Kompass Mai | 2022

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Spezial

Fleischkonsum und Tierwohl

Weniger tut gut: zurück zum Sonntagsbraten Fleisch aus Massentierhaltung hat zunehmend ein Imageproblem. Wie kann ein zukunftsfähiger Fleischkonsum aussehen?

T E X T: S I L K E R A F F E I N E R

Bis vor wenigen Jahrzehnten war Fleisch ein Nahrungsmittel für besondere Anlässe. Heute ist es – in unseren Breiten – ein Billigprodukt, das täglich leistbar ist. Möglich macht dies die Massentierhaltung, die möglichst billig möglichst viel produziert, aber damit unermessliches Tierleid, die Zerstörung von Regenwald, den massiven Einsatz von genmanipulierten Pflanzen und Pestiziden und klimaschädliche Treibhausgasemissionen verursacht. In Deutschland und Österreich liegt der jährliche Pro-Kopf-Verzehr derzeit bei 57 bzw. 63 Kilogramm Fleisch und Fleischwaren. Das ist mit rund 1,2 Kilogramm pro Woche zwei bis vier Mal so viel, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung als Obergrenze für einen gesunden Fleischkonsum empfiehlt (300 bis 600 Gramm pro Woche). Ein zu hoher Fleischkonsum wird mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Die Planetarische Ernährung (Planetary Health Diet) hat den Anspruch, die Gesundheit aller Menschen auf der Erde und die Gesundheit des Planeten zu erhalten: Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen bilden die Basis der Ernährung, Fleisch kann in geringen Mengen (maximal 15 Kilogramm pro Kopf und Jahr) gegessen werden. Denn wenn mehr pflanzliche und weniger tierische Produkte auf den Teller kommen, wird weniger Fläche für die Erzeugung von Futtermitteln benötigt. Es steht mehr Fläche für den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln zur Verfügung und und es werden weniger klimaschädliche Treibhausgase 28

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emittiert. Außerdem könnten Millionen von Todesfällen verhindert werden. Auf individueller Ebene wählen immer mehr Menschen eine vegetarische oder vegane Ernährung. Auch auf globaler Ebene muss eine zukunftsfähige Ernährung mit deutlich weniger Fleisch auskommen, als heute in den reichen Ländern üblich ist.

Das Riesenschnitzel hat ausgedient Der ungehemmte Konsum von billigem Fleisch fragwürdiger Herkunft und Qualität verursacht tierquälerische Haltungsbedingungen, heizt die globale Erwärmung an und schädigt die eigene Gesundheit. Das Lebensmittel Fleisch sollte wieder mehr Wert erhalten und auf dem Teller zur „Nebensache“ werden: kleine Portionen, weniger oft. Eine bis zwei Portionen Fleisch pro Woche sind ausreichend – ein Zurück zum Sonntagsbraten ist angesagt.

Klasse statt Masse Wird Fleisch weniger oft und in geringeren Mengen gekauft, dann sind

Vegan ist modern, die Begründungen dafür vielfältig: Mitgefühl, gegen Gewalt, für die Tiere, für den Planeten, für die Menschen

qualitativ hochwertige Produkte aus tiergerechter Haltung leistbar. Wenn nicht mehr so viel Masse produziert werden „muss“, wird es möglich, auf Produktionsweisen umzusteigen, die die Umwelt weniger stark belasten und den natürlichen Bedürfnissen der Tiere besser entsprechen.

Qualität hat ihren Preis Ein Tier benötigt Platz, gute Bedingungen im Stall, regelmäßigen Auslauf ins Freie. Bis zur Schlachtung muss es monatelang gefüttert werden. Die Schlachtung sollte möglichst schonend für das Tier ablaufen. Das alles ist mit Kosten verbunden und nicht zu Dumping-Preisen zu haben. Extrem niedrige Preise sind ein Hinweis auf Tierleid, schlechte Futtermittelqualität und Ausbeutung des Personals in den Schlachthöfen.

Tiere sind mehr als nur Filet und Brust Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden alle essbaren Teile von Tieren genutzt. Heute landen fast nur Edelteile wie Filet und Brust auf un-


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