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Vorwort
Andreas Rudigier
Die Montafoner Museen sind seit einiger Zeit um „Grenzüberschreitungen“ im geografischen Sinn bemüht. Neben anderen Talschaften in Vorarlberg werden zunehmend Institutionen in der einst so nahen Schweiz zu Partnern. Die Durchführung von Exkursionen nach Graubünden, die Teilnahme an überregionalen Arbeitskreisen zur Regionalgeschichte, die Mithilfe bei der Organisation der 9. Alpgespräche auf der alten Walsersiedlung Guscha und vor allem das durch und durch grenzüberschreitende Projekt der ViaValtellina stehen neben weiteren Veranstaltungen für den in jüngster Vergangenheit vielfach zitierten und seitens der Montafoner Museen geübten „Blick über den Tälerrand“. Wer im Montafon kann heute noch die Ortschaften des benachbarten und geografisch ähnlich großen Prättigaus aufzählen oder die zahlreichen Übergänge benennen, die auf zum Teil kurzen und heute dennoch mühsam empfundenen Wegen in die Nachbarschaft führen? Wir können heute nicht mit Bestimmtheit sagen, wie es um die geografischen Kenntnisse der Montafonerinnen und Montafoner in der Vergangenheit bestellt war – was aber zweifellos feststeht, ist das Wissen um die wirtschaftliche Bedeutung der südwestlichen Grenze und hier vor allem um die Notwendigkeit, bestimmte Waren an den „Finanzern“ vorbeizutragen, um damit für manche Montafoner Familie einen bescheidenen Wohlstand zu ermöglichen.
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Das Schmuggelwesen der „guten alten Zeit“ bietet in unseren Tagen Raum für manche Anekdote, und die romantisch angehauchte Verklärung dieses Themenkreises lässt heute das Herz manchen Touristikers höher schlagen, wenn es gilt, auf alten, nicht ausgetretenen Pfaden dem Tourismus neue Impulse zu geben.
Und so, wie das Schmuggeln in ausgeschmückter Form in Erinnerung bleibt, bleiben auch einzelne Menschen im Gedächtnis, die in Zeitzeugenberichten gleichsam als Helden verehrt werden. „Klusthöny“ aus Klosters ist ein solcher, und auf Montafoner Seite fällt immer wieder der Name Meinrad Juens aus St. Gallenkirch. Als professioneller Schmuggler – und deshalb mit guten Kennt-
nissen zur Wegsituation in der Grenzregion ausgestattet – entwickelte sich Juen in der Zeit des Nationalsozialismus zur wichtigsten Ansprechperson für Flüchtlinge. 42 jüdische Menschen soll er über die Grenze in die Freiheit geführt haben. Ernst Eisenmayer, Jura Soyfer, Nikolaus Staudt und zwei namentlich nicht bekannten Jüdinnen war dieses Glück nicht beschieden. Fünf Personen, die für die Folgen eines wahnsinnigen Regimes stehen, fünf Personen, deren Hoffnungen und Wünsche nicht erfüllt wurden. Die vorliegende Publikation möge die Erinnerung an diese Personen stellvertretend für alle Opfer des Nationalsozialismus wach halten, die ihre Heimat verloren und meist auch ihr Leben lassen mussten.
Für die Montafoner Museen und den Heimatschutzverein Montafon möchte ich mich bei der Herausgeberin Edith Hessenberger für ihr großes Engagement und die gelungene Arbeit bedanken, allen weiteren Autoren sowie allen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gilt der Dank für die Mitarbeit beziehungsweise Unterstützung. Ebenso darf ich mich bei allen finanziellen Förderern des Projekts zu den „Grenzüberschreitungen“ bedanken. Hier ist im Besonderen Bernhard Maier hervorzuheben, der sich mit dem unendlichen bürokratischen Aufwand des Interreg-Programms auseinander zu setzen hatte. Dank ist auch unseren Prättigauer Freunden auszusprechen, die unsere Grenzüberschreitung wohlwollend aufnahmen und zu einer gemeinsamen werden ließen.
Das Buch möge allen Menschen gewidmet sein, die voller Hoffnung ins Montafon kamen, um über diesen Umweg den Weg in die Freiheit zu finden, und die letztlich hier verraten wurden. Und es möge auch jenen Menschen gewidmet sein, die sich heute auf der Flucht befinden und eine Rast im Montafon eingelegt haben. Wünschen wir Ihnen, dass wenigstens ihre Hoffnungen nicht unerfüllt bleiben.
Andreas Rudigier Mai 2008