MODERN M U R AL MAGAZINE Sichtweisen zu Urban Art im gesellschaftlichen Kontext
ISBN 978-3-944722-47-4
LISBON RESEARCH PAPER ON MURO FESTIVAL IN BAIRRO PADRE CRUZ BY FLORIAN GROSS • ELISA GEORGI • RAUL LLAMAS KIRCHHOFF • TABEA KUNGL • 08/16
Editorial
BOM DIA E OLÁ.
»Jede Beobachtung von Kultur ist zugleich eine Form ihrer Gestaltung durch die Anwendung des Kulturprogramms.« Siegfried J. Schmidt
Das Bairro Padre Cruz, ein Vorort nördlich von Lissabon, wirkte bei dem allgegenwärtig Dauerregen, welcher uns in der Entstehungszeit dieses Magazins begleitete, nicht trister als es das bei Sonnenschein tut. Das lag wohl an all den Künstlern, Helfern und Besuchern, welche im Viertel umherwuselten, staunten, redeten, arbeiteten. Grund dieses Treibens war das MURO Festival de Arte Urbana, organisiert durch die Galeria de Arte Urbana (GAU). Das Festival versucht durch und mit urbaner Kunst einem Randquartier der polarisierenden Stadt Lissabons Aufmerksamkeit zu schenken, aber gerade auch den Bewohnern die Möglichkeit zu bieten, Heimatlichkeit in den neu bezogenen Häusern und Nachbarschaften herzustellen und sich mit dem Viertel neu und andersartig zuidentifizieren. Diese künstlerische Begegnung greifen wir mit Hilfe der dialogischen Begegnung auf, sosteht dieses MODERN MURAL MAGAZINE unter dem Aspekt der Intervention durch urbane Künste; es diskutiert Begrifflichkeiten, Meinungen, Ansichten zur Kunst, zum Festival, zur Szene und ist dabei reich an Personen und Sichtweisen, die anders nicht hätten sein können. Durch die Interviews mit Kuratoren, Künstlern und Machern des MURO Festivals soll sichtbar gemacht werden, wie Kontaktzonen und neue kulturelle Konfigurationen entstehen, aber auch, wo Beziehungen durch alte Vorurteile und neue Interessen blockiert werden. Durch die Bandbreite der Beiträge ist es nach der Lektüre dieser Ausgabe dem Leser möglich, und wir fordern dazu auf, sich selbst eine Meinung zu dieser Thematik zu bilden. Wir danken allen Interviewpartnern, aufgeschlossenen Bewohnern und Helfern und wünschen viel Spaß beim Lesen.
Florian Groß
Elisa Georgi
Raul Llamas Kirchhoff
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Tabea Kungl
I N H A L T S V E
INES MACHADO Seite 6
A LITTLE STORY OF GRAFITTI Seite 14
MATHIEU TREMBLIN Seite 16
PROJEKT2508
Seite 31
BILDERSTRECKE BAIRRO PADRE CRUZ Seite 32 BILDERSTRECKE MURO FESTIVAL Seite 40
PEDRO SOARES NEVES Seite 58
SAN SPIGA Seite 66
REVUE
UNSER COVER: VIOLANT
Seite 76
Seite 78
R Z E I C H N I S
Fotos Elisa Georgi
I N E S MACHADO Berlin hat das Brandenburger Tor, London den Big Ben, New York die Freiheitsstaute und Lissabon hat Street Art oder besser gesagt Urban Art? Die Fassaden der Stadt stellen schon seit längerer Zeit eine Leinwand für Künstler aus aller Welt dar. Die Galeria de Art Urbana (GAU) bemüht sich bereits seit 2008 Street Art in die Kunstszene Lissabons zu integrieren und sie dadurch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Auf unserer Exkursion besuchten wir das Street Art Festival „MURO Festival de Arte Urbana LX_2016“ und hatten das Vergnügen mit der Verantwortlichen und Gründerin von GAU, Ines Machado, zu sprechen und mehr über ihre Arbeit und das Festival zu erfahren. Interview Elisa Georgi & Florian Groß Text Florian Groß
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»Die Straßen sind unsere Pinsel, Unsere Paletten die Plätze. Tausendseitige Zeitchroniken vergaßen Revolutionstage hinauszutrompeten – Futuristen, auf die Straße, Ihr Trommler und ihr Poeten!« Vladimir Majakowskie (1839 – 1930), Erlaß an die Armee der Kunst
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F
ernab vom Stadtzentrum befindet sich das Wohngebiet Bairro Padre Cruz. Gute 25 Minuten dauert die Fahrt mit dem Auto durch den dichten Straßenverkehr. Vorbei an moderner Architektur, heruntergekommen Fassaden und großen Brachen führt der Weg direkt an einen Ort, der durch seine Architektur aus zwei unterschiedlichen Jahrzehnten nicht deutlicher voneinander getrennt sein könnte. Hier gibt es alles, was das Leben wohnlicher macht: Schulen, einen Kindergarten, eine Sporthalle, ein Kulturzentrum, eine Kirche, eine kleine Stadtbibliothek, einige Gemeinschaftsgärten, mehrere Kultur- und Sportvereine, Cafés, eine Apotheke und eine kleine Markthalle. Trotz alledem fühlt sich der Ort leer an. Die atmosphärische Leere, die diesen Ort umgibt, charakterisiert sich zum einen durch seine Geschichtslosigkeit und Beliebigkeit, zum anderen durch die einheitliche Planung des Ortes und dessen ökonomische Logik (vgl. Peschken 2009). In den frühen 60er Jahren ließen sich hier Arbeiter aus verschieden Teilen der Peripherie und weiteren Teilen Portugals nieder. Die Menschen kannten sich und teilten kulturelle Gewohnheiten. Bis dahin kennzeichnete sich das Wohngebiet vor allem durch
kleine einstöckige Häuser und einem harmonischen Zusammenleben. Ab Mitte der 90er Jahren kam es zum Bau einer neuen Nachbarschaft. Die neuen Gebäude, die über fünf Stockwerke in den Himmel ragen und an die Plattenbauten der ehemaligen DDR erinnern, sollten möglichst viel Wohnfläche bieten. Ungeachtet sozialer und physischer Probleme, die dadurch hätten entstehen können, wurden Menschen aus weiteren Teilen Lissabons nach Bairro Padre Cruz umgesiedelt. Die daraus resultierende atmosphärische Leere ist das Symptom, dessen Ursache in der Entfremdung und Entwurzelung der Bewohner zu finden ist. Seit der Zwangsumsiedlung wohnen fremde Menschen dicht beieinander, die nicht unbedingt die Nähe zu ihren Mitmenschen suchen. Es kommt nur selten zu Interaktionen zwischen ihnen und die Bildung einer Gemeinschaft geht nur sehr schleppend voran. Bairro Padre Cruz wirkt weitestgehend, wie eine Kleinstadt und trotzdem macht es den Eindruck als pulsiere hier die geistige Haltung eines Großstädters, die von Gerog Simmel als „Reserviertheit“ bezeichnet wird (vgl. Simmel 1957). Das Misstrauen gegenüber den flüchtigen Begegnungen und dem neuen Umfeld sowie die Gegensätzlichkeit der Menschen
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verleiten die Bewohner dazu, ihre letzten Kraftreserven für den Erhalt ihrer Gewohnheiten aufzubrauchen, sodass kaum noch etwas bleibt, um die äußeren Reize auf sich wirken zu lassen. Dies endet größtenteils in Gleichgültigkeit, Aversion, gegenseitiger Fremdheit und Abstoßung, was nicht selten Hass und Kampf mit sich bringt (vgl. Simmel 1957). Die alte und neue Nachbarschaft lebt mehr oder weniger parallel nebeneinander her. Nach vielen Gesprächen mit den Bewohnern zeigte sich eben genau das zuvor genannte Problemfeld, welches viele Bewohner sich bis heute nicht heimisch fühlen lässt und, dass sie sich mit ihrem Viertel nicht oder nur schwer identifizieren können.Mit Peschkens Worten lässt sich Bairro Padre Cruz als ein leerer Ort bezeichnen. Er „ist nicht leer, weil dort überhaupt nichts ist, sondern, weil ihm etwas Bestimmtes fehlt: Eine Funktion und Nutzung, eine Gestaltung, eine Geschichte oder einfach urbanes Leben“ (Peschken 2007: 11). Die Galeria de Art Urbana, die bereits in anderen Teilen der Stadt durch künstlerische Interventionen viel Aufmerksamkeit erregen konnte, hat ein Festival ins Leben gerufen, mit dem, unter anderem, eben jene Probleme aufgegriffen werden sollen. Ursprünglich beschreibt der
Begriff „Intervention“ das Eingreifen eines Staates in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates. Im Kunstdiskurs wurde der Begriff auch durch die Situationistische Internationale umgedeutet und beschreibt die „Vorgehensweise bzw. Strategie, [um] auf bestehende (soziale, politische, institutionelle, oder urbanistische) Strukturen aufmerksam zu machen und diese umzugestalten“ (Wege 2001: 23). In Bairro Padre Cruz verfolgt GAU eine klare Visionen und möchte durch die gezielte Inszenierung der Kunst das Leben im Viertel lebhafter gestalten, Austausch und Kommunikation fördern und Street Art frei und öffentlich zugängig machen. Zwischen dem 30. April und 15. Mai diesen Jahres verwandelte sich das Wohngebiet in ein großes Festivalgelände. Street Art Künstler, überwiegend aus Portugal, aber auch aus Spanien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden verzierten die Fassaden der Häuser mit riesigen Murals und Illustrationen. Als weitere Formen der Kunst kamen Past-Ups, Stancils und Installationen zum Einsatz, darunter auch The Stupid von Robert Panda. The Stupidist eine sitzende, menschenähnliche Figur, die bereits in weiten Teilen der Stadt Lissabons installiert wurde. Der Künstler möchte mit dieser Art von Kunst vor
allem die Wahrnehmung der Menschen anregen und ihre Reaktionen auf die Figur studieren. Neben der üblichen Street Art gab es ein vielseitiges Programm mit Diskussionsrunden, Live-Musik, Animationen und verschiedensten Shows, darunter Theateraufführungen und Puppenspiele. Ines Machado beschreibt diese Ansammlung von Kunst im öffentlichen Raum mit dem allumfassenden Begriff „Urban Art“. Neben GAU waren die Stadtverwaltung, sowie die Gemeinde vonCarnide an der Organisation des Festivals beteiligt. Auch die Bewohner von Padre Cruz wurden eingeladen, sich aktiv an der Planungsphase zu beteiligen. Ihre W ünsche, Sorgen und Bedenken waren wichtig für den weiteren Verlauf und die Umsetzung des gesamten Projektes. Organisierte Street Art Touren durch Lissabon sollten die Bewohner von Bairro Padre Cruz im Vorfeld für das Thema sensibilisieren und ihnen einen ersten Eindruck davon verschaffen, was in ihrem Wohngebiet entstehen könnte. Außerdem gab es viele freiwillige Helfer, die den Bewohnern und Besuchenden Fragen zum Festival und dessen Ziele beantworten konnten. Wie zu erwarten stießen die Veranstalter zum Teil auf Widerstand seitens der Bewohner. Zwei Ziele
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wurden von Ines Machado besonders in den Vordergrund gerückt: Zum einen soll urbane Kunst mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. In den letzten 7 Jahren hat die Street Art Szene in Lissabon immer mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung von Außerhalb erhalten. Dieser Moment soll in Form eines Festivals festgehalten und gefeiert werden. Außerdem sei Street Art eine demokratische Form der Kunst und sollte nicht nur in Museen oder Galerien zu sehen sein. Zum anderen wurde vom Kulturrat der Stadt das Ziel vorgegeben, die bereits zu Beginn erwähnten Probleme aufzugreifen und mit Mitteln der Kunst, eine positive Entwicklung für das Wohngebiet herbeizuführen. In diesem Fall hat die Kunst eine interaktive, aktivierende und identitätsbildende Funktion. Indem die Bewohner mit ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen konfrontiert wurden, wurden sie auch dazu angeregt, über das Wesen ihres Wohnraumes und ihr Verhältnis zu sozialen Praktiken nachzudenken. Aus diesem Grund sind es auch eher die schönen und positiven Gefühle, die in Bairro Padre Curz durch die Street Art Kunst erzeugt werden sollten. Das ist vor allem wichtig, da der Raum als Konstrukt
ÂťI hope the hype Lisbon is experiencing by tourism won‘t destroy the identi ty of the city itself. I think, some part of this is caused by street art but the other part comes from the charisma/vibe of the city. I also hope we will continue to be a city of freedom, also a freedom of expression. The city which is a synonym of creati vity and new ideas. Furthermore I hope the artistic expression and culture can be continued and enable the city to aim for positive results - not only economically but also in terms of social issues, united through the happiness of people.ÂŤ
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menschlicher Aushandlungsprozesse mit seiner Umwelt zu verstehen ist (vgl. Geschke 2013). Folglich kann das Festival als ein Art Impulsgeber gesehen werden, welcher Wahrnehmung, Verbundenheit und Kommunikation zu fördern versucht und jeden einzelnen Bewohner von Bairro Padre Cruz mit den Gegebenheiten konfrontiert. Es liegt auch an den Menschen selbst, sich aktiv an einer positiven Entwicklung des Viertels zu beteiligen, denn „ohne sinnliche Wahrnehmung ist keine leibliche Entfaltung, ohne die Gestaltung der Dingwelt keine häusliche Entfaltung und ohne Kommunikation kein öffentlicher Entfaltungsraum denkbar“ (Geschke 2013: 159). Es gilt auch die Potenziale zu erkennen, die sich durch die Öffnung des Raumes ergeben und für eine dauerhafte Veränderung sorgen können. Wie schon Heinz von Foerster sagte: „Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst“ (Heinz von Foerster 1993: 49). An dem Beispiel von Bairro Padre Cruz wird die Entwicklung von Street Art über die letzten zwei Jahrzehnte ziemlich deutlich. In den 90er Jahren war Graffiti ein wichtiger Bestandteil der Hip Hop Kultur. Zu dieser Zeit war Graffiti (Kalligrafie) eher ein soziales Phänomen. Angetrieben von Machtkämpfen rivalisierender Gangs diente es der
Selbstdarstellung und der Übermittlung von Botschaften und hatte keinen künstlerischen Hintergrund. In diesem Kontext wird Graffiti immer noch als Vandalismus und damit als eine illegale Tat angesehen. Zum Ende der 90er stagnierte die Entwicklung der Graffiti Szene in Lissabon, bis sie 2002 einen neuen Aufschwung erlebte. Im Jahre 2005 kam es in der Hauptstadt zu einem regelrechten Boom. Dieser wurde unter anderem auch durch die „null-Toleranz-Politik“, die von der damaligen Street Art Hochburg Barcelona gefahren wurde, begünstigt. Plötzlich waren an den Fassaden der Stadt nicht mehr bloß Graffitis zu sehen. Neue Formen der Kunst, die zuvor nur in Büchern, Museen und Galerien bestaunt werden konnten, sind Teil der Straßenkunst geworden. Jedoch kam es großflächig immer wieder zu Beschädigung kultureller Güter. GAU wurde damit beauftragt dieses Problem in den Griff zu bekommen. „We can’t stick our head in the ground and pretend that nothing is happening”, beschrieb Ines Machado die Situation. Street Art sollte jedoch nicht komplett aus der Stadt verschwinden. Das Ziel bestand darin, jegliche Arten der Kunst friedlich und demokratisch koexistieren zu lassen. Zu diesem Zweck wurden in der Stadt Flächen eingerichtet, die Künstlern einen
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legalen Zugang zur Stadt und Street Art ermöglichten. Warum die Stadt ein solches Interesse an dem Erhalt und an der Förderung von Street Art haben könnte, liegt unter anderem auch an der Wirkung, die die Beziehung von Kunst und Stadt hervorruft. So ist Kunst mittlerweile zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor städtischer Ökonomien geworden. Sie ist imagefördernd und weitestgehend fester Bestandteil urbaner Aufwertungsprozesse. Sie verschafft den Menschen einen neuen Blick auf die Stadt, bietet Gesprächsstoff, schafft neue Aktionsoder Handlungsräume und macht vorhandene Lebensformen sichtbar. Kunst im öffentlichen Raum lässt also nicht zu, dass sie aus nur einer Perspektive erforscht und gelesen wird. Aufgabe und Funktion, Sinn und Zweck von Kunst sind wichtige Faktoren, die im Stadtdiskurs geklärt werden müssen, um eine eindeutige Zuschreibung vornehmen zu können. Aus diesem Grund sollte Kunst im öffentlichen Raum immer kritisch, affirmativ und paradox betrachtet werden (vgl. Hildebrandt 2012). Ines Machado macht deutlich, was sie über diese Entwicklung denkt: „I think it’s an evolution in a positiv way. I think it’s better because you have more creative people and more freedom of speech.” Hier klaffen
»Why should someone who made a degree or went to illustration school shouldn’t be able to paint in the streets?« die Meinungen der Street Art Szene auseinander. Ines Machado erzählt, dass der Unmut in der Graffiti Szene deutlich zu spüren sei. Die Graffiti Künstler der alten Schule seien verärgert über diese Entwicklung, über den Hype und über die „Legalisierung“ vor Street Art. Sie behaupten die Stadt gehöre ihnen und durch die städtische Förderung von Street Art würde der ursprüngliche Gedanke des politisches Protestes und des Widerstandes verloren gehen. Ines Machado hat darauf eine einfache und schlagfertige Antwort: „Why should
someone who made a degree or went to illustration school shouldn’t be able to paint in the streets?” Es geht hier nicht darum etwas Illegales in etwas Legales zu transformieren. Das „taggen“, an nicht autorisierten Orten, wird auch weiterhin als eine Straftat geahndet. Street Art soll lediglich in ihrer berechtigten Ausdrucksform wahr-
genommen werden und nicht mehr als Sachbeschädigung und Beschmutzung fremden Eigentums. Die Stadt Lissabon, die von Ines Machado selbst als die Stadt der Kreativität und Freiheit bezeichnet wird, ist groß genug und bietet Platz für jegliche Arten der Kunst, sei es Graffiti, Architektur, Statuen oder Denkmäler.
Geschke, Sandra M. (2013). Doing Urban Spaces. Ganzheitliches Woh nen zwischen Raumbildung und Menschwerdung. Bielefeld: transcript Verlag. Peschken, Martin (2007). Ästhetik der Leere. Dessau. Von Foerster, Heinz (1993). Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke. Berlin: suhrkamp taschenbuch wissenschaft.
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A LITTLE STORY OF URBAN ART A
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Can (engl.) - Sprühdose auch „Kanne“oder„Dose“genannt Cap (engl.) - Sprühkopf/Sprühventil der Sprühdose mit unterschiedlichen Eigenschaften und Bezeichnungen: Fatcaps: breiter Strahl, viel Farbe, z.B. für großflächige Füllungen Skinnycaps (Skinnies): dünner Strahl, für Outlines, Tags und feine Arbeiten
Adbusting - Das Verändern von Werbung im öffentlichen Raum durch Übermalen, Abreißen oder Rekontextualiersierung einzelner Elemente Arancismo / Arankismo - Destruktive Form des Adbusting bei dem Teile von Plakaten oder ähnlichem abgerissen oder zerschnitten werden
Drip/ Drop/ Nase /Nose - Herunterlaufende Tropfen bei zu dick aufgetragener Farbe aufgrund von Fahrlässigkeit oder als bewusstes Stilmittel
Biten bzw. Biting (engl. to bite: beißen) - Das Nachahmen oder plumpe Kopieren von Ideen und oder Styles eines anderen Künstlers durch einen „Biter“ Blackbook (engl. Black: schwarz, book Buch) - Skizzen- und Ideenbuch der Künstler, inwelches auch Fotos und ähnliches eingeklebt werden können Bombing (engl. to bomb: bombardieren) - Schnelles einfaches, illegales Anbringen von Pieces oder Tags Burner (engl. to burn: brennen) - Ein besonders gutgeglücktes Piece Bust/gebustet werden (engl. to bust: verhaften) - Das Gefasstwerden eines Streetartists durch Polizei oder Security
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Fading (engl. to fade: verblassen) - Fließender Übergang zwischen zwei Farben innerhalb eines Bildes Fame (engl.: Ruhm) - Ansehen, welches der Künstler in- und außerhalb der Szene genießt Flow (engl.: Fluss) - Bezeichnung für die Dynamik und Harmonie eines Bildes
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H
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Hall of Fame/ Hall (engl.: Ruhmeshalle) - Legal besprühbare Flächen, auf welchen sich die Künstler entfalten, messen und miteinander kommunizieren können
Sell out (engl.) - Vorwurf an Künstler oder Kunstrichtungen welche mit ihrer Arbeit Geld verdienen und sich und die Ideale der Szene zu verkaufen Sketch (engl.) - Skizze auf Papier, z. B.in Blackbooks Stencil (engl.) - Schablone oder mit einer Schablone entstandenes Bild Sticker - Aufkleber mit Logo, Crewnamen oder ähnlichem Style - Die Einzigartigkeit und spezielle Art der Bildgestaltung eines Künstlers oder einer Crew
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Marker, Stift oder Tagger - Meist dicker Filzstift zum Malen von Tags oder Logos Masterpiece (engl.) - Das persönliche Lieblingsbild eines Künstlers Message (engl.) - Intension oder Botschaft eines Pieces, Tags oder Paste Ups Mural / Concept Wall (engl.) - Aufwändiges, großflächiges Werk eines oder mehrerer Künstler, bei dem eine Wand nach einen bestimmten Konzept gestaltet wird
T
Tag / taggen (engl.: Markierung, Etikett) - Signaturkürzelund Unterschrift einer Crew odereines Künstlers als Buchstaben oder Logo, wobei das taggen die Ausführung eines Tags ist Throw-up (engl.) - Schnell gemaltes Bild, das nur mit einer raschen Schraffierung oder gar nicht ausgefüllt ist
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Paste Up (engl.) - Das Anbringen von Postern mit Kleister oder Sprühkleber, welche vorher von dem Kunstschaffenden gestaltet wurden
W
Wall (engl.) - Wand an die ein Writer oder Streetartist sein Werk bringt Writer (engl.) - Bezeichnung für einen Graffiti-Sprüher, welcher sich durch Graffiti ausdrückt Writing (engl.) - Das Anbringen von Tags oder Pieces
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Reverse-Graffiti (engl.: umgekehrtes Graffiti) - Das Bild entsteht, indem eine Fläche partiell gereinigt wird Rooftop (engl. Hausdach) - Bombing, Paste Upoder ähnliches auf Dachvorsprüngen Roll-down (engl.) - Von einem Dach oder Dachvorsprung nach unten mit Farbrollen gestaltetes Piece Roll-up (engl.) - Von unten nach oben mit Pinseln oder Farbrollen angebrachtes Piece
Y
Yard/ Train-Yard (engl.) - Gelände,auf dem Züge oder U-/S-Bahnen abgestellt werden
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Fotos Augusto Mathieu Tremblin Florian Groß
MATHIEU TREMBLIN Mathieu Tremblin, 1980 in Frankreich geboren, betreibt Kunst im urbanen Raum, die sich ortspezifisch, anonym, autonom und spontan äußert und damit Gesellschaft, Leben und Politik des Ortes hinterfragt. Aktuell arbeitet er an seiner Promotion in Visual Arts in Strasbourg. Seine Homepage im Stil eines Desktophintergrunds von Windows XP ist einen Besuch wert – allein schon aus nostalgischen Gründen. Mit uns sprach Mathieu über Street Art und ob man das überhaupt so nennen sollte, wo Kunst eigentlich hingehört, auf die Straße oder ins Museum, warum und wie sich die Szene der urbanen Künste veränderte und was das Ganze eigentlich mit Marketing zu tun hat. Interview Tabea Kungl, Elisa Georgi, Raul Llamas Kirchhoff Text Tabea Kungl
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athieu, how did Street art or muralism changed the way graffiti used to be? Is it still possible to achieve something through this if you are getting paid to do it, get the paint and get the walls? So, actually, myself, I am, I was, still some kind of writer, graffiti writer, but I also used to do and I still do, let’s call it European name writing, not American name writing graffiti. That is also my background and that’s the reason I came to Name-writing and that I do not consider myself neither a street-artist, nor a muralist. Muralism has kind of a tradition for me, which is based on various places on earth. Here in Portugal we can say that after the revolution in the 70s there were murals, kind of a movement of muralism, which was socially engaged and it was same in Dublin and Mexico. So than you get that muralism topic that came back perhaps or some kind of reminiscence or a loop related to graffiti and street art. And it started to appear after the phase when graffiti went into decoration, the way municipalities in the mid 90s to the mid 2000s did. Actually graffiti was used to remove tags from the city because they knew, they understood that there was this kind of scale
of respect that were tags. You got throw-up, graffiti pieces, fresco. And when you are in fresco, supposedly, the guys are enough respected from the street, so that nobody will go over their fresco. If this is muralism related to graffiti, this exists as a form of name writing graffiti. Then you’ve got that also that writer, or kind of illustrator, but acting in the streets so maybe it would called street art, but for me it is muralism. In France, some were in Europe doing that kind of triumph muralism illegal, well let’s say legal, but it was not about legal or illegal. It was about doing painting in spaces that nobody cared about. Those were better than known places, so maybe because of them or because of the fact that for example in 2007 or 2006 BLUE came to ASALTO Festival in Spain and started to do a few murals without permission, almost without being invited. He just arrived and said ‚Hey guys, can I paint this here?‘ - They said yes. So it went kind of viral on the internet, because it was also the beginning of the Web 2.0, of blogging and social networks and went beyond the use that was, some kind of underground. Then with Facebook and blogs, you get that crossover from involved users and almost random users. So actually suddenly in
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the end of the 2000s, there was this muralism, where people asked writers to do these kind of big scale paintings. So yes, it depends on what you’re talking about, if there is some kind of muralism, we have to define if it’s name writing related muralist, which could be big, but it was always background, characters, small pieces that were brought by authors or by municipalities. Not that quality muralism, besides of the rules of exercise. Then you’ve got that, let’s say One-Author-Muralism, sometimes very specific, sometimes with some kind of discourse, which wasn’t the case of most of the graffiti-writing muralism. And then: Street Art. For me it is very symbolic and précising, but only when we talk to about people from the beginning. Street Art is an American name for something somehow existing in different places, e.g. in France it is Art de la Rue. So there already existed a word. Remember a time when you called Street Art, Art de la Rue. So it is interesting to find the point where people stopped using their own name for Street Art to use the American one and what it changed. Because Art de la Rue in France was really a condescending form of a guy doing a living statue, space art. It was the idea of doing something in the street, but
ÂťBesides the history of the exhibition space with which you can play, you also have this mind space, white space without anything that could disturb your attention, so can say precisely say the things you want to say, which is not the case when you do it in a big space.ÂŤ
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getting paid directly for it like a spectacle. But it was also a way for a Hip Hop connected guy or municipality to talk about something that they don’t recognize like Break Dance and Graffiti. But at some point Art de la Rue became this kind of mess. So it isn’t the same when we say street art right now. So Street Art at the beginning when it started to be used in France was actually those guys who shifted from graffiti name writing into visual identity, so it is some kind of visual communication, brandalism without something to say. So that’s how the street art term for me, for my experience as a viewer, came out and then it started to be used because those guys were entering galleries as some kind of a brand. Using street art as a way of saying ‚Oh, those guys have street credibility, let’s buy them and bring them into the gallery‘. It’s an eternal cycle, because it has already happened in the 70s and 80s with graffiti, but didn’t really work, so street art was the new term in order to make more politically correct, or maybe a bit savage art, sell. For me it’s marketing, Street Art. So either it’s marketing or it’s this kind of a visual identity, so some kind of a modern perspective on art. The artist functions as a signature. It is totally out-
dated regarding what art is about these days. A lot of artists I admire, besides those big stars everybody knows, who are obeying on the rules of the market and playing with it, are artists who went viral, doing work nobody recognizes as art work and that’s how they are doing it. The idea in the older stories and in the 60s was always to push beyond for art. So actually there is this totally crazy gap where you have those guys doing some kind of white-male-middle-aged cartoons and selling it on the market and saying it’s Street Art where it’s actually on canvas and also doing some festival and maybe doing some illegal work, but who cares anyways? It is just some kind of brandalism and you’ve got the definition of art, which is way more interesting and socially engaged, complex and stuff. So, that’s why I don’t want to use Street Art, because when you speak about Street Art, you speak about nothing. No, it’s like some guy doing some decorative shit putting it on canvas and selling it in galleries. How can it be street art if it’s in galleries? Yes, it is a practice and it is actually the one that the municipality market is using and that’s why it is popular and everybody sees it and there are some stars with it and that’s why it is not
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really interesting. At the end it’s not really specific, it is rooted to the idea of a figure of an artist, who has some kind of knowledge or skills that nobody else has. Graffiti, or name-writing-graffiti was just a base of anybody who could write and the fact of writing was doing name-writing-graffiti. The recognition of the fact that you are putting your name everywhere is just a fact of practicing. Actually street Art could be a practice, but as you start to get interesting in the scene, you always come back to the same names. So, for me it’s marketing. Who did the marketing? Who started to use the term ‘Street Art’? It’s the guys who created the market. A gallery owner was supporting writers in the 80s, but it wasn’t working. So she and another guy started to use this term and they made an exhibition in 2001 which was called Street Art - well, actually it wasn’t her fault, the show was quite good, but all of the guys in this show did something totally different than Street Art, they were creative artists and actually this definition started to come after some talented guy went this path and shift from under the direction, it is doing this conceptual invasion, but when it is in galleries, it is mostly
Mathieu repainting the Grafitti of the local Crew.
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»And actually it’s not the fact of doing it illegal, I’m not doing things because they’re illegal, that’s the teenage point of view, or the municipality’s point of view. I don’t consider doing graffiti as vandalism, that’s all. I just consider that urban space should be public, entirely public and not private, that’s it.« 22
selling art. It is doing something else. Most of the writers doing muralism went into the galleries using this street Art theme as legitimation, but they are mostly doing the same shit they do in the streets, so, what’s the point? Calling it Street Art and then you start calling it muralism and in the galleries ‚illustrations‘ or ‚paintings‘, but Street Art, I don’t’ get it. I just see the relationship with power and marketing. So which term would you rather use? I use the word name-writing-graffiti, I use urban practices, urban art - I’m okay with the expressions, it’s just saying what it is. You don’t have Urban Art in Galleries, but in two years you’re going to have exhibitions in Urban Art in galleries, because they also fucked up this term. What I mean is, what I like in Urban Art is actually, street is kind of the street credibility, like street marketing. When you say ‚urban‘ you speak about urbanity and urbanism. It’s already something that is more complex than using ‚street‘. Street is just street-dealer, there is no deep thought about this term. It’s kind of a bad-guys-thing you don’t want to name properly, so you just call it street - it’s kind of condescending. So if I need to use a term, I will
say Urban Art in English, but in French I will say art urbaine. There is art in urban space and mostly what I’m using as a term is ‚Art Practices in Urban Space‘, because there is no movement, there is just a market with street art, but there are also these festivals for sure. But there are surfing on it. What I did here in Lisbon was actually graffiti, let’s say, conceptional graffiti. Like lettering. I painted letters and some kind of mural, which was actually the copy of a Google-form-survey I did. So it wasn’t like skilled, I didn’t even decide the graphic qualities of my own painting, so I don’t see how it could be this term ‚graffiti‘.I did graffiti, but I past over some erased names of writers that were at the entrance of the neighborhood, because the municipality painted over it, as the mayor was going to visit the neighborhood, so I found it very bad. There is a local scene of name-writers and they get erased, because foreigners get invited to invade their neighborhood to do so called ‘beautiful paintings’, were their own are somehow ugly? I don’t get it. It’s not how these things should work. So, I just painted over andthere was this ghost of the graffiti, so I kind of did their graffiti, which is disrespectful to the traditional name-writing in the conservative vision, but that’s what I like to do, you know, we
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are in 2016, we are not in the 90s or in the 80s, so there are all of these traditional, conservative values, that everyone is copying, but the most known people are mostly not the ones who are doing it conservatively, so that’s again the same question. So I guess Name-writing is a practice and when it comes to art, it has to change a bit, maybe become a painting. It’s not even writing a name, it’s going over it and becoming an illustration. So Name-Writing is just name writing. You can be 16, you can be 70, you can do it with a crazy style or not - it’s just a practice. Do you see yourself as a part of the movement you just described? You sound a little bit angry to what happened to Urban Art and the Name-Writing-Scene and traditional graffiti, but you too crossed other people with your work, but you still did it and took part of the festival. Well, actually in the same time I was passing over the guys’ painting on the wall, I was paying tribute to them, because that is the reason I chose this graffiti of the local Barrio Padre Cruz Crew. It is kind of self critic, because I was invited and what I would have loved to do, but that’s the problem of this terminology of Street Art, is that you have to work specific on 10
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Finished Mural in Bairro Padre Cruz.
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days not having any specific places, but just look around and find out how to interact, that’s somehow what I did, but there was also this relationship with the financiers of the project, where actually they wanted people to come and ask us to do something precisely and yes, it’s a job, but I don’t get paid for it, but also Pedro invited me and I trust this guy and I like to experiment with new context and when you are not getting paid, you still have liberty of doing things differently. I engaged myself to do something, I made a proposition, I did it, but I also did two things differently, where actually when I had been paid, maybe it would have been difficult for me to do something else in agreement with the organizers of this festival. And actually it’s not the fact of doing it illegal, I’m not doing things because they’re illegal, that’s the teenage point of view, or the municipality’s point of view. I don’t consider doing graffiti as vandalism, that’s all. I just think that urban space should be public, entirely public and not private, that’s it. And then maybe you’ll find a way in order to regulate graffiti-things as a commercial or as marketing, but they’re not - so who’s the hypocrite in this? It’s the writers who do their own advertising, but actually it’s just a nickname, so nobody really knows who they are.
And then you have big companies buying a building and putting up this gigantic billboard. I’m not against advertising, it’s just so obvious for a municipality to have advertising without regulation in the street, but in the same time it’s strange to have graffiti, where it’s just people doing it, which means that there are people in town who are living. Be afraid of the places where there is no graffiti, it means that nobody is living there, but if you have enough graffiti, that means you have enough people passing it everyday, so you’re safe.
bad image or no image at all, and then with the artists, people start to understand ‚Visit the neighborhood!‘, but the problem is, if people don’t have a view on the neighborhood maybe because there is no bus to go there or it’s just a place where people sleep, so it’s also a conception of the city which is highlighted. As far as I understood they’re building new buildings, so maybe they want people to buy a flat or to come live here, so it is some kind of communicational operation on some level.
But do you think it could evolve the level of happiThe topic or the issue of the ness, of a good life for the festival is to generate publi- people living there in a long city for this part of the city time view? and to get more people involved to see it, in fact Maybe, but for me it’s all to gain more life quality based on the problem of for the people living there. doing events. Actually I think Do you think this is achie- art should be spread everyvable? day. For example when you do graffiti, I think it’s diffiNot in the matter I did it. cult for a writer to propose They have several curators something in a neighborand figures inviting guys. hood as for them to orgaSo at some point they in- nize an event and suddenly volved the community of you have 10 walls. So if a writers, of international ar- guy comes and says ‚Yeah, tists, of directors of the fes- I would like to improve tival, of students, even the your quality of life by doing population that gives a wor- a wall.‘ Nobody will say yes. ld for free, but maybe not But then there is the munifor free, maybe they’re not cipality promoting the idea the owner of the building, of a good life through painso they’re not going to de- ting, some kind of commucide whether there is going nication. That’s also why I to be a painting or not. say Street Art is a tool, a For the municipality it’s not tool for gentrification or urbad, maybe they have a ban renewal like changing
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Mathieu painting the Google Form in Bairro Padre Cruz.
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the image. So it depends on the person, but also on the will from the municipality to have site-specific-related walls, but if you want to have this, you need to invite artists to be involved during a long period. So it’s a different scale, it’s not communication anymore. From the municipality point of view, they are trying to do their best. They’ve got some tools, some councilor in communication and they just follow what they’re told. So if we want to talk about the social change though the implementation of art forms, maybe it’s better to look at other initiatives which are not that
popular and shiny, because I don’t understand how foreign artists could be invited for 4 days, like me, and do something relevant to the territory if they don’t get in touch with all of the issues.
or the paint, because actually writing is just writing. You have to go beyond writing and most of the time even beyond the use of spray-cans or name-writing if you want to get in touch with the context. ActualSo, there is one guy from the ly, I didn’t paint any name, Netherlands, one from Ger- I didn’t paint MY name, I many and you, from France, painted a name of a collecbut the rest are Portuguese tive which is like the youngspeople. ter collective and I painted it, because actually it’s like I’m just saying that bringing the name of local people. foreigners in order to crea- None of the guys did claste an image of a credibility sic name-writing, they just of international thing. It’s did some characters, but just then they are involving if you just get the image, local writers, but I’m not you won’t know that it is 100% sure that local wri- in this precise neighborters care about the place hood.
«So, that’s why I don’t want to use Street Art, because when you speak about Street Art, you speak about nothing.» 28
So it’s very hard to speak about social change though art, if the art you’re doing is kind of addressed to a globalized vision and also, cityscale-vision, because that’s the thing; if you want to speak with people and interact with them, you are acting their scale and when you start to act at the scale of the city or addressing to municipality to the mayor of the city and maybe to an image of the global city, not to the people, but maybe it’s efficient also, somehow. If you want to be respected by people, show them some respect. Which was this phrase in Portuguese that was erased previously to the festival and that was repainted afterward by the writers who did it, but like 20 years ago and this phrase actually switched from a name-writing, constructive perspective to a cultural perspective, because people appropriate this form and it was some kind of symbol for them. It could have also been this Padre Cruz Statue, which is almost one of the only forms of art that the people have here, so maybe at some point, one of the paintings which was done in a totally different perspective will become some kind of symbol of the inhabitants, but it’s not something you can expect. You can’t plan it. If you want to plan it, I’m not sure if it will work the way you planned it.
I did a little research on your work and you also work in museums and galleries. Do you feel like there is a difference in depth of the meaning of your work if you do it in the streets or put the same art in a gallery? Do you feel like there is a lack or like something is missing? No, because I don’t do the same art in galleries, I’m always working site-specific. When you come to a white cube, the white cube has its own history, so you can act in the same manner if you work in the street and take care of the history you’re referring to. And sometimes a gesture in urban space can have a different sense, but could be the same in a gallery and be relevant. What could be very basically interesting, if at some point name-writing could go through art skills of the writers regarding specific perspective of painting. It could be painting directly onto the walls of the gallery, but mostly writers don’t do this, because galleries are actually not promoting the mural, but the fact of selling objects, but there are also none-profit-galleries, so it’s not a rule, it’s just a manner and you interact with it and so from my point of view. I feel like being inspired from what’s happening in the city could make you do good art-pieces in galleries whilst not using the same tools, which are maybe bringing
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the same issues, but in a different way. A good way of telling the same story in two manners, would be thought documentation, with the process, with the surveillance of a neighborhood, making kind of a larger picture and more complex vision. I mean outside the context, which gives you some inputs of what the work is related to. I was invited to do shows and the reason why I accepted was always that the people paying me to come, were giving me materials, authorizing me to experiment and use the gallery as a studio and chasing the way I wanted to show it and most of the time I was doing things outdoor, but also bringing back some traces of things I did outdoor inside to put it into a dialogue with some specific gestures I did in the gallery, so it started to construct some kind of vision, because then you come to the gallery, you see something that is related to your own city or your neighborhood and you can see it for real and the existence of the site-specific gesture you’re doing and the documentation bring you two perspectives of the same work. That’s also how I use the Internet. They are not going to promote the pieces which were curated, they are not going to say ‚yeah, you did illegal work, that was super!‘. So I just did it and then at some point it will
end up on my website or I will communicate it on my blog. So it’s just like using the Internet as a place to show things differently or more precisely, giving some context. ‚Besides the history of the exhibition space with which you can play, you also have this mind space, white space without anything that could disturb your attention, where you can say precisely say the things you want to say, which is not the case when you do it in a big space. It could be used against you, it could be understood in the wrong way, it could be many things. That’s why it’s interesting to have both ways. You are not obligated to use both spaces in the same manner, you can do totally different things.
just come across the street can’t see, but the locals will understand it. So it’s my kind of contribution; a comment on the situation. And the thing with the blog; people are actually taking things from my website and put it onto their blogs and after they do that, I take their contact and say ‚Well, you stole that work from my website. You didn’t even give surrounding and how it happened or credit. So I’m giving you the information that if you do that again you’ll get the whole picture. ‘So, Marketing would be if I wanted to sell something or of getting fame, which is totally stupid. I’m like a baby in the market of art, but actually I don’t want the recognition of the money, I just, in fact I You are also using the Inter- don’t want recognition, I just net for marketing issues. want to be able to do the things as free as possible in Actually, that’s not how it the manner I’m doing it. works. I started in 2006 to I want to experiment with siuse the Internet as place to tuations. show my work. I was doing it on the street In the beginning, you said and then I was doing a fee- that Street Art was this dback on what I did on the big American terminus and street, giving some keys of that it started with the the complexity of the thing Web 2.0 and that it wasn’t I was feeling when I was for the people in a specific doing it. city, but for all the people, Like I was doing a slogan, kind of global. But you’re but the reason I was doing still doing it global, you’re a slogan was I spent 2 ye- not doing it for the people ars surveilling the neigh- in the city. borhood and meeting the people and at some point Okay, for example the that’s a way of telling a painting, the mural I did, story, which people who I did it site-specific. Well,
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what was my situation? I was invited because I was French into a neighborhood I don’t know and the thing is, my perspective ... a Street Art Festival as a context, so I’m doing it in English, because actually I spoke English with the people, so it’s site-specific, it’s for the people. It’s not for the local people, except if you think about the fact that they have this kind of cultural invasion and then they are forced to live with it. So it’s some kind of critique about this situation. And actually, I first wanted to do it in Portuguese and asked the neighborhood and because I didn’t know all of the territorial marketing or communication with the municipality, Pedro said ‚No, no, do it in English‘. And actually that’s not the way municipalities address the people of the neighborhood, so it’s a comment on the way it’s communicated. I know this kind of context, so I knew it would also work this way and people see English and ask ‚Why is it in English and not in Portuguese?‘ and then they will get in touch with the answers, they will actually understand that the reason why it’s not in Portuguese, it’s not a communication gesture; this artistic festival is somehow not only addressed to them it is also addressed to the imagery of the city.
projekt2508
kontor2508 ist kompetenter Ansprechpartner rund um das Thema Museumsshop und Merchandising. art cities SERVICES GmbH umfasst die Geschäftsbereiche art cities BOX (innovative Kulturreisepakete für Individualreisende) und art cities REISEN (Führender Paketreiseveranstalter im Kulturreisesegment). Mit dieser Firma werden konkrete Reiseprodukte in Deutschland aber auch europa- und weltweit angeboten. Die CULTURE LOUNGE- Die Kulturhalle der ITB in Berlin ist die zentrale Plattform für den internationalen Kulturtourismus. Als Partner der ITB bieten wir Ausstellern und Kunden attraktive Präsentations- und Kommunikationsmöglichkeiten Durch die fachübergreifende Zusammensetzung des Teams ist es möglich, Konzepte und Strategien zu planen sowie deren Umsetzung zu betreuen. Darüber hinaus gibt die Kompetenzvielfalt die Möglichkeit, individuell auf die Ansprüche des kulturwirtschaftlichen Betriebes zu reagieren. Der modulare Aufbau der projekt2508 Gruppe kommt der Diversität des Marktes entgegen, der sich je nach Anforderungsprofil mit verschiedenen Kompetenzbereichen zusammen arbeiten kann.
Kultur- und Kreativwirtschaft sind Wirkungsbereiche, die seit jeher stark von diversen äußeren Einflussfaktoren – Politik, Gesellschaft, konkurrierenden Tätigkeitsfeldern – beeinflusst werden. Neben den internen Strukturen, die es zu organisieren gilt wächst der Druck von außen stetig. Betriebe der Kulturwirtschaft stehen vor Herausforderungen, die ihr klassisches Handlungsfeld überschreiten. Wie kann der Kulturbetrieb diese Herausforderung meistern und zugleich sein Kerngeschäft aufrecht erhalten? Seit 2003 bietet die projekt2508 Gruppe Full-Service Dienstleistungen für die Kultur- und Tourismuswirtschaft – wir beraten, konzipieren und setzen um. projekt2508 berät und unterstützt Regionen, Kulturinstitutionen und Städte bei der Konzeption und Umsetzung von Marketing- und Kommunikationsstrategien sowie in der kulturtouristischen Attraktionsentwicklung. Zudem leisten wir Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und übernehmen die operative Betreuung Ihres Projekts. Die projekt2508 Gruppe setzt sich aus folgenden Modulen zusammen: expo2508 entwickelt Ausstellungen, Museen und touristische Attraktionen – vom Konzept bis zur schlüsselfertigen Übergabe.
projekt2508 Gruppe Bonn | Berlin | Konstanz | Antwerpen
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Fotos Elisa Georgi
BAIRRO PADRE C R U Z Die Sozialbausiedlungen im Barrio Pedro Cruz sind der Ort des MURO Festivals und der durchgefĂźhrten Untersuchung. Ein fotografischer Rundgang.
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Fotos Elisa Georgi Raul Llamas Kirchhoff
M U R O FESTIVAL Organisiert durch die Galeria de Arte Urbana (GAU), fand vom 30.04 - 15.05. im nordöstlich des Stadtzentrum Lissabons gelegenen Randbezirk Bairro Padre Cruz das MURO Festival de Arte Urbana LX_ 2016 statt. Durch verschiedenste Formen der Urban Art zeigten nationale und internationale Künstler ihr Verständnis des Viertels und dessen Polarisation zwischen Beheimatlichung und Fremdheit seiner Bewohner.
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LOW BROS
RAM
VIOLANT
TINTA CRUA
FELIPE PANTONE
RAM
VIOLANT
NOMEN
LEONOR BRILHA
Fotos Elisa Georgi Tabea Kungl
PEDRO S OA R E S NEVES Pedro lehrt an der Universität Lissabon Design und wurde als Kurator auf das MURO FESTIVAL eingeladen. Die kontroverse Auswahl seiner Künstler für das Festival spiegelt seine Kritik an der kommerziellen Orientierung des Grafitti- und Urban Art-Sektors. Über seine Erfahrung und Meinung zu diesem Thema sowie dem Mehrwert des Festivals für die Anwohner sprachen wir mit ihm. Interview Elisa Georgi, Raul Llamas Kirchhoff Text Elisa Georgi
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er 25. April 1974 ist wohl einer der wichtigsten und bedeutsamsten Tage der jüngeren portugiesischen Geschichte. Ein linksgerichteter Aufstand, initiiert durch große Teile der portugiesischen Armee, bekannt als Nelkenrevolution, stürzte die autoritäre Diktatur des sogenannten Estado Novo (portugiesisch: „Neuer Staat“), und eröffnete somit den Weg zur demokratischen Republik. Sowohl die Revolutionszeit, als auch die Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs danach, wurden künstlerisch in Form von Murals und Graffiti aufgearbeitet, noch heute können viele der Kunstwerke in Lissabon bestaunt werden. Kurz darauf, in den 80er Jahren, etablierte sich in Portugal eine große und vielfältige Graffiti-Szene; es ging nun nicht mehr vorrangig um politische Inhalte und die Aufarbeitung von Erlebten, nach und nach kommerzialisierte sich die Szene. Zudem setzt die Stadt Lissabon inzwischen statt auf Repressionen und Bestrafung der Sprayer auf Kollaboration: Als ein veraltetes Mietgesetzt Hausbesitzern verbietet, Mieten zu erhöhen und damit erreicht, dass ein Großteil der Häuser nicht mehr renoviert wird, reagiert die Stadt und legalisiert Straßenkunst an vielen Fassaden. Das bröckelnde Stadtbild wird somit zur
Leinwand für Straßenkünstlern und zieht Street-Art-Interessierte wie ein Magnet an. Dabei werden Street-ArtKünstler immer mehr zu Stars der Szene, Künstler wie Vhils, Add Fuel, Blu oder Bordalo II haben Facebookseiten, stellen in Kunstgalerien aus, schmücken Magazin- Cover und verkaufen ihre Kunst auf Plakaten und Ähnlichem. Die Entwicklung vom illegalen Graffiti zur legalen und kommerzialisierten Street Art wird seit vielen Jahren vom Designer und Professor Pedro Soares Neves beobachtet. Er selbst hat in den 90er Jahren in Lissabon begonnen, Kontakte in die Graffiti-Szene zu sammeln und künstlerisch aktiv zu sein. Dabei stellen für ihn die Begriffe eher zwei parallele Welten dar, verschiedene Arten, um in Dialog zu treten. So gibt es Leute, welche in nicht-künstlerischen Jobs arbeiten und in ihrer Freizeit Graffiti zeichnen, ebenso wie es Künstler gibt, welche legal im Rahmen von Festivals oder Galerien tätig sind und dennoch illegal Wände oder Züge besprühen. „It’s a job, like any other“, so Pedro. Wichtig ist für ihn dabei dennoch, durch Street Art Dinge zu reflektieren, zu hinterfragen. Die für jeden im öffentlichen Raum zugänglich gemachte Ausdrucksform der Street Art wird von Kai
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Jakob reflektiert. Er zieht eine klare Grenze zwischen den Begriffen des Graffiti und der Street Art. So findet Graffiti „nur innerhalb dieser Grenze statt, mit allen kulturellen Erscheinungen, die dazu gehören, also auch die Skaterkultur oder Hip Hop“ (Jakob 2009: 75). Street Art stellt demnach eine Weiterentwicklung der Graffiti-Kultur dar, „hat sich als differenzierte Disziplin hervorgetan“ (Jakob 2009: 75), welche eine neue Form der urbanen Kommunikation darstellt. So bedient sich Street Art, oder auch Urban Art, zwar einer Technik des Graffiti, verfolgt allerdings teilweise andere Ziele. „Street Art basiert einerseits auf der neueren Tradition der Graffiti und anderseits der esoterischen Tradition der Moderne, den Status quo zu hinterfragen. Sie stellt die zur Norm gewordene Stadterfahrung auf den Kopf“ (Seno 2010: 16). Urban Art stellt demnach eine produktive, und nicht wie Graffiti eine destruktive Kunstform dar. Vor allem leerstehende Häuser, verfallene Viertel oder verwahrloste Wände laden Sprayer und Künstler dazu ein, diese zu verändern, durch die eigene Kunst, Technik und Farbe individuell zu gestalten, kurz: sich diese anzueignen. Erklärungsansätze für die Zusammenhänge zwischen einem geographischen Raum und Graf-
»Grafitti is somehow the DNA of the city.« 61
fiti oder Street Art bietet die Chicagoer Schule (vgl. Park 1915). Vor dem Hintergrund ihres sozialökologischen Ansatzes wurde dabei nachgegangen, wie es, angesichts der raschen Veränderung und Verstädterung, sowie unter den Bedingungen von sozialen Lebensräumen, Milieus und Subkulturen, zu kriminellen Handlungen kommt. In den Studien von Clifford R. Shaw und seiner Mitarbeitenden wurde dabei ersichtlich, dass nicht der Raum, sondern vor allem soziale Bedingungen und Bewegungen in ihm delinquentes Verhalten generieren. Kurz darauf untersuchten James Q. Wilson und George L. Kelling dieses Phänomenen genauer; mit der „Broken Windows“-Theorie konstatieren sie, dass Gemeinschaften durch irritierende und störende Einflüsse von außen aus der Balance geraten können. „Broken Windows“ (englisch, zerbrochene Fensterscheiben) symbolisieren dabei verfallene und verwahrloste Häuser und Stadtteile und sind Ausdruck dafür, dass sich niemand darum kümmert, beziehungsweise sich niemand an der Unordnung stört. Ein solches Umfeld würde dann Straftäter anlocken (vgl. Kelling 1996). Bezogen auf Street Art und Graffiti, wird folgendes deutlich: Während Graffiti von seinem destruktiven Charakter lebt, seine Illega-
lität herausfordert, in vielen Stadtteilen sofort beseitigt wird und dadurch nur in ausgewählten, „unordentlichen“ Nachbarschaften leben und wirken kann, zeichnet sich Street Art durch seinen konstruktiven Charakter aus. So wird Street Art nicht ausschließlich in verlassenen Stadtgebieten gefunden, Street Art Artisten geht es vor allem darum, durch ihre Arbeit auf oder an der Straße eine hohe Anzahl an Passanten anzusprechen. Öffentliche und gute frequentierte Orte sind Grundlage der Street Art, Betrachtende sollen zum Nachdenken angeregt werden. Es ist intendiert, dass sich Vorbeilaufende wenigstens für kurze Zeit mit dem Werk auseinandersetzen können. Straßen, Häuser, Wohnblöcke, Fassaden — all diese Oberflächen sind der Kommunikationsraum der Bürger und werden somit zu deren Benutzerschnittstellen. „Street Art fungiert damit als Indikator für ein kreatives und ideologisch ungebundenes Potential der Bürger“ (Jakob, 2009:90). Ergo, je frequentierter Orte einer Stadt durch Menschen kreativ beeinflusst werden, desto höher ihr Interesse an der Mit- und Umgestaltung des eigenen Lebensraumes, aber auch des vorherrschenden Sozialgefüges.
Codes, Menschen müssen und wollen kommunizieren. „Grafitti is somehow the DNA of the city“. Dies zu verstehen, und als Stadt zu nutzen, muss Aufgabe der Architekten und Stadtplaner sein, so Pedro. In der Semiotik der Stadt stellt Street Art ein in stetiger und offener Veränderung stehendes Kommunikationssystem dar, welches erst durch die Vergänglichkeit des städtischen Kontextes leben kann. Somit entsteht ein Prozess der kommunikativen Weiterentwicklung, welcher passend durch das Hall’sche Kommunikationsmodell verdeutlicht werden kann. So beschreibt Hall in seinen Überlegungen zum Dekodierungsprozess drei unterschiedliche Lesearten (vgl. Hall 1999). 1. Die dominant-hegemoniale Lesart. Die Dekodierung erfolgt hier im Sinne des Encodings, die Nachricht wird also genauso aufgenommen und verstanden, wie vom Produzenten intendiert. 2. Die ausgehandelte Lesart. Der Rezipient stimmt mit einigen Teilen wird überein, während bei anderen Teilen ein unterschiedliches Verständnis oder gar Unverständnis der Nachricht vorliegt.
Somit ist Urban Art eine omnipräsente Sprache, eine 3. Die oppositionelle LesKultur der Zeichen und art. Die Intentionen der
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Produktion werden bei der Dekodierung zwar erkannt, jedoch nicht angenommen und sogar widersprochen. Street Art bedient sich dabei vor allem bei den ersten beiden, offensichtlichen Lesarten und findet aus genau diesem Grund auch eine hohe Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Passanten werden zur Reflexion ermuntert, „indem er sich mit der Inhaltlichkeit des Werkes auseinandersetzen kann, sofern er diese entdeckt und sie sein Interesse zu wecken vermag“ (Jakob 2009: 90f.). Im Gegensatz zu Graffiti, welche durch die nur für spezielle Kulturkreise und Gruppierungen sichtbaren Zeichen und Symbole lebt, stellt Street Art eine omnipräsente Sprache dar.
Art nicht ausschließlich Passanten im öffentlichen Raum anspricht, sondern durch die Medialisierung zu einer höheren gesellschaftlichen Akzeptanz führt. „Street Art ist Zeitgeist, Street Art wird Kunstbegriff“ (Jakob 2009: 91). Eine neue Form von Dialog entsteht; Künstler können durch autorisierte Kunst Einfluss auf Menschen sowohl vor Ort, als auch überall auf der Welt nehmen. Das MURO Festival, initiiert von der Stadt und getragen durch eine Galerie, ist dafür ein ideales Beispiel. „When you have a no-rule opportunity and do it with quality and give at the same time a good reply to the needs of the people and not just do a festival, it’s good“, so Pedro.
Doch inwiefern kann ein von außen organisiertes Festival Die U27 Sinus-Milieu-Stu- die Lebensqualität in einem die ordnet der Graffiti-Sze- Viertel wie dem Bairro Padne so eindeutig das Sinus B re Cruz nachhaltig verbesII Milieu zu (Hedonistische sern? Jugendliche), während sich Mitglieder und Rezipienten Zurückkommend auf das der Street-Art-Szene nicht oben schon angesprochene in eindeutigen Milieus ver- Zitat von Jakob, „Street Art orten lassen (vgl. Brändle, fungiert damit als Indikator 2008: 15), da die zuneh- für ein kreatives und ideomende Medienpräsenz als logisch ungebundenes PoErweiterung des Straßen- tential der Bürger“ (Jakob, kommunikationsraumes 2009:90), offenbart sich die angesehen werden muss. Differenz einer Intervention, Die steigende Präsenz von welche nicht aus der StimStreet Art in Fernsehen, me der Anwohner, sondern Zeitschriften, Blogs und der Stadt entsteht. Facebook im Form von Ei- Der soziale Raum, in den gen- und Fremddarstellung, hier eingegriffen wird, besowie das verstärkte Auftre- schreibt Bourdieu als „reten in Galerien und Museen, lationale (An)Ordnung von tragen dazu bei, dass Street Menschen und Menschen-
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gruppen im permanenten Verteilungskampf“ (Löw nach Bourdieu 2001: 181), und stellt damit einen Raum der Beziehungen dar. Die Struktur des Raumes manifestiert sich in räumlichen Gegensätzen, einem mehrdimensionalem Raum, der sich als „Ensemble objektiver Kräfteverhältnisse“ (Bourdieu 1985, S. 10) verstehen lässt. Demzufolge hält jeder Akteur eine Stellung im Raum inne; der Zusammenstoß zweier innerhalb des sozialen Raumes weit voneinander entfernten Akteuren wird vermieden. Stoßen diese Akteure im Raum aufeinander, werden Handlungen provoziert. Durch das Festival werden Künstler, Interessierte und Touristen in einen Raum eingeladen, welchen sie sonst nicht erschließen. Mit Hilfe des Zusammenbringen dieser Akteure wird ein neuer Raum geschaffen. Das Festival und die Kunst, senden neue Impulse aus, die alle Akteure im Raum bewegen. Anwohnende, Passierende und Aufmerksame, aber auch Menschen, die durch Medien von dem Festival und dem Viertel erfahren, werden ungewollt in ihrer Handlungsstruktur beeinflusst. „Above all, I see this as a space of experimentation.“ , schätzt Pedro die Situation im Viertel ein. Die Wechselwirkung, welche im Raum durch das Festival zwischen Abwohnenden und Besuchenden entstehen, kann mit Hilfe
ÂťAt least something is happeningÂŤ
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von Martina Löw beschrieben werden. In ihrem Verständnis entsteht Raum erst durch die aktive Verknüpfung von Menschen, dabei können sowohl Dinge als auch Menschen miteinander verknüpft werden. Sie unterscheidet dabei in sich zwei sich gegenseitig bedingende, raumkonstituierende Vorgänge: das Spacing und die Syntheseleistung. Spacing umfasst das Errichten, Bauen und Positionieren von sozialen Gütern (materielle Dinge, symbolische Güter, dies sind im Rahmen des Festivals die Murals und Kunstwerke) und Lebewesen im Raum, also Besuchende. Dabei wird „Raum als relationale (An-)Ordnung von sozialen Gütern und Menschen“ (Löw, 2001, S.158) definiert. Das bewusste Positionieren in Relation zu anderen Positionierungen wird vorausgesetzt. Die Syntheseleistung verknüpft die sinnlich wahrnehmbaren Elemente zu einer räumlichen Einheit. Der damit einhergehende Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozess fasst Menschen und Güter zu habituell geprägten Räumen zusammen und ist somit atmosphärisch erfahrbar. So sind Räume das Resultat von Handlungen, ebenso strukturiert Handlung aber auch Räume. Durch das Positionieren des Festivals in einem Randbezirk von Lissabon, welcher bis dato nie
terotopie der Gesellschaft, dient als Raum, „der verdeutlicht, wo man nicht ist und damit offensichtlich macht, wo man ist“ (Löw nach Foucault, 2001). Durch die Offensichtlichkeit und Anziehungskraft, welche das Festival mit sich bringt, wird das Viertel in die Mitte der Öffentlichkeit gedrängt, um auf sich und die Probleme aufmerksam zu machen, Missstände werden offenbart. Was und wie viel das Festival tatsächlich für das Viertel und die Anwohner bringt, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Ob das Festival nun eine rein optische Verschönerung ist, oder nachhaltig die sozialen Strukturen im Viertel verbessert, bleibt momentan noch Teil des Experimentes. Und so meint Pedro abschließend: „I think it will be unpredicatable what will be Das Street-Art-Festival im the outcome, but at least soBairro Padre Cruz, eine He- mething is happening.“
medial vertreten war, entsteht eine neue räumliche Einheit. Der dynamische Prozess des Handelns lässt bei Anwohnenden und Besuchenden ein Miteinander, Nebeneinander und zum Teil auch Gegeneinander entstehen; jede Handlung welche hierdurch impliziert wird, markiert und symbolisiert den Raum neu. So entsteht aus dem Viertel durch die Intervention des Festivals ein neuer Raum, welcher nicht nur durch die Kunst, sondern auch als Ergebnis der Raumkonstitution ein atmosphärisches Miteinander schaffen kann. In der eigentlichen Gesellschaft wird eine Parallelgesellschaft, ein Gegenbild zur Gesellschaft gezeichnet, welches Foucault auch als „Illusions- oder Kompensationsraum“ (Löw nach Foucault, 2001) bezeichnet.
Brändle, Linus (2008). Wie ticken Jugendliche? Sinus-Milieustudie U27. Verfügbar unter: http://www.ref-sg.ch/anzeige/pro jekt/105/175/wie_ticken_jugendliche_zusammenfassung_ der_sinus_milieustudie_u27.pdf (letzter Aufruf: 29.06.2016) Hall, Stuart (1999). Kodieren/Dekodieren. In: Bromley/Kreuzner (1999) Jakob, Kai (2009). Street Art. Kreativer Aufstand einer Zeichenkultur im urbanen Zwischenraum. In: Geschke, S.M. (Hrsg.). Straße als kultureller Aktionsraum. Interdisziplinäre Betrachtungen des Straßenraumes an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften Löw, Martina (2001). Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Park, Robert E. (1915). The City. Suggestions for the Investigation of Behavior in the City Environment. Chicago: American Journal of Sociology Seno, E, McCormick C. & Schiller M.&S. (2010). Wooster Collective/ Trespass - Die Geschichte der urbanen Kunst. Köln: Taschen
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Fotos Elisa Georgi Raul Llamas Kirchhoff
S A N SPIGA Sanspiga ist ein Multitalent, K체nstler und Professor f체r Design an der Hochschule Buenos Aires. Geboren in Patagonien und aus dem Arrankismo, einer destruktiven Form des Adbustings stammend, klebt er, wenn er nicht grade offiziell ausstellt, selber seine Paste-Ups, wo er steht und geht. Wir haben mit ihm 체ber seine Sicht zum Muro Festival und Streetart im Allgemeinen gesprochen und nebenbei gelernt, welche die in seinen Augen bisher untersch채tzteste moderne Kunstform ist.
Interview & Text Raul Llamas Kirchhoff
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allo, schön, dass du Zeit gefunden hast. Erzähl uns doch mal wie du zur Kunst gekommen bist und was du so machst.
lerei, Design und Kunst zu kommen. Nach dem Studium habe ich angefangen dort als Designprofessor zu lehren, woraus dann viele Projekte entstanden sind. Ich unterrichte immer Na ja, jetzt wo du fragst, noch ab und an das erste ich habe schon immer gern Jahr, in welchem man den gemalt und in der Grund- Studierenden noch viel mit schule hatte ich dann eine auf den Weg geben kann. sehr gute Lehrerin, die mit uns Wahlsimulationen Und wie kommt es, dass du durchgespielt hat. Und als jetzt hier in Lissabon gelanKind war ich noch sehr ehr- det bist? geizig und wollte Präsident werden. Seit diesem Jahr unterrichte Jedenfalls habe ich für ich nur noch in unregelmädiese Wahl Poster von mir ßigen Abständen, weil ich gemacht und sie dann mit für die Universität einen meinen Freunden in der Forschungsauftrag inne ganzen Schule aufgehängt. habe. Es geht dabei darDas war im Nachhinein be- um, zu erfahren wie Gratrachtet wohl so etwas wie fikdesign an den besten meine erste Intervention. Hochschulen der Welt geNeben dem Malen haben lehrt wird, wobei der Fokus mich eben auch immer Pos- vor allem auf Europa und ter fasziniert und generell Lateinamerika liegt. Ich die Kunst Dinge zu präsen- vergleiche zum Beispiel tieren, daher war es eine die Lebensgeschichten der logische Konsequenz, dass Dozierenden vor Ort und ich Grafikdesign studiert lege dabei ein audio-visuelhabe. Da ich allerdings aus les Register an. Dafür werde Patagonien, dem Süden Ar- ich jetzt noch ein bisschen gentiniens komme, musste über zwei Monate reisen. ich nach Buenos Aires, um dort zu studieren. Zusätzlich Spannend. Wie bist du haben zu dieser Zeit mei- dann konkret auf dieses ne Brüder dort gewohnt. Festival hier gekommen? Da habe ich studiert und entdeckte, dass Design für Oh, das ist eine recht lusmich so etwas wie eine Be- tige Geschichte. Ich war rufung darstellt. Und das, noch am Mittwoch in einem obwohl man damals noch Hostel in Madrid und hab gar nichts wusste, immer- mit einer Freundin Bier hin kam 1998 das Phäno- getrunken, als sie mir eimen Internet erst grade so nen Freund vorstellte, der auf und es war nicht leicht Streetart-Touren durch die an Informationen über Ma- Stadt anbietet. Als ich mit
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ihm unterhielt, meinte er: ‚Was machst du denn hier? In Lissabon ist gerade das größte Streetart Festival der Welt, da musst du doch hin!‘. Also hab ich direkt am nächsten Tag mein Zimmer gecancelt und bin hergekommen. Im Regen. Und ohne vorher mit jemandem zu sprechen. Hier hab ich dann mit Ines gesprochen und sie ihrerseits, konnte es kaum fassen, dass hier plötzlich so ein verrückter Südamerikaner auf der Matte steht, der auch noch in genau diesem Gebiet arbeitet und forscht. Und so bin ich dann hier rein gerutscht. Ich komme quasi aus der völligen Unabhängigkeit. Wie haben uns gut verstanden und sie hat mir die Wände hier und das Viertel gezeigt. Und ich meinte ‚Top, hier will ich unbedingt was kleben!‘. Ich war beeindruckt von den Menschen hier und sehr glücklich, Teil des Ganzen geworden zu sein. Und na ja, das ist eben meine Geschichte (lacht). Streetart scheint im Wandel. Angefangen hat es mit Zerstörung, mit Protest und jetzt werden Künstler plötzlich bezahlt, um, wie hier, Murals zu malen. Wie konnte das passieren? Die urbane Kunst hat sich in diese Richtung entwickelt seit sie existiert. Es gibt inzwischen einen großen Markt, es gibt Galerien. Diese Galerien sind inzwi-
schen richtige Institutionen mit großem Einfluss. Mich persönlich hat es dabei nie groß interessiert Teil von Etwas zu sein. Weder von der Streetart, noch von der Kunst in Museen, da in meinen Augen beide Märkte darstellen. Streetart ist mittlerweile so geworden wie jeder andere Kunstmarkt auch. Man kann einfach hingehen und sich ein Bild kaufen, was einem besonders gut gefällt. Dennoch es gibt auch immer noch Viele, die dem ursprünglichen Gedanken treu bleiben und ihre Kunst zum Protest oder Widerstand nutzen. Aus diesem Grund begeistern mich vor allem Plakate. Sie bieten
eine ganz eigene Form die Stadt zu lesen. Wenn man in eine Stadt kommt und sich die Plakate dort anschaut, sieht man sofort was in der Stadt gerade los ist. Buenos Aires zum Beispiel ist zur Zeit voll mit Plakaten mit der Aufschrift ‚Wenn sie dich gekündigt haben, zöger’ nicht lang und ruf’ folgende Nummer an..‘ Eben weil es im Moment viele Menschen ohne Arbeit gibt und viele gekündigt wurden. Das sind natürlich Plakate, die legal im öffentlichen Raum hängen und viel Geld kosten Es ist auch alles voll mit Postern von Handwerkern, Prostituierten und und und.. überall hängen
kleine Zettel und Plakate. Es gibt demnach also Gewerke und Schichten in der Stadt, die sich auf der Straße in analoger Form ausdrücken und das ist unglaublich interessant für mich. Dadurch bleibt die alte Methode der unabhängigen analogen Kunst auf der Straße bestehen und misst sich konstant mit der öffentlichen, übergroß Bezahlten. Diesen Dialog zu beobachten hat einen ganz eigenen Zauber. Ob das schon Streetart, ist weiß ich nicht, aber für mich ist das auf jeden Fall schon eine erste Form der Kommunikation. Wenn sich Streetart für dich
Interview mit San Spiga
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Maradona Paste Up von San Spiga
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von der Straße entfernt hat und eine Art Markt geworden ist, was hältst du persönlich von Festivals wie diesem? Ich finde sie wunderbar. Unglaublich gut sie zu sehen und zu wissen, dass so etwas existiert. Ich könnte mir kaum etwas besseres vorstellen, als selber einen Kurator zu haben, der mich eingeladen und bezahlt hätte hier Kunst zu machen. Ich bin nicht gegen Bezahlung für Kunst. Sagen wir mein Opa hatte ein Café und hat dort Bier und Kaffee verkauft. Ich arbeite jetzt daran Grafikdesigner zu sein. Also verkaufe ich, wenn du so willst, Designarbeiten und Kunst. Das mache ich primär der Kunst zuliebe und wenn du mich fragst, ich würde gerne davon leben, von der Kunst.
sive oder revolutionäre Botschaft gesehen. Ich glaube auf der einen Seite ist es gut, wenn Arbeiten eine Botschaft enthalten. Auf der anderen Seite denke ich jedoch auch, dass niemand dem Künstler vorschreiben kann politisch oder revolutionär zu sein, beziehungsweise ist es anmaßend diese Punkte allgemein von Streetart zu verlangen. Ich glaube es ist mehr etwas Dekoratives und Ästhetisches und das kann auch gut sein. Ich persönlich bevorzuge Bilder mit Botschaften, aber vorschreiben kann man es niemandem. Wir haben uns auch mit andern Künstlern unterhalten, die hier arbeiten und einige waren etwas traurig, weil Menschen, die her kommen sich lediglich etwas Interessantes anschauen wollen. Viele der Arbeiten werden einfach als etwas Ästhetisch-Schönes wahrgenommen, aber die Botschaft scheint dabei verloren zu gehen.
Aber geht mit diesem Gedanken nicht der Wille nach Revolution in der Kunst oder besser in der Streetart unter? Wenn sie dich einladen und dir sagen ‚die Wand da kannst du an- Das ist natürlich eine gromalen und die da nicht’? ße Debatte von der gesellschaftlichen, politische Ich finde das kommt dann Funktion von Urban Art. darauf an inwieweit sie von Für mich ist Streetart vor dir verlangen dich zu verän- allem eine weitere Facette dern oder dir vorschreiben der Kunst. Darum mache eine bestimmt Message zu ich keinen großen Untervermitteln. Im Allgemeinen schied zwischen dem Einen sehe ich Streetart eher als und dem Anderen. Wenn etwas Dekoratives. Oder man einmal historisch zumindest habe ich hier denkt, kommt man zum [auf dem Festival] noch Beispiel auf die Kunst im keine annähernd aggres- Mittelalter, da waren Bilder
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auch lediglich Mittel zur Ergötzung des Adels. Es ging darum die Werte der Oberschicht wiederzugeben, und das hat wiederum absolut nichts mit Revolution zu tun. Daher ist Streetart für mich einfach eine zusätzliche Ausdrucksweise der Kunst. Aber das ist eine sehr interessante Frage, über die ich gern länger nachdenken würde und die es zu diskutieren gilt. Ich persönlich mag natürlich eher Kunst, die etwas aussagt. Deswegen mag ich auch, wie gesagt, Poster so sehr. Da kann man ein Bild machen, welches durch einen Text ergänzt wird und auf diese Art und Weise auch tiefgreifende Aussagen verbreiten. Im Grunde so, wie auch die Werbung funktioniert. Dort gibt es immer ein Bild und eine Botschaft. Ich mag es sehr, wenn Kunst aus dieser Mischung von Text und Bild funktioniert. Zum Beispiel auch die Memes. Die Memes sind die Ausdrucksform der Jugend und bisher schenkt ihnen keiner große Aufmerksamkeit. Ich halte es für eine Kunstform, die explodieren müsste. Wir alle kommunizieren damit. Auf Facebook. Immer. Ich persönlich jetzt nicht so sehr, aber alle, die jünger sind. Guter Punkt. Zurück zum Festival. Dieses Viertel hier ist ja so etwas wie ein Problemviertel und die Stadtplaner wollen es durch diese Aktion jetzt aufwerten.
San Spiga sprĂźht auf Wunsch eines Anwohners das Logo seines Lieblingsvereins an seine Hauswand
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»Zu sehen, wie Menschen leben, kann etwas bei ihnen ändern. Ich weiß nicht wie viel und was sich letztlich ändert, aber etwas ändert sich.«
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Meinst du Happenings, wie ‚Hey mach doch bitte auch diese hier, können helfen? was an meinem Haus!‘. Und Und wenn ja, wie? für ihn habe ich dann schon etwas verändert. Und für In Buenos Aires arbeite ich mich auch. Beim Vorbereigrößtenteils in Vierteln, die ten jetzt habe ich mich noch deutlich ärmer und ge- deutlich mehr über das fährlicher sind als das hier. Poster seinen LieblingsverDort machen wir seit eini- eins gefreut, als über meigen Jahren Ausstellungen, ne Poster, die ich hier verMurals und Interventionen, kleben werde, die auf den daher ist dies auch eine ersten Blick ‚cooler‘ und Frage, die ich mir häufig designed sind. Für mich stelle und die ich in Ge- ist das fast schon wie ein sprächen oft gefragt wer- Arbeitsauftrag. Ich hab ihm de. ‚Warum bringt ihr den gesagt: ‚Morgen komme ich Leuten kein Essen oder vorbei und mach dir das.‘ Kleidung anstatt dort zu malen?‘. Das frage ich mich Na das ist ja dann schon auch und komme dann eine funktionierende Interimmer zu dem Gedanken vention. Was uns aufgefalzurück, dass es unsere Auf- len ist, als wir gestern hier gabe als Künstler ist, uns mit waren, ist, dass es lauter Kunst auszudrücken. Viel- Touristengruppen gab, die leicht wäre es besser Es- genau wie wir umhergesen und Kleidung in die laufen sind, und Fotos Viertel zu bringen, aber gemacht haben. Ich hatdas ist nun mal nicht mei- te fast schon ein schlechne Aufgabe. Darum wurde tes Gewissen, dass wir nur ich nicht gebeten. Das sind wegen der Kunst kommen Dinge, um die sich der Staat und nicht wegen der Menkümmern muss, die Poli- schen, die hier leben. tik oder Sozialarbeiter. Wir sind Künstler, wir drücken Das stimmt schon. Und uns mit Farben aus, mit Bil- auch für mich ist es das dern und Murals. erste internationale FestiDarauf sind wir speziali- val dieser Art, was ich besiert. Und wir ändern da- suche. Und ich wurde ja mit eine Menge. Schaut nicht mal eingeladen, sonman sich zum Beispiel das dern bin einfach selber herPanorama dieser Viertel an, gekommen. In jedem Falle sind sie meist grau und trist. ziehe ich es aber vor, dass Da ändern unsere Werke es an einem Ort wie hier Welten. Hier im Viertel gemacht wird und nicht im habe ich auch schon ei- Zentrum. Denn sonst wärt nen Bewohner kennenge- ihr und auch die andern an lernt, der mich beim Pla- diesen Ort gegangen. Das kate kleben gesehen hat passiert zum Beispiel in Bumich ansprach und meinte: enos Aires und an vielen an-
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deren Orten, dass man die eh schon coolen Viertel anmalt, weil niemand so richtig an den Stadtrand will. Wenn ich dann mit meinen Designstudenten mal in die ärmeren Viertel gehe, weiß ich dass sie ohne den Anreiz dort zu malen, ein solches Viertel niemals betreten hätten. Es ist eine neue Erfahrung für sie. Und zu sehen wie andere Menschen leben, kann etwas bei ihnen ändern. Ich weiß nicht wie viel und was sich letztlich ändert, aber etwas ändert sich. Wunderbare Schlussworte. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei deinen weiteren Forschungen.
Revue
ADEUS. Die Perspektiven, Meinungen, Vorstellungen, Erwartungen und Hoffnungen der Contributors des MODERN MURAL Magazines könnten nicht weiter auseinandergehen, von optimistisch bis pessimistisch, überzeugt bis unüberzeugt, durchforscht bis verklärt. Die dadurch offerierte Bandbreite ist zunächst nicht bewusst durch die Redaktion gewollt, sondern hat sich durch die Interviews und Forschungen allein gebildet undrepräsentiert dadurch die Heterogenität der Urban Art Szene, wie sie nicht nur im Bairro Padre Cruz, sondern auf der ganzen Welt existiert. Diese Ambivalenz spricht für die Kunst, die Künstler und alle Beteiligten und zeigt, dass niemals eine Homogenität der Persönlichkeiten und Geschmäcker und damit verbunden, der Meinung, vorherrschen kann. Diese Szene lebt, wie so viele andere auch, von eben diesem Facettenreichtum. Kann urbane Straßenkunst als Interventionsmittel zur Beheimatlichung fungieren? Sie lasen Expertenmeinungen dazu, die sich begründen, ergänzen, widersprechen. Daher hat sich die Redaktion entschieden, dieser Vielfalt an Stimmen und Meinungen einen wertungsfreien Raum zu geben, welcher nun auch nicht durch ein von uns finalisierendes Meinungsbild geschlossen werden soll, sondern vielmehr Ihnen alle Möglichkeiten und Meinungen offen halten soll. Dieses Magazin soll genau das initiieren und dabei nicht selbst zu einem endgültigen Ergebnis auf die oben gestellte Frage gelangen. In diesem Sinne hoffen wir Gespräche, Diskurse, Diskussionen angeregt haben zu könnenund Sie in der nächsten Edition des MODERN MURAL Magazines wieder als Leser begrüßen zu dürfen.
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MODERN MURAL MAGAZINE Editors in Chief Florian GROSS Elisa GEORGI Raúl LLAMAS KIRCHHOFF Tabea KUNGL Contributors of this issue AUGUSTO Ines MACHADO SANSPIGA Pedro SOARES NEVES Mathieu TREMBLIN VIOLANT Special thanks to PROJEKT 2508 All inquiries art@lotenheim.de Digital version www.lotenheim.de/mmm
Dieses Magazin ist eine Arbeit von Studierenden des Studiengangs kwl][cultural engineering. Reproduction in any manner in any language in whole or in part without prior written permission is prohibited. All rights reserved.
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Foto Elisa Georgi
UNSER COVER:
VIOLANT VIOLANT passt auf unser Cover wie kein Zweiter. Mit ihm sprachen wir zu allererst auf dem Gelände des MURO Festivals. Er betreibt Kunst für die Message, für das Gefühl und nicht etwa des Geldes wegen oder um etwas zu verschönern oder zu verbessern. Dabei ist es ihm aber sehr wichtig, nie Botschaften oder Versprechen für die Zukunft mit seinen Kunstwerken zu machen; „if you make a promise, you burn a candle“. Diese Aussage von ihm spiegelt sich auch in seinem Mural, welches er auf dem Coverfoto malt, wider. Mehr seiner Arbeiten unter: https://www.facebook.com/j.m.violant
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