Synodenbericht Lateinamerika 2020 Ruth Vindas*
Covid-19 und Gender-Gewalt Die Covid-19-Pandemie hat weltweit Verwüstungen angerichtet. Die obligatorische Quarantäne zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus zeigt nun global positive Auswirkungen, aber die «Femizid-Pandemie» geht weiter. Studien in ganz Lateinamerika und der Karibik zufolge war vor der Pandemie häusliche Gewalt eines der Hauptanliegen von Frauen auf dem ganzen Kontinent. Als Folge darauf organisierten starke Gruppen gegen geschlechtsspezifische Gewalt eine Reihe von Märschen, die die Strassen in den Ländern der gesamten Region füllten. Doch nur wenige Wochen später deuten die Zahlen darauf hin, dass mit dem Vormarsch von Covid-19 und den Massnahmen der sozialen Isolation die Zahl der Misshandlungen und Feminizide zugenommen hat. Mexiko und Brasilien sind die Länder mit den meisten Feminizidfällen pro Jahr in der Region, während die höchste Rate pro 100‘000 Einwohner*innen im so genannten Nördlichen Dreieck Mittelamerikas (El Salvador, Honduras und Guatemala) zu verzeichnen ist. Diese schreckliche Realität zeigt sich auch in Bolivien, Peru, Chile und im übrigen Lateinamerika. Fachleute, die sich für die Verteidigung der Rechte der Frauen einsetzen, erklären: « Die Gefangenschaft schürt die Spannung und den Stress, die durch Bedenken bezüglich Sicherheit, Gesundheit und Geld entstehen. Sie verstärkt auch die Isolation von Frauen, die gewalttätige Partner haben, und trennt sie von den Menschen und Ressourcen, die ihnen am besten helfen können. Es ist die perfekte Situation, um zu Hause ein kontrollierendes und gewalttätiges Verhalten auszuüben. » Die Covid-19-Pandemie verursacht weltweit unkalkulierbares menschliches Leid und wirtschaftliche Verwüstung. Für viele Frauen und Mädchen ist die Bedrohung jedoch genau dort am grössten, wo sie am sichersten sein sollten: in ihren eigenen vier Wänden. Die Quarantäne schafft tatsächlich grössere Risiken für Frauen, die in Situationen häuslicher Gewalt leben. Neben der geschlechtsspezifischen Gewalt müssen auch andere Auswirkungen der Quarantäne berücksichtigt werden. Massnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens wie Heimunterricht, Fernarbeit, Haushaltsführung, Altenpflege u.a. belasten Frauen stärker, da die Hausarbeit in der Regel nicht gleichmässig verteilt ist. Frauen leisten den grössten Beitrag und leiden am meisten unter der Belastung des Gefangenseins wegen Covid-19. Diese Ungleichheit ist in Regionen wie Lateinamerika, wo Machismo und Fundamentalismus nach wie vor von unterdrückenden patriarchalischen Systemen genährt werden, sehr offensichtlich Herausforderungen und Veränderungen: Welcher Weg ist zu beschreiten? Die lateinamerikanischen Länder stehen weiterhin vor der Herausforderung der geschlechtsspezifischen Gewalt. Es
liegt viel Arbeit vor uns und es sind viele Frauen in Not, deshalb müssen wir stark bleiben und... • unsere Bemühungen zur Verringerung der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern fortsetzen. • den Kampf gegen religiöse Fundamentalismen fortsetzen; inmitten von Krisen brauchen wir dringend Räume für Reflexion, Analyse und erneute Lektüre befreiender biblischer Texte. • nicht nachlassen, wenn es um die Verkündigung von Menschenrechten geht. • mehr Räume schaffen für Ausbildung und Forschung zu Fragen der Gewalt. • seelsorgerische Begleitprozesse bewusst fördern, zusätzlich zu Vorträgen, Workshops und anderen Dynamiken, die Werkzeuge für die Ermächtigung von Frauen, Mädchen und Jugendlichen bereitstellen. • die Vernetzungsbemühungen zwischen Partnerländern und anderen Institutionen stärken. • die kontinuierliche Fortbildung und Aktualisierung zu Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und Gewalt beibehalten. Unsere Aktionen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit in Lateinamerika FEMINICIDE-Kurs April-November 2019 Dieser Ausbildungskurs für Führungspersönlichkeiten aus den verschiedenen Ländern, die die Kontinentalversammlung
*Professorin für Christliche Studien an der UBL, Lateinamerikanische Bibel-Universität, Costa Rica. Sie ist auch Delegierte der Synode von Mission 21.
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