moers festival Magazin 2009

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www.moers-festival.de

Pfingsten 29. Mai – 01. Juni 2009

mœrs

Schutzgebühr: EUR 3.-

festival

Festivalmagazin


Die Träger

Die Partner

Die Förderer und Medienpartner

Danke für die Unterstützung: Firma Union Getränke, Autohaus Minrath Danke für die Zusammenarbeit: Music Meeting Nijmegen


inhalt

4 5 6

Grußwort Norbert Ballhaus, Bürgermeister der Stadt Moers Grußwort Prof. Karl Karst, Programmchef WDR 3 Vorwort Reiner Michalke, Künstlerische Leitung moers festival

moers festival 2009

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Preface

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NYC-Scene

New York's Now

Der Trompeter Peter Evans spielte vor einem Jahr ein fulminantes Konzert beim Festival in Moers – und gab mit seinem Quartett eine beeindruckende Visitenkarte der „Young Guns From New York“ ab. Der Journalist Hank Shteamer schreibt, warum Evans kein Einzelfall ist.

Freitag, 29. Mai 2009 8 9 10 11 12

Simon Rummel „Fantasmofonika“ Zs Eivør Pálsdóttir Elephant9 SpokFrevo Orquestra

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Die Hudson-Brille

Zurzeit vibriert es wieder in der New Yorker Jazz-Community. Das kann dem Jazz hierzulande nur gut tun, weil man in Europa New York als kreatives Gegengewicht braucht – ist Wolf Kampmann überzeugt.

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Wanja Slavin Sextett Valgeir Sigurðsson & Band Mostly Other People Do the Killing The Trio Eivind Aarset Sonic Codex Orchestra Wayne Horvitz „Zony Mash“ plus Horns

In den Vereinigten Staaten ist man noch immer euphorisiert von der Amtseinführung Barack Obamas als erster schwarzer US-Präsident. Doch wie wirkt der „Obama-Faktor“ auf die afroamerikanische JazzSzene? Christian Broecking hat in den USA nachgefragt.

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The Black Napkins Colin Stetson Guillermo Klein Y Los Guachos Darcy James Argue & Secret Society Timucin Sahin 4 Rokia Traoré

George Lewis & AACM

Gewichtige Stimme

George Lewis hat ein vielbeachtetes Buch geschrieben – über die „Association For The Advancement Of Creative Musicians”. Im Gespräch mit Christoph Wagner macht der Posaunist und Jazzforscher deutlich, warum diese Chicagoer Musikerinitiative heutzutage notwendiger ist denn je.

Sonntag, 31. Mai 2009 20 21 22 23 24 25

Barack Obama / US-Jazz

Young, Gifted And Black

Samstag, 30. Mai 2009 14 15 16 17 18 19

NYC / Europe

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Moers / DDR

Hammer – Zirkel – Saxofon

Staatsfeiertage 2009: 60 Jahre Bundesrepublik, 20 Jahre Mauerfall. Moers feiert einen anderen Jahrestag: vor 30 Jahren traten zum ersten Mal DDR-Musiker im Westen auf. Grund für Wolf Kampmann, sich Gedanken über die Bedeutung des DDR-Jazz’ zu machen.

Montag, 1. Juni 2009 26 27 28 29 30

32 33 34 35 36 37

Nisennenmondai Tim Isfort Tentett Extra Life sOo's cOllage Marc Ribot's Ceramic Dog feat. Eszter Balint

night sessions @ Bollwerk 107 night session @ Röhre morning sessions @ Tribera daydream @ Dunkelzelt klangwerkstadt @ Stadtkirche, nimm! 2009 This Is Our Moosic, Rund ums moers festival, Barrierefreiheit

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Zeitzeugen / Dr. Jürgen Schmude

Kulturwerker

Eine neue Gesprächsserie: „Zeitzeugen“. Den Anfang macht der Moerser Dr. Jürgen Schmude, der 1979 Minister für Bildung und Wissenschaft in der sozialliberalen Regierung war. Im Grußwort zum „8. Internationalen New Jazz Festival Moers“ von 1979 dankt ihm Festivalmacher Burkhard Hennen. Im Gespräch mit Martin Laurentius verrät Dr. Jürgen Schmude, wofür.

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moers revisited

8. Internationales New Jazz Festival Moers 66

Impressum & Service

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moers festival 2009

Norbert Ballhaus, Bürgermeister der Stadt Moers

„Das größte Verbrechen eines Musikers ist es, Noten zu spielen, statt Musik zu machen.“ Diese Einschätzung des Violinisten Isaac Stern kann ich vollkommen teilen. Auch beim 38. Moersfestival steht nicht das Klammern an Noten im Vordergrund, sondern improvisierte Musik mit Gefühl. Auch in diesem Jahr ist erneut ein tolles und abwechslungsreiches Programm zu erleben. Hier hören und sehen Jazzfreunde einen Querschnitt der verschiedenen Bereiche der „freien“ Musik. Der künstlerische Leiter Reiner Michalke hat mit großem Engagement, seinem breiten musikalischen Wissen und hohem künstlerischen Anspruch bereits zum vierten Mal ein besonderes Programm zusammengestellt. Er wählt die Künstlerinnen und Künstler mit viel Know-how und Gespür. Wie man sieht, hält sich auch der künstlerische Leiter nicht nur an Noten und musikalischen „Schubladen“. Zum Festival wird Moers jedes Jahr ein starker Magnet für Musikfans aus der ganzen Welt. Erwähnt man irgendwo die Stadt Moers, kommt man im Gespräch auch unweigerlich aufs Festival. Und das macht mich als Bürgermeister dieser Stadt ein wenig stolz. Dass Reiner Michalke das Moersfestival weiter in die Stadt und damit zu den Bürgerinnen und Bürgern trägt, ist eine sehr gute Entwicklung. Denn das Festival ist wichtig für Moers. Ich möchte allen danken, die zum Gelingen des Festivals beitragen. Dazu zähle ich natürlich auch unsere Sponsoren, Förderer und Partner. Viele leisten zum Teil seit Jahren ihre Unterstützung. Allen Zuhörerinnen und Zuhörern wünsche ich ein tolles und erlebnisreiches Pfingstwochenende. Viel Vergnügen!


moers festival 2009

Prof. Karl Karst, Programmchef WDR 3 / Vorstand INITIATIVE HÖREN

MOERS hat es geschafft! Die Stadt am Niederrhein hat den eigenen Ortsnamen zur Musikmarke gemacht. Das gelingt nicht vielen – und höchst selten den kleineren Kommunen. Dass Großstädte und Metropolen in der Lage sind, sich über Jahre hinweg musikalische Großereignisse zu leisten und Festivals zu entwickeln, das ist begrüßenswert, aber keine sonderliche Überraschung. Bemerkenswerter ist es schon, wenn eine Kommune wie Moers es schafft, ein musikalisches Genre so erfolgreich und kontinuierlich zu pflegen, dass sie zur „Heimat“ für diese Musik wird. Und dafür kann die Anerkennung nicht groß genug sein! MOERS steht für zeitgenössische Jazzmusik, für Improvisationskunst, für avancierte Auseinandersetzungen mit der Klangwelt unserer Zeit. Dazu gehört auch, dass sich das Festival immer wieder für neue Richtungen öffnet und alternative Formen der Musikrezeption anbietet. Die Klangwerkstatt in der Stadtkirche und das Spezial-Programm des Dunkelzelts stehen für diese besondere Bereitschaft. In diesem Jahr beteiligen sich erstmals auch WDR 3 und die

auf Sonntag. So auch am 6. auf den 7. Juni

INITIATIVE HÖREN am Programm des Dunkelzelts und ich bin

mit Aufnahmen vom moers festival und den

sehr gespannt, wie die Künstler des Projekts „Daydream@

INNtönen 09. Live auf Sendung ist WDR

Dunkelzelt“ die Membranen (der Ohren und des Zelts) zum

3 am Samstagabend von 20:00 bis 24:00

Schwingen bringen. Jeder Akustikkenner weiß, welche Fas-

Uhr – vier Stunden lang moers festival

zination der pure Klanggenuss haben kann, wenn die Augen

live über UKW im ganzen Land, via Satellit

mal Pause machen…

europaweit und als Internetstream via

Apropos Augen und Ohren: Ganz und gar ohne optische

www.wdr3.de weltweit.

Ablenkung kommt seit jeher das Radio aus. Das bundesweit

Den Künstlern und dem Publikum wünsche

größte Jazzprogramm im deutschen Radio begleitet MOERS

ich viel Inspiration – und den Machern und

kontinuierlich. Täglich gibt es den WDR 3 Jazz ab 22.00 Uhr

Veranstaltern den verdienten Erfolg beim

und alle 14 Tage die lange WDR 3 Jazznacht von Samstag

moers festival 2009.

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6

moers festival 2009

Ort zusammenzukommen, um ein Konzert zu erleben, ist durch keine künstliche Simulation zu ersetzen. Hier in der realen Welt, wo Musiker Reiner Michalke, Künstlerischer Leiter moers festival

unmittelbar auf ihr Publikum treffen, ist der Ort, wo Kunst wieder eine politische Relevanz

In diesem Jahr möchte ich mein

wieder herstellbar sei, neige ich zu der These,

Vorwort mit dem Dank beginnen: Den

dass wir uns am Ende einer Epoche befinden und

beweisen, dass sie in der Lage ist, einem

Trägern des Festivals, der Stadt Moers,

die zunehmend globalisierte Gesellschaft schon

Lebensgefühl Ausdruck zu geben, das weit mehr

bekommen kann. Nur hier kann aktuelle Musik

der Kunststiftung NRW, der Aktion

längst dabei ist, ein neues Koordinatensystem

ist, als ein äußerliches Attribut, das man wie

Mensch und dem WDR. Ebenso danken

von Werten zu entwickeln. Doch was sind die

ein Kleidungsstück wechseln kann.

möchte ich meinem großartigen Team,

neuen Werte, auf die sich eine Welt-Gesellschaft

Vielleicht ist auch so zu erklären, warum eine

das dieses Ereignis wieder mit uner-

einigen könnte? Welchen Einfluss könnten Kunst

Stadt wie New York eine so ununterbrochen

schütterlich guter Laune auf die Beine

und Kultur auf diese neue Epoche haben? Und

große Anziehungskraft auf Künstler aus der

gestellt hat und allen Sponsoren, Part-

was hat das alles mit einem vergleichsweise un-

ganzen Welt ausübt. Obwohl die Verdienstmög-

nern, Unterstützern und Helfern, ohne

bedeutenden Musikfest am Niederrhein zu tun?

lichkeiten gering und die Lebenshaltungskosten

die ein solches Festival nicht denkbar

hoch sind, suchen dort immer wieder neue

wäre. Vor allen Dingen gebührt aber

Als Programmmacher, der sich dem Aktuellen

Musiker die unmittelbare Auseinandersetzung

mein Dank dem Publikum für das Ver-

in der Kunst verpflichtet fühlt, muss mich die

untereinander und mit ihrem Publikum. Nur

trauen und die Begeisterungsfähigkeit,

Frage interessieren, ob, und wenn ja, welche

an solchen Orten wird eine kritische Masse

ohne die das moers festival nicht so

Spuren der gesellschaftliche Wandel in der Kunst

erreicht, die etwas Neues, vielleicht sogar

einzigartig wäre, wie es ist.

hinterlässt – und umgekehrt. Waren es in den

Wegweisendes in Bewegung setzen kann. Die

vergangenen Epochen oft die Kulturschaffenden,

ungebrochene „Obamania“ in den USA tut ihr

Als ich 2005 die Aufgabe übernommen

die einen gesellschaftlichen Wertewandel ein-

Übriges, diesen Trend zu stärken. Nicht zuletzt

habe, das Programm für das moers festival

gefordert und kritisch begleitet haben, so hat es

der Zusammenbruch des Finanzsystems in den

zusammenzustellen, war der Umbruch

den Anschein, als wenn die künstlerische Avant-

USA hat den Kulturschaffenden eine neue Rolle

unserer Gesellschaft bereits in vollem

garde diesmal überwiegend mit der Erforschung

in der Mitte der Gesellschaft eröffnet: Die Rolle,

Gange. Auch heute, vier Jahre später, ist

der neuen Welt im Netz beschäftigt gewesen sei.

das Wertegefüge einer neuen Epoche maßgeb-

nicht absehbar, wohin die Reise geht. Wir

Dabei ist die Faszination, die das Internet auslöst,

lich mitzugestalten.

erleben den Zusammenbruch der internati-

nachvollziehbar. Besonders für die künstlerisch

onalen Finanzmärkte. Wir wissen, dass die

ambitionierten Musikschaffenden ist das Netz

Ressourcen dieses Planeten zu Ende gehen.

traditionellen Vertriebsformen überlegen. Es

die diesjährige Programmauswahl gehabt.

Und wir sind auf politisches Führungsper-

eignet sich für die Verbreitung der eigenen

Natürlich ist nicht damit gemeint, dass Musiker,

sonal mit sehr unterschiedlicher Kompetenz

Ideen ebenso hervorragend wie als perfektes

die sich mit non-verbaler Musik beschäftigen,

angewiesen.

Informationsmedium zu den Ideen der Anderen.

auf einmal politische Parolen von de Bühne

Die Öffnung der Sowjetunion und der

Und das ohne Rücksicht auf die bisher notwen-

verkünden. Aber sie alle demonstrieren eine

Fall der Berliner Mauer waren politische

dige Anpassung an die herrschenden Normen

Haltung, die von Respekt, Toleranz und dem

All dies hat direkt und indirekt Einfluss auf

Ereignisse, die das alte Koordinatensystem

oder industrielle Wertschöpfung, sondern mit

Gegenteil von Rassismus geprägt ist. Sie sind

aus "falsch" und "richtig", "gut" und "böse"

punktgenauer Zielgruppenansprache bei nahezu

von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt, und

in seinen Grundfesten erschüttert und un-

verschwindend geringem Kostenaufwand. Der

ihnen ist das künstlerische Ergebnis wichtiger

brauchbar gemacht haben. Fast gleichzeitig

Nachteil dieses ungebremsten Schaffens liegt

als ein möglicher kommerzieller Erfolg.

entstand parallel zu dieser realen Welt

ebenso auf der Hand: Es fehlen Filter, wie z. B.

Schließlich ist auch das moers festival ein „ana-

eine digitale Welt, deren Grenzen wir nicht

qualifizierte Redakteure, Produzenten und Ku-

loges“ Ereignis, bei dem Menschen an einem

einmal annähernd erforscht und für deren

ratoren, die Orientierung bieten in der täglichen

Ort zu einem vereinbarten Zeitpunkt zusam-

Nutzung wir uns bisher weder auf ethische

Flut neuer "Informationen".

menkommen, um etwas gemeinsam zu erleben.

noch auf gesetzliche Rahmenbedingungen verständigt haben.

Der Ausweg für die Musik ist die Rückkehr

Sie hören eine Musik, die so zum ersten Mal erklingt, aber nie wieder so erklingen wird. Nur

Während viele bezüglich der ökonomischen

zum Anfang: Zu den Bühnen der Welt. Nur hier

wer wirklich dabei ist, ist Teil des Ganzen. Und

Katastrophe von einer Krise sprechen und

entsteht Einzigartiges, Unwiederbringliches.

dieses Erlebnis ist nicht teilbar. Das ist die Fas-

damit suggerieren, dass der alte Zustand

Das gesellschaftliche Ereignis, an einem

zination, die von Improvisierter Musik ausgeht.


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QF@HBQP RKQBO TTT+HLBIKQF@HBQ+AB RKA TTT+@*L*MLM+AB


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Freitag, 29. Mai 2009

programm

IMPROVISER IN RESIDENCE

17 Uhr / Festivalzelt

Simon Rummel_comp, ld Georg Wissel_as Matthias Schubert_ts Thomas Zoller_bs Wollie Kaiser_b-s Joris Ruhl_cl Philipp Spätling_fl Udo Moll_tp Matthias Muche_tb Christof Thewes_tb Carl Ludwig Hübsch_tu Michael Griener_dr Ketonge_sound archive

Foto: Helmut Berns

Die Besetzung mit zehn verschiedenen Blas-

für ein Jahr an den Niederrhein verlegt, um dort seine Arbeit

instrumenten (Tuba, Posaunen, Trompeten,

als „Improviser In Residence“ aufzunehmen und das kulturelle

Saxofone und Flöte) ließe auf ein Ensemble

Leben der Stadt Moers zu bereichern.

zwischen englischer Brass-Band, deutscher

In dieser Funktion wird der „Stadtmusikant“ mit seinem

Blaskapelle und amerikanischer Marching

Ensemble „Fantasmofonika“ das moers festival 2009 eröffnen.

Band schließen – wäre es nicht mit „Fan-

Der Klangforscher liebt den Reiz des „Un“-Erhörten. Bei seinen

tasmofonika“ überschrieben. So nennt der

Expeditionen durchstreift er unterschiedliche Klangwelten

Musiker und Komponist Simon Rummel sein

und lässt sich ebenso von Jazz wie von Klassik, Neuer Musik

in Form und Farbe offenes Kammer-Ensemble,

und Volksliedern inspirieren – aber auch vom experimentellen

das er 2003 mitgegründet hat.

Musiktheater. Bei seinen verschiedenen Projekten kommt

Simon Rummel stammt aus Trier. 1999 begann

ihm immer wieder seine Erfahrung als Bühnenmusiker zugute,

er als Jungstudent mit einem Studium an der

sodass er in seinen Werken Elemente aus Klang, Bild und

Hochschule für Musik und Tanz in Köln, wo

Bewegung zu einer spannenden Einheit verschmelzen lässt

er sich in den Fächern Klavier, freie Impro-

und sich selten auf eine einzige künstlerische Ausdrucksform

visation und Komposition ausbilden ließ.

beschränkt. Speziell für seinen Auftritt als „Improviser In

Später kam noch ein Studienaufenthalt an

Residence“ hat Rummel vordergründig simple, bruchstückhafte

der Kunstakademie in Düsseldorf hinzu. Ab

und mosaikartige Miniaturen geschrieben, bei denen auch die

2009 hat Rummel seinen Lebensmittelpunkt

improvisatorischen Momente nicht zu kurz kommen. Jörg Heyd


programm

Freitag, 29. Mai 2009

18 Uhr / Festivalzelt „Brooklyn’s finest in the field of free jazz and noise“ – so formu-

Zur Backline von Zs gehören drei Notenpulte,

liert es ein Kritiker des „San Francisco Bay Chronicle“ in einer

hinter denen der Saxofonist Sam Hillmer

begeisterten Rezension der EP „The Hard“ von Zs. Und lobt

und der Gitarrist Ben Greenberg hin und

die Präzision der Band und ihre dynamische Breite zwischen

wieder auf einem Stuhl Platz nehmen. Denn

Sam Hillmer_ts

Lärmkaskaden und zarten Momenten. Als die Band nach ihrer

ihre Stücke sind großenteils auskomponiert,

Ben Greenberg_g

Gründung im Jahr 2000 weder eine steile Pop-Karriere machte

verbunden mit den Gepflogenheiten des

Ian Antonio_dr

noch Erfolge in der komponierten Musik erlebte, suchte sie

etablierten Konzertsaals – wenn auch nicht

Anschluss in der „DIY Community“, einem Zweig der Jugendkul-

als „Kammer-Punk“. Zs zelebriert imaginäre

turen in den großen Städten.

Rituale der Vergangenheit und auch Gegen-

Der Slogan „Do It Yourself“ – oder „DIY“ – war ursprünglich

wart, möglicherweise sogar der Zukunft. Der

die Losung bürgerlicher Heimwerker. Seit den 1980er- und

rhythmische Puls ihrer Stücke, die ostinaten

’90er-Jahren ist dieser Slogan auch das Signal des Aufbruchs

Wiederholungen und die kurzen Themen

einer alternativen Subkultur, die unter sich widersprechenden

mit ihren Variationen demonstrieren ihre

Ideologien ein selbstbestimmtes Leben gegenüber dem alles

Verbindung zur Minimal Music. Ihr Gestus

beherrschenden Markt propagiert. Dazu gehören antiautoritäre,

allerdings ist der des lauten Rock sowie eine

sozialistische, anarchistische und sogar fundamental-religiöse

symbiotische Verbindung mit der Szene: ihrem

Gruppen. Diese Szene ist gut vernetzt: Das Internet ist ihr Me-

Publikum.

dium, die Musik ihrer Parties der Punk – aber nicht der schlichte Punk etwa der britischen Sex Pistols.

Ulrich Kurth

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Freitag, 29. Mai 2009

programm

verantwortlich. Aufgenommen hat sie auch mit dem Ensemble Yggdrasil um Kristian Blak, dem Gründer des Labels Tutl. Und Pálsdóttirs Texten und ihrer Stimme wurden mit dem 19 Uhr / Festivalzelt

Jubiläums-Album zum 40-jährigen Bestehen der Danish Radio Big Band eine besondere Anerkennung zuteil. Ihr leidenschaftliches Engagement für die Muttersprache

Mit 17 brach Eivør Pálsdóttir die Schule ab,

war sie schon mit einem

basiert auf der einzigartigen oralen Balladentradition ihrer

um nur noch zu singen. Das war vor zehn

färöischen Chor unterwegs,

Heimat. Gemeinschaftliches Singen und Tanzen gehört

Jahren. Heute gilt sie als bekannteste Vokal-

zwei Jahre später mit der

dazu, über Jahrhunderte wurden Legenden auf diese Weise

botschafterin der Färöer Inseln. Obwohl oder

Rockband Clickhaze auf

mündlich überliefert. J. R. Tolkien soll sie als Inspirations-

gerade weil in ihrer Heimat deutlich mehr

Tournee durch Dänemark,

quelle für seinen „Herr der Ringe“ genutzt haben. Aber auch

Männer in ihrer Altersklasse vertreten sind.

Schweden, Grönland und

ohne Worte wehen die Klänge der jungen Sängerin, schlagen

Wie viele andere junge Färingerinnen hat

Island.

Funken und Wellen über die Genregrenzen von Folk, Pop und

auch sie der vertrauten Umgebung erst

Die renommierten

Jazz hinweg.

einmal den Rücken gekehrt. In Reykjavik stu-

Produzenten Bill Bourne

Franziska Buhre

dierte sie klassischen und Jazzgesang. Nach

aus Kanada und Donald

Kopenhagen ging sie, um die lokale Folk-

Lundy aus Irland zeichnen

Eivør Pálsdóttir_voc

Szene kennen zu lernen. Als Zwölfjährige

für zwei ihrer Solo-Alben

Benjamin Petersen_g Mikael Blak_b Høgni Lisberg_perc


programm

Freitag, 29. Mai 2009

20.15 Uhr / Festivalzelt

Ståle Storløkken_keyb

wollten, als er sich während des Studiums am Konservatori-

Nikolai Hængsle Eilertsen_b

um in Oslo mit der Musik von Miles Davis befasste“, erinnert

Torstein Lofthus_dr

sich Storløkken. „Wir spielten ein paar Gigs, und als wir ein gemeinsames Interesse an der Musik der 70er entdeckten, beschlossen wir, als feste Band eigenes Material zu schreiben. Unsere unterschiedlichen Hintergründe garantieren eine stili-

Extreme Zeiten erfordern extreme Mittel. Die Wirren des

stische Offenheit, mit der wir die musikalischen Grundlagen der

Umbruchs erfordern dabei oft einen Rückgriff auf die Extreme

Seventies mit einem Fokus auf Improvisation und jeder Menge

der Vergangenheit. Die norwegische Band Elephant9 steht

Energie anreichern können.“

im Brennpunkt einer globalen Szene, die progressive Strö-

Jazz, Prog und Klassik sind elementare Bestandteile, die in der

mungen der 1960er- und ’70er-Jahre aufgreift und innovativ

Musik von Elephant9 zu einem brisanten Gemisch verschnitten

fortführt. Auf ihrem Debütalbum „Dodovoodoo“ löst sie heftige

werden. Die besondere Herausforderung besteht für das Trio in

chemische Reaktionen zwischen Prog und Retro, Jazz und Rock,

improvisiertem Rock. „Improvisation heißt jedoch nicht, dass wir

linearer und flächiger Musik, Abstraktion und Emotion aus.

völlig frei improvisieren. Unsere Stücke basieren auf Skizzen, die

Elephant9 sind Keyboarder Ståle Storløkken, Bassist Niko-

wir in den Improvisationen anreichern und ausweiten. Gerade

lai Hængsle Eilertsen und Drummer Torstein Lofthus. Die

kurze Stücke, die stark genug sind, um eine lange Improvisation

Mitglieder der Band kennt man bereits aus stilistisch so

zu tragen, spornen uns an.“ Storløkken und Konsorten machen

unterschiedlichen Gruppen wie Supersilent, Humcrush, Shining

aus Mückenschwärmen Elefantenherden, die – einmal in Be-

und The National Bank. Vielleicht ist das Trio die adäquate

wegung – niemand mehr aufhält. Ob Jazz oder Rock: Elephant9

Antwort des 21. Jahrhunderts auf Emerson, Lake & Palmer.

garantieren eine Kombination aus Urknall und spontaner Meta-

Doch die ursprüngliche Intention kam aus einer ganz anderen

morphose, die nichts lässt, wie es einmal war.

Ecke. „Torstein fragte uns, ob wir an diesem Projekt mitarbeiten

Wolf Kampmann

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Freitag, 29. Mai 2009

programm

21.30 Uhr / Festivalzelt Inaldo Cavalcante de Albuquerque_sax Gilberto Pontes_sax Gilmar Silva_sax

Frevo – das ist der Rhythmus

präsentiert diesen Sound

Vor zwei Jahren, im Karneval

Edson Faro_sax

des Karnevals in Pernambu-

heute im Gewand einer Big

2007, beging Pernambuco

Pêto Trompete_tp

co. Die Atmosphäre kocht,

Band. Seit 1996, damals

das hundertjährige Jubiläum

Alexandre Rodrigues_tp

wenn Frevo in den Straßen

hieß die Gruppe noch Banda

seiner Lieblingsmusik – und

Germerson Netto_tp

des brasilianischen Bundes-

Pernambucana, verbindet der

das SpokFrevo Orquestra

Jailson Silva_tp

staates ertönt. Frevo kommt

Chef des Unternehmens die

ließ die Menschen vier Tage

Cleber Silva_tb

von „ferver“, was natürlich

synkopierten Traditionen mit

lang durchfeiern. Der einzig-

Marcílio_tb

nichts anderes als „kochen“

zeitgemäßem Stoff. Dafür

artige Rhythmus, bei dem

Flávio de Souza_tb

bedeutet, und ist so ziemlich

übt Inaldo Cavalcante de

die Bläser rasende Läufe

Marcone Nascimento_tb

die schnellste Tanzmusik, die

Albuquerque oder Spok, wie

spielen und die Perkussio-

Renato Bandeira_g

man in Recife oder Olinda

er sich nennt (Fans sprechen

nisten für ordentlichen Druck

Hélio Silva_tp

unters Volk bringt. Schnell

von ihm als „Conductor

sorgen, lässt den Musikern

Adelson Silva_dr

war diese Musik schon

Spok“) mehrere Jobs

viel Freiraum für frenetische

Augusto Silva_dr

immer – seit Jahrzehnten

zugleich aus: Er ist musika-

Improvisationen. Und dem

Dedé Simpatia_perc

hat man diese Art „Marcha“

lischer Leiter, Arrangeur und

tanzenden Publikum nicht

gepflegt, Ableger des Stils

Saxofonist des Orchesters,

minder.

verschlug es natürlich auch

sein Cousin Gilberto Pontes

in andere Teile Brasiliens.

alias Gibasax ist Co-Leiter

Das SpokFrevo Orquestra

des 17-köpfigen Ensembles.

Uli Lemke



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Samstag, 30. Mai 2009

(33,: 9<5+ <4: :(?67/65 r :H_VWOVUL 4\UKZ[mJRL PU NYVtLY (\Z^HOS! 5,< .,)9(<*/; =05;(.,

15 Uhr / Festivalzelt

Mit der Band auf der Suche, beim eigenen Ton längst angekommen: Wanja

r 7YVMLZZPVULSSL )LYH[\UN :L[ <W

Slavin vereint den Mut zum Dilettantischen mit seinem Hang zur Perfektion. Er

r A\ILOlY

Premiere mit der Stimme von Ibadet Ramadani erwartungsvoll entgegen.

verehrt jede der im Sextett versammelten MusikerpersĂśnlichkeiten und sieht der Irgendwo in der Toskana hat das Sextett erst kĂźrzlich ein Album aufgenommen.

r 9LWHYH[\YLU PU LPNLULY >LYRZ[H[[ r >VYRZOVWZ MmY :H_VWOVUPZ[LU r NYVtamNPNL (UZWPLS 9j\TL r Saxophonic ,ZWYLZZV )HY ÂŽ

Wie man sich das so vorstellt, aber als Musiker nur selten verwirklichen kann. Ein einsames Haus, den ganzen Tag italienisch bekocht, fernab von Tournee-Alltag und murrenden, mĂźrrischen Produzenten. Mit Laken und Matratzen wurde so lange experimentiert, bis die Raumakustik stimmte und zufrieden stellte. Slavin hat einer Menge Jazz und viel Neuer Musik gelauscht – und sich stets auch mit perfekten Pop-Songs beschäftigt. Doch in Konzerten strebt er nach anderem: Auf Basis komplexer rhythmischer Strukturen gerät Reibung zum bevorzugten Stilmittel, um eigentĂźmliche Stimmungen zu erzeugen. Zwischen Scheitern und den Entscheidungen, einander in Spiralwindungen zu verschrauben, entstehen ebenso fragmentarische wie stetig mäandernde Gebilde – auch an 360 Abenden im Jahr wĂźrden Slavin und seine Musiker darin wandern. In Moers liegt eine Station, die die Musiker zusammenfĂźhrt – real und dazwischen, inmitten, vorneweg und dahinter geschieht: „Un“-ErhĂśrtes. Franziska Buhre

Wanja Slavin_sax Ibadet Ramadani_voc Karsten Hochapfel_g, vc Ronny Graupe_g

Ă–ffnungszeiten +P IPZ -Y <OY :H <OY 4VU[HN NLZJOSVZZLU 2YLMLSKLY :[Y + 5L\RPYJOLU =S\`U Service Telefon

>>> :(?67/650* +,

Robert Landfermann_b Christian Lillinger_dr


programm

Samstag, 30. Mai 2009

16.15 Uhr / Festivalzelt

Fot o: Lau ren Fleish

ma n

Es hat den Anschein, dass Valgeir Sigurðsson mit seinem

Valgeir Sigurðsson_laptop, perc, keyb

Debütalbum „Ekvílibríum“ seinem künstlerischen Gleichgewicht

Sigríður Sunna Reynisdóttir_acc, p

einen gehörigen Schritt näher gekommen ist. Das war vor

Hildur Guðnadóttir_vc, laptop

rund zwei Jahren, als er auf seinem eigenen Label Bedroom

Sam Amidon_g, voc

Community seinen Erstling als Musiker veröffentlicht hat.

Shahzad Ismaily_dr

Denn davor überwog bei dem Isländer die Arbeit als Produzent und Toningenieur. An seinem Studio in Reykjavik führt kaum ein Musikerweg auf der Insel vorbei. Und es gibt kaum einen

Musikmachens zu Gute. Ob als Produzent für andere oder als

Bericht über Sigurðsson, indem nicht der Name Björk fallen

Musiker in der eigenen Band, Sigurðssons Arbeitsweise ähnelt

würde, denn auch die isländische Sängerin verlässt sich (wie

der eines Architekten: Er konzipiert Klangräume, in denen sich

viele andere Musiker, darunter Kate Nash, Camille oder Bonnie

die Musiker wohl fühlen, arbeiten und frei bewegen können –

„Prince“ Billy) auf die Erfahrung und Kreativität des Produzenten.

Funktionalität und Ästhetik bedingen und befruchten einander.

Gerade auf diesem Feld, an Mischpult und Computer, hat

Auf „Ekvílibríum“ jedenfalls entwirft der nordische Klangkos-

Sigurðsson jenen experimentellen Spielraum gefunden, den

mopolit ein komplexes, dennoch transparentes Klanggewebe,

er braucht, um seine Klangvorstellungen, Visionen und Ideen

in dem es knistert und knattert, bläst und blubbert – obwohl

umzusetzen. Seine solide klassische Ausbildung an der

oder gerade weil alles fließt. Eine spannende Begegnung von

Gitarre kommt ihm bei dieser nicht weniger kreativen Art des

einfachen Melodien, vertrauten Gesängen und unerwarteten Geräuschen, eine Ohren schmeichelnde Balance von Elektronik und Akustik. Jörg Heyd

15


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Samstag, 30. Mai 2009

programm

17.30 Uhr / Festivalzelt

den Namen gab. Und nicht zuletzt ist auch der Albumtitel eine liebenswerte Verballhornung jener Blue-Note-Attitüde, die vor 40 Jahren den Hang zu hipper Gelassenheit dokumentierte.

Schlagzeuger Kevin Shea nennt den Sound des Quartetts

Mostly Other People Do the Killing feiern das Jazz-Erbe, daran

Mostly Other People Do the Killing freimütig „Lounge Jazz“.

kann gar kein Zweifel bestehen. Doch sie gehören eben nicht zu

Das Cover des Debütalbums „Shamokin!!!“ ist an die LP „A

den Jungveteranen, die sich artig ihre Krawatte umbinden und

Night In Tunesia“ von Art Blakey & His Jazz Messengers aus

nachbeten, was die Altvorderen ihnen vorspielten. Sie filtern

dem Jahr 1959 angelehnt. Tatsächlich hat New Yorks neueste

den Hardbop der Fifties durch die Brille John Zorns und Steven

Jazz-Sensation mit Blakeys Hardbop-Guerilla einiges gemein,

Bernsteins. Ihre musikalische Sozialisation erstreckt sich

wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen. Da ist zunächst

zwischen Noise, freier Improvisation und Laptop. Mit post-

einmal die Besetzung mit einer Frontline von Trompete und

moderner Dreistigkeit, spitzfindigem Humor und unglaublicher

Saxofon, die auf der Basis einer forcierenden Rhythmusgruppe

idiomatischer Sicherheit zitieren sich Jon Irabagon und Evans

den Sound bestimmt. Auch die Spielhaltung der jungen New

durch die Jazzgeschichte, sodass selbst eingefleischte Traditi-

Yorker ähnelt jener der Jazz Messengers. Sie spielen mit der

onalisten an diesen jungen Wilden ihre Freude haben dürften.

Wucht und Hingabe eines Husarenregiments, das in die letzte

Ein amerikanischer Kritiker nennt die Band „dirty, muddy and

Schlacht reitet. Das ist nicht nur im übertragenen Sinne zu ver-

fast“. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn sie sind fein-

stehen, denn Peter Evans Trompetensalven wirken nicht selten

sinnige Enzyklopädisten, die den Irrgarten der Hauptstraßen,

wie Fanfaren, die zum Kampf blasen. Am Ende der CD steht

Nebenwege und Sackgassen des Jazz der letzten 50 Jahre mit

ein rasantes Update zu Dizzy Gillespies „A Night In Tunesia“,

verblüffender Logik auflösen und für neue Perspektiven öffnen.

das dem Jazz einst den Weg wies und Blakeys Patenalbum

Peter Evans_tp Jon Irabagon_sax Moppa Elliott_b Kevin Shea_dr

Wolf Kampmann


programm

Samstag, 30. Mai 2009

20 Uhr / Festivalzelt

Muhal Richard Abrams_p George Lewis_tb, electr Roscoe Mitchell_sax

Schon wenn Muhal Richard Abrams, George Lewis und Roscoe Mitchell irgendwo getrennt voneinander auftauchen, recken sich neugierig

Selbstverständnis der Herren entspricht dem

Hälse in die Höhe und werden ehrfürchtig

eines Flusses: Alles befindet sich in Bewe-

Ohren gespitzt. Machen die Drei jedoch

gung. Permanent.

gemeinsame Sache, liefern sie nicht weniger

Diese Haltung haben Abrams und Mitchell

in eine Vision eines neuen Gesellschaftsmo-

als die Koordinaten für eine Sternstunde des

über die Jahrzehnte hinweg bei der schwar-

dells münden könnte. Häufig verwendet der

modernen Jazz. Auch in Moers hat das Trio

zen Chicagoer Musikervereinigung AACM

Posaunist und Elektroniker dabei die Worte

der Superlative bereits Festivalgeschichte

verinnerlicht, wo sie auch den etwas jüngeren

„Vertrauen“ und „Offenheit“. Offen sind sie

geschrieben, jeder auf seine Art. Der Pianist

Lewis unter ihre Fittiche nahmen. Heute arbei-

fürwahr, die „Kopfgeburten“ des Trios. In

Abrams im Quintett von Anthony Braxton

tet der Band-Benjamin neben seiner Tätigkeit

alle Richtungen. Improvisatorische Meister-

(1977), der Saxofonist Mitchell mit dem Art

als Musiker und Komponist als Professor an

werke voller Energie, Charme und Identität.

Ensemble Of Chicago (1977, 1978, 1980 sowie

der Columbia University in New York und

Klingende genetische Fingerabdrücke. Aber

1984) und vor allem Lewis, der zwischen 1977

lockte seine beiden Lehrmeister auf diesen

unmöglich unter dem antiquierten Terminus

und 1996 nicht weniger als acht Mal seinen

Selbstfindungsprozess. Keines der klassischen

„free“ abzuheften. Während es dabei um die

Posaunenkoffer am Niederrhein auspackte.

Vater-Sohn-Verhältnisse. Eher ein gleich-

Selbstverwirklichung eines Individuums geht,

Nun kommen sie im Triumvirat. Das bedeutet:

berechtigtes Zusammenspiel, das zu einem

impliziert „offen“ – ganz im Sinne der AACM –

drei Mal so viel Weisheit und grenzenloses

zeit-, stil- und konkurrenzlosen Mirakel voller

ein Miteinander ohne hierarchische Struk-

Sendungsbewusstsein. Eine Koalition, die

Überraschungen gerät, einem Manifest der

turen. Die Überwindung des menschlichen

sich mit derartiger Hingabe in freien Struk-

selbstlosen Kreativität und der kompromiss-

Egoismus. Alles nur eine Frage des Vertrauens.

turen trudeln lässt, als hätte sie gerade die

losen Authentizität. Sie erforschen sich und

Wie bei Muhal Richard Abrams, George Lewis

Improvisation erfunden. Keiner denkt dabei an

ihre Umgebung, reagieren spontan, verwerfen

und Roscoe Mitchell.

heute oder gestern, an links oder rechts, an

Pläne und befreien sich so vom Diktat der

schwarz oder weiß, an Bebop oder Avantgar-

kommerziellen Selbstbeschränkung. In den

de, an vorwärts oder zurück. Das kollektive

Liner-Notes zur phänomenalen CD „Streams“ von 2006 beschreibt Lewis die darauf enthaltene Musik als Summe von Erfahrungen, die

Reinhard Köchl

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Samstag, 30. Mai 2009

programm

21.15 Uhr / Festivalzelt Eivind Aarset_g, electr Gunnar Halle_tr Audun Erlien_b, g Björn Charles Dreyer_b, g Wetle Holte_dr Erland Dahlen_dr

Er trug seinen Teil zur Musik von Bugge Wesseltoft bei, und auch Nils Petter Molvær hat den Klangräumen, die er Foto: Christoph Giese

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auf seiner Gitarre generiert, viel zu verdanken. Mit seinem eigenen Projekt Electronic Noir wiederum baute Eivind Aarset auf Molværs Fundament auf. Komplexe Rhythmusgeflechte und Klangkartografien, über denen der Gitarrist gigantische Imaginationsräume türmt. Welten entstehen, aus denen sich unmöglich einzelne

„Meine Wurzeln stecken in der Gitarrenwelt“, bekennt Aarset. „Ich komme von Jimi Hendrix, bege-

instrumentale Koordinaten

be mich aber in einen Kosmos, der noch keine Tradition hat. Es gibt keine Regeln, an die ich mich

filtern lassen. Ein pulsie-

halten müsste. Die Herausforderung besteht in der Schaffung einer neuen Sprache, ohne meine

rendes Spiel einander spiral-

Vergangenheit zu leugnen.“ Für den Meister der Klangfarben bedeutet das nicht, seinem Spiel

förmig umkreisender Mikro-

etwas hinzuzufügen, sondern eher vieles, was bisher zu seinem Idiom gehörte, wegzulassen. „Für

und Makrokosmen. Jazz ist

mich hat Musik eine starke visuelle Qualität. Ich habe zuerst ein Bild im Kopf, bevor ich mich an

für Aarset gleichermaßen

die technischen Dinge wie Akkorde und die Aufeinanderfolge bestimmter Töne mache. In dieser

kontrollierte wie ungehin-

Hinsicht habe ich Terje Rypdal und den anderen ECM-Vordenkern viel zu verdanken. Sie haben

derte Bewegungsfreiheit in

zwar kein Ambient gespielt, aber den Boden für diese Philosophie geebnet.“

einem definierten Kontext

Aus Sounds ergeben sich Bewegungen, die im Computer wiederum andere Formen annehmen.

mit variablen Limits. Der

Aarset generiert bewusst kausale Ketten. „Die Gitarre ist eine Erweiterung meiner selbst,

Norweger lädt dazu ein, sich

während die Electronics eine Erweiterung meiner Gitarre sind.“ Jamt er im Konzert einfach mit

in den unendlichen Weiten

seiner Band los, so behandelt er seine Musik im Studio wie ein Bildhauer, der genau weiß, welche

seiner Imagination treiben

Skulptur er schaffen will, und hart arbeitet, bis er Vollkommenheit erreicht. Am Ende steht seine

zu lassen und zugleich dem

Kreatur auf eigenen Füßen und kommuniziert mit ihrem Schöpfer genauso wie mit dem Publikum.

Rausch eines künstlerischen Hochgenusses hinzugeben.

Wolf Kampmann


programm

Samstag, 30. Mai 2009

Wayne Horvitz_keyb Briggan Krauss_sax Skerik_sax Ron Miles_tp Steve Moore_tb 22.30 Uhr / Festivalzelt

Timothy Young_g Keith Lowe_b Andy Roth_dr

Wayne Horvitz hat viele Gesichter: Pigpen, Sweeter Than Today, Gravitas Quartet, The President, Ponga, Horwitz-Morris-Previte Trio, 4+1 Ensemble, Mylab. Das von „Zony Mash“ bildete sich eher zufällig heraus, gehört aber witzigerweise vielleicht deshalb seit Jahren zu den bekanntesten. Als er und seine Frau, die Pianistin, Sän-

den gleichen Elementen zusammensetzt.“ Damit meint er das

gerin und Komponistin Robin Holcomb, Mitte der 1990er Nachwuchs erwarteten,

Destillat der reinen Improvisation. Es funktioniert überall, mit

entschloss sich der (nur im metaphorischen Sinn!) spielsüchtige Keyboarder, ein

Elektronik, tanzbaren Beats, Rock’n’Roll oder mit John Zorns

Bandprojekt anzuleiern, das es ihm für einen gewissen Zeitraum erlaubte, nicht

Naked City, mit dem er vor genau 20 Jahren zum bislang letzten

pausenlos von Küste zu Küste tingeln zu müssen. Wer weiß, ob es „Zony Mash“

Mal Moers besuchte. Und nun eben wieder mit „Zony Mash“.

(der Name bezieht sich auf einen Titel der Funkband The Meters) überhaupt gege-

Eine „Jekyll und Hyde“-Band, die Rockzitate auf dem gleichen

ben hätte, wenn nicht das OK Hotel in Seattle der Bitte von Horvitz entsprochen

Level präsentiert wie „Autumn Leaves“. Nur eine Lücke gilt es

hätte, dort vorübergehend seine Hammond-Orgel parken zu können. Das Schicksal

noch zu schließen: Als Horvitz das Konzept für „Zony Mash“

wollte es so, dass Gitarrist Timothy Young, Bassist Fred Chlenor (Ende 1998 über-

entwarf, klangen in seinem Kopf ausschließlich Hörner. Dass

nahm Keith Lowe die Bassistenstelle), Drummer Andy Roth sowie der angehende

er es zunächst mit Young, Chlenor und Roth versuchte, war vor

Vater über Monate hinweg bei einwöchigen Gigs eine tiefe innere Balance fanden.

allem den erwähnten privaten Umständen geschuldet. Nun

Aus der anfänglichen Spaßband wurde eines der erfolgreichsten Projekte des 53-

aber komplettiert sich der Spaßfaktor. In Moers kommen „Zony

Jährigen. Es überdauerte sogar die Geburt seines Sohnes im Dezember 1995.

Mash“ mit einer Horn-Section auf die Bühne, die es wahrlich in

Das musikalische Portfolio des Kreativgeistes mit wenigen Worten zu umschrei-

sich hat: der Trompeter Ron Miles, der Posaunist Steve Moore

ben, fällt schwer. Die einen nennen seine strategischen Winkelzüge unbeholfen „Jazz Fusion“, anderen wiederum fällt nichts Besseres ein als „Crossover“. Am

sowie die beiden Saxofonisten Briggan Krauss und Sherik. Ein wirklich seltener Anlass. Wie charakterisiert Wayne Horvitz

besten beleuchtet sich Horvitz selbst: „Wenn die Leute das, was ich mache, mit

„Zony Mash“ doch so treffend: „Meine Seattle-Gruppe. Durch

reinem Jazz gleichsetzen, vergessen sie meist, dass sich auch Rock exakt aus

sie komme ich auch mal aus dem Haus.“ So wie eine Menge seiner Anhänger auch. Reinhard Köchl

Foto: Daniel Sheehan

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Sonntag, 31. Mai 2009

programm

Trompete mal lautmalerisch, mal perkussiv. Kleine Melodien weichen großen Soundkaskaden und umgekehrt – sogar die Stille wirkt als Klangkörper im Ensemble – so, als suche man gemeinsam nach Intuition. Drummer Gerri Jäger kommt dabei 15 Uhr / Festivalzelt

zuweilen mit dem Sound seiner Fingernägel aus, wenn er das Arsenal seiner Töne bis in die leiseste Abteilung absucht – bevor er die Ketten rasseln lässt oder andere Register zieht. Da

Trompete, Gitarre, Schlagzeug: Es ist nicht nur die eigentüm-

kennt die Fantasie keine Grenzen – sie ist roh, munter, frech,

liche Instrumentierung, mit der das Trio The Black Napkins

witzig, lyrisch...

auffällt. Die drei jungen Talente repräsentieren eine neue

The Black Napkins haben bei all dem Spielwitz und der Fantasie,

Generation in der holländischen Szene, die ja für ihren offenen

mit der sie auf der Bühne gleichberechtigt arbeiten, einen

Umgang mit klassischem Jazz und Avantgarde, mit Pop und

soliden musikalischen Hintergrund. Ihre Inspiration beziehen die

Bebop, mit Improvisation und Tradition berühmt und berüchtigt

drei Musiker aus dem Hier und Jetzt, jeder von ihnen zeichnet

ist. Ob sie aus dem absoluten Nichts heraus improvisieren oder

sich durch seinen Eigensinn aus. Zugleich ist es dem Trio ein

mit einem festgelegten Beat loslegen – man spürt die Spiel-

großes Anliegen, seine Musik demokratisch zu entwickeln. Es

freude der Black Napkins unmittelbar. Dabei switcht Gitarrist

ist ein ganzer Klangkörper, einen Chef gibt es hier nicht. Dass

Jasper Stadhouders zwischen akustischen und elektronischen

The Black Napkins sich nach einem Instrumental von Frank

Elementen hin und her – wobei er sein Instrument nicht nur als

Zappa benannt haben, steht dazu nicht im Widerspruch.

eins mit Saiten erforscht. Sanne van Hek selektiert die Töne der

Sanne van Hek_tp Jasper Stadhouders_g Gerri Jaeger_dr

Uli Lemke


programm

Sonntag, 31. Mai 2009

16.15 Uhr / Festivalzelt

Bei seinen Solo-Auftritten, alleine auf der Bühne mit seinen Saxofonen und Klarinetten und einer breiten Palette aus Quietsch- und Knacklauten, grummelndem Brummen und mutigem Gekreische, bezieht sich Colin Stetson zwar immer auch auf AvantgardeJazz. Doch anders als zum Beispiel Anthony Braxton oder Evan Parker, die sich mit ihren Solo-Settings zwar als aufregende, aber auch kopflastige Instrumentalisten zeigen, lässt sein Spiel stets die Hüften kreisen. Denn sein ausgeprägter Sinn für Rhythmik zielt immer in Richtung auf ungestümen, verrückten Grooves – u. a. nachzuhören auf den beiden Tom-WaitsAlben aus 2002, „Alice“ und „Blood Money“. Dem aus Michigan stammenden Stetson ist die Welt des Rock nicht fremd, hat er doch mit Indie-Bands wie Arcade Fire und TV On Radio zusammengespielt. Währenddessen feilte er an seinem Solo-Debüt, „New History Warfare: Volume 1“, das 2008 erschien. Auf dieser CD stellt er aber nicht nur stolz seine virtuose Instrumentaltechnik zur Schau. Vielmehr ist

einen „Dialog“ zwischen den gleichzeitig ins

es beeindruckend zu beobachten, wie er sein

Saxofonhorn gesprochenen und überblasenen

abgeklärtes und reifes Spiel, seine stupende

Klängen eines Dewey Redman und den erup-

Technik ganz in den Dienst seiner Solo-Perfor-

tiven Explosionen eines Peter Brötzmann.

mance stellt und dem musikalischen Material

Die berserkerhafte Bühnenpräsenz dieses

zuordnet. Wie zum Beispiel im langem Stück

deutschen Tenor-Titanen hat sowieso auf

„Time Is Advancing With Fitful Irregularity”:

Stetson abgefärbt. Dessen Leidenschaftlich-

Darin kombiniert Stetson die Zirkularatmung

keit ist stets greifbar: Stetsons Schwanken

mit dem perkussiven Schlagen der Saxofon-

und Taumeln auf der Bühne entspricht einer

klappen, eine belebend-ergreifende Geschich-

Körperlichkeit, die zu seinem muskulösem

te erzählend. Anderswo nickt er gleichsam mit

Sound passt. Nur selten hört sich improvisier-

seinem beeindruckenden Vokabular dem tief

te Musik so unerschrocken und experimentell

unter die Haut gehenden Spiel einiger älterer

an, gleichzeitig aber auch so erdig und frisch

Avantgarde-Saxofon-Heroen zu. In „Drown

wie bei Colin Stetson.

The Rats And Giants” etwa entfesselt er Zuerst erschienen in: „Time Out New York“, März 2008.

Hank Shteamer

Colin Stetson_b-sax, as, cl

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Sonntag, 31. Mai 2009

programm

nist einen kreativen Kreis um sich scharen und nicht zuletzt durch die regelmäßigen Auftritte in Clubs wie dem Village Vanguard im Stadtteil Greenwich wurde seine Big Band Los Guachos zur Keimzelle und Anlaufstelle einer jungen und aufgeweckten Nachwuchsgeneration. 17.30 Uhr / Festivalzelt Guillermo Klein_p

Seit 2002 lebt Guillermo Klein in Barcelona. Doch regelmäßig kehrt er in den Big Apple zurück, um mit seinem Ensemble zu arbeiten und

Miguel Zenón_sax

Der Klavierlehrer machte seinem damals 18-jährigen Schüler

aufzutreten. Denn bei Los Guachos kommen

Chris Cheek_sax

eine klare Ansage: „Wenn Du als Musiker etwas werden willst,

Kleins originelle Harmonien und ausgefallene

Bill McHenry_sax

verlass’ dieses Land!“ Es sollte keine zwei Jahre dauern, bis

Klangkonzepte idealtypisch zum Tragen. Hier

Diego Urcola_tp

Guillermo Klein mit Unterstützung der Eltern weg von seiner Hei-

kann er seine Vorliebe für Rhythmen, das Ver-

Richard Nant_tp

mat Argentinien an die Ostküste der Vereinigten Staaten zog. In

mischen unterschiedlicher Metren und Tempi

Taylor Haskins_tp

Boston hat er dann an der Kaderschmiede für junge Jazzmusiker

ausleben, in den Stücken schimmern immer

Sandro Tomasi_tb

studiert, dem Berklee College Of Music.

auch seine argentinischen Wurzeln durch. Oft

Ben Monder_g

Erst hier hat er nach und nach den Jazz kennen und vor allem lie-

bilden Elemente aus Tango und dem Chacarera,

Fernando Huergo_b

ben gelernt. Denn in den ersten Semestern kannte er kaum mehr

einem traditionellen Volkstanz seiner Heimat,

Jeff Ballard_dr

Jazzmusiker als Wayne Shorter, Strawinski und die Klassik lagen

subtile Strukturmerkmale von seinen Kompo-

ihm lange Zeit näher. Doch die improvisierte Musik trug den

sitionen. In seiner elfköpfigen „Mini“-Big-Band

Sieg davon. Spätestens als er Anfang der 1990er-Jahre nach

zeigt Klein, wie sich scheinbar Gegensätzliches,

New York ging und dort gelernt hat, sich im Künstlerdickicht des

nämlich Minimalistisches und Orchestrales, zu

Großstadtdschungels zurechtzufinden. Schnell konnte der Pia-

einem außergewöhnlichen und ausgewogenen Klangbild veredelt werden. Jörg Heyd


programm

Sonntag, 31. Mai 2009

20 Uhr / Festivalzelt

Ein geiles Gefühl! Aus der kanadischen Provinz Vancouver zu kommen und direkt im Herzen des Big Apple die Strippen bei einer 18-köpfigen Big Band ziehen zu dürfen – das klingt so fantastisch, dass es eigentlich überhaupt nicht funktionieren kann. Denn der Traum vom improvisatorischen Klangkörper verwandelt sich in Zeiten wie diesen zwangsläufig zum finanziellen und organisatorischen Albtraum. Gäbe es da nicht Enthusiasten wie Sue Mingus, Carla Bley, Maria Schneider, Jason Linder, John Hollenbeck oder Mike Kaplan, man könnte die Dinos des Jazz ausgerechnet in deren Mutterland nur mehr in fossiler Form, versteinert auf CDs, begutachten. In die Phalanx dieser raren, imposanten Kolosse reiht sich auch die Secret Society: nicht nur wegen seiner Größe ein erstaunlich flexibler Klangkörper, und alles andere als eine Eintagsfliege. Herz und Hirn dieser Kreatur vereinen sich in der Person von Darcy James Argue.

Namen wie „Ferromagnetic“,

Wie Maria Schneider verzichtet der 33-Jährige darauf, selbst

„Transit“, „Flux In A Box“ oder

am Piano mitspielen zu wollen. Lieber dirigiert er seine Secret

„Desolation Sound“. Sie

Society, steuert das Schlachtschiff wie ein Junge sein Spiel-

könnten Soundtracks sein,

zeug, manövriert es bewusst in knifflige Situationen, dreht an

Commericals oder ganze

dessen Intensität, mischt Klangfarben und realisiert damit sei-

Suiten. Die Rhythm-Section

Darcy James Argue_ld

ne eigene Klangwelt. Dabei handelt es sich beileibe um keine

groovt sich durch jedes noch

Erica von Kleist_fl, ss, as

braven Standard-Fantasien im Neobop-Format. Davon gibt es

so komplizierte Harmonie-

Rob Wilkerson_fl, cl, ss, as

schon fürwahr genug. Einer kopiert den anderen und merkt gar

dickicht, Hörner schluchzen,

Sam Sadigursky_cl, ss, ts

nicht, dass er sich damit selbst auf die Liste der vom Ausster-

zagen und drehen sich wie

Mark Small_cl, b-cl, ts

ben bedrohten Spezies setzt. Argue dagegen transferiert das

Propeller, honken funkig oder

Josh Sinton_cl, b-cl, bs

Vertraute in eine ungewohnte Umgebung. Sein Konzept wirkt

schmelzen wie Butter in der

Seneca Black_tp

wie ein Konglomerat aus Jazz, Rock, Alternative und anderen

tiefroten Abendsonne, die

Ingrid Jensen_tp

verfügbaren Einflüssen, getragen von einer unverkennbaren

hinter dem Hudson versinkt.

Matt Holman_tp

Ordnung und einer akkuraten Geometrie. Ein Plädoyer für

Dieser Saurier präsentiert

Nadje Noordhuis_tp

die andere Seite des Phänomens Big Band. Als Schüler von

sich quicklebendig und

Tom Goehring_tp

Bob Brookmeyer ist sich Argue sehr wohl darüber im Klaren,

bewegt sich unter Darcy

Ryan Keberle_tb

welches Risiko er eingeht. Er kennt die Rahmenbedingungen,

James Argues Zügeln in

Mike Fahie_tb

weiß um die Probleme des schwindsüchtigen Marktes. Aber mit

jede Richtung. Nur nicht in

James Hirschfeld_tb

einem derartigen Kreativpotenzial vor der Nase verbietet sich

die erwarteten. Damit der

Jennifer Wharton_b-tb

Pessimismus schon von selbst. Da ordneten sich schon Stars

Saurier überleben kann.

Sebastian Noelle_g

wie die Trompeter Ingrid Jensen und Tim Hagans, die Saxofo-

Reinhard Köchl

Mike Holober_p

nisten Donny McCaslin und John Ellis, Posaunist Ryan Keberle,

Matt Clohesy_b

Pianist Mike Hollober oder Schlagzeuger Jon Wikan bereit-

Jon Wikan_dr, perc

willig seinem kollektiven Antitrend unter. Die Songs tragen

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Sonntag, 31. Mai 2009

programm

„Hälse“ zusammen: flirrende Glissandi oben, rohe Blues- und Post-Fusion-Passagen unten. So einmalig Sahin als Gitarrist auch ist, so großartig gibt er den 21.15 Uhr / Festivalzelt

Bandleader. In seinem Occult Ensemble mischen sich beispielsweise moderne Harmonien mit zukunftsweisenden Improvisationen. Doch am wohlsten fühlt er sich in seinen kleinen

Liest man, dass zu Timucin Sahins wichtigsten Einflüssen Jimi

Jazzprojekten – wie etwa im Quartett mit John O’Gallagher

Hendrix und Eddie van Halen gehören, und sieht man ihn dann

(Saxofon), Thomas Morgan (Bass) und Tyshawn Sorey (Drums),

noch mit seiner Doppel-Hals-Gitarre, so ließe sich vermuten,

dessen antizipierendes, gleichermaßen komplexes wie leicht-

dass er nichts anderes sei als ein Heavy-Metal-Poser. Doch

gängiges Spiel auf dem Schlagzeug die perfekte Entsprechung

tatsächlich hat Sahin hervorragende Jazz-Chops, mit denen er

für seine schillernden Kompositionen ist. Im Zusammenspiel

subtil seine Idee einer Avantgarde zu Gehör bringt.

miteinander umkreisen sich die vier beständig und erzeugen

1973 in der Türkei geboren, studierte Sahin am Konservatorium

strömende, heiß fließende Sounds, die irgendwo im Niemands-

im holländischen Hilversum und Amsterdam. Später zog er

land zwischen Jazz-Fusion und Free Jazz verortet sind. Der

nach New York, wo er bis heute lebt und mit einigen besten

Leader selbst lässt seinen Musikern ausgiebig Raum für mutige

Musikern spielt – wie zum Beispiel mit dem Trompeter Randy

Improvisationskunst, die stets auf seinen perkussiven, Post-

Brecker, dem zurzeit angesagten Tenorsaxofonisten Mark

Derek-Bailey-Strukturen aufbaut.

Turner oder dem innovativen Altsaxofonisten Greg Osby. Doch

Tatsächlich rücken erst die improvisierten Klanglandschaften

bleibt er auch in ihrer Gegenwart keineswegs im Hintergrund.

der Band Sahins Melodien ins rechte Licht, lassen sie als

Ganz im Gegenteil: Sahin ist ein kühner, ein beeindruckender

kristallines, feinmaschig-komplexes Gewebe erstrahlen. Und so

Solist, der seiner aus einem bundlosen (oben) und traditionellen

wie seine „zweizackige“ Gitarre fast schon mythisch ausschaut,

(unten) Griffbrett bestehenden Doppel-Hals-Gitarre alle nur

so klingen auch seine Kompositionen: geheimnisvoll und

erdenklichen Sounds entlockt. In seinem Spiel führt er beide

ergreifend zugleich. Hank Shteamer

Timucin Sahin_g John O’Gallagher_sax Thomas Morgan_b Tyshawn Sorey_dr


programm

Sonntag, 31. Mai 2009

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22.30 Uhr / Festivalzelt

Rokia Traoré_voc, g Naba Aminata Traoré_voc Mamah Diabaté_n'goni Adama Koné_g Christophe „Disco“ Minck_b Emiliano Turi_dr

Foto: Richard Dumas

Sie ist stets für Überraschungen gut. Rokia Traoré hat von Anfang an für ihre Musik andere Wege gesucht als die Stars ihres Heimatlandes. Das besondere Faible für die Wurzeln der Musik aus Mali hatte die Diplomatentochter im Ausland entwickelt, im Tross ihres Vaters: Sie verbrachte die Kindheit in Belgien inklusive Reisen in alle Welt – und

Klangvolle Arrangements mit dem Kronos Quartett folgten,

natürlich immer wieder mit Abstechern in die

mit dem Oud-Experimentierer Smadj ließ sie sich auf elektro-

Heimat. Auf ihrem ersten Album verknüpfte

nische Eskapaden ein und auf ihrem aktuellen, vierten Album

sie alte Instrumente apart miteinander – so

„Tchamantché“ geht die junge Frau eine Liaison mit elektrischen

etwas hatte man zuvor in Mali noch nicht ge-

Gitarren ein und offenbart ganz nebenbei mit „The Man I Love“

hört. Manchen in Bamako und anderswo galt

im Hidden-Track ihre Liebe zu Billie Holiday. Von den traditi-

es als Verstoß gegen die Traditionen, was die

onellen Instrumenten ist nur noch die N'goni übrig, eine dem

Musikerin veranstaltete: Balafon und N'goni

Banjo verwandte Laute. Die spielt und rockt Mamah Diabaté,

zusammen auf der Bühne, das durfte man

ein virtuoser Musiker, der seit mehr als zehn Jahren eine fixe

nicht. Die Songs klangen introvertiert, es ging

Größe auch in der Tourband ist. Er zimmert gemeinsam mit den

ums Zuhören. Erst als Rokia Traoré mit ihrer

E-Gitarren, Bass und Drums sowie der Sängerin Naba Aminata

Musik im Ausland Erfolg hatte, begann man

Traoré das Fundament für Rokias Bühnenpräsenz, die sich

sie auch daheim in Mali zu akzeptieren.

längst nicht mehr als introvertiertes Ereignis fassen lässt. Und das nicht nur, weil die E-Gitarren hin und wieder mit Feedback und Reverb grooven. Uli Lemke


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Montag, 01. Juni 2009

programm

Masako Takada_g Yuri Zaikawa_b Sayaka Himeno_dr 14 Uhr / Festivalzelt

Drei zierliche, junge Frauen aus Tokio, die sich seit zehn Jahren als Girl-Group ausgeben – eine hierzulande eher in Verruf stehende

brauchen Dauerbeschallung.

peitscht. Darüber zirkulieren mit steigender

Kategorie. Die Drei von Nisennenmondai

Allein mit Konzertausschnit-

Pulsfrequenz die repetetiven Riffs ihrer beiden

tragen ihre Mädchenschuhe der Jahrtausend-

ten gängiger Videoportale

Kolleginnen.

wende mit unverhohlenem Willen und Stolz

oder den CD-Einspielungen

Gerade ist in Japan Nisennenmondais neues

zur akustischen Frontalattacke.

findet sich keine eindeutige

Album, „Fan“, auf Bijin Records erschienen,

Yuri Zaikawa (Bass), Masako Takada (Gitarre)

Lösung dieses „Jahr-2000-

zuvor wurden dort schon „Rokuon“ und

und Sayaka Himeno (Schlagzeug) brechen we-

Problems“ (so die deutsche

„Destination Tokyo“ veröffentlicht. „Neji/Tori“

der mit bestimmten Images noch zementieren

Übersetzung von Nisen-

kam irgendwann sogar als Doppel-LP auf den

sie diese. Sexappeal beglaubigt ihr Spiel nur

nenmondai). Deutlich wird

US-amerikanischen Markt. Seit einem Jahr

ungenügend. Eher zeigen sie, dass Headban-

ihre Jugend in Industrial

ist sie auch als CD in Europa erhältlich. Denn

ging eines der wenigen probaten Mittel ist,

und Psychedelic-Punk.

das, was im Konzert hypnotisiert, kann im Fall

den eigens erzeugten, treibenden Grooves

Gravitationszentrum ist die

von Nisennenmondai schneller zum süchtig

die Stirn zu bieten. Frühzeitiger Ausstieg:

Drummerin, die alles um

machenden Rausch werden als man denkt...

Fehlanzeige. Denn auch kleine Veränderungen

sich herum in ihren Bann

Franziska Buhre


programm

Montag, 01. Juni 2009

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15.15 Uhr / Festivalzelt Tim Isfort_b, ld Jim Campbell_electr Anja Losinger_xala Matthias Eser_marimba, perc Daniel Schroeteler_dr, perc Peter Engelhardt_g Peter Bolte_as, fl Frank Bergmann_ts, b-cl, theremin Mirjam Hardenberg_vcl, voc Henning Sieverts_vcl, b Tim Isfort im März 2009: „Ich weiß nicht, ob ich wirklich abgeschlossene Stücke schreibe oder ob ich das als 50-minütiges Ding sehe mit mehreren Schwerpunkten.“ In jedem Fall wird der Bassist und Leader dieses Tentetts zwischen auskomponierten Teilen Raum für Improvisationen lassen, für seine Musiker und ihre teils speziellen Instrumente. Anja Losinger zum Beispiel ist Tänzerin und Musikerin. Ihr Xala ist ein Unikat: ein Bodenxylofon von ca. 2 x 2 m Fläche, deren Klangplatten in zwei Ganztonskalen gestimmt sind. Sie spielt es tanzend mit den Füßen und zwei großen Holzschlegeln in den Händen. Der Perkussionist Matthias Eser ist ihr Duo-Partner. Rhythmisch-tonale Patterns ihres Repertoires entwickeln sich zu Strukturelementen in Isforts Kompositionen. Der virtuose DJ Jim Campbell arbeitet mit Tonbändern – mit alten analogen Kassetten. Saxofonist Frank Bergmann spielt zudem das Theremin, ein frühes elektronisches Musikinstrument, das auf manuelle Gesten reagiert. Mit Henning Sieverts, Peter Bolte und Daniel Schroeteler gehören drei Exponenten der deutschen Jazzszene zum Tentett. Und Mirjam Hardenberg und Peter Engelhardt sind alte Weggefährten Isforts, sowohl in seinem Super8-Projekt als auch in seinem Orchester, mit dem er schon vor zehn Jahren die Musikwelt aufhorchen ließ. entwickelt Isfort sein Moers-Programm dann mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Seine Erwartungen sind hoch: „Ich habe sehr viel mit Ostinati vor, mit minimal-artigen Grundflächen. Über diese Grundflächen will ich Stimmen für die Streicher und die Bläser schreiben.“ Und die Improvisationen öffnen Musikwelten, „wie es sie so noch nicht gegeben hat“, ist Tim Isfort überzeugt. Ulrich Kurth

Foto: Helmut Berns

In zwei Probentagen direkt vor der Aufführung im Festivalzelt


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Montag, 01. Juni 2009

programm

aber, dass Extra Life ein typisches Singer/Songwriter-Ding ist, so täuscht man sich gewaltig. Bassist Tony Gedrich und Schlagzeuger Nick Podgurski kämpfen sich durch die komplexen, stets wie aus dem Gleichgewicht geratenen Rhythmen und 16.30 Uhr / Festivalzelt

entwerfen ein fremdartiges Amalgam – so als ob sich eine krachig-lärmende Metal-Band an moderner klassischer Musik probiert. Über diesen schroffen Untergrund legt Looker seine

Als Charlie Looker noch im Avantgarde-Kammer-Ensemble

eigentümlich gestalteten Vokallinien, die mäandernd in Mantra-

Zs spielte, geschah bei vielen Konzerten etwas Seltsames:

artigen Kadenzen enden, schattiert von schaurigen Klängen

Immer in der Mitte des anspruchvollsten Stücks, „Nobody

des Keyboarders und Saxofonisten Travis Laplante und Geigers

Wants To Be Had“ (einer Looker-Komposition, in der komplexe

Caely Monahan-Ward. Und auch bei Extra Life besitzt Looker

Gesangslinien im Vordergrund stehen), applaudierte das

die Fähigkeit, sein Publikum mit intellektueller Attitüde ebenso

Publikum spontan und lautstark. Jeder, der sich mit experimen-

in den Bann zu ziehen wie mit schlichten, hymnischen Songs.

teller, avantgardistischer Musik auseinander setzt, weiß, dass

Die ungewöhnliche Musik der Band verliert ihren Reiz auch

ein solch frenetischer Beifall nicht alltäglich ist. Für Looker

dann nicht, wenn man sie auf CD hört. Auf dem Debüt-Album

jedenfalls eine Würdigung, wie geschickt und raffinert er

„Secular Works“ von 2007 gibt Looker kryptische Erzählungen

zwischen intellektueller Strenge und bauchiger Körperlichkeit

zum Besten, von verlorenen Freundschaften oder gar psycho-

zu balancieren weiß.

sexuellen Traumata – zumeist sind es Stücke, die schön und

Ist Zs eine demokratische Band, so ist Extra Life ganz und

scheu zugleich klingen, direkt auf Herz, Hirn und Seele zielen.

gar Lookers Baby. Der Sänger und Gitarrist schreibt sämtliche

Nicht Kunstlied, nicht Metal, Kammermusik oder Gothic.

Stücke selbst und ist Frontmann der Band. Vermutet man

Sondern fesselnde und Grenzen sprengende Musik, die dem Publikum ein wahrhaft erschütterndes Hörerlebnis verspricht. Hank Shteamer

Charlie Looker_g, voc Travis Laplante_keyb, ts Caley Monahon-Ward_v Tony Gedrich_b Nick Podgurski_dr, perc


programm

Montag, 01. Juni 2009

17.45 Uhr / Festivalzelt

Im vergangenen Jahr spielte Angelika Niescier, Saxofonistin und erste „Improviser In Residence“ von Moers, für das

sOo-Jung Kae_p

Goethe-Institut einige Konzerte in Südkorea. Dort, in der Haupt-

Chung U Choi_b

stadt Seoul, hörte sie die Pianistin und Komponistin sOo-Jung

Tomas Fujiwara_dr

Kae bei einem Auftritt. Die Deutsche war hellauf begeistert

Byungjun_electr

von der vielschichtigen, aller Komplexität zum Trotz stets hochemotionalen Musik der Südkoreanerin. Und wünschte sich, dass sOo-Jung Kae mit ihrem Quartett cOllage beim diesjährigen Festival in Moers spielt. „Für mich gibt es so viele Dinge, die ich nicht mit Worten beschreiben oder erklären kann“, erzählt sOo-Jung dem Journalisten Jeff Song. „Wenn ich aber Piano spiele, dann brauche ich nicht das gesprochene Wort, um meine Gefühle und Gedanken auszudrücken. Bin ich traurig, dann spiele ich eben traurige Melodien. Bin ich lustig, dann spiele ich lustige Töne. So einfach ist das.“ Was sich für westliche Ohren ein wenig simpel und naiv anhört, macht aber bei tieferer Betrachtung Sinn. Musik in Korea muss stets Gefühle transportieren, muss das Publikum emotional direkt ansprechen – das war schon immer so. Wichtiger Bestandteil auch und gerade der traditionellen koreanischen Musik war Improvisation – und ist es bis heute. „Meine Musik ist ein ,Melting Pot‘ aus klassischer und Neuer Musik, aus freier Improvisation und natürlich Jazz“, sagt Kae. Die Liste ihrer Einflüsse und Vorbilder ist dementsprechend lang: von Beethoven, Stockhausen und Cage über Braxton, Coleman und Monk bis hin zu Elvis Costello und den Sex Pistols. Und mit ihrem kulturgeschichtlichen Hintergrund fällt es der sowohl klassisch (Seoul) als auch jazzmusikalisch (Boston) ausgebildeten Pianistin jedenfalls leicht, eine gleichermaßen komplex gestaltete wie mitreißende Improvisationsmusik zu spielen. Darin sind beispielsweise Brüche ebenso erlaubt wie ein gleichmäßiges Ineinanderfließen von Musiken anderer Kulturkreise. Auch und gerade mit ihrem in Moers zu hörenden Quartett fügt sie ad hoc Baustein auf Baustein, um ein kristallen funkelndes, bis in den Mikrokosmos durchstrukturiertes, Klang gewordenes Gebäude zu errichten. Somit machen Kae, Chang U Choi (Bass), Tomas Fujiwara (Drums) und Byungjun (Elektronik) auch dem Bandnamen alle Ehre: cOllage. Martin Laurentius

29


30

Montag, 01. Juni 2009

programm

19 Uhr / Festivalzelt

Endlich legt Marc Ribot mal die Karten auf den Tisch. Er nimmt jedem Kritiker die Chance, seine Musik wie bisher reflexartig in irgendeine Genre-Ecke abzuschieben. Auch die zahlreichen Klischees, die dem GitarrenDespoten bislang hurtig aufgepappt wurden, stimmen plötzlich nicht mehr. Ribot spielt sich frei. Von all den Namen, auf deren Trittbrettern er bislang eine Art Sekundärkarriere aufbaute: Tom Waits, Cassandra Wilson, Chuck Berry, Elvis Costello, Caetano Veloso,

avantgardistischen Squat Theaters sowie in

Madeleine Peyroux, John Zorn, Bill Frisell,

Jim Jarmuschs Film „Stranger Than Paradise“

Arto Lindsay, T-Bone Burnett, die Lounge

von 1984 erste Bekanntheit, bevor sie sich mit

Lizards oder Hardrock-Legende Robert Plant

ihrem CD-Debüt „Flicker“ aus dem Jahr 1999

samt Partnerin Alison Krauss, die dank Ribots

ein zweites Karrierefenster öffnete. Die Frau

Fantasie mit ihrem gemeinsamen Album

will sich ebenso wenig festlegen wie Ribot,

„Raising Sand“ sogar zu Grammy-Ehren kamen.

Smith und Ismaily. Deshalb passt sie mit ihrer

Von all den schnöseligen Stilen wie Jazz, Punk,

schillernden, heterogenen Persönlichkeit

Latin, Soul, NoWave, Avantgarde, Hardrock,

nahezu perfekt in das kreative Klangkonglo-

Ambient, Pop, Radical Jewish Culture, World

merat, das ganz offenbar Spaß daran findet,

oder welche Sternschnuppen sonst noch

eigene Grenzen niederzureißen, gemeinsame

durch den Musikkosmos zischen: Mit Ceramic

Möglichkeiten auszuloten, in die Tiefe zu

Dog, der ersten echten Rockband seit seiner

gehen und nach verschütteten Gefühlen zu

Highschool-Zeit, wagt Ribot einen Trip in

schürfen.

unbekannte Territorien.

Der Name Ceramic Dog leitet sich von einer

Es sind durchtriebene Spießgesellen, dieser

französischen Redewendung („chien de

Ches Smith (Xiu Xiu) am Schlagzeug und

faience“) ab, die in etwa so viel meint wie

dieser Shahzad Ismaily (Laurie Anderson), der

„frozen with emotion“. Soll heißen, die Trance,

Bass und Keyboards bedient. Die Drei holzen,

in die man gerät, wenn man frisch verliebt

dass die Membrane bebt, treten bedrohliche

ist und sich gegenseitig in die Augen schaut.

Noise-Hurrikans los, verstricken sich in

Die wunderbare „emotionale Erstarrung“, in

Marc Ribot_g

durchgeknallte Wortschöpfungen oder geben

welche die Liebe einen in dieser Sekunde

Shahzad Ismaily_b

die funkenden „Machos on Acid“. Nach einem

versetzt. Oder der Moment der angespannten

Ches Smith_dr

Auftritt in Paris (bei einem Serge-Gainsbourg-

Stille, wenn sich die Kontrahenten in die

Eszter Balint_voc

Tribut unter der Regie von John Zorn), steht

Augen sehen, kurz bevor ein Kampf ausbricht.

ihnen in Moers erneut die Sängerin und

Dies herzustellen, ist das Ziel von Ceramic

Schauspielerin Eszter Balint zur Seite. Das

Dog. Ribot und Co. definieren die Avantgarde

charismatische, aus Ungarn stammende Mul-

als HipHop des 21. Jahrhunderts.

titalent erlangte als Mitglied des legendären

Reinhard Köchl


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Jazz-Festival und PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband – wie passt das zusammen? Kultur und Soziales haben durchaus gemeinsame Schnittmengen. Wir haben uns erstmals hier 1998 mit der AKTION GRUNDGESETZ der damaligen Aktion Sorgenkind engagiert: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ war damals die Forderung. Es ging um Teilhabe von Behinderten am „normalen“ Leben. Wir haben deshalb im gleichen Jahr in enger Zusammenarbeit mit der Festivalleitung begonnen, das Moers-Festival barrierefrei zu gestalten. Damit war das Moers-Festival die erste musikalische Großveranstaltung zumindest in Deutschland, wenn nicht in ganz Europa, die barrierefrei war und ist. Was heißt denn barrierefreies Moers-Festival? Alle Veranstaltungen sind ohne Stufen zu erreichen, es gibt Behindertentoiletten, es gibt das Festivalprogramm in Blindenschrift und auf CD und wir haben 25 Mitarbeiter als Behindertenassistenz im Einsatz. Es gibt im Festivalzelt einen Bereich für Rollstuhlfahrer mit einem guten Blick auf die Bühnen. Ein Rollstuhlfahrer kontrolliert während des Festivals ständig den Zustand der Barrierefreiheit.

Wie ist die Resonanz auf das Angebot? Wir stellen fest, dass jedes Jahr mehr behinderte Besucher zum Festival kommen. Es bestätigt unsern Ansatz, wenn ein Rollstuhlfahrer nach Moers kommt und ein Zelt mitbringt in dem Wissen, dass hier Menschen sind, die ihn beim Zeltaufbau unterstützen. Das zeigt, dass es funktioniert mit der Barrierefreiheit. Und ganz stolz sind wir immer noch, dass das Moers-Festival im Jahr 2004 vom ADAC das Prädikat „Best-Practice-Beispiel für eine kulturelle Großveranstaltung verliehen bekommen hat. Es gibt viele Musikfestivals auf der ganzen Welt. Experten aus aller Welt bestätigen uns, dass wir in Bezug auf die Barrierefreiheit eines Musikfestivals einfach das Beispiel schlechthin sind. Interview mit Hartmut Hohmann, Regionalgeschäftsführer des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbandes Kreis Wesel


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moers festival 2009

night sessions @ Bollwerk 107 Drei Pfingstnächte zwischen Gitarrensound, Free Funk, Indie, Jazz und HipHop: Bei den night sessions @ Bollwerk 107 gibt’s bis weit nach Mitternacht aktuelle Musik und Bands, zum Entdecken, Hören, Grooven und Tanzen.

In diesem Jahr fusionieren die SKAndalbühne und the night zu den „night sessions @ Bollwerk 107“. Während Boris Graue vom Bollwerk 107 wieder mit einer Auswahl der spannendsten regionalen und internationalen Indie-Bands aufwartet, hat das moers festival drei Bands ins Bollwerk geladen, die gegen Mitternacht zu hören sind. Am Freitagabend sind dies die Lucky Dragons. Die Band kommt aus dem Umfeld von The Smell, einem Club in Los Angeles, der aber zu den interessantesten Orten auf der Indie-Weltkarte ist. Und anders als der Name vermuten lässt, ein sehr entspannter und zivilisierter Ort: Die Betreiber verkaufen keinen Alkohol, dafür aber veganes Essen. Es gibt eine Galerie und eine Bibliothek. Am Samstag stehen gegen 24 Uhr NOMO auf der Bühne. Die US-Amerikaner spielen eine Mischung aus Post-Afrobeat, Pop und Free Jazz. Sonntag wird der Sound von Südafrikas HipHop-Star Tumi & The Volume ohne Umwege direkt in die Ohren gehen. Aus einer Jam-Session heraus entstanden, betreiben sie einen Mix aus HipHop, Rock und Funk. Hier verschmilzt subtile Geschmeidigkeit mit originellem Funksound, wie man ihn von Bands wie The Roots, oder eher noch A Tribe Called Quest kennt.

Kill For You | Freizeichen | Lucky Dragons | 100 Blumen Datum:

Freitag, 29. Mai 2009

Uhrzeit:

20 Uhr

Fahrlässig | The Sewer Rats | Devil’s Door | Die Kassierer | NOMO Datum:

Samstag, 30. Mai 2009

Uhrzeit:

18 Uhr

Grober Unfug | Melanie & The Secret Army | Loaded | Emscherkurve 77 | Skarface | Tumi & The Volume Dtum:

Sonntag, 31. Mai 2009

Uhrzeit:

18 Uhr

programm


programm

moers festival 2009

night sessions @ Röhre Datum:

Samstag, 30. Mai 2009

Uhrzeit:

24 Uhr

Ort:

Die Röhre

Sonntag, 31. Mai 2009

Weygoldstr. 10, 47441 Moers Während New York einen Schwerpunkt im diesjährigen Hauptprogramm bildet und andere Metropolen bei den „night sessions @ Bollwerk 107“ im Fokus stehen, ist die Röhre an zwei Abenden Schauplatz einer weiteren amerikanischen Musikstadt: Chicago. Von dort kommt der umtriebige Saxofonist Dave Rempis mit seinem Percussion Quartet. Die Band bietet eine spontane, frei improvisierte Mischung aus westafrikanischen und lateinamerikanischen Rhythmen, gepaart mit nordamerikanischem Funk und Free Jazz. Dave Rempis_sax Ingebrigt Håker Flaten_b Frank Rosaly_dr Tim Daisy_dr

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moers festival 2009

programm

morning sessions @ Tribera Datum:

Samstag, 30. Mai 2009 Sonntag, 31. Mai 2009 Montag, 01. Juni 2009

Uhrzeit:

11 Uhr - 13 Uhr

Ort:

Tribera – Triangle Below Rathaus*

* Triangle Below Rathaus: Schlosstheather, Rathaus-Kantine, Dunkelzelt

„See what happens“ – mit diesen schlichten Worten beschreibt die Saxofonistin Angelika Niescier ihr Konzept für die „morning sessions@Tribera“. Die letztjährige und erste „Improviser In Residence“ in Moers hat die Aufgabe übernommen, Musikerinnen und Musiker Foto: Helmut Ber ns

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aus dem Hauptprogramm einzuladen, um mit ihnen an drei Vormittagen den „Zauber der ersten Begegnung“ vor Publikum zu feiern. Hier kommen also Musiker zusammen, die sich noch nicht kennen und in „wilden“ Kombinationen aufeinandertreffen. USA trifft Deutschland trifft Korea trifft Holland trifft Türkei... Wem also die Entferungung zur Bühne im Festivalzelt zu groß ist, der hat bei den „morning sessions @ Tribera“ die Möglichkeit, einige der Musiker von dort in einer intimeren, persönlicheren Atmosphäre zu erleben. Die unten angegebenen Besetzungen sind nicht nur ohne jede Gewähr, sondern werden höchstwahrscheinlich noch ergänzt und variiert. Die aktuellen Zusammensetzungen werden wir im „Moerser Morgen“, unserer täglichen Zeitung zum Festival, ankündigen. „See what happens“.

Sanstag, 30. Mai

Sonntag, 31. Mai

Montag, 1. Juni

Dunkelzelt:

Dunkelzelt:

Dunkelzelt:

Sam Sadigursky_sax, Ryan Keberle_tb,

Josh Sinton_sax, Nadje Noorhuis_tp,

Dave Rempis_sax, Colin Stetson_sax,

Nadje Noordhuis_tp, sOo-Jung Kae_p,

Dave Rempis_sax, Jasper Stadhouder_g,

Miya Masaoka_koto/electr, sOo-Jung

Henning Sieverts_b, Ian Antiono_dr

Karo Höfler_b, Frank Rosaly_dr

Kae_p, Karo Höfler_b, Gerri Jaeger_dr

Kantine:

Kantine:

Kantine:

Mike Fahle_tb, Matt Holman_tp, Sam

Colin Stetson_sax, Sam Sadigursky_sax,

Sanne van Hek_tp, John O’Gallagher_sax,

Hillmar_sax, Sebastian Noelle_g,

Sanne van Hek_tp, Mike Holober_p,

Timucin Sahin_g, Chang U Choi_b, Frank

Karo Höfler_b, Tomas Fujiwara_dr

Chang U Choi_b, Tim Daisy_dr

Roslay_dr

Theater:

Theater:

Theater:

Josh Stinton_sax, James Hirschfeld_tb,

James Hirschfeld_tb, Erica v. Kleist_sax,

Samuel Blaser_tb, Byungjun_electr,

Ben Grenberg_g, Chand U Choi_b,

Samuel Blaser_tb, sOo-Jung Kae_p,

Jasper Stadhouder_g, Anton Hartwich_b,

Michael Griener_dr

Anton Harwich_b, Gerri Jaeger_dr

Tim Daisy_dr


programm

daydream @ Dunkelzelt Datum:

Samstag, 30. Mai 2009

Uhrzeit:

14 Uhr - 20 Uhr

Datum:

Montag, 01. Juni 2009

Uhrzeit:

14 Uhr - 19 Uhr

Live-Events:

14 Uhr & 19 Uhr

Sonntag, 31. Mai 2009

(01. Juni 2009 nur 14 Uhr) Echo Ho ist dieses Jahr Kuratorin für das Programm im Dunkelzelt. Der neue Name für die drei Nachmittage: „daydream @ Dunkelzelt". Die in Kön lebende chinesische Multimedia-Künstlerin hat ein Konzept entwickelt, dass die normale Frontal-KonzertSituation aufhebt. In einem „Zelt im Zelt“ gibt es Klangskulpturen von Andreas Huyskens und Selma Gültoprak. Deren Sound- und Geräuschkulissen werden von Hannes Hoelzl zu besonderen Lautsprechern geschickt – plus von Volker Hennes ausgewähltem und collagiertem Material aus dem Archiv der WDR-3-Sendung Freiraum:Open. Das Einzigartige daran: Die komplette Zelthaut ist die Membrane dieser Lautsprecher, sodass die Zuhörer tatsächlich im Klang stehen – ohne die Quelle lokalisieren zu können. Lässt sich Lagerfeuer-Romantik auf die virtuelle Welt übertragen? Nach Meinung von PowerBooks_Unplugged: ja. Dieses „Quartett“ programmiert mit seinen PowerBooks einen musikalischen Code, der live von den vier „Computermusikern“ bearbeitet und verfremdet wird, und zudem von einem Rechner zum anderen geschickt werden kann. Nur über die Computerlautsprecher zu hören, solange die Batterien reichen. Und weil die Idee von „Open Source“ auch bei improvisierter Musik funktioniert, darf jeder, der seinen PowerBook mitbringt, auch im Dunkeltzelt mitmachen – mit 30-minütigem Workshops vor den Live-Events. Der „Moerser Morgen“ informiert täglich über Ort und Zeit.

Alberto de Campo Jan-Kees van Kampen Julian Rohrhuber Renate Wieser_PowerBooks_UnPlugged Hannes Hoelzl_sound installation Volker Hennes_sound archive & collages Andreas Huyskens, Selma Gültoprak_equipment, instrument construction Echo Ho_idea, concept & overall director In Zusammenarbeit mit der INITIATIVE HÖREN, dem Kulturradio WDR 3 und dem Paritätischen, Kreis Wesel.

moers festival 2009

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moers festival 2009

programm

Klangwerkstatt @ Stadtkirche Datum:

Samstag, 30. Mai 2009 Sonntag, 31. Mai 2009 Montag, 01. Juni 2009

Uhrzeit:

13 Uhr

Ort:

Evangelische Stadtkirche Klosterstraße, 47441 Moers

Zwei Musikerinnen aus ganz unterschiedlichen Richtungen (zeitgenössische und mittelalterliche Improvisation) und Kontinenten (Europa und Amerika) treffen in der Evangelischen Stadtkirche an drei Tagen aufeinander, experimentieren, forschen – und finden! Die Koto-Spielerin und Komponistin Miya Masaoka gehört zu den experimentierfreudigsten Musikerinnen der USA und spielt in Moers zum ersten Mal mit Maria Jonas, eine der führenden europäischen Sängerinnen im Bereich der alten und – immer häufiger – auch der improvisierten Musik.

Miya Masaoka_koto Maria Jonas_voc, glocken, drehleier

nimm! 2009 – Netzwerk Improvisierte Musik Moers Die Premiere im Pilotjahr 2008 war ein Erfolg: Mehr als 3.000 Teilnehmer und Zuhörer nahmen an den „nimm!“-Workshops und Konzerten der Kinder- und Jugendprojekte, den so genannten „Schleusen“, in der Woche vor dem letztjährigen moers festival teil. Und auch die erste „Improviser In Residence“ von Moers, die Saxofonistin Angelika Niescier, begeisterte ein Jahr lang u. a. mit Konzerten die Bürger der Stadt. 2009 führt die „nimm!“-Aktionen fort, mit denen das musikalische moers festival-Abenteuer in die Stadt selbst getragen wird. Niesciers Nachfolger, der Komponist Simon Rummel, greift noch bis Anfang 2010 tief in das Moerser Kulturleben ein. Die drei „Schleusen“, „Inszenierte Konzerte“ für das erste, „Mitmach-Projekte“ für das fünfte Schuljahr und „Workshops & Projektresidenzen“ für Jugendliche ab 14 Jahren, sind zum Festivalbeginn ebenso zu Ende gegangen wie die Aktion „100 Minuten“ (u. a. mit dem Peter-Fox-Co-Produzenten DJ Illvibe), die „Advanced Workshops“ für Jugendliche und Erwachsene (u. a. mit der Berliner Groove-Band Lychee Lassi) und „This Is Our Moosic“ mit Mostly Other People Do the Killing (s. S. 37). Sämtliche Infos zu „nimm!“ und den Projekten gibt’s im Internet auf: www.n1mm.de. Das „Netzwerk Improvisierte Musik Moers“ („nimm!“) wird gefördert durch das Netzwerk Neue Musik, ein Förderprojekt der Kulturstiftung des Bundes, durch die Kunststiftung NRW und durch den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen.


programm

moers festival 2009

This Is Our Moosic Jazz ist stets auch sub- bzw. gegenkulturelle Ausdrucksform von Selbstermächtigung und Protest – und vor dem moers festival 2009 Ausgangspunkt für gesellschaftspolitische Diskussionen. In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für Politische Bildung verfolgt das Projekt „This Is Our Moosic“ das Ziel, Schülern und Schülerinnen einen Zugang zu Jazz zu vermitteln und zu zeigen, wie diese Musik mit ihrer – auch politisch – hochbrisanten Tradition weiterlebt. Mit Mostly Other People Do the Killing stellt sich eine Band den Fragen der Schüler, die nicht nur musikalisch spannende Antworten auf Fragen zur Tradition des Jazz hat, sondern auch außermusikalisch ihr Verhältnis zur Gesellschaft und Kultur reflektiert. Moppa Elliott (Bass), Peter Evans (Trompete), Jon Irabagon (Saxofon) und Kevin Shea (Drums) repräsentieren durch ihre Zugehörigkeit zur New Yorker Szene auch eine Traditionslinie im Jazz, die von Brüchen und Abgrenzungen geprägt ist. Eine Woche mit Diskussionen, Vorträgen, Ausstellungen über Widersprüche, Randkultur, Tradition und Aufbruch. Durch das Engagement der teilnehmenden Justus-von Liebig-Schule, der GeschwisterScholl-Gesamtschule und der Hermann-Runge-Gesamtschule wird den Schülern nicht nur musikalisch ein selbstbewusster Umgang mit Konventionen und Traditionen vermittelt, sondern auch eine bewusste Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Möglichkeiten. In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für Politische Bildung.

Rund ums moers festival Das moers festival wartet auch 2009 mit einer Menge außer-

Uhr am Pfingstsamstag. Und die WDR 3 Jazznacht vom 6. auf den 7. Juni sendet

musikalischer Service-Angebote auf: Das moers festival-Ra-

Mitschnitte vom moers festival und von den INNtönen in Diersbach/Österreich

dio sendet live aus dem Zelt und bringt zusätzliche Interviews

– Programminfos im Internet auf jazz.wdr.de und wdr3.de. Ganz neu in 2009: Das

und Features rund ums Festivalgeschehen. Zu empfangen im

gesamte Festival wird per Live-Stream über unsere Webseite moers-festival.

ganzen Stadtgebiet auf der UKW-Frequenz 107,3. Neu die

de zu verfolgen sein. Das „Stream-Team“ der Kunsthochschule für Medien in

Sendung „Nachtkritik“, in der Besucher des moers festival am

Köln produziert außerdem Podcasts rund um Festival und Künstler. Unser Blog

Ende eines jeden Tages über das Festival, die erlebten Konzerte

wird ebenfalls aktuellste Infos parat haben. Was noch? Ein täglicher, kostenloser

und Musiker live im Radio diskutieren. Außerdem vor Ort: Die

Bus-Shuttle zwischen Festivalgelände und Hauptbahnhof Moers/Bollwerk 107,

Jazzredaktion des Kulturradios WDR 3 überträgt Konzerte

ein bewachtes Camping-Areal für Besitzer eines Festivaltickets, behindertenge-

der ersten beiden Festivaltage live in WDR 3 Konzert ab 20.05

rechte Sanitäranlagen auf dem gesamten Gelände und und und.

Barrierefreiheit Seit 1997 ist das moers festival dank der Kooperation mit

Rathaus). Das Konzertprogramm ist in Blindenschrift bzw. als

dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der Aktion Mensch

Audiokassette und CD erhältlich. Der Behindertenfahrdienst

barrierefrei. So wird z. B. die Befahrbarkeit des Geländes für

der Stadt Moers freut sich auf Gäste (Telefon 0700/663 663

Gehbehinderte im Vorfeld durch einen „Testrollstuhlfahrer“ ge-

77) und der Paritätische Wohlfahrtsverband steht mit seinen

prüft. Behindertengerechte Toiletten und Sanitäranlagen sind

Mitarbeitern und einem Informationsstand mit Rat und Tat zur

ausreichend vorhanden, ein behindertengerechter Geldautomat

Verfügung. Für Fragen im Vorfeld bitte folgende Telefonnummer

befindet sich an der Sparkasse am Neumarkt (Nähe Neues

nutzen +49 (0) 2841 / 9 00 00 (Der Paritätische, Kreis Wesel).

Das moers festival wurde 2004 durch den ADAC als Best-Practice-Beispiel für eine barrierefreie Großveranstaltung ausgezeichnet.

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moers festival 2009

magazin

Hier in Moers hätte man es ja ahnen können, was 2009 aus den USA auf uns zukommt. Denn vor einem Jahr spielte der junge Trompeter Peter Evans mit seinem Quartett ein fulminantes, ein begeisterndes Konzert auf dem moers festival. Und war die Speerspitze für die – wir nennen sie der Einfachheit halber – „Young Guns from New York“. 2009 kehrt Evans nach Moers zurück. Im Schlepptau: eine breite Phalanx mit gleichaltrigen Musikern aus New York. Aufbruch ist drüben angesagt, es vibriert in der Szene im Big Apple – obwohl oder gerade weil die Projekte dieser „Young Guns“ stilistisch so verschieden sind. Hier im Magazin kommen sie zu Wort. Evans ebenso wie Charlie Looker, Colin Stetson, Darcy James Argue und Sam Hillmer. Und machen deutlich: Sie sind kein kurzlebiger Hype, sondern der Beginn einer neuen Community. Das Stichwort USA zieht sich wie ein roter Faden auch durch das Magazin. Braucht Europa ein starkes Jazz-Amerika als kreatives Gegengewicht? Wo steht die afroamerikanische Szene – angesichts der Euphorie über die Amtseinführung von Barack Obama als erster schwarzer USPräsident? Was macht moers festival-Veteran George Lewis und die AACM? Das moers festival feiert. Nein, nicht 60 Jahre Staatsgründung Bundesrepublik, auch nicht 20 Jahre Mauerfall. Obwohl beide Jubiläen bei „unserem“ Jahrestag eine Rolle spielen. Vor 30 Jahren kamen zum ersten Mal Jazzmusiker aus der DDR in die BRD – 1979 zum New Jazz Festival in Moers, eine der großen veranstalterischen Leistungen des Festivalgründers Burkhard Hennen. Anlass, um sich Gedanken über die historische Bedeutung des DDR-Jazz' zu machen. Bevor wir Seiten aus dem 79er-Programmheft zeigen, kommt Dr. Jürgen Schmude aus Moers zu Wort. Er war 1979 unter Bundeskanzler Helmut Schmidt Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. In unserer neuen Gesprächsreihe im Magazin, „Zeitzeugen“, erinnert er sich an den Festivaljahrgang vor 30 Jahren – und unterstreicht, wie wichtig ein kulturelles Ereignis wie das moers festival für eine Stadt der Größe von Moers ist. Die Redaktion


moers festival 2009

New York, West Harlem

NYC-SCENE

Spätestens seit vergangenem Jahr

Community

spricht man über diese Szene junger

Von allen jungen New Yorker Musikern, die

zu sein scheint.

New Yorker Musiker, als der junge Trom-

dieses Jahr auf das Festival nach Moers kom-

Zu dieser Szene aus New York City gehört

Unbegrenztheit aber einzigartig und einmalig

peter Peter Evans mit seinem Quartett

men, gibt sich Peter Evans – Trompeter der

das anspruchsvolle Avantgarde-Kammer-Trio

ein fulminantes Konzert beim moers

Jazz-Dekonstruktionisten von Mostly Other

Zs (ausgesprochen: „Zees“) ebenso wie das

festival spielte. Doch was ist dran an

People Do the Killing – am Überschwäng-

Post-Prog-Art-Pop-Quintett Extra Life, die

dieser Szene? Ist sie nur ein kurzlebiger

lichsten. „Was dieses Jahr auf dem Festival

großartig-expressiv auftrumpfende Big Band

Trend? Oder stellt sie den Anfang einer

los ist, ist wirklich großartig,“ schwärmt er.

Secret Society des Komponisten Darcy James

Community dar, vergleichbar mit der

Als jemand, der wie ich die experimentelle

Argue, das bereits erwähnte Quartett Mostly

New Yorker Downtown-Avantgarde? Der

junge Szene in New York beobachtet, darüber

Other People Do the Killing (MOPDTK) um den

New Yorker Journalist Hank Shteamer

geschrieben und aktiv mitgewirkt hat, muss

Bassisten Moppa Elliott und der Groove-

jedenfalls ist davon überzeugt – und

ich ihm zustimmen. Das Programm von Moers

orientierte Saxofon-Visionär Colin Stetson. Bei

schreibt, warum.

2009 bietet eine der seltenen Gelegenheiten,

einigen aus dieser Szene gibt es noch weitere,

ein „Ökosystem“ aus jungen Musikern beob-

auch persönliche Verbindungen: Der Bandlea-

achten zu können, die sich nicht nur gegensei-

der von Extra Life, Gitarrist und Sänger Charlie

tig beeinflussen und inspirieren, sondern auch

Looker, ist auch ehemaliges Mitglied von Zs.

durch eine gemeinsame Ästhetik miteinander

Einige Mitglieder beider Bands haben wieder-

verbunden sind – die in ihrer stilistischen

um in verschiedenen Projekten vom MOPDTK-

41

Fotos: Nate Dorr

magazin


42

moers festival 2009

magazin

Schlagzeuger Kevin Shea gespielt. Andere Parallelen sind stilistischer Art: So bewegen sich Shea, Looker und der Zs-Gitarrist Ben Greenberg vollkommen frei und natürlich zwischen den Extremen Rock und experimenteller Improvisation. Und Stetson hat nicht nur mit Tom Waits gearbeitet, sondern auch mit Größen des Avantgarde-Jazz. Und Argues Vision einer Big-Band-Musik reicht weit über die Grenzen des Jazz hinaus – bis hinein in zeitgenössische klassische Musik und modernen Pop. Mit anderen Worten: Bei dieser New Yorker Community handelt es sich nicht um eine zusammengewürfelte Gruppe junger Musiker, die vielleicht die gleiche OrtsFoto: Helmut Berns

vorwahl hat. Wie Evans betont, der schon 2008 mit seinem Quartett auf dem moers festival zu Gast war, gehört es für dieses Festival zur Tradition, amerikanische Musiker stets mit ihrem kompletten Umfeld zu präsentieren. „Was frühere Ausgaben des Festivals immer so großartig realisieren konnten, war, dass man Colin Stetson

nicht nur einzelne Musiker einlud, sondern immer auch deren jeweiligen Szenen präsentierte“, bemerkt der Trompeter. „Oft waren das gerade neu entstandene Szenen, die sich noch nie einer breiten Öffentlichkeit in Europa vorgestellt haben.“ Schaut man sich die Line-ups früherer Festivals an, dann muss man Evans' Aussage bestätigen. So kamen 1985 viele der späteren Stars der New Yorker Downtown-Avantgarde nach Moers – wie zum Beispiel John Zorn und Bill Frisell, Elliott Sharp, Christian Marclay und Wayne Horvitz (der übrigens in diesem Jahr mit seinem „Zony Mash“-Projekt beim Festival auftritt). Oder die Festivalausgabe von 1977, bei dem viele Bands und Musiker der Chicagoer „Association For The Advancement Of Creative Musicians“ (AACM) live zu erleben waren. Manche waren schon in Europa bekannt, wie etwa das Art Ensemle Of Chicago oder Anthony Braxton. Andere mussten sich noch einen Namen machen, wie zum Beispiel George Lewis oder Henry Threadgill. Plurality Die jungen New Yorker Musiker bilden aber ebenso wenig eine geschlossene, ästetische Frontlinie etwa wie vor 20 Jahren die Downtown-Avantgarde. Dennoch sind bei ihnen Gemeinsamkeiten zu entdecken – besonders dann, wenn

Charlie Looker

es um die Vielfalt der stilistischen Einflüsse geht. „Die Art und Weise, wie ich Musik reflektiere und spiele, ist eine Kombination aus vielen Sprachen“, erklärt Charlie Looker. „Ich komme aus verschiedenen musikalischen Traditionen: Punkund Indie-Rock, Metal, Jazz und klassische Musik. Und diesen verschiedenen Strömungen fühle ich mich noch immer tief verbunden.“ Auch in der Musik von Extra Lifes mit ihren komplexen, an mittelalterliche Polyphonie erinnernden Vokalstrukturen und ihren knorrigen, gedroschenen Riffs tritt eine solche Vielfalt zu Tage. Sam Hillmer von Zs wiederum bekennt sich zu einer ähnlichen Philosophie. „Zs fällt genau in die Tradition des amerikanischen Experimentalismus“, sagt er. „Nicht nur ,Ernste‘ Musik oder Musik des 20. Jahrhunderts – sondern alles: von ausgeschriebenen Noten bis hin zu Turntablism.“ Genau das spiegelt Zs wider. Man reiht wie auf einer Angelschnur Noise und ausnotierte Passagen aneinander, so als ob die Zusammenarbeit von Wolf Eyes mit Anthony Braxton in einer Band verkörpert werden sollte.

Foto: Christoph Giese

Colin Stetson, der u. a. in Formationen wie der Afrobeat-Band Antibalas oder der Indie-Rock-Gruppe Arcade Fire für Furore sorgt (neben seinen bahnbrechenden Saxofon-Solo-Performances), hat es sich auch zur Regel gemacht, Grenzen zu Peter Evans

ignorieren – was er derzeit auch als aktuellen Trend in der New Yorker Szene


magazin

moers festival 2009

ausmacht. „Die musikalische Fremdbestäubung zwischen

College habe ich mich mit beiden Gattungen zu gleichen Teilen beschäftigt. Ich

verschiedenen, einstmals gegenläufigen Genres hat sich mit

könnte nun über das Hochschulsystem mosern, auch darüber, wie es zu Grunde

atemberaubender Geschwindig-

gehen wird – und das wird es ganz sicher. Doch meine per-

keit verbreitet und resultiert nun

sönliche Erfahrung war überaus positiv. Es gab eine Zeit, als

in einer Masse aufregend neuer Musik,“ freut sich der Saxofonist. „Wahrscheinlich passiert das überall. Doch hier in New York fallen zurzeit die Mauern. Alles fließt, die Menschen schwimmen viel lieber – im Gegensatz zu früher, als sie

„Die musikalische Fremdbestäubung zwischen verschiedenen, einstmals gegenläufigen Genres hat sich mit atemberaubender Geschwindigkeit verbreitet und resultiert nun in einer Masse aufregend neuer Musik.“ Colin Stetson

ich überhaupt nicht in der Lage war zu begreifen, das Spielen der Trompete in einem Orchester mit einem frei improvisierten Solo-Konzert zusammenzubringen – aber tatsächlich funktioniert es!“ Auch Sam Hillmer von Zs erkennt die heikle Balance zwischen Ausbildung und Innovation. „Zs würde es nicht geben, wenn nicht alle Bandmitglieder ein umfassendes Training absolviert hätten – damals wie heute,“ berichtet der

sich eher irgendwo festhalten

Saxofonist. „D. h. aber auch, das in der Ausbildung Gelernte

wollten.“

dann wieder zu vergessen, um die Band weiterentwickeln zu

Für Peter Evans, der diese Rock-, Punk- und Noise-Herkunft

können.“ Einen anderen Blick auf diesen Aspekt hat Hillmers ehemaliger Bandge-

nicht teilt, hat sich die Kombination aus Chaos und Kontrolle

nosse Charlie Looker. „Ich sehe überhaupt keinen Grund, irgendetwas aufzuge-

als besonders inspirierend erwiesen. „Während der letzten Jahre, in denen ich nun in New York lebe, bin ich Fan geworden

ben, was ich einmal gelernt habe“, ist Extra-Life-Gitarrist und -Sänger überzeugt. „Informationen müssen nicht beiseite gelassen werden. Wenn sie mir nichts

von diesen vielen seltsamen Rock-Bands, die in winzigen Clubs

nützen, dann kann ich sie entweder ignorieren – oder: Ich deute sie kreativ um.“

vor kleinem Publikum spielen, wie z. B. People (dem Duo von

Obwohl auch Looker seine musikalische Ausbildung durchaus in einem positiven

MOPDTKs Shea und der Gitarristin Mary Halvorson), Zs, Hi Red

Licht sieht – inklusive der Zeit an der Wesleyan University bei Anthony Braxton

Center und Extra Life,“ sagt der Trompeter. „In vielen Fällen

und Alvin Lucier –, so ist für ihn sein Engagement in der so genannten „Grass

sind diese Musiker Freunde geworden, weil ihr Background ein

Roots“-Bewegung ein weitaus wichtigerer Einfluss. „Sozial und kulturell fühle

Studium in Jazz und Klassik einschließt, plus einer autodidakti-

ich mich viel mehr der amerikanischen ,Underground/DIY/Indie/Post-Punk/etc.‘-

schen Selbstausbildung in weiß der Himmel was – wie bei mir

Szene zugehörig“, so Looker. „Diese Szene ist mir wohl gesonnen und umfasst

ja auch.“

einen Großteil dessen, was ich bin. Ich glaube, ein Grund dafür, warum Extra Life in der Punk-Welt so aktiv ist, obwohl wir eigentlich keinen Punk machen, ist,

Education

dass Punk sich ständig regeneriert und neu definiert. Es ist eine Szene mit einer

Damit spricht Evans einen Punkt an, der eine weitere Verbin-

Ideologie, die auf der rational kaum zu fassenden Idee basiert, schlagkräftig und

dung zwischen den Mitgliedern dieser Szene offenlegt: Man

andersartig zu sein – und Extra Life ist anders.“

teilt eine gemeinsame Perspektive auf das Lernen – oder „Ver-

Überraschenderweise schließen solche Indie-Zutaten Looker und seine Kumpa-

lernen“ – von Musik. Evans und Darcy James Argue sprechen

nen nicht vom breiten Publikum aus. Als Looker zum Beispiel noch mit Zs spielte,

von Vorsicht und Dankbarkeit gegenüber der eigenen musikkul-

wurde das Ensemble auf ein renommiertes Festival für zeitgenössische Musik in

turellen Tradition. „Wie viele andere in meinem Alter habe ich

der Tschechischen Republik, den „Ostrava Days“, eingeladen – so wie in den USA

eine Jazz-Schule besucht: Ich studierte Klavier an der McGill

zu Konzerten in Galerien, Rock-Clubs und Lofts.

University in Montreal, dann Komposition am New England Conservatory in Boston“, so Argue. „McGill war wie ein Bebop-

Output

Boot-Camp – darauf aus, Standards in allen zwölf Tonarten zu

Betrachtet man diese Hintergründe und Perspektiven, so könnte man erwarten,

lehren. Dieser ,Iss das, was auf den Tisch kommt‘-Ansatz ist für

dass der Output der Musiker und Bands homogen wäre. Doch ganz im Gegenteil:

einen jungen Musiker tatsächlich nicht das Schlechteste. Die

Zwischen den Ergebnissen liegen Welten. Zum Beispiel Mostly Other People Do

Fähigkeiten, die man dabei erlernt, sind später überaus hilfreich.

the Killing, wo Respektlosigkeit zur Grundausstattung gehört. Wie Peter Evans

Und außerdem gibt es einem etwas in die Hand, wogegen man

besitzen alle anderen MOPDTK-Mitglieder ihre Jazz-Chops – beispielsweise

rebellieren kann – was auch wichtig ist.“

Saxofonist Jon Irabagon, der 2008 die „Thelonious International Jazz Competi-

Für Evans ist Ausbildung ein zweischneidiges Schwert. „Ich

onen“ für sich entscheiden konnte. Doch dieses Quartett nimmt das Jazz-Genre

hatte das Glück, eine musikalische Ausbildung zu genießen, die

in keinster Weise ernst, was seinen Auftritten stets eine erfrischend subversive

mir das Musikmachen nicht verleidet hat,“ erinnert sich der

Stimmung gibt. Auch Colin Stetson hat eine ähnliche Leichtigkeit, die er aber mit

Trompeter, der inzwischen seine Instrumentaltechnik zum mu-

anderen Mitteln auf die Bühne bring. Obwohl seine Saxofon-Solo-Stücke nicht

tigen Improvisieren verwendet. „Von Anfang an habe ich Jazz

diesen offensichtlichen Humor haben wie bei Evans und Co., so offenbart er

und klassische Musik studiert, und bis zu meinem Abschluss am

dennoch augenzwinkernd eine Feierlichkeit in seiner Solo-Performance, mit der

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moers festival 2009

magazin

er die komplexen Texturen freier Improvisation mit der rhythmischen Schubkraft des Funk zusammenbringt. Hinsichtlich von Stimmungen könnte die Musik von Extra Life nicht unterschiedlicher sein. Dornig und bedrohlich kommen Lookers Stücke daher, entwerfen eine fast schon perverse Lust an der Zurschaustellung psychischer Zustände, durchdrungen von den gestochen scharfen Melodielinien. Manche Texte von Looker enthalten sogar Spuren von Comedy, aber im Großen und Ganzen setzt Extra Life auf kompromisslose Aussagen, die jedoch einige im Publikum abschalten lassen – wie der Gitarrist und Sänger selbstkritisch erkennt. „Todernst, unironisch und düster zu sein, ist zurzeit ziemlich außer Mode“, sagt Looker. „Wir verwirren und verschrecken manchen, andere lieben uns gerade dafür.“ Zs einmaliges Amalgam aus Noise, improvisierter Musik und zeitgenössischer Komposition ist weitaus weniger Song-orientiert. Doch setzt dieses Trio auch auf eine vergleichbare Kompromisslosigkeit – nach dem Motto: „Entweder man liebt uns, oder man hasst uns“. Darcy James Argues Secret Society ist wahrscheinlich die merkwürdigste Band aus diesem New Yorker Umfeld in Moers – tatsächlich würde die Band auf jedem anderen Sam Hillmer

Schauplatz seltsam erscheinen. Die Arbeiten des Bandleaders für sein 18-köpfiges Ensemble klingen dicht und drastisch, zeigen gleichermaßen moderne orchestrale Strukturen wie prachtvolle, zeitgenössische Vamps und ein weitausholendes, Ellington’sches Schwadronieren: „Ich betrachte mich als Teil der Big-Band-Tradition, über die man ja normalerweise nicht viel und gerne spricht“ – und verweist auf eine obskure Liste mit Einflüssen, in der die Rock-lastigen Werke der späten 1960er-Jahre eines Ellington und Thad Jones ebenso zu entdecken sind wie George Russels abgründige Aufnahme von 1968, „Electronic Sonata For Souls Loved By Nature“, oder Gil Evans’ Hendrix-Bearbeitungen für Orchester. Legacy? Hätte das moers festival 2009 nur Secret Society im Programm (oder eben irgendeines der anderen NYC-Ensembles), so würden andere wichtige Einblicke in musikalische Grenzbereiche außen vor bleiben. Aber dadurch, dass man die komplette New Yorker Community nach Europa eingeladen hat, glückt diesem Festival etwas ganz Besonderes: Man erlaubt dem Publikum, diese Künstler in ihrem ursprünglichen Umfeld mit all ihren Freunden, Gleichgesinnten und Kollegen live zu erleben. Als New Yorker, der die Arbeiten dieser Musiker über die letzten Jahre verfolgt hat, bin ich überzeugt, dass in zehn oder 20 Jahren Evans, Looker, Hillmer, Argue, Stetson und der ganze Rest ebenso berühmt sein werden wie es Zorn & Co. oder die Mitglieder der AACM heutzutage sind.

Charlie Looker


www.koenig.de

Es gibt viele Biere. Aber nur ein Kรถnig.

DAS Kร NIG DER BIERE


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moers festival 2009

magazin

NYC / EUROPE

Europas Jazz braucht New York als kreatives Gegengewicht. Eine These, die für manche nicht-amerikanische Ohren ketzerisch klingen mag. Doch nach Jahren der Stagnation, nach der Traumatisierung durch 9/11 vibriert es wieder in der Jazz-Community des Big Apple. Nicht nur die „Young Guns“ um Mostly Other People Do the Killing, Colin Stetson oder Darcy James Argue haben ein neues Feuer entfacht, sondern auch einstige Jazz-Größen sind am Aufbruch in New York beteiligt. Das kann dem europäischen Jazz nur gut tun – so die Meinung von Wolf Kampmann. Quelle: Google Earth


moers festival 2009

Seit mindestens 70 Jahren schlägt das kreative Herz des Jazz im Zweistromland zwischen East und Hudson River. Kein Ort verändert sich schneller als New York und mit ihm der Jazz. Unsere europäische Wahrnehmung des amerikanischen, speziell des New Yorker Jazzgeschehens hat hingegen erhebliche Probleme, dieses Tempo zu halten. Gerade im Augenblick laufen wir Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Wer New York zum letzten Mal vor zehn Jahren besucht hat, wird die Stadt kaum wiedererkennen. Touristenströme, die sich früher zwischen Greenwich Village, 5th Avenue und Times Square ergossen, haben längst auch das East Village und Harlem erreicht. Die altmodischen Geschäfte, die das besondere Flair der Stadt ausmachten, sind den großen Ketten gewichen, die kleinen Cafés und Diners machen Gourmet-Restaurants Platz. Die Schickeria erobert von ihrer neuen Basis Williamsburg die ehemaligen Szeneviertel von Manhattan zurück, das legendäre Straßenleben verkriecht sich ins WorldWideWeb, und selbst die Penner, Dealer, Huren, Punks und Pimps von einst sind verschwunden. Nine/Eleven hat New York nachhaltig verändert und Bürgermeister Giuliani erledigte nach der großen Katastrophe den Rest. Bis zum Herbst 2001 hatte New York ein äußerst reges Jazzleben. Alle sechs Wochen platzte ein neues Biotop irgendwo in den Abgründen des Big Apple auf, manifestierte sich ein neuer Stil, scharte ein neuer Club seine Truppen um sich. The Kitchen, die Knitting Factory und das Tonic definierten über zwei Jahrzehnte das Potenzial des Jazz nicht nur für New York. Zwar vermochte niemand mehr genau zu sagen, was der Begriff Jazz eigentlich noch bedeutete. Aber in diesem Punkt unterschied sich das ausgehende 20. Jahrhundert ja kaum von den vorherigen Epochen dieser Musik. Rückwirkend betrachtet ist es fast ein kleines Wunder, dass eine relativ fest gefügte, musikalische Community wie jene DowntownAvantgarde um John Zorn, John Lurie, Bill Laswell und Elliott Sharp sich überhaupt über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten behaupten konnte. Doch sie war nur ein Segment des New Yorker Jazzlebens nach 1985. Es gab auch die M-Base-Szene, deren kurzlebige Existenz für den Jazz umso tiefgreifendere Folgen hatte, den kreativen Mainstream um Greg Osby und Jason Moran, die „Young Lions“, die FreeJazz-Renaissance um William Parker und Matthew Shipp, den

New York, Soho

Techno- und Ambient-Jazz in Williamsburg, der Jazzarm der „Radical Jewish Culture“, die Seattle Diaspora, die ParkslopeSzene und viele andere Zirkel.

47 Fotos: Nate Dorr

magazin

dere dieses Szene-Cocktails war jedoch, dass er – von den

Die Überlappungen all dieser Kreise waren vielfältig und

„Young Lions“ abgesehen – in den USA kaum wahrgenommen

brachten immer wieder neue Idiome hervor. Musiker aus ganz

wurde. Musiker planten in Manhattan und Brooklyn Projekte,

Amerika und dem Rest der Welt kamen nach New York, weil

die eigens für den europäischen Markt zusammengestellt

sie trotz der exorbitanten Lebenshaltungskosten nirgendwo

wurden. Sie spielten in New York vor zehn zahlenden Zuhö-

sonst so optimale Arbeitsbedingungen fanden. Das Beson-

rern gegen die Tür, um in Europa als Headliner die großen


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moers festival 2009

magazin

Festivals zu bereisen. Ihre Alben verkauften sich hauptsächlich in Europa,

Der europäische Jazz hatte bereits seit Jahrzehnten um

wo auch die meisten Labels für diese Musik saßen. Der Unmut europäischer

die Emanzipation von seinem großen New Yorker Bruder

Musiker über die vermeintliche Dominanz der Amis auf dem europäischen Jazz-

gekämpft. Doch erst als den Festivals der alten Welt die

pflaster wurde immer größer. Auf der anderen Seite wurden Amerikaner, die

Mittel ausgingen, um im selben Maße wie gewohnt amerika-

nach Europa zogen, weil sie ihren Alltag mit ihrer Arbeitsgrundlage vereinba-

nische Künstler zu verpflichten, sollte sich dessen Situation

ren wollten, auf der Stelle mit Desinteresse gestraft, denn sie waren ja keine

nachhaltig ändern. Zeitgleich besannen sich viele europäische Musiker auf ihre nationalen oder regionalen kulturellen

waschechten Amerikaner mehr. Paradoxe Jazzwelt.

Wurzeln. Der meist etwas blutleer wirkende Euro-Jazz wurde in den 1990er-Jahren von einer Vielzahl lokaler und regionaler Ausprägungen abgelöst. Es hatte den Anschein, die Befreiung aus dem Schatten New Yorks wäre endgültig gelungen. Leider wurde dieser kreative Aufbruch zwischen Bosporus und Algarve nur allzu schnell von arroganter Selbstgefälligkeit ersetzt, die vergessen machte, dass der europäische Jazz seine Kraft gerade aus seinem ambivalenten Verhältnis zu dem stetigen Impuls bezog, der aus New York kam. Am 11. September 2001 verebbte dieser Puls. Die nicht für möglich gehaltenen Anschläge verwandelten den großmäuligen Stolz des Big Apple in eine tiefe Depression. Die Katastrophe mag nicht der einzige Grund dafür gewesen sein, dass der Szene-Mix, den man bis dahin kannte, beinahe über Nacht verschwand. Viele Musiker verließen traumatisiert New York, andere gingen für Jahre in die innere Emigration. Als sie wieder aktiv wurden, fanden sie ein komplett verändertes Umfeld. Chicago schien New York für kurze Zeit den Rang als kreatives Zentrum Jazz-Amerikas abgelaufen zu haben. Vielleicht war dieses Phänomen auch nur ein europäisches Konstrukt, geboren aus dem heimlichen Wunsch nach amerikanischer Gravitation. Jedenfalls hatte die Szene um Ken Vandermark und Tortoise ihr Pulver relativ schnell verschossen. Es folgte eine Phase des Stillstands. Die Lethargie ist längst überwunden. Doch wir Europäer haben nicht die Ohren zu hören. Der subversive Geist New Yorks war am Ende stärker als die vorübergehende Bushifizierung der amerikanischen Gesellschaft, die Wirtschaftskrise und das kollektive Post-Nine/Eleven-Trauma zusammen. Nicht nur, dass neue Spielorte entstehen und eine nachwachsende Generation von Musikern die Bausteine von Tradition und Avantgarde völlig neu zusammensetzt, auch die Alten haben ihre Stimme wiedergefunden. Womöglich hat die Krise des New Yorker Jazz, die beinahe ein Jahrzehnt andauerte und noch nicht vollständig überwunden ist, gar eine selbstreinigende Wirkung. Denn es wird eben nicht mehr für den europäischen Markt geplant und produziert. Europa spielt für Jazzmusiker in Amerika beinahe keine Rolle mehr. Dabei ist der Anteil der jazzhörenden Bevölkerung in den USA keineswegs gewachsen. Doch mit dem Rückzug der Plattenindustrie haben Jazzmusiker gelernt, mit ihren Ressourcen anders New York, Queens

umzugehen. Akteure wie Dave Douglas, Greg Osby, Charlie


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moers festival 2009

Hunter oder Medeski Martin & Wood haben ihre eigenen Labels gegründet. Das hat Vor- und Nachteile. Denn sie mussten erst einmal in die Rolle von Geschäftsleuten wachsen, die nicht mehr allein unter kreativen, sondern jetzt auch unter merkantilen Gesichtspunkten operierten. Für die Inhalte, die sie zuvor vertraten, hatte das teilweise fatale Auswirkungen. Mit dem Sterben der Plattenläden – in New York gibt es kaum noch eine zuverlässige Möglichkeit, im Laden Jazz-CDs zu kaufen – zog sich das Business immer mehr ins Internet zurück. Viele Jazzalben amerikanischer Musiker sind überhaupt nur noch via Download oder über amerikanische InternetPortale erhältlich. Das Ohr kennt keine Grenzen, sondern hört, was es hören will. Aber in Europa fehlt es an Kanälen, die neuen Klänge aus New York an den Hörer bringen. Der Markt hat dafür noch keine Grundlage geschaffen. Ein amerikanischer Musiker, der sein eigenes Label vermarktet, wird kaum über Kapazitäten verfügen, um in europäischen Medien Anzeigen zu schalten. Da die Jazzpresse aus nachvollziehbaren Gründen aber auf Werbung angewiesen ist, fallen alle Themen von der Tischkante, die hierzulande keine Sachwalter haben. Selbst für etablierte Labels wie Thirsty Ear oder Cuneiform lohnt sich dieser Aufwand jedoch nicht mehr. Noch schlimmer ist es im Radio. Freie Autoren werden kaum noch beschäftigt, und die Redakteure müssen sich oft mit dem zufriedengeben, was sie ohne eigenen Aufwand aus den herkömmlichen Kanälen erreicht. Ein teurer Download aus Amerika gehört sicher nicht dazu. So gehen nicht nur neue Trends am europäischen Hörer vorbei, sondern sogar eine Kollaboration so renommierter Veteranen wie Bill Frisell und Charlie Haden, die noch vor kurzem die Titelseiten hiesiger Jazzgazetten geschmückt hätte, bleibt ausschließlich dem amerikanischen Jazzhörer vorbehalten. Konnte man sich in Europa noch vor kurzem in der Gewissheit sonnen, über den amerikanischen Jazz bestens informiert zu sein, nehmen wir jetzt nur noch einen

New York, Brooklyn

winzigen Ausschnitt wahr. Auch stilistisch hat sich einiges verändert. Jazz war immer Subkultur. Zwar hat sich der amerikanische Jazz für lange Zeit

deutsche Jazz leidet unter einer Epidemie gesichtsloser Piano-Trios. Der eben

aus dem politischen Tagesgeschäft rausgehalten. Doch auf

noch so aufmüpfige und selbstbewusste Jazz aus Frankreich ist friedlich ent-

die Vereinnahmung der Tradition durch das konservative Esta-

schlafen, das anfangs so vielversprechende soziale Netzwerk der Tomorrow‘s

blishment hat er dennoch reagiert. Junge wie alte Jazzmusi-

Warriors in England leidet unter akutem Zahnausfall. Nur Skandinavien bildet

ker berufen sich nicht mehr wie zuletzt auf ihre Väter, sondern

immer noch einen Sonderfall. Jazz ist ohne Zweifel längst eine internationale

entdecken die Traditionen und Wurzeln ihrer Großväter und

Sprache geworden, aber selbst in einer globalisierten und virtualisierten Welt

Urgroßväter. Die Einbeziehung von Americana wie Country,

ist ein Gravitationszentrum wie New York nicht ohne weiteres zu ersetzen. Eu-

Folk und Bluegrass in die Jazztradition hat den Fundus und die

ropas Jazzmusiker brauchen das Gegengewicht aus New York. Dort brodelt es

Idiomatik des Jazz grundlegend erweitert.

zwar noch nicht, aber es vibriert zumindest wieder hinter den glatten Fassaden

Der europäische Jazz ist indes längst an seine Grenzen

der gentrifizierten Metropole. Für uns ist es allemal an der Zeit, uns dieses

gestoßen. Der Neotraditionalismus treibt hier ähnliche Blüten

Potenzial wieder kreativ zu erschließen. Dabei sind Veranstalter und Medien

wie die „Young Lions“ vor 20 Jahren in New York. Speziell der

genauso gefragt wie jeder einzelne Hörer mit Internetanschluss.

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moers festival 2009

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BARACK OBAMA / US-JAZZ

Hier in Europa ist die Amtseinführung Barack Obamas als erster schwarzer US-Präsident längst Geschichte. Drüben aber in den USA ist man noch immer euphorisiert – auch und gerade die afroamerikanische Community. Doch wie wirkt der „Obama-Faktor“ auf den US-Jazz und die -Avantgarde? Christian Broecking hat sich auf Spurensuche begeben und nachgefragt.

James Carter

Foto: Christoph Giese


magazin

moers festival 2009

„Wenn deine Familie dich kämpfen sieht und

Mainstream- und Avantgarde-Kontext zu be-

setzt, etwas, das nicht in Massen produziert

finanziell dabei nichts herumkommt, bist du

haupten. „Obwohl es in den Kreisen, in denen

werden kann. Wir sind eine Rarität, die zuende

Avantgarde. Und man macht sich Gedanken, ob

ich mich bewege, immer wieder Diskussion

geht. Aber Kreativität wird nicht sterben, und

bei dir noch alles stimmt im Kopf“, berichtet der

über die Zukunft der Musik gibt, vermisse ich

wir berühren da erst die Oberfläche. Es gibt so

28-jährige Schlagzeuger, Pianist und Posaunist

die Initiative. Ich kann mich nur schwer daran

viel mehr zu entdecken, in der Musik wie im

Tyshawn Sorey. Er ist einer der wenigen jungen

erinnern, wann ich bei einem anderen Musiker

Leben. Wir reden von 80-Jährigen, die kreativ

afroamerikanischen Improvisatoren, die es in

zu Hause gewesen bin, nur um zusammen zu

sind und sie hören sich so an, als könnten sie

den letzten Jahren in New York zu nachhaltiger

spielen. Meist geht es eben um das Geschäft,

noch 80 Jahre weiter spielen.“ Junge Musiker

und mittlerweile auch weltweit wirkender

die nächste Tournee, das nächste Konzept-

sollen kreative Wege entwickeln, ihr Publikum

Aufmerksamkeit brachten. „Unter den ,Um die

Album. Da ist also etwas verloren gegangen,

zu finden, schlägt Parker vor. „Wenn man uns

40-Jährigen‘ sehe ich mittlerweile eine Reihe

Musiker kommen nicht mehr einfach um des

nicht engagieren will, müssen wir es selbst tun.

viel versprechender Improvisatoren wie Vijay

Spielens willen zusammen. Community bedeu-

Das ist die Geschichte des Vision-Festivals, das

Iyer oder meinen Mentor Aaron Stewart, beide

tet für mich das Gegenteil von Hass, Eifersucht

bedeutet Selbstbestimmung“, resümiert Parker.

sind gut zehn Jahre älter als ich“, sagt Sorey.

und Intrigen – Community bedeutet zuallererst,

„Du bestimmst deine Zukunft durch das, was du

Der Afroamerikaner Aaron Stewart kommt

dass man respektvoll miteinander umgeht.

jetzt angehst. Harte Arbeit, immer wieder neue

wie Sorey aus der Steve-Coleman-Connection.

Ich bin immer gern zu den Jam-Sessions im

Auftrittsorte organisieren, in den Schulen und

Weitere Tätigkeiten mit Muhal Richard Abrams,

St. Nicks Pub in Harlem gegangen. Das heißt

Nachbarschaftszentren auftreten, präsentiere

Anthony Braxton und Cecil Taylor weisen ihn

für mich Coummnity: dass man sich trifft, sich

deine Arbeit 24 Stunden jeden Tag.“

als kompetenten Improvisator aus. „Stewart ist

grüßt, zusammen spielt. Genau das, was die

Doch warum sollte man sich all das antun? Der

ein völlig unterschätzter Saxofonist und Kom-

Rapper ,Street Credibility‘ nennen: der Kontakt

Saxofonist Oliver Lake befürchtet, dass die

ponist, der in New York lebt. Er hat mir alles

zu seinen Leuten auf Graswurzelebene.“

finanzielle Absicherung einer Musikerkarriere

beigebracht, was man wissen muss, um als

Dass in den letzten Jahren nur noch wenige

heute das größte Problem darstellt. „Es hat vor

kreativer Künstler in diesem Land zu überleben,“

junge afroamerikanische Musiker den Reizen

allem mit Geld zu tun, für welches Genre sich

sagt Sorey. Viele Diskussionen, stundenlange

der Avantgarde nachspürten, kann nicht weg

junge Musiker entscheiden. Ob sie den traditio-

Telefonate, gemeinsame Konzerte. Stewart hat

geredet werden. Der Bassist William Parker

nalistischen oder den avantgardistischen Weg

den Autodidakten Sorey immer wieder ermuti-

stellt fest, dass auf dem von ihm in New York

wählen. Ich habe junge Studenten kennen ge-

gt, seinen Weg zu finden und zu gehen.

veranstalteten Vision-Festival, das besonders

lernt, die mir sagten, dass sie sich wünschten,

Der 29-jährige Corey Wilkes hat jüngst seine

der schwarzen Improvisationsmusik gewidmet

meine Nerven zu haben. Sie äußerten die

CD „Cries From Tha Ghetto” veröffentlicht.

ist, nur wenige Afroamerikaner im Publikum

Befürchtung, dass sie keine Arbeit hätten,

Der Chicagoer Trompeter sieht sich als Kind

sind. In diesem Jahr wird dort der 85-jährige

wenn sie eine ähnliche Musik wie ich spielen

der HipHop-Generation, sein Spektrum

Saxofonist und Leiter des Sun Ra Arkestra,

würden. Sie nehmen unser Genre als eine Ni-

umfasst afroamerikanische Genres zwischen

Marshall Allen, mit einem Konzerttag geehrt.

sche wahr, in der die Möglichkeiten, mit seiner

Funk, Avantgarde und Step-Dance. Er hält im

Doch aus Parkers Sicht ist zu befürchten, dass

Arbeit auch den Lebensunterhalt bestreiten zu

Art Ensemble Of Chicago den Job des vor 10

sich gerade der Nachwuchs aus der afroameri-

können, sehr limitiert sind. Man muss seinem

Jahren verstorbenen Trompeters Lester Bowie,

kanischen Community verweigert. „Tatsächlich

Herz folgen, sage ich – wenn man immer nur an

in jüngster Zeit tourt er auch mit der Band des

brauchen wir Workshops und Seminare: Die

das Geld denkt, wird es nichts werden. Doch

Saxofonisten James Carter. „HipHop ist meine

Frage, wer der nächste Matthew Shipp ist,

ich sehe auch, dass wir eine kleine avantgardi-

Ausgangssituation, ich komme sozusagen vom

der nächste William Parker, der nächste Sam

stische Gruppe sind, die überlebt hat, ohne die

anderen Rand. Mir stehen World Music, Klas-

Rivers, muss dringend geklärt werden. Doch

Bedingungen für nachfolgende Generationen

sik, Soul, Rock, R&B, Blues, Gospel und alle

die Realität lässt eher die Vermutung zu, dass

generieren zu können.“

Formen des Jazz zur Verfügung. Nun versuche

wir die letzten dieser improvisierenden Spezies

Der Baritonsaxofonist Hamiet Bluiett sagt,

ich, davon so viel wie möglich in meiner Musik

sind. Die Kollegen werden nicht ersetzt, die

dass die Musik von der Gesellschaft nicht zu

zu vereinen. Ich habe bei Miles Davis entdeckt,

Welt ändert sich. Doch ich sehe keinen neuen

trennen sei. Musiker könnten sich dem Sog des

dass der Sinn des Lebens in der eigenen Ent-

Sam Rivers, keine Nachfolger. Die nächste Ge-

gesellschaftlichen Mainstreams nicht einfach

wicklung und Veränderung besteht.“

neration wird womöglich etwas ganz anderes

entziehen. „Viele Musiker haben in den letzten

Der 40-jährige Saxofonist James Carter wuchs

machen, mir scheint es manchmal, als wären

Jahren auf das falsche Versprechen gesetzt.

auch mit HipHop und Funk auf. Ende der 1980er

wir die Überlebenden eines sehr kleinen Stam-

Sie müssen nun umdenken, sich neu orientieren.

wurde er von Wynton Marsalis und Bowie

mes, eine sehr elitäre Vereinigung. Mit Stamm

Jetzt höre ich von 15-Jährigen, die Altsaxofon

gefördert: Carter hat es geschafft, sich im

meine ich etwas, das sich nur begrenzt fort-

spielen und von Charlie Parker begeistert

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moers festival 2009

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sind. Sie werden gierig sein nach anderen Informationen. Und wir sind da, um sie ihnen zu vermitteln. Wir haben den ganzen Wahnsinn überlebt. Tyshawn Sorey spielte schon vor sechs Jahren in meiner Band Schlagzeug und eines Tages entdeckte ich, dass er auch Klavier spielen kann. Ich habe ihn ermutigt, das zu tun. Weil es darum geht, einen eigenen neuen Ton in die Band zu bringen. Das ist die alte Schule der Avantgarde. Wir besetzen nicht die alten Posten, wir entdecken Neuland. Und ich mache mir über den Nachwuchs gar keine Sorgen. Ich sage voraus, dass wir in nächster Zeit wieder junge Musiker hören und sehen werden, die für das Experimentelle und Neue offen sind.“ Der 38-jährige Farid Barron wurde von Wynton Marsalis gefördert und spielte im Lincoln Center Jazz Orchestra. Heute ist Barron Pianist im Sun Ra Arkestra und lebt zusammen mit Marshall Allen und drei weiteren Arkestra-Mitgliedern im Haus von Sun Ra in Philadelphia. „Dass sich das Sun Ra Arkestra nach langer Pause für einen Pianisten entschied, hatte mit meiner Arbeit bei Marsalis zu tun. Sie suchten einen, der Fletcher-Henderson-Arrangements und -Kompositionen kennt und die alten Klaviertechniken beherrscht. Es ist ja bekannt, dass mein früherer Arbeitgeber an der avantgardistischen Spielhaltung allerhand auszusetzen hat. Und ich gebe zu, dass ich von seiner Anti-Haltung zunächst sehr beeinflusst war. Mitten in der Kakophonie fühlte ich mich regelmäßig unwohl, wusste nicht, wie ich mit diesen Situationen umgehen sollte. Und ich protestierte zunächst dagegen. Doch im Prozess der ArkestraErfahrung erfuhr ich, dass mir da vorher etwas entgangen war. Ich entdeckte ganz neue Ausdrucksformen, die der Befreiung der Gedanken und des Körpers sehr förderlich waren. Ich entdeckte später dann, als ich mich wieder dem Repertoire eines Art Tatum zuwendete, dass sich mein Vokabular fundamental erweitert hatte. Und ganz besonders mein Gefühl für Zeit und Raum.“ Der Tubist Bob Stewart ist heute voller Hoffnung. Auch er betont, dass kreative Musik nicht im gesellschaftlichen Freiraum entsteht. Er erwartet nun von Obamas Präsidentschaft besonders große Wirkungen auf das schöpferische Grundvertrauen der US-Bürger. „Als schwarzer Amerikaner schaue ich auch zurück. Ich bin stolz, diesen Tag erlebt zu haben. Nicht nur für mich, sondern für meinen Großvater und meinen Vater, die beide schon verstorben sind. Als Jackie Robinson (war 1947 der erste schwarze Spieler in der amerikanischen Baseball-Liga, Anm. d. Red.) es Ende der 40er-Jahre in die Major League schaffte, hatte mein Großvater sein Obama-Erlebnis. Mir geht es wie ihm damals: Ich bin für Obama, weil er für die Verwirklichung eines Traumes steht, den schwarze Amerikaner sehr lange geträumt haben. Die schwarzen Selbsthilfeorganisationen waren für die Musiker schon in den 60er-Jahren sehr wichtig, und ,Alabama‘ von John Coltrane und ,Walk Tall‘ von Cannonball Adderley waren große Botschaften, die direkt zu Obama führen. Wenn wir Musiker auf der Bühne stehen, sind wir frei. Seit 40 Jahren bin ich frei. Dafür brauche ich Obama nicht. Dass das, was wir auf der Bühne praktiziert haben, nun Foto: Helmut Berns

auch in der Politik ankommt, ist ein gutes Zeichen. Junge Musiker, weiße und schwarze, werden zukünftig mehr Selbstvertrauen haben, ästhetische Tyshawn Sorey

Risiken einzugehen und auf ihre Kraft zu vertrauen.“



moers festival 2009

magazin

Foto: Cheryl Lynea Lewis

Foto: Matthias Creutziger

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George Lewis

GEORGE LEWIS & AACM tionelle Jazzgeschichtsschreibung meistens nur New York in den Blick nimmt, wo 1964 die „October Revolution in Jazz“ stattfand und sich 1965 die Jazz Composers Guild bildete. Durch die Fixierung auf New York wird übersehen, dass es ähnliche EntwickGeorge Lewis hat ein vielbeachtetes

zwischen 1910 und 1920 einsetzt. Ras-

lungen auch in Kalifornien, in Detroit, ja

Buch, „A Power Stronger Than Itself“,

sentrennung war ein Teil der Wirklichkeit

sogar in New Orleans gab. Die AACM war

geschrieben – über die Geschichte der

im amerikanischen Süden. Dazu kam eine

die Gruppe, die dieses neue Denken in Chi-

„Association For The Advancement Of

neue Mobilität durch die Eisenbahn. Diese

cago repräsentierte und sich nicht nur als

Creative Musicians“ (AACM). Im Ge-

Faktoren führten zu einer großen Wander-

musikalische Initiative verstand, sondern

spräch mit Christoph Wagner schaut der

bewegung der afroamerikanischen Bevölke-

auch kulturelle und soziale Anliegen vertrat.

Posaunist, Jazzforscher und -historiker

rung Richtung Norden, wo man freier atmen

Es wäre also eine verengte Sichtweise, die

aber nicht nur auf die Historie dieser

konnte und es keine getrennten Zugabteile

AACM nur als Ausdruck eines schwarzen

Organisation zurück. Vielmehr macht

für Schwarze und Weiße gab. Dort liegen

Nationalismus begreifen zu wollen.

er unter anderem deutlich, warum die

die Wurzeln der AACM, weil Chicago einer

AACM heutzutage notwendiger ist denn

der Zielpunkte der Massenmigration war.

je – auch und gerade wegen ihrer so bedeutenden und beispielhaften Geschichte.

Am erstaunlichsten ist, dass die Organisation bis heute besteht. Ähnliche Initiativen wie

Damit sind die historischen Voraussetzungen

etwa die Jazz Composers Guild fielen nach

benannt. Was aber war der Impuls, der 1965

kurzer Zeit oft im Streit auseinander. Was ist

zur Gründung der AACM führte?

das Geheimnis, das die AACM zusammenhält?

Christoph Wagner: Die AACM entstand Mitte

Es gibt nicht den einen Anfangspunkt. Viel-

Ich glaube, der wichtigste Grund war, dass

der 1960er-Jahre, als sich die amerikanische

mehr ist es eine komplexe musikalische, so-

die Mitglieder der AACM nicht nur auf

Gesellschaft in Aufruhr befand. Was waren

ziale, gesellschaftliche und politische Ent-

ihre eigenen Karrieren bedacht waren,

die Gründe für die Gründung?

wicklung, die mit der Bürgerrechts- und der

sondern sich immer auch um die Belange

George Lewis: Für mich fängt die Geschich-

Black-Power-Bewegung zusammenhängt.

der gesamten Organisation kümmerten.

te der AACM viel früher an, nämlich mit der

Das alles führte schließlich zur Bildung der

Es ist also eine Gruppe, die bestimmte

„großen Migration“ vom ländlichen Süden

AACM. Solche neuen Initiativen entstanden

Wertvorstellungen teilt, die über die simple

in den industriellen Norden, die ungefähr

damals überall in den USA, wobei die tradi-

Frage hinausgehen: „Wie kann ich einen


magazin

moers festival 2009

Gig bekommen?“ Die AACM hatte ein

Etliche Musiker der AACM, u. a. das Art

die damals einen großen Einfluss ausübte.

soziales Bewussßtsein. Der Organisation

Ensemble Of Chicago, aber auch Anthony

Die meisten Musiker, die darin vorkommen

war es wichtig, in ihrem sozialen Umfeld,

Braxton und Steve McCall, zogen Ende der

– und ich bin einer davon, weil ich damals

in der Nachbarschaft, positiv zu wirken,

1960er nach Paris. Was waren die Beweg-

dort war – waren enttäuscht, weil ihnen

durch Lernangebote, durch Workshops etc.

gründe für den Ortswechsel?

Selbstverständlich dachte man aber auch

die Darstellung nicht schmeichelte. Born

George Lewis: Eigentlich wäre New York

war nicht der Meinung, dass die IRCAM die

über die Frage nach, wie man den Status

der natürliche Zielpunkt gewesen. Doch

genialste Sache ist seit der Erfindung von

der Jazzmusiker verbessern könnte? Darü-

einige der Musiker aus Chicago, die sich

geschnittenem Brot. Genauso wollte ich

ber hinaus war die spirituelle Komponente

in New York umgeschaut hatten, waren

mit meinem Buch vorgehen: die Sache so

sehr wichtig, also die Frage: „Wie kann ich

von der dortigen Avantgarde-Szene wenig

objektiv wie möglich schildern und keine

nicht nur ein besserer Musiker, sondern

beeindruckt – was ästhetische Gründe

Heiligengeschichte schreiben.

auch ein besserer Mensch werden?“ All

hatte. In New York war im Gegensatz zu

das stärkte den Gemeinschaftsgeist, der

Chicago das sanfte und leise Spiel verpönt,

Sind die Ideen der AACM heute noch aktuell?

den Fortbestand der Organisation gewähr-

auch waren nur wenige Musiker an unseren

Organisationen wie die AACM entstehen,

leistete.

Vorstellungen von Raum interessiert. Da

wenn es ein Bedürfnis unter Musikern gibt,

kam die Einladung nach Europa gerade

neue Idee in die Öffentlichkeit zu tragen

Jazzmusiker sind Einzelkämpfer, Individua-

recht. Man konnte dadurch ein weltweites

und in Neuland aufzubrechen. Dann schaut

listen. Dass sie gemeinsam an einem Strick

Publikum erreichen und sich auf interna-

man sich nach Unterstützung um, d. h. nach

ziehen, erscheint wie die Quadratur des

tionaler Ebene einen Namen machen. Für

Leuten, die die gleichen Ideale teilen. Es

Kreises, weil sie doch eigentlich in Konkurrenz

viele AACM-Mitglieder war das Leben

braucht also Menschen, die sich einander

zueinander stehen. Wenn mein Rivale den Gig

im Ausland keine neue Erfahrung. Sie

verpflichtet fühlen und sich gegenseitig

kriegt, bekomme ich ihn nicht! Wie wurden

waren zuvor schon mit dem Militär auf der

ermutigen, neue Dinge auszuprobieren. Es

diese widerstrebenden Kräfte gebändigt? Gut, wenn man nur darauf aus ist, Auftritte

anderen Seite des Meers gewesen. Auch

geht um eine offene Einstellung, weniger

wollten viele einfach aus Chicago weg, wo

um eine bestimmte Art von Musik. Es

zu ergattern, hat eine solche Organisation

die Möglichkeiten ausgereizt schienen.

geht um die Vision, hinter der Jazzmusiker

keine Überlebenschance. Aber wenn es

Sie wollten sich auf einer größeren Bühne

von den 1920er- bis zu den ’70er-Jahren

darum geht, morgens um 5 Uhr aufzuste-

beweisen. Man ging ein Risiko ein, das

her waren, nämlich einen eigenen Sound

hen, um rechtszeitig zum Musikunterricht

Dividende erbrachte.

zu finden. Damals war es so, dass, wenn

in einer Schule zu sein, und draußen ein

du wie Cannonball Adderley geklungen

Schneestruurm tobt mit Temperaturen von

Die Konflikte innerhalb der Organisation

hast, man dich nicht ernst nahm. Kollegen

20 Grad unter Null, aber man trotzdem geht,

waren ästhetischer Natur, allerdings von

fragten: Du hast Einflüsse von diesem

weil es gemacht werden muss - für solche

politischen Überzeugungen befeuert. Anthony

und jenem Musiker aufgenommen – aber

Jobs gibt es keine Konkurrenz, und trotzdem

Braxton geriet in die Schusslinie. Ihm wurde

welcher Teil bist du? Also musste man heim

müssen sie getan werden. Wenn man also

der Vorwurf gemacht, dass seine Musik zu

gehen und an sich arbeiten! Alle Mitglieder

den Konkurrenzkampf hinter sich lässt und

„europäisch“, zu „weiß“ klingen würde.

der AACM teilten diese Vision, deswegen

sich in den Dienst einer kooperativen Orga-

In meinem Buch stelle ich die widerstreiten-

nisation stellt, verändert das die gesamte

den Ideen dar. Konflikte werden nicht unter

neuen Ideen eine Plattform bieten. Es

Haltung. Oft gab es nämlich überhaupt kei-

den Teppich gekehrt, sondern herausge-

war der Kampf um eine eigenständige

war die Organisation so stark: Sie wollte

ne Gigs, um die man streiten konnte - also

arbeitet. Eine große Inspiration für meine

künstlerische Ausdrucksweise gegen den

organisierte man seine eigenen Konzerte!

Darstellung war Georgina Borns Arbeit über

Konformitätsdruck von Medien, Veran-

Das sind gemeinschaftliche Initiativen,

die IRCAM, das französische Zentrum für

staltern und Plattenindustrie. Letztendlich

wo man gemeinsam anpackt und nicht

Computermusik in Paris, ein Buch, das 1995

ging es um die Bewertungsmaßstäbe guter

gegeneinander arbeitet. Es geht also um

unter dem Titel „Rationalising Culture“ er-

Musik. Ein Musiker sagte einmal: „Lasst

die gemeinschaftliche Verwirklichung eines

schien. Es ist eine Studie über das Zentrum

uns die Standards spielen!“ Woraufhin ein

Traums, bei der es keine Rivalitäten gibt. Im

unter der Ägide von Pierre Boulez Mitte

anderer entgegnete: „Wessen Standards

Gegenteil: Dass ich meinen Traum verwirkli-

der 80er Jahre. Es geht um Motivationen,

meinst du?“ Diesen Konflikt hat die AACM

che, hindert niemand anderen daran, seinen

Konflikte, intellektuelle Ideen etc., woraus

ausgetragen – und die Auseinandersetzung

Traum zu verwirklichen.

sich ein dichtes Bild einer Institution ergibt,

hält bis heute an.

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moers festival 2009

magazin

Ernst-Ludwig Petrowsky, JazzFest 1994, Berlin

Fotos: Detlev Schilke / www.detschilke.de

MOERS / DDR

60 Jahre Staatsgründung Bundesrepublik Deutschland. Auch die DDR hätte 2009 ihren 60. Geburtstag gefeiert. Zudem 20 Jahre Fall der Mauer. Jahrestage, die 2009 das politische und gesellschaftliche Leben bestimmen. Doch für das moers festival ist ein anderer Jahrestag von Bedeutung: Vor 30 Jahren traten mit dem Berliner Improvisations Quartett um Hermann Keller und dem Ernst-Ludwig Petrowsky Oktett zum ersten Mal DDR-Musiker und -Bands im Westen auf. Anlass, um über die einstige Bedeutung des DDR-Jazz und dessen heutige Relevanz nachzudenken – was Wolf Kampmann macht.

Kaum ein anderes historisches Phänomen

künden von einem skurrilen Spaß-Idyll, das

der Leipziger Pianist Joachim Kühn, der dem

wird aus einer lächerlichen zeitlichen Distanz

mit dem Mauerfall weggefegt wurde wie der

Jazz über die Grenzen Deutschlands neue

von nur 20 Jahren dermaßen hemmungslos

Regenwald von der Brandrodung. Nur einem

Impulse verlieh. Nachdem Kühn 1965 in die

verklärt und romantisiert wie die DDR. Im

DDR-Phänomen widerfährt endlich Gerech-

Bundesrepublik gegangen war, wurde es

Prenzlauer Berg, dem Herzen des alten

tigkeit: dem Jazz.

zunächst einmal still um den Jazz zwischen

Ostberlin, schmücken sich Intellektuelle

Doch blicken wir erst einmal zurück. Jazz aus

Ostsee und Erzgebirge. Bis sich dann eine

aus NRW und Schwaben mit FDJ-Hemden,

Deutschland Ost hat eine lange Geschichte.

ganz neue Avantgarde zu formieren begann.

NVA-Trainingsjacken und VoPo-Mützen, so

Gleich nach dem Krieg war das ostdeutsche

Musiker wie Ernst-Ludwig Petrowsky, Ulrich

genannte Ostels laden Nostalgie-Touristen

Label AMIGA überhaupt die erste Anlauf-

Gumpert, Günter Sommer und Conrad Bauer,

zu authentischer DDR-Gemütlichkeit in

station für eine spielwütige pangermanische

die mit ihrer gemeinsamen Band Synopsis

der „Platte“ ein und lustige Spielfilmchen

Jazz-Liga. In den 1960ern war es vor allem

eine Art Flaggschiff der ostdeutschen Szene


magazin

moers festival 2009

auf Fahrt brachten, Friedhelm Schönfeld oder Manfred Schulze

onen der eigenen Szene innerhalb der DDR erhältlich waren,

entdeckten nicht nur den Free Jazz, sondern vermochten

interessierte weder Macher noch Verantwortliche. Dafür

diesem Genre derart eigenständige Aussagen hinzuzufügen,

zogen die DDR-Jazzer eine ganze Reihe internationaler

dass die improvisierte Musik aus Deutschland-Ost schnell zum

Größen in Honeckers Republik. Lange bevor ähnliches im Rock

Markenartikel wurde. Wenn der österreichische Polit-Rocker

denkbar gewesen wäre, fanden in Dresden, Leipzig, Berlin

Georg Danzer skandierte: „nur in Freiheit kann die Freiheit Frei-

und Peitz Jazz-Festivals mit reger internationaler Beteiligung

heit sein“, wurde das in der DDR auf den Free Jazz umgemünzt.

statt. Berliner Konzertreihen wie „Jazz in der Kammer“ oder

Ein Land, dessen Musiker derartig frei musizieren, könne

die legendären Montagskonzerte im Haus der jungen Talente

doch nicht seine Bevölkerung unterdrücken. Anders als im

sorgten für einen regen Austausch auf der Szene. Musiker

Rock-Bereich wurden Messages im Jazz nicht auf unmittelbar

der zweiten deutschen demokratischen Free-Jazz-Generation, Johannes Bauer, Uwe Kropinski, Dietmar Dies-

verbalem Weg ans Publikum weitergegeben, weshalb er Partei und Staatsführung auf den ersten Blick weniger verfänglich erschien. Volker Schlott, der mit den Fun Horns einer der wenigen Bands angehört, die seit DDR-Ende immer

„Jazz war in der DDR die einzige Möglichkeit, nicht anzuecken und trotzdem zu machen, was man wollte.“ Volker Schlott

noch erfolgreich weiterbestehen, brachte es einige Jahre nach Mauerfall auf den Punkt:

ner oder Joe Sachse, erfanden immer neue Kombinationen und erspielten sich schnell einen glänzenden Ruf auf der europäischen Jazz-Bühne. Erstaunlicher Weise hielt das Publikum seinen Musikern trotz oft monatelanger Abwesenheit und einer für DDR-Verhältnisse schwer nachvollziehbaren Veröffentlichungspolitik die

Treue. Ja, man empfand sogar Stolz auf die Anerkennung, die

„Jazz war in der DDR die einzige Möglichkeit, nicht anzuecken

die heimische Jazz-Szene im Ausland erhielt. Insofern ging die

und trotzdem zu machen, was man wollte.“

Rechnung mit den Diplomaten mit Saxofon auch nach innen

Eine Infrastruktur von Jazz-Clubs gab es zum Zeitpunkt der

auf. Welche kulturpolitschen Ränke dafür im Hintergrund

Emanzipation des Free Jazz in der DDR nicht. Jazz-Veranstal-

geschmiedet wurden, wird wahrscheinlich niemals restlos

tungen wurden in der Regel auf der Basis von Kulturhäusern

aufgearbeitet werden. Auch wenn sich der real existierende

getragen. Das Netz der Subventionen funktionierte landesweit

DDR-Jazz gern subversiv gebärdete, war er doch keineswegs

perfekt. Dafür, dass sich der Free Jazz so gut durchsetzen

ein Phänomen eines wie auch immer gearteten Undergrounds.

konnte, machte Posaunist Johannes Bauer die Einführung

Sondern ein Werkzeug der offiziellen DDR-Kulturpolitik, das

von Discotheken vertantwortlich. „Es gab ja unzählige Rock-

von Partei und Staat hingenommen und zielgerichtet einge-

und Soul-Bands, in denen die späteren Free-Jazzer spielten.

setzt wurde. Wer sich sträubte, wurde im Jazz ignoriert und

Modern Soul Band, S.O.K. und wie sie alle hießen. Diese

drangsaliert, wie Manfred Schulze oder viele Angehörige der

Bands hörten auf, eine Rolle zu spielen, als in der DDR die

Leipziger Improv-Szene schmerzlich erfahren mussten. Die

Discotheken erfunden oder endlich übernommen wurden. All

Diktatur des Proletariats machte auch vor dem Jazz nicht Halt.

die Musiker, die keine Lust mehr hatten, sich noch einmal auf

Trotzdem verlor der Free Jazz in den mittleren 1980ern seine

diesen ganzen modischen Quatsch umzustellen, konzentrierten

Dominanz. Mit Bands wie College und den Fun Horns sowie

sich plötzlich auf ihre eigene Musik. Die Tatsache, dass das

Musikern wie Schlott, Thomas Klemm, Jörg Huke, Axel Donner,

so gut ging, hatte nichts damit zu tun, dass der Staat das

Charlie Eitner und Pascal von Wroblewski fasste eine ganz

besonders gefördert hätte, sondern eher damit, dass jedes

neue Szene Fuß, die kaum Berührungspunkte zu den bereits

Kulturhaus über eigene Mittel verfügte. Wenn in so einem

Etablierten aufwies. Die nachwachsende Szene erfreute sich

Kulturhaus jemand saß, dem das gefiel, dann hat er es eben

zwar nicht so glänzender Kontakte in den Westen, doch die

mit seinen Mitteln veranstaltet. Wichtig für den späteren

wenigen Platten, die sie im Osten machen konnten, zeugten

Stellenwert des Free Jazz war auch, dass die Musiker, die aus

von künstlerischem Selbstbewusstsein und hohem Niveau.

diesen Rock- und Soul-Bands kamen, ihr eigenes Publikum

Als 1985 in Weimar die DDR-Jazztage einberufen wurden,

mitbrachten. Ulrich Gumpert hatte immer seinen Hörerkreis

war das kein Beleg dafür, dass sich die Szene in sich selbst

von S.O.K., die wirklich zum Tanz gespielt hatten, behalten. Die

zurückgezogen hätte. Im Gegenteil: ein umso deutlicherer

kamen eben später in die Jazz-Konzerte.“

Ausdruck von Selbstvertrauen innerhalb der internationalen

Bereits in den 1970ern entwickelte sich eine enge Beziehung

Jazz-Landschaft, aber auch von endgültiger Integration in den

zwischen der DDR-Free-Jazz-Szene und dem Westberliner

DDR-Kulturalltag. Endlich fanden auch Musiker und Bands

Label Free Music Production. Dass die wenigsten Produkti-

Anerkennung, die dem Underground angehörten. Endlich

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moers festival 2009

magazin

Ulrich Gumpert, Workshop Freie Musik Berlin, 1992

stand die Szene von Leipzig gleichberechtigt neben der von

schaften des DDR-Jazz aus ihrem politischen

Berlin. Ende 89 veranstaltete der Jazz Club Berlin das erste

Korsett befreit und geschichtlich rehabilitiert

und einzige Amateur Jazz Festival der DDR, dessen öffentliche

werden. Dabei fällt weniger ins Gewicht,

Wahrnehmung jedoch dem politischen Umbruch zum Opfer fiel.

dass – künstlerisch zuweilen fragwürdige –

Mit der DDR verschwand auch ihre Jazz-Szene. Nur wenige

Archivaufnahmen aus DDR-Zeiten erstmals

Institutionen wie die Leipziger Jazztage, das Dixieland Festival

das Licht der Welt erblicken und Veteranen

Dresden oder der Jazzkeller 69 e.V. konnten sich im vereinten

wie die Bauer-Boys, Gumpert, Sommer oder

Deutschland behaupten. Die genetische Stammzelle des DDR-

Friedhelm Schönfeld weiterhin Platten pro-

Jazz, Synopsis, hatte sich im Zuge der Wende sarkastisch in

duzieren können. Viel entscheidender ist eine

Zentral Quartett umbenannt. Und auch die Fun Horns reisten

junge Generation von Musikern, die auf den

weiterhin fröhlich durch die Welt. Ansonsten führten die Relik-

Fundamenten des DDR-Jazz aller politischen

te der ostdeutschen Jazzszene eine traurige Existenz zwischen

Vereinnahmung unverdächtig jene Bollwerke

Verklärung und Überlebenskampf.

musikalischen Freigeistes errichten können,

Bis einige Jahre nach der Jahrtausendwende eine ebenso schil-

die die Protagonisten des DDR-Jazz so gern

lernde wie umstrittene Eminenz des DDR-Jazz auf die Szene

erklommen hätten.

zurückkehrte. Ulli Blobel hatte die Jazzkonzerte in Peitz geleitet,

20 Jahre nach Scheitern des Sozialismus ist

fiel Anfang der 1980er in Ungnade und ging in den Westen, um

die Gesellschaft erneut im Umbruch, Karl

von Wuppertal aus erneut seine Strippen zu ziehen – oft zum

Marx genießt eine unerwartete Renais-

Missfallen der Konkurrenz. Er stand nicht im besten Leumund,

sance. Vielleicht ist damit auch der Moment

ließ sich aber nicht kleinkriegen und gründete mit seinem Label

gekommen, den DDR-Jazz neu zu bewerten.

Jazzwerkstatt Berlin eine Plattform, auf der die Errungen-

Ein erster Schritt ist gemacht.



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moers festival 2009

geschichte

ZEITZEUGEN / DR. JÜRGEN SCHMUDE

Eine Politiker-Laufbahn: 25 Jahre lang war der Moerser Dr. Jürgen Schmude von 1969 an für die SPD Abgeordneter im Deutschen Bundestag – und auch als Minister für Bildung und Wissenschaft (19781981), Minister der Justiz (1981-1982) und im September 1982 Innenminister beim Übergang von der sozial- zur christliberalen Koalition, wenige Tage vor dem Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Doch seiner Heimatstadt (und seinem Wahlkreis) Moers blieb er währenddessen eng verbunden – auch und gerade in Fragen der Kultur. So dankte ihm z. B. Burkhard Hennen in seinem Grußwort im Programmheft zum „8. Internationalen New Jazz Festival Moers“ für seine spontane Hilfe, die 1979 „eine kurz vor dem Festival aufgetretene Finanzierungslücke schließen half“. Martin Laurentius sprach mit Dr. Jürgen Schmude über ...

… dessen Unterstützung für das moers

... 15 Tage als Innenminister am Ende der

schon Parlamentarischer Staatssekretär im

sozialliberalen Koalition 1982:

Bundesministerium des Innern war. Folglich

festival 1979:

Die Koalition brach auseinander und es ging

musste ich diese 15 Tage absolvieren. In

Da gab es mehrere Gelegenheiten, dem

nun darum, zum ersten Mal in der Geschichte

dieser Zeit habe ich z. B. noch irgendein Gesetz

Festival zu helfen, sodass ich mich nicht mehr

der Bundesrepublik während einer laufenden

eingebracht, das die SPD anschließend in

genau an alle erinnere. Das Festival hatte

Legislaturperiode einen ordentlichen Übergang

der Opposition verworfen hat, obwohl sie

besonders in der ersten Zeit seine Probleme

von einer Regierung zur nächsten zu gewähr-

vorher dafür war. (Lacht.) Oder ich habe eine

und war auch bei bestimmten Gruppen in der

leisten. Schon damals wusste man, dass es ein

chinesische Delegation von Sportlern und

Bürgerschaft unbeliebt. Da waren Fürsprache

konstruktives Misstrauensvotum geben wird

Professoren empfangen – und andere, ähnliche

und Hilfe schon angezeigt. 1979 war ich

– so, wie es im Grundgesetz vorgesehen ist.

Dinge, bei denen man sich fragen konnte, ob

Bundesbildungsminister und konnte mich

Dieser Übergang musste in einer ordnungsge-

sie überhaupt noch notwendig gewesen wären.

nützlich machen, als es um die Finanzierung

mäßen, anständigen Form erledigt werden, und

Doch in der Tat kann nur so eine Demokratie

des Auftritts einer Band aus der DDR ging.

wir mussten dafür sorgen, dass die Regierungs-

in einer Umbruchphase überzeugend weiter funktionieren.

Das Innerdeutsche Ministerium oder sein

geschäfte weiterlaufen konnten. Das war die

Gesamtdeutsches Institut hatten Mittel für

Aufgabe, vor der wir damals standen. Und da

solche Vorhaben. Das wird Burkhard Hennen

ich Bundesminister der Justiz war, bot sich für

... den Festivalgründer Burkhard Hennen:

wohl gemeint haben.

diese kurze Übergangsphase das Innenressort

Burkhard Hennen war schon bei meinem ersten

an – auch deshalb, weil ich von 1974 bis ’76

Bundestagswahlkampf 1969 ein agiler „68er",


geschichte

moers festival 2009

der meine Wahlversammlungen ordentlich

tige Besucher, sondern auch für die Bürger in

„nichtangegliederte“ Vororte ihr Dasein fristen.

aufmischte. Ich kannte ihn ja schon aus dem

unserer Stadt. Sie können, ob sie nun z. B. das

Das dürfen wir Moers nicht antun.

CVJM und verfolgte seinen weiteren Weg sehr

Festival besuchen oder nicht, solche Ereignisse

Die gegenwärtige Wirtschaftskrise mit ihren

aufmerksam. Und weil ich in den 70ern auch

als kulturelle Leuchttürme hier in der Stadt

Erfordernissen wie Konjunkturprogramme und

Mitglied des Kulturausschusses der Stadt Mo-

erleben und sie als ein Stück eigener Identität

Investitionen belastet natürlich die öffentlichen

ers war, war ich sehr daran interessiert, dass

wahrnehmen. Solche kulturellen Höhepunkte,

Finanzen außerordentlich. Zudem ist die Gefahr

hier in der Stadt etwas Gutes und Wegwei-

stärken das Zugehörigkeits- und Heimatgefühl

groß, dass nach einem Rückgang der Steuer-

sendes passierte.

für diese Stadt.

einnahmen auch darüber gesprochen wird, wie

Auch in Großstädten gibt es Festivals wie das

mögliche Finanzlöcher zu stopfen sind.

... sein Interesse an Jazz und improvisier-

moers festival. Doch gelangen sie nie zu der

Erfreulicherweise lässt sich Moers gegen-

Bedeutung, wie es das moers festival für uns

wärtig nicht von der Krise und deren Folgen

hat. Dort stehen solche Veranstaltungen immer

beeindrucken. Hier in Moers sind z. B. zurzeit

Gleichwohl habe ich so gut wie keines der Fe-

in Konkurrenz zu großen, zentralen Angeboten,

außerordentlich große Bauvorhaben im

stivals hier in Moers versäumt. Mit meiner Frau

die das kulturelle Gepräge einer Großstadt be-

Beschlussverfahren oder schon entschieden.

habe ich dabei an vielem Freude gehabt,

stimmen. Was aber dort an kleinen Ereignissen

Prinzipiell halte ich das für richtig, obwohl ich

obwohl wir nicht wesentlich an Sachverstand

nebenher läuft, das bleibt auch Nebensache

Stadt arg beanspruchen. Doch nur neue Gebäu-

Fotos: Helmut Berns

ter Musik: Mein Hauptinteresse gilt eigentlich der Klassik.

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weiß, dass solche Vorhaben die Finanzen einer gewinnen konnten. Aber das Festival ist ja

und erhält niemals den Stellenwert, wie es

de hinzustellen, gleichzeitig aber Streichungen

auch keine Studienveranstaltung. Sondern

in einer zwar überschaubaren, aber immerhin

im Kulturangebot diskutieren zu wollen, das

eines, das man genießen kann. Wobei es immer

noch mit mehr als 100.000 Einwohnern großen

wäre so, als ob man sich eine teure neue

auch Konzerte gab, bei denen ich mir hinterher

Stadt wie Moers der Fall ist. Das ist die Chance

Wand leisten wollte, aber dann kein Licht hätte,

eingestehen musste, dass ich überhaupt nichts

für Moers: ein eigenständiges Profil zu finden.

um sie zu beleuchten.

... das moers festival in Zeiten der globa-

... das „neue“ moers festival unter Reiner

len Finanzkrise:

Michalke:

verstanden habe oder sie mich überhaupt nicht positiv berührt haben. ... die Bedeutung von Kultur in Moers:

Zurzeit gibt es in der Stadt keine Widerstände

Ich freue mich sehr darüber, dass Reiner

Von Anfang an ging es mir wie anderen darum,

gegen das Festival. Doch können in Zukunft

Michalke die Leitung des Festivals übernom-

dass Moers nicht nur der westliche Vorort

finanzielle Engpässe dazu führen, dass man sich

men hat und das moers festival in dieser

einer benachbarten Großstadt ist. In der

Gedanken über den Fortbestand des Festivals

sympathischen und vielversprechenden Weise

Regel schaut man eher auf das Zentrum einer

macht. Das wäre fatal: Denn wer seine Stadt

fortführt. Es macht mir Spaß und ist von groß-

Großstadt als auf eine Stadt von der Größe wie

in ihrer Heimatqualität und ihrer Identität

em Interesse, ihn dabei zu beobachten und die

Moers. Und da wollten wir zeigen, dass sich

schwächt, nur um zu sparen, der stößt sie auf

Ergebnisse seiner Arbeit miterleben zu können.

hier in Moers etwas bewegt, dass hier kulturell

den Rang jener Städte zurück, die mit respek-

Mit seinen bisherigen Festivalprogrammen hat

Wertvolles geboten wird. Nicht nur für auswär-

tabler Größe im Schatten von Großstädten als

er jedenfalls eine glückliche Wahl bewiesen.


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moers festival 2009

geschichte

8. INTERNATIONALES NEW JAZZ FESTIVAL MOERS 1979

Wir erinnern uns: 1978 forderte Burkhard

Broadcast Union“ (EBU), einem Zusammen-

Hennen professionelle Strukturen, um eine

schluss verschiedener öffentlich-rechtlicher

Veranstaltung von der Größe des moers

Rundfunkanstalten aus Europa. Eine Tatsache,

festival adäquat organisieren zu können.

die auch Einzug ins Festival-Programm hielt:

Seine Forderung fand zum Teil Gehör. So

Die von der EBU initiierte Europamerica Big

war beispielsweise 1979 zum ersten Mal der

Band mit Musikern aus Frankreich und den

Westdeutsche Rundfunk als Co-Veranstalter

USA eröffnete den zweiten Festivaltag. Und

mit im Boot – zusammen mit der „European

machte einen der inhaltlichen Schwerpunkte beim moers festival an Pfingsten 1979 deutlich: Jazz-Orchester. Das Globe Unity Orchestra um Alexander von Schlippenbach reiste vor 30 Jahren ebenso an den Niederrhein wie das Leo Smith/Roscoe Mitchell Creative Orchestra aus Amerika, die Loek Dikker – Waterland Big Band aus Holland und – als Höhepunkt am letzten Festivalabend – das Sun Ra Arkestra. Schaut man in die Feuilleton-Artikel über den Festivaljahrgang 1979, dann stellt man fest: Das „Internationale New Jazz Festival Moers“ konnte sich weltweit als Mekka für eine moderne, vielgestaltige Improvisationsmusik etablieren. Und das gerade einmal sieben Jahre nach Gründung.


geschichte

moers festival 2009

01.06.1979 Globe Unit Orchestra (BRD/GB/USA) Alexander von Schlippenbach, p / Kenny Wheeler, tp / Enrico Rava, tp / Mark Charing, tp / Roswell Rudd, tb / Albert Mangelsdorf, tb / Paul Rutherford, tb / Günter Christmann, tb / Evan Parker, ts / Gerd Dudek, ts / Tristan Honsinger, cl / Bob Stewart, tu / Buschi Niebergall, b / Paul Lovens, perc

Fred Anderson Quartet (USA) Fred Anderson, ts / Bill Brimfield, tp / Steven Palmore, b / Hank Drake, dr

Sun Ra Solo (USA) Sun Ra, p

Chico Freeman Quartet (USA) Chico Freeman, ts / Jay Hoggard, vib / Rick Roozie, b / Don Moyé, dr

02.06.1979 Europamerica Big Band (F/USA) Jef Gibson, keyb / François Couturier, keyb / François Jeanneau, sax / Jean-Louis Chautemps, ts / Philippe Maté, sax / André Jaume, sax, cl / Alain Halot, ts / Patrick Bourgoin, sax / Jacques Di Donato, sax / Jean-Charles Capon, cl / Pierre-Yves Sorin, b / Jacques Thollot, dr / Byard Lancaster, sax

Rova Saxophone Quartet (USA) Larry Ochs, sax / Jon Raskin, sax, cl / Andrew Voigt, sax / Bruce Ackley, ss, cl

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moers festival 2009

Bary Altschul Trio (USA) Barry Altschul, dr / Ray Anderson, tb / Mark Helias, b

Breuker/Cuypers Duo (NL) Willem Breuker, sax, cl / Leo Cuypers, p

Free Music Trio (J) Yoshiaki Fujikawa, as / Keiki Midorikawa, b, cl / Yoshisaburo Toyozumi, dr

03.06.1979 Leo Smith/Roscoe Mitchell Creative Orchestra (USA) Leo Smith, tr / Mike Mossman, tr / Kenny Wheeler, tr / Rob Howard, tr / Roscoe Mitchell, sax / Douglas Ewart, sax, cl / Dwight Andrews, sax / Marly Ehrlich, sax / Wallace McMillan, sax / George Lewis, tb / Alfred Patterson , tb / Sugh Ragin, tb / Ray Anderson, tb / Bobby Naughton, vib / Marilyn Crispell, p / Wes Brown, b / Paul Maddox, dr

Berliner Improvisations Quartett (DDR) Hermann Keller, p / Manfred Schulze, bs, cl / Andreas Altenfelder, tp / Wilfried Staufenbiel, cl, voc

Lewis Jordan Quartet (USA) Lewis Jordan, sax / George Sams, tp, flh / Andrew St. James, b / Carl Hoffman, dr

James Newton Quartet (USA) James Newton, fl / Anthony Davis, p / Rick Roozie, b / Paul Maddox, dr

geschichte


geschichte

moers festival 2009

Sunny Murray Trio (USA) Sunny Murray, dr / Odeon Pope, ts / Malachi Favors, b

04.06.1979 Loek Dikker – Waterland Big Band (NL) Loek Dikker, p / Leo van Oostrom, sax / Keshavan Maslak, sax / Gerd Dudek, sax / Ferdinand Povel, sax / Frank Grasso, tp / Boy Raymaakers, tp / Toon de Gouw, tp / Niels Lindgren, tb / Willem van Maanen, tb / Gerhard Zwiers, tb / Jerome Goldslein, vib / NicoLangenhuisen, b / Joopvan Eroen, dr

Jimmy Lyons Quartet (USA) Jimmy Lyons, as / Karen Borca, bassoon / Jay Oliver, b / Paul Mercy, dr

Ernst-Ludwig Petrowsky Octett (DDR) Ernst-Ludwig Petrowsky, sax / Manfred Hering, sax / Helmut Forsthoff, sax / Heinz Becker, tp / Conny Bauer, tb / Ulli Gumpert, p / Klaus Koch, b / Baby Sommer, dr

George Lewis Quartet (USA) George Lewis, tb, elektronium / Douglas Ewart, sax, cl / J.D. Parron, sax, cl / Richard Teitelbaum, synth

Sun Ra Arkestra (USA) 23-piece band including Sun Ra, p / John Gilmore, ts / Marshall Allen, sax / Danny Thompson, bs / Leroy Taylor, b-cl / Michael Ray, tp / James Jackson, bassoon / June Tyson, voc / Arrie Wilson, vib / Steve Steven, dr / Richard Wilkinson, specialeffects

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moers festival 2009

impressum & service

Festivalmotiv: TEC! moers festival-Radio: Diana Arapovic, Johanna Moers Kultur GmbH

Künstlerische Leitung: Reiner Michalke

Bächer (Chefredaktion), Nina Fiedler, Dietmar Horn,

Nordring 5, 47441 Moers

Kuratorin „daydream@Dunkelzelt“: Echo Ho

Cornelius Kämmerlings, Daniel Laig, Keno Mescher

Telefon: +49 (0) 2841 / 367 3675

Kuratorin „morning sessions@Tribera“:

Podcasts: Elmar Fasshauer, Studenten der KHM Köln

Fax: +49 (0) 2841 / 367 1520

Angelika Niescier

Festival Blog: Tinka Koch

E-Mail: info@moers-festival.de

Kurator „night sessions@Bollwerk“: Boris Graue

Musikerbetreuung: Jana Heinlein

Web: www.moers-festival.de

Festivalbüro: Oliver Baerbeler, Lena Klein, Sabine

Kassenleitung: Alexandra Kinne

Geschäftsführung: Ralf Worgul

Lange, Agnes Psykala, Karl Martin Wagner, Lina Woelk

Orga-Zelt: Sandra Baetzel, Jonna Grimmstein

Vorsitzende des Aufsichtsrats: Carmen Weist

Artist Relation: Anandita Schinharl

Produktionsleitung: Gerhard Veeck

Vorsitzender des Beirats: Christoph Melzer

Public Relation: Kornelia Vossebein, Doro Zauner

Technisches Team: Oliver Müller (Stagemanager),

Marketing: Oberhaus Kulturmanagement

Frank Kasper (Sound System Designer), Mark Buss

Webmaster: Olaf Kluck, Lucy Cathrow (Übersetzungen)

(MON Ingenieur), Martin Pohl (FOH Ingenieur), Martin

Corporate Design: Boros GmbH

Conrath (Lichtoperator), Francesco Resch (Licht-

Agentur für Kommunikation

techniker), Martin Gottschall (Videotechniker), Björn

Festivalticket: Vorverkauf¹ 75,- €, Tageskasse 85,- €

Screendesign: LOBO – Analogue and Digital Design

Wiesehöfer & Sebastian Wendt (Mikrophonierer),

Tagesticket: Vorverkauf¹ 32,- €, Tageskasse 32,- €

Moderation Festivalzelt: Johanna Bächer,

David Schumacher & Manuel Knorr (Stageassisten-

Jugendliche²: Festivalticket: 35,- € Tageskasse,

Elke Kuhlen

ten), Katrin Hallenberger (Master of Ceremony)

Tagesticket: 16,- € Tageskasse ¹ Vorverkauf zzgl. Vorverkaufsgebühren ² Jugendliche bis einschließlich 23 Jahre (nur an der Tages/Abendkasse am jeweiligen Spielort mit Lichtbildausweis)

Tickets „night session@Bollwerk“: Freitag 6,- €, Samstag 9,- €, Sonntag 9,- € Bollwerk-Ticket für alle drei Nächte 12,- € (nur an der Abendkasse am Spielort)

Vorverkauf: Tickets gibt es zzgl. Gebühr an allen bekannten Vvk-Stellen, Festivaltickets ohne Gebühr bis zum 24. Mai unter www.moers-festival.de

Redaktion: Martin Laurentius (Chefredaktion), Reiner Michalke (V.i.S.d.P.), Kornelia Vossebein Autoren: Christian Broecking, Franziska Buhre, Jörg Heyd, Wolf Kampmann, Reinhard Köchl, Ulrich Kurth, Uli Lemke, Hank Shteamer, Christoph Wagner Fotografen: Agenturen, Helmut Berns, Matthias Creutziger, Nate Dorr, Laura Fleishman, Christioph Giese, Daniel Sheehan, Detlev Schilke Übersetzung: Jana Heinlein

Adressen:

Grafik: Anne Barg, Birthe Berns

Festivalzelt, Freizeitpark Moers

Produktion: Agentur Berns, www.agenturberns.de

Schlosstheater Moers, Kastell 6

Auflage: 5.000

Dunkelzelt gegenüber dem Schlosstheater, Kastell 6 Kantine im Neuen Rathaus,Eingang über Kastell Evangelische Stadtkirche, Klosterstraße Wichtiger Hinweis:

Festival- und Tagesticket berechtigen zum Eintritt zu den Konzerten im Hauptzelt,

Bollwerk 107, Homberger Str. 107 (am Bahnhof Moers) Die Röhre, Weygoldstraße 10

„night sessions@Bollwerk“ und in das Freibad „Solimare“. Für „morning sessions@Tribera“,

Tribera, Triangle Below Rathaus, Kantine im Neuen

„klangwerkstatt@Stadtkirche“, „daydream@Dunkelzelt“ und „Die Röhre“ ist der Eintritt frei!

Rathaus, Schlosstheater Moers, Dunkelzelt


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Was sich abspielt, erfahren Sie bei uns.

Die Musiker brillieren mit Können und mit Freude an der Improvisation. Und nicht weniger begeisternd ist unser Arrangement aus kreativen Ideen rund ums Geld. Ob Spartipps, Geldanlagechancen oder Kredit nach Maß: Unsere Angebote sind Musik für Ihre Ohren. Hören Sie doch gleich bei uns rein! Wenn’s um Geld geht – Sparkasse.


ÜBERSICHT Freitag, 29. Mai 2009 Simon Rummel „Fantasmofonika“ | 17 Uhr Zs | 18 Uhr Eivør Pálsdóttir | 19 Uhr Elephant9 | 20.15 Uhr SpokFrevo Orquestra | 21.30 Uhr

night sessions @ Bollwerk 107 | 20 Uhr

Samstag, 30. Mai 2009 Wanja Slavin Sextett | 15 Uhr Valgeir Sigurðsson & Band | 16.15 Uhr Mostly Other People Do the Killing | 17.30 Uhr

morning sessions @ Tribera* | 11 - 13 Uhr Klangwerkstatt @ Stadtkirche | 14 Uhr Daydream @ Dunkelzelt | 14 - 20 Uhr

The Trio | 20 Uhr Eivind Aarset Sonic Codex Orchestra | 21.15 Uhr Wayne Horvitz „Zony Mash“ plus Horns | 22.30 Uhr

night sessions @ Bollwerk 107 | 18 Uhr night sessions @ Röhre | 24 Uhr

Sonntag, 31. Mai 2009 The Black Napkins | 15 Uhr Colin Stetson solo | 16.15 Uhr Guillermo Klein Y Los Guachos | 17.30 Uhr

morning sessions @ Tribera* | 11 - 13 Uhr Klangwerkstatt @ Stadtkirche | 14 Uhr Daydream @ Dunkelzelt | 14 - 20 Uhr

Darcy James Argue & Secret Society | 20 Uhr Timucin Sahin 4 | 21.15 Uhr Rokia Traoré | 22.30 Uhr

night sessions @ Bollwerk 107 | 18 Uhr night sessions @ Röhre | 24 Uhr

Montag, 01. Juni 2009 Nisennenmondai | 14 Uhr Tim Isfort Tentett | 15.15 Uhr Extra Life | 16.30 Uhr sOo‘s cOllage | 17.45 Uhr Marc Ribot‘s Ceramic Dog feat. Eszter Balint | 19 Uhr

Programmänderungen vorbehalten! *Triangle Below Rathaus: Schlosstheater, Rathaus-Kantine, Dunkelzelt

morning sessions @ Tribera* | 11 - 13 Uhr Klangwerkstatt @ Stadtkirche | 13 Uhr Daydream @ Dunkelzelt | 14 - 17 Uhr


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