mosaik31 - und jetzt raus hier

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mosaik

und jetzt raus hier

Ausgabe 31 • Frühling 2020 • Salzburg

Zeitschrift für Literatur und Kultur


INHALT

37 BABEL

7 FRAUEN MIT GELD Martin Peichl – Männer ohne Eigenschaften Hera R. Blau – Zwei Bier und wir Kanella Baleka – Tommy, Montag 11:00, Musikkonservatorium Kerstin Nethövel – Explosionen

19 PLATZ AM RAND

Unsere Affinität zu slawischen Sprachen rührt nicht von irgendwo her: Seit den Anfängen unserer Arbeit als Zeitschrift kamen wir des Öfteren mit Autor*innen in Berührung, die östlich der Salzach ihre ersten literarischen Schritte unternahmen und mittlerweile in Ländern wie Slowenien, Tschechien oder Serbien feste Größen in ihren heimischen Literaturszenen sind. So wie etwa der preisgekrönte und in dieser Ausgabe von BABEL vertretene, slowenische Dichter Uroš Prah, mit dem uns auch das Zeitschriftenwesen verbindet (Uroš war jahrelang Redakteur der in Slowenien äußerst populären Literaturzeitschrift IDIOT). Daneben schätzen wir sehr die Arbeit von Übersetzer*innen wie Patrick Valouch, der nie müde wird, uns die spannendsten neuen Autor*innen aus Osteuropa in eigener Übersetzung vorzustellen. Dass sich in dieser Ausgabe ein Holländer eingeschlichen hat, sei jetzt mal dahingestellt – auch Holland liegt ja schließlich östlich vom Meer.

Patricia Büttiker – Short Pieces

Karel Jan Capek – Mrtví na lovu / Die Toten

Bülent Kacan – Agitatoren und Abgründe

auf der Jagd (Tschechisch)

Angelika Brünecke – Unsicherbar

Volha Hapeyeva – жыву […] / Ich wohne […]

Michael Pietrucha – „Hajastan“ – oder

(Belarussisch)

Katsjaryna Makarewitsch – мора? / das meer?

Die Armenischen Miniaturen

29 SCHWITZWÄSSER NÄCHTENS

(Belarussisch) Uroš Prah – jutro ob bazenu / Ein Morgen am

Susanne Huck – Gottfried hat schon wieder

Arnoud Rigter – Ding van dons / Ding aus

was angestellt

Pool (Slowenisch)

Jochen Weeber – Badewannen

Christoph Michels – in schnitten

Uroš Miloradović – Svaka stolica […] / Jeder

Paul Jennerjahn – vernissage, winter

Stuhl […] (Serbisch)

Daunen (Niederländisch)


Foto: © Jonas Linnebank

59 [fœj tõ] e

„Lyrik ist unproduktiv“ titelt Lisa-Viktoria Niederberger in ihrem Leitartikel des neuen [fœjetõ]. Welche gesellschaftspolitische Kraft Lyrik hat – und was deren Aufgaben sind – darüber spricht Tristan Marquardt im Interview über die Festivals Fokus Lyrik und ULF, das Unabhängige Lesereihen Festival. Und dann stellt uns Jonas Linnebank die Literaturszene von Köln genauer vor – inklusive Fleischhammer.

Foto: © Mark Daniel Prohaska

e

51 ISABELLA HEIGL / ISIPAINTING WAS PASSIERT, WENN MALEREI AUSBRICHT AUS IHREN VIER WÄNDEN? SCHAFFT SIE ES IHREN (KEIL-) RAHMEN ZU SPRENGEN, DANN TUN SICH NEUE MÖGLICHKEITEN AUF, DANN IST SIE ZUM LEBEN ERWECKT UND LERNT LAUFEN. GENRE? ROMANTISCHER TRASH. ALPENVORLANDWESTERN. ISIPAINTING.

68 KREATIVRAUM: Katherina Braschel


ÜBER UNS

Fotos: © Mark Daniel Prohaska, 2020

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Das mosaik sind viele. Das seid ihr Lesenden, Schreibenden, Begeisterten. Und dann gibt es noch einige, die mitarbeiten, daFoto: © Leonhard Pill, 2017

mit das alles möglich ist. Ein Teil davon ist der Vereinsvorstand. Und weil wir grade ein neues Foto von uns gemacht haben (oder eigentlich viele, aber nur ein gscheites – s. o.), zeigen wir euch die fünf: Im Uhrzeigersinn von links: Josef Kirchner, Sarah Oswald, Marko Dinić, Felicitas Biller, Vicky König. Dass wir auch mal anders ausgesehen haben, beweist das Foto links. Nicht wundern: Zu sehen ist auf jenem Bild Peter Wetzelsberger. Mehr über uns und was wir so machen auf: wir.mosaikzeitschrift.at


frauEn mit geld


Männer ohne eigenschaften Max, 23

unterhalten, weil hinter tausend Stäben keine

Was Max anturnt: Wenn er beim Fummeln mit

Welt.

einer Frau Münzen in ihren Hosentaschen findet,

8

bevorzugt 2-Euro-Münzen, dann will er seine Fin-

Ronny, 27

ger nicht mehr aus der Hosentasche ziehen, dann

Am Wochenende geht Ronny gerne in den Wald,

fummelt er immer heftiger und immer mehr: mit

den er von seinem Vater geerbt hat, dann star-

dem Metall. Ja, Max mag Frauen mit Geld in der

tet er die Motorsäge und schneidet einen Baum,

Hose, das muss er schon zugeben. Einmal, er-

manchmal auch zwei um, die Zähne der Motorsä-

zählt Max, hat er ein paar Fünferscheine gefun-

ge beißen in die Rinde, in das Holz, zerfetzen die

den, in der Gesäßtasche einer sehr engen Jeans,

morsche Haut des toten Vaters, öffnen seine Blut-

hat einen davon von der rechten Gesäßtasche in

gefäße und das Harz spritzt: in alle Richtungen.

die linke gesteckt oder: gezaubert, wie Max sagt, ohne dass sein Date etwas bemerkt hätte, darauf

Patrick, 35

ist er schon ein wenig stolz.

Patrick war früher Unterwäschemodell, jetzt unterrichtet er an einer Schule und er weiß nicht, was

Sebastian, 33

ihn mehr anturnt: der Gedanke, dass die Mütter

Sebastian hat auf seinem Nachtkästchen ein

seine Fotos von früher finden oder seine Schü-

Buch liegen mit dem Titel „Tragische Weisen

lerinnen. Beim Elternsprechtag versucht er jedes

eine Frau zu töten“. Er freut sich jedes Mal,

Jahr zwischen den Zeilen herauszulesen, ob ihn

wenn die von ihm mit nach Hause genommenen

die Mütter schon fast nackt gesehen haben. Und

Frauen das Buch entdecken, dann beobachtet

wenn er durch den Klassenraum schreitet, dann

er ganz genau, was sich in ihrem Blick, wie sich

ist das sein Laufsteg, und die Augen der jungen

ihre Körperspannung ändert, seine Augen su-

Mädchen: seine Scheinwerfer.

chen: den kurzen, kaum greifbaren Moment, wenn der Fluchtinstinkt versagt, dann wird er so

Rudi, 31

richtig hart, dann kann es losgehen, findet er.

Fummeln, das ist für Rudi wie ein kompliziertes Andockmanöver im Weltall. Wenn er mit Frauen

Jürgen, 32

redet, würde er am liebsten fragen, ob sie für ihn

Jürgen zitiert beim ersten Date gerne Rilkes

ihre Schutzschilde deaktivieren, ob sie ihr Shut-

„Panther“, dann wird seine Stimme zum wei-

tlebay öffnen, er wird auch ganz vorsichtig sein,

chen Gang, ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

will er ihnen versprechen: beim Hineinmanövrie-

man darf sich nur nicht zu lange mit Jürgen

ren, beim Landen. Stattdessen bestellt Rudi noch


einen Drink und einen zweiten: auch für seine Be-

schon erste Schweißperlen, bis er bei einem der

gleitung. Und alle Phaser auf Betäubung.

Ausstellungsobjekte deutlich länger stehenbleibt, sich mit einem der Tische merklich länger befasst

Bernd, 32

und, mehr zu sich selbst als für irgendjemanden

Bernd geht gerne in den Zirkus, dann wartet er

im weiten Raum bestimmt, sagt: Ja, der ist es, der

darauf, dass der Trapezkünstler zu Tode stürzt,

passt, ohne das noch immer im Takt baumelnde

dass dem Messerwerfer ein tödlicher Wurf aus-

Preisschild auch nur anzuschauen.

kommt, dass dem Löwenbändiger der Kopf abgerissen wird, dass die Kinder dem Clown das

Mike, 22

Make-up aus dem Gesicht und die Zähne aus

Wenn Mike auf dem Nachhauseweg gegen die

dem Mund prügeln, dass der Feuerspucker alles

SUVs tritt, seine leeren Bierdosen auf ihre Dächer

anzündet und abfackelt, dann sitzt Bernd in der

stellt, seine Zigaretten auf ihren Seitenspiegeln

Manege und fiebert einer Katastrophe nach der

ausdämpft und mit einem dicken Strahl quer über

anderen entgegen. Den Applaus, wenn wieder

ihre Motorhauben pisst, dann fühlt er sich wie ein

einmal nichts passiert, wieder einmal alles gut

Held, dann rettet er: die Welt.

gegangen ist, versteht er nicht, er selbst klatscht dann nur ganz zögerlich, mit Handflächen, die

Michael, 37

sich kaum berühren.

Sehnsucht, sagt die Therapeutin und Michael bemerkt ihre frisch lackierten Fingernägel, ist ein in-

Markus, 28

tensives und ständiges Streben, er sammelt den

Markus‘ Definition von Feminismus: Er schläft nur

Speichel in seinem Mund, drückt ihn mit der Zun-

mehr mit Frauen, die sich selbst als Feministinnen

ge gegen die Hinterseite seiner Schneidezähne,

bezeichnen.

in dem instinktive Impulse eine vorwiegend emotive und imaginative Form annehmen, sein Blick

Peter, 36

gleitet wie ein Eiskunstläufer über ihre blickdichte

Peter steht im Möbelhaus bei den Esstischen,

Strumpfhose, ca. 50 DEN, schätzt Michael, sodass

geht von Tisch zu Tisch, streicht mit der flachen

sich ihr kontemplatives Wesen im Konflikt mit ei-

Hand über die unterschiedlichen Holzmaserun-

nem unbestimmten Bedürfnis befindet, er will

gen und schiebt sein Becken nach vorn, ein we-

wissen, wie ihre Haare schamponiert aussehen,

nig über die Tischkanten drüber, und wieder zu-

wie ihre frischgeduschte Haut auf Druck reagiert,

rück, zuerst langsam, dann immer schneller, ein

ein Bedürfnis, das nicht zur Aktion führt.

geübter, einstudierter Rhythmus, Peter geht von Tisch zu Tisch und wiederholt den Prozess, ignoriert die Blicke der Angestellten, auf seiner Stirn:

Martin Peichl

9


Short piece I Personen: Touristin, Tourist Tourist: Sind Sie schon lange in London? Touristin: Seit drei Tagen. Und Sie? Tourist: Auch seit drei Tagen. Touristin: Wir sind also gleich lange in London. Tourist: Morgen fahre ich zurück. Touristin: Ich fahre übermorgen. Tourist: Sie fahren einen Tag später als ich. Touristin: Ich nehme den Zug. Tourist: Ich fliege.

Short piece II Personen: Terrorist, Kellner

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Terrorist: Ich hätte gerne eine homemade lemonade. Kellner: Eine lemonade. Terrorist: Ja. Der Kellner bringt die Limonade und stellt sie auf den Tisch.

Short piece III

Kellner: Enjoy! Terrorist: Vielen Dank.

Personen: Touristin, Platzanweiserin Platzanweiserin: Sind Sie allein? Touristin: Ich bin allein. Die Platzanweiserin führt die Touristin an einen Tisch mitten im Raum. Touristin: Ich möchte lieber einen anderen Tisch. Die Platzanweiserin führt die Touristin an einen anderen Tisch. Touristin: Ich möchte lieber einen Platz am Rand. Platzanweiserin: Tut mir leid, die sind alle schon besetzt. Touristin: Dann geh ich halt in ein anderes Restaurant.


Short piece IV Personen: Frau, Mann Frau: Wie geht es Ihnen?

Short piece V

Mann: Kosmisch.

Personen: Frau mit grünem Schal, Frau mit gelbem Schal

Frau: Schön. Frau mit grünem Schal: Gefällt Ihnen die Skulptur? Frau mit gelbem Schal: Sie gefällt mir sehr gut. Und Ihnen? Frau mit grünem Schal: Gefällt mir auch sehr gut. Frau mit gelbem Schal: Die Skulptur nebenan gefällt mir weniger. Frau mit grünem Schal: Geht mir genauso. Frau mit gelbem Schal: Da sind wir uns also einig. Frau mit grünem Schal: Ja.

Short piece VI 21

Personen: Mann, Frau Der Mann steigt eine Treppe hoch und hält sich am Geländer fest. Die Frau steigt die Treppe hinab. Sie kreuzen sich. Mann: Gut, wurde ein Geländer angebracht. Ich bin nicht mehr zwanzig, sondern dreiundneunzig. Die Frau zeigt in Richtung Friedhof. Frau: Das Geländer bei der Treppe zum Friedhof? Mann: Das Geländer der Treppe, auf der wir beide jetzt stehen.

Short piece VII Personen: Frau I, Frau II Frau I: Siehst du die Wolke? Frau II: Sieht aus wie ein Elefant. Frau I: Elefant? Frau II: Links der Rüssel, der Fleck nebenan … Frau I: Sieht eher aus wie ein Ameisenbär. Frau II: Ein Elefant, verdammt.


Short piece VIII Personen: Terrorist, Verkäufer Verkäufer: Die Jeans steht Ihnen gut. Der Terrorist dreht den Kopf nach hinten und blickt in den Spiegel. Terrorist: Sind die Taschen am Po nicht etwas nahe beieinander? Verkäufer: Sie betonen Ihre schmale Hüfte. Terrorist: Finden Sie? Verkäufer: Sicher. Terrorist: Ich behalte sie an.

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Der Verkäufer holt eine Schere und schneidet das Preisschild ab.

Short piece IX Personen: Frau mit grünem Schal, Frau mit gelbem Schal Frau mit grünem Schal: An dem Bild stimmt etwas nicht. Frau mit gelbem Schal: Die Perspektive. Frau mit grünem Schal: Das Fenster links ist falsch gemalt. Frau mit gelbem Schal: Die Balustrade ist auch falsch. Die Frau mit dem gelben Schal schiebt den Ärmel des Pullovers zurück. Sie zeigt der anderen die Uhr am Handgelenk. Frau mit gelbem Schal: Siehst du die Uhr auf dem Bild? Frau mit grünem Schal: Die gleiche Uhrzeit. Frau mit gelbem Schal: Das Rätsel der Stunde, in der Tat.


Short piece X Personen: Frau, Mann Frau: Ich möchte mir einen Schal kaufen. Was heisst Schal auf Englisch? Mann: Scarf. Frau: Wie schreibt man das? Mann: S-c-a-r-f. Frau: Scarf. Mann: Du sprichst es falsch aus. Frau: Scarf. Mann: Du musst das C weniger betonen. Frau: Scarf. Mann: Das R herunterschlucken. Frau: Scarf. Mann: Nicht Schaf, Scarf.

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Short piece XI Personen: Mann, Frau Frau: Deine getigerte Unterhose mag ich nicht. Der Mann sitzt am Rand des Bettes, das Gesicht in die Hände gestützt. Frau: Sie macht dich lächerlich. Die Frau streift sich das Kleid über. Der Mann steht auf, schlüpft in die Jeans und zieht das T-Shirt an. Frau: Wenigstens sieht man sie jetzt nicht mehr. Der Mann geht aus dem Zimmer.

Patricia Büttiker


Toen ik op een verdieping werd geboren, schrok jij wakker uit dons, nasmeulend, na eeuwen te hebben gedroomd over allerhande gevogelte. Je proestte veertjes op, krabde achter je oren, zette je kamerdeur open, trof een langgerekte trap met de breedte van ĂŠĂŠn persoon. Sindsdien stap je een tree per jaar opwaarts, wetende dat je halverwege ondergetekende tegenkomt, die je een klop op de schouder geeft. Jij legt mij vreemdsoortigheden in de mond, spreekt van familiaire vederdieren, beweert dat ik van vlees en bloed ben en dat mijn oren nog koud zijn: ik ben een ding dus jij begrijpt dat ik je niet herken, dat ik noch de schouderklop noch het moment bemerk noch van een trap weet. Ik ben op maandagen bezig dingen als vertrektijden op dinsdagen te verzinnen, dingen als ademteugen te handhaven, strijkbouten te rangschikken met gesloten mond, zo heb ik geen weet van dons als dit.

Arnoud Rigter 48


Als ich auf einer Etage geboren wurde, bist du aus Daunen hochgeschreckt, nachschwelend, nach jahrhundertelangem Träumen von allerhand Geflügel. Du hast Federn ausgeprustet, dich hinter den Ohren gekratzt, öffnetest deine Zimmertür, trafst auf eine langgestreckte Treppe mit der Breite einer Person. Seitdem steigst du eine Stufe pro Jahr hinauf, wissend, dass du auf der Hälfte meiner Wenigkeit begegnest, die dir auf die Schulter klopft. Du legst mir Fremdartigkeiten in den Mund, sprichst von familiären Federtieren, behauptest, ich sei aus Fleisch und Blut und dass meine Ohren noch kalt sind: Ich bin ein Ding, du verstehst also, dass ich dich nicht erkenne, dass ich weder das Schulterklopfen noch den Moment bemerke von keiner Treppe weiß. Ich bin montags damit beschäftigt mir Dinge wie Abfahrtzeiten für Dienstage auszudenken, Dinge wie Atemzüge zu wahren, Bügeleisen zu ordnen mit geschlossenem Mund, so verfüge ich nicht über Wissen von Daunen wie diesen.

aus dem Niederländischen von Lisa Mensing 49


Svaka stolica je od boga.

Jeder Stuhl kommt von Gott.

Svaki sto je anđeoski sto.

Jeder Tisch ein Engelstisch.

Svaka viljuška je celivana

Jede Gabel heilgeküsst

usnama predsednika

von den Lippen des Präsidenten

koji voli srebro zlato

der Silber liebt, Gold

lavore od platine

Platinschalen

kondire

Lehmkelche

zlatne ogrlice đinđuve.

Goldketten, Ohrringe.

Svaka država je stvorena

Jeder Staat fußt

na drvetu vere,

auf den Wurzeln des Glaubens,

na kamenu ljubavi

auf dem Stein der Liebe

muškarca prema

eines Mannes

muškarcu.

zu einem anderen Mann.

Svaka država je

Jeder Staat

aparat

ist ein Apparat

muškog

männlicher

kukavičluka.

Feigheit.

Uroš Miloradović

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aus dem Serbischen von Marko Dinic´


ISIPAINTING


#BALANCE BALANCE&LUCK yogabalance dogmabalance 120x80 cm | eitempera auf leinwand | 2019 artbalance 200 x150 cm | eitempera auf leinwand | 2019



Seite 62

Was geht ab in: Köln Jonas Linnebank entführt uns im ersten Teil dieser neuen Reihe in (s)eine Literaturmetropole. Zwischen Frikadelle und Fleischklopfer werden Literaturzeitschriften präsentiert und Lesungen gehalten, die nicht nach Lesungen aussehen.

Ich treffe mich mit B. und K.-L. im Acephale, wir unterhalten uns nett mit den Menschen der Epilog, gucken dann zu, wie sie im Plauderton talkshowartig den Abend eröffnen, ein bisschen lesen, ein bisschen über sich und ihre Arbeit erzählen. Dann kommen wir auf die Bühne, sagen, was wir schön am Heft finden, was wir nicht ganz verstehen, welche Fragen wir uns bei der eigenen Arbeit stellen, trinken einen Kurzen und sind wieder weg. B. ist verabredet, K.-L. wie immer unauffindbar, ich muss kurz arbeiten. Nach zwei Stunden bin ich wieder in der Bar, mittlerweile ist A. da und trinkt Bier mit einem befreundeten Dichter. Außerdem lerne ich einen KiWi-Lektor kennen, der früher mal eine Literaturzeitschrift gemacht hat, und eine Un-

terhaltungslektorin. Für welchen Verlag sie arbeitet, habe ich vergessen, aber es war ein großer, und ich bin immer ein bisschen irritiert und erstaunt und devot-glücklich, wenn ich zwischen so vielen Leuten stehe, die anscheinend von der Arbeit in, an und um Literatur sich selbst (und eine Familie) versorgen können.

Wir werden nicht mal gefragt, ob wir einen Deckel haben wollen, und müssen direkt bezahlen. Wir gehen an der Bar vorbei, hinten sitzt einer der Dichter, der gelesen hat, mit Freunden zusammen. Er erkennt A. und versucht, mit ihm zu reden, mehr als Vor- und Nachnamen bekommt er aber nicht raus. Als er E. begrüßt, nimmt er erst galant ihre Hand, leckt dann an ihr herum. E. zieht sie ange-

Bis auf mich und den Mann von KiWi gehen alle tanzen und er muss sich meine üblichen Was-geht-denn-eigentlich-imLiteraturbetrieb-Fragen-Sinddenn-da-alle-bescheuert-usw. anhören und es kommt mir erst jetzt komisch vor, dass ich das meistens Leute frage, die in diesem heimisch sind. Trotzdem verstehen wir uns gut und nach ein paar Bier kann man gemeinsam lästern, belächeln und gut finden. Ich weiß nicht mehr, wann, wo und wie wir uns entscheiden, in die Kaschemme am Barbarossaplatz weiterzuziehen. E., die Lektorin, kommt auf jeden Fall mit und zusammen gehen wir, A., E. und ich, weiter. Das Plakat der Veranstaltung ist schwarz-weiß, einer der Dichter heißt irgendwas mit ‚Hass’ oder so ähnlich. Über die Kneipe weiß ich nur, dass eine Bekannte von den dortigen Frikadellen zwei Tage lang an einer Lebensmittelvergiftung litt.

Foto: © Jonas Linnebank

A. ruft mich an. Es gebe heute erst die Vorstellung eines neuen Strzelecky-Buches, ein Lifestyle-Buch, aber in gut, dann würde ein Düsseldorfer Underground-Magazin irgendwo in einer Kölsch Kaschemme lesen. Zwischendurch wäre noch Die Epilog im Acephale, einer hippen Bar. „Ja”, sag ich, „da wär ich dann wohl.” Wir sollen eine Heftkritik machen. A. sagt „OK, wir treffen uns dann irgendwo in der Mitte und gucken dann weiter.”

Drinnen sieht nichts nach einer Lesung aus. Die roten Gesichter an der Bar erzählen von Säuferlaufbahnen, von denen ich gerade nichts genauer wissen will, weil ich im Herbst und Winter auch keinen anderen Ausweg weiß, und unsere angetrunkene Leichtigkeit fällt diesen Profis unangenehm auf. Das hier ist kein Zoo, scheinen mir ihre aggressiven Blicke zuzurufen. Kommt trinken oder verpisst euch. Folgerichtig bestellen wir drei Kölsch.


Seite 63

mosaik-Lesereise widert weg, sucht die Toilette und wäscht sich die Hände. Die Stimmung zwischen Bier, eventuell Gras, ein bisschen Kokain und Ironie ist angespannt. Die Hefte der Zeitschrift sind ausverkauft, ich bekomme eines probehalber zu lesen. In der Zwischenzeit holt der Dichter mit irgendwas mit ‚Hass’ einen Fleischklopfer aus der Küche der Kneipe und haut damit auf dem Tisch herum, sodass die Biere umfallen. Das

scheint niemanden, vor allem den Wirt nicht, zu stören. Zwei weitere Menschen sind an die Bar getreten, eine Frau und ein Mann, die der Gesellschaft anscheinend bekannt sind. Es dauert nicht lange, da beleidigt eine Frau die neudazugekommene Frau als Schlampe, Nutte und Hure und letztere wehrt sich mit „Miststücke, Nazi” und Ähnlichem. Während A. noch versucht, den Dichter dazu zu bringen etwas vorzulesen, nimmt der Wirt dann doch

den Fleischhammer an sich und zurück in die Küche. Der Dichter stammelt weiterhin A.s Namen und neben mir sagt einer seiner Kumpels zu seiner Freundin: „Du sollst mir nicht die Pickel am Rücken ausdrücken.” Unsere Kölsch sind wegen des Holzhammers leer und die Zeitschrift habe ich zurückgegeben. Wir gehen weiter und trinken noch irgendwo anders einen letzten Absacker. Jonas Linnebank

Das mosaik packt wieder Autor*innen ein und geht von 7.-14. März 2020 auf Lesereise. Die Stationen: 7.3. Lettrétage, Berlin 10.3. Hühnermanhattan, Halle (Saale) 11. & 13.3. Lyrikbuchhandlung, Leipzig 13.3. Noch Besser Leben, Leipzig 14.3. Textat, Leipzig. Infos zu allen Stationen auf www.mosaikzeitschrift.at/ veranstaltungen

NULZ-Treffen Zum vierten Mal treffen sich 2020 auf Initiative des mosaik junge Literaturzeitschriften zum Austauschen und Vernetzen. Das Treffen findet von 21.-24. Mai in München statt, organisiert von den Zeitschriften [kon]paper und außerdem. Infos und Anmeldung unter info@liberladen.org

Neue Leitung Literaturfest Salzburg Josef Kirchner, Gründungsmitglied und Co-Herausgeber des mosaik, leitet ab 2020 – gemeinsam mit dem Autor Robert Prosser (zuletzt: Gemma Habibi, Hanser 2019) – das Literaturfest Salzburg. Das 13. Literaturfest findet von 13. bis 17. Mai statt. Programminformationen ab April auf www.literaturfestsalzburg.at


KREATIVRAUM

KATherina braschel Bücher, Fotos, ein geklautes Schild, Briefe, eine Me-

Kreativraum ist eine Reihe mit Fokus auf Orte, an denen Kunst geschaffen wird – und Personen, die ebendiese Räume nutzen.

talltasse, eine volle Flasche Bier von 2014, Post-Its. Kurz: Alles. Auf meinem zwei Meter breiten Schreibtisch bleibt mir eine Nische, in der mein Laptop und eine Tasse Kaffee Platz hat. Genau so muss es sein. Ich liebe diesen Schreibtisch genau so. Schwierig wird es nur, wenn ich richtig reinfinde in Ich musste erst lernen, dass für mich Schreiben vor

das Schreiben – und dann aussteigen muss. Wenn

18 Uhr gar nicht möglich ist. Und oft ist es auch

ich dann gleich im Anschluss mit jemanden spre-

zu Hause schwierig. Dann muss ich ins Kaffeehaus

chen soll – das ist schwierig. Da muss ich erst wie-

oder in die Bibliothek – auch für das Gefühl, raus zu

der aus dem Text herausfinden, um sozial kompa-

gehen und mich wirklich zu fokussieren. Dort kann

tibel zu sein.

ich mich auch bewusst in einen Schreibmodus bringen. An Transitorten wie diesen kann ich in einer

Aufgewachsen im Barock-Disneyland Salzburg lebt

Menge untergehen und trotzdem da sein.

und arbeitet Katherina Braschel seit 2011 in Wien.

Text: Josef Kirchner, Foto: © Mark Daniel Prohaska

Diverse Preise und Stipendien, darunter der Rauriser Wo es fast immer geht, ist im Zug. Dort bin ich

Förderungspreis 2019. es fehlt viel ist ihr erstes

für eine bestimmte Zeit an einen Platz gebunden.

Buch.


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