Nr. 4 Dezember 2017
Advocacy: Frauen weltweit vernetzen sich Unser Projekt, S. 6 Ein St체ckchen Normalit채t f체r Vertriebene in Nigeria.
Eindr체cke aus Peru, S. 9 Jugendbotschafter Bruno Biermann berichtet.
Good News, S. 10 Erfreuliches aus der DR Kongo und Sabah, Malaysia.
Schwerpunktthema Advocacy
Liebe Leserin, lieber Leser 1990 wurden mein Mann und ich als junge Pfarrpersonen im Missionshaus ausgebildet, um in Südamerika in Elendsvierteln in kleinen Kirchen zu arbeiten. In der Ausbildung hörten wir immer wieder: «Es geht darum, mit den Menschen zusammen Wege aus der Armut und Verzweiflung zu finden.» Das kam uns recht theoretisch vor, aber nur solange, bis wir tatsächlich am Arbeiten waren. Wir lernten sehr schnell: Es gibt keine «theoretische» Verzweiflung, sondern Menschen. Zum Beispiel Dolores, die in die Prostitution gezwungen wurde, oder Mario, der mit seinen 14 Jahren keinerlei Hoffnung auf eine Zukunft ohne Hunger und Drogen sah. Es geht nicht um Ideologien und Theorien, sondern um konkrete Menschen und ihre Bedürfnisse. Uns Neulingen im Vorbereitungskurs war damals nicht bewusst, dass der Auftrag, mit ganzer Kraft für Entrechtete einzustehen, gerade in der Mission eine lange Tradition hat. Seit ihrer Gründung 1815 bis heute gilt die Arbeit der Mission jenen, die nicht nur kein Geld haben, sondern auch keine Fürsprecher. Menschen, die nicht mit Behörden umgehen können, weil sie nicht wissen, worauf sie Anspruch haben. Sie sind der Massstab für die Arbeit von Mission 21. Die Themen ändern sich durch die Jahre, immer aber stehen konkrete Menschen im Zentrum. Zum Beispiel die Jugendlichen in Indonesien, die trotz des zunehmend schwierigen Zusammenlebens der Religionen im Land an ihrer Friedensarbeit festhalten. Oder Menschen in Nordnigeria, die sich der Angst vor dem Terror und dem Hunger nicht beugen und in Maiduguri Flüchtlingslager führen. Trotz der grossen Schwierigkeiten, die sie selbst haben, stehen sie anderen bei. Mission 21 bringt in ihrem langjährigen Engagement ihre thematische Fachkenntnis ebenso ein wie die vertrauensvollen Beziehungen aus ihrem weltweiten Netzwerk. Das führt zu einem leisen, aber nachhaltigen Wirken. «Warum setzt ihr euch so ein?» werde ich immer wieder gefragt. Und es fällt mir oft schwer, die vielen Bilder und Situationen zu einer verständlichen Antwort zusammenzufassen. Doch wenn wir miterleben, wie Menschen in der grössten Not nicht aufgeben, sich für ihre Kinder, ihre Gemeinschaft, ihre Rechte einsetzen, dann ruft uns das dazu auf, sie in ihrem Kampf nicht allein zu lassen. Menschen begleiten Menschen: In der zusammenrückenden Welt des 21. Jahrhunderts führt nur eine Solidarität über Kontinente und Kulturen hinweg in eine Zukunft für alle. Ihre
Claudia Bandixen Direktorin Mission 21 Titelbild: Symbolbild, Kamerun. Foto: Heiner Heine
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Dorothee Adrian / Mission 21
Editorial
Mut schöpfen aus Frauen aus vier Kontinenten verbünden sich für mehr Gerechtigkeit. Mission 21 vernetzt und stärkt sie durch das Advocacy-Programm für FrauenMenschenrechte. Mit Erfolg. «Viele Menschen können ihren Anliegen keine Stimme geben», sagt Gladys Dommy Mananyu. «Mein Verständnis von Advocacy ist es deshalb, für sie einzutreten. So können wir einen Wandel hin zu einem menschenwürdigen Leben erreichen.» Mananyu arbeitet beim Südsudanesischen Kirchenbund (SSCC), Partnerorganisation von Mission 21, und ist dort für das Frauen- und Jugendprogramm verantwortlich. Im Juni nahm sie am diesjährigen AdvocacyTraining der Stabsstelle Frauen und Gender von Mission 21 teil. Mit dem Advocacy-Programm möchte Mission 21 die Lebensumstände von Frauen verbessern und deren Einfluss auf die politische Agenda, die öffentliche Meinung und die Entscheidungsträger verstärken. Denn in vielen Regionen dieser Welt ist diese Einflussnahme sehr einseitig verteilt: «Privilegien sind historisch
entwickeln und leitende Personen in den Partnerorganisationen für Gendergerechtigkeit zu sensibilisieren. Nach dem Workshop in Basel beginnt die eigentliche Arbeit also vor Ort: «Es gibt immer noch religiös basierte Organisationen, die nicht anerkennen, dass Frauen Rechte haben», bemerkt Nidia Fonseca.
Advocacy im Kontext HIV
s der eigenen Biografie gewachsen und oft den Männern vorbehalten, zum Nachteil der Frauen», fasst Nidia Fonseca, Theologin aus Costa Rica, zusammen.
Frauen-Menschenrechte, faith based Das Advocacy-Programm von Mission 21 wurde 2016 lanciert und knüpft an die bestehenden Entwicklungsprogramme der Partnerorganisationen an. Dieses Jahr kamen zum zweiten Mal rund 20 Frauen aus Asien, Lateinamerika, Afrika und Europa im Missionshaus in Basel zusammen. Beim Advocacy-Training wurde über drängende Geschlechterfragen und Lösungsansätze diskutiert. Anschliessend besuchten die Teilnehmerinnen einen mehrtägigen Workshop in Genf zum Thema Frauen-Menschenrechte für glaubensbasierte Organisationen. Dabei lernten sie internationale Instrumente kennen, wie etwa die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) oder das Verfassen sogenannter Schattenberichte, Berichte von unabhängigen NGOs an die UNO mit Kritik und Empfehlungen zur Umsetzung der Menschenrechte im betreffenden Berichtsland. Ziel ist es, die Strategien und Instrumente aus dem Advocacy-Training lokal weiterzu-
Ein Beispiel, wie die Advocacy-Arbeit in den Partnerländern von Mission 21 weitergeht, ist der erfolgreiche HIV-Workshop in Kamerun Anfang 2017. Organisiert haben ihn Emery Mpwate, HIV-Koordinator von Mission 21 in Afrika, Melania Mrema Kyando, Leiterin der HIV-Arbeit in Tansania und Dorothy Tanwany, Frauenrechtsaktivistin aus Kamerun. Alle drei nahmen im Jahr 2016 am Advocacy-Workshop in der Schweiz teil. Am Workshop in Kamerun diskutierten nationale HIV-Koordinatoren und Leiterinnen der Frauenarbeit in den Kirchen den Zusammenhang von HIV und genderbasierter Gewalt. Beides sind immer noch Tabuthemen, auch in Kamerun. Emery Mpwate betont, wie wichtig es ist, diese beiden Probleme als eine einzige gesellschaftliche Herausforderung zu betrachten: «Programme, die HIV und genderbasierte Gewalt in Bezug zueinander setzen, können die HIV-Epidemie wirkungsvoller bekämpfen als solche, die das nicht tun.» Viele Frauen im afrikanischen Kontext erleben sexuelle Gewalt. Oft sind sie wirtschaftlich von Männern abhängig und trauen sich nicht, Geschlechtsverkehr zu verweigern. In diesem Abhängigkeitsverhältnis sind sie vor sexuellen Übergriffen unzureichend geschützt. Das HIVInfektionsrisiko von Frauen ist deshalb höher als das der Männer.
Das Advocacy-Programm von Mission 21 organisiert jedes Jahr einen Workshop für Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten aus Asien, Lateinamerika, Afrika und Europa. Dabei knüpft das Programm direkt an die Kooperationsprogramme von Mission 21 an, um den Einfluss von Frauen auf Politik, Gesellschaft und Kirche zu verstärken. Angesichts der drängendsten Probleme wurden unterschiedliche kontinentale Schwerpunkte formuliert: Lohngerechtigkeit in Europa, HIV in Afrika, Menschenhandel in Asien, physische Gewalt an Frauen in Lateinamerika. Die meisten dieser Probleme sind aber auf allen Kontinenten anzutreffen, und das übergeordnete Ziel ist die Geschlechtergerechtigkeit. Nachrichten 4 | 2017
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Meret Jobin / Mission 21
Meret Jobin / Mission 21
Dorothee Adrian / Mission
«Wir alle kämpfen gemeinsam für dieselbe Sache: Für Gendergerechtigkeit.»
«Ich nutze eigene Erlebnisse, um die Frauen zu ermutigen, für sich selber einzustehen.»
Josefina Hurtado, Leiterin der Stabsstelle Frauen und Gender
Paska Aciya Nimiriano Siya, Südsudan
«Viele der bisherigen Errungenschaften in Bezug auf die Gendergerechtigkeit sind sehr verletzlich und müssen täglich aufs Neue verteidigt werden.» Nidia Fonseca, Costa Rica
Auch in Lateinamerika und Asien geht die Advocacy-Arbeit seit dem ersten Workshop 2016 eigene Wege: In Peru und Costa Rica wurden bereits zwei «Multiplikations-Workshops» durchgeführt. Und eine indonesische Teilnehmerin des Advocacy Trainings 2016 konnte sich sogar auf UN-Ebene einbringen: Als Abgeordnete einer Partnerorganisation von Mission 21 leistete sie einen Beitrag zum Schattenbericht über Wanderarbeiter und ihre Familien in Indonesien. Diese Erfolge zeigen, wie fruchtbar die Synergie zwischen dem Advocacy-Programm und den Kooperationsprogrammen von Mission 21 ist. Seit dem Workshop im Juni 2017 steht die zweite Generation von Multiplikatorinnen bereit, um Druck von unten aufzubauen und aktiv Frauen-Menschenrechte einzufordern.
Sichere Räume schaffen Der Glaube, die theologische Auseinandersetzung und persönliche Erfahrungen sind für die Frauen oft wichtiger Ausgangspunkt und werden als Kraft-Quelle für die Advocacy-Arbeit genutzt. Paska Aciya Nimiriano Siya, Pfarrerin der Presbyterianischen Kirche im Südsudan (PCoSS), wurde beispielsweise von einem Soldaten angegriffen, der sie töten wollte. Sie stellte sich diesem mutig entgegen. Sie erkannte seine Unsicherheit und redete ruhig mit ihm. Sie 4
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machte ihn darauf aufmerksam, dass sie eine Zivilistin und Pfarrerin sei. Der Mann rannte weg. «Dieses Erlebnis hilft mir dabei, anderen Frauen Mut zu machen», sagt sie. Offen über eigene Erfahrungen zu reden ist keine Selbstverständlichkeit. In vielen Ländern kennen Frauen ihre Rechte nicht und können ihre Bedürfnisse und Wünsche nicht thematisieren. Paska Aciya Nimiriano Siya erzählt: «Selbst wenn sie vergewaltigt werden, schweigen viele Frauen aus Angst und Scham sogar gegenüber der eigenen Familie. Und später haben sie dann vielleicht HIV.» Gladys Dommy Mananyu vom Südsudanesischen Kirchenbund pflichtet ihr bei: «Die eigene Geschichte und Wahrheit erzählen zu dürfen, ist deshalb sehr wichtig.» Dazu braucht es Räume, wo solche vertraulichen Gespräche möglich sind und man ohne Angst vor Verurteilung und Strafe frei sprechen darf. Das jährliche Advocacy Training in Basel bietet einen ebensolchen sicheren Raum für die Teilnehmenden. Das Training vermittelt Fachwissen und setzt Impulse, ohne den lokalen Kontext zu vernachlässigen. Die Teilnehmerinnen betonen alle, dass ihnen der internationale Austausch wichtig ist, um von den anderen zu lernen und das Netzwerk der Frauenarbeit zu stärken. «Der Workshop in Basel ist für mich zentral: Ich kann
Die gute Nachricht
Meret Jobin / Mission 21
«Die Bibel kann uns heutige Frauen inspirieren»
«Jede und jeder kann ein Fürsprecher, eine Pionierin sein für die Gendergerechtigkeit, beginnend in seinem oder ihrem eigenen Umfeld.» Ruth Ketsia Wangkai, Indonesien
mich mit anderen Frauen über schwierige Situationen austauschen und erfahre, wie sie diese bewältigen», sagt Gladys Dommy Mananyu. Denn so unterschiedlich die brennenden Frauenrechtsthemen in Afrika, Lateinamerika, Asien und Europa auch sein mögen: Die internationalen Aktivistinnen kämpfen für dieselbe Sache und begegnen dabei ähnlichen Problemen. Zum Beispiel beklagen sie ihre Aussenseiterrolle im Kampf für gleiche Rechte. Manche wurden sogar von anderen Frauen in ihrer Gemeinde gemieden, denn viele Kritikerinnen des Frauenrechts-Aktivismus haben Angst, gesellschaftlich marginalisiert zu werden, und fügen sich deshalb ihrer Rolle. Sorgen bereitet den engagierten Frauen auch der zunehmende Fundamentalismus in einigen Ländern, die wachsende Ungleichheit durch die Globalisierung und der Klimawandel. «Viele der bisherigen Errungenschaften in Bezug auf die Gendergerechtigkeit sind sehr verletzlich und müssen täglich aufs Neue verteidigt werden», bekräftigt die Costa-Ricanerin Nidia Fonseca. Das stetig wachsende Solidaritätsnetz, bestehend aus vielen mutigen Frauen und Männern, hilft ihr dabei. | Meret Jobin
Und am siebenten Tage, als der König guter Dinge war vom Wein, befahl er (…), dass sie die Königin Waschti mit ihrer königlichen Krone holen sollten vor den König, um dem Volk und den Fürsten ihre Schönheit zu zeigen; denn sie war schön. Aber die Königin Waschti wollte nicht kommen (…). Da wurde der König sehr zornig, und sein Grimm entbrannte in ihm. (Ester 1.5-1.12) In der Bibel finden sich viele Passagen, die wir auf Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern beziehen können, wenn wir sie mit neuen Augen lesen. Einige weibliche Figuren in der Bibel werden sehr heroisch dargestellt, allen voran Maria, die Mutter Jesu. Wir finden in der Bibel aber auch Frauenfiguren wie Waschti, die für Gerechtigkeit kämpften und von der Kirche oft nicht anerkannt werden. Die persische Königin weigerte sich, am Festmahl ihres Ehemannes zu erscheinen. Indem sie sich traute, gegen ihren Mann und das patriarchale System zu rebellieren, bewies sie viel Mut und hatte die Konsequenzen zu tragen: Ihr Mann trennte sich von ihr und entzog ihr alle Privilegien. Dennoch überlebte Waschti und überwand die schwierige Situation. Daraus können wir heutigen Frauen Mut schöpfen. Bei PERUATI wollen wir Theologinnen zu einer kontextuellen Theologie befähigen, von einem kritischen, feministischen Standpunkt aus. Unser Engagement soll insbesondere Frauen zugutekommen, die aufgrund ihrer Lebenssituation besonders verletzlich sind und wegen ihres sozialen und kulturellen Status‘ ausgegrenzt werden. Wenn wir Advocacy-Arbeit für Geschlechter-Gerechtigkeit leisten, ist es zudem wichtig, dass wir nicht nur über Frauenrechte sprechen, sondern die Rechte homo- und transsexueller Menschen miteinschliessen. Wir versuchen unseren Mitgliedern aufzuzeigen, wie breit das Spektrum der sexuellen Orientierung ist. In Indonesien ist Homosexualität ein sehr heikles Thema, viele Kirchen predigen, Schwule und Lesben seien sündig. Dennoch bleiben wir dran. Mir persönlich ist es sehr wichtig, denn Gottes Schöpfung hat sowohl heterosexuelle als auch schwule, lesbische und transsexuelle Geschöpfe hervorgebracht und die sexuelle Diversität ist noch viel grösser. Das bedeutet doch, dass Gottes Liebe uns allen gleichermassen zusteht, denn wir haben alle denselben Schöpfer. Meine Motivation ist es, die patriarchale Mentalität der Menschen zu verändern mit dem Ziel der Gleichberechtigung. PERUATI ist für mich eine Bewegung der Befreiung und Transformation. Ich habe zunehmend realisiert, dass es bei Advocacy nicht nur um den Kampf für die Rechte anderer geht. Als Frau betrifft mich dieser Kampf auch selber ganz direkt!
Ruth Ketsia Wangkai nahm im Juni 2017 am Advocacy-Workshop von Mission 21 in Basel teil. Sie ist Vorsitzende des feministischen Theologinnen-Netzwerks PERUATI in Indonesien, das gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit sowie gegen Gewalt an Frauen und Kindern kämpft.
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Ein sicherer Ort für Vertriebene
3 Bilder: Yakubu Joseph / Mission 21
Unser Projekt
Unsere nigerianische Partnerkirche, die Kirche der Geschwister (EYN), leistet seit vielen Jahren Nothilfe für Opfer der Boko Haram-Miliz. Seit Sommer 2017 unterstützt und koordiniert Mission 21 ein neues humanitäres Projekt im Camp in Shuwari, Maiduguri. Hier finden knapp 800 Menschen ein Zuhause auf Zeit. Frauen im Shuwari-Camp kochen mit den frischen Zutaten vom Markt.
«Ich bin dankbar, dass ich Gottes Liebe durch Taten Ausdruck verleihen kann», sagt Yakubu Joseph, Mission 21-Koordinator in Nigeria. «Aber es ist hart zu hören, was die Menschen durchgemacht haben. Wir leiden mit ihnen.» Die Kirche im Distrikt Maiduguri hat auf ihrem Gelände ein Camp eröffnet, in dem Binnenvertriebene leben können, die meisten in provisorischen Zelten. Momentan sind hier im Camp Shuwari im Bundesstaat Borno 212 Haushalte mit insgesamt 791 Bewohnerinnen und Bewohnern, über die Hälfte von ihnen sind unter 17. «Sie haben Erschreckendes erlebt», berichtet Joseph, «es ist erschütternd zu hören, wie sie vor der brutalen Gewalt der militanten Boko Haram-Anhänger geflohen sind. Viele haben ihre Lieben verloren, mussten lange Wege zurücklegen, um in Sicherheit zu gelangen; sie verloren ihr Zuhause und all ihr Hab und Gut. Zahlreiche Frauen wurden sexuell versklavt, bevor sie durch das nigerianische Militär befreit wurden. Ein halbes Dutzend junger Frauen trägt ein Baby eines Boko Haram-Kämpfers im Bauch.» Die Geschichten zu hören, breche ihm und den anderen Mitarbeitenden schier das Herz, manchmal fühlten sie sich «emotional völlig kraftlos».
Sicher vor Gewalt, aber nicht vor Hunger Etwa 40 von 50 Distrikten der «Kirche der Geschwister in Nigeria» sind unmittelbar betroffen von der humanitären Krise. Die Kirche und ihre Partner haben über 50‘000 Menschen mit Nothilfe versorgt (siehe Kasten). Die Lage in Nigeria ist hoch dramatisch: Die Deutsche Welle berichtet, allein im Monat August 2017 hätten 6
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Hilfsorganisationen über 100‘000 akut unterernährte Kinder unter fünf Jahren in Kliniken eingeliefert. Die Vereinten Nationen schätzen, dass rund 65‘000 Menschen vor dem Hungertod stehen. 2 Millionen Menschen seien in Nigeria von Mangelernährung betroffen, 277‘000 Kinder akut. Deshalb liegt der Fokus in diesem Camp auf Ernährungssicherheit und dem Bekämpfen der Unterernährung bei Kindern.
Der Markt als Dreh- und Angelpunkt Der Ansatz des Projektes ist, dass die Menschen selbst Entscheidungen treffen können. Das betrifft ganz praktisch ihre Ernährung, aber auch andere Bedürfnisse, die für ein gesundes und würdevolles Leben bedeutsam sind. In Nigeria gehören Märkte zum Leben. Jedes Dorf hat einen Markttag, an dem Überschüsse aus der eigenen Landwirtschaft verkauft und andere Dinge gekauft werden können. «Auf dem Markt treffen sich die Menschen, sie tauschen sich aus und knüpfen Beziehungen», erzählt Yakubu Joseph. Um auch in diesem Lager so etwas wie einen Alltag zu ermöglichen, wurde ein Markttag ins Leben gerufen. Dort können die Bewohnerinnen und Bewohner Dinge kaufen und verkaufen. Bezahlt wird mit Gutscheinen, die einen realen Gegenwert haben. Der Markt ist auch deshalb wichtig, weil die Menschen selbst aktiv sind und nicht in die einseitige Rolle des «Hilfe-Empfängers» gedrängt werden. «Das Projekt gibt jedem eine Chance», sagt ein früherer Fleisch-Verkäufer, «wir sind sehr dankbar, dass es keine Diskriminierung gibt.» Eine andere Person äussert, es tue gut, selbst zu entscheiden, welche Nahrungsmittel sie erwerben.
Ein Mädchen führt seinen blinden Grossvater zum Markt, um mit den Gutscheinen einzukaufen.
«Dass wir selbst Entscheidungen treffen können, hat mir Vertrauen geschenkt und Würde. Das macht mich froh.» Etwas sonst Selbstverständliches wird in Zeiten von Bürgerkrieg, Terror und Hass zu etwas Besonderem. «Die Begünstigten des Projekts fühlen sich immer am Markt-Tag an ihr einstmals typisches Leben im Dorf erinnert», sagt Joseph. Am Abend sei die Stimmung oft gelassen, Familien kochen mit den frisch gekauften Zutaten und lachen. Bei allem erlebten Leid staune er über ihre Widerstandskraft, über ihren Mut und die Hoffnung. «Diese gründet in einem tiefen Glauben an Gottes Kraft, die auch in den schlimmsten Umständen wirkt.» | Dorothee Adrian
Wir brauchen Ihre Unterstützung > Unterstützen Sie unsere Projekte in Nigeria: Nummer 162.1001 > Spenden: Konto PC 40-726233-2, Vermerk 162.1001 oder online: www.mission-21.org/spenden > Information: Projektdienst, Tel. 061 260 23 03, miriam.glass@mission-21.org
Mutter mit Kind. Angesichts der grossen Hungersnot liegt der Fokus des Camps auf der Ernährungssicherheit.
Nothilfe in Nigeria Das Camp der EYN ist ein Teil des Gesamtprogrammes in Nigeria, mit dem sich Mission 21 für Nothilfe, Unterkünfte, Trauma- und Friedensarbeit sowie für positive Zukunftsperspektiven einsetzt: Soforthilfe – gegen die allerschlimmste Not. Vor allem für Flüchtlingsfamilien, Witwen und Waisenkinder werden Grundnahrungsmittel, Kleidung, Decken, Medikamente, Kochutensilien und weitere dringend benötigte Hilfsgüter zur Verfügung gestellt. Unterkunft – ein sicheres Zuhause. Mission 21 leistete einen Beitrag zur Unterbringung der unzähligen verfolgten Christen und Muslime, indem sie den Bau von zwei Siedlungen für Binnenflüchtlinge mitfinanziert hat. Psychosoziale Begleitung Mitarbeitende und Freiwillige lernen. traumatisierte Menschen zu betreuen. Dies hilft den Betroffenen bei der Verarbeitung der furchtbaren Erlebnisse und beim Aufbau einer neuen Lebensperspektive. Zukunftsperspektiven Wir unterstützen die Menschen bei ihrem Neuanfang: Wir stellen ihnen Geräte für den Ackerbau, Saatgut und Düngemittel zur Verfügung, bieten den Frauen handwerkliche oder hauswirtschaftliche Kurse an, sowie Unterricht im Lesen und Schreiben. Kindern ermöglichen wir den Schulbesuch. Friedensförderung Gemeinsam mit unseren Partnern vor Ort leisten wir einen Beitrag zur Verständigung und zum Aufbau von Vertrauen. Wir fördern ein friedliches Zusammenleben und Zusammenarbeit der Bevölkerung über ethnische und religiöse Grenzen hinweg. Nachrichten 4 | 2017
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Mission 21 aktuell
Gegen die Schwarz-Weiss-Malerei Thema der interreligiösen Fachtagung von Mission 21 im März 2018: Geschlechterrollen in den Religionen. Der Referent Ahmad Mansour über patriarchale Strukturen, Toleranz und seinen persönlichen Bezug zu Religion.
Das Bild auf dem Flyer der diesjährigen Veranstaltung.
«Das Patriarchat ist älter als der Islam und alle Religionen dieser Welt», sagt der Psychologe Ahmad Mansour. Der vorsitzende Sprecher des Muslimischen Forums Deutschland ist einer der Referierenden an der interreligiösen Fachtagung von Mission 21 am 5. März 2018. «Ich treffe zum Thema Geschlechterrollen im Islam selten differenzierte Meinungen an», sagt er. Entweder verteufelten die Leute die Religion als unterdrückendes Übel, oder sie beschönigten alles, um vermeintlich tolerant zu sein. «Die Debatte ist sehr emotional geladen», sagt Mansour. Aber die Realität sei zu komplex für eine Schwarz-Weiss-Malerei. Eine differenzierte Herangehensweise ist Mansour wichtig. Er selbst wuchs in einem konservativen
SRF Mitenand in Tansania bei Mission 21-Projekt Die Sendung «Mitenand» war zu Besuch beim Waisenkinder-Projekt der Herrnhuter Brüdergemeine in Tansania. Im Mittelpunkt des eindrücklichen Fernsehbeitrags steht Bahati Mshani. Bahati wuchs selbst elternlos auf. Dank Mission 21 konnte sie Theologie studieren. Heute leitet sie die WaisenkinderArbeit, die von Mission 21 unterstützt wird. Sie betreut Kinder und Jugendliche und ermutigt sie, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. > Der «Mitenand»-Beitrag lief am 19. November auf SRF 1; ansehen kann man ihn auf der SRF-Homepage www.srf.ch/mitenand
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Haushalt auf. Als Jugendlicher bewegte er sich sogar im radikal-muslimischen Milieu. «Das hatte viel mit meiner persönlichen Suche nach Sinn zu tun», sagt er rückblickend. Nach wie vor bezeichnet sich Mansour als gläubiger Muslim: «Religion ist für mich immer noch sehr wichtig.» Bei seinem Referat in Basel wird er den Fokus auf die Integration der «Generation Allah» richten, wie er Jugendliche aus muslimischen Familien nennt. Der Psychologe möchte auch heikle Themen besprechen wie die Tabuisierung von Sexualität in radikalen Kreisen. Diese führe zu Minderwertigkeitskomplexen und starken Spannungen zwischen den Geschlechtern. «Am 5. März diskutieren wir, was junge Frauen und Männer aus radikal-muslimischen Familien brauchen, um ihre Persönlichkeit frei entfalten zu können.» Denn nicht nur Frauen seien Opfer patriarchaler Strukturen: «Junge Männer stehen oft unter hohem Druck, gewisse Ehrenvorschriften durchzusetzen», so Mansour. | Mara Wirthlin > Interreligiöse Fachtagung: 5. März 2018, 9.00-17.00, Missionsstrasse 21 > Infos und Anmeldung: www.mission-21.org/fachtagung
«Das Spielerische an der Kampagne gefällt mir sehr gut!» «Die Kampagne von Mission 21 «Gesucht: Reformator/innen von heute» überzeugt mich. Sie greift das wichtige Thema Reformation auf und schafft dabei einen Bezug zur heutigen Zeit. Denn nicht nur historisch grosse Namen trugen und tragen zum Wandel bei, sondern auch ganz gewöhnliche Menschen – wie Du und Ich. Es gelingt der Kampagne sehr gut, das aufzuzeigen. Und mit den Luther-Schablonen wird das Eis gebrochen und zum Mitmachen angeregt. Ich habe einen Anlass für die Sammlerinnen des Kollektenvereins über die Kampagne organisiert. Zu meiner Überraschung machten alle bei der Fotoaktion mit. Es wurde viel gelacht, aber auch ernsthaft über die Porträts aus Tansania, Costa Rica und Hongkong nachgedacht.»
Elisabeth Schmider ist OeMe-Beauftragte der Kirchgemeinde Grosshöchstetten.
Bruno Biermann
Indigenes Kulturgut, die heilige Rosa und engagierte Jugendliche
Im September reisten vier Jugendbotschafter von Mission 21 nach Peru und lernten Projekte und Initiativen vor Ort kennen. Bruno Biermann berichtet begeistert vom Erlebten. «Ich konnte bei meiner Reise erst an der Oberfläche dieses faszinierenden Landes kratzen», sagt Bruno Biermann. Im September 2017 reiste der 25-jährige Fotograf und Theologe gemeinsam mit drei anderen jungen Erwachsenen aus Europa nach Peru. Die Gelegenheit bot das Jugendbotschaftsprogramm von Mission 21, das weltweit junge Menschen zusammenbringt. Nach der Ankunft verbrachten sie ein paar Tage in der Hauptstadt Lima und lernten unterschiedliche Jugendinitiativen kennen. Danach ging die Reise ins peruanische Hochland, wo sich die meisten von Mission 21 unterstützten Projekte befinden. Die indigene Kultur gefiel Bruno auf Anhieb. «Es gibt in Peru noch immer neokoloniale Muster, aber die Bevölkerung ist zunehmend stolz auf ihre Wurzeln und darauf, das indigene Quechua und Aymara zu sprechen.» Und landschaftlich ist die Region von herber, überwältigender Schönheit. Doch die Hochebene hat mit zahlreichen sozialen Problemen zu kämpfen: «Menschenhandel ist speziell in der Höhenregion ein grosses Problem.» Peru steht weltweit an dritter Stelle der Anzahl registrierter Fälle. Zahlreiche junge Menschen werden mit finanziellen Anreizen angeworben und rutschen in die Lohnsklaverei oder Zwangsprostitution. An einem Workshop trafen sich die Jugendbotschafterinnen und Jugendbotschafter von Mission 21 mit jungen Menschen vor Ort. «Wir hatten Zeit, beim Austausch in die Tiefe zu gehen», sagt Bruno. Sie sprachen über Menschenhandel, Gender und was sie sonst noch alles beschäftigte. Bruno war beeindruckt vom poli-
tischen Bewusstsein der jungen Menschen. «Die meisten hatten klare Standpunkte und konnten in Worte fassen, was ihnen wichtig ist.» Dabei kristallisierten sich als Jugendthemen vor allem Bildung, Arbeit und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern heraus. Die Jugenddelegation erhielt auch Einblicke in die Projektarbeit von Mission 21 und ihrer Partner. Besonders beeindruckt hat Bruno die Frauenarbeit: «Ich konnte sehen, wie die Menschen konkret Hilfe erhalten.» Die Programme bringen Analphabetinnen Lesen und Schreiben bei und vermitteln ihnen das Wissen, um Verantwortung in der Gemeinde zu übernehmen.
Viele Projekte, wenig Theologie Eine stärkere theologische Auseinandersetzung hätte Bruno spannend gefunden: «Wir besuchten eine theologische Hochschule, ansonsten war unsere Zeit der Projektarbeit gewidmet.» Das habe auch mit den eher säkularen Partnerorganisationen von Mission 21 in Peru zu tun – «und in der kurzen Zeit war nun einmal nicht für alles Platz.» Etwas Spiritualität durfte der Theologe an seinem letzten Abend in Lima dann doch noch erleben. «Es fand zufälligerweise gerade die Prozession der Santa Rosa statt, das ist eine Heiliggesprochene aus dem 16. Jahrhundert.» Bei der Prozession wurde eine Figur von Santa Rosa mit Unmengen Rosen von Männern des Distrikts durch die Strassen getragen, für Bruno ein einmaliges Erlebnis: «Es war bewegend, zu sehen, wie Frömmigkeit in Peru gelebt wird.» | Mara Wirthlin
Indigene Frauen im peruanischen Hochland beim Tanz.
Das Programm Jugendbotschafterinnen und Jugendbotschafter aus Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz haben erstmals die Möglichkeit, Partnerländer von Mission 21 kennenzulernen. Die Reise nach Peru war die letzte für diesen Zyklus geplante, die weiteren Jugendbotschafter besuchten bereits Ghana und Taiwan. Im Frühjahr 2018 soll ein Gegenaustausch stattfinden, bei dem junge Erwachsene aus Partnerländern die Jugendbotschafter von Mission 21 in Europa besuchen kommen. Nachrichten 4 | 2017
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Mission 21 aktuell
Good News aus unseren Programmen Sabah, Malaysia: Dank Stipendium zur eigenen Firma Benny Franklin Hartheman stammt aus einer sehr armen Familie in Sabah, Malaysia. Dass er einst in seiner eigenen Firma Chef mehrerer Angestellter sein würde, hätte Benny sich vor wenigen Jahren nicht träumen lassen. Denn für seine Eltern kam es aus finanziellen Gründen nicht in Frage, dem Sohn ein Studium zu finanzieren. Durch ein Stipendium von Mission 21 hat Benny jedoch an der Universität in Kota Kinabalu eine Ausbildung zum Agronomen gemacht und mit Auszeichnung abgeschlossen. Heute führt Benny Franklin Hartheman in Malaysia eine Firma, die ökologischen Dünger herstellt und vertreibt – ein wichtiges Produkt in der landwirtschaftlich geprägten Region. Als einer von wenigen Indigenen hat er es geschafft, sein eigenes Geschäft erfolgreich aufzubauen – dank seiner guten Ausbildung. Er ist auch selbst als Ausbildner tätig. Bei der «Basel Christian Church of Malaysia», Partnerkirche von Mission 21, gibt er sein Wissen im Bereich Agronomie und Organisationsentwicklung weiter. | MW Benny Franklin Hartheman vor seinem Stand.
Bernhard Zahnd
DR Kongo: Weitere Fortschritte beim Wasserprojekt
Fundament des Wasserbeckens mit den stolzen Arbeitern. Im Hintergrund die Quelle.
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Letztes Jahr starteten Mission 21 und ihr Trägerverein «Evangelische Mission im Kwango» den Bau eines Wasserversorgungssystems im abgelegenen Dorf Matamba Solo in der Demokratischen Republik Kongo. Eine Zisterne wurde damals gebaut, welche seither das Regenwasser auffängt. Diesen Sommer reiste das Projektteam aus der Schweiz zum zweiten Mal in die DR Kongo und berichtet von weiteren Fortschritten: zwei Wasserbecken mit je 3800 Liter Inhalt konnten gebaut werden, die Stelle für das geplante Pumpenhaus wurde ausgehoben und der Verlauf der 700 Meter langen Wasserleitung ins Dorf markiert, durch den Dschungel und über eine 15 Meter hohe Felskante hinweg. Somit steht der geplanten Wasserpumpe nichts mehr im Weg. Sie wird das 220 Meter tiefergelegene Quellwasser direkt ins Dorf pumpen und den Alltag der Bevölkerung erheblich erleichtern. Denn bisher müssen vor allem Frauen und Kinder täglich auf einem steilen Waldweg mühsam Wasser ins Dorf schleppen. 2018 wird das Schweizer Projektteam unter der Leitung von Bernhard Zahnd für weitere zwei Monate nach Matamba Solo reisen, um den Bau des Wasserversorgungssystems abzuschliessen. Zahnd ist zuversichtlich: «Dieses Jahr konnten wir unter schweren Bedingungen Beachtliches erreichen.» Sie seien dank der Unterstützung des lokalen Wasserkomitees vor Ort gut aufgestellt und könnten bei der nächsten Reise direkt mit der Installation der Wasserpumpen beginnen. «Wir sind davon überzeugt, dass wir die Bevölkerung bis Ende 2018 mit sauberem Trinkwasser versorgen können», sagt Zahnd. | MW
Archiv & Buch
Im Geiste der Reformation
Der lange Weg zur Freiheit
Das Büchlein «Im Geiste der Reformation» wurde zum 500-Jahre-Reformationsjubiläum herausgebracht. Es sei als «Erinnerungshilfe» gedacht, schreibt Herausgeber Luzius Müller im Editorial. Tatsächlich gelingt es der Publikation wunderbar, den Geist der Reformation und ihre enge Verbindung zur Stadt Basel zu vergegenwärtigen. 14 Porträts von wichtigen Personen der Basler Reformationsgeschichte beleuchten dieses wichtige Stück Kultur- und Kirchengeschichte. Darunter sind historische Grössen wie Erasmus von Rotterdam und Wibrandis Rosenblatt. Es ist aber auch Platz für zeitgenössischere Namen. Etwa Ruth Epting: Die FrauenPionierin war mit der Basler Mission und später Mission 21 eng verbunden. Sie verstarb im vergangenen Jahr. Das Kurzporträt von Benedict Schubert über Ruth Epting schildert sie als Wegbereiterin für Frauen aus aller Welt. Ruth Epting, die selber im übertragenen Sinn immer wieder warten musste, bis sich eine Tür öffnete, war vielen Frauen selber eine Türöffnerin. Somit spielte sie eine bedeutende Rolle für die Reformation – wenn man diese nicht nur als historisch klar definierbaren Zeitraum versteht, sondern als dynamischen Vorgang, der bis in die heutige Zeit hineingeht. Einen Bezug zur Aktualität herzustellen ist auch der Anspruch der Publikation, wie Müller schreibt: «Wir verstehen Reformation als einen Prozess des Weiterdenkens und Zurückblickens, des sich für die Zukunft Öffnens und die Vergangenheit in Erinnerung Haltens.» | MW > Im Geiste der Reformation Theologischer Verlag Zürich, 92 Seiten
BMA, Ref. Nr. QC-30.108.0020
14 Porträts von Personen zwischen 1517 und 2017 beleuchten das Thema aus der Perspektive der Stadt Basel.
In Indien kämpften die Schwestern jahrelang um das Stimmrecht in den Missionarskonferenzen. Um Themen der Gleichberechtigung ging es auch 1910 an der sogenannten Blümchenkonferenz mit Indieninspektor Johannes Frohnmeyer. Erika Wuttke als erste rechts im Bild, stehend.
Nicht nur in der aktuellen Projektarbeit oder in den Büros unseres Gender Desks setzt sich Mission 21 für Frauen und ihre Rechte ein: Auch im Archiv und in der Bibliothek leisten wir einen Beitrag, indem wir Spuren und Hinterlassenschaften von Frauen aufbewahren, sichtbar machen und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Seit 200 Jahren füllen unterschiedlichste Frauen unsere Archivschachteln und Bücherregale mit ihren Geschichten. Manche historische Zeugnisse des weiblichen Schicksals lassen mich leer schlucken: Von pietistischer Keuschheit ist die Rede, von Demut und Bescheidenheit, von Verzicht und Unterordnung, von Krankheiten, Totgeburten, Trennungen. Aber ich lese auch über neue Handlungsfelder, die sich den Frauen in der Mission mit der Zeit eröffneten. Sie kämpften immer wieder für ihre Rechte, indem sie diskutierten, sich gegenseitig stärkten und vernetzten. Sie übernahmen Verantwortung und redeten bei wichtigen Entscheidungen mit. Schritt für Schritt eroberten sich mutige Frauen ihren Platz innerhalb der autoritären Strukturen der protestantischen Missionsgesellschaften, der europäischen Kirchen und der Partnerkirchen weltweit. Diese Frauen können wir uns in Erinnerung rufen, indem wir aufmerksam ihre Handschriften entziffern, akribisch auf das Ungesagte zwischen den Zeilen achten, sorgfältig ihre fotografischen Zeugnisse interpretieren. Durch die Auseinandersetzung mit ihrer Hinterlassenschaft werden Frauen von heute ermutigt, ihren eigenen Weg einzuschlagen und sich für andere einzusetzen. Exemplarisch möchte ich Ihnen eine der Frauen aus der langen Tradition von Mission 21 vorstellen, aber wer soll es sein? Catherine Mulgrave, auf Jamaica ausgebildet und noch vor 1850 an der damaligen Goldküste als Lehrerin im Einsatz? Erika Wuttke, Bibelfrau aus Indien? Mina Föll, Pionierin der ärztlichen Mission in Banjarmasin, Indonesien? Maria von Rauschenberg, erste ledige Mitarbeiterin der Basler Mission in China? Dorothee Sarasin, Sekretärin der Frauenmission in der Zwischenkriegszeit? Johanna Eggimann oder Rose Akua Ampofo, die beiden 2003 verunglückten Genderbeauftragten? Es scheint unmöglich, eine Einzige herauszupicken: zu viele spannende Frauen, zu wenig Platz in dieser Rubrik. Sie alle weisen uns den Weg zur Freiheit, an dessen Ende wir noch lange nicht angelangt sind. | Claudia Wirthlin, Leiterin der Bibliothek von Mission 21 Nachrichten 4 | 2017
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Agenda
Veranstaltungen Veranstaltungsorte Wenn nicht anders angegeben, finden die Veranstaltungen bei Mission 21 an der Missionsstrasse 21 statt. Dezentraler Sponsorenlauf «I walk with...» bis Sonntag, 10. Dezember 2017 Der Sponsorenlauf «I walk with...» ist eine Aktion von Mission 21 im Rahmen der Kampagne 2017 «Gesucht: Reformator/ innen von heute.» Nehmen Sie an unserem Sponsorenlauf teil und solidarisieren Sie sich mit Menschen, die die Welt verändern, unseren «Agents of Change». Infos und Anmeldung: www.mission-21.org/anmelden Fachtag Menschenhandel 14.-15. Dezember 2017 EJW-Tagungszentrum Bernhäuser Forst Dr. Manfred-Müller-Straße 4 70794 Filderstadt Die zweitätige Veranstaltung hat den Schwerpunkt Menschenhandel. Davon betroffen sind besonders viele Frauen. Fachpersonen aus Argentinien, Costa Rica, Deutschland und Rumänien setzen sich mit dem Thema aus einer theologischen Perspektive auseinander und fragen: «Wo ist Gott in Leid und Gewalt?» Die Tagung wird von der Stabsstelle Frauen und Gender von Mission 21 zusammen mit unseren Partnern in Deutschland veranstaltet. Information: Barbara Wuthe, 0049 711 636 78 43 Studienreise nach Kamerun Samstag, 27. Januar 2018 bis Donnerstag, 8. Februar 2018 Die begleitete Studienreise profitiert von den langjährigen Beziehungen, die zwischen der Presbyterianischen Kirche in Kamerun (PCC) und Mission 21 gewachsen sind. Sie erlaubt persönliche Begegnungen und Einblicke in die Kirche und ihre Projekte. Für Pfarrerinnen und Pfarrer, kirchliche Mitarbeitende und an der weltweiten Kirche Interessierte. Infos: christian.weber@mission-21.org
Werktags-Kurse 2018 Bern: Mittwoch, 24. Januar 2018, 8.45– 16.00, Kirchgemeindehaus Johannes, Wylerstrasse 5, 3014 Bern Aargau: Dienstag, 20. Februar 2018, 8.30– 16.30, Kirchgemeindehaus Dürrenäsch, Lindhübelstrasse 21, 5724 Dürrenäsch Zürich: Mittwoch, 21. März 2018, 8.30– 16.30, H50, Hirschgraben 50, 8001 Zürich Vielfältige Workshops geben Inputs zum Basteln und Selbermachen. Pro Tagung inklusive Verpflegung und Getränke: CHF 75.–. Reduzierter Beitrag für Mitarbeitende von Kirchgemeinden: CHF 50.–, zuzüglich Materialkosten je nach Kurswahl (vor Ort direkt an die Kursleitung zu bezahlen). Der Tagungsbeitrag wird für den Werktag Bern nach der Anmeldung in Rechnung gestellt. An den Werktagen im Aargau und in Zürich wird der Tagungsbeitrag direkt vor Ort eingezogen. Infos und Anmeldung: christine.lehni@mission-21.org, 061 260 22 36
Impressum Nachrichten Mission 21, Nr. 4 | 2017 Herausgeberin: Mission 21, Evangelisches Missionswerk Basel, Missionsstrasse 21, 4009 Basel Auflage: 21 200 Ex. Redaktion: Mara Wirthlin (MW) Layout: Mara Wirthlin Layoutvorlage: VischerVettiger AG, Basel Druck: MHD Druck und Service GmbH, Hermannsburg, D Spendenkonto: PC 40-726233-2
Mission 21 vereint die Arbeit der Basler Mission, der Evangelischen Mission im Kwango und der Herrenhuter Mission. Mission 21 ist Mitglied der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS), Stuttgart. Die Nachrichten erhalten Gönnerinnen und Gönner von Mission 21. Sie erscheinen viermal jährlich.
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Nachrichten 4 | 2017
Interreligiöse Fachtagung: Geschlechterrollen in verschiedenen Religionen Montag, 5. März 2018, 9.00-17.00 Was Mädchen tun und Knaben lassen sollen, wird in vielen Kulturen weitergegeben und häufig mit Bezug auf die heiligen Schriften legitimiert. Wie soll mit religiösen Geschlechterrollen in Gesellschaft, Schule und Arbeitsalltag umgegangen werden? Diese und weitere spannende Fragen behandeln wir an der prominent besetzten Fachtagung bei Mission 21. Infos: detlef.lienau@mission-21.org, 061 260 23 35 Ehemaligentag Freitag, 23. März 2018, 9.30-17.00 Jahresanlass für ehemalige Mitarbeitende von Mission 21. Infos: lisbeth.kammer@mission-21.org, 061 260 22 05 Info- und Begegnungstag Donnerstag, 12. April 2018, 10.00-17.00 Dankesanlass von Mission 21 für Ehrenamtliche. Infos: info@mission-21.org, 061 260 21 20 Jugendevent young@mission21 16. Juni 2018, 14.00, Aarau Jugendanlass mit vielfältigen, bunten Workshops zum Thema Migration und Flucht, analog zum Thema der Missionssynode. Infos: sarah.aemisegger@mission-21.org, 061 260 22 39 Missionssynode 15.-16. Juni 2018, Aarau Die Missionssynode findest dieses Jahr in Aarau statt und hat das übergeordnete Thema Migration, Flucht und Verfolgung. Infos: nicole.hartmann@mission-21.org, 061 260 22 71 Missionsfest Sonntag, 17. Juni 2018, 10.00-17.00, Aarau Das Missionsfest beginnt mit einem Gottesdienst in der Stadtkirche Aarau. Anschliessend internationales Fest mit familienfreundlichem Programm, Musik und Kulinarischem aus aller Welt. Infos: gisele.wittmer@mission-21.org, 061 260 22 76 Den laufend aktualisierten Veranstaltungskalender mit weiterführenden Informationen finden Sie auf: www.mission-21.org/agenda