Otl Aicher - Olympische Spiele 1972

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Otl Aichers Olympische Spiele 1972 Piktogramme und Orientierung

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Biografie Seite 5

Einleitung Seite 6

Geschichte Seite 8

Entwicklung Seite 10

Orientierung Seite 14

Globalisierung

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Otl Aichers

Olympische Spiele 1972


Biografie

Otto (Otl) Aicher studiert zunächst ab 1946 Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. 1948 eröffnet Otl Aicher in Ulm ein eigenes Grafikbüro mit dem er 1967 nach München umzieht und schließlich von 1972 bis zu seinem Tod in Rotis im Allgäu tätig ist. 1952 heiratet Otl Aicher Inge Scholl, die Schwester von Hans und Sophie Scholl (“Weiße Rose”); ihr Vater wird nach dem Krieg erster Bürgermeister der Stadt Ulm. Otl Aicher ist gemeinsam mit seiner Frau Initiator für die Gründung der Hochschule für Gestaltung in Ulm im Jahr 1953, für die sie auch das theoretische Konzept der Lehre erarbeiten. Dieses orientiert sich, mit Max Bill als erstem Rektor, in den ersten Jahren vor allem am Bauhaus. Otl Aicher wird im Jahr der Gründung der HfG der erste Dozent für visuelle Kommunikation. Nach Kontroversen über den pädagogischen Aufbau des Lehrprogramms tritt Bill 1956 zurück und eine neue Phase beginnt, deren Lehrkonzept als “Ulmer Modell” berühmt wird . Nach dem Rücktritt von Max Bill wird Otl Aicher 1956 Mitglied des Rektoratskollegiums, von 1962 bis 1964 alleiniger Rektor. Mit der Einrichtung der Entwicklungsgruppen, die wie eigenständige Designbüros innerhalb der Hochschule fungieren, sucht man nun gezielt den Kontakt zur Industrie. In Zusammenarbeit mit Dieter Rams, der ab 1956 Produktdesigner der Firma Braun ist, sowie Hans Gugelot entstehen Radio- und Phonogeräte für Braun. Deren in sich geschlossene und rationale Design-Ästhetik werden zum Erkennungsmerkmal von Braun. 1962 formuliert Otl Aicher mit einer von ihm geleiteten Entwicklungsgruppe das Erscheinungsbild der Deutschen Lufthansa, das bis heute die Corporate Identity

des Unternehmens prägt. 1958 ist Otl Aicher Gastsprofessor an der Yale University und 1959 Gastprofessor in Rio de Janeiro. 1968 werden der Ulmer Hochschule die Fördergelder gestrichen und der Hochschulbetrieb muss eingestellt werden. 1967 wird Otl Aicher mit der visuellen Gestaltung für die Olympischen Spiele 1972 in München beauftragt. Unter anderem entwirft er Piktogramme für die einzelnen Sportarten, die bis heute international verwendet werden. Otl Aicher entwickelt ebenso das Erscheinungsbild für Unternehmen wie das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen), die Westdeutsche Landesbank, Dresdner Bank, Sparkasse, Raiffeisenbank und Bayerische Rück. 1972 zieht Otl Aicher nach Rotis im Allgäu. Dort gründet er 1984 das Rotis Institut für analoge Studien, 1988 entsteht die Schriftfamilie Rotis. Otl Aicher stirbt nach einem Verkehrsunfall am 1. September 1991.

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1922

Otl Aicher wird am 13. Mai in Ulm geboren

1941-1945

Soldat in Russland und Frankreich

1946-1947

Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München

1948

Gestaltungsbüro in Ulm

1953

Hochschule für Gestaltung in Ulm

1954

1967 1968 1972

Gestaltungsbüro in Rotis

1991

Am 1. September stirbt Otl Aicher an den Folgen eines Unfalls

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1972

Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spiele in München


Einleitung

Otl Aicher wurde 1967 offiziell zum Gestaltungsbeauftragten der Olympischen Spiele in München ernannt. Er entwickelte das ganze Erscheinungsbild dieser Spiele. Die besondere Aufgabe für Otl Aicher war es der Welt ein neues Bild von Deutschland zu zeigen. Somit beauftragte ihn Willi Daume (Präsident des NOK), der Welt einen Korrektur des Bildes von dem Nazi-Deutschland zu liefern. Die Münchner Spiele sollten musisch und unpolitisch sein. Otl Aicher entwickelte ein Gesamtkonzept in seinem schnörkellosen, geradlinigen, radikalen und prägnanten Stil, der sehr bekannt wurde. Er stellte deutschland in den Hintergrund und vermied die Farben Schwarz, Rot und Gold. Als Alterna-

tive erfand er die Regenbogenspiele, eine Farbpallette, die einen heiteren und ungelösten Charakter kreierten, so wie die Spiele auf die Welt wirken sollten. Das gesamte Erscheinungsbild war einheitlich, in dem er sogar die Polizei und das Militär in das gestalterische System integrierte. Innerhalb seines Gestaltungskonzeptes entwickelte er auch die international verständlichen Piktogramme, die die verschiedenen Sportarten darstellten. Diese Entwicklung erregte großes Aufsehen. Die konsequente Einheitlichkeit war ein sehr wichtiges Merkmal der Olympischen Spiele in München. Alle farbigen und formalen Elemente des Erscheinungsbildes wurden nach strengen Gestaltungsgesetzen entwickelt. In diesem Magazin wird es hauptsächlig um das Piktogrammsystem und dessen bis heute andauernde Gültigkeit, sowie das Orientierungssystem der Olympischen Spiele ‘72 gehen.


Geschichte

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Vignetten f체r die jeweiligen Sportarten waren nichts Neues in Verbindung mit olympischen Spielen. Schon w채hrend der Olympiade 1948 in London wurden Sportarten durch eine umrisshafte Darstellung auf Tafeln repr채sentiert. In Melbourne (Aus tralien) wurde 1956 eine Reihe von Vignetten verwendet, die


// Mexico

1968

// Tokio

1964

// München

1972

dem Anschein nach eher den Charakter einer Handzeichnung hatten denn sachliche Darstellungen waren. Die Symbole von Mexiko (1968) beinhalteten wesentliche Elemente der jeweili gen Sportart, hatten aber 1964 entwickelt wurde. Jede einen illustrativen Charakter und keine überzeugung. Eine

entscheidende Weiterentwicklung bedeutete das Zeichensystem, das von Katzumie Masaru für die Olympischen Spiele in Tokio Sportart wurde durch eine vereinfachte Abbildung dargestellt, wobei vor allem die typische Körperhaltung und Bewegung bei der figurativen Abstraktion zum Ausdruck kommen

sollte. Dieses System funktionierte erfolgreich als interlinguistisches Medium und wurde darüber hinaus zum Vorbild für die Spiele in München.

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Piktogrammentwicklung. Alle Figuren wurden auf einem Feld bestehend aus einem orthogonalen und diagonalen Netzraster entwickelt. Alle Elemente wurden in einem Winkel von entweder fĂźnfundvierzig oder neunzig Grad angeordnet, was nur dadurch ermĂśglicht wurde, dass die Linien der Figuren als Parallelen mit einer festgelegten Breite gezeichnet wurden.

Einundzwanzig olympische Sport-Piktogramme. Die Symbole wurden von typischen Haltungen aus jeder Sportart abgeleitet und unter Einbezug standardisierter grafischer Elemente auf einem Raster angeordnet.

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Entwicklung

Die Grafiker in München erkannten, dass die Klarheit und Wiedererkennung eines Symbols nur durch ein stark reduziertes Repertoire von grafischen Elementen und ihrer systematischen Anordnung erreicht werden konnten. Ähnlich wie bei den Sportsymbolen von Tokio wurden die Münchner Piktogramme von typi-schen Körperhaltungen der jeweiligen Sportdisziplin abgeleitet. Der entscheidende Unterschied der Münchner Piktogramme bestand allerdings darin, dass zur Gestaltung der verschiedenen Symbole ein und dasselbe Repertoire von grafischen Elementen verwendet wurde. Diese einfachen Elemente wurden auf

einem Raster, bestehend aus gleichen Quadraten und Diagonalen, entsprechend arrangiert. Diese systematische Ordnung garantierte sowohl eine formale Einheit der verschiedenen Abbildungen und ließ die Piktogramme darüber hinaus Teil eines umfassenden visuellen Systems werden. Bei genauer Beobachtung der Männchen fällt auf, dass ihre punktförmigen Köpfe minimal versetzt sind. Diese leichte Versetzung des Kopfes hilft, die Figur ins Gleichgewicht zu bringen. Die Figur des Fußballspielers beispielsweise, ist stark nach rechts geneigt. Der Kopf, welcher auf der linken Schulter liegt, schafft visuellen Ausgleich zum Körper.

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Orientierung

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Allen Zeichen liegen bestimmte Ordnungsfaktoren zugrunde, die das Orientierungssystem zu einer Art visuellen Grammatik machen. Das System besteht aus Bildzeichen (Piktogramme) und aus Subzeichen, die die Bildzeichen modifizieren. Die Bildzeichen leiten sich überwiegend von charakteristischen Bewegungssituationen, von Gegenständen, typischen Bekleidungsformen und ihrer Kombination ab. Subzeichen sind zum Beispiel der Pfeil oder der Querbalken, der die Bedeutung eines Zeichens negiert. Wie schon erwähnt waren sls Bewegungsrichtungen bei dem Zeichensystem Senkrechte und Waagerechte, daneben die Diagonale und damit Winkel von 90°, 45°

bzw. 135° bestimmend. Diese formale Reduktion und visuelle Normierung war auch deshalb erforderlich, um die Piktogramme zusammen mit Schrift und Farbe zu einem Orientierungssystem kombinieren zu können. Innerhalb dieses für Aktive und Besucher wichtigen Bereichs der selbstständigen, schnellen und fehlerfreien Orientierung spielten Karten und Pläne eine besondere Rolle. Dabei wurden drei Gruppen unterschieden: Pläne von Sportstätten, geometrisierte Strukturpläne sowie Stadtund Lagepläne. Auch dafür wurden spezielle kartographische Richtlinien entwickelt, die die Anschaulichkeit, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit steigern sollten.


Schematische Pläne für Parkplätze und Sportarenen. Um eine visuelle Einheit zu schaffen, entschied sich Aicher auf dem gleiche fünfundvierzig und neunzig Grad Raster, welches er schon für die Piktogramme verwendete, auch die schematischen Pläne anzulegen. Hierbei konzentrierte er sich auf eine vereinfachte Geometrie.

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Orientierungssystem. Otl Aicher legte sein Hauptaugenmerk darauf, dass sich das Orientierungssystem jedem Besucher, egal welcher Herkunft, auf den ersten Blick erschlieĂ&#x;t. Aus diesem Grunde verwendete er nur Bild- und Subzeichen, welche er mittels Schrift und Farbe zu einem schlĂźssigen System kombinierte.

Bildzeichen

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Subzeichen


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Globalisierung


Die Bildsymbole haben sich bis heute in der Welt des Sports gehalten und wurden kontinuierlich auf andere Bereiche wie Transport, Service, Gesundheit und viele mehr ausgeweitet. Die Piktogramme sind leicht und schnell verständlich: Jeder sehende Mensch kann sie erfassen, entschlüsseln und verstehen - ganz unabhängig von seinen Sprachkenntnissen oder dem Bildungshintergrund. Somit

ermöglichen sie die Kommunikation über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg und erleichtern die Verständigung und Orientierung in unserer modernen, global denkenden Welt. Aicher schuf nicht nur einzelne Piktogramme, sondern ein syntaktisches System, das strengen Gestaltungsregeln folgt. Auf dieser Basis lässt es sich jederzeit erweitern oder auf neue Gege

benheiten und Anwendungsgebiete anpassen. So bleibt es auf zeitlose Weise aktuell und lebendig. Nach Aichers Tod 1991 hat die ERCO GmbH den weltweiten Vertrieb und die Lizenzierung des Piktogrammsystems und auch die Weiterentwicklung in seinem Sinne übernommen.


Typografie Semester 1 Hochschule M체nchen Fakult채t f체r Design Wintersemester 2011/2012 Betreuung: Prof. Xuyen Dam Moritz Moll

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