Der wissenschaftliche Kenntnisstand zum Mammographie-Screening
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MammographieScreening Patienten-Information
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening Vorwort Im Rahmen des österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramms werden alle Frauen zwischen 45 und 69 Jahren jedes 2. Jahr zu einer Mammographie-Untersuchung eingeladen. Im Umfeld informieren Aussendungen von Krankenversicherern, staatlichen Institutionen, aber auch von Organisationen wie der „Krebshilfe“ zum Thema und fordern zur Teilnahme an der „Brustkrebsvorsorge“ auf. Die Teilnahme an Screening-Untersuchungen sollte stets freiwillig und ohne Zwang erfolgen – nach einer ausgewogenen Aufklärung, die eine informierte Entscheidung der PatientInnen (Shared decision making) ermöglicht. Informationen müssen daher unter gleichwertiger Betonung des möglichen oder aber auch des fehlenden Nutzens bzw. des möglichen Schadens vermittelt werden. Dieses Merkblatt liefert die notwendige Information über den potentiellen Nutzen und Schaden des Mammographie-Screenings und soll Frauen befähigen, zu entscheiden, ob sie am Screening teilnehmen möchten oder nicht. Darüber hinaus stellt der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger auf www.frueherkennen.at eine offizielle Informationsbroschüre zur Verfügung. Inzwischen sind für viele Frauen regelmäßige Selbstuntersuchung, Tastuntersuchung durch den Arzt/die Ärztin und Mammographie schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Wer sich jedoch mit Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen auseinandersetzt, stößt auf widersprüchliche Informationen und Empfehlungen. Es ist wichtig, zu wissen, dass weder die Selbstuntersuchung bzw. der Tastbefund noch die Mammographie Brustkrebs verhindern können – sie können lediglich unterstützen, diesen in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen1.
>> So nutzen Sie diese Patienten-Information
•• Sie möchten einen Überblick über den aktuellen Stand wissenschaftlicher Untersuchungen zum Thema Mammographie-Screening? Lesen Sie Seite 3. •• Sie sind nur an Fakten interessiert, die den wissenschaftlichen Kenntnisstand zusammenfassen? Auf der Rückseite finden Sie eine entsprechende Faktenbox. •• Sie suchen grundsätzliche Informationen zum Thema Brustkrebs & Krebsfrüherkennung? Lesen Sie Seite 4–13. •• Sie interessieren sich für Hintergrund-Informationen? Lesen Sie zusätzlich Seite 14–19.
1 Püringer, U et al.: Vorsorge Neu – Internationale wiss. Grundlagen zum Programm der Österreichischen Vorsorgeuntersuchungen. Herausgeber: Wissenschaftszentrum Gesundheitsförderung/Prävention der VAEB, Mai 2005, S. 136. Das Handbuch steht im Internet unter http://www.sozialversicherung.at/vorsorgeuntersuchung-grundlagen zum Download bereit.
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Kurz & bündig Das Nordische Cochrane Zentrum fasste die Resultate bisheriger wissenschaftlicher Untersuchungen 2012 wie folgt zusammen2: Es kann vernünftig sein, sich an einem Brustkrebs-Screening zu beteiligen. Es kann aber ebenso vernünftig sein, sich nicht daran zu beteiligen, da das Screening sowohl nützen, als auch schaden kann. Um die richtige Wahl treffen zu können, muss jede Frau das Für und Wider des Brustkrebs-Screenings kennen. Nutzen: Wenn sich 2.000 Frauen im Lauf von 10 Jahren regelmäßig einem Screening unterziehen, wird eine Frau einen Nutzen daraus ziehen, da sie vermeidet, an Brustkrebs zu versterben. Schaden: Gleichzeitig werden 10 gesunde Frauen durch das Screening unnötigerweise zu BrustkrebsPatientinnen und deshalb behandelt. Diesen Frauen wird man entweder einen Teil oder die ganze Brust abnehmen; häufig werden sie nachbestrahlt, manchmal auch einer Chemotherapie unterzogen. Ferner wird bei 200 Frauen ein falscher Alarm ausgelöst. Die psychische Belastung bis zur endgültigen Abklärung, ob tatsächlich ein Krebs vorliegt, kann gravierend sein. Diese Zahlen wurden randomisierten Studien zum Mammographie-Screening entnommen. Seit deren Veröffentlichung hat sich die Therapie für Brustkrebs jedoch wesentlich verbessert. Neuere Studien weisen darauf hin, dass das Mammographie-Screening möglicherweise nicht mehr effektiv genug zu sein scheint, um das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, zu senken. Durch das Screening werden gesunde Frauen, die nie irgendwelche Zeichen von Brustkrebs entwickelt hätten, zu Brustkrebs-Patientinnen gemacht. Die Behandlungen dieser Frauen erhöht ihr Risiko, z. B. an einer Herzkrankheit oder einem (anderen) Krebsleiden zu sterben. Es scheint daher inzwischen weniger sinnvoll zu sein, sich an einem Screening-Programm zu beteiligen. In der Tat: Wenn eine Frau nicht am Screening teilnimmt, reduziert sie ihr Risiko, eine Brustkrebsdiagnose zu erhalten. Dessen ungeachtet werden manche Frauen weiterhin am Screening teilnehmen wollen.
2 Gøtzsche PC et al., Nordisches Cochrane Zentrum: „Screening für Brustkrebs mit Mammographie“, Nov. 2012, Übersetzung von René Grosheintz-Laval. © The Cochrane Collaboration, S. 3. http://www.cochrane.dk/screening/mammografi-de.pdf, letzter Abruf: 13. 01. 2014
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening >> Der Begriff „Screening“ Unter Screening (englisch für Durchsieben) versteht man in der Medizin eine Reihenuntersuchung von Bevölkerungsgruppen, um festzustellen, ob einzelne Personen eine bestimmte Erkrankung – idealerweise in einem möglichst frühen Stadium – haben oder ob ein Risiko dafür besteht, daran zu erkranken. Die dabei verwendeten Tests ermöglichen in den meisten Fällen noch keine Diagnose, sondern veranlassen gegebenenfalls weitere Untersuchungen. Die Treffgenauigkeit von Screenings variiert stark; das Ideal, 100 % der Erkrankten als krank und 100 % der Gesunden als gesund zu erkennen, kann trotz aller Sorgfalt nie erreicht werden. Bei keiner Screening-Methode ist es vermeidbar, dass ein Teil der krankhaften Befunde nicht erkannt wird („falsch negative Befunde“) und dass bei in Wirklichkeit Gesunden ein krankhafter Befund erhoben wird („falsch positiver Befund“).
>> Brustkrebs
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Krebserkrankungen entstehen durch eine krankhaft veränderte Zellteilung. Wenn neue Zellen ungebremst wachsen und alte Zellen nicht mehr absterben, entsteht ein Tumor. Überschreiten die Tumorzellen natürliche Gewebegrenzen, wird der Tumor als invasiver Brustkrebs oder invasives Karzinom bezeichnet. Zellen invasiver Karzinome sind in der Lage, Absiedelungen in anderen Organen (Metastasen) zu bilden. Es gibt noch keine vollständige wissenschaftliche Erklärung für die Ursachen von Brustkrebs. Er entwickelt sich sehr unterschiedlich, und diese Entwicklung hängt von der Art und den Eigenschaften der Krebszellen ab. Während manche Karzinome nur sehr langsam wachsen und einige Karzinome sogar ihr Wachstum einstellen, gibt es andere, die schnell wachsen und ihre Zellen im Körper verbreiten. Wie hoch ist das Erkrankungsrisiko? Das häufig genannte Risikoverhältnis, dass eine von acht Frauen an Brustkrebs erkrankt, ist irreführend, weil es nichts über das gegenwärtige Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, aussagt. Es stellt vielmehr das lebenslange Risiko einer Frau von der Geburt bis zu ihrem 90. Lebensjahr dar. Verzerrende Angaben wie diese tragen mit Schuld daran, dass Frauen ihr Brustkrebsrisiko – etwa im Vergleich zu ihrem Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen – extrem überschätzen. Während in der Altersgruppe der 30- bis 34-jährigen Frauen nur etwa eine von 5.000 Frauen während des folgenden Jahres an Brustkrebs erkranken wird, beträgt das Ein-Jahres-Erkrankungsrisiko in der Altersgruppe der 50- bis 55-jährigen Frauen rund 1 : 600 und steigt kontinuierlich an 3 Patienten-Leitlinie Brustkrebs. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Dachgesellschaften e. V., der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und der Deutschen Krebshilfe e. V. 2010
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bis zu einem Risiko von etwa 1 : 300 für Frauen in der Altersgruppe von 75 bis 79 Jahren.4
Abb. 1: Zahl der Brustkrebs-Neuerkrankungen/Todesfälle in Tirol 1988–2010 (Anm.: Zahl der Todesfälle 1994 nicht publiziert)
Wie hoch ist das Risiko, an Brustkrebs oder anderen Ursachen zu sterben? Der Umgang mit Risiken und Ungewissheit macht Menschen große Schwierigkeiten. Es kann hilfreich sein, sich über das Ausmaß der verschiedenen Risiken genauer zu informieren. Mit dem Rauchen aufzuhören, hat zum Beispiel unvergleichlich mehr Nutzen als die Mammographie. Von 2.000 Frauen, die 50 Jahre alt sind, sterben innerhalb von 10 Jahren5: Todesursache
Nichtraucherinnen Raucherinnen
Brustkrebs ohne Mammographie
8
8
Brustkrebs mit Mammographie
7
7
Gebärmutterhalskrebs
2
2
Darmkrebs
4
4
Lungenkrebs
4
42
Herzinfarkt
12
38
Gesamtsterblichkeit
42
160
4 Püringer, U et al.: Vorsorge Neu, S. 134 5 Unter der Annahme, dass die altersspezifischen Erkrankungsverhältnisse von 2011 gelten.
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening >> Die Mammographie Eine Mammographie ist eine Röntgen-Untersuchung der Brüste – mit dem Ziel, Brustkrebs bei Frauen frühzeitig zu erkennen, um ihnen früher eine Therapie anbieten zu können. Dieses Screening kann bei Frauen sowohl Zuversicht, als auch Verunsicherung auslösen: Ein unauffälliges Resultat gibt der Frau die Zuversicht, gesund zu sein. Andererseits kann schon die Einladung an sich Verunsicherung hervorrufen. Das Mammographie-Screening kann also ebenso nutzen, wie schaden. Deshalb sollte jede Frau für sich selbst das Für und Wider bewusst abwägen.
>> Möglicher Nutzen Die regelmäßige Teilnahme am Mammographie-Screening kann Brustkrebs nicht verhindern, möglicherweise jedoch das Risiko senken, daran zu sterben. Eine systematische Übersicht der aussagekräftigen Studien zum Mammographie-Screening ergab: •• Wenn 2.000 Frauen 10 Jahre lang regelmäßig zum Screening gehen, wird eine6 Frau einen Nutzen daraus ziehen, da sie nicht an ihrem Brustkrebs stirbt, weil er durch das Screening früher erkannt wurde. •• Für einige Frauen werden Operation und Nachbehandlung weniger ausgedehnt ausfallen, weil das Screening einen Brustkrebs früher erkannt hat. •• Für viele Frauen ist es beruhigend, zu erfahren, dass sie einen unauffälligen Mammographiebefund haben.
>> Möglicher Schaden
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•• Die Brust wird zur Röntgenaufnahme zwischen zwei Platten gepresst. Dies dauert zwar nur kurz, aber für rund die Hälfte der Frauen ist das schmerzhaft. •• Es werden auffällige Befunde gestellt, die sich erst im Laufe von Tagen und Wochen als falsch positive Befunde herausstellen. •• Überdiagnosen: Mit Mammographie werden auch Tumore gefunden und behandelt, die sich zu Lebzeiten der Frauen nie bemerkbar gemacht hätten.
6 Die sich aus den Studien ergebende rechnerisch exakte Angabe lautet 1,4 Frauen. 7 Gøtzsche PC et al.: „Screening für Brustkrebs mit Mammographie“, S. 5, 6. http://www.cochrane.dk/screening/mammografi-de.pdf
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Was bedeutet „falsch positiv“ bei einem Testergebnis? „Falsch positiv“ ist ein Fehlalarm – die Patientin ist trotz eines positiven Testergebnisses nicht erkrankt. Eine von 30 Frauen8, die einmalig eine Mammographie-Untersuchung durchführen lässt, wird einen falsch positiven Befund erhalten9. Wenn 2.000 Frauen 10 Jahre lang regelmäßig zum Screening gehen, dann werden 200–38010 gesunde Frauen einem falschen Alarm ausgesetzt. Bis diese Frauen erfahren, dass es sich um einen falschen Alarm handelt, sind sie einer starken seelischen Belastung ausgesetzt.
Etwa 9 von 10 Frauen mit auffälliger Mammographie haben keinen Krebs (Abb. 2)11. Welche Folgen hat ein falscher Alarm? Wenn das Röntgenbild etwas aufzeigt, das einem Brustkrebs entsprechen könnte, wird die Frau zusätzlichen Untersuchungen unterzogen. In einigen Fällen stellt sich dabei heraus, dass das, was auf dem Röntgenbild auffällig war, gutartig ist, es sich folglich um einen falschen Alarm handelt. In einem Zeitraum von 10 Jahren passiert das bei einer von 5–10 Frauen. Bis bekannt ist, ob es sich tatsächlich um Krebs handelt, kann die psychische Belastung massiv sein: Die betroffenen Frauen sind ängstlich, besorgt und niedergeschlagen und viele leiden an Schlafstörungen. Ferner kann es zu Störungen im Verhältnis zur Familie und zu Freunden oder Bekannten kommen; die Sexualität kann durch eine Abnahme der Lust gestört werden. Diese Probleme können Monate lang anhalten. Manche Frauen werden sich langfristig krankheitsanfällig fühlen und dadurch vermehrt Ärzte aufsuchen.
8 Diese Zahlen sind altersabhängig unterschiedlich. 50–54 Jahre: 1 von rd. 23, 55–59 Jahre: 1 von rd. 31, 60–64 Jahre: 1 von rd. 34, 65–69 Jahre: 1 von rd. 33. Quelle: Mammographie-basierte Brustkrebsfrüherkennung Universität Graz, EbMReview-Center 2013, S. 17 9 Mammographie-basierte Brustkrebsfrüherkennung - Recherche und Aufbereitung von Kennzahlen für eine informierte Entscheidung, Medizinische Universität Graz, EbM-Review-Center 2013, S. 31. 10 Gerd Gigerenzer (Harding Center for Risk Literacy) nennt hier 200 von 2.000, das EbM-Review-Center in Graz errechnet altersabhängig je 2.000 Frauen: 40–49 Jahre rd. 386, 50–59 Jahre rd. 324, 60–74 Jahre rd. 300. 11 http://www.brustkrebs-info.de/patienten-info/index.php?datei=patienten-info/mammographie-screening/screening_ nutzen.htm, letzter Abruf: 13. 01. 2014
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening Überdiagnosen Mammographie entdeckt auch Tumore, die aufgrund ihres langsamen Wachstums nie zu einer schwerwiegenden Krebserkrankung geführt hätten (Überdiagnose). Da es jedoch nicht möglich ist, zwischen den gefährlichen und den harmlosen Zellveränderungen und Krebsformen zu unterscheiden, müssen derzeit alle behandelt werden. Deshalb werden mehr Frauen ihre Brüste verlieren (Übertherapie), wenn ein Screening-Programm besteht, als wenn es kein solches gibt. Den betroffenen Frauen wird man entweder einen Teil oder die ganze Brust abnehmen, häufig werden sie nachbestrahlt, manchmal auch einer Chemotherapie unterzogen. Diese Behandlungen erhöhen für die an sich gesunden Frauen das Risiko, z. B. an Herzkrankheiten oder einer anderen Krebserkrankung zu sterben.12,13 Grundsätzlich sind sich die Experten einig, dass Überdiagnosen beim Mammographie-Screening unvermeidlich sind. In der verfügbaren Literatur werden die Zahlen der Überdiagnosen mit einer Schwankungsbreite von 1 bis 30 % der im Screening diagnostizierten Brustkrebsfälle angegeben. Aus wissenschaftlicher Sicht ist derzeit nicht eindeutig zu entscheiden, welche Zahlen die Realität am besten abbilden14. Berechnet man die Überdiagnosen-Rate nur aus den Studien mit höherer Datenqualität15, so ergeben sich bei 2.000 durch 10 Jahre gescreenten Frauen 15 Überdiagnosen und Übertherapien in einer Gesamtbeobachtungszeit von 13 Jahren. Bezieht man die Resultate weniger exakter Studien mit ein, errechnen sich 10 Überdiagnosen je 2.000 Frauen. Details dazu finden Sie im Anhang. Falsche Sicherheit Nicht alle Fälle von Brustkrebs werden durch das Röntgenbild entdeckt. Ein „falsch negativer Befund“ bedeutet, dass die Patientin negativ getestet wurde, also dem Test nach gesund ist, obwohl sie krank ist: Eine von 1.000 an der Mammographie teilnehmenden Frauen, deren Mammographie unauffällig ist, erkrankt trotzdem kurz danach an Brustkrebs. Dabei können wir nicht sicher unterscheiden, ob ein zum Zeitpunkt der Mammographie schon bestehender Brustkrebs nicht erkannt werden konnte oder ob er kurz nach der Untersuchung entstanden ist (sog. Intervallkarzinom). Es ist deshalb für eine Frau wichtig zu wissen, dass sie sich auf jeden Fall bei ihrem Arzt melden sollte, falls sie einen Knoten in ihrer Brust entdeckt – auch, wenn sie erst kürzlich eine Mammographie hat machen lassen.
12 13 14 15
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„Neue Krebszellen durch Therapie“ - Salzburger Nachrichten, 17. 08. 2012 „(Un)typische Brustschmerzen bei Frauen nach Bestrahlung eines Mamma-Karzinoms: Kardiale Ischämie!“ ZFA, 11/2013 Mammographie-basierte Brustkrebsfrüherkennung, Medizinische Universität Graz, EbM-Review-Center 2013, S. 32 Sog. randomisierte kontrollierte Studien (RCT), Details und die konkreten Zahlen finden Sie im Anhang.
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Eine von 11 Brustkrebserkrankungen wird in der Mammographie nicht erkannt (Abb. 3)16.
>> Empfehlungen zur Früherkennung von Brustkrebs Mammographie Das Screening nach Brustkrebs wird in Österreich für alle Frauen zwischen 45 und 69 empfohlen. Das Mammographie-Screening wird den Frauen in einem Intervall von zwei Jahren angeboten. Screening in anderen Altersgruppen17 Die Beweislage dafür, dass das Mammographie-Screening in der Altersgruppe von 40 bis 49 Jahren die Brustkrebssterblichkeit verringert, ist weitaus schwächer als die Beweislage für ältere Frauen. Die untere Altersgrenze mit 45 Jahren in der österreichischen Empfehlung stellt einen Kompromiss zwischen den Verfechtern der Altersgrenze ab 50 und den Anhängern des Screenings ab 40 dar. Bei der oberen Altersgrenze von 70 Jahren sind sich die Experten einig, dass die vorliegende Datenlage zu wenig aussagekräftig ist, um ein Screening zu empfehlen. Das österreichische Programm sieht auch eine „freiwillige“ Teilnahme schon ab 40 und bis 75 vor. Selbstuntersuchung der Brust18 Eine große dazu durchgeführte Studie verglich zwei Gruppen von Arbeiterinnen mit jeweils 133.000 Frauen. Die eine Gruppe wurde um das Jahr 1990 dazu ausgebildet, sich einmal im Monat die Brust abzutasten, die andere Gruppe erhielt keine Unterweisung. Anschließend verfolgten die Ärzte über knapp 11 Jahre hinweg, wie viele Frauen in den beiden Gruppen jeweils an Brustkrebs verstarben. Das Ergebnis: Die Frauen, die sich (zum Teil 11 Jahre lang) regelmäßig selbst untersucht hatten, starben im Durchschnitt ebenso häufig an Brustkrebs wie jene, die auf ein Abtasten verzichtet hatten.
16 Hofvind S, Geller BM, Skelly J, Vacek PM: Sensitivity and specificity of mammographic screening as practised in Vermont and Norway. Br J Radiol. 2012 Dec;85(1020):e1226-32 17 Püringer, U et al.: Vorsorge Neu, S. 137 18 Püringer, U et al.: Vorsorge Neu, S. 141
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening Der Versuch der Früherkennung brachte manchen Frauen sogar eher Nachteile: 27 von 1.000 Frauen hatten sich einer Brustoperation unterziehen müssen, um einen unklaren Befund abzuklären. Von den Frauen ohne Selbstuntersuchung war es nur bei 18 von 1.000 zu Operationen gekommen. Dieses Resultat wurde mittlerweile durch weitere Studien bestätigt19. Daher kann die Brustselbstkontrolle als Screening-Maßnahme nicht empfohlen werden.
>> Welche Nachteile entstehen durch die Nichtteilnahme am Mammographie-Screening?
Frauen, die auf ein Mammographie-Screening verzichten, sollen deshalb kein schlechtes Gewissen haben: Wer auf Mammographie und Tastuntersuchung verzichtet und dann an Brustkrebs erkrankt, sollte sich keine Vorwürfe machen, selbst daran schuld zu sein. Es mag verwirrend sein, aber wissenschaftliche Untersuchungen konnten bisher nicht nachweisen, dass die Gesamtzahl der Todesfälle durch eine Brustkrebs-Früherkennung beeinflusst wird20. Brustkrebs ist nur eine von vielen Todesursachen, an denen Frauen im Laufe der Zeit versterben können. Wie es scheint, sterben Teilnehmerinnen an einer Brustkrebsfrüherkennung im Vergleich zu Nicht-Teilnehmerinnen im ungefähr selben Zeitraum etwas seltener an Brustkrebs, aber etwas häufiger an anderen Todesursachen, z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, einer anderen Krebsart oder Unfällen, sodass sich die Zahl der Todesfälle insgesamt ausgleicht.21
19 Hackshaw AK, Paul EA: Breast self-examination and death from breast cancer: a meta-analysis. Br J Cancer. 2003 Apr 7;88(7):1047-53 20 Die Studien, die hierzu vorliegen, sind alle als Überlegenheitsstudien konzipiert. Der Nachweis von Gleichwertigkeit (Äquivalenzstudien) ist aber nicht erfolgt; hierzu wären deutlich höhere Fallzahlen erforderlich. 21 Mammographie-basierte Brustkrebsfrüherkennung, Medizinische Universität Graz, EbM-Review-Center 2013, S. 38
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>> Die Faktenbox
zeigt die bisher genannten Zahlen auf einen Blick: 22
>> Informierte Patientenentscheidung Sie fragen sich beim Lesen dieser Broschüre sicher, warum Sie eine so schwierige Entscheidung selbst treffen sollen und nicht Ihr behandelnder Arzt. Ihr Arzt/Ihre Ärztin kann Sie über die Empfehlungen zur Mammographie nur informieren. Er kann Ihre Fragen beantworten, Ihnen jene Fakten erklären, die Sie in dieser Patientinnen-Information nicht verstanden haben – aber Ihre individuelle Entscheidung „Screening, ja oder nein?“ können nur Sie treffen! Jede Frau ist anders. Die Einstellung zum Brustkrebs-Screening kann sehr unterschiedlich sein. Als Beispiele hier einige Zitate aus ausgewählter Literatur23: •• „Der größte Vorteil daran ist, zu erfahren, dass man keinen Krebs hat.“ •• „Ich bin sehr erleichtert, wenn in meinem Befund steht, dass mir nichts fehlt!“ 22 Grafik aus: Gerd Gigerenzer „Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft“. Bertelsmann 2013, ISBN-10: 3570101037. 23 Siehe Arztinfo „Möglichkeiten und Grenzen des Brustkrebs-Screenings“, 2013, Herausgeber: ÖGAM
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening •• „Es ist besser, Sicherheit zu haben, als sich Vorwürfe zu machen.“ •• „Ich bin etwas verunsichert über zu viele Untersuchungen. Ich denke, das kann manchmal auch viel Angst auslösen.“ •• „Man soll sich nicht um ungelegte Eier kümmern.“ •• „Solange man nichts davon spürt, sollte man schlafende Hunde besser nicht wecken.“
>> Über diese Patienten-Information Diese Information wird HausärztInnen kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie kann Frauen, die eine Aufklärung über das Brustkrebs-Screening wünschen, ausgehändigt werden. Die Broschüre ist als Ergänzung zum ärztlichen Gespräch gedacht und soll den Betroffenen eine informierte Patientenentscheidung ermöglichen. Behandlung von Brustkrebs ist nicht Inhalt dieser Patienten-Information. Die Patienten-Information beschäftigt sich nur mit dem empfohlenen Routine-Screening, nicht mit Hochrisiko-Screening bei Frauen mit bekanntem Risiko, z. B. Brustkrebs in der Familie, näheres dazu finden Sie im Anhang unter „Brustkrebs in der Familie“. Herausgeber dieser Patienten-Information ist die Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM – www.tgam.at); von dieser wurden die Druckkosten getragen. Die TGAM ist eine unabhängige, gemeinnützige wissenschaftliche Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin. Sie finanziert sich über Mitgliedsbeiträge sowie durch finanzielle Unterstützung des Landes Tirol und der Tiroler Gebietskrankenkasse; diese Institutionen haben keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Broschüre genommen. Die TGAM nimmt keine Zuwendungen von pharmazeutischen Herstellern oder Interessensvertretungen an. Als Grundlage dieser Broschüre diente unter anderem die Patienten-Information der nordischen Cochrane-Gesellschaft „Screening für Brustkrebs mit Mammographie“24, 2012 herausgegeben vom Nordischen Cochrane Zentrum – einem unabhängigen Forschungszentrum, das mehr Publikationen zum Thema Mammographie-Screening publiziert hat, als irgendeine andere unabhängige Institution. Die vollständige Broschüre des Nordischen Cochrane Zentrums ist im Internet abrufbar: http://www.cochrane.dk/screening/mammografi-de.pdf Das Mammographie-Screening ist in der medizinischen Fachwelt umstritten wie kaum ein anderes Thema. Natürlich bleibt die Analyse von Peter C. Gøtzsche et al. nicht unwidersprochen. Daher folgert das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin, dass aufgrund der umstrittenen Beweislage derzeit ein Höchstmaß an Transparenz und Information ge24 Gøtzsche PC et al.: „Screening für Brustkrebs mit Mammographie“
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währleistet sein muss, um damit die Voraussetzungen für informierte Entscheidungen der Frauen zu schaffen. An der Entstehung dieser Patienteninformation haben mitgewirkt (i.a.R.): •• Dr. Herbert Bachler, Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapeut, Lehrbeauftragter der MUI •• Dr. Christoph Fischer, Praktischer Arzt in einer Tiroler Landgemeinde, Lehrbeauftragter der MUI •• Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner, MPH, klinischer Epidemiologe, Arzt für Allgemeinmedizin, Direktor der Österreichischen Cochrane Zweigstelle und des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie, Donau Universität Krems •• Dr. Irmgard Schiller-Frühwirth, Mitarbeiterin in der Stabstelle „Evidence-Based Medicine“ (EbM) im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger •• Dr. Johanna Schirmer, Ärztin für Allgemeinmedizin, Lehrbeauftragte der MUI •• Univ.-Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Universität Witten/Herdecke Wir danken den Mitarbeitern des Harding Zentrums für Risikokompetenz (Harding Center for Risk Literacy) am Berliner Max-Planck-Institut unter Direktor Univ.-Prof. Dr. Gerd Gigerenzer sowie Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch und Mag. Thomas Semlitsch vom EbM-Review-Center, Medizinische Universität Graz, für die Beratung und Unterstützung bei der Erarbeitung dieser Patienten-Information. Interessenskonflikte: keine Die Patienten-Information wurde 2013/2014 erarbeitet. Weiterführende Informationen für Ärzte: Für Ärzte stehen weitere Informationen auf der Website der TGAM (www.tgam.at) zur Verfügung: •• „Brustkrebsfrüherkennung - Recherche und Aufbereitung von Kennzahlen für eine informierte Entscheidung.“ Medizinische Universität Graz, EbM-Review-Center 2013 •• „Möglichkeiten und Grenzen des Brustkrebs-Screenings. Wie Hausärzte Frauen bei einer informierten Entscheidung unterstützen können.“ ÖGAM-Broschüre •• Ausschreibung der Ärztekammer zum Start des Öst. Brustkrebs-Früherkennungsprogramms •• „Brustkrebs früh erkennen. Was Sie darüber wissen sollten.“ Patienten-Informationsbroschüre des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening Anhang Viele Leserinnen werden sich von den nun folgenden wissenschaftlichen Daten möglicherweise überfordert fühlen. Sie sind nur als Hintergrund-Information für jene gedacht, die sich von den angeführten Zahlen selbst ein Bild machen wollen und sich für weitere Details interessieren.
>> Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung im internationalen Vergleich
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Wiener Ärztekammer
US Preventive Services Task Force
UK Screening Committee
Canadian Task Force on Preventive Health Care
ProstatakrebsScreening
Jährlich durch Tastbefund und PSA Bestimmung
Wird abgelehnt
Wird abgelehnt
Wird abgelehnt
HodenkrebsScreening
Ab 15 regelmäßig durch Selbstabtastung
Wird abgelehnt
Wird abgelehnt
Wird abgelehnt
MammographieScreening
Ab 40, alle 2 Jahre Ab 50, alle 2 Jahre Ab 50, alle 3 Jahre Ab 50, alle 2 bis 3 bis 74 bis 70 Jahre bis 74
Gebärmutterhalskrebs-Screening
Ab 20, jährlich
Ab 21, alle 3 Jahre bis 65; mit HPV-Untersuchung zwischen 30 und 65 alle 5 Jahre
Ab 25 alle 3 Jahre bis 50; zwischen 50 und 64 alle 5 Jahre
Ab 25 alle 3 Jahre bis 69
Selbstuntersuchung der Brüste
Ab 20 routinemäßig
Wird abgelehnt
Nicht routinemäßig
Nicht routinemäßig
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>> Die Mammographie-Studien
Insgesamt gibt es 11 Studien, die circa 400.000 Patientinnen mit und ohne Mammographie verglichen; 3 Studien davon haben zumindest eine mittlere Datenqualität: Canada A und B sowie Malmö. Nachfolgende Tabelle zeigt die Resultate aller Altersgruppen (40–70 Jahre) nach 10 Jahren Screening in 2-jährlichen Abständen und einer Gesamtbeobachtungsdauer von 13 Jahren aus dem Cochrane-Review von Gøtzsche im Detail. Da in diesen drei Studien die Zahl der Teilnehmerinnen in der Mammographie- und in der Kontroll-Gruppe gleich groß ist, kann man hier die Auswirkung auf Brustkrebssterbefälle, Brustkrebs-Operationen und Gesamtmortalität am besten herauslesen. Gemeinsame Auswertung aller Altersgruppen nach 10 Jahren Screening und insgesamt 13 Jahren Nachbeobachtung Studie
Teilnehmerzahl
Sterbefälle Brustkrebs
Sterbefälle gesamt
BrustkrebsOperationen
Screening Kontrolle
Screening Kontrolle
Screening Kontrolle
Screening Kontrolle
Canada A, 1981
25.214
25.216
105
108
413
413
415
313
Canada B, 1981
19.711
19.694
107
105
737
690
448
351
Malmö 1976
20.695
20.783
87
108
2.537
2.593
561
419
Gesamt
65.620
65.693
299
321
3.687
3.696
1.424
1.083
Welche Auswirkung hatte die Mammographie auf die Sterblichkeit? Die Gesamtauswertung dieser 3 Studien umfasst ca. 130.000 Frauen. In der MammographieGruppe sind 22 Frauen weniger an Brustkrebs gestorben, also eine von 3.000 Frauen, die 10 Jahre lang zur Mammographie gingen. Bei der Gesamtsterblichkeit fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied. Wie viele Übertherapien gab es? Durch die Mammographie stieg die Zahl der Brustoperationen von 1.083 auf 1.424 um 341 an, das ist etwa ein Drittel mehr im Vergleich zur Kontrollgruppe. Bezogen auf die 22 durch das Screening geretteten Frauen ergibt sich: Je einem verhinderten Sterbefall stehen in 13 Jahren 15 Überdiagnosen und Übertherapien gegenüber. 15
>> Patienten-Info Mammographie-Screening Mehrere Studien haben nur unvollständige Daten: In 5 weiteren Studien wurden ca. 270.000 Frauen beobachtet; sie wurden von Gøtzsche mit „poor data quality“ eingestuft. Die zufällige Zuordnung der Frauen in Mammographie- und Kontroll-Gruppe (Randomisierung) wird als unzulänglich bewertet, bei 3 Studien gibt es keine Angaben über die Häufigkeit von Brustkrebs-Operationen, bei einer fehlen Angaben über die Zahl der Gesamtsterbefälle Resultate zusammengefasst: •• Bei einer von 1.562 Frauen, die zur Mammographie überwiesen wurden, konnte der Tod durch Brustkrebs verhindert werden. •• Nur bei 2 der 5 Studien gibt es Angaben zur Häufigkeit von Brust-Operationen: Mit Mammographie wird eine von 79 Frauen an der Brust operiert, ohne Mammographie eine von 114. •• Bei den vier Untersuchungen, welche die Daten zur Gesamtsterblichkeit enthalten, findet sich kein Unterschied zwischen Mammographie und Kontrollgruppen25. Wenn man die Resultate dieser acht Studien zusammenfasst, ergeben sich die mehrfach berichteten Zahlen: Eine von 2.000 Frauen, die über 10 Jahre jedes 2. Jahr zur Mammographie gehen, stirbt weniger an Brustkrebs, aber 10 davon werden übertherapiert. Es gibt keinen Unterschied in der Gesamtsterblichkeit. In der verfügbaren Literatur werden für die Überdiagnosen Zahlen mit einer Schwankungsbreite von 1 bis 30 % der im Screening diagnostizierten Brustkrebsfälle angegeben. Wenn man versucht, diese Schwankungsbreite in natürlichen Häufigkeiten statt der Prozentangaben zu formulieren, so ergibt sich bezogen auf 2.000 Frauen26: 10 Jahre (5 Screening-Runden)
20 Jahre (10 Screening-Runden)
1–18 Überdiagnosen
1–36 Überdiagnosen
25 RRR 0.99 95% CI [0.97, 1.01] 26 Mammographie-basierte Brustkrebsfrüherkennung, Medizinische Universität Graz, EbM-Review-Center 2013, S. 35
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>> Zahlen aus Statistiken richtig verstehen
Vielerorts wird propagiert, dass flächendeckende Früherkennungsprogramme für alle Frauen über 50 die Sterblichkeit an Brustkrebs um 25–30 % reduzieren27. Dies verleitet zur Annahme, dass das Leben von 25–30 % der Screening-Teilnehmerinnen gerettet würde. Die Darstellung in relativen Prozent verzerrt Größenordnungen bei Ereignissen die an sich selten vorkommen, extrem: Relative Prozentangaben werden vielfach dazu verwendet, ein Problem in der Öffentlichkeit ins „rechte Licht“ zu rücken. Die Verfasser dieser Information haben auf diese Art der Darstellung bewusst verzichtet, sondern verwenden die Darstellung der natürlichen Häufigkeit. Spielt man das Problem mit den absoluten Zahlen der Studien durch, stellt es sich so dar: Wenn 2.000 Frauen 10 Jahre lang regelmäßig ein Mammogramm machen lassen, sterben im Lauf dieser 10 Jahre etwa 7 Frauen an Brustkrebs. Ohne die Reihenuntersuchung würden etwa 8 Frauen sterben; somit ergibt sich eine relative Risikoreduktion von 12,5 Prozent. Absolut reduziert sich das Risiko allerdings nur um 0,05 Prozent.
>> Verbesserte Brustkrebs-Überlebensraten Seit der Durchführung der randomisierten Studien hat es wesentliche Fortschritte in Diagnostik und Therapie gegeben. Dies kann auch bedeuten, dass der Effekt eines Screenings heute kleiner ist. In Dänemark wurde das Screening beispielsweise nur in zwei Regionen eingeführt, was rund 20 % der Bevölkerung ausmacht. Während 17 Jahren hat man den Frauen im Rest des Landes kein Mammographie-Screening angeboten und nur wenige dieser Frauen haben an einem Screening teilgenommen. Unter den Frauen in jener Altersgruppe, die von einem Screening profitieren könnte, nahm die Sterblichkeit in den Regionen mit Screening um 1 % pro Jahr und in denen ohne Screening um 2 % ab. Bei den Frauen, die zu jung waren, um von einem Screening-Programm zu profitieren, hatte die Sterblichkeit stärker abgenommen, nämlich um 5 %. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass das bessere Überleben großteils einer verbesserten Therapie zu verdanken ist und nur zum kleineren Teil dem Screening.28
27 Diese immer noch häufig kommunizierte Zahl geht auf Daten von Nyström et al. 1996 (J Med Screen) zurück (Reduktion von 4 auf 3 in 1.000 Frauen). Die jüngsten, hier gezeigten Daten (8 auf 7) ergeben lediglich noch eine relative Risikoreduktion (RRR) von 12,5 %. 28 Gøtzsche PC et al.: „Screening für Brustkrebs mit Mammographie“, S. 9
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>> Patienten-Info Mammographie-Screening >> Was ist eine vorgezogene Diagnose? Mitunter wird die Effizienz einer Vorsorge auch an der Überlebenszeit gemessen: Damit definiert man den Zeitraum zwischen Diagnose und Tod. Bei Krebserkrankungen, die durch solche Früherkennungsuntersuchungen entdeckt werden können, sind die Überlebenszeiten jedoch alleine durch die Vorverlagerung des Diagnosezeitpunktes auch dann verlängert, wenn der Verlauf der Erkrankung durch den früheren Behandlungsbeginn nicht beeinflusst wird und der Todeszeitpunkt gleich bleibt. Denn selbst, wenn die Sterblichkeit nicht nachweislich sinkt, die Patientinnen auch nicht länger leben, wissen sie länger um ihre Diagnose. Daher lässt sich die Wirksamkeit einer Früherkennungsuntersuchung nicht rein an den Überlebenszeiten ablesen29. Beim Mammographie-Screening bedeutet das: Die Patientin erhält die Diagnose Brustkrebs schon zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch keinerlei Symptome der Krankheit entwickelt hat. In Studien kann aus der frühzeitig gestellten Diagnose eine scheinbare Verlängerung der Überlebenszeit resultieren, obwohl die gesamte Lebenszeit der Patientin unverändert ist, selbst die Krankheitsdauer an sich ist in diesem Fall gleich – lediglich die Zeit, in der sie als Krebskranke in Behandlung ist, ist länger. Mediziner sprechen hier vom Lead Time Bias oder der VorlaufzeitVerfälschung.30
29 Die Radiodoktor-Infomappe: Bundesweites Brustkrebs-Screening: Was bringt es? Dr. Christoph Leprich, Radiodoktor – Das Ö1 Gesundheitsmagazin, 25. 09. 2013 30 Püringer, U et al.: Vorsorge Neu, S. 139
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>> Brustkrebs in der Familie
Nicht jeder Brustkrebs in der Familie rechtfertigt ein so genanntes Hochrisiko-Screening. Wenn innerhalb einer Linie der Familie (mütterlicherseits oder väterlicherseits) mindestens vorliegen entweder: •• 3 Brustkrebsfälle vor dem 60. Lebensjahr, •• 2 Brustkrebsfälle vor dem 50. Lebensjahr, •• 1 Brustkrebsfall vor dem 35. Lebensjahr, •• 1 Brustkrebsfall vor dem 50. Lebensjahr und 1 Eierstockkrebsfall jeglichen Alters, •• 2 Eierstockkrebsfälle jeglichen Alters oder •• männlicher und weiblicher Brustkrebs jeglichen Alters soll eine genetische Beratung stattfinden und abhängig vom Ergebnis ein Hochrisiko-Screening oder eine andere prophylaktische Maßnahme non-direktiv vorgeschlagen werden. Alle anderen Konstellationen, wie etwa Brustkrebs in der Familie (z. B. Tante mit 70 Jahren), erhöhen zwar das Risiko geringfügig – ebenso wie Adipositas, fehlende sportliche Betätigung, keine Kinder etc. –, fallen aber in das empfohlene Routine-Screening.
>> Meine Fragen an den Arzt/die Ärztin, eigene Notizen
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>> Patienten-Information Mammographie-Screening Die Entscheidung für oder gegen die Mammographie als Maßnahme zur Krebsfrüherkennung ist keine einfache – lediglich mit umfassender Information ist es möglich, die jeweils individuell passende Lösung zu finden. Ergänzend zum ärztlichen Gespräch bietet Ihnen diese Broschüre einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand.
>>
Faktenbox zur Brustkrebs-Früherkennung durch Mammographie-Screening; Zahlen für Frauen ab 50 Jahren, die 10 Jahre lang am Screening teilgenommen haben. (Tabelle © Harding Center for Risk Literacy) 2.000 Frauen 2.000 Frauen ohne Screening mit Screening
Nutzen Wie viele Frauen sind an Brustkrebs gestorben?
8
7*
Wie viele Frauen sind insgesamt an Krebs gestorben?
43
43
Wie häufig waren Fehldiagnosen durch das Screening, oft verbunden mit monatelangem Warten auf Entwarnung?
–
200
Wie viele Frauen wurden zusätzlich mit Brustkrebs diagnostiziert und operiert**?
–
10
Schaden
* Das bedeutet: Von 2.000 Frauen (50+) mit Screening sind binnen 10 Jahren etwa 7 an Brustkrebs gestorben – eine weniger als ohne Screening. ** Vollständige oder teilweise Entfernung der Brust.
Die Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin - TGAM Die TGAM wurde 1997 als wissenschaftliche Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin in Tirol gegründet. Vorrangige Ziele sind die Qualitätssicherung im Interesse der Patienten durch die Organisation von Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie von Kongressen, die Etablierung der AM an der Universität und die Förderung wissenschaftlicher Arbeit. Auf www.tgam.at finden Sie unter dem Punkt „Patienteninfo“ eine Zusammenstellung von Wissenswertem. TGAM - Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin Präsident: Dr. Herbert Bachler, Telefon: +43 512 575566 A-6020 Innsbruck, Innrain 71/2 E-Mail: office@tgam.at Titelfoto: © nastia1983 - Fotolia.com
Der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand zum PSA-Test Pharmafrei!
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PSA-Screening
Patienten-Information
>> Patienten-Info PSA-Screening Vorwort Das Thema Früherkennung von Prostatakrebs löst bei Männern sehr unterschiedliche Reaktionen aus: Der eine beschäftigt sich lieber gar nicht damit, der andere möchte jede Chance zur Früherkennung nutzen – etwa, weil ein Freund oder Angehöriger erkrankt ist. Manch einer wird von seiner Partnerin oder in der Arztpraxis auf das Thema angesprochen. Welcher Grund auch dahinter steckt: Wer sich mit Früherkennungs-Untersuchungen auseinandersetzt, stößt auf widersprüchliche Informationen und Empfehlungen. Das liegt daran, dass sich Prostatakrebs sehr unterschiedlich verhalten kann. Es gibt sogar Prostatakrebs, der so langsam wächst, dass er gar nicht behandelt werden muss oder bis ins hohe Lebensalter ohne Symptome für den Betroffenen bleibt. Hinzu kommt, dass keine Früherkennungsuntersuchung perfekt ist und man immer mit Fehlern und Nachteilen rechnen muss. Bei der Früherkennung von Prostatakrebs erscheint die Abwägung von Vorteilen und Nachteilen besonders schwierig. Den erhofften Vorteilen stehen ernstzunehmende Nachteile gegenüber. Bevor Sie sich für oder gegen eine Untersuchung entscheiden, lohnt es sich, das Für und Wider abzuwägen.1
>> So nutzen Sie diese Patienten-Information
•• Sie möchten einen Überblick über den aktuellen Stand wissenschaftlicher Untersuchungen zum Thema PSA-Screening? Lesen Sie Seite 3. •• Sie sind nur an Fakten interessiert, die den wissenschaftlichen Kenntnisstand zusammenfassen? Auf der Rückseite finden Sie eine entsprechende Faktenbox. •• Sie suchen grundsätzliche Informationen zum Thema Prostatakrebs & Krebsfrüherkennung? Lesen Sie Seite 4–12.
1 Mit freundlicher Genehmigung gekürzt übernommen aus „Der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs“, IQWiG, 13. 03. 2013 – Aktualisierung 27. 11. 2013, S. 2 - www.gesundheitsinformation.de.
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Kurz & bündig Die amerikanische Arbeitsgruppe für Vorsorgemedizin (U.S. Preventive Services Task Force) fasst die Resultate bisheriger wissenschaftlicher Untersuchungen im Mai 2012 so zusammen2: Möglicher Nutzen Die Verringerung der Sterblichkeit an Prostatakrebs durch PSA-Testung ist meist sehr gering. Eine große amerikanische Studie zeigte keinen Vorteil durch PSA-Screening. Jene umfangreiche europäische Untersuchung, die den größten Nutzen, fand lässt vermuten: •• Ca. 1 Mann von 1.000 (rechnerisch exakt: 0,7 von 1.000) wird durch das Screening vor dem Tod durch Prostatakrebs bewahrt. Zu erwartender Schaden durch das Screening Die meisten durch PSA-Screening gefundenen Tumore sind langsam wachsend und bedürfen keiner Behandlung, da sie weder zur Erkrankung, noch zum Tod führen werden. Aber bis heute kann nicht vorausgesagt werden, welche der Tumore wahrscheinlich zur Erkrankung führen werden und welche nicht. Aus diesem Grund entscheiden sich nahe zu alle Männer, bei denen beim PSA-Screening ein Prostatakrebs gefunden wurde, für eine Behandlung. Durch das PSA-Screening wird eine große Zahl von Biopsien erforderlich, als Folge der Krebsbehandlung können schwerwiegende gesundheitliche Schäden auftreten: Von 1.000 mit PSA-Test gescreenten Männern: •• werden 30–40 Männer durch die Behandlung impotent oder Harn-inkontinent. •• werden 2 Männer durch die Behandlung einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden. •• wird 1 Mann durch die Behandlung eine tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie bekommen. Von 3.000 mit PSA-Test gescreenten Männern: •• wird 1 Mann an einer Komplikation der Operation versterben. Anmerkung: Die genannten Zahlen beschreiben den möglichen Nutzen/Schaden für Männer zwischen 55 und 69 Jahren, die 10 Jahre lang im Abstand von 1–4 Jahren zum PSA-Test gegangen sind.
2 USPSTF Prostate Cancer Screening Recommendation: What are the benefits and harms of prostate cancer screening? Mai 2012
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>> Patienten-Info PSA-Screening >>
Der Begriff „Screening“
Unter Screening (englisch für Durchsieben) versteht man in der Medizin eine Reihenuntersuchung von Bevölkerungsgruppen, um festzustellen, ob sie eine bestimmte Erkrankung – ideal in möglichst frühem Stadium – haben oder ein Risiko, daran zu erkranken. Die dabei verwendeten Tests ermöglichen noch keine Diagnose, sondern veranlassen gegebenenfalls weitere Untersuchungen. Die Treffgenauigkeit von Screenings variiert stark; das Ideal, 100 % der Erkrankten als krank und 100 % der Gesunden als gesund zu erkennen, wird nie erreicht. Abhängig von der Testmethode können dabei unterschiedlich viele Gesunde als vermeintlich krank oder auch Kranke als scheinbar gesund „erkannt“ werden.
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Der PSA-Test
Das PSA (= Prostata-spezifisches Antigen) ist ein Eiweißstoff, der in der Prostata gebildet wird. Der PSA-Test misst die Menge des PSA im Blut, wobei zu beachten ist, dass das PSA ein organspezifischer und kein tumorspezifischer Wert ist. Anders formuliert: Ein erhöhter PSA-Spiegel bedeutet nicht in jedem Fall Prostata-Krebs. Erhöhte Werte können unterschiedliche Ursachen haben: •• Harnwegsinfekte •• Sportliche Betätigung vor dem Test, insbesondere Fahrradfahren •• Geschlechtsverkehr vor der Blutabnahme •• Tast- oder transrektale3 Ultraschall-Untersuchung der Prostata vor der Blutabnahme •• Prostataentzündung •• Gutartige Prostatavergrößerung •• Prostatakrebs
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Prostatakrebs
Prostatakrebs entsteht, wenn Körperzellen in der Prostata entarten und sich unkontrolliert vermehren. Dabei wachsen einige Prostatakrebsarten langsam, der Patient hat kaum Probleme. Die meisten merken davon gar nichts. Bei neun von zehn Männern über 90 Jahren finden sich nach dem Tod in einer mikroskopischen Untersuchung Prostatakrebszellen4. Andere Prostatakrebsarten wachsen aggressiv und streuen auch in andere Organe – das Problem ist, dass es selbst in der mikroskopischen Diagnostik einen Graubereich gibt, bei dem man aggressive und langsam wachsende nicht auseinander halten kann. 3 Ultraschall-Untersuchung der Prostata durch Einführen einer Sonde in den Mastdarm 4 http://www.krebshilfe.de/fileadmin/Inhalte/Downloads/PDFs/Broschueren-diverse/Prostatakrebsleitlinie.pdf
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Wie viele von 1.000 Männern erkranken/sterben in den nächsten 10 Jahren an Prostatakrebs? Bei 1.000 Männern im Alter von ...
... gibt es binnen 10 Jahren an Erkrankungen:
... gibt es binnen 10 Jahren an Todesfällen:
50 Jahren
12
1
60 Jahren
46
4
70 Jahren
66
13
Bei diesen Zahlen handelt es sich um Durchschnittswerte von Männern mit und ohne PSAScreening. Das individuelle Risiko hängt von persönlichen Faktoren, zum Beispiel der familiären Veranlagung, ab. Erhöht der PSA-Test die Zahl der Prostatakrebs-Diagnosen? Insgesamt ergab die europäische Prostatakrebs-Studie (ERSPC5), dass der PSA-Test die Zahl der Prostatakrebs-Diagnosen erhöhte. Im Lauf der elf Jahre wurde insgesamt bei 96 von 1.000 Männern, die einen PSA-Test machten, Prostatakrebs diagnostiziert. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zu den Männern, denen die Früherkennung nicht angeboten wurde. Hier wurde bei 60 von 1.000 Männern, die nicht an der Früherkennung teilnahmen, Prostatakrebs diagnostiziert6 (wegen aufgetretener Symptome). Diese 36 zusätzlichen Diagnosen entsprechen einer Zunahme von 60 %. Der Anstieg der zusätzlichen Diagnosen ist von der Intensität des Screenings abhängig. In Tirol, einem Bundesland mit besonders intensivem PSA-Screening, wurden rd. 80 % der Männer zumindest einmal PSA-getestet. In einem Zeitraum von 10 Jahren nach Einführung des PSAScreenings Anfang der 1990er-Jahre stieg die Neuerkrankungsrate von ca. 200 auf maximal 600 jährlich (+200 %). In Österreich stieg die Zahl im selben Zeitraum von 2.300 auf 5.900 (+150 %).
5 „European Randomised Study of Screening for Prostate Cancer“ 6 Überblick: Prostatakrebs, IQWIG-Gesundheitsinformation, Entwurf, 13. 03. 2013 – Aktualisierung 27. 11. 2013, S. 4
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>> Patienten-Info PSA-Screening
Abb. 1: Zahl der Prostatakrebs-Neuerkrankungen/Todesfälle in Österreich 1988–2009.
Abb. 2: Zahl der Prostatakrebs-Neuerkrankungen/Todesfälle in Tirol 1988–2009.
Der Vergleich der Abbildungen 1 und 2 zeigt deutlich, dass mit der Zahl der PSA-Untersuchungen zwar die Zahl der neu gestellten Krebsdiagnosen steigt, die Sterblichkeit aber etwa gleich bleibt. In Tirol zeigen sich starke Unterschiede der Neuerkrankungsraten in den einzelnen Regionen. In Bezirken mit besonders intensivem Screening, etwa in Innsbruck, ist die Neuerkrankungsrate bis zu dreimal höher als in anderen Bezirken. Die Sterberate sinkt in diesen Bezirken allerdings nicht. Die nachstehenden Abbildungen 3 und 4 verdeutlichen dies. 6
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Abb. 4: Krebsatlas Alpenraum (Trentino, Südtirol, Kärnten, Tirol, Vorarlberg) – Anzahl der ProstatakrebsNeuerkrankungen 1996–2000
Abb. 5: Krebsatlas Alpenraum (Trentino, Südtirol, Kärnten, Tirol, Vorarlberg) – Anzahl der ProstatakrebsTodesfälle 1996–2000
Der größte Teil der Männer mit diagnostiziertem Prostatakrebs stirbt nicht an der Krebserkrankung, sondern an einer anderen Ursache. Zu den häufigsten Todesursachen bei Männern gehören Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und Lungenkrebs.7 Bei etwa jedem 10. der regelmäßig gescreenten Männer wird ein Prostatakrebs diagnostiziert; das Lebenszeitrisiko (also die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis innerhalb der Lebenszeit einer durchschnittlichen Person eintritt), an Prostatakrebs zu sterben, beträgt 3 % – anders formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, an Prostatakrebs zu sterben, besteht für 30 von 1.000 Männern. Jüngste Publikationen bringen keine wesentlichen neuen Erkenntnisse; die Zeitschrift Oncology etwa publizierte im Oktober 2013 eine weitere Pro & Contra-Diskussion, die lediglich darauf verwies, dass es Länder geben könnte, wo aufgrund der höheren Häufigkeit von Prostatakrebs 7 Früherkennung von Prostatakrebs. Eine Information für Männer. S. 13. www.krebshilfe.de/patientenleitlinien
7
>> Patienten-Info PSA-Screening auch ein höherer Nutzen des PSA-Screenings hinsichtlich der Vermeidung von Todesfällen möglich zu sein scheint8. Um Prostatakrebs zu entdecken, gibt es verschiedene Methoden: Tastuntersuchung, PSA-Test, Ultraschall und die Untersuchung von Gewebeproben (Biopsie). Bislang sind sich die Experten nicht einig, welchen Nutzen ein früher Behandlungsbeginn bringt. Aggressive Tumore sollten früher behandelt werden als langsam wachsende, bei denen manche Mediziner gar keine Behandlung empfehlen. Allerdings erlaubt die Diagnostik mit den derzeit möglichen Methoden keine absolut sichere Voraussage über den weiteren Verlauf. Wird die Diagnose Prostatakrebs gestellt, sind bei der Entscheidung, ob und wie behandelt werden soll, alle Vor- und Nachteile der Therapie, aber auch persönliche Faktoren, etwa die mögliche Belastung durch Unsicherheiten, abzuwägen. Abhängig von Größe und Gewebsbefund kommt auch Zuwarten & Beobachten in Betracht, die Medizin nennt dies „watchful waiting“. Was ist eine vorgezogene Diagnose?
8 Oncology Journal, Okober 2013 - http://www.cancernetwork.com/oncology-journal/psa-screening-case-favor
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Durch Früherkennungsprogramme kann die Diagnosestellung von Krankheiten vorverlegt werden. Beim PSA-Screening bedeutet das: Der Patient erhält die Diagnose Prostatakrebs schon zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch keinerlei Symptome der Krankheit entwickelt hat. In Studien kann aus der frühzeitig gestellten Diagnose eine scheinbare Verlängerung der Überlebenszeit resultieren, obwohl die gesamte Lebenszeit des Patienten unverändert ist, selbst die Krankheitsdauer an sich ist in diesem Fall gleich – lediglich die Zeit, in der er als Krebskranker in Behandlung ist, ist länger. Mediziner sprechen hier vom Lead Time Bias oder dem Vorlaufzeiteffekt (siehe Abb. 59, linke Seite).
>>
Empfehlungen zur Früherkennung von Prostata-Krebs
•• Internationale Leitlinien raten vom PSA-Screening ab10. Der PSA-Test ist in der BRD wegen seiner möglichen Nachteile zur Früherkennung keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen zur Früherkennung11. •• Für die österreichische Vorsorgeuntersuchung wird auf Basis des Stands des internationalen medizinischen Wissens das systematische Routinescreening zur Früherkennung von Prostatakrebs mittels Tastuntersuchung, Ultraschall12 und/oder PSA-Tests derzeit nicht empfohlen. •• Männer über 50, die trotz Aufklärung und Beratung den PSA-Test wünschen, sollen davon keinesfalls abgehalten werden!13
>>
Informierte Patientenentscheidung
Um die für ihn passende Entscheidung treffen zu können, muss jeder Mann das Für & Wider der Prostatakrebs-Früherkennung kennen. Entscheidet er sich für eine solche Untersuchung, kann der PSA-Test Bestandteil der Vorsorgeuntersuchung werden. Die Kosten dafür übernehmen die österreichischen Krankenkassen.
9 nach Wegwarth et al., 2012. Do physicians understand cancer screening statistics? Ann. Int. Medicine 156:340-349 10 European Association of Urology: Guidelines on Prostate Cancer. http://www.uroweb.org/gls/pdf/08%20Prostate%20Cancer_LR%20 March%2013th%202012.pdf | U.S. Preventive Services Task Force: Screening for Prostate Cancer, Mai 2012. http://www.uspreventiveservicestaskforce.org/prostatecancerscreening/prostatefinalrs.htm#summary | Vorsorgeuntersuchung neu: Wiss. Grundlagen. Release: 1.0–2005 Herausg.: Wissenschaftszentrum Gesundheitsförderung/Prävention der Versicherungsanstalt f. Eisenbahnen u. Bergbau, Mai 2005, S. 156, 157 11 Merkblatt: Der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, IQWIG-Gesundheitsinformation, 13. 03. 2013 – Aktualisierung 27. 11. 2013, S. 2 12 AWMF, Interdisziplinäre S3-Leitlinie „Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms“, Version 2.0 – Aktualisierung 2011. © Leitlinienprogramm Onkologie, S. 29 ff. 13 Vorsorgeuntersuchung neu - Wissenschaftliche Grundlagen, S. 148
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>> Patienten-Info PSA-Screening >>
Screening kann sowohl nutzen, als auch schaden
Es ist derzeit nicht eindeutig belegt, dass die Durchführung eines PSA-gestützten Screenings und die Risiken damit verbundener diagnostischer und therapeutischer Konsequenzen durch den Vorteil einer Lebensverlängerung aufgewogen werden.14 Bei jedem Screening ist zu bedenken, dass die Tests neben richtig positiven/negativen Ergebnissen auch falsch positive/negative liefern. Was bedeutet „falsch positiv“ bzw. „falsch negativ“ bei einem Testergebnis? „Falsch positiv“ ist ein Fehlalarm – der Patient ist trotz eines positiven Testergebnisses nicht erkrankt. Etwa sieben von 10 Männern mit erhöhtem PSA haben keinen Krebs (Abb. 6)15.
„Falsch negativ“ wiederum bedeutet, dass der Patient negativ getestet wurde, also dem Test nach gesund ist, obwohl er krank ist. Bei etwa zwei von zehn Fällen von tödlich verlaufendem Prostatakrebs war der PSA-Wert normal (Abb. 7)16.
14 Quelle = Fußnote 9: S. 22 - Pkt. 3.1. Vgl. zusätzlich auch S3-Leitlinie Prostatakarzinom | Version 2.0, 1. Aktualisierung 2011. Leitlinienprogramm Onkologie der AWMF, S. 29 - Pkt. 3.1. 15 Mäkinen T, et al. (2004) Second round results of the Finnish population-based prostate cancer screening trial. Clin Cancer Res. 2004 Apr 1; 10(7):2231-6 16 Catalona W, et al. (1993) Detection of organ-confined prostate cancer is increased through prostate-specific antigenbased screening. JAMA 1993; 270:948-954
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Nutzen des PSA-Screenings •• Wenn sich 1.000 Männer regelmäßig einem Screening unterziehen, wird etwas weniger als ein Mann (rechnerisch 0,7) einen Nutzen daraus ziehen, da er möglicherweise17 vermeidet, an Prostatakrebs zu sterben. Schaden des PSA-Screenings •• Das PSA-Screening bewirkt keine Senkung der Gesamtsterblichkeit18. •• Die Zahl positiver PSA-Testungen wird in der Literatur verschieden hoch beziffert. In der Europäischen Prostata-Karzinomstudie (ERSPC) wurde in neun Jahren Beobachtungszeit, in der jeder Teilnehmer durchschnittlich an zwei PSA-Testungen teilnahm, bei jedem Vierten ein auffälliger Wert gefunden19. In der Praxis werden Männer vom 40. bis oft über das 80. Lebensjahr hinaus nicht selten sogar zweimal im Jahr getestet. Deshalb scheint die Berechnung der Arbeitsgruppe von Frankel, dass bei 420 von 1.000 Männern durch wiederholtes PSA-Screening auf Lebenszeit ein Prostatakrebs gefunden und eventuell behandelt wird, nicht unrealistisch20. Die meisten dieser 420 Männer haben durch das Screening nur Nachteile, aber keinen Vorteil: •• 24 von ihnen sterben trotz des PSA-Screenings an Prostatakrebs, etwa 390 wären nie an Prostatakrebs erkrankt21. •• Gleichzeitig werden 36 von 1.000 Männern22 durch das Screening unnötigerweise auf Prostatakrebs behandelt (Übertherapie) – die damit verbundene psychische Belastung inklusive. Diesen Männern wird man entweder die ganze Prostata entfernen oder sie werden bestrahlt, manchmal auch einer Hormon- oder Chemotherapie unterzogen. Etwa die Hälfte der operierten Männer wird impotent und etwa 20 von 100 leiden nach der Operation an Blasenschwäche (Inkontinenz)23. Laut ERSPC-Studie müssen 48 Männer operiert werden, damit 1 Sterbefall an Prostatakrebs verhindert werden kann. In anderen Worten: Nur 2 von 100 Männern, die sich einer Prostataentfernung nach positivem Screeningbefund unterziehen, haben dadurch einen gesundheitlichen Nutzen in Form einer Lebensverlängerung. 17 Das Resultat ist statistisch nicht signifikant, d. h. dieser kleine Effekt könnte auch zufällig in den Studien aufgetreten sein. 18 Weiterhin - PSA-Screening auf Prostatakarzinom ohne nachgewiesenen Nutzen a-t 2010; 41: 129 19 Früherkennung von Prostatakrebs. Eine Information für Männer. S. 40–45. http://www.krebshilfe.de/patientenleitlinien.html 20 Frankel, S.: Screening for prostate cancer, Lancet 2003 21 A. Raffle, J.A. Muir Gray, F. Piribauer, G. Gartlehner, P. Mad, F. Waechter: Screening - Durchführung und Nutzen. HG: Zentrum für angewandte Epidemiologie und Gesundheitspolitik Wien, Internationales Screening-Komitee für Österreich © Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern 2009, S. 214 22 Früherkennung von Prostatakrebs. Eine Information für Männer. S. 43. www.krebshilfe.de/patientenleitlinien 23 Gemittelte Werte aus Leitlinienprogramm Onkologie/S3-Leitlinie Prostata-Karzinom 2011, S. 240-241
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>> Patienten-Info PSA-Screening 1.000 Männer mit wiederholtem PSA-Screening - Risiken über die Gesamtlebenszeit
Bei 580 dieser 1.000 Männer werden normale PSA-Werte festgestellt.
Bei 420 der 1.000 Männer wird durch wiederholtes PSA-Screening ein erhöhter Wert gefunden und daher eine Gewebeprobe nötig.
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Bei 140 dieser 420 Männer wird Prostatakrebs festgestellt und eventuell behandelt. 24 dieser 420 Männer sterben an Prostatakrebs. 7 der 580 Männer mit normalem PSA-Wert sterben dennoch an Prostatakrebs.
Abb. 9: Nachteile des PSA-Screenings, Darstellung nach Frankel et al. – Zahlen bezogen auf die Gesamtlebenszeit eines Mannes Bei 420 von 1.000 Männern wird durch wiederholtes PSA-Screening ein erhöhter Wert gefunden und daher eine Gewebeprobe nötig. 24 dieser 420 Männer sterben an Prostatakrebs; rund 390 der 420 Männer wären nie an Prostatakrebs erkrankt. Bei 140 der 420 Männer wiederum wird Prostatakrebs festgestellt und eventuell behandelt, wobei dann rund die Hälfte der operierten Männer impotent wird und ca. jeder 5. nach einer Operation an Blasenschwäche leidet. Bei 580 von 1.000 Männern mit wiederholter PSA-Messung werden normale PSA-Werte festgestellt – 7 der 580 Männer mit normalem PSA-Wert sterben dennoch an Prostatakrebs.
Oben stehende Abbildung bildet Zahlen ab, die sich auf die gesamte Lebenszeit eines Mannes beziehen. Abhängig davon, welcher Zeitraum bzw. welche Altersgruppe beobachtet wird, 12
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zeigen Studien natürlich auch andere Resultate - auf der Rückseite dieser Broschüre finden Sie etwa eine Faktenbox, die Zahlen darstellt, die für Männer ab 50 Jahren gelten, wenn sie sich 10 Jahre lang jedes 2. Jahr einem PSA-Test unterziehen. Welche Nachteile entstehen durch Nicht-Teilnahme am PSA-Screening? Männer, die auf die PSA-Untersuchung verzichtet haben und an Prostatakarzinom erkranken, machen sich möglicherweise Vorwürfe, selbst schuld zu sein. Die derzeit verfügbaren Daten belegen dies aber nicht: Eine groß angelegte Übersichtsarbeit fand fünf aussagekräftige Studien zu dieser Frage: Nach 7, 9 und 10 Jahren war die Zahl der festgestellten Tumore in der Screening-Gruppe größer, auf die Gesamtsterblichkeit hatte das PSA-Screening in vier von fünf Studien keinen Einfluss. Die fünfte Arbeit aus Schweden fand nur in der Untergruppe der 55bis 69-Jährigen eine geringe Senkung der Gesamtsterblichkeit (- 0,07 %)24. Dies würde einem verhinderten Todesfall auf 15.000 gescreente Männer entsprechen. Das PSA-Screening bleibt daher wahrscheinlich ohne Auswirkung auf die Lebenserwartung. Das angesehene Züricher Hortenzentrum25 folgert daraus: „... häufigere Diagnosestellung durch PSA-Screening bei wahrscheinlich gleichbleibender Mortalität und einer Vielzahl an Überdiagnosen mit in der Folge überflüssigen Interventionen und möglichen Folgekomplikationen.“26
>> Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung im internationalen Vergleich
Wiener Ärztekammer
US Preventive Services Task Force
UK Screening Committee
Canadian Task Force on Preventive Health Care
ProstatakrebsScreening
Jährlich durch Wird abgelehnt Tastbefund und PSA Bestimmung
Wird abgelehnt
Wird abgelehnt
HodenkrebsScreening
Ab 15 regelm. durch Wird abgelehnt Selbstabtastung
Wird abgelehnt
Wird abgelehnt
Ab 50, alle 3 Jahre bis 70
Ab 50, alle 2 bis 3 Jahre bis 74
MammograAb 40, alle 2 Jahre phie-Screening
Ab 50, alle 2 Jahre bis 74
24 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21984740: Screening for prostate cancer: a review of the evidence for the U.S. Preventive Services Task Force. 25 Das Horten-Zentrum ist eine gemeinnützige Stiftung; es hat die Fachkompetenz zur Bewertung klinisch-medizinischer Informationen aus wissenschaftlichen Studien. Auf dieser Basis bietet es aufbereitete, praxisorientierte Informationen an und sorgt damit für einen Wissenstransfer in die Praxis. www.evimed.ch/ 26 Geringere Mortalität nach Prostatektomie beim frühdiagnostizierten Prostatakarzinom, PSA-Screening wahrscheinlich ohne Auswirkung auf die Mortalität. http://www.evimed.ch/AGORA/HTZ000/downloads/review_psa.pdf
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>> Patienten-Info PSA-Screening >>
Zusammenfassung
Manche Männer werden sich nach der Aufklärung für die Teilnahme am PSA-Screening entscheiden. Es kann aber ebenso vernünftig sein, sich nicht daran zu beteiligen, da das Screening sowohl nutzen, als auch schaden kann. Um die richtige Wahl treffen zu können, muss jeder Mann das Für und Wider des Prostatakrebs-Screenings kennen. Wenn sich 1.000 Männer regelmäßig einem Screening unterziehen, wird etwas weniger als ein Mann (rechnerisch 0,7) einen Nutzen daraus ziehen, da er vermeidet, an Prostatakrebs zu versterben. Gleichzeitig werden 36 gesunde Männer durch das Screening unnötigerweise zu Prostatakrebs-Patienten und deshalb behandelt. Ferner wird bei 420 Männern ein falscher Alarm ausgelöst und eine Stanzbiopsie durchgeführt, bei ca. 140 wird der Krebsverdacht bestätigt. Einem Großteil dieser Männer wird die Prostata radikal entfernt, häufig werden sie nachbestrahlt, manchmal auch einer Chemotherapie unterzogen. Die psychische Belastung bis zur endgültigen Abklärung, ob tatsächlich ein Krebs vorliegt, kann gravierend sein. Diese Zahlen wurden wissenschaftlichen Studien zum Prostatakrebs-Screening entnommen. Durch das Screening werden gesunde Männer, die nie irgendwelche Zeichen von Prostatakrebs entwickelt hätten, zu Krebs-Patienten gemacht. Es scheint daher nicht sinnvoll zu sein, sich an diesem Screening-Programm zu beteiligen: Wenn ein Mann nicht am Screening teilnimmt, reduziert er sein Risiko, eine Prostatakrebs-Diagnose zu erhalten. Dessen ungeachtet, werden manche Männer weiterhin am Screening teilnehmen wollen.27
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27 Zusammenfassung in Anlehnung an „Patienteninformation für Brustkrebs-Screening“, nordische Cochrane-Gesellschaft
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Über diese Patienteninformation
Diese Information wird HausärztInnen kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie soll Männern, die eine Aufklärung über das PSA-Screening wünschen, schon bei der Anmeldung zur Vorsorgeuntersuchung ausgehändigt werden. Sie ist als Ergänzung zum ärztlichen Gespräch gedacht und soll den Betroffenen eine informierte Patientenentscheidung ermöglichen. Der PSA-Test nach Diagnose oder Behandlung von Prostatakrebs ist nicht Inhalt dieser Patienteninformation. Herausgeber dieser Patienteninformation ist die Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM – www.tgam.at). Die TGAM ist eine unabhängige, gemeinnützige wissenschaftliche Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin. Sie finanziert sich über Mitgliedsbeiträge sowie durch finanzielle Unterstützung des Landes Tirol und der Tiroler Gebietskrankenkasse; diese Institutionen haben keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Broschüre genommen. Die TGAM nimmt keine Zuwendungen von pharmazeutischen Herstellern oder Interessensvertretungen an. Die Druckkosten wurden von der Tiroler Gebietskrankenkasse getragen. An •• •• ••
der Entstehung dieser Patienteninformation mitgewirkt haben (i.a.R.): Dr. Herbert Bachler, Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapeut, Lehrbeauftragter der MUI Dr. Christoph Fischer, Praktischer Arzt in einer Tiroler Landgemeinde, Lehrbeauftragter der MUI Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner, MPH, klinischer Epidemiologe, Arzt für Allgemeinmedizin, Direktor der Österreichischen Cochrane Zweigstelle und des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie, Donau Universität Krems •• Dr. Klaus Koch, Leiter des Ressorts Gesundheitsinformation, IQWiG, Köln. www.gesundheitsinformation.de. •• Dr. Irmgard Schiller-Frühwirth, Mitarbeiterin in der Stabstelle „Evidence-Based Medicine“ (EbM) im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger •• Prof. Dr. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch, http://www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de/team/ mit_siebenhofer.html •• Michaela Strobelberger, Wiss. Mitarbeiterin des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie, Donau-Universität Krems Wir danken den Mitarbeitern des Harding Zentrums für Risikokompetenz (Harding Center for Risk Literacy) am Berliner Max-Planck-Institut unter Direktor Univ.-Prof. Dr. Gerd Gigerenzer für die Unterstützung bei der Erarbeitung dieser Patienten-Information. Interessenskonflikte: keine Die Patienteninformation wurde 2013 erarbeitet; 1. Aktualisierung vom Januar 2014. Nächste geplante Aktualisierung: 2015. Die jeweils aktuelle Ausgabe finden Sie auf www.tgam.at
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www.tgam.at
Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin
>> Patienten-Info PSA-Screening Die Entscheidung für oder gegen den PSA-Test als Maßnahme zur Krebsvorsorge ist keine einfache – lediglich mit umfassender Information ist es möglich, die jeweils individuell passende Lösung zu finden. Begleitend zum ärztlichen Gespräch bietet Ihnen diese Broschüre einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu diesem Thema.
Die Faktenbox28 zeigt wichtige Zahlen auf einen Blick:
Prostatakrebs*Früherkennung11
durch&PSA*Screening&und&digital*rektale&Untersuchung&& Zahlen&für&Männer&ab&50&Jahre,&beobachtet&über&10&Jahre&ohne&vs.&mit&Screening& 10001Männer1 10001Männer1 mit1 ohne1 Screening1 Screening1
& & Nutzen1 Wie&viele&Männer&sind&an&Prostatakrebs&gestorben?& Wie&viele&sind&insgesamt&gestorben?
&
8&
8*&
200&
200&
–&
20&
–&
180&
Schaden1 Wie&viele&Männer&sind&unnöMg&mit&Prostatakrebs& diagnosMziert&und&behandelt&worden**?&& Wie&viele&Männer&haben&nach&einer&Biopsie& erfahren,&dass&ihr&Testergebnis&falsch&posiMv&war?
&
*&Das&bedeutet:&Von&1000&Männern&(Alter:&50+)&ohne&Screening&sind&innerhalb&von&10&Jahren&etwa&8&an& Prostatakrebs&gestorben.& **&z.B.&operaMve&EnYernung&der&Prostata&oder&Strahlentherapie,&was&zu&InkonMnenz&oder&Impotenz&führen&kann.& Quelle:&Djulbegovic&M,&Beyth&RJ,&Neuberger&MM,&et&al.&(2010).&Bri$sh'Medical'Journal,&341:c4543.&
Die TGAM Die Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) wurde 1997 als wissenschaftliche Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin in Tirol gegründet. Ihre vorrangigen Ziele sind die Qualitätssicherung im Interesse der Patienten durch die Organisation von Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie von Kongressen, die Etablierung der AM an der Universität, die Förderung wissenschaftlicher Arbeit und die Imagepflege der AM auf nationaler wie internationaler Ebene. Auf www.tgam.at finden Sie unter dem Punkt „Patienteninfo“ eine Zusammenstellung von Wissenswertem. 28 ©Harding Center for Risk Literacy/Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin; http://www.harding-center.com
TGAM - Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin Präsident: Dr. Herbert Bachler, Telefon: +43 512 575566 A-6020 Innsbruck, Innrain 71/2 E-Mail: office@tgam.at Titelfoto: © Torbz - Fotolia.com