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HR-Strategie

Talent Lifecycle Management

Ein Umdenken ist gefragt Ist das Talent Lifecycle Management nur ein kurzlebiger Hype oder ein nachhaltiges Konzept? Die fünf Phasen eines Produktlebenszyklus auf das Personalmanagement zu übertragen, macht durchaus Sinn — sofern das HR zu einem Umdenken bereit ist. Von Matthias Mölleney

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Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass das Modell des Produktlebenszyklus eine Reihe von Parallelen zur Entwicklung von Mitarbeitenden von der Rekrutierung bis zum Verlassen des Unternehmens aufweist. Die fünf Phasen, die sich übrigens auch sehr gut auf den Lebenszyklus von Unternehmen bzw. Organisationen übertragen lassen, beschreiben die Notwendigkeit, die einzelnen HR-Prozesse nicht

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eit wir uns mit Produktlebenszyklen beschäftigen, stellt sich die Frage, ob die Erkenntnisse daraus nicht auch im Personalmanagement sinnvoll angewandt werden könnten. Das Modell der Produktlebenszyklen stellt eine Marktbetrachtung dar und bezieht sich auf den Zeitraum, in dem das entsprechende Produkt am Markt verfügbar ist. Üblicherweise unterscheidet man dabei zwischen folgenden fünf Phasen: 1. Markteinführungsphase Erfolgsfaktor: Innovationsgrad Herausforderung: zielgruppengerechte Kommunikation 2. Wachstumsphase Erfolgsfaktor: überdurchschnittlicher Umsatzzuwachs Herausforderung: Umgang mit Wettbewerbern 3. Reifephase Erfolgsfaktor: Aufbau Produktloyalität Herausforderung: Verteidigung des Marktanteils 4. Sättigungsphase Erfolgsfaktor: Verlängerung des Produktlebenszyklus Herausforderung: Umsatzrückgang aufhalten oder zumindest bremsen 5. Marktaustrittsphase Erfolgsfaktor: Verfügbarkeit eines Nachfolgeprodukts Herausforderung: Produktloyalität in Markenloyalität weiterentwickeln

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Das Talent Lifecycle Management betrachtet HR-Prozesse nicht isoliert, sondern als Gesamtsystem.

isoliert zu betrachten, sondern als integriertes Gesamtsystem, wie Martin Hilb das in seinem Standardwerk «Integriertes Personalmanagement» bereits seit Mitte der 90er-Jahre beschrieben hat.

HR-Zyklus mit 5 Phasen Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die fünf Phasen des Talent Lifecycle Managements zu beschreiben und miteinander in Beziehung zu setzen. 1. Rekrutierung («Markteintritt») In der Produktentwicklung geht es darum, eine bestmögliche Übereinstimmung zwischen den Anforderungen des Markts und den Eigenschaften des Produkts zu finden. Ähnlich ist es im Talentmanagement, denn hier gilt es, zunächst eine

strategische Personalplanung zu entwickeln, die den mittel- und langfristigen Bedarf an Fach- und Führungskräften definiert und gleichzeitig einen Abgleich mit dem auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Potenzial macht. Auf dieser Basis können konkrete Anforderungen abgeleitet und die passenden Talente rekrutiert werden. Damit geht die Perspektive des Talent Lifecycle Managements über den herkömmlichen Horizont der Rekrutierung hinaus, denn für dieses Konzept braucht es die langfristige Perspektive, die Gesamtsicht auf das Unternehmen und seine Mitarbeitenden. 2. Onboarding («Wachstum») Eine vielfach unterschätzte Phase im Personalmanagement ist die Einführung und Einarbeitung neuer Mitarbeitender.


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Häufig wird die Zuständigkeit von Personalmarketing und Rekrutierung mit der Vertragsunterschrift des neuen Mitarbeiters für beendet erklärt, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass eine umfassende Einarbeitung nicht nur in die betrieblichen Strukturen und Prozesse, sondern auch in die Unternehmenskultur mit all ihren ungeschriebenen Regeln stattfindet. In einem integrierten Talent Lifecycle Management spielt das Onboarding eine wichtige Rolle, indem es neben der Sicherstellung des «Cultural Fits» und dem Management der gegenseitigen Erwartungen von Mitarbeitenden und Unternehmen auch die Brücke schlägt zwischen der Einstellung und der Personalentwicklung. 3. Personalentwicklung («Reife») Ähnlich wie in der Reifephase des Produktlebenszyklus steht auch in der Personalentwicklung der Wettbewerb im Zentrum. Es geht darum, die Stärken der Mitarbeitenden ausfindig zu machen und sie in die Lage zu versetzen, diese Stärken optimal zum Einsatz zu bringen. In einem sich immer schneller verändernden Umfeld geht es aber nicht mehr nur um lineare Karrierewege, sondern um vielfältige, zum Teil non-lineare Entwicklungen und um die Anpassungsfähigkeit in Veränderungsprozessen. Massnahmen der Personalentwicklung dürfen im Hinblick auf den Talent Lifecycle aber nicht nur isoliert betrachtet werden, sondern auch im Hinblick auf ihren Return On Investment (ROI), im Sinne einer nachhaltigen Investition in wertvolle Mitarbeitende. 4. Performance Management («Sättigung») Der Gedanke der Nachhaltigkeit aus der vorhergehenden Beschreibung der Personalentwicklung hat im Performance Management ein ganz besonderes Gewicht. Während es im Produktlebenszyklus in der Sättigungsphase um eine Verlängerung des Markterfolgs geht, spielt im Talent Lifecycle die Gewährleistung eines kontinuierlich hohen Leistungsniveaus die wichtigste Rolle. Dazu muss die Gewichtung von den klassischen Jahresund Quartalszielen etwas stärker zu den langfristigen Zielen verschoben werden, um auf dieser Basis eine längerfristige Motivation und damit eine Bindung der Talente zu erreichen.

5. Offboarding («Marktaustritt») Wenn man bei einem Marktaustritt den Begriff «erfolgreich» verwenden will, geht es vor allem darum, rechtzeitig ein passendes, attraktives Ersatzprodukt anbieten zu können. Das ist im Talent Lifecycle nicht anders, ausser dass der Wechsel von einem austretenden Talent auf ein eintretendes, das sogenannte Wissensmanagement, zusätzliche Potentiale erschliesst. Egal, ob der Austritt eines Mitarbeitenden wie bei einer Pensionierung planbar ist oder unvorhergesehen eintritt – ein gutes Wissensmanagement kann wesentlich dazu beitragen, dass die vorher getätigten Investitionen in das Talent und sein Wissen zumindest teilweise konserviert und auf die nächste Generation Talente übertragen werden kann.

Ganzheitliche Betrachtung Was das Talent Lifecycle Management von anderen Ansätzen im Personalmanagement unterscheidet, ist in erster Linie die vernetzte Betrachtung der verschiedenen HR-Elemente entlang der «Talent Chain». In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch die Frage der HR-Organisation. Das klassische HR-BusinessPartner-Modell ist auf die Bedürfnisse des Linienmanagements ausgerichtet und darauf, die Schlüsselstellen in den Fachbereichen jeweils möglichst kompetent zu besetzen. Mittels Performance Management soll die jeweilige (kurzfristige) Leistung gemessen und gesteigert werden. Das Talent Lifecycle Management erweitert die bisherigen Modelle des Personalmanagements um die interessante Perspektive der Talentbetrachtung von der Einstellung bis zur Übertragung des impliziten und expliziten Wissens auf eine Nachfolgegeneration von Talenten.

stellt sind und der sie in den verschiedenen Phasen ihren Stärken entsprechend den Linienvorgesetzten zur Verfügung stellt, so dass diese jeweils eine durch den Verleih klar begrenzte «Lebensabschnittsverantwortung» tragen. Entscheidend ist, dass sich die Vorgesetzten darüber bewusst sind, dass ihre Führungsverantwortung integriert ist in eine Gesamtbetrachtung des Talent Lifecycle ihrer Mitarbeitenden. Es gilt, diese Gesamtperspektive in geeigneter Weise strukturell und gegebenenfalls auch personell zu etablieren. Wenn es gelingt, eine qualitativ hochwertige, strategische Personalplanung aufzubauen, könnte damit ein Rahmen gestaltet werden für ein Talent-Lifecycle-Konzept und das wiederum könnte mit einer Nachfolgeplanung verbunden werden. Ein solches integriertes System würde die notwendige Vernetzung der verschiedenen Vorgesetzten über den Talent Lifecycle gewährleisten können. Wenn wir es ernst meinen mit dem Umdenken von einer Optimierung der einzelnen Stellenbesetzungen hin zu einer individuellen Entwicklungsbetrachtung der Schlüsselmitarbeitenden über den Talent Lifecycle, werden wir einige Grundsätze in Personalmanagement und Personalentwicklung überarbeiten müssen. Aber dann ist klar, dass wir es nicht mit einem kurzlebigen Hype, sondern mit einem innovativen Konzept und mit einer sinnvollen Entwicklung zu tun haben. Autor Matthias Mölleney ist Inhaber von peopleXpert und Leiter des Center for Human Resources Management & Leadership an der HWZ Zürich. Er leitet den Studiengang MAS Human Resources Leadership.

Wer trägt die Verantwortung? Was zu klären bleibt, ist die Frage der Verantwortung für das Talent über den Lifecycle hinweg. Ist es eine Aufgabe des Unternehmens, die am besten zentral wahrgenommen wird, oder eine Aufgabe der Vorgesetzten, die im Verlauf des Lifecycles typischerweise wechseln? Die Extremform einer Umsetzung des Talent Lifecycle Managements wäre eine Art interner «Personalverleih», bei dem alle wichtigen Mitarbeitenden (Talente) ange-

Veranstaltungstipp 3. personalSCHWEIZ Fachtagung Matthias Mölleney referiert an der personalSCHWEIZ Fachtagung zum Thema «Innovatives HRM: Wozu brauche ich Macht, wenn ich Einfluss habe?» Termin: 24. November 2015 Ort:

Crown Plaza, Zürich

Anmeldung und weitere Informationen: www.praxisseminare.ch

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