Nachrichten 3 2017

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Nr. 3 September 2017

Gemeinsam verändern wir die Welt Unser Projekt, S. 6 Das ökumenische Zentrum DEI in Costa Rica fördert den Kampf gegen Ungleichheit.

Mit Kleinem Gutes tun, S. 8 Die Dankesbüchsen der Mission bewähren sich seit über 70 Jahren.

Good News, S. 10 Ob eine neue mobile Klinik oder eine Ehrerweisung für unsere Partnerorganisation - hier berichten wir Erfreuliches aus den Projekten.


Editorial

Schwerpunktthema

«Woran glaubst Du?» ist fast überall auf der Welt eine übliche Frage. Sie gibt Hinweise darauf, woran sich das Gegenüber hält. Die Frage nach dem Glauben sucht auch die Antwort auf ganz konkrete Fragen: Welche Rechte werden einer Frau zugestanden? Wie gehen wir mit Waisenkindern um? Was bedeutet «würdiges» Leben? Drängende Fragen, die auf eine positive Veränderung der Gesellschaft zielen. Antworten darauf finde ich in der Theologie. Deren Studium ist zwar ebenso anspruchsvoll wie ein Medizinstudium. Aber während sich jede gut ausgebildete Ärztin mit Erfolg gegen den Vorwurf der Quacksalberei verwahren kann, wird die wissenschaftliche und engagierte Auseinandersetzung mit religiösen Werten zu wenig ernst genommen. Oft wird Glaube mit Beliebigkeit verwechselt. Religionen werden entweder verteufelt oder verniedlicht. Als Mission 21 setzen wir uns entschieden für einen fundierten Umgang mit Religiösem ein. Immer wieder erleben wir, dass religiöse Werte zentral sind, um Frieden zu bringen. In Nordnigeria, wo die Bevölkerung unter der islamistischen Terrormiliz Boko Haram leidet, sind es besonders Mission 21 und unsere Partnerkirche EYN, die auf ein friedliches Zusammenleben von Muslimen und Christen hinarbeiten. Ganz vorne dabei ist Suzan Mark. Sie konnte Theologie studieren und sich so das Werkzeug holen, um sich für Toleranz zwischen den Religionen einzusetzen. Heute arbeitet sie mit schwer traumatisierten Mädchen und Frauen und verhilft ihnen zu Bildung und damit zu einer Zukunft. Sie ist eine «Agent of Change», sie verändert das Leben vieler Betroffener und deren Umfeld wesentlich. Mission 21 fördert Menschen gerade darum in ihrer Ausbildung, weil sich nur so eine Zukunft für sie öffnet. Einmal ausgebildet, kommen sie gerne zu ihren Wurzeln zurück und geben Gelerntes weiter: Die Ghanaerin Hilary Gbedemah traf sich in Basel im Missionshaus mit Fachfrauen aus aller Welt, die mit Kriegstraumatisierten arbeiten. Sie selbst hat als junge Frau ein Stipendium erhalten. Heute kämpft sie auf höchster Ebene gegen Menschenrechtsverletzungen an Frauen. Als eine von 23 Menschenrechtsbeauftragten der UNO macht sie den überprüften Staaten Vorschläge, um Ungerechtigkeit zu beseitigen. Sie begründet ihre Arbeit nicht nur juristisch, sondern auch aus dem Glauben heraus. «Nur so», sagt sie, «erreichen wir die Menschen wirklich!» Ihre

Claudia Bandixen Direktorin Mission 21 Titelbild: Menschen, die die Welt verändern (von oben links): Yaneth Rojas (vgl. S. 7), Bahati Mshani (vgl. S. 2-5) Daniel Gloor (vgl. S. 10), Silvia Regina da Lima Silva (vgl. S. 6), Alex Ipo Hon Ho und Suzan Mark (vgl. S. 2-5).

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Mara Wirthlin / Mission 21

Liebe Leserin, lieber Leser

Agents of Change Wer sind die Menschen, die heute die Welt verändern? Wir haben uns in den Partnerländern von Mission 21 umgeschaut. Und wir fanden Personen, deren Engagement uns begeistert.

Die Welt braucht Wandel. Das zeigt der Blick auf schlimme Kriege und ein ausbeuterisches Wirtschaftssystem. Die gute Nachricht: Auf der ganzen Welt gibt es Menschen, die ihre Gesellschaft von unten verändern. Die theologischen Bildungsprogramme von Mission 21 regen zum gesellschaftlichen Engagement an. Deshalb setzen wir den Fokus im Jahr 2017 auf Menschen aus unseren Partnerländern, die aufgrund ihres Glaubens und ihrer theologischen Aus- oder Weiterbildung aktiv werden. Zum Beispiel Alex Ip Hon Ho: Als Student hetzte er Tag für Tag zur Universität in Hongkong. Vorbei an immer derselben alten Dame, einer obdachlosen Altpapiersammlerin, wie es so viele gibt in der Millionenstadt. «Ich bot ihr eines Tages Geld an», erzählt er. Aber noch bevor er die Almosen aus der Tasche gezogen


Bahati Mshani, Leiterin der Waisenkinderarbeit in Mbeya, Tansania, mit ihrem jüngsten Sohn.

– Menschen verändern die Welt hatte, lehnte sie ab und sagte: «Junger Mann, ich habe, was ich brauche.» Für Alex war es ein höchst peinlicher Moment. «Ich fühlte, welch riesige Distanz mich und diese Frau trennte, obwohl ich direkt vor ihr stand.» Im Gespräch mit der Papiersammlerin verstand er, dass es mehr braucht als Geld, um etwas zu verbessern: «Es geht darum, Menschen so zu unterstützen, dass ihre Würde bewahrt bleibt.»

Harter Boden, harte Blicke Alex setzte seine Anteilnahme in konkrete Taten um: Er gründete ein Angebot, das Begegnungen zwischen Schülern und Obdachlosen ermöglicht. Die Aktivitäten kommen spielerisch daher, doch sie führen nah an die Realität der Obdachlosen heran. Schülerinnen suchen in Abfalleimern nach Essen oder richten sich einen Schlafplatz auf der Strasse ein. Sie merken, wie hart sich der Untergrund und die Blicke der Passanten dabei anfühlen. Durch Erfahrung und Begegnung lernen sie Dinge, die jahrelanger intellektueller Unterricht nicht vermitteln kann. Alex Ip Hon Hos eigene Familie war relativ arm. Trotzdem konnte er Wirtschaft studieren. «Ökonomie ist eine nützliche Wissenschaft. Doch das kapitalistische System reicht

nicht aus, um die Welt zu verstehen.» Deshalb studierte Alex auch noch Theologie und ist heute Professor an der Divinity School of Chung Chi College an der Chinesischen Universität in Hongkong. In dieser Institution, welche von Mission 21 mitgetragen wird, animiert er die Studierenden, ihr Verständnis des christlichen Glaubens in Handlungen umzusetzen. Daneben bleibt er in der Armutsbekämpfung tätig. «Arme werden als soziales Problem gesehen, nicht als Menschen», kritisiert er. Dass nicht alle dieselben Ausgangschancen haben, bleibe leider oft ausser Acht. Wie sehr die familiäre Herkunft sich auf das spätere Leben auswirkt, weiss auch Bahati Mshani: Die Tansanierin kam in einem abgelegenen Dorf als Tochter einer alleinerziehenden Mutter zur Welt. Diese starb, als sie 14 war. Das bedeutete für die aufgeweckte Schülerin fast das Aus ihrer Grundbildung. Dank eines staatlichen Stipendiums konnte sie die Sekundarschule abschliessen. «Danach hätte ich gerne weitergelernt, aber meine Grosseltern konnten sich die Kosten für eine Ausbildung nicht leisten.» Über sechs Jahre lang blieb sie zuhause und lebte von dem, was sie selber anpflanzte. Dann erhielt sie ein Stipendium von Mission 21 Nachrichten 3 | 2017

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Yaneth Rojas, Kleinbäuerin und Umweltaktivistin in Costa Rica (Mehr über Yaneth auf Seite 7)

Vicky Kung

Dorothee Adrian / Mission 21

Dorothee Adrian / Mission

«Es reicht nicht, die Bibel zu lesen. Sie soll das Leben beleuchten. Mein soziales Engagement fusst auf der Bibel.»

«Es motiviert mich, zu sehen, wie Frauen in Nigeria langsam aufholen und immer mehr Bildung geniessen. Dennoch: Es bleibt ein weiter Weg.»

«Es braucht mehr als Geld, um etwas zu verbessern. Es geht darum, Menschen so zu unterstützen, dass ihre Würde bewahrt bleibt.»

Suzan Mark, Leiterin der Frauenarbeit unserer Partnerkirche EYN in Nigeria

Alex Ip Hon Ho, Theologie-Dozent in Hongkong

und somit die Chance, einen Bachelorabschluss in Theologie zu machen. «Dabei lernte ich viel über die soziale Verantwortung der Kirche», sagt Bahati. Im tansanischen Kontext bedeute dies vor allem, dass sich die Kirche um Frauen und Kinder als besonders verletzliche Mitglieder der Gesellschaft kümmern müsse. Nach dem Studium übernahm Bahati in Mbeya die Leitung des Waisenkinder-Departements der Herrnhuter Brüdergemeine, Partnerkirche von Mission 21.

Eine schmerzhafte Lücke schliessen Mbeya ist ein Verkehrsknotenpunkt, es gibt viel Prostitution und HIV ist weiter verbreitet als in anderen Teilen Tansanias. Mittlerweile stagniert die Zahl der jährlichen Todesfälle wegen Aids dank kostenloser Medikamente. Doch noch immer sind die Folgen dieser Epidemie überall zu spüren: Wo Eltern und Bezugspersonen sein sollten, klafft über Generationen hinweg eine schmerzhafte Lücke. Die zahlreichen Waisenkinder der Region sind die Hauptzielgruppe des Projekts, das Bahati leitet. Sie ermutigt die Zivilbevölkerung, Verantwortung für Waisenkinder zu übernehmen. Das Thema gehe alle etwas an: «Wenn wir die Waisenkinder heute nicht fallenlassen, haben wir morgen eine bessere Gesellschaft.» Sie erzählt von Waisenkindern, welche dank Bahatis Projekt an der Uni studiert haben und mit ihrem 4

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Gehalt nun die jüngeren Geschwister unterstützen. Manche Mädchen aus dem SchneidereiLehrgang wurden nach Abschluss mit dem Kauf einer Nähmaschine unterstützt. «Sie stellen heute Schuluniformen für das Waisenkinderprojekt her», sagt Bahati stolz. «Ich liebe es, die Bedürfnisse benachteiligter Kinder zu erfüllen», sagt sie. «Auch ich war auf Unterstützung angewiesen, um es so weit zu bringen. Mein Glück möchte ich an jene weitergeben, die ein ähnliches Schicksal haben.» Sie zeigt den Kindern, dass sie sich nicht schämen müssen, Hilfe anzunehmen. «Ein selbstbestimmtes Leben ist möglich» – das lebt Bahati den Kindern vor. Auch bei Suzan Mark aus Nigeria gibt es einen Zusammenhang zwischen ihrer Kindheit und ihrem jetzigen Engagement: Als sie ein kleines Mädchen war, gingen nur die Jungen aus dem Dorf zur Schule. Ihr Vater war der erste, der mit der Tradition brach, indem er sie zur Schule schickte. An der Universität musste sich Suzan wieder durchkämpfen, um zum Theologiestudium zugelassen zu werden. Schliesslich studierte sie bis zum Master-Abschluss und leitet heute die Frauenarbeit der Kirche der Geschwister in Nigeria (EYN), Partnerkirche von Mission 21. Somit hat sie eine grosse Aufgabe. Denn seit sie als Kind das einzige Mädchen auf dem Schulplatz war, hat sich die Situation der Frauen zwar verbessert. Aber die Gleichberechtigung von Män-


Nicholas Calvin Mwakatobe

Unterstützen Sie den Wandel!

«Ich will anderen Waisenkindern zeigen, dass sie es schaffen können – so wie ich.» Bahati Mshani, Leiterin der Waisenkinderarbeit in Mbeya, Tansania

nern und Frauen bleibt in ihrem Heimatland ein weit entferntes Ziel. Vor allem der Nordosten Nigerias leidet noch immer unter dem Terror der bewaffneten Miliz Boko Haram. Zahlreiche Menschen sind auf der Flucht. Viele konnten zwar in ihre Dörfer zurückkehren, stehen dort aber vor dem Nichts. Suzan sagt: «Frauen sind vom Konflikt besonders betroffen, da sie die Verantwortung für die Kinder tragen. Zudem sind viele Männer im Konflikt gefallen, die Witwen sind auf sich alleine gestellt.» Eines der wichtigsten Ziele der Frauenarbeit ist es deshalb, die vertriebenen Witwen zu stärken. Neben den Grundbedürfnissen sei der Zugang zu Bildung unbedingt nötig: «Ich sage immer: Bilde eine Frau aus, und du bildest die ganze Nation aus.» Denn wenn eine Frau gebildet sei, gebe sie ihr Wissen an ihre Kinder weiter. Das ist enorm wertvoll, denn die Grundbildung der nigerianischen Kinder in der Konfliktregion kann nicht immer gewährleistet werden. Obwohl der muslimische Glaube für die blutigen Taten von Boko Haram herhalten muss, ist Suzan Mark eine konsequente Verfechterin des interreligiösen Dialogs. Sie betont die Gleichwertigkeit aller Religionsgruppen: «Ich wünschte, mehr von uns Theologinnen und Theologen würden andere Religionen umarmen und sagen: «Kommt. Wir gehören zusammen! Lasst uns Gott gemeinsam preisen.»

Die Veränderung zu einer gerechten Welt kommt von einzelnen Menschen, die sich für das Gute einsetzen. Werden Sie Teil dieser Bewegung! Unsere Kampagne lädt zum Mitmachen ein. Weiterführende Informationen, alle Videos über die «Agents of Change» sowie Materialien finden Sie unter: mission-21.org/wandel Machen Sie mit bei unserem Sponsorenlauf, veranstalten Sie eine Gipfeli-Verkaufsaktion mit unseren vorgedruckten Servietten. Oder unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer direkten Spende: Konto PC 40-726233-2, Vermerk Herbstkampagne 2017

Das Engagement geht weiter – mit Ihnen? Die Beispiele von Alex, Bahati, Suzan und Yaneth (siehe Seite 7) machen deutlich: Die Verbindung von theologischer Bildung und gesellschaftlichem Engagement setzt enorme Kräfte frei. Unsere Partnerorganisationen bewirken, dass Menschen aktiv werden, sich einsetzen für ein Leben in Würde. Dass sie ihre Gesellschaft ein stückweit gerechter machen. Sie sind deshalb unsere «Agents of Change». Was in den unterschiedlichen Beispielen deutlich wird: Oft stehen am Anfang des Engagements persönliche Erlebnisse. Geschichten, die den Menschen entweder selbst wiederfahren oder sie tief berühren. Sei es bei Bahati und Suzan, die sich durchsetzen mussten, und sich nun für Benachteiligte einsetzen. Oder bei Alex, dem im kapitalistischen Hongkong ein Schlüsselerlebnis die Augen öffnete. Echte Anteilnahme macht handlungsfähig und gibt den Menschen Energie. Deshalb möchten wir auch Sie mit der Begeisterung über Menschen wie Alex, Bahati, Suzan und Yaneth anstecken. Denn jeder hat das Potential, ein «Agent of Change» zu sein: Unterstützen Sie unsere diesjährige Kampagne mit einer Aktion oder Spende. Und fördern Sie den Wandel zum Guten in Ihrem eigenen Umfeld! | Mara Wirthlin, Miriam Glass

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Unser Projekt

Dorothee Adrian / Mission 21

«Von Gerechtigkeit träumen ist politisch!»

Kursteilnehmende am DEI.

Ungerechtigkeiten sind in Lateinamerika allgegenwärtig. Verstärkt werden sie durch das neoliberale System. Das Ökumenische Forschungs- und Ausbildungszentrum DEI in Costa Rica vernetzt Aktivisten und fördert den Widerstand. «Heutzutage ist es in Lateinamerika eine politische Haltung, zu träumen», sagt Silvia Regina de Lima Silva, Leiterin des «Departamento Ecuménico de Investigaciones» (DEI). «Wir sind erschrocken über die ungerechten Zustände, die auf unserem Kontinent herrschen», sagt sie. «Aber wir geben uns nicht geschlagen. Wir träumen von mehr Gerechtigkeit und halten diesen Traum in anderen Menschen wach.» Die Institution ist eine Besonderheit. Sie zieht unterschiedlichste Menschen aus dem ganzen Kontinent an und bringt diese zusammen: junge Erwachsene ebenso wie Senioren, Akademikerinnen und Landlose, Indigene, die in abgelegenen Regionen leben genauso wie Städter, Menschen verschiedener Glaubensrichtungen. Während der Kurse, die zwischen einer und acht Wochen dauern, leben sie zusammen und teilen sich Sechsbettzimmer. Die Kursthemen sind breit und behandeln Fragestellungen aus Theologie, Ökonomie, Ökologie und Sozialwissenschaften. Der Ökumene-Begriff wird weit gefasst, er schliesst auch indigene Spiritualität mit ein. Dieser Aspekt fasziniert Iván Mora Villalta. Der 32-jährige Agrarökologe und Soziologe ist einer der Forschungs-Stipendiaten des DEI. Iván war in der Protestbewegung gegen 6

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genetisch veränderten Mais aktiv. Er erforscht jetzt an diesem Beispiel, wodurch soziale Bewegungen erfolgreich werden. Das DEI publiziert solche Forschungsarbeiten, um sie anderen sozialen Bewegungen zur Verfügung zu stellen. Im hauseigenen Verlag erscheinen neben der Forschungszeitschrift «pasos» (Schritte) auch Bücher. «Für mich war es schlichtweg Glück, das DEI gefunden zu haben» sagt der freundliche junge Mann. «Ich kann vor meinem akademischen Hintergrund direkt mit indigenen Gemeinschaften zusammen arbeiten – so eine Chance gibt es sonst nirgends.»

Wie die Bibel mobil macht Anfang des Jahres wird eine in Lateinamerika entstandene Methode angewandt: Die populäre Bibellektüre. Diese geht zunächst von der eigenen Realität aus, betrachtet dann den Kontext des Bibel-Textes und fragt schliesslich nach dem konkreten Handeln im Hier und Jetzt. «Oft lesen und lesen wir die Bibel, aber handeln nicht danach!», sagt der 20-jährige Anderson Lázaro, der in einer katholischen Basisgemeinde arbeitet und sich für Benachteiligte einsetzt. «Ich bin hier, um besser zu verstehen, wie wir vom Lesen zum Handeln kommen. Denn darum geht es doch: dass wir uns engagieren.» Dieses Jahr ging es um Fundamentalismen und den Kapitalismus als Religion des Marktes. Der Kurs war überbucht, einige kamen trotz Absage, sodass der Seminarraum aus den Nähten platzte. Wissbegierig folgten die 48 Teilnehmenden der


Die gute Nachricht

Der Traum einer gerechten Welt

Dorothee Adrian / Mission 21

bekannten Dozentin Nancy Cardoso aus Brasilien. «Der grosse Unterschied zum normalen Bibellesen ist, dass der Lesende bei der populären Lektüre selbst zum Protagonisten wird», erklärt sie später im Interview. Interpretiert wird in der Gruppenarbeit eine Passage des Briefes von Paulus an die Korinther, in der er schreibt, die Frauen sollten beim Bibellesen den Kopf bedecken. Zuerst wird diese Passage auf die Männer angewandt, dann auf die Frauen. Mit bunten Tüchern ausgestattet entstehen hitzige Diskussionen, wütende Rufe gehen durch den Raum. Eigene Erlebnisse von Diskriminierung kommen hoch. «Der Prozess der Aneignung geht über den eigenen Körper», erläutert Cardoso. «Alle prägenden Elemente wie Geschlecht und Herkunft spielen eine Rolle.» Diese Methode will nicht Wissen, sondern Erfahrung ermöglichen. Aus ihr entsteht der Wunsch nach Veränderung.

Danach gefragt, wovon sie konkret träume, lächelt DEI-Leiterin Silvia Regina stark und ansteckend. Sie schaut nach oben und sagt: «Schau mal, ich träume. Von Frauen und Männern, die ihr Leben geniessen, die in Würde mit ihren Partnern und Kindern zusammenleben. Ich träume davon, dass wir uns als Teil der Natur fühlen, statt diese auszubeuten. Ich träume auch von einer Wirtschaft, die für das Leben arbeitet statt für das Kapital. Insgesamt von Gerechtigkeit; zwischen den Menschen und im Umgang mit der Natur.» Es ist wohl eine Utopie. Doch diese Vorstellung vereint diese bunte und äusserst sympathische Gruppe in diesem positiven Haus in San José. Gestärkt gehen sie nach dem intensiven Kurs wieder zurück, um sich in ihrem Umfeld weiterhin einzusetzen, allen Widerständen zum Trotz. Viele von ihnen kommen nächstes Jahr wieder, um den Traum von einer gerechten Welt zu nähren. | Dorothee Adrian

Wir brauchen Ihre Unterstützung > Unterstützen Sie unsere Programme in Lateinamerika: Nummer 400.1000 > Spenden: Konto PC 40-726233-2, 400.1000 oder online: www.mission-21.org/spenden > Information: Projektdienst, Tel. 061 260 23 03, miriam.glass@mission-21.org

Die Bibel beleuchtet das Leben Vor 30 Jahren öffnete mir die «populäre Bibellektüre» die Augen. Ich bekam einen ganz anderen Zugang zu biblischen Texten. Ich verstand: um die Bibel auf unser Leben anzuwenden, müssen wir zuerst das Leben lesen. Das Leben um mich herum ist ländlich; die Menschen arbeiten körperlich hart, viele sind abhängig von den Grossgrundbesitzern. Ich versuche, die Bibel auf diesen Kontext anzuwenden. Was bedeutet es, wenn Jesus davon spricht, dass wir das «Leben in Fülle» haben sollen? Die Kleinbauernfamilien Lateinamerikas brauchen faire Bedingungen, um genügend und gesunde Nahrung zu sich nehmen zu können, sie benötigen genügend Einkommen für medizinische Versorgung, sie brauchen klare Luft zum Atmen. All dies ist bedroht. Ich kämpfe für diese Lebensgrundlagen. Es war ein junger Costa-Ricaner, José, der bei mir und anderen jungen Erwachsenen in den 1980er-Jahren das Interesse für die Bibel weckte. Wir kannten die katholische Kirche, aber eher als hierarchische Amtskirche. Mit unserem Leben hatte sie nicht allzu viel zu tun. Die Bibelstunden mit José waren anders. Er sagte: «Eines Tages nehme ich euch mit ins ökumenische Forschungszentrum DEI.» 1989 erlebte ich meinen ersten Kurs, ich werde ihn nie vergessen: wir arbeiteten mit dem MarkusEvangelium. Wir waren begeistert! Damals taten wir uns zusammen, um für die Umwelt zu kämpfen. Als im Norden Costa Ricas eine riesige Goldmine als Tagebau eröffnet werden sollte, war uns klar: all das Gift, mit dem das Gold aus dem Berg geätzt würde, würde unsere Flüsse verschmutzen. Diese Mine woll-ten wir nicht! 16 Jahre lang demonstrierten wir dagegen. 2010 bekamen wir Recht und die Mine durfte nicht gebaut werden. Es war wie David gegen Goliath. Kein Anwalt oder Fachmann hat diesen Kampf gewonnen, sondern wir: die organisierten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Wir setzen uns auch Die Bäuerin und Aktivistin Yaneth Rojas. heute noch ein für die Rechte von Kleinbauernfamilien. Vielen droht der Landverlust, die Regierung ist auf der Seite der grossen transnationalen Konzerne, die sich alles einverleiben. Dabei ist es so wichtig, dass die Familien ihre Parzelle behalten und selbstbestimmt leben können. Mit unserer ehrenamtlichen Radiosendung «abriendo el surco» (die Ackerfurche zum Säen vorbereiten) stärken wir sie. Auch wenn in der Gesellschaft oft von oben auf uns herabgeschaut wird, machen wir deutlich: Wir Kleinbauern haben Würde. Mein soziales Engagement fusst auf der Bibel. Jedes Jahr fahre ich zur «Woche der populären Bibellektüre» im DEI. Das gibt mir Kraft und neue Hoffnung. Es ist doch so: Die Veränderungen kamen schon immer von unten. Von Menschen in Armut, den Indigenen, von Menschen am Rande der Gesellschaft. Und das wird weiterhin so bleiben!

| Yaneth Rojas Salas. Seit rund 30 Jahren besucht sie Kurse des Forschungs- und Ausbildungszentrums DEI. Yaneth Rojas ist eine der «Agents of Change», die im Fokus unserer Herbstkampagne 2017 stehen. Nachrichten 3 | 2017

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Mission 21 aktuell

BMA, Ref. Nr. CQS-30.023.0025

Mit der Dankesbüchse im Gepäck

Der ehemalige Missionar Hans Göttin.

Machen Sie mit! Wollen Sie mehr über die Dankesbüchsen erfahren oder gleich eine zuhause aufstellen? Wenden Sie sich an Friedrich Weibel: 061 260 23 37, friedrich.weibel@mission-21.org. Wir sagen Danke!

Die Dankesbüchsen der Basler Mission haben eine lange Geschichte. Bereits in den 1940erJahren verteilten sie die Missionare während ihrer Heimataufenthalte. Auch der Missionar Hans Göttin hatte in seinem Gepäck neben Bildern und Berichten immer auch eine Dankesbüchse. Aus erster Hand berichtete er den Sonntagsschülern von den bereisten Ländern und begeisterte die jungen Zuhörer für die Kässlein. Mit grossem Eifer wurden sie zuhause gefüllt und während der Adventszeit an die «Leerete» gebracht. Den Zettel mit dem gespendeten Betrag nahmen die Kinder stolz mit nach Hause. Noch heute stehen die Dankesbüchsen in zahlreichen Haushalten. Das Prinzip ist einfach: Immer, wenn etwas Gutes geschieht, kann man einen kleinen Betrag in die Büchse werfen. Das kann ein schönes Erlebnis sein, die Bewahrung vor Unglück, eine gute Schulnote oder neugeborene Enkelkinder. Vergangenes Jahr kamen aus allen «Leereten» 30‘000 Franken zusammen. Zur Leerung existieren mittlerweile ganz unterschiedliche Formen und Rituale. In der Kirchgemeinde Rümlingen werden die Dankesbüchsen am Suppentag

geleert. Erna Reimann ist hier für die Koordination verantwortlich. Bevor sie vor vier Jahren ins Amt der Kirchenpflegerin gewählt wurde, hatte sie noch nie etwas von der Dankesbüchse gehört. Mittlerweile ist sie begeistert von deren Konzept: «Die Dankesbüchse ist eine gute Sache, du kannst mit wenig viel erreichen.» Schade nur, dass das Kässlein so wenigen Leuten aus dem kirchlichen Umfeld bekannt sei. «Das muss sich ändern!», sagt Erna. Deshalb legt sie Wert auf die gute Kontaktpflege: Jedes Jahr nehmen sie und eine freiwillige Helferin Kontakt mit den Dankesbüchsensammlern auf, sei es privat bei ihnen zu Hause, telefonisch oder direkt am Suppentag. Denn die rund 50 Leute ihrer Kirchgemeinde tragen jährlich mit über 3000 Franken einen bedeutenden Teil zur Finanzierung der Projektarbeit von Mission 21 bei. Die Dankesbüchse ist eine Erfolgsgeschichte, denn immerhin existiert sie schon seit über siebzig Jahren. Wahrscheinlich ist die Langlebigkeit der Dankesbüchse auch darauf zurückzuführen: Egal ob 1950 oder 2017, Anlässe zum Danke sagen gibt es immer. | Andrin Schmidhalter

150 Jahre Herrnhuter in Israel / Palästina

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Christen. Kinder und Jugendliche aller Glaubensgruppen werden aufgenommen. Dies ist nicht selbstverständlich, sondern ein Zeichen der Hoffnung in einer zerrissenen Region. Mission 21 gratuliert allen Mitarbeitenden und Kindern des Sternbergs zu diesem runden Geburtstag. Wir sind froh, über unseren Trägerverein Herrnhuter Mission seit vielen Jahrzehnten mit dieser wichtigen Arbeit verbunden zu sein. | Johannes Klemm

> Jubiläumsanlass Sonntag, 24. September 2017, 17.00, Zinzendorfhaus, Leimenstr. 10 Basel

Der integrative Kindergarten auf dem Sternberg.

Marianne van de Glind

Am Rande der historischen Altstadt von Jerusalem wurde vor 150 Jahren ein kleines Lepraspital unter der Leitung der Herrnhuter Brüdergemeine eröffnet. Das Spital professionalisierte sich innert weniger Jahre. Um 1948 zwangen die Unruhen des Unabhängigkeitskrieges die Herrnhuter zu einem Standortwechsel auf den etwas abgelegenen Sternberg nahe Ramallah, Palästina. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es dank der medizinischen Fortschritte immer weniger Leprakranke. Dies veranlasste die Herrnhuter zu einer Neuausrichtung. Ab 1980 wurde der Sternberg zu einem Zentrum für Kinder und Jugendliche mit geistigen Beeinträchtigungen ausgebaut. Bis heute bietet das Zentrum eine umfassende Förderung, die den Betroffenen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Die Mitarbeitenden des Sternbergs leisten auch einen grossen Beitrag zur Integration behinderter Menschen und zum Abbau von Vorurteilen und Ausgrenzung. Der Sternberg ist zudem ein Ort des interreligiösen Friedens: Die Leitung haben christliche Palästinenser inne, die Mitarbeitenden sind Musliminnen ebenso wie


Jonathan Liechti

Fotoausstellung «By God's Grace»: Menschsein zu Zeiten des Terrors

Das Theaterensemble Johannes pflegt einen intensiven Austausch mit der nigerianischen Partnerkirche von Mission 21. Die Bilder und Texte ihrer Reise berühren. Tiefe Furchen prägen die sandige Landstrasse, die nach Gurku führt. Regnet es, sammelt sich darin das Wasser und ein kleiner Fluss strömt bis ins Nachbardorf. Die meiste Zeit im Jahr ist es aber so trocken, dass vorbeifahrende Motorräder den staubigen Sand aufwirbeln. Vor Ibrahim Alis Laden kommen sie zum Stehen; er verkauft den Fahrern Dünger für ihre Feldfrüchte, vor allem aber ist er ein guter Gesprächspartner. Die Männer ziehen nie sofort weiter, sie lehnen sich an ihre Motorräder oder setzen sich seitlings darauf, beschweren sich kurz über das trockene Wetter, erzählen vom Husten des jüngsten Kindes, machen einen Witz. Dann ein harter, freundschaftlicher Handschlag und mit einer stinkenden Sandwolke, die in der Luft hängen bleibt, fahren sie zu ihren Feldern. Ein rauer Alltag von Haus- und Feldarbeit zeichnet die Gesichter und in den Augen spiegelt sich die Sehnsucht nach einer verlorenen Heimat wieder. Wie über zwei Millionen andere wurden auch diese Menschen von der Terrormiliz Boko Haram aus ihren Dörfern im Nordosten Nigerias vertrieben. Das von Nichtregierungsorganisationen gekaufte Land, auf dem die Siedlung Gurku entstand und noch immer entsteht, bietet den Vertriebenen Schutz und eine relative Normalisierung des Alltags. Das Dorf ist interreligiös, Christinnen und Muslime leben hier nachbarschaftlich zusammen. Zweimal reisten wir, vier Mitglieder des Theaterensembles Johannes, nach Abuja und Gurku. Aus diesen Reisen entsteht derzeit die zweiteilige Ausstellung «By God’s Grace»: Ein fotografisches Porträt Gurkus blickt Menschen ins Gesicht, die nach Gewalt und Vertreibung nun neues Land bebauen. Eine ausführliche

Sicht auf die interreligiöse Flüchtlingssiedlung Gurku, nahe Abuja.

Reportage ergänzt die Ausstellung. Im zweiten Teil tauchen wir in den bunten Kirchenalltag der EYN-Kirche in Abuja ein. Wir begegnen einer Gemeinschaft, die in der Kirche tanzt und den Widersprüchen zum Trotz an einen barmherzigen Gott glaubt. | Noemi Harnickell. > Zweiteilige Ausstellung: «By God’s Grace» Vernissage: 22. Oktober 2017, 17.00 mit SRFKorrespondent Patrick Wülser. Danach 23.10.-11.11, Mo-Sa, 9-18.00. Öffentliche Führungen mit Ausstellungsgesprächen: Mi, 1. und 8.11., 19.30, So, 5.11., 15.00. Führungen und Workshops für Gruppen auf Anfrage. > Theater: Lied einer neuen Welt. Luther und Co. proben den Aufstand Aufführungen: So, 29.10 (17.00), Fr, 3.11 (19.00), Sa, 4.11. (19.00), Fr, 10.11. (19.00), Sa, 11.11. (17.00), So, 12.11. (15.00) Ort: Kirchgemeindehaus Johannes, Wylerstrasse 5

Veranstaltung: Horizonte weiten Dem Fremden nahe kommen Samstag, 30.9.2017, 10.00-16.30, Missionsstrasse 21, Basel Bei unserem jährlichen Anlass «Horizonte weiten» treffen Sie Ehrenamtliche, Freiwillige und weitere Interessierte aus Kirchgemeinden, die sich für Mission, Ökumene und Entwicklungszusammenarbeit engagieren. Dieses Jahr beschäftigen wir uns mit dem Thema Migration: Wie viel Fremdes vertragen wir? Werden wir uns auch übermorgen hier noch heimisch fühlen? Wir werden über das spannungsvolle Verhältnis von Fremdem und Eigenem nachdenken. Praxisorientierte Workshops zeigen ermutigende Beispiele aus der konkreten Arbeit mit Flüchtlingen und inspirieren zu eigenen Projekten. > Infos und Anmeldung: www.mission-21.org/horizonte, Tel. +41 (0)61 260 23 35, detlef.lienau@mission-21.org

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Mission 21 aktuell

Good News aus unseren Programmen Malaysia: Religiöse Grenzen durchbrechen

Peru: Eine Anerkennung, die motiviert

Der Islam geniesst in Malaysia als Staatsreligion politische Vorrechte. Viele Christen haben deshalb starke Vorbehalte gegenüber Muslimen. Die Berührungsängste sind auf beiden Seiten gross. Dass es auch anders geht, beweist Dr. Daniel Gloor, ökumenischer Mitarbeiter von Mission 21 und Dozent am Theologischen Seminar Sabah. Im zweiten Semester 2016 unterrichtete er erstmals den christlich-muslimischen Dialog. Dabei konnte er die Studierenden dazu anregen, ihre Stereotypen über den Islam zu hinterfragen. Gloor sucht auch selbst den interreligiösen Dialog. Zusammen mit zwei Studierenden und einem muslimischen Freund besuchte er das Freitagsgebet in einer grossen Moschee. Der muslimische Freund meinte zum Abschied, dass er gerne in die Kirche kommen würde, wenn Daniel Gloor predige. Solche Besuche und Erfahrungen sind im muslimischen Malaysia alles andere als selbstverständlich, denn Andersgläubige können sehr rasch beschuldigt werden, Muslime bekehren zu wollen, was strafbar ist, und Muslimen ist es nicht erlaubt, aus dem Islam auszutreten. | Katharina Gfeller

Das «Instituto Surandino de Investigación y Acción Solidaria» (ISAIAS) ist in den südlichen Hochanden tätig. Nun ist ISAIAS für seine Arbeit von der Regionalverwaltung Santa Rosa des Departements Puno ausgezeichnet worden. Gelobt wird ISAIAS für seine wertvolle Arbeit mit den Basisorganisationen. Insbesondere Frauen aus ländlichen Gegenden werden mehrfach diskriminiert, da sie arm, weiblich und indigen sind. Zu Hause werden sie bevormundet und erfahren psychische und körperliche Gewalt. ISAIAS hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, das Selbstwertgefühl dieser Frauen zu stärken und sie zu ermutigen, aktiv ihre Rechte wahrzunehmen. ISAIAS wird mit der Auszeichnung im Ehrenbuch der Gemeinde Santa Rosa eingetragen. Und dies wohl in gendergerechter Sprache, denn ISAIAS hat die Gemeindeverwaltung dazu gebracht, alle offiziellen Dokumente gendergerecht umzuformulieren. | Meret Jobin

Die mobile Klinik für die HIV-Arbeit in Rungwe konnte fertiggestellt werden. Sie kommt nun seit einigen Monaten zum Einsatz und ist eine grosse Erleichterung für die Arbeit. In Kampagnen wird die breite Bevölkerung angeregt, sich auf das Virus testen zu lassen. Die Schnelltests werden vor Ort durchgeführt. Wenn das Resultat positiv ist, werden die Betroffenen psychologisch betreut und über die weiteren Schritte aufgeklärt. Diese Arbeit ist von grosser Bedeutung, denn Aufklärung ist die Voraussetzung für Präventionsmassnahmen. In dieselbe Richtung geht der Dokumentarfilm «Just like you» des tansanischen Regisseurs Nicholas Calvin: Das sensible Porträt der HIV-Selbsthilfegruppe Lusubilo in Rungwe baut Vorurteile ab, indem es die Menschen hinter dem Virus zeigt. International und national erhielt der 2015 erschienene Film grosses Lob. 10

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Claudia Zeising

Tansania: Mobile HIV-Klinik im Einsatz

Im Juli 2017 wurde die Dokumentation am bekannten internationalen Filmfestival auf der Insel Sansibar gezeigt. Der Regisseur Nicholas Calvin, Claudia Zeising von Mission 21 und Melania Mrema Kyando, Leiterin der HIV-Arbeit in Rungwe, besuchten das Festival und feierten diese wichtige Anerkennung. | Mara Wirthlin, Infos aus dem Rundbrief 1/2017 der ökumenischen Mitarbeiterin Claudia Zeising.

«Teste deine Gesundheit - Aids tötet»: Die mobile Klinik in Rungwe.


Hermann Bay, BMA, Ref. Nr. CA-30.84.006

Archiv & Buch

Literatur, die Menschen verändert

«Die Erweiterung des Frauenspitals in Kayintschu wird gebaut», zwischen 1912 u. 1922.

Spitzenspital in den Fussstapfen der Basler Mission Das hochmoderne Spital in Meixian wurde einst von Basler Missionaren gegründet. Die medizinische Einrichtung hat sich weiterentwickelt, die Dankbarkeit bleibt. Über den Dächern von Meixian, der Millionenstadt in der Provinz Guangdong, erblickt man von weitem zwei imposante Glastürme. Sie gehören zu einem der grössten Spitäler Chinas. Das HuangtangSpital ist das spitzenmedizinische Zentrum in Meixian und kann sich mit jeder Universitätsklinik in Mitteleuropa messen. Wer vor diesem Spital steht, kann sich kaum vorstellen, dass die Basler Mission es vor 120 Jahren unter dem Namen Deji-Spital auf der Missionsstation in Meixian (damals Kayintschu) gegründet hat. Dr. August Wittenberg war 1896 der erste in einer langen Reihe von Missionsärzten. Sie betrieben das Spital, das bis heute neben westlicher auch traditionelle chinesische Medizin anwendet, bis kurz vor dem Rückzug der Mission aus China im Jahr 1951. Es wurde damals vom Staat nahtlos weitergeführt. Der Präsident der Basler Mission und Vizepräsident von Mission 21, Pfarrer Karl F. Appl, besuchte das Spital im März 2017 auf Einladung der Leitung hin. Mit ihm zusammen reisten der Vizepräsident der Basler Mission, Fredi Hirt, sowie der Autor dieses Beitrags, Peter Felber, ehemaliger Leiter Kommunikation von Mission 21. Beeindruckend ist nicht bloss das imposante Spital mit seinem breiten Leistungsangebot, sondern auch das Museum in den oberen Stockwerken. Darin erzählen Bilder, Texte, alte Spitalapparaturen und Krankenstationsutensilien von der Geschichte des Spitals. Es ist berührend, mit welcher Dankbarkeit dieses Spital den Beitrag der Mission würdigt. Das Museum zeigt Bilder der Missionsärzte in Postergrösse, zählt die Krankheiten auf, die sie 1896 zu bekämpfen halfen – zum Beispiel die Pest – und bewundert den selbstlosen Einsatz der Westler sowie ihre «noble medizinische Ethik». «Universelle Geschwisterlichkeit» und «ausgezeichnete medizinische Kenntnisse» – mit diesen Begriffen fasst der offizielle ImageFilm des Spitals den Beitrag der Mission zusammen. Es bleibt nicht beim Museum. Zur Ehre der Anfänge will das Huangtang-Volksspital auf dem Spitalgelände eines der alten Missionsgebäude wieder aufbauen lassen. | Peter Felber, ehemaliger Leiter Kommunikation bei Mission 21

«Agents of Change: Menschen verändern die Welt»: So heroisch diese Ansage unserer diesjährigen Kampagne klingt, so profan fühlt sich mein Arbeitsalltag derzeit an: Ich stecke mitten in den Vorbereitungen zur Einführung der Online-Ausleihe. In stundenlanger Fleissarbeit kleben wir Etiketten auf unsere Bücher und Broschüren. Pingelig genaues Arbeiten ist angesagt. Von weltverändernder Kraft spüre ich dabei wenig. Bis ich bei unseren grauen Archivschachteln angelange: Publikationen, die nicht über den Buchhandel vertrieben werden, wurden früher in thematischen Schachteln abgelegt und einzeln katalogisiert. Und diese Schachteln entpuppen sich nun als wahre Wundertüten! Erwartungsvoll öffne ich die mit «Africa Christian Press» beschriftete Box und staune über Inhalt und Aufmachung der zahlreichen Broschüren zur christlichen Lebensführung aus den 1970er-Jahren. Die Titel der verschiedenen Druckerzeugnisse sprechen für sich: Boy meets girl, How to choose your life partner oder Marriage before and after. Ein knalloranges Heft, The Stolen Library, springt mir sofort ins Auge. Als Bibliothekarin kann ich nicht widerstehen und beginne zu lesen: der Autor C. A. Odua-Mensah erzählt – basierend auf seinen eigenen Erfahrungen – die Geschichte eines Sekundarschülers, der zahlreiche Schulbücher stiehlt. Am Schluss hat er zu Hause eine riesige Bibliothek stehen, was ihn nicht davor bewahrt, beim Schlussexamen durchzufallen. Auch eine gestohlene Bibel ist in seiner Sammlung. Die Geschichte nimmt ihren vorhersehbaren Lauf: er lernt Jesus Christus als seinen Erlöser kennen und findet einen Ausbildungsplatz. Aber eine Frage plagt ihn von nun an: ob er am jüngsten Tag vor Gott bestehen kann, wenn er die gestohlenen Bücher nicht zurückgibt. Er kommt zum Schluss, dass ein Sünder nicht nur Reue zeigen, sondern Wiedergutmachung leisten muss. Das Lesen der Bibel hat ihn vom Bücherdieb zum guten Menschen gemacht. Und diese Geschichte sollte andere Menschen wohl ebenfalls zum Guten anleiten. Natürlich ist dieses Beispiel etwas plakativ. Doch Texte transportieren immer Werte und lösen etwas in uns aus. Damit stellt sich mir die Frage: Kann Literatur allgemein den Wandel fördern? Sind also Schreibende «Agents of Change»? Und wie steht es mit den Lesenden? Lesen vermehrt schliesslich das Wissen auf dieser Welt und führt zu mehr Differenziertheit. Der Wandel zum Besseren kann also auch ganz leise geschehen. | Claudia Wirthlin, Leiterin der Bibliothek von Mission 21

P.S: Sollte ich wohl unseren Bibliotheksnutzenden öfter die Bibellektüre empfehlen, damit weniger Bücher aus unseren Regalen «verschwinden»? Nachrichten 3 | 2017

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Agenda

Veranstaltungen Veranstaltungsorte Wenn nicht anders angegeben, finden die Veranstaltungen bei Mission 21 an der Missionsstrasse 21 statt. Dezentraler Sponsorenlauf «I walk with...» Mittwoch, 7. Juni 2017 bis Sonntag, 10. Dezember 2017 Der Sponsorenlauf «I walk with...» ist eine Aktion von Mission 21 im Rahmen der Kampagne 2017 «Gesucht: Reformator/ innen von heute.» Nehmen Sie an unserem Sponsorenlauf teil und solidarisieren Sie sich mit Menschen, die die Welt verändern, unseren «Agents of Change». Infos und Anmeldung: www.mission-21.org/ anmelden

Impressum Nachrichten Mission 21, Nr. 3 | 2017 Herausgeberin: Mission 21, Evangelisches Missionswerk Basel, Missionsstrasse 21, 4009 Basel Auflage: 21 100 Ex. Redaktion: Mara Wirthlin Layout: Mara Wirthlin Layoutvorlage: VischerVettiger AG, Basel Druck: MHD Druck und Service GmbH, Hermannsbrug, D Spendenkonto: PC 40-726233-2

Mission 21 vereint die Arbeit der Basler Mission, der Evangelischen Mission im Kwango und der Herrenhuter Mission. Mission 21 ist Mitglied der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS), Stuttgart. Die Nachrichten erhalten Gönnerinnen und Gönner von Mission 21. Sie erscheinen viermal jährlich. 12

Nachrichten 3 | 2017

Geburtstagsanlass der Herrnhuter in Israel/Palästina Sonntag, 24. September 2017, 17:00 Zinzendorfhaus, Leimenstr. 10, 4055 Basel. Das Jubiläum wird mit einem besonderen Vortrag und anschliessendem Apéro gefeiert: «Vor den Toren des alten Jerusalems - 150 Jahre in Palästina und Israel». Referent: Dr. h.c. Hartmut Haas. Infos: johannes.klemm@mission-21.org Horizonte weiten: Migration als Herausforderung Samstag, 30. September 2017, 10.00-17.00 Wir werden über das spannungsvolle Verhältnis von Fremdem und Eigenem nachdenken. Praxisorientierte Workshops zeigen ermutigende Beispiele aus der konkreten Arbeit mit Flüchtlingen und inspirieren zu eigenen Projekten. Unser jährlicher Anlass «Horizonte weiten» gibt Ihnen neue Ideen und frische Motivation mit auf den Weg und Sie können sich mit Gleichgesinnten vernetzen. Infos: detlef.lienau@mission-21.org, 061 260 23 35, www.mission-21.org/horizonte Theaterensemble Johannes: Theater- und Fotoprojekt Vernissage der Ausstellung am 22. Oktober 2017 mit einem Referat von SRF AfrikaKorrespondent Patrick Wülser, danach geöffnet bis am 12. November 2017. Theateraufführungen: 29.10. (17.00), 3.11. (14.00 nur für Schulklassen, danach um 19.00), 4.11. (19.00), 10.11. (19.00), 11.11. (17.00), 12.11. (15.00). Kirchgemeindehaus Johannes, Wylerstrasse 5, 3014 Bern Dieses Jahr widmet sich das Theaterensemble Johannes dem Thema Reformation: Luther & Co. sind nicht länger bereit, sich zu Heiligen verklären zu lassen. Sie steigen von den Denkmalsockeln und mischen sich in die Diskussion ein. Parallel dazu läuft ein Austauschprojekt mit der Partnerkirche von Mission 21 EYN in Nigeria, woraus eine tolle Publikation und Fotoausstellung entsteht. Die beiden Projekte eignen sich bestens, um in den Schulunterricht und die Gemeindearbeit einbezogen zu werden. Infos: www.theaterensemble.ch Herbstbazar von Mission 21 26. Oktober 2017, 12.00-18.00 27. Oktober 2017, 10.00-18.00 Herbstzeit ist Bazarzeit! Der diesjährige Herbstbazar zum HerbstkampagnenThema «Reformator/innen von heute» lädt zum Verweilen, Schmökern und gemütlichen Austausch. Infos: pia.mueller@mission-21.org, 061 260 22 53

Friends of the Archive Samstag 29. Oktober 2017, 14.00 Unsere jährliche Veranstaltung für Gönnerinnen und Gönner des Archivs. Infos: andrea.rhyn@mission-21.org, 061 260 22 42 Reform Action! 3.-5. November 2017, Genf Unter dem Motto «ReformAction» treffen sich junge Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren in Genf zu einem einmaligen Festival rund um den Glauben. Der Anlass verspricht internationale Konzerte, SlamPoeten, einen Sternenmarsch und vieles mehr. Man kann sich gerne der Delegation von Mission 21 anschliessen und mit uns gemeinsam diesen tollen Event geniessen. Infos und Anmeldung: young@mission-21. org, www.mission-21.org/reformaction Schlussanlass zur Woche der Religionen Sonntag, 12. November 2017, 14.00-19.00 Tagungszentrum Oekolampad, Basel Schlussanlass zur Woche der Religionen in Kooperation mit dem Interreligiösen Forum Basel und dem Katharina-Werk. Infos: christian.weber@mission-21.org Studienreise nach Kamerun Samstag, 27. Januar 2018 bis Donnerstag, 8. Februar 2018 Die begleitete Studienreise profitiert von den langjährigen Beziehungen, die zwischen der Presbyterianischen Kirche in Kamerun (PCC) und Mission 21 gewachsen sind. Sie erlaubt persönliche Begegnungen und Einblicke in die Kirche und ihre Projekte. Für Pfarrerinnen und Pfarrer, kirchliche Mitarbeitende und an der weltweiten Kirche Interessierte. Infos: christian.weber@mission-21.org Interreligiöse Fachtagung: Geschlechterrollen in verschiedenen Religionen 5. März 2018, 9.00-17.00 Was Mädchen tun und Knaben lassen sollen, wird in vielen Kulturen weitergegeben und häufig mit Bezug auf die heiligen Schriften legitimiert. Wie soll mit religiösen Geschlechterrollen in Gesellschaft, Schule und Arbeitsalltag umgegangen werden? Diese und weitere spannende Fragen behandeln wir an der prominent besetzten Fachtagung bei Mission 21. Infos: detlef.lienau@mission-21.org, 061 260 23 35

Den laufend aktualisierten Veranstaltungskalender mit weiterführenden Informationen finden Sie auf: www.mission-21.org/agenda


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