Kompass Jänner | 2021

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Spezial

Trauer

Trauer erLeben Neue Perspektiven finden nach einem Verlust Unser Leben ist voll von Verlusten, von Anfang an. Unser natürlicher Instinkt ist es, uns und unsere Lieben vor dem damit einhergehenden Schmerz zu beschützen. Fehlen die kleinen Verlusterfahrungen im Alltag, verlernen wir den Umgang mit Trauer und Gefühlen. T E X T: G A B R I E L A M A I R A M T I N K H O F

„Trauer ist ein Flüstern in der Welt, und ein Lärmen im Inneren“. (Anna Quindlen) Trauer bleibt so oft unausgesprochen, sie ist ein gesellschaftliches Tabu. Das macht es so schwer, Trauer zu begreifen und ihr den Raum zu geben, den sie für eine heilsame Entwicklung braucht. Wenn wir dem Thema mehr Platz geben und uns der Endlichkeit öffnen, wird es einfacher, trauernden Mitmenschen zu begegnen und ein Freund zu sein. Damit wäre schon sehr viel geholfen. Trauer ist ein Gefühl! Trauer ist weder eine Störung noch eine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion auf einen endgültigen Verlust. Dieser Verlust muss nicht nur der Tod eines lieben Menschen sein. Trauerreaktionen treten auch auf, wenn ein geliebtes Haustier stirbt, wenn eine Freundschaft/Ehe zerbricht, wir die Arbeit verlieren oder weit weg ziehen muss, wenn wir in Rente gehen oder die Kinder das Haus verlassen. Einschneidende Ereignisse wie z.B. auch die Covid-Krise haben oft eine so starke Wirkung auf die Psyche, dass wir auf unsere herkömmlichen Abwehrmechanismen nicht mehr zurückgreifen können.

Wir brauchen die Trauer und die einzige Heilung von Trauer ist es zu trauern! Sobald wir es schaffen, den Verlust zu akzeptieren und in unser Leben zu integrieren, können wir uns wieder neu orientieren. Das ist ein Prozess, der sehr intensiv und kräfteraubend ist. Und der weh tut. Aber nur der Weg durch diesen Schmerz wird 30

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Trauern ist manchmal wie ein Schneckendasein: man will sich verkriechen, bei kleinsten Hindernissen sofort den Rückzug suchen und es manchmal dennoch wagen aus seinem Schneckenhaus herauszukommen.

ihn auch heilen. Der Schmerz muss gepflegt und gewürdigt werden. Das ist die Voraussetzung, dass er sich verändern kann.

Gefühle muss man fühlen, nicht unterdrücken. Sonst wären es ja „Gedrückte“. Es gibt in all der Ohnmacht, Hilflosigkeit, Orientierungslosigkeit, dem Chaos kein Richtig und kein Falsch und jeder trauert auf seine Weise. Es braucht Zeit und vor allem den Mut, die Gefühle zuzulassen. Weinen ist ausdrücklich erlaubt! Tränen sind kein Zeichen der Schwäche. Der, der weint ist stark, auch wenn er sich in diesem Moment schwach fühlt. Jedes Gefühl hat seine Richtigkeit und soll uns helfen. Angst z.B. warnt vor Gefahr, Zorn hingegen ist eine natürliche Reaktion auf eine Ungerechtig-

keit. Er soll Kraft geben, uns der Wirklichkeit zu stellen. Wenn wir Gefühle zulassen, können sie ihren Zweck erfüllen und uns helfen. Wenn wir sie hingegen unterdrücken, entsteht „Druck“ und dieser kann entweder explodieren oder sich nach innen wenden und sich krankhaft auswirken. Es ist eine absolute Notwendigkeit, auch Freude in der Trauer zuzulassen. Es geht anfangs um die kleinen „guten“ Minuten, in denen sich die Psyche erholen kann. Freude in der Trauer zu empfinden heißt nicht, die Realität zu leugnen oder gar die Verbindung zum Verstorbenen zu brechen. Es ist ein Grundbedürfnis und auch eine Wertschätzung an die gemeinsame Zeit davor. Achten Sie auf ein gutes Stützgerüst! Was hilft mir, Angst-Zorn-TrauerFreude zu zeigen? Was brauche ich,


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