HOW TO #3 clown

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HOW TO magazine

www.howtomag.com Das kritische Themenmagazin HOW TO clown

ISSN 1864-8614

HOW TO magazine Ausgabe #3

April 2008

Das HOW TO magazine erscheint halbjährlich

Ausgabe #

# Verkaufspreis: 8 € www.howtomag.com


Tim Klinger

Aishah El Muntasser Daniel Sommer Inhaberin der 1. professionellen Spaßagentur Deutschlands, Berlin

Fotograf, München, danielsom mer.eu

Maximilian Geuter

Björn Siebert

Fotograf, München, maxgeuter.com

Jasmin Sidki

ist Doktorandin der Erziehungswissenschaften und pendelt derzeit zwischen Heidelberg, Frankfurt und Leipzig

Inge Bell Journalistin & Aktivistin, Leipzig, ingebell.de

Friso Spoelstra Fotograf, Amsterdam, frisospoelstra.com

Angela Kobelt ist Theaterwissenschaftlerin, arbeitet zur Zeit als Erwachsenenpädagogin und lebt in Leipzig

Sandra Benz Vera Warter Designerin, Mainz

Designerin, München, verawarter.de

Marcus Sidki

Subprime-Kredite-Strukturierer und Doktorand, Heidelberg, Frankfurt, Gießen

Sebastian Klug Texter & Autor, München, sebastianklug.de

Mike Kroiss

Werber & Autor, München, mikekroiss.com

Sabine Skuhra

Hair & Make up Artist, München, sabineskuhra.com «

Illustration von Rosa Pegam

Thomas Satori

Fotograf, Leipzig, bjoern-siebert.de

München

fantastische

Rosa Pegam Illustratorin, Bochum

Mathias Keswani

Jasmin Sidki

München www.saintelmos.com

Texter, Hamburg

Lars Reyer

Leipzig Frankfurt Heidelberg

Autor, Leipzig

Alex Leask

Texter und Trinkhallenautonomer, Frankfurt a. M.

Bizau, Österreich www.ediths.at

Sandhausen www.klinger-kollegen.de

Seevetal

Tilman Glatz Lukas Breitkreutz

Leipzig, dreizweidrei.de

LEKTORAT Margrit Siebert

Berlin

Ingo Linde Leipzig

Alex Leask Frankfurt

Leipzig, bjoern-siebert.de

Das HOW TO magazine erscheint halbjährlich. Nächste Ausgabe HOW TO stalker, Oktober 2008

Grafiker, Heidelberg, mostwantedmag.de

Palma de Mallorca, Spanien www.heavenmustwait.com

Max Hathaway

HOW TO clown Ausgabe #3 ISSN 1864-8614 Herausgeber: Tim Klinger Zschochersche Str. 79b, 04229 Leipzig Gestaltung und Satz: MEAN DESIGN, Leipzig, meandesign.com Posterdruck: Druckcooperative, Karlsruhe, druckcoop.de Poster und »Buchpack«-Veredelung: flock-in GmbH, Wiesloch, flock-in.com Magazindruck: Druckerei Friedrich Pöge e.K., Leipzig Aufl age: 750 Stk.

Grafiker, Heidelberg

Sebastian Moll

freier Journalist,lebt in New York und bei Frankfurt a. M., sebastianmoll.de Wiesloch www.flock-in.com

Ludwigshafen Mannheim

ist in Marseille, Frankreich aufgewachsen und arbeitet als freier Fotograf, spezialisiert auf Reportage- & People- Fotografie, Hamburg, fidelito.de

© 2008 bei den Autoren © 2008 beim Herausgeber, Leipzig www.howtomag.com Alle Rechte vorbehalten. Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten Beiträge, insbesondere durch Vervielfältigung, Verbreitung auch in elektronischer Form, sowie Speicherung in Datenbanksystemen bzw. Inter- oder Intranets ist ohne vorherige Zustim mung unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.

2 x Goldstein

Grafik-Designer Duo, Karlsruhe, 2xgoldstein.de Namen in Reihenfolge des Auftritts. Informationen von den Autoren selbst, ohne Gewähr!

Leipzig, dreizweidrei.de

Leipzig

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Julien Bataillet

Franziska Becker Aishah El Muntasser Susanne Keuschnig Katja Preil Björn Siebert

Oberursel www.dengler-online.de

Haftungsausschluß: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernim mt der Herausgeber keine Haftung für den Wahrheitsgehalt der ausgewählten Beiträge. Auch spiegelt der Inhalt der Beiträge nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wider.

Die Mitarbeiter der flock-in Gmbh speziell Alletto Rothhaar und Sinan Karadas Uwe Hollmichel von der Deutschen Bank Matti Dengler von der Karl Dengler GmbH, Oberursel Edith Gmeiner von ediths, Bizau Philipp Baier von Heaven Must Wait, Palma de Mallorca James Tigger! Ferguson, New York Sonja Grimm, München Vera & Dieter Harsch von der LLC Harsch GmbH, Mannheim Peter Shub, Hannover


*Frei übersetzt nach Dimitris Stück von 1978: »Il Clown è morto, evviva il Clown!«

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Miesepeter, willkommen bei Ausgabe #3 des HOW TO magazine. Auch dieses Mal erwartet Sie ein rauschendes Fest für die Sinne. Machen Sie es sich ruhig schon einmal bequem, Sie halten es bereits in Ihren Händen. Heute werden Sie nur einen unserer speziellen, einzigartigen zirzensischen Künstler sehen – nicht Seiltänzer, Artisten, Äquilibristen, Schlangenmenschen, Jongleure oder Dompteure; keine Messerwerfer, Kunstreiter, Wahrsager, Hungerkünstler, Taschenspieler, Schnell- und Silhouettenschneider, Preisringer, Moritatensänger, Leierkastenleute, Akkordeonspieler, Schnellläufer, Murmeltier-Dresseure; weder Guckkästner noch so genannte Missgeburten: nicht Kleinwüchsige, Haarmenschen oder Riesendamen. Wir präsentieren Ihnen heute allein den König der Unterhaltung – meine Damen und Herren, machen Sie Platz für … den Clown. Sie dachten der sei tot? Da haben Sie gar nicht so Unrecht. Doch für Sie haben wir ihn wieder aus der Bedeutungslosigkeit herausgeholt. Weiß und leblos war er. Doch gleich werden Sie ihn zum neuem Leben erweckt, in den buntesten Facetten, live in der Manege begrüßen dürfen. Schauen Sie noch kurz ins umseitige Programm und dann Applaus für den Kaiser der Kasper, den Lord der Lacher, den einzig Wahren!

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Der Zirkusdirektor und seine Mannschaft freuen sich darauf Sie bei Ausgabe #3 begrüßen zu dürfen.

&

Ein Interview von Aishah El Muntasser mit dem New Yorker Artisten James Tigger! Ferguson, der Erfi nder des Burleske-Strip-Charakters Tiggo! Bebildert von Maximilian Geuter.

Jasmin Sidki folgt den Spuren des Clowns, die tief in die Geschichte und in andere Kulturen zurückgehen.

,Armee Ein Material, das zum größten Teil aus Abfallstoffen besteht und in der militärischen Hospitaltechnik genutzt wurde, fi ndet seinen Weg zum Karneval. Die Geschichte, wie es dann wieder zurück zum Militär kommt, erzählt Angela Kobelt. Sandra Benz und Vera Warter präsentieren Illustrationen.

IN DIESEM HEFT:

das Plakat von 2 x Goldstein; dazu bleibt zu sagen:

„Viel Aberglauben man jetzt braut; Aus Sternen man die Zukun schaut; Ein jeder Narr fe≠ darauf baut.“ Zitat von Sebastian Brant (*1457 – †1521) aus: Das narren schyff / LXV. vö achtung des gestirns. Basel 1494.

Clown mal ganz anders: die Geschichte über eine clownhaft geschminkte pomakische Braut, die sich nach der Hochzeit nicht nur das weiße Gesicht abschminken muss. Ist nicht witzig, aber nun mal so. Von Inge Bell mit Fotos von Friso Spoelstra.

Böse sein leicht

Seite ab Seite Marcus Sidki spricht mit dem republikanischen Skandal-Clown und Lobbyist über Nutten, Geld und einen sehr harten aber ehrlichen Lebensstil .

In 10 Schritten vom netten Kerl zum bösen Clown. Nach einer Idee von Mike Kroiss, von ihm selbst gespielt, von Sabine Skuhra maskiert und von Daniel Sommer abgelichtet.

Anzeigen im HOW TO magazine

Initiiert von Sebastian Klug mit Beiträgen von: Betti Trum mer, Marian Masa, Vera Warter, Vanessa Zoe Nikolidakis, Aishah El Muntasser, Stefi Fuchs, Julia Hundt, Michael Mohr, Moritz Eckert, Patrick Saam, Ronald The, Christa Frings, Christina Leucht, Susen Gehle, Jörg Sappl und natürlich Sebastian Klug


Mathias Keswani über einen kleinen Kreis von Menschen, denen man alles durchgehen lässt und Frank Zappa, der für ihn DER Clown schlechthin ist. Das Ganze illustriert von Rosa Pegam.

Eine beinahe vergessene schulische Präsenz fi ndet seine Renaissance im Fernsehen. Dass es in Wahrheit keine Renaissance, sondern die One Man Show eines Dinosauriers ist, erzählt uns Lars Reyer.

Was macht ein Clown mit einer Rolle Tesafilm?

Dieser Frage gehen Tilman Glatz,

Lukas Breitkreutz, Wolf Müller & Max Hathaway nach.

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Dass sich 2005 in Gleneagles, Schottland, nicht der aktivistische Flügel des Kölner Düxer Clowns e.V. getroffen hat, weiß Alex Leask und erzählt uns, was sich aus dem lustig anmutenden Haufen mit den roten Nasen entwickelt hat.

Ein Interview von Aishah El Muntasser mit dem Starclown Peter Shub über Balance und gesundes Gestörtsein.

Entladung

Ein Artikel von Sebastian Moll über Krumping und Clowning – eine gewaltlose Fortsetzung des Hip Hop in einer universellen Körpersprache.

Björn Siebert über Ronald McDonald, Pennywise sowie weitere bekannte und leider weniger bekannte clowneske Charakter und ihre teils perversen Auftritte.

Ekstase

Wichtiges in Kürze.


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You say you can‘t imagine life without performance. When did you start performing? I can‘t imagine life without performance in part because I can barely remember when I didn‘t perform. I started in Christmas pageants at church when I was 5 years old and never stopped. Being on stage really makes me feel alive, reminds of who I am and what I am doing with my life.

How do you interact with the audience? My interaction with the audience is pretty direct and aggressive. It ranges from ranting on the microphone to stage diving onto them, to leaping out among them and grabbing a face and kissing it.

How do people typically react? Reactions have varied widely over the years. Because I strip in burlesque revues that are primarily female, I‘m used to some straight men in the house getting very uncomfortable when they see me take the stage. I find that I can usually win them over with humor and with balls. If they can laugh, they‘re more comfortable and open to surprises. Several have acknowledged a grudging respect for my having the balls to do things they would never do in a million years. Like making a comedy out of my naked body. The usual audience response is eventually screams and laughter and the occasional “What the fuck … just happened?” They forgive a lot from me because I‘m so willing to make a complete ass of myself.

You‘ve been tagged, among other things, “Performer Most Likely to Get Shut Down by the Law”. What does that tell us about your artistic style – and about the purpose of your performance? 24 years ago my style was called “Search and Destroy”. I‘ll stick with that description. The purpose of my performance is first to entertain, then to surprise and to challenge. But to challenge without any entertainment just doesn‘t work. We‘ve all suffered through those kinds of shows.

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One of your stage characters is “Tiggo! the Traumatized Clown”. What made you choose the clown figure? And why is Tiggo! traumatized?

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“Tiggo! the Traumatized Clown” came about because of a visual artist friend in New York, Mr. Means. He had an art opening and wanted to have performer friends dressed up as clowns in the gallery for the opening, interacting with the patrons. He showed me some random bits of clown gear to choose from. I always look for what is wrong with any of my characters. As soon as I saw the two big right ears, I knew they were for Tiggo. Mr. Means apologized that he didn‘t have right and left ears, but I said, No. This is perfect. Perfectly wrong. The ears led to his hearing problem, which led to his stress and his yelling at random moments (think Tourette‘s syndrome), and to his being jumpy and paranoid. Once I brought him out of the gallery and into nightclubs and strip shows, it just made sense that he had a horror of being touched or even being looked at. At the same time, he has the same needs we all do. Thus his mantra – “Fuck me! Don‘t touch me! Fuck me! Don‘t touch me!” He is a painfully reluctant stripper and awkward go-go dancer. This made sense to me in the New Burlesque where there the focus is almost exclusively on stripping and there is little room for the oldtime clowns and baggy-pants comics. I wondered just how badly a fucked-up clown might cope with being forced to strip because that‘s my world.

What‘s the essence of a clown to you? Clowns are about exaggerations of human emotions and predicaments. All of their emotions are extreme, but they are very real. Their manic happiness, their suicidal melancholy, their mortifying embarrassment … They hold up a mirror to the audience, but it‘s a funhouse mirror – magnifying and distorting real human conditions.

Were you ever traumatized by a clown? I‘ve never felt traumatized by clowns. Some of the Emmett Kelly types used to make me very sad as a kid, but I never minded sadness if it was beautiful. Most little gay boys understand that, whether it‘s old movies or opera or just sad songs on the radio.

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Have you ever had experiences with coulrophobic people? Several audience members have told me how much clowns disturb them or bother them. They usually appreciate that Tiggo! is clearly more freaked out by them than vice versa. But no one has admitted to a genuine coulrophobia. I imagine those people aren‘t likely to come up and chat with the clown after the show.

Phobic feelings left aside, why do you think do many people dislike clowns or, to say the least, feel really uncomfortable in their presence? People are uncomfortable with clowns for a variety of reasons. There is admittedly something odd about the kind of people who choose to do this with their lives. Their extreme looks as well as their extreme emotions. Also, their need for laughter can be intimidating or just depressing to people. I‘m personally fi ne with clowns but very uncomfortable in stand-up comedy clubs. The empathy is just too much for me. I get completely naked on stage all the time, but I use characters. To just get up there as yourself and tell jokes and be so nakedly desperate for laughter? That kind of nakedness makes me cringe.

Where in society is space for the clown? Society needs clowns for its psychological survival. People need to be able to laugh at themselves and should always distrust people who cannot or will not do it. They also need to experience their fears and sorrows and pain in a way that lets them stand apart from them … and laugh at them. Clowns will have to keep changing their drag, just like they always have, but they will always be around.

Tigger! not only fired back at us his answers in a blink of an eye, he also gave his full permission to do with it whatever we wanted to. We would have liked to edit, cut and paste, and manipulate, but the “taboo defying dynamo” is just good like that. Sweet and eloquent. AND he loves Germany. United States, it‘s not too late:

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ndlich ist es raus: Clowns sind nicht witzig. Clowns sind eigentlich eher nervig, wenn nicht sogar zum Fürchten. Das hat gerade zumindest die Sheffield Studie festgestellt, die Kinder im Alter zwischen 4 und 16 Jahren über die optische Gestaltung von Kinderstationen befragte. Danach gruselten sich viele vor den bildhaften Darstellungen der Clowns und wünschten sich lieber Bilder von Comicfiguren oder Fußballspielern an der Wand. Im ersten Moment können viele, wie auch ich, dies sicher bestätigen. Da kommen irgendwelche Typen daher, malen sich bescheuert an und machen schlechte Witze, oft auch auf Kosten anderer. So weit, so gut. Ein kleiner Zweifel, dass diese Meinung vielleicht ein bisschen zu kurzsichtig sei, weckt ein leises Interesse an dieser Gestalt. Und das wirft Fragen auf wie: Was ist das eigentlich - ein Clown? Was steht hinter diesem Begriff? Welcher Sinn und welche Bedeutung stehen damit in Verbindung? Irgendetwas muss es geben, das erklärt, warum die Figur des Clowns in der Philosophie, der Sozialwissenschaft und Ethnologie, wie natürlich auch in der Theater-, Kunst-, Film- und Literaturwissenschaft immer wieder auftaucht. Auch Walter Benjamin und Theodor W. Adorno befassten sich mit der Figur des Clowns. So bezeichnet Benjamin ihn als den »Meister der abstrakten Physis«. Und das Lexikon sagt über den Begriff Clown:

[klaun; englisch, »Tölpel«] Spaßmacher, Hanswurst; ursprünglich die lustige Figur in englischen Bühnenstücken der Shakespearezeit, in der sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts Elemente der englischen Panto-

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mime, der italienischen Harlekinade und der Akrobatik mischten; in Zirkus und Varieté entwickelten sich unterschiedliche Typen, z. B. Sprechclown, Dressurclown, Musikclown. So ist dieser Artikel ein Versuch, den Spuren des Clowns zu folgen und ein bisschen mehr zu erfahren über diese vielfältige und widersprüchliche Figur:

1 Fried (2003), Faszination Clown, S. 22

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Begriffsgeschichtlich hat das Wort Clown verschiedene Ursprünge. Nach einigen Quellen geht der Begriff auf die Manegenkomik zurück. Unter Claude der Bauer gab es im 18. Jahrhundert humoristische Kunstreiterparodien, die das Publikum belustigten. Aus dem französischen Wort für Bauer colon und dem Namen Claude soll durch eine Lautmischung der Begriff claune entstanden sein. Eine erste Reitparodie unter diesem Namen ist auf das Jahr 1817 zu datieren. Es wird angenommen, dass sich hieraus im Englischen das Wort Clown entwickelte, das sich später zu einer Bezeichnung für die Manegenkomiker auch in anderen Sprachen etablierte. Der Begriff colon stammt aus dem Lateinischen von colonus. Eine Wortbedeutung hierfür ist Kolonist, dessen Eigenschaften interessante Assoziationen aufweisen. Denn Neuland entdeckt der, der aus der überschaubaren und gesicherten Gemeinschaft auszubrechen vermag. Das Unbekannte, das Neue findet sich durch das Ausbrechen aus den altbekannten Normen und Regeln, dem Hinterfragen der Werte und Traditionen und dem Bruch mit dem Eigentlichen. Eine weitere etymologische Erklärung des Begriffs Clown weist auf den Ursprung im Theater zur Zeit von Shakespeare hin und teils Früher. Der Begriff Clown stand hier bereits schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts für eine komische Bühnenfigur. Man denke an Shakespeares Sommernachtstraum und die darin auftauchende lustige Truppe von Handwerkern, in Hamlet an die Totengräber oder an den Spaßmacher Lancelot Gobbo im Kaufmann von Venedig. Wieder andere Quellen verweisen auf das spätmittelalterliche England, wobei der Clown als Synonym für eine alltagssprachliche und abfällige Bezeichnung von Personen steht, deren Verhalten nicht den damaligen Vorstellungen entsprach. Im Deutschen ist dies gleichzusetzen mit dem Begriff Tölpel oder Bauerntrampel. Daraus soll sich später der Oberbegriff für Schauspieler entwickelt haben, die auf der Bühne versuchen, durch rüpelhaftes Verhalten Komik gezielt herbeizuführen. Daraus begründet sich die Bezeichnung von Personen, Narren und lustigen Figuren als Clowns auf der Bühne und auch im alltäglichen Leben.

So weit die begriffsgeschichtlichen Ursprünge in Europa. Auch in anderen Kulturen finden sich clowneske Figuren. Doch ist dort die Rolle des Clowns nicht allein die eines Spaßmachers und Komikers, sondern er besitzt auch eine soziale Funktion. Das Infragestellen von Normen, das Durchbrechen von Regeln soll den Blick öffnen für das Andere, das Gegenteilige. Er stellt sich dem Heiligen und Unantastbaren gegenüber. Er steht für den Gegensatz, der ebenso Bestandteil einer gesellschaftlichen Einheit ist. Bei einigen Natur- und Stammesvölkern steht der Clown in Verbindung mit religiösen Ritualen. Chühü’wimkaya nennt man die Clowns der Hopi Indianer. Während der heiligen Tänze sorgen sie für Unruhe und Chaos, indem sie scheinbar den Verlauf des Rituals stören, respektlos das Heilige und Geistige verspotten und sich alle Freiheiten herausnehmen, um zu belustigen und anzuecken. Der Clown der Indianer mit all seinen vielfältigen Erscheinungsformen gilt als Gegenteiler zu den Stammesheiligen. Ihm kommt die Funktion zu, sich der religiösen Ordnung und den heiligen Würdenträgern entgegenzustellen, an der Stammesordnung zu rütteln und Verabsolutierung des Göttlichen entgegenzuwirken, Dabei betont er das Andere und die Wirklichkeit, die nicht nur den Regeln und Bestimmungen der Heiligen und Priester gehorchen. Er verweist das Geistliche auf den Boden der Realität, wendet sich gegen die Allmacht der Religion. Rituale und Zeremonien werden dadurch transparent gemacht. Denn auch sie sind nur von Menschen geschaffen worden. In diesen Kulturen wird Ganzheit durch die gleichzeitige Existenz zweier Pole definiert – Gegensätze bilden eine Einheit, denn Dasein ist immer auch widersprüchlich. Oder anders gesagt: Die Gleichzeitigkeit von Würdevollem und Lächerlichem, von Humor und Ernsthaftigkeit ist die wahre Interpretation von Wirklichkeit. »Bei den Indianern«, so schreibt Anette Fried, »begegnen wir dem Clown in seiner ursprünglichsten Form«1. Er will vor starrer Norm, Routine und Konformismus bewahren und an die Vielfalt und Lebendigkeit des Alltags erinnern. Das Lachen öffnet das Bewusstsein, reinigt und befreit die Seele und das Herz von Angst und Misstrauen. Die historischen Spuren des Clowns lassen sich in Europa weniger bruchlos zurückverfolgen. Der Clown als Gegenteiler zu Heiligem, Herrschaft und religiöser Unberührbarkeit


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viel an Glanz und Zauber verloren. So ist sie zu einem gesitteten Schauspiel geworden, worüber Anette Fried sagt:

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ist in der abendländischen Kultur um 1600 verschwunden. Noch um 1200 fand man während kirchlicher Rituale clowneske Figuren als Bestandteile dieser Prozesse. Auch findet man ihn in den frühmittelalterlichen Mysterienspielen als Darsteller der guten und bösen Seelen Verstorbener wieder, wo er mit seinem weißen Gesicht und roten Haar an die Darstellung des heutigen Clowns erinnert. Doch das narrenhafte Treiben und das spöttische Kratzen an Heiligem und Geistlichem, das Antasten von Tabus und Absolutionen, wurden in der westlichen Religion nicht geduldet und daher gründlich ausgerottet. Der klägliche Rest dieser Tradition ist der heutige Fasching. Da unser kategorisches Denksystem eine Gleichzeitigkeit von Ambivalenzen wie Gut und Böse, Himmel und Hölle, Moral und Trieb, nicht zulässt, bleibt dem eigentlichen Clownsmotiv somit wenig Entfaltungsraum. So verließ der Clown die Bühne der religiösen Zeremonien und wanderte aus zum Theater, in den Zirkus und an die Höfe.

Dort trifft man ihn wieder als Hofnarr und als Narr und komische Figur im Theater, wo es ihm ebenfalls nicht allzu gut erging. Noch in William Shakespeares Dramen ist die Mischung aus Tragik und Komik, Humor und Drama, wie in den mittelalterlichen Spielen zu finden. Doch mit dem so genannten Hanswurst-Verbot wurde die komische Figur 1770 auch aus dem Theater verbannt. Begründet wird das durch die im Zuge der Auf klärung entstandene Trennung von Tragödie und Komödie. Die komische Figur wurde zu einer nicht gern gesehenen rüpelhaften Gestalt und zu niederer Kunst erklärt. Das Widersprechen und Hinterfragen der bestehenden Normen und Werte durch die Darstellungen des Clowns soll den belehrenden und wertgetreuen Spielen auf der Bühne weichen. Der Clown und seine großen Motive des Hinterfragens der bestehenden Regeln, Konformitäten, ja des Herrschenden und Mächtigen, das, was ihn als Anarchisten ausweist, wird hier immer weiter beschnitten. Die Komödie, wie wir sie kennen, hat durch diese Entwicklung

»Am ehesten erinnern noch die schrulligen Typen des Millo­w itsch, Ohnsorg und auf dem Komödienstadl an die lustige Person von einst. Clowns … ? Dazu fehlt auch hier das archaische, naturhafte und anarchische Element, eine urwüchsige Explosivkraft, die sich in Rede, Gebärde, Tanz und Gesang ekstatische Entäußerung verschafft. Witzig sind sie halt, die modernen Spaßvögel, aber von urtümlicher Komik oder gar Humor ist auf neudeutschen Schauspielbühnen und in Boulevardtheatern wenig zu spüren.«2 Doch aller Ausrottungsversuche und Beschneidungen zum Trotz war der Clown nicht totzukriegen. An freien Bühnen, in Gauklertruppen und in Volksbräuchen fand er in den vielfältigsten Figuren Ausdruck. Vom Hanswurst zum Harlekin, von Columbina zu Franceschina und unter noch vielen weiteren Namen lebt die komische Figur weiter. Hier beginnt die Zirkuskarriere des Clowns. Der Vorläufer war, wie zu Beginn schon erwähnt, die Manegenparodie Claude der Bauer, woraus der Name Clown entstand. Ein wesentlicher Eckpfeiler in der Entwicklungsgeschichte des Zirkusclowns ist die Figur des Dummen August, eine Figur kreiert von Tom Belling und berühmt geworden im Zirkus Renz. Daraufhin erscheint Dummer August gemeinsam mit dem Weißclown oft in der Konstellation als komisches Paar. Diese Kombination entspricht einem Duo aus Lehrer und Kind, Dummen und Wissenden. Sie verkörpern Gegensätze, die eine Einheit bilden. Erinnert das nicht stark an das Clownsmotiv der Indianer? Versöhnung der Gegensätze, die Einheit des Seins ist es, was sie symbolisieren. Sodann entstanden weitere vielfältige Formen des Clowns in der Manege wie der Teppichclown, der Zwischenakt-August, Entréeclown, Sprechclown, Akrobatikclown, Tierclown, Exzentrikclown usw., um nur einige zu nennen Doch war die Position des Clowns abhängig von seiner Leistung und den Publikumserfolgen. Die spielerische Kunst des Clowns im Zirkus stand somit unter dem Primat des Ökomischen. Einigen Akteuren gelang es dennoch zu wahren Größen der zirzensischen Manegenkomik zu werden. Zu nennen sind hier Oleg Popow (*1930), die berühmten Fratellini (ca. *1877 – †1961), Joseph Grimaldi (*1799 – †1837), Charlie Rivel (*1896 – †1987) und der große Clown Grock (Adrian Wettach *1880 – †1959), dessen Nummer mit Stuhl und Geige noch heute als »nit möööglich« in Erinnerung ist.

2 Fried (2003), Faszination Clown, S.46

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Reproduktion von Varieté und Zirkus, Ausgabe 1935 » der Haus Bergmann-Zigarettenfabrik Dresden

Weiter geht es auf den Spuren des Clowns mit der Erfindung der bewegten Bilder, des Films, und beginnend mit dem Stummfilm. Komische Figuren aller Art lassen sich in der Stummfilmära und auch noch in den Anfängen des Tonfilms zuhauf finden. Der komische Film – der Slapstick – bringt einige bis heute bekannte Größen hervor. Neben Harry Langdon, Ben Turpin und Harold Lloyd sind das Duo Stan Laurel und Oliver Hardy sowie die skandinavischen Komiker Pat und Patachon große Namen des frühen komischen Films. Natürlich allen voraus ist Charlie Chaplin (*1889 – †1977). Er beeinflusste mit seinen Filmen einige clowneske Darbietungen und große Namen wie Charlie Rivel nannten ihn ihr Vorbild. Chaplin gilt als einer der unangenehmsten und politischsten Filmkomiker, was ihn zu einer Widerstandsfigur machte. Um es in Kurt Tucholsky’s Worte zu fassen, ist Chaplin »wie alle großen Komiker, ein Philosoph« 3. Doch nicht zu vergessen ist auch Buster Keaton (*1896 – †1966), dem, als Gegenpart Chaplin´s, alles schief geht, was schief gehen kann. Auch Karl Valentin (*1882 – †1948) ist in diesen Reihen zu nennen, der als einer der Bitterbösesten unter den Komikern galt. Mit Aufkommen des Tonfilms kommen neue komische Figuren hinzu wie beispielsweise die Marx Brothers, Hans Moser, Jerry Lewis und Jacques Tati. Doch immer mehr verliert der Clown von seinem ursprünglichen Leitmotiv. Die Komödien werden sachlicher, Anstößigkeit wird vermieden. Moralisch vertretbar, aber farb- und leblos, von anarchistischem und archaischem Grundgedanken gesäubert, präsentieren sich die neuen Komiker des Films. Das Aus für den Clown und das Aus für die kritische Filmkomödie. Ab diesem Zeitpunkt verlieren sich die Clownsspuren im Sande.

Vereinzelt trifft man noch auf manch einen großen Akteur wie den Clown Dimitri, der bis heute erfolgreicher Solist ist und seine eigene Clownsschule in Verscio betreibt. Auch der Clown Galetti ist mit seiner Seilkunst ein grandioser Exzentrik- und Akrobatikclown. Doch eine wiederbelebende Bewegung der Clownskultur ist nicht in Sicht. Ein zunächst erfolgversprechend aussehender Versuch dieser Art waren die Clown-Power-Bewegung und das Fool-Theater initiiert durch Jango Edwards. Die Figur des Clowns erschien hier, befreit aus Manege und Beschränkungen durch die Bühne, als eine eigenständige Disziplin in einem freien Theatergeschehen. Leider wurden die Hoffnungen auf eine große Renaissance des Clowns zerschlagen. Zum einen da sich der Wirkungskreis nur auf eine bestimmt Fan-Gemeinde beschränkte, zum anderen da der enorme Andrang, gleich einer Modewelle, zu Unübersichtlichkeiten von Darstellern und Konzeptionen sowie zu unprofessionellen Aktionen führte. Auch das Fool-Theater wurde eher zu einem Freak-Theater, »in welchem der Freak-Zuschauer sich

von seinem Freak-Clownsidol in seinen Vorurteilen bestätigen lässt« und somit eher reaktionistisch und mit aufgesetztem Anarchismus erscheint.4 Mit dem Fall der Clown-Power-Bewegung Ende der siebziger Jahre blieb die Profession des Clowns in einer Krise zurück. Einige wenige Akteure wagen den Versuch einer Wiederbelebung der Clownskultur und Initiierung eines zeitgemäßeren Clowntypus, doch bis heute ist sein wahres Bild verwischt und eine Fortsetzung des Weges des Clowns wurde noch nicht geleistet.

3 Tucholsky (1922), der berühmteste Mann der Welt, in: Wiegand, W., S.36 – 40

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4 vgl. Fried, (1993), Identität und Humor, S.83


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In Anbetracht dieser Entwicklung wundert es nicht, dass der Clown für tot erklärt wurde. Der Clown Dimitri konzipierte 1978 das Stück Il clown é morto, e viva il clown und in dem TV-Film von Federico Fellini I clowns, wird ebenfalls der Tod des Clowns dargestellt. Das, was uns heute auf Bildern, in Unterhaltungsshows und anderen modernen FreakInszenierungen als Clown angepriesen wird, erinnert nur wenig an die großen clownesken Motive des Hinterfragens, Entgegensetzens und Wahrheitenaufzeigens. Clown ist also nicht gleich Clown! Der Clown, wie er gerade vorgestellt wurde, ist heute nicht mehr oder kaum noch wiederzufinden. Was also ist er nun, der Clown? Es wird ihm mit Sicherheit Unrecht getan, wenn man ihn nur als witzige Gestalt betrachtet, mit der Funktion, das Publikum zu unterhalten. Der Clown ist mehr als Unterhaltungsdiener in der Zirkusarena und im Krankenhaus. Meist hat die Clownsfigur, wie wir sie kennen, wenig zu tun mit der ursprünglichen Idee einer anarchistischen, tabubrechenden Gestalt. Der heutige Clown ist nicht mehr als ein bis zur Unkenntlichkeit verwischter Rest einer großen Figur. So wundert es nicht, dass die Kinder aus der Sheffieldstudie eher mit Befremden die Clownsbilder an der Wand betrachten, wissen sie doch mehr über Comicfiguren als über jene komischen Gestalten. 17

Was also bedeutet nun der eigentliche Clown? Der Clown steht für eine Idee, ein innerseelisches Motiv und archetypische Grundzüge. Er blickt auf eine lange Geschichte zurück und findet sich in vielfältigen Kulturen wieder. Widerspruch und Gegensatz sind Aspekte der clownesken Taten; Wahrheit, Freiheit und das Rütteln an den Selbstverständlichkeiten der Welt, der Normen und Werte der Kultur sind seine Motive; als Anarchisten, Gegenteiler, Widerstandsfigur und Revolutionär mag man ihn bezeichnen. Und all das verpackt er in Humor und Witz. Oder sagen wir es mit anderen Worten: »Sie stehen mit dem Rücken zu der Richtung, in die

das bürgerliche Individuum läuft. Für sie gibt es keine logische Voraussicht« Es lässt sich nun die These wagen, dass der Clown in seiner reinsten und ursprünglichsten Form einer menschlichen Utopie entspricht. Nämlich jener Utopie der wahren Freiheit, die gespeist wird von dem menschlichen Bedürfnis nach Freisetzung aus Zwängen und Anpassung. Und jener Utopie der wahren Individualität, die das Sehnen nach Einzigartigkeit und das Sichtbarwerden in einer anonymen Masse meint.

So schließe ich mit der Frage: Wollen wir nicht alle ein bisschen Clown sein?


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ie leben in abgeschiedenen Bergdörfern im Süden Bulgariens an der Grenze zu Griechenland: die Pomaken. Eine kleine bulgarische Minderheit, rund 250 000 Menschen, die zwar ethnische Bulgaren – also Slaven – sind und bulgarisch sprechen, aber an Allah glauben. Das kleine muslimische Bergvolk lebt wie noch vor 200 Jahren: von harter Handarbeit in der Landwirtschaft, vom Tabakanbau, vom Pilze-, Beeren-, und Kräutersammeln. Noch vor 20 Jahren wurden sie von den bulgarischen Kommunisten verfolgt: ihre muslimischen Namen wurden unter Zwang durch bulgarische ersetzt, aus dem Pomaken Süleiman wurde über Nacht Alexander. Die Pluderhosen und Kopftücher wurden den Frauen vom Leib gerissen, Minderheiten – noch dazu religiöse – durfte es im kommunistischen Bulgarien nicht geben. Viele Muslime wurden damals einfach vertrieben – in die Türkei. Das ist seit der Wende vorbei: heute leben die Pomaken wieder so wie früher: die Frauen wahren die patriarchalische Tradition, tragen ihre Tracht, heiraten früh, gehorchen ihren Männern und trinken keinen Alkohol. Die Männer nehmen es mit dem Alkohol jedoch nicht ganz so genau, wie man zum Beispiel bei den Hochzeitsfesten beobachten kann …

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in ganz Bulgarien Fruchtbarkeit und Gesundheit. Jetzt kommt Aufregung und Leben in das bislang stille Zimmer. Die Frauen helfen Fikre beim Umziehen, sie sieht ja nichts. Glitzernde Ketten werden ihr umgehängt, festliche Pluderhosen angezogen, und die Mädchen und Frauen bewundern lautstark die tollen Stoffe und Ketten. Die junge Braut legt nun ihre Jungmädchentracht ab: die Weste, die sie als Unverheiratete trug – rundum bestickt, auch am Rücken –, darf sie nun nicht mehr tragen. Als verheiratete Frau wird sie eine Weste tragen, die am Rücken nicht mehr bestickt ist, denn der Mantel, der sogenannte Feredzhe, den sie ab heute darüber tragen muß, wird ihren Rücken fortan immer bedecken. Dann holt Fikres Vater Ibrahim seine junge Tochter ab – er ist der einzige Mann, der das Zimmer betreten darf. Er führt seine Tochter hinaus auf die Straße, er wird sie dort der Obhut ihres Mannes übergeben. Und wie wohl jede Mutter weint Fikres Mutter still vor sich hin: es ist ihre dritte und letzte Tochter, die heute das Haus für immer verlässt. Draußen wartet bereits die Prozession der Junggesellen mit Bräutigam Dzhamal in der Mitte – alle sind schon schwer betrunken und im Gegensatz zu den prächtig und traditionell gekleideten Frauen übrigens geradezu trist gekleidet: kein Mann trägt Tracht, sie tragen Strickpullis, Jeans, dunkle Lederjacken … Tradition – das ist offenbar Frauensache.

D

as ganze Dorf hat sich hier vor Fikres Elternhaus versammelt, die Straße ist voller Menschen, die lachen, reden, rufen – die Musik der Balkan-Band liegt wie ein Teppich über den Menschen: Vater Ibrahim übergibt seine Tochter an Bräutigam Dzhamal und seine

HOW TO clown

mmer im Frühjahr werden die Hochzeiten gefeiert – noch vor dem Beginn der Feldarbeit-Saison, damit die Familien anschließend zum Tabakanbau ausschwirren können. Das traditionelle Hochzeitsfest dauert 2 Tage. Die Mitgift der Braut wird draußen auf der Straße zur Schau gestellt. Die Musiker heizen ununterbrochen die Stimmung an und auf dem Dorfplatz tanzt die Jugend. Die Braut führt den Choro an, den traditionellen Reigentanz. Zwei Tage lang wird die 21jährige Braut Fikre fast ununterbrochen tanzen, das gehört zu ihrer Pfl icht. Doch es wird für lange Zeit ihr letzter Tanz bleiben, denn als jungverheiratete Frau verbietet es ihr die Tradition. Drinnen im Restaurant versammeln sich unterdessen die Verwandten von Braut und Bräutigam – und da fast jeder mit jedem verwandt ist in den kleinen Bergdörfchen, kommen Hunderte von Menschen zusammen. Die Frauen und Mädchen trinken Limonade, die Männer genehmigen sich jedoch viele Schlückchen Schnaps und Bier. Fikres Bräutigam Dzhamal ist 20. Früh zu heiraten ist ganz normal hier oben bei den Pomaken. Auch Dzhamal bringt reichlich Geschenke mit in die Ehe. In einer wilden Prozession begleitet vom stampfenden Rhythmus der Musiker, tragen die Junggesellen und Freunde von Dzhamal große Holzgestelle mit seinen Gaben durchs Dorf: reichlich Geld ist daran befestigt und viele Pluderhosen für seine Braut Fikre. Die Jungs müssen sich offenbar immer mal wieder mit einem Schlückchen aus der Schnapsflasche stärken, um die schweren Holzgestelle bergauf durchs Dorf tragen zu können. Mit dieser Prozession des Bräutigams steuert das Hochzeitsfest seinem Höhepunkt entgegen: dem Abholen der Braut aus ihrem Elternhaus. Dort arbeiten fachkundige alte Frauen schon seit Stunden an der jungen Braut Fikre herum. Es ist ein einzigartiges Ritual: das Schmücken der Braut. Männer dürfen das Zimmer nicht betreten. In einer stundenlangen Prozedur wird Fikres Gesicht sorgsam mit Pailletten beklebt. Dazu wurde Fikres Gesicht dick mit einer fetten weißen Creme eingeschmiert. Die alten Frauen, die dieses Ritual seit Generationen überliefern, tragen die Pailletten mit Streichhölzern auf, damit sie die fette Creme nicht mit den Fingern berühren und damit womöglich den Glanz der Pailletten verschmieren. Auch Fikres Augenlider werden üppig beklebt. Für den Rest des Tages wird die Braut die Augen nicht mehr öffnen können. Im Raum herrscht Stille, die Frauen müssen sich konzentrieren. Und dann ist das Paillettenkunstwerk auf Fikres Gesicht fertig. Jetzt wird ihr Kopf mit diversen Tüchern geschmückt, sie bekommt eine Blumengirlande um die Stirn gewickelt und eine Art Lametta als Vorhang vors Gesicht gehängt. Weiß und rot dominieren – diese Farben symbolisieren


HOW TO magazine   Ausgabe #3

aufrechterhalten wollen. So ist das eben.« Mittlerweile ist es Abend geworden, Fikre wird nun ins Haus von Dzhamal geführt. Wieder eine Prozession, diesmal in der Dämmerung. Wieder wummert die Musik durchs Dorf, die Schläge der Trommeln, die Trompeten und Gajdi – Dudelsäcke – begleiten Fikre, die an der Spitze der Prozession durch die Straße tanzt: sie wird von hinten an der Taille gehalten und so durchs Dorf geführt, sie kann ja nichts sehen. Eine Frau stürzt auf sie zu und flüstert ihr einen Segen ins Ohr und die obligatorische Mahnung: »Gehorche dort!

Deiner Schwiegermutter, Deinem Schwiegervater und Deinem Mann!« Ab jetzt darf Fikre nichts mehr selbst entscheiden. 21

«

Mutter. Sie werden fortan über Fikres Schicksal bestimmen. Dafür wird von der Dorfgemeinschaft im stillen Gebet Allahs Segen erbeten. Die Musik erstirbt, und draußen auf der Straße ist es während des Gebets so andächtig still wie vorher drinnen im Brautzimmer. Nur eine Kuh trottet vorbei und muht laut in die Stille hinein. Dann kommt wieder Bewegung in die Menschen: jetzt wird die Mitgift, die auf dem Vorplatz des Hauses und der Straße ausgestellt war, abgebaut und eingepackt. Vater Ibrahim hat rund 15 000 Leva dafür ausgegeben, knappe 7500 € – ein Vermögen. Sein Leben lang hat Ibrahim nur für die Hochzeiten seiner drei Töchter gearbeitet. »Das ist schon eine harte Tradition für die gesamte Familie«, sagt er lachend. »Aber es sind die Frauen, die diese Tradition

Fikres Mitgift im Wert von rund 15.000 Leva, knappe 7.500 €


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Prozession der Junggesellen draußen auf der Straße

HOW TO clown

Schluss m it lust i g!

«

W

ir treffen das Brautpaar einen Monat nach der Hochzeit wieder. Dzhamal und Fikre leben zusammen mit seinen Eltern, den Großeltern und den Familien seiner Geschwister in einem Haus. Fikres Eltern sind heute zu Besuch gekommen. Denn Fikre darf nicht aus dem Haus, wenn es ihr Mann oder ihr Schwiegervater nicht erlauben. Nicht einmal, wenn sie nur ihre Eltern besuchen will. Das will die Tradition so. Und bisher haben sie es eben nicht erlaubt. Einen Monat lang war Fikre nur Zuhause. Schnell viele Kinder kriegen, das wird jetzt von ihr erwartet. Ihr fällt sichtlich die Decke auf den Kopf, die junge Frau möchte gern mal wieder hinausgehen, unter Leute, Freundinnen treffen, ihre Eltern besuchen. Aber sie traut sich das nur zu sagen, als wir sie allein sprechen können: das gelingt unter dem Vorwand, die Aussteuer anzuschauen, darunter insgesamt 4 Kisten voller selbstgemachter Babywäsche. Über die Ehre von Fikre wachen ihr Schwiegervater und ihr Mann. Daß sie sich tugendhaft benimmt, darüber wacht der ganze Rest der Familie. Noch sind Fikre und Dzhamal ineinander verliebt. Werden die patriarchalischen Traditionen der Pomaken dieses Glück garantieren oder zerstören?


HOW TO magazine   Ausgabe #3

Armee M

anchmal können kleine Erfindungen eine große Wirkung haben. In Asien wurde vor Jahrhunderten ein Material entwickelt, das zum größten Teil aus Abfallstoffen bestand. Im Mittelalter wurden in muslimischen Ländern Moscheen und Mausoleen mit diesem Stoff verziert, zur Zeit der Renaissance gelangte er nach Europa, wo er noch immer hergestellt wird. Heutzutage sind es oft Kinder, die aus einer schleimigen Mansche aus Papier und Kleister dieses Material formen. Die Rede ist vom Pappmaché. Bemalt und lackiert war es eine billige Alternative zu edleren Materialien. So fertigten Handwerker Zierleisten, Reliefs und Theaterdekorationen aus diesem Stoff, außerdem Schnupftabakdosen, Kerzenständer, Krippenfiguren, Puppen, Masken und falsche Nasen. Wieso Nasen? Der praktische Nutzen von Schnupftabakdosen, Kerzenständern und anderen Gebrauchsgegenständen lässt sich leicht nachvollziehen. Aber wozu um alles in der Welt brauchte man Nasen aus Pappmaché? Die falschen Nasen hatten ursprünglich eine Funktion zu erfüllen, die alles andere als komisch war: Sie wurden nämlich von Menschen getragen, die in Folge einer Verletzung 23

,

oder Verwundung ihre Nase verloren hatten. So waren es fast immer ehemalige Soldaten, die eine Prothese aus Pappmaché benutzten. Das war zwar kein wirklich schöner Anblick, aber immer noch besser, als die unverstellte Sicht auf die zurückgebliebenen Narben und offenen Stellen im Gesicht des Verstümmelten. Natürlich erregte so eine künstliche Nase nicht nur Mitleid, sondern konnte ihren Träger auch schnell zum Opfer von Hohn und Spott machen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendein Witzbold auf die Idee kam, sich diesen komischen Effekt zunutze zu machen und sich eine Nase aus Pappmaché über die eigene, gesunde Nase zu ziehen. Aus der Pappmachéprothese für kriegsversehrte Soldaten entwickelte sich so die Pappnase der Clowns. Ein Objekt, das seinen Ursprung dem Militär und der Medizin verdankte, war in die Welt des Komischen übergegangen. Und eine asiatische Erfindung hatte dazu geführt, dass eine der bekanntesten europäischen Bühnenfiguren ihr unverwechselbares Gesicht erhielt. Der Clown, so wie wir ihn heute kennen, ist eine relativ junge Figur. Entstanden im Zirkus des 19. Jahrhunderts, vereint er in sich Eigenschaften von verschiedenen lustigen


ÂŤ Illustration aus dem Buch Protest - Handbuch fĂźr erfolgreiche Demonstrationen, Attacken und Aktionen

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Personen aus der Welt von Theater und Karneval. Fahrende Zirkustruppen von der Insel brachten den buntgekleideten Spaßmacher auf das europäische Festland, wo er schnell populär wurde. Zwischen den spannungsgeladenen Nummern der Akrobaten und Dompteure sorgte er für Fröhlichkeit und Entspannung, wobei das Publikum ihm nicht anmerkte, dass er für seine Auftritte meist ebenso intensiv trainiert hatte wie die anderen Zirkusartisten. So beherrschte zum Beispiel der berühmte Clown Grock ein Dutzend Musikinstrumente und unterbrach sein Geigenspiel auch dann nicht, wenn er aus dem Stand einen Salto machte. Zur bekanntesten Clownsfi gur wurde der Dumme August. Seine Kennzeichen sind noch heute die rote Nase, die bunten Kleider und der tapsige Gang in viel zu großen Schuhen. Neben diesen äußeren Merkmalen ist es aber vor allem die Art seines Spiels, die ihn unverwechselbar macht. Der spanische Clown Charlie Rivel, dessen Ausruf: »Akrobat schöön« zu seinem Markenzeichen wurde, hat geschrieben, dass »ein Clown nichts anderes ist als ein Kind,

das versäumt hat, erwachsen zu werden.« Neugierig, arglos und unbefangen wie ein kleines Kind erkundet er die Welt und stolpert dabei von einem Fiasko ins nächste. Obwohl er immer wieder scheitert, lässt er sich nicht entmutigen, und manchmal erringt er sogar einen kleinen Erfolg, über den er sich, gemeinsam mit dem Publikum, herzhaft freuen kann. Schon längst sind professionelle Clowns auch außerhalb der Zirkuskuppel aktiv. Berühmte Vertreter ihres Berufsstandes treten auch als Solokünstler auf und bestreiten abendfüllende Unterhaltungsprogramme vor Hunderten von Zuschauern. Macht der Clown seine Sache gut, so können seine Darbietungen gewaltig Spaß machen. Das Clownskostüm ist nicht nur professionellen Künstlern vorbehalten. Jedes Jahr im Karneval wird es hundertfach von Menschen getragen, die es benutzen, um für kurze Zeit die Normen des Alltags zu verlassen. Im Kostüm lässt sich’s gut feiern und lustig sein. Es lockert die Zwänge des menschlichen Miteinanders und erlaubt seinem Träger, Dinge zu tun, die er normalerweise niemals tun würde. In Verkleidung kann man unbefangener auf andere Menschen zugehen, gesellschaftliche Umgangsformen ignorieren und gezielt Tabus brechen.

Will man bei anderen Menschen Fröhlichkeit und Gelächter hervorrufen, genügt es nicht, sich eine falsche Nase aufzusetzen. Die Pappnase kann jedoch – vorausgesetzt, es ist nicht gerade Karneval – sehr hilfreich sein, wenn man Aufmerksamkeit erregen möchte. Nicht nur die Werbestrategen von McDonalds haben das schon längst erkannt, auch linke Protestgruppen bedienen sich der Clownsfi gur, um auf sich und ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Seit einigen Jahren marschieren immer wieder die so genannten Clownsarmeen bei Demonstrationen mit und sorgen für öffentlichkeitswirksame Bilder in den Medien. Genau wie die Zirkusclowns kommen auch die Soldaten der Clownsbrigaden ursprünglich aus England. In Deutschland sind sie einer größeren Allgemeinheit spätestens seit den G8-Protesten in Heiligendamm bekannt. Mit ihnen ist die Pappnase – die schon lange aus Kunststoff ist – wieder in die Welt des Militärischen zurückgekehrt. Die Clownssoldaten sind geschminkt, tragen bunte Haare und skurrile Kostüme. Mit einer Mixtur aus Militär-, Hippie- und Zirkuskleidung, bewaffnet mit Pustefi x, Staubwedeln und Wasserpistolen persifl ieren die Clowns alles Militärische und sorgen für Aufmerksamkeit in den Medien. Die Idee ist sympathisch, nur schade, dass die Aktionen der Clownsbrigaden selten komisch sind. Das Lachen vergeht

einem völlig, wenn man sich die Selbstbeschreibungen verschiedener Gruppen ansieht. So kann man auf der Homepage der englischen Ursprungsgruppe, der Clandestine Insurgent Rebel Clown Army die martialischen Worte lesen: »Because alone clowns are

pathetic fi gures, but in groups and gaggles, brigades and battalions, they are extremely dangerous. We are an army because we are angry and where bombs fail we might succeed with mocking laughter.« Wütende Clowns, die höhnisch lachen, wo Bomben fallen – das ist wirklich eine furchterregende Vorstellung! Auf dem deutschen Internetblog wendlandclown.twoday.net wird der Humor zwar wortreich beschworen, das geschieht

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zen sie ihr Tun fort und zeigen so, dass sie sich nicht von den Umständen zur Verzweiflung bringen zu lassen. Ein Clown hat noch nicht gelernt, andere Menschen anzuklagen oder zu belehren. Er tritt anderen vorurteilsfrei gegenüber und möchte niemanden bessern oder verändern. Er möchte nur seine grenzenlose Neugier befriedigen. Und genau wie ein Kind kann er dabei manchmal ganz schön nerven. Eine solche Haltung könnte das Spiel der Clownssoldaten um einiges bereichern. Aber scheinbar gehört kindliche Heiterkeit nicht zu ihren obersten Dienstpflichten. Zum Glück sind sie manchmal trotzdem witzig. Bei der Rostocker Großdemo anlässlich des G8-Gipfels wurde beispielsweise eine Aktivistin gesichtet, die ein Plakat um den Hals trug, auf dem zu lesen war: »Wir fordern die Anerken-

nung der Clownsarmee als terroristische Vereinigung nach §129A«.

sondern auch unser Handeln richtet sich nach anderen Mustern aus als die, welche uns durch die Normierungen unseres Alltags auferlegt wurden. Diese Normen und Grenzen wollen wir durchbrechen. […] Unsere Waffen sind das Lachen und unser unbeugsamer Humor gegen Obrigkeiten, Ignoranz und Ausbeutung – Damit persiflieren wir die unmenschlichen Formen und Spielarten herrschaftlicher Unterdrückung.« Der Clown, der das geschrieben hat, ist wahrscheinlich auf jeder Party der Stimmungskiller. Dabei ließe sich aus der Idee doch so viel machen! Wenn die monotone Exaktheit des militärischen Drills auf die unkalkulierbaren und manchmal tölpelhaften Bewegungen des Clowns trifft, kann das Quelle für eine Unzahl komischer Effekte sein. Und die kindlichen Wesenzüge des Dummen Augusts könnten dem linken Umgang mit der Staatsmacht eine schöne Komponente hinzufügen. Ein Kind möchte die Welt verstehen, stößt aber mit seinen neugierigen Erkundungen und Fragen schnell auf ihre absurden und hässlichen Wesenszüge. Genau wie Kinder scheitern auch Clowns immer wieder an der Tücke der Objekte, ohne sich aber entmutigen zu lassen. Unverzagt set26

Illustrationen aus dem Buch » Protest - Handbuch für erfolgreiche Demonstrationen, Attacken und Aktionen

»

aber auf eine Art, die viel mit politischer Kritik und gar nichts mit clownesker Kunst zu tun hat. Das liest sich dann zum Beispiel so: »Unser Aussehen ist nicht nur bunt,

Und auch wenn mehrere Clowns vor dem Sicherheitszaun stehen und lauthals skandieren: »Lasst Angela Merkel frei!«, ist das ziemlich lustig. Jedoch würden diese Scherze auch genauso gut ohne Clowns-Kostüm funktionieren. Die Mühe des Verkleidens und Schminkens hätten sich die Leute eigentlich sparen können. Viele Clownssoldaten behaupten von sich, dass ihre Aktivitäten beim Aufeinandertreffen von Demonstranten und Polizisten deeskalierend wirken können. Im Prinzip haben sie damit recht, denn erwiesenermaßen lässt das Lachen den Adrenalinspiegel sinken und trägt so zur körperlichen und seelischen Entspannung bei. Lachen kann – wortwörtlich und im übertragenen Sinn – entwaffnend sein. Nur schade, dass gerade im Umgang mit den Polizeikräften viele Aktionen wie Provokationen aussehen. Wenn auf der Rostocker Demo einige Clowns ihre Staubwedel zum pantomimischen Reinigen der schwer gepanzerten Polizisten eingesetzt haben, wirkte das wie ein Versuch, die Gegner lächerlich zu machen. Gelacht hat dabei niemand, auch die Zuschauer nicht. Die körperliche Nähe, die dabei zwangsläufig hergestellt wurde, muss für die Polizisten ziemlich unangenehm gewesen sein. Im günstigsten Fall war diese Episode für die Einsatzkräfte einfach nur lästig, wahrscheinlich


HOW TO magazine   Ausgabe #3

aber ein weiterer Stressfaktor, der nicht zur Lockerung der angespannten Stimmung beigetragen haben dürfte. Mit Schminke und roter Nase wurde auch gegen das Vermummungsverbot verstoßen und mancher Polizist dürfte sich gefragt haben, ob die bunten Clownskostüme nicht einfach ein extravaganter Ersatz für die traditionelle Maskerade des schwarzen Blocks sind. Zwar sind die Clownssoldaten schon bei anderen Protestaktionen in Deutschland in Erscheinung getreten, aber immer noch tut die Polizei sich schwer, ihr Verhalten einzuordnen. Dasselbe Problem haben auch manche Medienvertreter. Harmlose Spaßvögel oder gewaltbereite Randalierer – das war bei der Berichterstattung über die Clowns bei den G8Protesten manchmal nicht ganz klar. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Rostocker Einsatzleitung für einige Zeit die Meldung verbreiten ließ, dass es Säureattacken auf Polizisten gegeben habe. Erst bei der chemischen Analyse wurde festgestellt, dass es sich bei der versprühten Flüssigkeit um Seifenblasenlauge gehandelt hatte.

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B

ei den linken Mitdemonstranten stoßen die Clownssoldaten auf viel Sympathie, aber auch auf einige Unsicherheiten. Ihre Zielsetzung bleibt unklar, die Umsetzung der Clownsidee lässt zu wünschen übrig, und noch nicht einmal der Einfall selbst ist sonderlich originell. Clownsarmeen der etwas anderen Art gibt es schließlich schon seit fast zweihundert Jahren. Bekannt wurde sie unter Namen wie Prinzengarde, Blaue oder auch Rote Funken und jedes Jahr feiern sie im rheinischen Karneval fröhliche Urständ. Die Soldaten dieser Truppen sind zwar auch nur selten komisch, aber immerhin hübsch anzusehen. Denn im Gegensatz zu den Kollegen von der Clownsarmee beherrschen zumindest einige von ihnen akrobatische Kunststücke und Tänze, für die sie lange geprobt haben. Eine Pappnase gehört bei den Karnevalsgarden allerdings nicht zur Uniform. Ursprünglich als Persiflage auf das unbeliebte Militär konzipiert, haben die rheinischen Karnevalssoldaten ihren politischen Bezug schon längst verloren und betreiben heute nur noch Kostümfolklore. Diese Entwicklung müssen die Clownssoldaten gewiss nicht fürchten. Schaut man sich ihre Selbstverlautbarungen an, zeigt sich, dass viele von ihnen tatsächlich an ein romantisches Ideal vom lustvoll-fröhlichen Widerstand glauben. Sie sind überzeugt davon, dass durch Lachen eine bessere Welt möglich wird. Vielleicht stimmt das ja sogar. Aber leider fehlt den Akteuren das akrobatische und schauspielerische Können, um als Clowns zu überzeugen. Zwar sorgen sie mit ihren Auftritten für Aufmerksamkeit und Irritation, Heiterkeit entsteht aber nur in Ausnahmefällen. Denn gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Das ist schade. Deshalb bleibt nur zu wünschen, dass die Clownsarmeen in Zukunft nicht nur durch politisches Engagement und markige Sätze in ihren Internetauftritten auffallen, sondern auch durch die Qualität ihrer artistischen und komischen Talente.


Not only famous for hosting the “Krusty the Clown Show” or owning “Krusty Burger” fast food restaurants but also for his broadly exploited scandals such as his lascivious drug and alcohol abuse, tax fraud etc. Only a few other celebrities are more controversial than the entertainer, businessman and politician Krusty the Clown, born of Russian descent as Herschel Shmoikel Krustofsky somewhere around 1935. In an exclusive interview with the HOW TO magazine he speaks about his fickle life.


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Krusty, becoming a clown is a rather unusual career choice, especially since you come from a long line of Jewish rabbis. What provoked you to become a clown and how did people in your social environment react? Thanks for that particular question to begin with, this I can‘t set my VCR”, “I can‘t open a bag of airline peanuts”, brings back a lot of painful memories. Indeed, underneath “I‘m a freakin‘ moron”. Then you got these lady comics talking about stuff that would embarrass Redd Foxx3 – God rest all this plastic surgery, I am actually a Jew. My father was a rabbi. His father was a rabbi. His father‘s fath – Well, you his smutty soul. Who they slept with, what time they sit on the can. This is supposed to get you a husband? Aah, so get the idea. My father was the most respected man in the lower east side of Springfield. People would come from miles what? It‘s not my job to make kids laugh. around to ask his advice. But when I asked him: “Papa, But kids still seem to love you. when I grow up can I be a clown?” he refused. “A clown is not a respected member of the community, life is not fun. Life Ah, it‘s never enough. Not for them! Once they get a taste of is serious. Seltzer is for drinking, not for spraying. Pie is for you, they want more, and more, and more!4 noshing, not for throwing.” Those were his words. Dad wanted me to follow in his footsteps, but the pull of clowning was You also suffered a nearly-fatal heart too strong. My father tried to extinguish the comedy bug, attack. Rumor has it that this is mostly but it was no use. I want to make people laugh.1

During your life in showbiz, you have suffered lots of career crashes but then again many comebacks, as well. Tell us something about your life as clown? I‘d like to thank God for all my success, even though I never worshipped or believed in him in any way. Lately, I was voted “America‘s Least Funny Clown”! Worse than Scummo, Scuzzo, Oopsie, Carlos Mencia, Stinko, Blumpy, even worse than Sergeant Serious. How could I do worse than him? I stole all his jokes! And you know why? ‘Cause comedy ain‘t funny anymore. Instead of time-tested jokes about women drivers and doctor bills, you got some big-chin schlub2 reading typos from the Palookaville Post. Well, here‘s a headline for you: Nobody cares! These comics today. “Ooh, look at me, 1 Season 3, Episode 6, “Like father, like clown”; Season 15; Episode 6, “Today I am a clown” 2 Jay Leno

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due to your excessive lifestyle rather than work-related. Tell us the true story.

No can do. I‘ve lived so hard there‘s big gaps in my memory. I remember learning to ride a bike. Then pretty much nothing till right now. But that isn‘t my fault, it‘s the Percodan5. If you ask me, that stuff rots your brain. Or maybe it‘s because I‘m on Pepto 6 and Xanax7. Anyways, all I remember is that one time I went through a five-year orgy of non-stop pills, and booze, with nothing to show for it but four Emmys and a Peabody Award!8 3 4 5 6 7 8

John Elroy Sanford, Comedian *1922, †1991 Season 12, Episode 13, “Day of the Jackanapes”; Season 9, Episode 15, “The Last Temptation of Krust”; Season 19, Episode 4, “I Don‘t Wanna Know Why the Caged Bird Sings”; Season 15, Episode 6, “Today I am a clown”; Season 10, Episode 13, “Homer to the Max” Percodan - highly addictive pain killer Pepto - anti-diarrhea drug Xanax - treatment for anxiety disorders and panic attacks Season 15, Episode 6, “Today I am a clown”; Season 6, Episode 15, “Homie the clown”; Season 14, Episode 14, “Mr. Spritz goes to Washington”; Season 9, Episode 3, “Lisa‘s Sax”; Season 6, Episode 22, “Round Springfield”


Carl Jung, the famous psychologist once said: “The factors which come together in the coniunctio are conceived as opposites, either confronting one another in enmity or attracting one another in love. To begin with they form a dualism;”. On the one hand, countless scandals mark your private vita, e.g. you suffer from nearly every existing addiction known to mankind. On the other hand, your profession or your passion is to bring a smile to the faces of the most innocent of all people, the children. Would you say that this is your individual Jungian dualism – your stigma? uuhm, uuuh … Hey hey, kids9

Okay … as if this wasn‘t enough, you are also active in politics. As member of the Republican party you were elected to the US Congress. What impresses you most about politics? Those guys are good at covering up youthful, middle aged indiscretions.

What type of indiscretions? Romantic, financial or treasonous? Russian hooker, you tell me. And they just said I was on a fact finding mission.

Why do you think you were the right one for representing the Springfield district in Congress? I‘ve brought laughter to people‘s homes three days a week, eighteen weeks a year, for twelve of the past 25 years and when the Television Network offered me 50 grand a week, I throw my caviar in their face, uuhm, because I was thinking about the American family. Furthermore, I was the first clown to put a woman in sketches: Miss Badda-Boom-BoomBoom. She had more acting talent in one boob, than most women have in their entire act. Besides that, I hate the government. They‘ve been on my back like hump on granny. IRS10, ATF11, Immigration. As Congressman I could even tell the FCC12 to take a hike.

Very inspiring. Would you say that you achieved your political goals during your time in Congress? How many campaign promises did you keep?? Uh, let‘s see … did I promise to be a slave to big oil?

I don‘t think so. Well, then none.

Did your side trip into politics at least account for some progress in the development of your personality? Let‘s just say it moved me...to a bigger house! Oops, I said the quiet part loud and the loud part quiet.13

Despite all your multiple income sources, there were times in your life, when you were remarkably short of cash … What can I say, there‘s nothing better than a cigarette – unless it‘s a cigarette lit with a 100-Dollar bill.

… which might be explained by your penchant for gambling. You once took all the money you made franchising your name and bet it against the Harlem Globetrotters. Oh, I thought the Generals were due! But that game was fixed anyway. They were using a freaking ladder, for gods‘ sakes. But even if I put five thousand bucks on the Lakers, hire Kenny G to play for me in the elevator or buy me a clean house, when my old one is dirty, I‘ll just crank out some cheesy merchandise and make some more money.

You also lost a tremendous amount of money through various law suits. George Carlin sued you for stealing his bits. Oh, come on. My “Seven Words You Can‘t Say on TV” bit was entirely different from his “Seven Words You Can‘t Say on TV” bit. So I‘m a thief, am I? Well, EXCUUUUUUUUSE MEEEEEE! I gave him ten grand.

And another time, Steve Martin …

9 Season 12, Episode 3, “Insane Clown Poppy” 10 Internal Revenue Service 11 Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms 12 Federal Com munications Com mission

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13 Season 6, Episode 18, “A Star is Burns”; Season 14, Episode 14, “Mr. Spritz goes to Washington”

HOW TO clown

Ten grand.


HOW TO magazine

There are also rumors that your money wasting lifestyle resulted in some misconceptions with a certain italo-american subculture loosely linked to organized crime. Who am I to point the finger? I once ran over a guy in a parking lot and dumped the body on a golf course.14

Ausgabe #3

Tell us something about your multiple business ventures. You are excellent in marketing your own persona via multiple endorsements, such as the Krusty Burger franchise or Krustylu Production Studios. And despite the often alleged accusation that most of the products that bear your name are of inferior quality, you were able to make a fortune. You know, I think it‘s not important to talk about who got rich off of whom, or who got exposed to tainted products. What I want to tell the readers is to live in the spirit of the holiday season at any time at the year: start shopping. And for every dollar of Krusty merchandise you buy, I will be nice to a sick kid. For legal purposes, sick kids may include hookers with a cold.

Okay then, since you‘re already advertising your products in this interview, let‘s talk about some of the accusations brought up against your franchise products. You were once accused of using child labor. Krusty-Brand show T-Shirts are made for kids by kids! And we pass the “s(l)avings” on to you! We got all your favorite characters: Itchy, Scratchy, Poochie, Austin Powers-Itchy, Itchy-Poochie, Scratch-Bob Itch-Pants, Confederate Itchy, and Osama bin Scratchy.

What about the allegation of purposely using diseased meat for Krusty-endorsed sandwiches? I want to clear up the misconception about the Wha-ChaMa-Carcass Sandwich. I used non-diseased meat from diseased animals! Everyone does it!

Then there was the scandal about Krusty Brand Chew-Goo Gum-like Substance. We knew it contained spider eggs, but the Hantavirus, well, that really came out of left field. So, if any of you‘ve experienced numbness, or comas, send proof of purchase and five dollars to: Antidote, PO Box 14 –

Last question: you really endorse everything. You even endorse “Krusty‘s legal forms” including your own line of endorsement contracts. What comes next? I‘ve been in show biz for 61 years and I learned something about myself: It ain‘t comedy that‘s in my blood, it‘s selling out. This afternoon, two suits come up to me and ask me to endorse some new sports utility vehicle. I threw those two creeps out on their ass. Then they followed me home begging me to take a test drive and let me tell you, talk about roomy! The Canyonero combines the smooth handling of a European sports car with the rugged drivability of a sturdy 4x4. And I‘m telling you, the Canyonero is the Cadillac of automobiles. That‘s Canyonero!

All right, I think that‘s enough surreptitious advertising for one interview. Thank you, Krusty the Clown. Wait, where are you going? I‘ve still got plenty of beefs! Fatfree yogurt. The quality of computer porn …15

You also had to defend yourself against the charges that your theme park “KrustyLand” was a death trap. And I contend that those tourists were decapitated before they entered the KrustyLand House of Knives. Next question. 15 Season Season Season Season Season Season Season

14 Season 6, Episode 15, “Homie the clown”; Season 12, Episode 6, “The Computer Wore Menace Shoes”

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6, Episode 22, “Round Springfield”; 9, Episode 15, “The Last Temptation of Krust; 11, Episode 6, “Hello Gutter, Hello Fadder”; 14, Episode 12, “I‘m Spelling as Fast as I Can”; 15, Episode 17, “Tis the Fifteenth Season”; 16, Episode 5, “Fat Man, Little Boy”; 16, Episode 10, “There‘s Something About Marrying”


In      Schritten vom netten Kerl zum bösen Clown.

Nach einer Idee von Mike Kroiss, » von ihm selbst gespielt, von Sabine Skuhra in sein Gesicht gezaubert und von Daniel Sommer abgelichtet.

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Entspann Dich! 33


Schluss mit lustig!

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Denk an die Steuern …

HOW TO clown

Wie? Das war's schon?

Gewöhn' Dich dran!


HOW TO magazine   Ausgabe #3

Das soll Böse sein?

Da geht noch Einiges!

… an die Fixkosten …

… an den letzten Korb …

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Ausgabe #3

… Na also! Geht doch!

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„Ich liebe ES“ ist ein kurzer Käuferkommentar zu Stephen Kings Roman „ES“ von 1986. „Ich liebe es“ ist die geschützte Wort- und Bildmarke von McDonalds für den Deutschen Markt. Stephen King und McDonalds sind die geistigen Erfinder des pervertierten Clowns, der eine Clown ist unmenschlich schlecht und ernährt sich von Kindern, der andere versucht alles, damit sich Kinder unmenschlich schlecht ernähren.

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Illustration von Rosa Pegam

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er Zirkusclown hat viele Menschen zum Lachen gebracht, sein Gesicht blieb jedoch meist konturlos, er war eher eine Gattung, der Clown, nicht der bestimmte Clown mit dem Namen X, nicht der Clown Y, sondern einfach der Clown aus dem Zirkus. Das Medium Kino und später das Fernsehen machten Clowns zu Stars, Buster Keaton und Charlie Chaplin revolutionierten das äußere Erscheinungsbild, aber auch die innere Befindlichkeit des Clowns. In den frühen 60ern stieg ein Werbemaskottchen zum bekanntesten Vertreter seiner Zunft auf und enthöhlte gleichzeitig den Begriff des Clowns: Ronald McDonald zauberte Hamburger in die Hände der Kinder und empfahl den Kleinen, laut Cheeseburger zu sagen, wenn eine Fotokamera auf sie gerichtet wurde. Der vierte große mediale Clown sollte von Stephen King erfunden werden, er war jedoch erst einmal literarisch, bis ein eigentlich unspektakulärer, filmgeschichtlich uninteressanter TV-Zweiteiler der äußeren Beschreibung ein festes Gesicht zuordnete: Tim Curry spielte Pennywise, und auch wenn man den Film nicht sehen musste, so hat sich das Gesicht Currys als Pennywise doch in die moderne Bildergeschichte eingebrannt. Pennywise ist die Pervertierung nach der Pervertierung und eine Antwort auf den Filialclown des berühmten Burgerherstellers McDonalds.

»Der Schrecken, der weitere 28 Jahre kein Ende nehmen sollte – wenn er überhaupt je ein Ende nahm – begann, so viel ich weiß und sagen kann, mit einem Boot aus Zeitungspapier, das einen von Regen überfluteten Rinnstein entlangtrieb.« So beginnt Stephen Kings Roman ES, und weiter heißt es: »Das Boot schwankte, hatte 39

Schlagseite und richtete sich wieder auf, brachte heldenhaft manch bedrohlichen Strudel hinter sich und schwamm immer weiter die Witcham Street hinab, auf die vom Wind gerüttelte Verkehrsampel an der Kreuzung Witcham und Jackson Street zu.« Ein Merkmal von Stephen King ist hier schon auffällig: Diese schnörkellose jedoch niemals banale Sprache, die im übrigen sehr filmisch orientiert ist. Demnach ist es kein Wunder, dass aus den Literaturvorlagen von Kings Romanen so viele Filme entstanden sind, nämlich 51 an der Zahl. Ohne großen Aufwand lassen sich aus den Büchern Drehbuchvorlagen schnitzen. Oft könnte man ganze Passagen mit Beschreibungen oder wörtlicher Rede eins zu eins umsetzen. Viele akademische Kritiker würden dies zum Anlass nehmen, den Schreibstil als minderbemittelt zu rügen, sie würden aber damit letztlich nicht weit kommen. Stephen Spignesi, ein großer Stephen-King-Experte, drückt das Gefühl bei der Lektüre eines King-Buches wie folgt aus: »Man

liest gar nicht mehr, das Gehirn nimmt den Text fast durch Osmose auf.« Gerade ES ist ein moderner, perfekt komponierter Sommerreigen, ein Buch, das glücklich macht, das eigene Kindheit heraufbeschwört oder im besten Falle zur eigenen Kindheit wird (wenn man es im richtigen Alter liest). Es geht um den einen Sommer, der alles ändert, der Sommer, der als glücklichster Sommer von sechs Kindern gelten dürfte, bis etwas Grauenvolles, Widerliches und Grausames aus der Kanalisation herausklettert und dieses Glück mit einem Mal zerschmettert. Das schier nicht enden wollende Sommergewitter nennt sich Pennywise und ist der böse Traum eines jeden Kindes. Dieser kinderfressende


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Clown kann nur von Kindern zur Strecke gebracht werden, doch 27 Jahre später müssen sich die gealterten Mitglieder des Clubs der Verlierer erneut an die grausamen Ereignisse erinnern und sich dieser Kreatur noch einmal entgegenstellen. Wenn dieser Roman eines ist, dann wunderbar literarisch, obwohl er natürlich auch konsequent filmisch ist. Wie leicht es Stephen King den amerikanischen Filmregisseuren macht, erkennt man schon an der Szene von Georgies Tod, mit dem der Roman ja bekanntlich beginnt. So sehen wir beispielsweise in Tommy Lee Wallace, gleichnamiger Verfilmung von ES aus dem Jahre 1990 dieses besagte Boot aus dem Anfangssatz des Buches den Bürgersteig hinuntergleiten. Die Kamera wechselt dabei von Close-Ups zu mittleren Brennweiten, fährt dabei den Rinnstein entlang und versucht, dem Papierschiff zu folgen. Die verschiedenen Einstellungen sollen dem Betrachter die Schnelligkeit vermitteln, mit dem das Papierschiff den Rinnstein entlangschwimmt. George kommt nur schwer hinterher. Die Fahrt endet an einem Gully, der das Schiff verschluckt. Es folgt eine Subjektive aus dem Gully. Dann Gegenschuss auf den Schacht. Der Kopf von Pennywise taucht aus dem Dunkeln des Gullys auf. Er stellt sich, aus der Kanalisation herausrufend, dem kleinen George vor, und bietet ihm einen Luftballon an. George antwortet, dass sein Vater ihm verboten hätte, von Fremden Geschenke anzunehmen. Pennywise kontert, dass sein Vater etwas sehr Weises gesagt hätte, er Pennywise der Clown heiße, sein Gegenüber bekanntlich Georgie (Pennywise kennt voraussehend die Namen seiner Opfer, auch die Spitznamen) und sie sich ja nun beide kennen

würden. Georgie leuchtet dies ein, ist aber nicht im mindesten amüsiert von Pennywise (der auch gar nicht witzig ist). Die Ballons und Süßigkeit, die Pennywise ihm verspricht, wenn George zu ihm in die Kanalisation kommen würde, wirken auch nicht, das Segelschiff jedoch ist schließlich der Köder, mit dem Pennywise den Jungen bewegt, seinen Arm in die Kanalisation zu stecken. ES hat ein neues Opfer gefunden. ES, das ist die außerirdische Kraft, die verschiedenste Formen der physischen Erscheinung besitzt. Vor den Kindern, von denen ES sich ernährt, tritt ES hauptsächlich als Pennywise auf, beim Showdown materialisiert sich ES als riesige Spinne, der Alptraum eines jeden Kindes. ES ist also psychologisch geschickt. Trotzdem ist Pennywise nur die Außenhülle eines Clowns, seine Witze bringen die Kinder nicht zum Lachen, sondern sind schon in ihrer Perversion nichts weiter als blanker Horror. So reicht einzig der eine kleine Moment, die Clownsmaske, Accessoires wie Luftballons oder die Aussicht auf Süßigkeiten, um Pennywise den Vorsprung zu seiner blutigen Tat zu verschaffen. Über Pennywise wird nicht gelacht. Aber Pennywise lacht gerne: Über seine eigenen, jedoch für Kinder niemals verständlichen Witze. Schwer zu glauben ist, dass Stephen King beim Mord an George nicht einen Werbespot des Unternehmens McDonalds im Hinterkopf hatte. Denn auch bei einem McDonalds-Werbeclip aus den 80ern verdichtet sich der Generalverdacht gegen den Clown (und auch hier hatten am Ende die Eltern wieder einmal recht). Ein Junge trifft auf Ronald McDonald, und der spricht ihn auch sofort schamlos an. Der Junge sagt artig seinen Satz auf, dass er nicht mit Fremden reden solle, aber auch hier muss am Ende das Kind zugeben: »du bist tatsächlich Ronald McDonald« , und Hand in Hand schlendern die beiden zum nächsten McDonalds an dessen Ende, kein Zweifel, eine Juniortüte stehen wird – und das, obwohl Ronald dem Kleinen vorher schon einen Burger in die Hand gezaubert hatte. Beide Szenen, der Werbeclip und der Mord an Georgie, finden nach ähnlichem Muster statt. Die Überzeugung, dass auch ein Clown durchaus ein Fremder sein kann, kann das Kind nicht für sich alleine gewinnen, zu verlockend sind die Instrumente, mit dem der Clown sich einschmeichelt, zu unschuldig sind aber auch die Gedankengänge eines Kindes.

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onald McDonald ist eine Erfindung von Erwachsenen, ein Reißbrettclown, ein Maskottchen wie von den großen Sportvereinen, eine Marketingstrategie. Dies ist nicht neu, schon vor McDonalds verwertete die Werbung diese repräsentierte Menschlichkeit des Clowns durch das Etikett des Clownskostüms und verkaufte sie als Personalität. So werden aus den Clowns Herzenswärmer in der kommerziellen Kälte. Diese kommerzielle Kälte darf jedoch nicht als soziale Kälte oder als Kritik gegenüber aktuellen gesellschaftlichen und politischen Problemen angesehen werden. Kommerzielle Kälte bezieht sich hier im Falle von McDonalds auf die betriebliche Außenwirkung, die Kom-

« Tim Curry als Pennywise in Stephen Kings Verfilmung von ES (1990)

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munikation und die Gestaltung der Werbung. Ronald McDonald soll betriebliche Wärme ausstrahlen, Ronald kümmert sich. Ein Beispiel: In einem McDonalds-Spot von 1991 bringt Ronald in einer Kunstschnee-Winterlandschaft ein kleines Mädchen davon ab, von Zuhause wegzulaufen. Natürlich vermeidet es der Spot, einen triftigen Grund für die Absichten des Mädchens zu erfinden. Triftige Gründe sind oft auch grausame Gründe. So bleibt der naive Wunsch des Kindes, in eine fi ktive Märchenlandschaft zu ziehen wie das McDonalds-Land, in dem sie glaubt interessantere Erfahrungen machen zu können als in der verschneiten Realität eines vorstädtischen Disneyland-Amerikas aus tonnenweise Kunstschnee, in dem auch noch Nachbarn in Clownskostümen die Eiszapfen zum Tanzen bringen. Da hier die angebliche Realität jedoch schon wie das McDonalds-Land aussieht, bleibt jeder Gedanke an eine andere Traumwelt hinfällig. In dieser Skurrilität aus zwei überlagerten Traumlandschaften wird nun einerseits die Wohlfühlatmosphäre und Kinderfreundlichkeit vermittelt, andererseits wird hier das eigentliche Dilemma, in dem Ronald McDonald steckt, deutlich: Er existiert in Wirklichkeit nicht und außerhalb der Wirklichkeit auch nicht. Denn selbst in seiner gelegentlichen Erschaffung als ausgestellte Puppe vor McDonalds-Filialen und in der 2minütigen virtuellen Welt der Fernsehwerbung kann er seiner Armseligkeit nicht entkommen: Er ist zum Nichtstun verdammt – und zum Nichtssagen. Ronald McDonald tanzt durch die Werbeclips, er singt, lacht und zaubert (vornehmlich Cheeseburger aus dem Hut), er redet, hüpft und gelegentlich fällt er auch mal hin, und er tritt mit anderen fi ktiven Bewohnern eines imaginären McDonalds-Landes auf, mit Birdie, Grimace und Hamburglar. Doch einen wirklich guten Scherz hat Ronald McDonald nie gemacht. Er ist so geistreich wie Christoph Daum auf Koks, so sinnentleert wie das Nachmittagsprogramm von Sat 1. Mittelmäßige Clowns positionierten sich in der Geschichte immer wieder als Schelme und lieferten ihren Auftraggebern aggressive Witze, die von den Protektoren dann masochistisch genossen wurden. Je inniger das Verhältnis zwischen Clown und Protektor, umso mehr war die Person des Protektors Inhalt der Gaukelei. Dieser Dumme August verstand sein Spiel auch schon oft als Kunstform, so bestand er auf seiner falschen künstlerischen Unabhängigkeit und schwor: »Niemals aber kann ein Clown ein Befehls-

empfänger sein, er ist ein Anarchist, nur sich selbst und dem Spaß kann er dienen, Vorgesetzte und Ordnungshüter können ihn nicht auf halten.« Der richtig

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unsichtbare Barriere zwischen den Helden und die restliche Welt. Als Buster wie der Poolwart über das Wasser im Swimmingpool laufen möchte, geht er unter, da er nicht wie der Poolreiniger auf Stelzen läuft. Buster leidet an einem akuten Mangel an Informationen. Aber auch durch das Unvermögen, die Regeln und die Konventionen der Gesellschaft zu begreifen, gerät die Figur Buster immer wieder in absurde und problematische Situationen, aus denen er sich im Laufe des Films herausboxen muss. Sein Kampf um soziale Akzeptanz und das Anrecht auf einen Platz in der Gesellschaft wird zum starrsinnigen Unterfangen. Dieser tragische Humor ist tatsächlich nur bedingt witzig, und damit man über das Leiden des Buster überhaupt lachen kann, fordern seine Filme ein Happy-End geradezu heraus. Dieses sture und hartnäckige Erdulden wurde zu Keatons Markenzeichen, und oft wurde spekuliert, ob nicht das System, dem Helden die Gefühlsregung zu entsagen, aus der eigenen Kindheitsgeschichte, mit der Erziehung durch die strenge väterliche Hand hervorgegangen ist. Die Autoritäten und Buster, so sehr sich Buster auch um Konformität und Akzeptanz bemüht, fi nden in seinen Filmen nicht zusammen. Oft fragt sich der Betrachter, warum sich Buster nicht gegen all diese Ungerechtigkeiten wehrt. Und in der Tat, in Battling Butler (1926, R: Buster Keaton) fi nden wir so einen seltenen Gemütsausbruch – Buster, wild um sich schlagend, ist am Ende von seiner grenzenlosen Brutalität direkt selbst empört, und auch die Kampfszenen in Spite Marriage (1929, R: Edward Sedgwick und Buster Keaton) sind zwar für das Rollenbild des Buster Keaton eher ungewöhnlich, doch aus dem Film nicht wegzudenken. Es gibt also den anderen Buster, und in diesem stecken extrem gewaltsame Züge. In Battling Butler täuscht Buster vor, ein erfolgreicher Boxer zu sein, um dem konservativen patriarchalischen Vater – die typische Vaterfigur in Keatons Filmen – zu imponieren. Gegen Schluss lässt er sich von dem

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gute Clown hingegen bestätigte seltener durch lachende Würdelosigkeit die ernste Würde des Wirtsvolkes, sondern spielte mit der Evidenz des Unmöglichen. Der Anblick dieses Clowns bringt einen erst einmal nicht zum Lachen. Buster Keaton, einer der zwei großen Hollywood-Clowns, hat seine Leinwanderscheinung aufs Nötigste reduziert, seine Figuren bleiben namenlos, wenn sie Namen haben, sind sie mit Johnny, Jimmie oder Willie bedeutungslos gewählt. Sein Gesicht, mit der makellos, glatten, weiß geschminkten

Oberfläche und den großen Augen ist vordergründig nicht komisch. Buster Keaton machte schon als kleiner Junge auf der Bühne die Erfahrung, dass die Verweigerung emotionaler Reaktionen, das Ausbleiben einer clownesken Mimik, eines Lachens oder einer Schmerzäußerung, komisch auf das Publikum wirkt. Nachdem der Held in eine für ihn unverständliche Welt geworfen wurde, versucht er sich einzugliedern und zu behaupten. Dies kann einerseits mit einem Exemplar aus dem scheinbar unerschöpfl ichen Fundus an How-To-Büchern und How-To-Magazinen geschehen – wie in College (1927, R: James W. Horne und Buster Keaton) oder The Electric House (1922, R: Edward F. Cline und Buster Keaton). Oder Buster ahmt einfach das nach, was er beobachtet. Aber immer wieder schiebt sich in Keatons Filmen eine


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wahren Boxer auf schreckliche Weise verprügeln – bis er bemerkt, dass seine Frau dieser Quasi-Exekution fassungslos beiwohnt. Da erwacht der Widerwille bei Buster und er schlägt hemmungslos zurück, gewalttätiger und gnadenloser als der Angreifer zuvor. Ein Eingreifen und Zurückhalten verhindert gerade noch den Totschlag. Als einmalig in der frühen Stummfilmgeschichte darf der Kurzfilm The Frozen North (1922, R: Edward F. Cline und Buster Keaton) gelten. Buster, der Held der Geschichte, tritt mit ungewöhnlicher Härte und Grausamkeit gegen seine Mitmenschen an. Er raubt, belästigt Frauen und ist schnell bei der Waffe. Als er seine Frau dabei beobachtet, wie sie in seinem Haus einen anderen Mann küsst, erschießt er kurzerhand beide Personen, nur um im nächsten Moment festzustellen, dass er sich im Haus und somit auch in der Person der Frau geirrt hat. Als zusätzliche Facette bereicherte das Grausame also schon frühzeitig die Rollen der Hollywoodclowns, nämlich bereits im Stummfilm.

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onald McDonald hat eigentlich alles, was er braucht. Er steht wie die Clowns des Hofstaats unter einem Protektorat, ja sogar unter dem Protektorat eines Global Players. Doch Ronald darf keine subversiven Witze machen. Denn dieser Clown ist nicht zur Belustigung der betrieblichen Führungsriege engagiert, sondern als Objekt der strategischen Außendarstellung. Da heißt es: Alle ziehen an einem Strang. Ronald ist ein Untergebener, und um den Betrieb McDonalds bei den Kindern ordnungsgemäß zu repräsentieren, muss er sich einem strikten Verhaltenskodex unterordnen. Seine Darsteller werden geschult und gedrillt, die umfangreichen Vorschriftensammlungen decken so unterschiedliche Bereiche wie Verhaltenskodex, detaillierte Schminkanweisungen oder Sprachregelungen ab, um den Kindern zu suggerieren, dass es nur einen einzigen Ronald McDonald gibt. In geringen Auflagen sind in den einzelnen Ländern auch jetzt gerade wieder Darsteller unterwegs, um in Krankenhäusern, Grundschulen und Kindergärten ihre Marke zu repräsentieren. Natürlich besuchen sie auch die Ronald McDonald-Häuser der Ronald McDonald-Kinderhilfe. Dabei sollen selbst Staubsaugervertreter mehr Spielraum für Eigenleistung im Programmablauf besitzen, diese Clowns müssen sich demnach fühlen wie angeschossene Hasen. Die genaue, äußerst traurige Lebensgeschichte von Ronald liest sich wie folgt: In den frühen 60ern sponserte der Franchise-Nehmer Oscar Goldstein aus Washington DC eine Kindershow mit dem Namen Bozos Circus. Der Hauptdarsteller in dieser Show war ein Clown, gespielt von einem Darsteller mit dem Namen Willard Scott. Nachdem die Show auslief, heuerte Goldstein Willard Scott als McDonalds Maskottchen Ronald McDonald an. Das Maskottchen wurde mit einer landesweiten Werbekampagne bekannt gemacht und Scott zeitgleich durch einen anderen Darsteller ersetzt. In der offiziellen Firmenlegende hat Ronald McDonald den Titel Hauptverantwortlicher für Fröhlichkeit (Chief Happiness Officer) inne. Da stellt sich umgehend die Frage: Wenn Ronald McDonald Hauptverantwortlicher für Fröhlichkeit im Hause McDonalds ist, wie viel Humor hat dann die Chefetage? 43


Doch eigentlich ist Ronalds Aufgabe auch nur sekundär Fröhlichkeit, primär soll er das Happy Meal (früherer deutscher Name: Juniortüte) promoten. Das wird nur niemand aus dem Haus zugeben wollen, der konformistische Clown Ronald McDonald am wenigsten. Trotzdem ist dieser Witz von einem Clown der berühmteste Vertreter seiner Zunft in der westlichen Welt. Der amerikanische Autor Eric Schlossers berichtet in seinem erfolgreichen Buch Fast Food Nation, dass rund 96 Prozent der amerikanischen Schulkinder Ronald McDonald erkennen. Lediglich Santa Claus wird häufiger erkannt. Wem eigentlich der Titel bekanntester Clown gebühren sollte, ist Charlie Chaplin. Chaplins Kunstfigur der Tramp hat seine Clownsmontur bereits abgegeben, er tarnt sich mit dem Frack, dem Spazierstock und der Melone, jedoch bleibt diese äußerliche Verwandlung nur mäßig erfolgreich, der Frack ist zu klein, die Schuhe zu groß, innerlich unterscheidet er sich doch aufs schärfste von den Rumtreibern und Landstreichern, die man mit einem Tramp assoziieren würde, am auffälligsten bleibt da das Bemühen der Figur, sich selbst in den unglücklichsten Situationen der Bürgerlichkeit zuzuordnen. Chaplin verdeutlicht dies, indem er seinen Tramp peniblen Reinlichkeitsritualen aussetzt. Der Tramp kämmt sich, wäscht sich, bürstet den Staub von seinem Frack und bereitet haarsträubend pedantisch sein Frühstück zu. Zeitweise hatte auch Chaplin harte, grausame Züge mit in seinen Humor aufgenommen. So benimmt sich der Tramp in den frühen Kurzfilmen oft schlecht gegenüber Menschen, die auf der gesellschaftlichen Leiter noch unter ihm stehen. Dieses »Treten nach Unten« so Chaplin, ist der natürliche Verlauf. In City Lights (1931, R. Charles Chaplin) wird der Tramp, im tadellosen Smoking, vom Butler seines Millionärsfreundes wieder mittellos auf die Straße gesetzt. Um einen Zigarrenstummel von der Straße zu kratzen, stößt er einen Obdachlosen zur Seite, der sich gerade nach dem Straßenfundstück bücken wollte. Fassungslos muss der Landstreicher erkennen, dass er augenscheinlich von einem Edelmann um den Tabakrest geprellt wurde. »Der stets ge-

beutelte Tramp empfindet weder Mitleid noch Solidarität, sondern hat gelernt, Selbstbehauptungswillen zu beweisen.«1 In den Elendsvierteln, in denen Chaplins Filme oft spielen, geht der Gewinn des einen nicht selten zu Lasten des anderen. Während Chaplin sich über das wiedergewonnene Geld freut, mit dem er sein Lebensglück verwirklichen kann, steht neben ihm der Würstchenverkäufer vor den Trümmern seiner Existenz (A Dogs Life, 1922, R: Charles Chaplin). »Chaplin ist in seiner komödianti-

schen Darstellung sozialer Realität keineswegs harmlos. Man denke nur an die Szene in Easy Street (1917, R: Charles Chaplin), in der ein Halunke sich eine Drogenspritze setzt und daraufhin versucht, die mildtätige Missionsfrau zu vergewaltigen.«2 Chaplins Figuren

»Der Dandy muss sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterbrechung erhaben zu sein.« 3 Wie dieser vor dem Spiegel leben und schlafen muss, so muss das Spiel des Clowns ununterbrochen sein, wie die Arbeit des Trapezkünstlers in der Erzählung Erstes Leid bei Kafka, der, um auf Reisen nicht aus der Übung zu kommen, die Fahrten oben im Gepäcknetz zubringt.

Ich strebte zu der Stadt im Süden hin, von der es in unserem Dorfe hieß: »Dort sind Leute! Denkt euch, die schlafen nicht!« »Und warum denn nicht?« »Weil sie nicht müde werden.« »Und warum denn nicht?« »Weil sie Narren sind.« »Werden denn Narren nicht müde?« »Wie könnten Narren denn müde werden?« »Die Narren sind wachsam, die strengsten unter ihnen haben sich der Revolte verschrieben.«4 Bei Chaplin bekommt diese Revolte etwas zutiefst Humanes.

»Zur satirischen Allegorie überhöht sich der Protest gegen die arrogante Moral der Reichen und Mächtigen zu Beginn von City Lights: Ausgerechnet von einer Statuengruppe, die dem Frieden und Wohlstand gewidmet ist, wird der arme Tramp vertrieben. Er hat an diesem Ort keine Bleibe.« 5 Der Tramp, die Figur Chaplins, revoltiert oft auf dem untersten Niveau, aber das Resultat der Revolte ist die gänzliche Unabhängigkeit der Figur, was den meisten Armen nur schwer gelingen mag. Charlie – und das macht ihn zum Zeitgenossen der Moderne – ist aufsässig und unabhängig, Herr seiner selbst und kein Untertan. Die Selbstbestimmung seiner Persönlichkeit ist so ausgeprägt, dass er, wie in dem Film Modern Times (1936, R: Charles Chaplin) sichtbar, eben nicht für die Arbeitsorganisation der Industriegesellschaft zu verwenden ist. Chaplin benutzt zur Darstellung dieser Revolte auch den ständigen Wiederauftritt seiner Figur: dort ist er wieder, der Tramp,

»[...] der ungeachtet aller Widrigkeiten Unversehrte und Unversehrbare, der Unverwüstliche und Unverwundbare, der ewig Überlebende.« 6 Wenn er mit dem im alpinen Bereich unbrauchbaren Spazierstock an einem mit Schnee bedeckten Gebirgsvorsprung entlang wandert, müssen wir keine Angst um ihn haben. Er scheint weder zu frieren noch wird der Bär hinter ihm ihm etwas zuleide tun. (Wie in der Eingangssequenz zu The Gold Rush, 1925, 3 Charles Baudelaire: Mein entblößtes Herz 4 Günter Bose und Erich Brinkmann: Circus. Geschichte und Ästhetik einer niedern Kunst

1 Roman Mauer: Hunger und Träume des Tramps

5 Thomas Koebner: Vom Kunststück des Überlebens

2 Roman Mauer: Hunger und Träume des Tramps

6 Thomas Koebner: Vom Kunststück des Überlebens

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sind durch die Bank keine reinen moralischen Wesen, seine Figuren sind immer komplexe Charaktere. Die vordergründige Leichtigkeit, mit der es Chaplin immer wieder schafft,

Heterogenes zusammenzufügen, kommt aus einer großen Anstrengung und bedarf unablässiger Übung. Günter Bose und Erich Brinkmann bemerken in einem kurzen Kapitel ihres Buches Circus über den Clown: Der perfekte Clown spielt seine Rolle also 24 Stunden und hat dabei am besten vergessen, dass es nur eine Rolle ist. Seine Arbeit, will sie gelingen, darf hinter der des Dandys nicht zurückbleiben.


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R: Charles Chaplin) Chaplin beherrscht im Gegensatz zu Ronald, der gar keinen Humor besitzt, verschiedene Arten von Humor, neben dem hintersinnigen und ambitionierten nämlich auch den derben oder den üblichen. Doch Vorsicht, wird durch den Facettenreichtum nicht auch der gewöhnlichste Scherz vom Zuschauer hinterfragt? Ist der Scherz jetzt allgemein gemeint, oder lauert mehr dahinter? Wenn Chaplin also mit dem Hintern in Wasserbecken, Badewannen oder andere Behälter mit flüssigem Inhalt fällt, ist das nicht nur die typische Clownsmanier, charakterisiert durch die geringe Standfestigkeit des Tramps in einer moralisch und sozial scheinbar gefestigten Umwelt, sondern könnte auch eine Wiederholung des frühkindlichen Erlebens meinen. Das Einnässen würde demnach also fernab von aller komödiantischen Routine eine lustvolle Erinnerung an die Zeit vor der zivilisatorischen Selbstkontrolle sein. Erwachsene Menschen, die sich zurück ins Kindesalter träumen, um die gesellschaftlichen Normen wieder ignorieren zu können, ist das nicht ein anarchischer Gedankengang?

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ie sieht der perfekte Humor aus? Chaplin hat einen Lehrfilm gedreht, der den Titel The Circus (1928, R: Charles Chaplin) trägt. In The Circus langweilen sich die Zuschauer mit den Clowns, sie sind nur leidlich komisch, ihre Gags Standardrepertoire. Da kommt der Tramp gerade richtig. Chaplin, im Film auf der Flucht vor einem Polizisten, flüchtet in die Zirkusmanege und landet auf dem Laufrad, auf dem er einerseits verzweifelt, andererseits auch den Polizisten zur Verzweiflung bringt. Das Publikum ist aus dem Häuschen. Der Zirkusdirektor wittert ein Geschäft und möchte den Rumtreiber engagieren, doch dann stellt er fest, dass dieser gar kein komödiantisches Talent besitzt. Die Komik ist die Tragik im Leben. Der Tramp ist nur dann komisch, wenn er er selbst ist, und zwar nur in einer Extremsituation. So muss der Tramp vor jeder Aufführung in eine solche Situation gebracht werden. Hilfreich ist ein Esel, der sich in den Tramp verliebt hat, dieser wird zum Auftritt losgelassen und jagt dem armen Tramp hinterher durchs gesamte Zirkuszelt. Die Menge applaudiert, zwar wissend, dass der arme Tramp von einem liebestollen Esel gejagt wird, jedoch von dem Wissen verschont, dass der Tramp selbst unglücklich verliebt ist und später sein Leben riskieren wird, um seine Angebetete für sich zu gewinnen. Dass der Tramp die Frau trotz seiner Mutprobe nicht bekommen wird, liegt in seiner Rolle begründet: Er ist der tragische Clown, keine allzu witzige Figur, wenn wir die Person dahinter kennen. Trotzdem wird er nicht verzagen, und es gibt Menschen, die noch schlechter dran sind: Die Clowns, die vorher das Publikum zum Lachen bringen sollten. In The Circus besteht keine böse Absicht des Tramps gegenüber den Zirkusclowns. Als die Clowns vom Direktor vorgeführt werden, damit sie ihre dilletantischen abgeschmackten Witze hinter sich bringen, ist dies vom Direktor einerseits dazu gedacht, den Tramp in die Rolle des Clowns einzuweisen, andererseits ist dies auch eine Demonstration der Hoffnungslosigkeit. Die-

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se Clowns sind am Ende. Auch der Zuschauer erkennt es auf den ersten Blick. Nur der Tramp kann sich vor Lachen nicht halten. Obwohl er sie mit seinem vorherigen Auftritt gerade zu Statisten degradiert hat, ist er ihr größter, wenn nicht einziger Fan. Für die Zirkusclowns gibt es jedoch kein Zurück mehr. In einem Anflug von Hysterie hat der Tramp in der Kuppel sämtliche Aufführungen der Clowns zerlegt, und nebenbei hat er auch noch den Magier entlarvt. Der Hasentrick: geschändet, das Spiel auf dem Laufrad: missbraucht. Man muss sich erst an das Tempo gewöhnen, mit dem das Chaos in die Manege einbricht. Am Ende entsteigen dem Zauberhut immer noch weiße Kaninchen. Die Manege gleicht einem Kleintierzoo. Jahrzehnte später wird Ronald McDonald Cheeseburger auf sein Tablett zaubern, und niemand wird es mitbekommen, wenn niemand gelacht hat. Werbung schaut man sich nicht an, Werbung erträgt man (wenn man hart genug ist).

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haplins Figuren waren Anarchisten und armselige Gestalten, Gaukler und Trinker, Täter und Opfer. Im richtigen Leben war Chaplin ein großer Akrobat, Tänzer und Clown, vor allem aber ein Mensch mit einer politischen Meinung und ein ruheloser Schürzenjäger. Letztere zwei Punkte haben ihm eher geschadet. Chaplin wurde von der antikommunistischen Hetze eines clownesk anmutenden Senators aus Wisconsin vertrieben und fand nie mehr nach Amerika zurück. Buster Keaton verlor frühzeitig die Kontrolle über sein künstlerisches Werk und resignierte schließlich, ein weiteres Opfer im HollywoodSystem. In Keatons und Chaplins Welt lagen Tragik und Komik, Erfolg und Enttäuschungen, Liebe und Hass direkt nebeneinander, und ihr persönliches Leben wurde dieser, ihrer Welt mehr als gerecht. Die gewalttätige, schizophrene Seite ihrer Kunstfiguren machte sich später in Stephen Kings ES als Pennywise selbständig (so wie sich bei Stephen King in Stark – The Dark Half das Pseudonym vom Schriftsteller abkoppelt und sich als böse Seite selbständig macht). Während sich Chaplins Tramp den Platz in der Gesellschaft erkämpfen wollte, während Buster Keatons Figur wie ein Außerirdischer durch unsere Welt turnte und versuchte zu verstehen, hatte das tatsächlich außerirdische ES keinen Bedarf mehr an sozialer Assimilierung. Zum Schein tarnte sich ES, trug Kostüm und Schminke, nahm Gestalt an, so wie Chaplin versuchte, Jacke, Hose und Hut sauber zu halten, um nicht als Landstreicher wahrgenommen zu werden. Chaplins Lachen stand dem eiskalten Gesicht und dem regungslosen Mundwinkel von Buster Keaton gegenüber, während der Mund von Pennywise nur noch zum Vernichten da war. Pennywise brauchte keine Pistole wie Keaton in The Frozen North. Pennywise riss kleine Kinder wie ein prähistorisches Monster allein mit seinen Raubtierzähnen. Doch was gibt es von Ronald zu vermelden? Ronald McDonald tritt in letzter Zeit nicht mehr mit Hamburglar und den anderen Gestalten aus dem McDonald-Land auf, sondern mit normalen Kindern in alltäglichen Situationen. Grimace und Hamburglar sind sicher nicht aus freien Stücken gegangen (Umfragen der Marketingabteilung stellten fest, dass

die Zielgruppe der Werbeclips diese Zusatzfiguren im Laufe der Jahre verstärkt lächerlich fand). Glauben würde man am liebsten: sie konnten den alten Cheeseburger aus dem Hut Zaubertrick nicht mehr ertragen. Ein gutes Signal für den gesunden Menschenverstand kommt aus Skandinavien. In Schweden haben sie Ronald McDonald schon das Handwerk gelegt: Wegen Bedenken von Kindermanipulation im großen Stil. Dass Blödsinn jedoch auch ohne Clownsmaske zu verbreiten ist, macht ein McDonald-Projekt mit der AOK deutlich. Die Stiftung Kindergesundheit führt in einem gemeinsamen Projekt mit der AOK, genannt PowerKids, Besuche in den McDonalds-Filialen durch. In den PowerKids-Kursen sollen Kinder zu sportlicher Aktivität angeregt werden. Im McDonalds Spiel werden von Kursleitern verschiedene Begriffe wie Apfeltasche, Mc Ribb oder Hamburger gerufen, worauf Kinder bestimmte körperliche Aktivitäten ausführen, wie sich übereinander auf den Boden zu legen, um einen menschlichen Hamburger zu bilden. Dass man Ronald McDonald unterstellen muss, für Mangelernährung und Fettleibigkeit von kleinen Kindern mitverantwortlich zu sein, bleibt unumstritten, mit seiner aalglatten und gebieterischen Art macht er sich jedoch frei von jedem Verdacht der eigenen Perversion. Ronald funktioniert wie ein Spiegel. So fällt alles Zweifelhafte an seiner Person letztlich auf den Arbeitgeber McDonalds zurück. Dabei sind die Strategien, die McDonalds zur frühkindlichen Kundenbindung einsetzt, wiederum nichts Ungewöhnliches in der westlichen Welt, das Ungewöhnliche ist der Erfolg dieses durchsichtigen Unterfangens. Damit bleibt in der Umkehrung nur zu konstatieren, dass eine Gesellschaft, die Ronald McDonald als berühmtesten Clown führt, eine pervertierte sein muss. Und es verstärkt sich damit der Verdacht Chaplins, dass man den Zirkus lieben und die Welt verachten muss.


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weezel, Diva, Moon Unit – wer seinen Kindern solche Namen gibt, kann entweder nur vollkommen bescheuert oder ein Clown sein – keine Frage. Wenn man dazu noch die folgende Defi nition von Clown wörtlich nimmt, dann war Frank Zappa nicht nur ein Clown, sondern DER Clown:

»Clowns sind Artisten, deren Kunst es ist, Menschen zum Erstaunen, Nachdenken und auch zum Lachen zu bringen.«1 Und da Clowns von jeher im eigentlichen Sinne Provokateure waren, fällt es einem noch leichter, Zappa als Clown zu bezeichnen. Er liebte es, ein Provokateur zu sein und andere zum Narren zu halten, und schließlich besaß er noch die drei wichtigsten Eigenschaften, die einen guten Clown ausmachen: Mut, ein übergroßes Ego und Intelligenz.

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http://de.wikipedia.org/wiki/Clown


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ein Auge zu oder man hatte es in der Tat als allererstes auf die aufkeimende Hip-Hop-Subkultur des schwarzen Amerikas abgesehen. Ein Zappa Song wie Bobby Brown wird hier zu Lande ständig im Radio gedudelt, obwohl der Text Analplugs, Natursekt, Sadomasochismus und Vergewaltigung nicht nur thematisiert, sondern direkt besingt. Was wie eine Ode an sexuelle Perversionen wirkt, ist im Grunde eine verbale Schelte an all jene amerikanischen Machos, die der Frauenbewegung keine lange Lebensdauer attestierten. Dennoch wusste Frank schon damals, dass es aus rein physikalischer Sicht nicht wirklich clever war, Büstenhalter zu verbrennen. Das Ergebnis dieses Befreiungsschlages findet sich heute, bei der passionierten EmmaAbonnentin, in der Höhe des Bauchnabels wieder.

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appa-Fans würden ihr Idol wohl nie als Clown bezeichnen. Nicht nur deshalb sind Zappa-Fans nach Dylan-Fans die schlimmsten aller Musikfreunde. Bob Dylan-Jünger haben im Gegensatz zu Zappa-Fans zwar ihr Studium, niemals aber die Suche nach sich selbst beendet. Die Taxifahrer hingegen, die ihr Studium der Musikgeschichte nach dem 14. Semester abgebrochen haben, haben sicherlich zwei bis drei Mal Zappas Kompositionen in einem Referat oder einer Hausarbeit vergewaltigt. Der Zappa-Fan verdient sich gerne mit seinem Flohmarktstand ein Zubrot, wo er an unwissende Kretains Erstpressungen und Vinylraritäten verscherbeln muss, um den mageren Taxifahrerlohn auszugleichen. Einen Stand weiter spuckt ein Dylan-Jünger Gift und Galle, weil die Frucht seiner Lenden den Jim-Morrison-Gedichtband dazu verwendet hat, den wackelnden Flohmarkttisch auszugleichen. Die Hippieära hatte sowohl Zappa als auch Dylan groß gemacht. Dylans Intention schien es gewesen zu sein, den Menschen mit seinem nasalen Gejaule solch einen Hörschaden zuzufügen, dass sie im Fall der Fälle den Schießbefehl gar nicht mehr hätten hören können. Zappa hingegen wandte sich recht schnell wieder von den Hippies ab und wollte nichts weniger als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden. Hätte ihm nicht der Krebs einen Strich durch die Rechnung gemacht, wäre er jedoch vermutlich an einer mangelnden Wählerschaft gescheitert. Zappa war niemals ein Mann des Volkes. Weder künstlerisch noch politisch. Dafür machte es ihm zeitlebens zu viel Freude zu tun, was immer er wollte. Wenn sein Publikum es ihm dankte, ging er nicht anders von der Bühne als wenn sie ihn ausgebuhten. Und das passierte mehr als einmal. Entweder weil er sich über sein Publikum lustig machte oder ihnen genau das Gegenteil von dem gab, was sie forderten. Aber genau das ist es, was man sich von einem Clown erhofft, das Unerwartete. Ein vorhersehbarer Witz ist immer nur dann lustig, wenn er unvorhersehbar vorgetragen wird. Wenn man es genau nimmt, dann erfüllte Frank wirklich jedes Klischee, das man von einem Clown im Kopf hat. Der im Grunde traurige Charakter, der sich nach der Vorstellung

HOW TO clown

Diese Attribute, kombiniert mit einem genialen musikalischen Geist, einem eigenen Humorverständnis und einer bis dato ungesehenen Virtuosität an der Gitarre, verschafften Zappa die Mitgliedschaft in den Untouchables, jener Kreis von Menschen, der sich fast alles herausnehmen kann, ohne Repressalien fürchten zu müssen. Clowns wie Charlie Chaplin oder Buster Keaton waren so etwas wie die Urmitglieder in diesem Club der intellektuellen Spaßmacher. Clowns sind, sofern sie ihren Job gut machen, eine Elite für sich, ein Kreis von Menschen denen man alles durchgehen lässt. Dreht man das Rad der Zeit zurück, so wird schnell klar, dass man damals jene, die sich über Klerus und König lustig machten, nackt über den Dorfplatz gedroschen hätte. Doch wenn einer sich das Gesicht bunt anmalt, lässt man ihn gewähren – bis zu einem gewissen Punkt. Dass christliche Würdenträger ihre Nase zwar überzeugt in die Bibel, ihr Glied jedoch ab und an auch mal in den Anus von kleinen Jungs stecken, dürfte aber vermutlich damals schon ein Tabuthema gewesen sein. Für Zappa war es das nicht. Er thematisierte alle Auswüchse menschlicher Perversionen und war als überzeugter Dadaist gegenüber jeder Subkultur oder Machtinstanz erhaben. Die Hippies, die ihm zu seiner eigentlichen Berühmtheit verhalfen, waren ihm ebenso ein Gräuel wie Politiker, Priester, Machos, Emanzen und Lobbyisten. Nicht nur, dass sie ihm zuwider waren, er konnte auch nicht umhin, jede dieser Randgruppen in seinen Texten zu parodieren. Diese satirischen Seitenhiebe untermalte er mit teils eingängigen, teils schwer verdaulichen Kompositionen, die jenes Genie offenbarten, für welches er in der Musikwelt vergöttert wurde. Hier jedoch manifestiert sich auch das Dilemma, mit dem fast jeder Künstler früher oder später einmal zu kämpfen hat. Zappa wollte, dass seine Kunst im Mittelpunkt steht und nicht nur die lustige Fassade, mit der er seine Kernaussagen ummantelte. Es hatte sich zwar schnell herumgesprochen, dass er, der den Clown gab, eigentlich ein musikalisches Genie war. Doch das allein reichte nicht aus, um seine Musik der breiten Masse zugänglich zu machen. Obwohl die Massen zu seinen Konzerten strömten, kauften sie nicht zwingend seine Platten. Sie wollten den Freak und Provokateur sehen, das musikalische Genie war für die meisten nur Beiwerk. Das Kinski-Syndrom, dessen verbale Entgleisungen und Wutausbrüche auch mehr geliebt wurden als die eigentliche schauspielerische Leistung. An Zappa liebten sie die provokante Art, die Satire, die in seinen Liedern immer mitschwang, und die Tatsache, nicht zu wissen, was sie erwarten würde. Dennoch wurde Frank Zappa, obwohl Enfant Terrible, zu einer geschätzten Persönlichkeit der amerikanischen Gesellschaft. So wurde zum Beispiel, als Tipper Gore den berühmten Parental Advisory-Sticker auf Schallplatten und CDs durchsetzte und Zappa sich öffentlich gegen jede Art der Zensur aussprach, er, der Urvater der Provokation, niemals zensiert. Entweder hielt man ihn nicht für wichtig genug, drückte einfach


HOW TO magazine   Ausgabe #3

in seine Kammer einschließt und das Leid der Welt beweint. Zappa zog es vor, sich einzuschließen und Tage, Wochen und Monate zu komponieren. Um anschließend das Zimmer zu verlassen, der Welt sein Werk zu präsentieren, zu provozieren und sich dann wieder einzuschließen. Er stänkerte gegen jeden, der nicht seine Weltanschauung teilte. Mit Menschen konnte er nicht einmal über einen gewissen Zeitraum hinweg zusammenarbeiten. Immer wieder tauschte er seine gesamte Band aus. Was er nicht austauschen konnte, war seine Familie. Das Erbe, das er hinterließ, ist vom künstlerischen Standpunkt aus gesehen eher erbärmlich. Keines seiner Kinder erbte sein Genie und auch seine unverkennbaren Charakterzüge übertrugen sich nicht auf sie. Diesen minderwertigen genetischen Nachlass glich er mit großartigen Platten, Kompositionen und Filmen wieder aus. So lange, bis es dem Kontrollfreak nicht mehr möglich war, auch das zu kontrollieren, was ihn von innen zerfraß. Kurz vor seinem Tod rief ein Reporter bei ihm an, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Er sagte darauf nur knapp: »Sie wagen es, mich zu stören, während ich ge-

rade meinen Krebs genieße?!« Ein guter Clown ist nur der, der Ironie auch gegen sich selbst zu richten vermag. Frank Zappa war ein genialer Clown.

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ch spreche nicht gern von meiner Schulzeit, zu bitter sind die meisten Erinnerungen daran. Und dabei spielt es keine Rolle, unter welchem politischen System und in welcher geografischen Lage ich die Bank drücken musste (ich hatte das große Glück, sowohl unter Honecker als auch unter Kohl, sowohl im erzgebirgisch-vogtländischen Niemandsland als auch in der westmünsterländischen Einöde meine Zeit abreißen zu dürfen) – beides war gleich schlimm. Nur in den Nuancen unterschieden sich die jeweiligen Unterdrückungsmaschinerien, in ihren spezifischen Ansätzen, den, der durch sie hindurchgehen musste, kleinzukriegen. Hier wie dort wurde mit Druck gearbeitet. Auf der einen Seite gab es die offene Repression, die bei einer Verweigerung dazu führen konnte, dass man sich das ganze restliche Leben versaute. Auf der anderen Seite wurden sublimere Mittel ins Feld geführt, die Vorgaukelung einer emotionalen Bindung mit dem Lehrkörper etwa, die schon mal in dem tränenerstickten Satz einer jungen Lehrerin gipfeln konnte:

»Jetzt bin ich aber enttäuscht.« Ein Glück, dass aus dieser Versuchsanordnung, aus diesem psychischen Extremexperiment, zu allen Zeiten und egal wo, eine Spezies emporgeschwappt ist, die das tägliche Grauen ein wenig erträglicher machen konnte; mehr noch, die aus dem Inneren des Systems heraus die Übereinkünfte unterlief und ihre eigenen Regeln ins Spiel brachte: der Klassenclown. 50

Ende der Sechziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts erlebte der Klassenclown seine erste – vielleicht nie wieder erreichte – mediale Glanzzeit. Die Lümmel von der ersten Bank traten auf die Mattscheiben der Bundesrepublik und vollführten ihre Streiche. Streiche waren das, die selbstverständlich immer im Rahmen des Erlaubten blieben – ein Zugeständnis an das Medium Fernsehen, in dessen Sinn es kaum liegen konnte, gesellschaftliche Randale auszulösen. Dennoch darf man nicht vergessen, dass zur selben Zeit auf den realen Straßen Frankfurts und Berlins andere Lümmel sich kampfbereit machten gegen ein Bildungs-, Erziehungsund Gesellschaftssystem, das sie – im mildesten Falle – als überkommen und leichenblass ansahen. Neben provozierenden Slogans galt hier auch der Pflasterstein als Argumentationshilfe. Doch allzu viel Realität schadet der Einschaltquote (eine Regel, die trotz aller heutigen Reality-Shows immer noch Bestand hat, denn was man da zu sehen bekommt, ist bestenfalls die Simulation von Realität). Und so flogen zwischen Oberstudienrat Dr. Gottlieb Taft und seinem Gegenspieler auf Schülerseite, Pepe Nietnagel, nur die Kalauer hin und her, ab und zu mal ein Schlüsselbund oder ein Kreidekasten. Was von den Filmen bleibt, die so selige Titel trugen wie Zum Teufel mit der Penne oder Pepe, der Paukerschreck, ist der Eindruck einer unerschrockenen Opposition gegen autoritäre Strukturen, gemischt mit dem Klamauk, der allzu


ernsthaften Absichten in Richtung einer dauerhaften Verschiebung der Machtverhältnisse von vornherein einen Riegel vorschiebt. Die Mittel, mit denen opponiert wird, sind dennoch die subversivsten, die es gibt. Kein offener Hass wird hier ausgelebt, keine handfeste Gewalt ausgeübt; der Akt der Ablehnung zeigt sich am unverfälschtesten im feixenden Gesicht eines Pubertierenden.

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chabernack. Ein schönes Wort. Es beschreibt die Streiche, die der Klassenclown treibt, womöglich am adäquatesten, da es sich etymologisch vom Hut der Schäfer – eben vom Schabernack – herleiten lässt. Ein Kleidungsstück, das Kopf und Nacken seines Trägers vor den Witterungsverhältnissen schützt. Andererseits kann es ihn auch ganz wörtlich im Nacken schaben – eine unangenehme Eigenschaft, die den Betroffenen unter Umständen zur Weißglut treibt. Und zur Weißglut treibt auch der Klassenclown seine Opfer. Ein unablässiges Schaben an wunden Punkten ist seine Königsdisziplin. Seine größte Freude ist es, den Status Quo, im momentlangen Aufblitzen eines gelungenen Streiches, außer Kraft zu setzen. Die Rückkehr zu den determinierten Kräfteverhältnissen ist jedoch unvermeidlich. Der Klassenclown weiß das. Und in diesem Wissen liegt die Tragik seiner Figur. Gleichzeitig zieht er aus ihm einen seltsamen Stolz, der seinem vorher51


bestimmten Scheitern eine gewisse Größe verleiht. Das Kollektiv, aus dem heraus der Klassenclown agiert, anerkennt seine Bemühungen und sieht in ihm seinen Vertreter gegenüber der Obrigkeit. Für einen schwerelosen Augenblick kann man sich, in den Faxen des Klassenclowns, der Illusion hingeben, man wäre nicht dem langen Arm der Autorität ausgesetzt. Schlimm hingegen wird es, wenn der Klassenclown den Absprung verpasst. Je älter er wird, desto merkwürdiger erscheint sein Gebaren. Das hat nicht bloß mit Konventionen zu tun, deren Verletzung man einem Kind oder Halbwüchsigen eher nachsieht als einem Erwachsenen. Vielmehr scheint der Klassenclown, wenn er eine bestimmte individuelle Altersschwelle überschritten hat, den Blick für die Wirkung seiner Aktionen zu verlieren. Er übertreibt seine Scherze, um es ganz banal zu sagen. Er spannt den Bogen so lange, bis die Sehne reißt und der Schuss nach hinten losgeht. Der Scherz (der nun keiner mehr ist, sondern eher eine böswillige Attacke) wird auf seinen Initiator zurückgeschleudert. Wobei der Klassenclown in den seltensten Fällen merkt, dass er sich im Grunde selbst angreift: an dieser Stelle, beim Überschreiten dieser letzten Grenze, transformiert er von einer tragischen zu einer nur noch abstoßenden, bisweilen sogar hassenswerten, Figur. Die perfekte Bühne für solche gefallenen Klassenclowns bietet einmal mehr das Fernsehen. Hier haben sich – besonders radikal während des zurückliegenden Jahrzehnts – Sendeformate herausgebildet, die mit nichts anderem hausieren gehen als mit dem zweifelhaften Charme des Klassenclowns, der seine Lage und seine Wirkung nicht mehr einzuschätzen weiß. Das Paradebeispiel dieser Form der Unterhaltung heißt Deutschland sucht den Superstar kurz: DSDS. Worum geht es hier? In einer Kulisse, die frappierend an eine heruntergekommene Zirkusmanege erinnert, befleißigen sich Jugendliche und Halberwachsene des mehr oder weniger unfallfreien Gebrauchs ihrer mehr oder weniger herkömmlichen Stimme. Das heißt, sie singen vor. Eine Jury sitzt rum, die sogleich die Darbietungen bewertet. Das Fernsehen selektiert, was bedeutet, dass man als Zuschauer natürlich nicht den kompletten Casting-Marathon mit mehreren Tausend Teilnehmern pro Austragungsort (keine Region Deutschlands wird ausgelassen – und aus den Dörfern rennen die Hoffnungsvollen in die Ballungs-

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zentren) zu sehen bekommt. Die Rosinen werden vorher herausgepickt. Und wie diese Rosinen beschaffen sind, kann man sich, wenn man die Funktionsweise des Mediums verstanden hat, leicht ausrechnen. Wie langweilig wäre es letztendlich, bekäme man nur begabte Sänger und Sängerinnen in einem flotten Showformat präsentiert. Niemand würde zuschauen. Und deshalb wird auf zwei Primärtugenden des Zuschauers gesetzt: auf den Voyeurismus und die Häme. Denn die, welche dort auf der Mattscheibe ihr vermeintliches Talent zu Schau stellen, sind von Anfang an dem Untergang geweiht. Sie versagen. Und ihr Versagen – das von den Machern im Vorfeld scharf kalkuliert wird – ist ihr Zugangsschein auf die Bühne. Nun könnte man meinen, dass unter diesen Voraussetzungen ein ideales Biotop für den Klassenclown geschaffen ist, der seinen Wirkkreis aus der relativ engen Nische eines kleinen Kollektivs medial bis ins Unendliche potenzieren kann. Doch es liegt in der Natur des Klassenclowns, dass er nur einzeln auftritt. Das, was ihn ausmacht, ist die strikte Abgrenzung zum Rest des Kollektivs. So sind also nicht die Kandidaten diejenigen, denen diese Rolle zufällt, sie sind bloß die Staffage für die Darbietungen eines einzelnen, großen, im Format auf Gottgleichheit getrimmten Klassenclowns – eine gänzlich neue Kategorie. Derjenige, der diese Rolle ausfüllt, heißt Dieter Bohlen und fungiert sozusagen als Juryvorsitzender. Sein Wort hat jenes Gewicht, das alle anderen Urteile vernichten kann. Er ist die fleischgewordene Geschmacksinstanz, die teilweise jeden Geschmack außer Kraft setzt. Aber der Reihe nach. Wer dieser Dieter Bohlen ist, weiß heutzutage nicht nur jedes Kind, sondern auch alle anderen, die einen Fernsehapparat in der Wohnung stehen haben oder ab und zu einen Blick in die Zeitung werfen. Dennoch ist es interessant, seine Entwicklung Revue passieren zu lassen, trägt sie doch durchaus die archetypischen Züge desjenigen, der vom – womöglich unfreiwilligen – Klassenclown zum gefallenen Klassenclown retardiert. Dieter Bohlen ist vom Fach. Das heißt, er ist Musiker, kann als solcher aber überhaupt nicht singen und beherrscht seine Instrumente bestenfalls mittelmäßig. Dies allein wäre noch nichts Außergewöhnliches. Schließlich sind die unbegabten Sangeskünstler, mit denen die Plattenindustrie einen Haufen Geld verdient, eine schnell anwachsende, sich immer wieder erneuernde Herde. Dieter Bohlen ist aber auch und vor allem Produzent. In dieser Funktion überblickt er die aktuelle Marktlage und sortiert all das gnadenlos und folgerichtig aus, was keine Rendite abzuwerfen verspricht. Das ist sein Beruf, und er übt ihn sehr erfolgreich aus. Geschmack und Stil zählen in dieser Hinsicht so gut wie nichts. Geradezu erstaunlich ist es zu sehen, wie Dieter Bohlen in dem Geschäft, über das er heute alles weiß und dessen Mechanismen er kontrolliert, begonnen hat. Er ging mit der größtdenkbaren Hartnäckigkeit und gleichsam wie die Unschuld vom Lande an sein Ziel heran. Man darf all die Modern Talking Klassiker nicht so sehr als gezielte Würfe auf den primitivsten Massengeschmack verstehen, wahr-


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scheinlicher ist, dass Bohlen zu dieser Zeit einfach das gegeben hat, was er in der Lage war zu geben. Der Erfolg gab ihm Recht, und fortan sah sich der diplomierte Kaufmann aus Ostfriesland (das muss ja auch mal gesagt werden) nicht mehr genötigt, seine Fahrtrichtung zu ändern. Es ging immer nur geradeaus. Als geradeheraus wird auch der Charakter Bohlens beschrieben. Selbst in einschlägigen Bastionen der Hochkultur, wie dem Spiegel etwa, liest man eine Entzückung über seine unverbiegbare Persönlichkeit. Solche Begeisterung kann durchaus befremden, nicht weil sie von unvermuteter Seite herrührt, sondern weil sich in ihr eine Kurzsichtigkeit offenbart, deren tiefster Grund stets die Oberfläche bleibt. Denn Bohlens Geradlinigkeit ist nichts anderes als eine über Jahre kultivierte, späterhin vollkommen autonom weiterlaufende Masche, die auf die Illusion der Stammtischatmosphäre im Haifischbecken der Pop- und Fernsehindustrie setzt. Bohlen hat diese Masche nicht mehr unter Kontrolle, er muss sie auch nicht unter Kontrolle haben, da sie ohnehin bar jeden Sinnes und unter Verzicht auf jede Zielgerichtetheit funktioniert. Lautstärke und wilde Rundumschläge genügen, um sich der eigenen Position zu versichern. Die Parallelen liegen deutlich auf der Hand. Bohlen ist der gefallene Klassenclown par excellence. Das kleine, noch intakte Kollektiv, in das sich jeder Klassenclown bei Bedarf wieder zurückziehen kann und das ihm überhaupt erst Kraft verleiht und Schutz gibt, existiert in seiner Position nicht. Es ist ersetzt durch eine allgegenwärtige Öffentlichkeit, die es ohne Unterlass zu bedienen gilt. Die Leichtigkeit des Witzes kann bei Bohlen nur eine gespielte Leichtigkeit sein, denn der Druck, der auf ihm lastet, ist einfach zu groß, um ihn ignorieren zu können. Dass Bohlen seine Rolle nicht als die eines Spaßmachers begreift, liegt ebenso auf der Hand. Dennoch bedient er sich der unablässigen Zote – weil er nicht mehr anders kann. Er hat sich als Figur institutionalisiert, und als solche muss er den Gesetzen gehorchen, die er selbst mit verabschiedet hat. Und weil ein konstant auf gleichem Level schwebender Schabernack irgendwann nicht mehr zieht, sind immer gröbere Unverschämtheiten gefordert. Der Klassenclown wird so zum gefallenen Klassenclown, Bohlen zum nickenden, stoisch sein Repertoire steigernden Diener der Rolle. Ein letzter Aspekt komplettiert schließlich das Bild der abstoßenden Variante des Klassenclowns. Denn man darf nicht vergessen, aus

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welcher Richtung der Witz herrührt und wo er einschlägt. Er kommt von oben und richtet sich stets nach unten. Das Machtgefälle ist hier von Beginn an umgekehrt. Nicht der Unterdrückte schlägt mit Worten und Kaspereien zurück und sichert sich so ein Mindestmaß an Selbstbewusstsein. Es ist nicht Pepe Nietnagel, der seinem Herzen Luft macht, sondern Oberstudienrat Dr. Gottlieb Taft hat das Heft in die Hand genommen und ist sich selbst der Erlöser und seinen Opfern der grausame Gott.

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s ist ein altes Lied, dass alles, was die Masse feiert und verehrt, schlecht ist und dem Untergang geweiht. So ließen sich auch DSDS und all seine Klone mit einer wegwerfenden Handbewegung ins Reich der medial aufgeblasenen Belanglosigkeiten verbannen. Das Phänomen des öffentlichen Exhibitionismus hat aber längst aus dem Feld der Medien übergegriffen in die alltägliche Selbstwahrnehmung des Publikums. Wenn jeder glaubt, mit seinen beschränkten Fähigkeiten zu Weltruhm gelangen zu können, sind die hierarchischen Regeln von Können und Dilettantismus außer Kraft gesetzt. Schlechte Zeiten sind dies für den Klassenclown (den echten), denn es bietet sich ihm keine Kollektiv mehr, dass ihn schützend wieder in die eigenen Reihen aufnehmen könnte, wenn seine Arbeit für den Moment getan ist. Wenn jeder der Klassenclown sein will, gibt es niemanden mehr, der seiner Streiche bedürfte. Und schlimmer noch: an die Stelle des Klassenclowns setzt sich, per eigener Verfügung, der gefallene Klassenclown. Er ist die Institution, an der kein Weg vorbeigeht. Die Hilflosigkeit aller anderen, die gepaart ist mit ihrem unbedingten Willen, immer und überall zu glänzen, wo sie doch höchstens angeglänzt werden, spielt ihm in die Karten. Der institutionalisierte Schabernack aber ist nicht witzig. Er ist bloß Gewalt und Machtausübung.


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Die Clown Army macht mobil. W

ir hören: GONG – Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau. Wir sehen: Jan Hofer. Demo, schwarzer Block, grüner Block. Pflastersteine, Tränengas, Wasserwerfer. Ein Molotow-Cocktail. Das medial tradierte Ritual einer linken Demonstration gegen Asylgesetze, Abschiebung, Nazi-Übergriffe, Atommülltransporte und so viele andere Ungerechtigkeiten. In den Nachrichten ist es entweder der ideologisch gefestigte Anarchosyndikalist mit Bakunin-Kenntnissen und Hang zum physischen Diskurs oder der Krawalltourist, der in der Anonymität der schwarzen Protestmasse zum Polithooligan wird. Gewalt ist zu erwarten. Entweder als Mittel, geheiligt durch den hehren Zweck, oder in Reinform zur Aufpolierung des Ego. Der kevlarbewehrte Uniformträger weiß, was er zu erwarten hat. Und er weiß vor allem, wie er sich verhalten muss. Er hat Taktiken trainiert, kennt strategische Verhaltensmuster, ist im Zweikampf geschult und braucht in einer Konfrontation wenig zu fürchten, denn zum einen ist das Recht auf seiner Seite und zum anderen die öffentliche Meinung. Vox populi: Die Provokation geht von den Vermummten aus. Denn wer sein Gesicht nicht zeigt, hat sicher etwas zu verbergen. Szenenwechsel. Gleneagles, Schottland im Juli 2005. Das 31. Gipfeltreffen der G8 unter Vorsitz von Tony Blair schreibt 55

sich Themen wie Klimawandel und Entschuldung der Dritten Welt auf die Agenda. Ein wenig angeschoben durch die pop-musikalischen Gutmenschen Sir Bob Geldof, Sir Bono und unseres vergleichsweise schlichten Herbert aus Bochum mit deren Live 8 Aktion. Bemerkenswerte Randnotiz: Der Führer der freien Welt, George W., stürzt bei einer Mountainbike-Ausfahrt und verletzt dabei einen Polizisten. Verhaftet wird er trotz dieses tätlichen Angriffs nicht. Währenddessen protestieren 200 000 Menschen für das Ende der Armut in der Dritten Welt in Edinburgh unter dem Motto »Make Poverty History« . Ein großer Teil dieser Demonstranten macht sich dann auch auf den Weg nach Auchterarder, um sich dort bei den Staatschefs der acht führenden Wirtschaftsmächte Gehör zu verschaffen. Ihnen wird das größte Polizeiaufgebot entgegengestellt, das Großbritannien in Friedenszeiten je mobilisiert hat. Unterstützt von Geheimdiensteinheiten des MI5 und selbst der Antiterroreinheit SAS. In der Menge der Globalisierungsgegner befinden sich auch einige Aktivisten, die nicht dem gängigen Bild des Linksdemonstranten entsprechen. Bunte Farbe im Gesicht, Lockenperücken, Pappnasen, überdimensionierte Schuhe und bewaffnet mit Seifenblasen und Spritzpistolen. Kichernd stolpert die Clandestine Insurgent Rebel Clown Army zum ersten Mal in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Karneval im calvinistischen Schottland? Eher nicht. Verdutzt stehen die Beamten in Formation und lassen sich den Staub von ihren Schutzschildern wedeln. Sie sehen sich einer Streitmacht gegenüber, die nicht nach den eingespielten Mechanismen der Konfrontation und Provokation agiert, sondern imitiert, parodiert und persifliert. Denn genau das ist die Taktik der Clown Army, die in den Big Shoe Camps gedrillt wird. Es ist eine Taktik, auf die die Staatschützer in Unform und Zivil nicht eingestellt sind. Es ist eine Form des politischen Aktivismus, der versucht, die


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gische Herkunft per se definiert. Von vielen als Anarchisten bezeichnet, ist die Selbsteinschätzung eine andere. Sie sehen sich als Horizontalisten, engagiert für eine Gesellschaft ohne Führung. Sie erleben eine absurde Gesellschaft, die im dauerhaften Kriegszustand ist. Ein Krieg von Geld gegen Leben, Profit gegen Würde und Fortschritt gegen Zukunft. Diesem alltäglichen Krieg muss eine Armee aus Clowns begegnen, denn

»was bleibt einem anderes übrig, als ein Clown zu sein in dieser bescheuerten Welt … aber ein Clown alleine ist eine bemitleidenswerte Figur, aber in Batallionen sind sie außerordentlich gefährlich«. Sie wollen dort, wo »Bomben versagen, mit verächtlichem Gelächter siegen« www.clownarmy.org

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nd mit welchem Erfolg? Einige Polizeisperren wurden in Schottland und Heiligendamm aufgelöst und umgangen durch die Clowns und deren unterhaltsame Schmeicheleien. Kleinigkeiten. Aber vor allen Dingen haben sie es geschafft, das öffentliche Bild des Globalisierungsgegners um eine Nuance zu erweitern, die es den Medien schwerer macht, den gewaltbereiten Chaoten zum bestimmenden Element ihrer Berichterstattung zu stilisieren. Die ästhetische und aktionistische Berechenbarkeit des schwarzen Blocks wird abgelöst durch die telegene Spontaneität der Clown Army, der unterhaltsamsten Gefahr für das kapitalistische Establishment.

Nächster Auftritt im Tourneekalender ist übrigens Tokio. Im Sommer 2008. Beim nächsten G8 Gipfel.

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uralte Kunstform der Clownerie in Einklang zu bringen mit der neueren Praxis der gewaltfreien direkten Aktion. Es ist noch nicht mal Widerstand, der in den Vordergrund gestellt wird, sondern vielmehr der Versuch zu verdeutlichen, wie absurd und ineffizient die Rituale der Macht und der Gegenbewegung mittlerweile geworden sind. Stellte sich traditionellerweise eine Hundertschaft in den Weg einer Demonstration, war es eingespielte Praxis, dass sich der harte Kern nach vorne bewegt und entweder versucht durchzubrechen oder selbst Barrikaden errichtet, um mit Molotowcocktails gegen Tränengas und Wasserwerfer einen Grabenkampf anzuzetteln, der nur verloren werden kann. Die Clown Army rückt in einer solchen Situation auch nach vorne, direkt auf die Polizistenwand zu. Allerdings schenkt sie dort den Polizisten Blumen und verziert die Schutzschilde noch mit lachenden Gesichtern aus Wachsmalkreide. Besonders beliebt zur »Gefahrenabwehr« ist der Kessel. Subversive und bedrohliche Elemente einer Demonstrantenmasse werden eingekreist und so isoliert. Die bislang handelsübliche Gegenmaxime war natürlich der Versuch auszubrechen oder eingekesselte Aktivisten herauszuziehen. Die Clown Army reagiert anders. Sobald Freunde in der Ringelreihe der Polizei eingefasst sind, interpretieren sie dies als einen exklusiven Kreis der Freude, in den sie unbedingt hineingelangen müssen. Dies tun sie dann auch unter lautem Gejauchze. Nicht nur lässt dieses Verhalten den einzelnen Beamten perplex zurück, es unterminiert auch diese Polizeitaktik, da, was als Darstellung des Gewaltmonopols gedacht ist, nun offensichtlich jeden Schrecken verloren hat. Solche und ähnliche Aktionen tragen unmittelbar zur Deeskalation eines potentiellen Brandherdes bei. Sie helfen aber vor allem beiden Seiten, den nächsten wichtigen Schritt zu machen, nämlich zu hinterfragen, welche Aufgaben sie eigentlich leisten sollen. Was soll eine Demonstration bewirken? Inwiefern muss sich die Polizei entgegenstellen? Wen oder was will sie eigentlich schützen? Und vor wem? Viel zu einfach war es bislang, sich vor der Öffentlichkeit auf gewaltbereite Chaoten zu berufen. Und schnell war auch die Clown Army mit dem Label gefährlich behaftet. Als beim G8 Gipfel 2007 in Heiligendamm die Clown Army auf die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern und Bundesgrenzschutz trifft, werden acht Polizisten mit Verdacht auf Verätzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Ein subversiver Säureanschlag, wie man ihn sonst nur aus dem ukrainischen Präsidentschaftswahlkampf kennt? Mitnichten. Dass Seifenlauge in den Augen brennt, weiß jedes Kind. Deswegen darf Pustefix auch erst an Kinder ab vier Jahren verkauft werden. Aber es macht eben auch schöne Seifenblasen. Nur, was wollen diese Clowns eigentlich? Das ist die Frage, die sowohl Medien als auch Staatsapparate vornehmlich bewegt. Denn so undurchsichtig und unvorhersehbar ihre Aktionen sind, so unklar ist auch das, was dahinter steckt. Sie sind ein heterogener Haufen, der sich nicht durch ideolo-


Was macht ein Clown mit einer Rolle Tesafilm Ein Beitrag von Tilman Glatz, Lukas Breitkreutz, Wolf MĂźller und Max Hathaway

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Peter, wo bist du gerade?

Peter Shub ist freier Schauspieler, Regisseur und vor allem Clown – und zwar ein äußerst erfolgreicher. Seine Job-Referenzliste liest sich wie ein internationaler Veranstaltungskalender erster Klasse. Eine kleine Auswahl der Produktionen und Comedy-Shows, in denen Peter unter anderem aufgetreten ist: RTL Samstag Nacht, Just For Laughs – Montreal, Opera Company of Philadephia, Roman Polanskis „Amadeus“, Circus Roncalli. Für sein Comedy-Solo „Nice Night for an Evening“ erhielt er auf dem internationalen Theaterfestival in Cannes den Preis der Jury. Außerdem wurde er mit dem prestigeträchtigen Silver Clown Award des internationalen Monte Carlo Circus Festivals ausgezeichnet.Exklusiv für das HOW TO Magazin sprach Aishah mit Peter – nachdem sie sich noch neue Batterien für ihr neues Diktiergerät besorgen musste, das sie auch dringend nötig hatte. 61

In meiner Küche. Vorher war ich im Wohnzimmer, aber da ist es zu laut. Wir haben Gäste. Ich bin in Hannover, das ist mein Zuhause. Ich habe eine deutsche Frau kennen gelernt, als ich auf Tour war, und sie geheiratet. Naja, und jetzt stecke ich hier fest, in Hannover. Aber so schlecht ist das nicht: Ich habe ein Haus und ein paar Kinder, die mich in Schwung halten.

Du bist ständig auf Tour, habe ich gesehen. Ja, ich bin immer unterwegs.

Apropos Hannover: Du unterrichtest dort an der Clownschule … Und nicht nur da. Ich unterrichte an Theaterschulen in ganz Deutschland. Ich war in Berlin, bald bin ich in Wiesbaden, und Ende des Jahres werde ich in der Schweiz unterrichten, an Dimitris Schule.

Kann man sich dafür entscheiden, ein Clown zu werden, oder muss man als Clown geboren werden? Es gibt so viele Klischee über Clowning – warum eigentlich? Es heißt, dass man als Clown geboren sein muss, dass Clowns traurige Menschen sind. Das stimmt einfach nicht, da ist ganz viel Kitsch im Umlauf. Meiner Meinung nach sind gute Clowns in erster Linie gute Schauspieler. Und Schauspielen kann man lernen. Vielleicht haben einige Menschen eine bessere Veranlagung als andere, haben ein gewisses Potential, aber in der Schule kann man daran arbeiten. Dort lernt man zu schauspielen, und


das muss man auch, um ein guter Clown zu werden. Eine Garantie ist es nicht, jeder hat da seine eigenen Ansichten. Ich denke aber, dass man, um gutes Clowning oder gute Comedy zu machen, zusammen mit anderen Menschen lernen muss. Von einem Lehrer, einem Meister. In einer Gruppe. Es ist eine Kunstform. Wie Ballett.

Ich habe gehört, dass man, wenn man ein guter Clown werden will, Balance lernen muss – und später, wie man diese wieder verliert. Stimmt das, und lehrst du das? Körperkontrolle? Du musst deinen Körper unter Kontrolle haben. Du musst ihn kennen. Aber das ist nicht genug, du brauchst auch Ideen. Worum es geht, ist Technik. Das bedeutet: Körperbewegung, Körperbeherrschung, Körperbewusstsein. Das verbindest du mit deiner kreativen Idee, und schließlich verschmilzt du sie auf der Bühne. Vor allem musst du Spaß daran haben. Clowning muss dir Freude machen.

Ich komme also zu dir in den Unterricht. Was lerne ich in der ersten Stunde? Zunächst einmal möchte ich behaupten, dass Clowns keine besonderen Menschen sind. Es ist umgekehrt: jeder Mensch ist ein besonderer Clown. Jeder hat einen Clown in sich, der nur darauf wartet auszubrechen. Ich denke, dass die meisten Leute durchs Leben gehen und sich damit auseinandersetzen, wer sie sind und was sie machen wollen. Dabei verschwenden wahrscheinlich die wenigsten einen Gedanken daran, dass sie mit Comedy überleben oder Geld verdienen könnten. Also wäre das Ziel der ersten Stunde, dass wir versuchen würden herauszufinden wer du wirklich bist. Wir würden dich dazu bringen, dir deine Gewohnheiten bewusst zu machen. Wie du gewohnt bist zu denken und dich zu bewegen. Danach kannst du eigentlich machen, was du willst. Wir versuchen herauszufinden, welches die Regeln – wenn es denn welche gibt – der Comedy sind. Was bringt Menschen zum Lachen? Und, wenn sie erstmal lachen, was können wir tun, damit sie weiter lachen? Dann stellen wir fest, dass es sehr wohl ein paar Regeln gibt. Eine ist, dass man die gesellschaftlichen Normen lernen muss – welches Verhalten wird gemeinhin akzeptiert?

Um diese Regeln dann wieder zu brechen?

Was ist für dich ein Clown? Jemand, der menschlich ist. Und demütig. Der ehrlich ist – und gleichzeitig naiv. Es ist jemand, den wir mögen, der lustig ist. Die Aufgabe eines Clowns ist am Ende immer, dass sich sein Publikum wohl fühlt. Und dass es lacht.

Was, würdest du sagen, unterscheidet einen Clown von einem Comedian? Der Comedian ist vielleicht keine so naive Figur wie der Clown, oder? Genau, der Comedian behält mehr die Kontrolle. Er weiß, was er tut. Er ist ein Schlawiner, der herumtrickst. Der Clown ist wahrscheinlich eher einer, der uns zum Lachen zu bringen versucht, indem er versagt. Er will zum Beispiel seinen Hut aufheben und bückt sich nach ihm. Und jedes Mal, wenn er sich bückt, kickt er ihn weiter weg. Er versucht es vielleicht drei oder vier Mal, und dann stolpert er, macht einen Purzelbaum – und landet in seinem Hut. Und wenn er dann aufsteht, hat er den Hut auf dem Kopf.

Er kommt zufällig zum Ziel. Jedenfalls mache ich mir keinen Kopf darüber, wer wie zu sein hat. Ich sehe, dass die Grenzen immer mehr verschwimmen, es gibt immer mehr Berührungspunkte von Clown und Comedian. Es ist mir ziemlich egal, solange die Person auf der Bühne nicht langweilig ist. Die Langeweile ist der Feind, weißt du. Oh, und man sieht so viel davon im Fernsehen, zu viel Comedy ohne physische Basis – das ist einfach zu intellektuell, viel zu textfixiert. Man muss zurückfinden zu einer physischen Ausdrucksweise.

Oftmals ist der Clown derjenige, der lustig ist und die Leute unterhält, während der Comedian sein Publikum verstört und sich über die Menschen lustig macht. Das ist eine ganz schöne Verallgemeinerung. Obwohl ich im Grunde deiner Meinung bin. Aber es gibt eben eine Menge schrecklicher Clowns und großartiger Comedians.

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Ja, das ist eine Möglichkeit, Comedy zu machen. Ein Beispiel, wie gesellschaftliche Regeln gebrochen werden, zumindest in der westlichen Gesellschaft: Die meisten Eltern bringen ihren Kindern bei, nicht mit Essen zu spielen: »Benimm dich bei Tisch, mit Essen spielt man nicht, Essen isst man!« Du wirst dafür bestraft, wenn du mit Essen wirfst. Und dann gehst du raus, deine Eltern gehen mit dir in den

Zirkus und bezahlen auch noch viel Geld dafür. Um was zu sehen? Leute, die mit Essen in der Gegend herumwerfen. Wir lachen, weil wir Menschen sehen, die etwas tun, was wir nicht tun dürfen oder nicht tun können.


Durch das Internet kann heutzutage jeder ganz einfach Selbstdarstellung betreiben und seine fünf Minuten Ruhm haben. Was denkst du über solche Dinge wie YouTube? Keine Ahnung, ich beschäftige mich nicht so viel damit. Ich weiß, ich sollte es vielleicht, auf YouTube geht eine Menge ab. Aber je mehr Zeit die Leute vor dem Computer sitzen, desto weniger gehen sie raus. Das ist einfach nicht dasselbe.

Klar, menschliches Verhalten kann man nur mit allen fünf Sinnen studieren. Du musst RAUS gehen!

Schaffst du es überhaupt noch rauszugehen? Ich bin immer draußen. Warum denn nicht, ich trete abends auf und habe den ganzen Tag frei. Wenn ich nicht gerade probe, dann bin ich die ganze Zeit draußen. Ich sitze in Cafès, besuche Freunde, gehe im Wald spazieren… ich wohne gleich neben dem Wald, es ist so schön …

… dein imaginärer Hund muss ja auch raus, mit dem gehst du bestimmt viel Gassi. Genau, der ist meine Entschuldigung, um rauszukommen.

Du hast das Klischee des »traurigen Clowns« vorhin angesprochen. Du selbst hast einmal gesagt: »Ich bin vielleicht der traurigste Mensch auf der ganzen Welt.« War das als Provokation gemeint? Spieltest du auf ein Stereotyp an? Ich habe das im Zusammenhang mit dem Tod meines Sohns gesagt. Es hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Und mich mit meinen sehr traurigen Gefühlen in Berührung gebracht. Ich denke ständig an ihn, und selbst wenn ich auf der Bühne stehe, dann kann es vorkommen, dass ich dabei an ihn denke. Obwohl ich versuche, im jeweiligen Moment völlig anwesend zu sein. Manchmal überkommt mich eben diese Traurigkeit, und ich versuche, damit umzugehen – wie mit jedem anderen Gefühl auch. Und dennoch: Freude und Spaß gewinnen immer wieder die Oberhand. Wenn ich gerade traurig bin, dann lasse ich diese 63


Traurigkeit zu und arbeite damit. Ich gestehe mir zu, auch in der Traurigkeit Freude zu finden. Dann habe ich gewonnen. Wenn ich zuließe, wirklich traurig zu sein und Trauer mit Traurigkeit zu bekämpfen, wäre ich tot, ich wäre langweilig. Und ich würde nicht überleben. Denn das Publikum schert sich reichlich wenig darum.

Offensichtlich bist du wahnsinnig witzig – und auch sehr traurig. Ist das nicht zwingend notwendig? Nicht so sehr um zu kompensieren, sondern vielmehr um eine Balance zu schaffen? Ich schaffe definitiv eine Balance, und die brauche ich auch. Und dann muss sie wieder gebrochen werden. Beides ist wichtig.

Die Balance finden, sie brechen – kontrolliertes Chaos – ist diese Ambivalenz nicht merkwürdig oder beinahe schizophren? Für dein Clowning ist das etwas Gutes. Ich meine, das ist natürlich subjektiv, aber je merkwürdiger du bist, desto besser. Es geht um viele Kleinigkeiten, die Details deines Charakters. Wenn du bist, wie jeder andere Clown auch, bist du nicht auf dem richtigen Weg. Du wirst langweilig sein. Du musst auf natürliche Art und Weise auffallen. Eine ordentliche Portion Schizophrenie ist sehr hilfreich – wenn du dabei gleichzeitig klar bist, dann hast du eine lange Karriere als Clown vor dir.

Machen dir deine Auftritte immer noch Spaß? Das tun sie. Trotz des Todes meines Sohns genieße ich das, was ich fühle. Da ist diese schreckliche Katastrophe in meinem Leben, und es existiert aber auch die Freude. Ich fühle beide Extreme, beide Pole.

Dass du so offen darüber sprichst, schätze ich. Es tut mir sehr leid. Aber ich sehe: du überlebst. Ja, ich überlebe. Es ist unglaublich, das hätte ich vorher nicht gedacht. Wenn man solche Geschichten gehört hat, dachte man immer, wenn mein Kind stirbt, dann werde ich nicht weiterleben können. Aber da lag ich wohl falsch. Ich denke, viel hängt davon ab, was für ein Mensch du vorher warst. Das Leben geht dann doch weiter.

gezwungen, eine deiner Clown-Requisiten zu verkaufen. Welche würde das sein, und wie würde die Zeitungsanzeige lauten? Ich würde meine Hundleine für den unsichtbaren Hund verkaufen. Naja, ich habe ungefähr 50 von der Sorte, und ich würde nur eine davon verscherbeln – für sehr viel Geld. In der Anzeige stünde: »Ich muss mein Baby verkaufen.«

Peter, eine letzte Frage: Du wachst eines Tages auf, total pleite, und du siehst dich

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Entladung South Central Los Angeles ist eines der schlimmsten Ghettos der USA. Hier fanden schon in den 60er Jahren die gewalttätigsten Rassenunruhen statt, die Amerika seit dem Bürgerkrieg erlebt hatte. Nachdem 1992 der Schwarze Rodney King von Polizisten beinahe zu Tode geprügelt wurde, brannte South Central erneut. Heute regieren Gangs wie die Crips und die Bloods die Straßen, wöchentlich sterben Menschen auf dem Weg zum Supermarkt oder zum Bus im Kreuzfeuer der Drogenhändler. Aber auch das ist South Central. Auf einem Spielplatz stehen um Mitternacht Dutzende von Jugendlichen zusammen. Einer tritt hervor und tanzt sich – von den anderen angefeuert – innerhalb von Sekunden in eine ekstatische Trance. Der Körper zuckt wie unter Starkstrom, die Extremitäten fliegen mit schwindelerregender Geschwindigkeit in alle Himmelsrichtungen. Die Menge johlt und wendet sich dann einem anderen jungen Mann zu, der gegenüber auf einem Autodach den Tanz seines Vorgängers beantwortet und zu übertreffen sucht. Das geht so weiter, stundenlang. Es werden keine Drogen gehandelt, es fallen keine Schüsse, es gibt nur Musik und Tanz.

Tom my the Clown »

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Ekstase Krumping und Clowning – die gewaltlose Fortsetzung des Hip Hop in einer universellen KÜrpersprache

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aus der Frankfurter Rundschau vom 10. September 2006

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or etwa dreizehn Jahren ist, kurz nach den Rodney King Unruhen, in South Central völlig unterhalb des Medien-Radars eine neue und faszinierende TanzSubkultur entstanden. Erst seitdem in diesem Sommer der Dokumentarfilm des Modefotografen David La Chapelle über die Clowning und Krumping genannten Tänze in die Kinos kam, wird über diese Bewegung auch außerhalb von L.A. gesprochen. Dabei ist Clowning und Krumping nicht weniger als eine Revolution des Hip Hop. Der Urvater des Phänomens war der entlassene Strafgefangene Thomas Johnson, genannt Tommy the Clown. Tommy suchte nach einem Ausweg aus der Kriminalität und so kam er auf die Idee, etwas für die Ghetto-Kinder von South Central zu tun. Er zog sich eine bunte Perücke und ein Kostüm an, schminkte sich und trat bei Geburtstagsfeiern auf. Was an Tommy anders war als an jedem anderen Partyclown, war, dass er cool war. Er trug Turnschuhe, brachte Hip Hop Musik mit und tanzte dazu einen neuen, lustigen Tanz. Der ehemalige Drogendealer Tommy war schnell beliebt in South Central. Immer mehr Jugendliche schlossen sich ihm an und bald hatte Tommy eine ganze Truppe von Hip Hop Clowns und zu ihren Auftritten bei Festen kam das halbe Stadtviertel. Doch als seine jungen Mittänzer älter wurden, wurde ihnen das Clowning zu brav. Tight Eyez, einer der Protagonisten von La Chapelles Film und Miterfinder des Krumping, etwa sagt: »Wir haben schon immer härter

getanzt, unser Stil war wilder und schneller. Deshalb sind wir aus dem Clowning ausgestiegen und haben unser eigenes Ding gemacht.« Heute gibt es Dutzende rivalisierender Krumping-Gruppen in South Central. Was geblieben ist, ist zum einen die

« Tänzer der Clowning und Krumping Szene

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Spontaneität: An jeder Ecke und zu jeder Zeit kann auf den Straßen von South Central plötzlich ein Krumping-Battle losbrechen. Zum anderen bleiben die Krumper weiterhin der Philosophie des Urvaters Tommy the Clown verpflichtet: Krumping versteht sich als positive Alternative zum Gang-Leben, zu Gewalt, Drogen und Kriminalität . »Es ist

schwer, aus nichts etwas Positives zu schaffen, aber wir haben das geschafft«, sagt die Tänzerin Lil’ C. »Es hilft beim Überleben. Ich bin 22, bin nicht im Knast, bin noch am Leben und nicht drogenabhängig – das können in South Central nur wenige behaupten.« Die Gemeinschaft der Krumping-Gruppen hilft den Tänzern, im Geist von Tommy the Clown, nicht abzurutschen. Ein ebenso wirksames Mittel im Kampf gegen Nihilismus und Selbstzerstörung ist jedoch das Tanzen selbst. »Die zuckenden, sich windenden Leiber«, sagt Professor Robin Kelley, Kulturanthropologe an der New Yorker Columbia University, »verleihen erlittener psychischer und physischer Gewalt eine künstlerische Form.« Das Krumpen macht den gepeinigten Körper sichtbar, es macht unmittelbar, was es bedeutet, hilflos und machtlos zu sein, ohne Perspektive ins Leben geschickt zu werden. Tight Eyez, der als Sohn einer Crack-abhängigen Mutter aufgewachsen ist, formuliert das so: »Krump ist alles, was Du

durchgemacht hast. Es ist alles, was Du bist, alles, was wir sind.« In den Krump-Sessions kommt die existentielle Grunderfahrung von Schmerz zum Ausdruck. Gleichzeitig wird sie kathartisch gelöst. Das Zucken und Winden ist ekstatisch, die Tänzer treten in einen Tranceartigen Zustand ein. Die umstehende Menge heizt die Tänzer auf und umgekehrt, es kommt wie bei Voodoo-Zeremonien oder afrikanischen Stammestänzen zu einer kollektiven Energieentladung. »Es ist, anders als Hip Hop, sehr spirituell«, sagt Professor Kelley.


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er Filmemacher David La Chapelle hat seinen Aufnahmen von den Krumping-Sessions Filmmaterial von nubischen Tänzen gegenübergestellt und dabei frappierende Ähnlichkeiten gefunden. »Die machen exakt die gleichen Bewegungen wie wir«, sagte Lil’ C verblüfft, nachdem sie die Aufnahmen gesehen hatte. »Das jagt einem eine Gänsehaut über den Rücken.« Robin Kelley erklärt das so: »Es gibt bestimmte Grundformen, die im

sozialen Tanz in Afro-Diaspora-Kulturen immer wiederkehren.« Krumping ist so etwas wie eine soziale Urform, eine universelle Körpersprache. Allerdings ist die Sprache des Krumping nicht nur afrikanisch. Es integriert Tanzbegriffe aus vielen Körpersprachen. So entwickelte sich Krumping etwa zuerst vom Clowning weg, als die Krumper Bewegungen von Striptease-Tänzern in ihren Tanz integrierten. Der Haupteinfluss bleibt jedoch der Hip Hop: »Krumping ist tief im Hip Hop verwurzelt«, sagt Robin Kelley. »Die Musik, zu der getanzt wird, ist

Hip Hop und viele der Bewegungen kennt man vom Breakdance. Sie sind nur verfremdet und beschleunigt.« Mit der heutigen Hip Hop Kultur wollen die Krumper allerdings nichts zu tun haben. Die Gangsta-Pose von 50 Cent oder The Game finden die Krumper ebenso abstossend wie die Tatsache, dass Rap ein globales Entertainment-Produkt geworden ist, das überall nachgeahmt wird. Die spezifische soziokulturelle Bedeutung, die Hip Hop vor 30 Jahren in der South Bronx einmal hatte, hat er längst verloren. Ob Krumping diesen Weg vermeiden kann, ist allerdings ebenso zweifelhaft. »In dem Augenblick, in dem sie mit David

La Chapelle gesprochen haben, haben sie die Kommerzialisierung besiegelt«, glaubt Robin Kelley. Den unvermeidlichen Weg auf einen weltweiten Entertainment-Markt findet der Wissenschaftler jedoch nicht eindeutig negativ. »Das Tanzen hat vielen von diesen Kids

eine Perspektive eröffnet, als Künstler zu leben. Das ist erst einmal etwa Gutes«, meint Robin Kelley. So hat Tight Eyez mittlerweile eine eigene T-Shirt-Marke, Lil’ C tritt in Christina-Aguilerra-Videos auf, ihre Partnerin Miss Prissy geht mit The Game auf Tour. »Wer so aufgewach-

Tom my the Clown »

sen ist, der fragt nicht zweimal, wenn er ein Angebot bekommt«, sagt Kelley dazu. Sorge um die Korruption der Kunst durch den Markt ist ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. David La Chappelle drückt das so aus:

» Ich weiss nicht, ob der Erfolg diese Kids verdirbt. Ich weiss nur, dass Misserfolg und Scheitern sie garantiert kaputt macht.« HOW TO clown

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HOW TO clown Ausgabe #3 ISSN 1864-8614 Herausgeber: Tim Klinger Zschochersche Str. 79b, 04229 Leipzig Gestaltung und Satz: MEAN DESIGN, Leipzig, meandesign.com Posterdruck: Druckcooperative, Karlsruhe, druckcoop.de Poster und »Buchpack«-Veredelung: flock-in GmbH, Wiesloch, flock-in.com Magazindruck: Druckerei Friedrich Pöge e.K., Leipzig Aufl age: 750 Stk.

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HOW TO magazine Ausgabe #3

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