycling Nehmen sie aus der Dose aus Legen sie auf die Untertasse und legen in die vorgewährmte Backröhre ein 350°F/180°C im Fall des Gases die Bezeichnung 4 cca. 5–6 Minuten
Diese Aussage ist zudem interdisziplinär, da die Grenze von der Literatur zur Bildenden Kunst gesprengt wird; dies passiert genau in dem Moment, wo der Händ ler den Lollo biancho in das Fach vom Lollo rosso und den Lollo rosso in das Fach vom Lollo biancho legt.
Wo wachsen die Stilblüten, wer beackert ihre Felder? Um all diese Texte zu ernten, braucht es keine Ma schine. Stilblüten spriessen überall dort, wo die Dring lichkeit besteht, Informationen in andere Sprachen zu übertragen. Das Unregelmäßige, Unebene und bewusst Fehlerhafte, das einer Maschine so schwer beigebracht werden kann, ist uns Menschen eigen. Bei Drum-Com putern heißt der Filter, der das regelmäßige Trommeln aufbricht, nicht umsonst Humanizer. Beg renzt ist diese Regelverletzung, da den Übersetzungen der Eifer zugrunde liegt, alles richtig zu machen, weswegen ja meistens ein Wörterbuch oder ein mangelhaftes Über setzungsprogramm zu Rate gezogen wird. Regeln wer den dann verletzt durch die zufällige Auswahl eines Wortes (aus verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten) und Satzkonstruktionen, die sich der Sprachlogik ent ziehen. Schlußendlich kommen die Texte dann an den Verbraucher durch unkorrigierte Veröffentlichung, er möglicht durch die uns Menschen so eigene Selbstüber schätzung. Aufgrund eben dieser arbeitete ich einmal einen Som mer lang im Büro eines süditalienischen Campingplat zes, über den ich tagtäglich mit deutscher Aussprache auf Italienisch Durchsagen erschallen ließ und Worte verdrehte. Unter dem Namen meiner italienischen Che fin schrieb ich Mails an deutsche Campinginteressierte. Nach einem Monat und den ganzen Mails fühlte sie sich der deutschen Sprache so mächtig, dass sie fröhlich den Text auf diese Tasche bannte, die mich noch immer froh macht:
Kunst Geschmacken Sinne, Dein Urlaub auf die Gotterkuste. Stilblütenfelder für immer
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anleitungen. Diese Genres gibt es in den übergeordneten Kategorien nahezu aller Sprachübersetzungsmöglich keiten, z.B. italienisch-deutsch, französisch-deutsch, englisch-deutsch.
Hier ein genreübergreifendes Gedicht aus der Kategorie englisch-deutsch:
Ein kurzes dadaistisches Gedicht vom Vietnamesen an der Ecke geht so:
Diese Pizza
»Lollo rotto*«
(statt Lollo rosso.) [*=verrottet]
ist aus den Ingredienzen der höchsten Qualität vorbereitet Ökologisch schonende Dose Seien Sie klug und machen Recycling Nehmen sie aus der Dose aus Legen sie auf die Untertasse und legen in die vorgewährmte Backröhre ein 350°F/180°C im Fall des Gases die Bezeichnung 4 cca. 5–6 Minuten
Diese Aussage ist zudem interdisziplinär, da die Grenze von der Literatur zur Bildenden Kunst gesprengt wird; dies passiert genau in dem Moment, wo der Händ ler den Lollo biancho in das Fach vom Lollo rosso und den Lollo rosso in das Fach vom Lollo biancho legt.
Wo wachsen die Stilblüten, wer beackert ihre Felder? Um all diese Texte zu ernten, braucht es keine Ma schine. Stilblüten spriessen überall dort, wo die Dring lichkeit besteht, Informationen in andere Sprachen zu übertragen. Das Unregelmäßige, Unebene und bewusst Fehlerhafte, das einer Maschine so schwer beigebracht werden kann, ist uns Menschen eigen. Bei Drum-Com putern heißt der Filter, der das regelmäßige Trommeln aufbricht, nicht umsonst Humanizer. Beg renzt ist diese Regelverletzung, da den Übersetzungen der Eifer zugrunde liegt, alles richtig zu machen, weswegen ja meistens ein Wörterbuch oder ein mangelhaftes Über setzungsprogramm zu Rate gezogen wird. Regeln wer den dann verletzt durch die zufällige Auswahl eines Wortes (aus verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten) und Satzkonstruktionen, die sich der Sprachlogik ent ziehen. Schlußendlich kommen die Texte dann an den Verbraucher durch unkorrigierte Veröffentlichung, er möglicht durch die uns Menschen so eigene Selbstüber schätzung. Aufgrund eben dieser arbeitete ich einmal einen Som mer lang im Büro eines süditalienischen Campingplat zes, über den ich tagtäglich mit deutscher Aussprache auf Italienisch Durchsagen erschallen ließ und Worte verdrehte. Unter dem Namen meiner italienischen Che fin schrieb ich Mails an deutsche Campinginteressierte. Nach einem Monat und den ganzen Mails fühlte sie sich der deutschen Sprache so mächtig, dass sie fröhlich den Text auf diese Tasche bannte, die mich noch immer froh macht:
Kunst Geschmacken Sinne, Dein Urlaub auf die Gotterkuste. Stilblütenfelder für immer
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von Line Hadsbjerg
Kilimanjaro, Pole-Pole and Deep-fried Jam Sandwiches
HOW TO food
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N ov e m b er 20 07
A
nervous tension was running like electricity amongst our group of 12 climbers, eager and ready to begin what felt like a dangerous expedition to conquer Africa’s highest peak - Mount Kilimanjaro. We were all kitted out in our super hi-tech, breathable, all weather thermal gear, our hiking boots and walking sticks – and of course – each with a good stock of food reserves, which we obsessively guarded and hid from one another out of fear that we might go hungry in the 6 days that lay ahead. Climbing Mount Kilimanjaro, Africa’s highest moun tain, is not just about reaching the top. It is about sur vival and the rites of passage that each climber has to observe to reach the next 1000 meters. The rules that apply on Mount Kilimanjaro are not universal for all mountains above 5.000 meters. It is not about survival of the fittest – because as reality showed us – it was not necessarily the fittest who reached the top. With the first energy bar and power-aid drink still bubbling in our veins we set out in high spirits through lush green vegetation. Monkeys performed as we passed them under a canopy of trees, the digital cameras were already snapping shots of each other, and we all took confident strides eager to reach our first camp for the night. We felt like horses being held back at the bit by our guide. He was an elderly man in his mid-sixties, with
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HOW TO magazine Ausgabe #2
von Line Hadsbjerg
Kilimanjaro, Pole-Pole and Deep-fried Jam Sandwiches
HOW TO food
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nervous tension was running like electricity amongst our group of 12 climbers, eager and ready to begin what felt like a dangerous expedition to conquer Africa’s highest peak - Mount Kilimanjaro. We were all kitted out in our super hi-tech, breathable, all weather thermal gear, our hiking boots and walking sticks – and of course – each with a good stock of food reserves, which we obsessively guarded and hid from one another out of fear that we might go hungry in the 6 days that lay ahead. Climbing Mount Kilimanjaro, Africa’s highest moun tain, is not just about reaching the top. It is about sur vival and the rites of passage that each climber has to observe to reach the next 1000 meters. The rules that apply on Mount Kilimanjaro are not universal for all mountains above 5.000 meters. It is not about survival of the fittest – because as reality showed us – it was not necessarily the fittest who reached the top. With the first energy bar and power-aid drink still bubbling in our veins we set out in high spirits through lush green vegetation. Monkeys performed as we passed them under a canopy of trees, the digital cameras were already snapping shots of each other, and we all took confident strides eager to reach our first camp for the night. We felt like horses being held back at the bit by our guide. He was an elderly man in his mid-sixties, with
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HOW TO magazine Ausgabe #2
tired, gentle eyes and slow heavy steps. “Pole-Pole” he said smiling at us, “slowly-slowly”. He had walked this route and reached the summit of this mountain more times than the years that any of us had been alive. He had seen it all before, and reined us in, told us to keep to the path behind him. We kept close to his heels, trying to push him onwards – it was easy to make the mistake of being over confident while oxygen still filled our lungs and minds. As we arrived in camp – and as it proved to be every night – our tents were set up, warm buckets of water for washing were brought to us, and tea, biscuits and popcorn awaited us within the cozy, cramped shelter of our dining tent. This tent was our communal meeting point. We huddled close to one another, balancing on small tripod chairs, and devoured the meals that the cook creatively presented to us each day. As the altitude increased and the temperature dropped, the chef’s challenge to serve creative meals became increasingly more difficult. Already on the second day the effects of the altitude started to show its dreaded face amongst the group. Our enthusiastic spirits started to subside, the sun beat down on us and scorched the skin, the temperature be gan to drop, and the first headaches blurred the vision and made the reality of our expedition a daunting chal lenge that lay before us. Hope was sought in the unwrapping of chocolate bars and energy syrup that oozed thick and sweet down the
throat, coating the taste buds with sugar. Each day we were issued with packed lunches: sandwiches and boiled eggs. The black-market of trading began, as each started to tire from the sweet taste of energy bars, and began to covet his neighbours boiled eggs and salty nuts. The mountain stood like a distant beacon before us. A powerful symbol of Africa and the vast Serengeti that now lay many miles below us. The bitter cold and alti tude began to rob us of our appetites and strength, as we watched our sure-footed porters pass us, almost at a trot, their heads and shoulders were heavy laden with our luggage, tents, chairs, gas cookers, drinks and - very importantly – our food supplies. The vegetation became scarce and the slopes of the mountain rocky and barren. We continued, onwards and upwards, pole-pole. The bland porridge served each morning began to stick to our throats, although the warm soup served each night was welcomed like an old friend, and warmed our bodies and bellies. They say necessity is the master of invention – and as a cook at 5000+ meters – equipped with little more than a tent, a portable gas cooker, and sub-zero temperatures you had to give the man credit for his ingenuity when he presented us with each meal. And when fresh supplies started to diminish, feeding 12 exhausted climbers (and not to mention the 30+ porters) demanded a great deal of imagination. So when on the night before the summit we were pre sented with deep fried jam sandwiches (*see recipe next page), we all had to take off our hats to pay our respects to the chef for his creativity! We almost all made it to the top. But most importantly, we all made it down again. Looking back there were 2 very important lessons learnt on the slopes of Kilimanjaro:
Recipe: White bread
(preferably 5+ days old)
Bright red jam
(with sugar, flavouring and colouring)
Flour
(used as batter to coat the bread)
Oil
(this can be pre-used for extra flavouring when deep frying)
Altitude
(4.000+ meters above sea level)
1. When faced with life’s obstacles: pole-pole will get you to the finish line. 2. It is all in the presentation! Be creative and you will convince even the most critical audience that a deep-fried jam sandwich deserves 3 stars
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tired, gentle eyes and slow heavy steps. “Pole-Pole” he said smiling at us, “slowly-slowly”. He had walked this route and reached the summit of this mountain more times than the years that any of us had been alive. He had seen it all before, and reined us in, told us to keep to the path behind him. We kept close to his heels, trying to push him onwards – it was easy to make the mistake of being over confident while oxygen still filled our lungs and minds. As we arrived in camp – and as it proved to be every night – our tents were set up, warm buckets of water for washing were brought to us, and tea, biscuits and popcorn awaited us within the cozy, cramped shelter of our dining tent. This tent was our communal meeting point. We huddled close to one another, balancing on small tripod chairs, and devoured the meals that the cook creatively presented to us each day. As the altitude increased and the temperature dropped, the chef’s challenge to serve creative meals became increasingly more difficult. Already on the second day the effects of the altitude started to show its dreaded face amongst the group. Our enthusiastic spirits started to subside, the sun beat down on us and scorched the skin, the temperature be gan to drop, and the first headaches blurred the vision and made the reality of our expedition a daunting chal lenge that lay before us. Hope was sought in the unwrapping of chocolate bars and energy syrup that oozed thick and sweet down the
throat, coating the taste buds with sugar. Each day we were issued with packed lunches: sandwiches and boiled eggs. The black-market of trading began, as each started to tire from the sweet taste of energy bars, and began to covet his neighbours boiled eggs and salty nuts. The mountain stood like a distant beacon before us. A powerful symbol of Africa and the vast Serengeti that now lay many miles below us. The bitter cold and alti tude began to rob us of our appetites and strength, as we watched our sure-footed porters pass us, almost at a trot, their heads and shoulders were heavy laden with our luggage, tents, chairs, gas cookers, drinks and - very importantly – our food supplies. The vegetation became scarce and the slopes of the mountain rocky and barren. We continued, onwards and upwards, pole-pole. The bland porridge served each morning began to stick to our throats, although the warm soup served each night was welcomed like an old friend, and warmed our bodies and bellies. They say necessity is the master of invention – and as a cook at 5000+ meters – equipped with little more than a tent, a portable gas cooker, and sub-zero temperatures you had to give the man credit for his ingenuity when he presented us with each meal. And when fresh supplies started to diminish, feeding 12 exhausted climbers (and not to mention the 30+ porters) demanded a great deal of imagination. So when on the night before the summit we were pre sented with deep fried jam sandwiches (*see recipe next page), we all had to take off our hats to pay our respects to the chef for his creativity! We almost all made it to the top. But most importantly, we all made it down again. Looking back there were 2 very important lessons learnt on the slopes of Kilimanjaro:
Recipe: White bread
(preferably 5+ days old)
Bright red jam
(with sugar, flavouring and colouring)
Flour
(used as batter to coat the bread)
Oil
(this can be pre-used for extra flavouring when deep frying)
Altitude
(4.000+ meters above sea level)
1. When faced with life’s obstacles: pole-pole will get you to the finish line. 2. It is all in the presentation! Be creative and you will convince even the most critical audience that a deep-fried jam sandwich deserves 3 stars
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MacGyver
t Rezep en a n se h
Die Zeiten sind hart für Angus MacGyver. Sein alter Auftraggeber, die Forschungsorganisation und privater Sicherheitsdienst, Phoenix Foundation ist pleite. So wurde aus dem einstigen Vorzeigemitarbeiter ein Vorruheständler am Rande des Prekariats. Einsam und desillusioniert tritt er an zu seiner letzten verzweifelten Schlacht. Der Schlacht um die Liebe eines jungen Mädchens.
Sonntagnachmittag in der Schimmelburg. Der Kater schreit nach Whisky.
in`s b h c i Hey, acGyver. in M auf e LustDinner?
von Vanessa »ZOE« Nikolidakis und Alex Leask
Liebe geht durch den Magen, das ist klar. Denn warum sonst gelten Franzosen als raffinierte Liebhaber und nicht etwa Briten? Eine feine Mahlzeit – im günstigsten Fall selbst zubereitet – ist der schnellste Weg in den Schlüpfer der Angebeteten. Eine Taktik, der nicht nur Du und ich folgen, sondern auch gefallene TV-Helden.
Dichig. t s u a r t Du rufen? Mut anzu auf Dein Abeern bin ich Ess pannt! ges
Skepsis mischt sich bei der schönen Italienerin mit Neugier.
... kurze Zeit später am Fluss.
Sc Schnhünritzen, Messesrenkel, ...
56
diese Da hat mir nerin ie sweete lIticahl Ihre ch gegeben. tatsäm er m u N war. Voll wie ich
57
MacGyver
t Rezep en a n se h
Die Zeiten sind hart für Angus MacGyver. Sein alter Auftraggeber, die Forschungsorganisation und privater Sicherheitsdienst, Phoenix Foundation ist pleite. So wurde aus dem einstigen Vorzeigemitarbeiter ein Vorruheständler am Rande des Prekariats. Einsam und desillusioniert tritt er an zu seiner letzten verzweifelten Schlacht. Der Schlacht um die Liebe eines jungen Mädchens.
Sonntagnachmittag in der Schimmelburg. Der Kater schreit nach Whisky.
in`s b h c i Hey, acGyver. in M auf e LustDinner?
von Vanessa »ZOE« Nikolidakis und Alex Leask
Liebe geht durch den Magen, das ist klar. Denn warum sonst gelten Franzosen als raffinierte Liebhaber und nicht etwa Briten? Eine feine Mahlzeit – im günstigsten Fall selbst zubereitet – ist der schnellste Weg in den Schlüpfer der Angebeteten. Eine Taktik, der nicht nur Du und ich folgen, sondern auch gefallene TV-Helden.
Dichig. t s u a r t Du rufen? Mut anzu auf Dein Abeern bin ich Ess pannt! ges
Skepsis mischt sich bei der schönen Italienerin mit Neugier.
... kurze Zeit später am Fluss.
Sc Schnhünritzen, Messesrenkel, ...
56
diese Da hat mir nerin ie sweete lIticahl Ihre ch gegeben. tatsäm er m u N war. Voll wie ich
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Entschlossenheit... Spr letzticehs
Zur Hauptspeise darf es ruhig was Deftiges sein.
Dein Gebet,
Nemo!
...Dynamik... Im Physikunterricht aufgepasst: die Krümmung der Schwimmbrille bündelt die Kraft der Sonne und entzündet eine Zigarette, denn...
Schuppen ab, filetieren, Grünzeug drunter und schon lecker Räucherforelle an saisonalen Salaten. Merke: Es gibt Situationen, die erfordern es mehr als nur ein Schweizer Offiziersmesser zur Hand zu haben.
... Petri Heil!
... , R KOMM E H
... ohne Rauch kein räuchern.
Entschlossenheit... Spr letzticehs
Zur Hauptspeise darf es ruhig was Deftiges sein.
Dein Gebet,
Nemo!
...Dynamik... Im Physikunterricht aufgepasst: die Krümmung der Schwimmbrille bündelt die Kraft der Sonne und entzündet eine Zigarette, denn...
Schuppen ab, filetieren, Grünzeug drunter und schon lecker Räucherforelle an saisonalen Salaten. Merke: Es gibt Situationen, die erfordern es mehr als nur ein Schweizer Offiziersmesser zur Hand zu haben.
... Petri Heil!
... , R KOMM E H
... ohne Rauch kein räuchern.
20 Minuten später.
Großer Schlachthof Treibe die Rinder durch die lebensecht engen Gatter bis hin zum finalen Bolzenschussgerät. Auswiegen, abtransportieren und der Kreislauf kann von Neuem beginnen. Schweine, Schafe und selbst Pferde (für Salami) können separat bestellt werden.
Maße: 54 x 40,5 x 30,5cm (L x T x H)
und War alles bene er b A . impressionante htiger c ri wenn eristein er, weiSS er Mann A, ppetit in welchen Italienerin dieserch geweckt wirkli hat!
The End.
20 Minuten später.
Großer Schlachthof Treibe die Rinder durch die lebensecht engen Gatter bis hin zum finalen Bolzenschussgerät. Auswiegen, abtransportieren und der Kreislauf kann von Neuem beginnen. Schweine, Schafe und selbst Pferde (für Salami) können separat bestellt werden.
Maße: 54 x 40,5 x 30,5cm (L x T x H)
und War alles bene er b A . impressionante htiger c ri wenn eristein er, weiSS er Mann A, ppetit in welchen Italienerin dieserch geweckt wirkli hat!
The End.
Franziska Becker
Alex Leask
2 x Goldstein
Vanessa »ZOE« Nikolidakis
Grafik-Designerin Leipzig
Grafik-Designer Duo Karlsruhe
Hannes Gräf
Texter & Trinkhallen-Timmälzer Frankfurt
Grafik-Designerin Heidelberg
Simon Roth
Student der Publizistik und Politologie Berlin
Grafik-Design Student Karlsruhe
Fischli & Weiss
Jasmin Sidki
Line Hadsbjerg
Simone Sonnentag
Pia Katzenberger
Betti Trummer
Peter Fischli & David Weiss Künstlerduo Zürich
Autorin Palma de Mallorca
Grafik-Designerin Schweinfurt
Soziologin & Erziehungswissenschaftlerin Frankfurt
Rückseite:
Erziehungswissenschaftlerin Dortmund
Illustratorin Hamburg
Max Kornert
Student der Volkswirtschaften Berlin Rückseite:
Mike Kroiss
Werber & Autor München
Kilian Krug
Grafik-Designer Plural Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten Beiträge, insbesondere durch Vervielfältigung, Verbreitung auch in elektronischer Form, sowie Speicherung in Datenbanksystemen bzw. Inter- oder Intranets ist ohne vorherige Zustimmung unzulässig und straf bar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt
„Before we start“ Erhältlich in den Farben Weiß rot und Braun gelb in den Größen: : XS – L, : S – XL
Haftungsausschluß: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernimmt der Herausgeber keine Haftung für den Wahrheitsgehalt der ausgewählten Beiträge. Auch spiegelt der Inhalt der Beiträge nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder Zusätzliche Nachweise: S. 9, Steak Sandwich, Alex Leask S. 24, S. 25, Berufschulmitschriften, Thomas Michel, Metzgerei Michel, Schweinfurt S. 26, Schlachttag, 2006, Pia Katzenberger S. 31, Bauern, Tansania, 2006, Tim Klinger S.54, S. 57 Kilimandscharo, Tansania, 2006, Tim Klinger S. 61, Großer Schlachthof, Bild: Tim Klinger, Text: Alex Leask
„Bored“ Erhältlich in Braun grün w eiss rot in den Größen: : XS – L, : S – XL
Rückseite:
Alle anderen Fotos oder Illustrationen sind entweder mit Autorenverweis oder als Zitat für künstlerische und / oder satirische Aussagen zu sehen
je für nur:
*
Permanent Mitwirkende
s
Margrit Siebert, Seevetal
„Urlaubsgebiete“
© 2007 bei den Autoren © 2007 beim Herausgeber, Leipzig
Erhältlich in den Farben Weiß grün und Braunw eiss in den Größen: : XS – L, : S – XL
www.howtomag.com HOW TO food
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* Inkl. MwSt., zuzügl. Porto und Verpackung ** Frei von Kinderarbeit, da derzeit keine Kinder in der Redaktion arbeiten
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n+1 ist ein Projekt des HOW TO magazines.
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G
Lektorat
a H ra OW n ti T O er t r e vo da n kt Mi io t g n l ie be d d r er n uc d k t er ! **
Franziska Becker, Kilian Krug, Alex Leask, Jasmin Sidki, Björn Siebert
Dank an: Die Mitarbeiter der flock-in Gmbh speziell Alletto Rothhaar und Sinan Karadas André Grau von der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Dr. Lilian Haberer von Monika Sprüth Philomene Magers Galerie München Jan Kunath von der Rewe Group Vollsortiment national Thomas Jarek von der Galerie Eva Presenhuber Zürich Uwe Hollmichel von der Deutschen Bank Marion Blomeyer von lowlypaper München Matti Dengler von der Karl Dengler GmbH Oberursel Edith Gmeiner von ediths Bizau und Philipp Baier von Heaven Must Wait Palma de Mallorca
Sandhausen www.klinger-kollegen.de
Wiesloch www.flock-in.com
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Palma de Mallorca, Spanien www.heavenmustwait.com
Bizau, Österreich www.ediths.at
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Oberursel www.dengler-online.de
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Willkommen bei Ausgabe # Ausgabe #
magazine, Leipzig
Herausgeber: Tim Klinger, Leipzig Gestaltung und Satz: , Leipzig, meandesign.com Cover-, Karten- und Posterdruck: flock-in GmbH, Wiesloch, flock-in.com Magazindruck: Druckerei Friedrich Pöge e.K., Leipzig Auflage: www.howtomag.com