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EINLEITUNG

EINLEITUNG

PHILOSOPHIEREN ALS WEG ZUM GLÜCK

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Philosophie ist die Tätigkeit,

die durch Argumentation und Diskussion

das glückliche Leben schafft.

Epikur

Der Philosoph Epikur ist so etwas wie der Ahnvater aller Glückssuchenden. Das Erbe, das er hinterlassen hat, ist vielschichtig. Denn Epikur hatte einen Traum, an dessen Verwirklichung er sein ganzes Leben lang arbeitete: Jeder Mensch sollte, unabhängig von Herkunft und Geschlecht, seinen Lebensweg selbst gestalten können. Dabei nennt dieser in vieler Hinsicht ungewöhnliche Philosoph das Philosophieren selbst den Weg zum Glück. Denn Philosophieren im epikureischen Sinn ist alles andere als eine abstrakte, »kopfige« Angelegenheit. Vielmehr geht es um die Frage, wie sich ein selbstbestimmtes Leben im Alltag realisieren lässt. Es geht um das individuelle Lebensglück – hier, heute, auf der Erde.

Epikur selbst bezeichnete seine Lehre als »Naturphilosophie«. Doch seine philosophischen Fragen zum Wetter und zu Naturphänomenen haben einen Hintergrund: Zu Epikurs Lebzeiten wurde zum Beispiel eine Naturerscheinung wie Blitz und Donner als Zornesausbruch des Gottes Zeus ausgelegt. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, welche Folgen dies für die Gemütslage von Menschen haben konnte …

Epikurs erklärtes Ziel war es, die Menschen vom Aberglauben zu befreien, um Ängste zu reduzieren. Denn Ängste identifiziert er als die schlimmsten Feinde menschlichen Wohlbefindens. Philosophieren nach Epikur ist zielgerichtet: Es geht darum, ein möglichst gutes Leben zu führen. Ängste zu überwinden ist eine Grundvoraussetzung, um die Seelenruhe zu bewahren. Glück ist nach dieser Auffassung ein Zustand – des Wohlbefindens. Und nichts kann diesen Zustand massiver stören als Angst. Drei Ängste sind nach Epikur dabei die schlimmsten: Die Angst vor Schmerzen, die Angst vor den Göttern und die Angst vor dem Tod. Wie sich diese drei

Ängste und damit auch alle andern überwinden lassen, damit beginnt nach Epikur alles Philosophieren. Und um die Frage, wie Philosophieren praktisch funktionieren kann, geht es in diesem Buch.

Epikurs Themen sind zeitlos. Doch von seinen Original-Texten ist nur noch ein Bruchteil erhalten – einige Lehrbriefe und eine Sammlung von Lehrsätzen. Diese sind inzwischen mehr als 2000 Jahre alt und entsprechend sperrig zu lesen. Um sie zu aktualisieren und für die Gegenwart neu zu interpretieren, will dieses Buch eine Art »Übersetzungshilfe« bieten – durch Bücher. Romane, Sachbücher und Bilderbücher sind darunter, alte und neue, kurze und lange, dünne und dicke, einfache oder auch etwas komplexere. Die Auswahl orientiert sich an zentralen Themen aus Epikurs Schriften.

Da Epikur der Ansicht war, dass Philosophieren »kinderleicht« und für alle möglich sein sollte, wird zu jedem Thema auch mindestens jeweils ein Kinderbuch, Bilderbuch oder Märchen vorgestellt.

Epikurs Lehre ist eine Philosophie der Freundschaft. Und Epikur empfahl nicht nur eine grundsätzlich freundschaftliche Haltung gegenüber anderen Menschen, sondern lebte diese auch: Seine Schule, die in einem Garten lag, war als einzige ihrer Zeit offen für alle – unabhängig von Herkunft und Geschlecht. Das galt für Fremde ohne Bürgerrechte, das galt für Sklaven und das galt für Frauen. Dabei war es offenbar vor allem Letzteres, was schon zu Epikurs Lebzeiten sowie noch Jahrhunderte später als Skandal empfunden wurde. Und einige Indizien sprechen dafür, dass genau hier einer der Gründe liegt, warum ausgerechnet Epikurs Philosophie immer wieder absichtlich falsch ausgelegt wurde. Epikurs Lehre ist keineswegs

ein Aufruf zum Hedonismus. Epikur fordert lediglich dazu auf, sich aktiv um das eigene Wohlbefinden zu kümmern.

Durchaus lässt sich die darin enthaltene Absicht in einiger Hinsicht mit dem gegenwärtig so beliebten Schlagwort der »Selbstliebe« vergleichen. Dabei betont Epikur beide Prinzipien gleichermaßen: Für das eigene – körperliche wie seelische – Wohlergehen zu sorgen sowie gegenüber anderen Menschen eine freundschaftliche Haltung zu pflegen. Die Fähigkeit, diese beiden Pole in Einklang zu bringen, betrachtet Epikur als Grundvoraussetzung für ein gutes Leben.

Weil Angst für Epikur das störendste Element ist, beginnt Philosophieren nach Epikur mit der Frage: Wie lässt sich Angst überwinden? Es setzt sich mit weiteren Fragen fort – und jedes Kapitel dieses Buches befasst sich mit einer davon. Dass die darin angesprochenen Themen miteinander zusammenhängen, zeigt sich in den Buchbeispielen: Themen überschneiden sich oder gehören zusammen und Bücher können deshalb in verschiedene Kapitel »passen«.

Ein Zusammenhang besteht nicht nur zwischen Angst und Glück. Zusammenhänge bestehen auch zwischen individuellen und sozialen Verhältnissen. Welche Rolle spielen Herkunft oder Geschlecht bezüglich der Frage, wie ein selbstbestimmtes Leben gelingt? Epikurs Lehre bezieht soziale Unterschiede schon durch das Konzept der Offenheit seiner Schule mit ein und zielt damit auf eine Überwindung diskriminierender Schranken ab.

Glück ist ein Zustand mit vielen Facetten. In Epikurs Philosophie geht es um Fragen, die alle Menschen betreffen. Und wenn es in einem Kapitel um die Frage geht, was der Tod für das Leben bedeutet, dann lässt sich mit Literatur darüber gut

»philosophieren« – in dem Sinn, dass Geschichten etwas erleben lassen, was mit Verstand und Fakten nur unzureichend erklärbar ist. Philosophie, die »Liebe zur Weisheit«, im wissenschaftlichen Sinn dreht sich um Erkenntnisse über den Sinn des Lebens. Der Ausdruck »Philosophie« bezeichnet aber – in einem eher umgangssprachlichen Sinn – darüber hinaus auch die persönliche Art und Weise, das Leben und die Welt zu betrachten, die »Lebensphilosophie«. Um diese Art von Philosophie oder Philosophieren geht es im Folgenden.

Die Freundschaft zu Büchern lässt sich in einiger Hinsicht mit der Freundschaft zu Menschen vergleichen. Um die Bedeutung von Büchern geht es im Kapitel Die Magie des Bücherfi ndens, mit dem die Reise in Epikurs Garten beginnt. Denn das einzige Gebäude dort war nicht zufällig eine Bibliothek, die für alle Schülerinnen und Schüler off en stand.

Mit einem Koff er voller Bücher lässt sich gut reisen – auch in die Welt der großen Fragen. Wenn dieses Buch also mit rund 50 gänzlich unterschiedlichen Büchern zum Philosophieren anregen will, versteht sich dies als Ermunterung zu dem, was Epikur als Weg zum Glück empfi ehlt – und was sich in Worten von heute ungefähr so ausdrücken lässt:

Fang an zu philosophieren –ja, du, jetzt gleich … … denn es ist nie zu früh dafür und nie zu spät!

Du musst dich selbst um das kümmern, was Glück bringt.

Epikur

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