Gosixt 002/2006

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GO

Nr. 002

HERBST 2006

EUR 3,80

en t s pa nnen & en t de c k en

go sixt

entspannen & entdecken

VENEDIG Ohne VaporettO geht in der Lagunenstadt nichts. EINE LIEBESERKLÄRUNG AN DIE LINIENSCHIFFE

LOS ANGELES

Nr. 002

HERBST

2006

hollywoodstar Ralf Moeller bändigt den Hummer H3. EINE BEGEGNUNG DER KRAFTVOLLEN ART

WACHAU Vor den Toren WIENS zaubern Winzer SPITZENWEINE. EIN prickelnder STREIFZUG AN DER DONAU


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GO

welcome welc

Regine Sixt

Die Welt der Mobilität

Liebe Partner von Sixt, die Wetterkapriolen dieses Sommers haben wahrscheinlich jeden von uns arg mitgenommen. Nach dem heißen Fest zur Fußballweltmeisterschaft mussten wir im Juli Temperaturen von bis zu 40 Grad aushalten, um kurz darauf warme, regenfeste Jacken aus dem Kleiderschrank zu holen. Nach diesem Wechselbad der Gefühle haben wir uns einen wohltemperierten, goldenen Herbst verdient. Es wäre das passende Klima und die richtige Zeit für Kurztrips, Städtetouren oder Verwöhnwochenenden. Mit GoSixt nehmen wir Sie wieder mit auf die Reise in die schönsten und spannendsten der über 80 Länder, in denen Sie die Sixt-Qualität erleben können. Wir treffen offenbar Ihren Geschmack. Die erste Ausgabe des Premium-Magazins GoSixt ist auf derart großes und positives Interesse gestoßen, dass wir in der vorliegenden Ausgabe den Umfang erweitert haben. Nun bieten wir Ihnen auf 96 Seiten Neues, Modernes, Überraschendes und dazu noch mehr Lifestyle, Mode-Tipps, Reportagen und Porträts. Und wir nehmen Sie wieder mit auf eine Reise in einige der über 80 Länder, in denen Sie die Sixt-Qualität erleben können. Lassen Sie sich etwa verzaubern vom Reiz Venedigs. Sehen und sterben soll man dort, heißt es zwar über die Lagunenstadt. Dabei ist Venedig äußerst lebendig. Gewiss, Rialtobrücke, Piazza San Marco und der Palazzo Ducale sind Orte, von denen der Reisende schon mal etwas gehört hat oder sie gerne mal bei Gelegenheit sehen will. Doch seit dem Frühjahr bietet Venedig eine neue, noch reizvollere Attraktion. Mitten in der Stadt am Canal Grande hat sich François Pinault, französischer Milliardär und Eigentümer des Auktionshauses Christie’s und Modemarken wie Gucci oder Yves Saint Laurent, im Palazzo Grassi einen Kunsttempel geschaffen. GoSixt ist natürlich mit dem Vaporetto, dem klassischen Verkehrsmittel der Stadt im Wasser, angereist und hat sich von der Atmosphäre des von Stararchitekt Tadao Ando umgebauten Palastes verzaubern lassen. Wie sich Altes und Neues zu einer reizvollen Melange ergänzen können, zeigt unsere

Reisereportage aus Wien und der Wachau. Das Weinanbaugebiet nahe der österreichischen Metropole zählt zu den attraktivsten Flusslandschaften in Europa. In weiten Schlingen durchzieht die Donau bezaubernde Hügel mit romantischen Orten und steilen Rebhängen, auf denen die Trauben für vorzügliche Tropfen reifen. Wir haben für Sie die Spitzenlagen der Wachau ausgesucht und bringen Ihnen das moderne Wien näher, das vor allem nachts mit seinen neuen In-Adressen einen Zauber jenseits des Zuckerbäcker-Images entfaltet. Bei so viel Kunst, Kultur und feinem Flair haben wir uns zum Abschluss und zur Abwechslung etwas Raues einfallen lassen. Ralph Moeller, deutscher Hollywoodstar, testet den Hummer H3. Berühmt geworden ist der Hummer im ersten Golfkrieg, später erkoren Wallstreet-Banker das brachiale Army-Auto zu ihrem Kultmobil. Schauspieler und ehemaliger Bodybuilding-Weltmeister Moeller treibt für GoSixt den Geländewagen durch die Berge rund um seine zweite Heimat Santa Monica. Dabei zeigt der markante Mime („Gladiator“), dass er im Privatleben ein sanfter, sympathischer Typ ist. Übrigens: Dort, wo sich Sixt am auffälligsten präsentiert, nämlich auf den Flughäfen, tut sich Einiges. Ein neuer Trend, das „AirportShopping“, macht Schluss mit muffigen Shops. Wo früher noch genervte Reisende die Zeit bis zum Einstieg in den verspäteten Flieger in wenig einladenden Läden totschlugen, etabliert sich nun mit neuen Boutiquen und Spitzen­ gastronomie ein Flair, das auch Nicht-Flieger aus den nahen Städten in „ihren“ Flughafen lockt. Viel Spaß beim Lesen in den Geschichten aus der Welt der Mobilität.

Herzlichst Ihre Regine Sixt

EDITORIAL go sixt 3


GO Inhalt Hummer-Bändiger Ralf Moeller: mit 47 cm Oberarmumfang den 220-PS-Stier bei den Hörnern packen.

GO

Herausgeberin Regine Sixt (V.i.S.d.P.) Sixt AG, Zugspitzstr. 1, 82049 Pullach · Telefon: +49 (0) 89 7 44 44-0 · Telefax: +49 (0) 89 7 44 44-8 43 55 · www.sixt.com Verlag Büro Freihafen Hamburg, Zippelhaus 3, 20457 Hamburg · Telefon: +49 (0) 40 37 50-11 13 Telefax: +49 (0) 12 12 515 614 026 · www.bfhh.de Chefredakteur Wolfgang Timpe · Creative Director Uwe C. Beyer · Layout Sibylle Trenck Mitarbeiter dieser Ausgabe: Carsten Anhalt, Renate Böcker-Lüttke, Harald Ehren, Daniela Erdmann, Daniela Fois (Schlussredaktion), Nathalie Gütermann, Andreas Lueg, Angela Oelckers, Leonard Prinz, Johannes Schweikle, Angelika Zanggl FOTOGRAFEN: Gabor Ekecs (Los Angeles), www.ekecs.com; Erol Gurian (München), www.gurian.de; Jochen Schmadtke (Hamburg), www.jochenschmadtke.de Anzeigen: Soundbay Communications Ltd. · Wittenbergerstr. 17, 04129 Leipzig · Telefon: +49 (0) 341 33 77-600 Telefax: +49 (0) 341 33 77-112 www.soundbay.co.uk Druck + Versand: Evers-Druck GmbH · Ernst-Günter-Albers-Straße, 25697 Meldorf · Telefon: +49 (0) 4832 608-174 · Telefax: +49 (0) 4832 608-974 · www.evers-druck.de

REPRO: 4mat Media, Hamburg

© GoSixt erscheint in der Büro Freihafen GbR, Wolfgang Timpe und Uwe C. Beyer; Zippelhaus 3, 20457 Hamburg. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Alle im Magazin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind rechtlich geschützt. Eine Verbreitung oder Verwertung ohne Einwilligung des Verlags ist nicht zulässig. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und/oder Bilder wird nicht gehaftet. Titelfotos: Gabor Ekecs, Erol Gurian

4 go sixt Inhalt


In diesem Heft 36 cruisen Hollywoodstar Ralf Moeller jagt den Offroader Hummer H3 durch den Sand von Santa Monica Beach in Los Angeles – ein Hummerfest! Das KÖNNEN SIE AUCH! Zeigen Sie Ihrem Freund, Ihrem Chef oder Ihrem Nachbarn doch mal, wo der Hummer hängt. Mieten Sie bei Sixt den Hummer H3. Einfach anrufen! Sixt-Hotline 01805 / 25 25 25

3 WELCOME Herausgeberin Regine Sixt über Wetter und Mobilität 8 LOUNGE Nachrichten aus der Sixt-Welt; Luxusverkostung: GoSixt-Leser testen Glenlivet-Whisky 14 travel venedig I Die Lagunenstadt huldigt den Vaporetti 26 venedig II Bestsellerautorin Donna Leon über ihr persönliches Venedig 28 venedig III Palazzo Grassi: Weltkunst am Canal Grande 32 venedig iv Geheimtipps von Lifestyle-Expertin Nathalie Gütermann – Dynastien & mehr 44 GO style women Der Trend im Herbst: Black Magic 50 GO style men Der Trend im Herbst: Camel, Cashmere & Co. 56 my way Unternehmer-Porträt von Hans Rudolf Wöhrl: „Ich bin keine Heuschrecke.“ 64 travel wien I Weinwunder Wachau: Vor den Toren Wiens gedeihen Spitzenweine – eine Spritztour! 76 wien II Zeitungsgründer Wolfgang Fellner: „Ich träume von einem neuen Österreich.“ 78 wien III Ein Mekka der Moderne – Clubs, Restaurants, Hotels 84 wien IV Geheimtipps von Lifestyle-Expertin Nathalie Gütermann – Plüsch & mehr 86 Lifestyle Airport-Oasen: Flughäfen mausern sich zu Luxuskaufhäusern und Feng-Shui-Tempeln 96 GO Audible Neue Hörbücher von T. C. Boyle bis Ringelnatz

Inhalt go sixt 5




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FotoS: Hotel Nassauer Hof / PR

Lounge Lou

feines eigentum Fünf-Sterne-Luxus: Marriott Vacation Club International bietet Feriennutzungsrechte in Europa, Asien und den USA an

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ine neue Qualität und Flexibilität an den schönsten Ferienflecken der Welt vermarktet der Marriott Vaca­ tion Club International (MVCI) – die so ge­ nannte „Time Share Line“-Firma der rund um den Globus agierenden Marriott-Hotel­ gruppe. Man kann Ferieneigentum an einer der weltweit 44 Anlagen erwerben und auf Wunsch sein Nutzungsrecht in den 43 an­ deren Beach-, Golf- oder Skiresorts in Eu­ ropa, Asien und den USA wahrnehmen. Ein Punkte- und Tauschsystem gewährleis­

tet gute Preis-Leistungs-Verhältnisse. Und nimmt man mal seine Wochen nicht wahr, kann man sein Nutzungsrecht in „MarriottReward-Punkte“ umwandeln und dafür Vergünstigungen in den 2.500 Marriott-Ho­ tels oder bei Mietwagen, Kreuzfahrten und Flugtickets bekommen. So kann man privates Appartement-Am­ biente mit dem Fünf-Sterne-Luxus der Marriott-Hotelprofis kombinieren und mal in Marbella auf einem der 50 Golfplätze der Region sein Handicap verbessern, das

Clubs in Marbella: Sterne des Südens zählen, Kultur in Sevilla genießen, auf 50 Golfplätzen sein Handicap verbessern.

nächste Mal im Marriott’s Phuket Beach Club asiatische Wellness-Programme nut­ zen oder in einer der zwei neuen MVCI-An­ lagen auf Hawaii sogar in der clubeigenen Hochzeitskapelle heiraten. Infos: Tel. 01801 27 22 73 (4,6 Cent pro Min. aus dem dt. Festnetz), Mo.–Fr., 9–18 Uhr. Bitte die Nr. 15939 angeben.

edel-verkostung gewinnen! The Glenlivet Whisky Talk & Dinner: GoSixt verlost für 30 Leser ein Luxus­event im Grandhotel Nassauer Hof, Wiesbaden

Single-Malt-ScotchEvent: „The Glenlivet“Treff im Nassauer Hof. 8 go sixt lounge

Genießen Sie exklusive WhiskyRaritäten und erleben Sie ein schottisches Spezialitäten-Dinner; lauschen Sie hinreißenden Dudelsackmelodien und lassen Sie sich in die unterhaltsamen Experten-Ge­heimnisse des WhiskyBotschafters Christian R. Rosenberg führen, und: Fühlen Sie sich im EmpireAmbiente des Festsaals im Grandhotel Nassauer Hof in Wiesbaden einfach

wohl. Das „The Glenlivet Whisky, Talk & Dinner“ bietet Ihnen eine First-ClassDegustation für Whisky-Einsteiger und Fans. Keine Hemmungen! Postkarte oder E-Mail genügt (s. u.). Viel Glück! Die Verlosung: Postkarte oder E-Mail bis Freitag, 27. Oktober 2006 an: Büro Freihafen Hamburg, Stichwort: Glenlivet, Zippelhaus 3, 20457 Hamburg; E-Mail: post@bfhh.de Der Termin: Montag, 13. November 2006, Beginn: 19 Uhr, Grand­hotel Nassauer Hof, Kaiser-Friedrich-Platz 3–4, 65183 Wiesbaden



GO Lounge Klasse-Karosse: Mercedes CLS

Vornehme Flotte

Neue Premium-Fahrzeuge von Sixt in Marbella

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eit Sommer 2006 hat Sixt España eine kleine feine Nie­ derlassung in Marbella eröffnet, die sich ausschließlich mit der Vermietung exklusiver Fahrzeuge beschäftigt. Sie finden Sixt Marbella in unserem Partnerhotel „NH Alanda“. Hotelzustellungen in der Gegend von Puerto Banus und Mar­

„Toll, Sylt

kann kommen“

bella sind kostenfrei. Die verfügbare Flotte umfasst MercedesBenz Fahrzeuge wie den CLS, SLK und SL oder die S-Klasse und R-Klasse; ferner BMW Fahrzeuge und den Kult-Offroader Hummer H3 (s. auch unseren Bericht auf Seite 36) sowie auch komfortabel ausgestattete MiniVans.

träume erfüllen!

Die Regine-Sixt-Kinderhilfe brachte krebskranke Kinder zur Fußball-WM

GoSixt-Leser Matthias Panser gewinnt das LuxusWochenende mit Rolls-Royce

Sylt Sylt Strandhotel Margarethenstr. 9 25980 Westerland/Sylt Tel. 0 46 51 / 83 84 56 Flughafen Sylt/Air Berlin Flughafenstr. 1 25980 Sylt-Ost/Tinnum Tel. 0 46 51 / 92 06 16 10 go sixt lounge

Fußballfest: Uschi Glas und Regine Sixt mit Kindern und Eltern beim WM-Spiel in der Allianz-Arena.

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s war ein einzigartiges Erlebnis“, sagt Schauspielstar Uschi Glas zur WM-Ak­ tion der Regine Sixt Kinderhilfe e. V., „die Freude der Kinder live im Stadion zu erle­ ben und zu sehen, wie sich ihr Traum vom Fuß­ ballerlebnis erfüllt hat, bewegt mich tief.“ Mit Unterstützung des Autozulieferers Continental (Regine Sixt: „Ich danke Continental für das vorbildliche Engagement“) konnten 100 Not lei­ dende fußballbegeisterte Kinder Spiele der FIFA-WM 2006 live erleben. Sie wurden von Regine Sixt und ihren beiden Söhnen Alexan­ der und Constantin betreut, mit schwarzrotgol­ dener Fankleidung ausgestattet, und an Pom­ mes, Brezeln und reichlich Getränken hat es auch nicht gefehlt. Mit dabei waren junge Patienten mit ihren El­ tern der onkologischen Stationen der Kinder­ krankenhäuser in München-Schwabing und München-Harlaching, aus den Kinderhospizen in Hamburg und Berlin sowie aus der Berliner Charité. Die Kinder sahen die Spiele Elfenbein­

küste gegen Serbien-Montenegro in München, Tschechien gegen Italien in Hamburg und Tu­ nesien gegen die Ukraine in Berlin. Schauspielerin Uschi Glas „begeistert“ das Engagement von Regine Sixt für die Kinderhilfe und sie hat sich „riesig gefreut“, dabei sein zu dürfen. Und Regine Sixt sah ihren Wunsch er­ füllt: „Es war mir ein Herzensanliegen, die Träu­ me der Kinder wahr werden zu lassen.“

Unterstützer Continental: 100 Tickets für Kinder.

FotoS: PR

Den Preis kann man nicht kaufen: einen dreitägigen Aufenthalt im Söl’ring Hof Sylt Dorint Sofitel, Fahrt im Rolls-Royce zur Lister Bucht und Austerndegustation mit Champagner-Picknick im Wattenmeer. Unter den Einsendern wurde „GoSixt“-Leser Matthias Panser als Gewinner gezogen. Der 31-jährige Wirtschaftsprüfer aus Düsseldorf war baff: „Das ist ja toll. Sylt kann kommen. Zumal meine Freundin und ich noch nie dort waren.“ Im Herbst wird Matthias Panser loszie­hen, und Claudia Reichelt und Johannes King vom Söl’ring Hof erwarten sie schon: „Unser Haus wird sie herzlich empfangen.“



GO Lounge

Auffallen am leuchtenden Band: Airport-Präsentation Hyundai Tucson.

MAYDAY! MAYDAY! Sixt mischt mit flotten Werbesprüchen und frechen Airport-Aktionen die Autovermieterbranche auf

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Sixt-Unternehmenskommunikation. Doch nicht nur an Flughäfen zau­ bern die Sixt-Kreativen. Ob sie im Internet fürs 6er-Cabrio von BMW alle Hüllen fallen lassen und auf die sprintenden Nackedeis anspielen („Echte Flitzer gibt’s bei Sixt“), mit einem Fußballer-Tritt in die herrlichste Männlichkeit auf die schnelle First-Class-Flotte hinweisen („Nur mit Sixt kommt man schneller nach Hause“) oder wie in Hamburg alle Fluggastbrücken orangeschwarz tapezieren: Die Marke strahlt. Sixt-Werbechefin Daniela Erdmann zu den kessen Reklame­ sprüchen und Aktionen: „Wir holen unsere Businessreisenden da ab, wo sie ankommen – am Airport!“

FotoS: SIXT

Sturzflug am orange-schwarzen Tower: „Wir knüpfen an unsere unkonventionellen Eyecatcher an.“

atürlich, die Kreativen von Sixt mal wieder. Niemand reizt die Schmunzelfalten mit so knallharten ironischen Sprü­ chen wie die Werbung des Autover­ mieters aus Pullach, München. Der Scoup von Sixt sitzt. „May­ day! Preise im freien Fall“, brüllt es plakativ vom orange-schwarzen To­ wer am Hannover-Airport. Die SixtWerbe- und Marketing-Spezialisten haben sich mit dieser Airport-Aktion zum x-ten Mal in die Champions League der frechen und flotten Wer­ besprüche katapultiert – und pfle­ gen ihr kesses Image. „Wir knüpfen an unsere unkonventionellen Eye­ catcher an deutschen Flughäfen an“, sagt Harald Ehren, Leiter der

Tiefschlag auf dem Fußballgrün (Bild l.), Oben-ohne-Luxuskarosse im Web: in die Champions League der frechen Werbesprüche katapultiert. 12 go sixt lounge



Die Vaporetti, die betagten „Dampfschiffchen“, heute von Dieselmotoren angetrieben,

RUSHHOUR IN VENEDIG Vaporetto-Stau an der Station Accademia: „Der Canal Grande. Der Boulevard aller Boulevards. Nur eben aus Wasser.“ 14 go sixt travel


verbinden Venedig mit den Laguneninseln, dem ber체hmten Lido und dem Festland.

IL V ApO!

Venedig zelebriert den Kitsch und huldigt der Mobilit채t: den Vaporetti. Ob Besucher oder Bewohner, keiner kann ohne den Wasser-Nahverkehr. Bitte einsteigen und treiben lassen V o n a n d r e a s l u e g u n d EROL GUR I AN ( F o t o s )

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AUFWACHEN AM CANAL „Frühmorgens lassen sich ein paar verlorene Flaneure auf der Duftspur von Espresso und frischer Brioche herantreiben.“

Fragt ein Americano den anderen: „Wann wird hier eigentlich die Straße mal trocken?“

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Venezianischer Witz. Okay, er riecht schon etwas wie Venedigs Kanäle, wenn’s heiß ist.

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PARADE DER SCHATTEN „Ach, Venedig! Schwebende Stadt, Zauberei auf Wasser, auf Holzpfähle gebaut, Fata Morgana über der Lagune.“

Kandelaber flackern, Gläser klirren, Lachen weht herüber – kein Mensch ist zu sehen.

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A

Canal Grande: Die Gespenster bitten zum Tanz.

lle Paläste am Canal Grande sind schwarz. Die Glamourpassage wird zur Parade der Schatten. Spot an! Über Prachtfassaden und gammelige Mauern zittert der Scheinwerfer des Vaporetto. Plötzlich ein Fenster, geisterhaft illuminiert: Zwischen kunstvoll gerafften Vorhängen schweben Gemälde, luftige Fantasien wie auf Canalettos Landschaftsgemälden. Kandelaber flackern, Gläser klirren, Lachen weht herüber und Walzermusik – doch kein Mensch ist zu sehen. Canal Grande: Die Gespenster bitten zum Tanz. Der Spuk ist schnell vorbei, vertrieben von der ersten Rushhour. Von der Morgensonne illuminiertes Chaos, Hupen, Getöse! Das Vaporetto, eben noch ein lautlos durch die Nacht schaukelndes Traumboot, wird wieder zum rumpelnden Linienschiff, das festsitzt im Stau vor Rialto. Inside! ruft die Stimme. Und noch mal: Insaaiide! Das ist Daniela, die Schaffnerin auf Vaporetto Nummer 96. Endlich haben sie angelegt, gerade hat sie das Boot bei der berühmten Brücke festgemacht, jetzt drängen, schieben, walzen sie an Bord: Touristen mit Digicam, Touristen mit Stadtplan, Touristen mit Wasserflasche. Danielas Augen, in Sekunden scannen sie, was da kommt: verbrannte Schultern, nackte Waden, Füße in Schlappen, Köpfe unter Kappen, Gesichter hinter Sonnenbrillen. Die Invasion! Venedigs Überlebensgarantie und tägliche Heimsuchung: 150.000 Besucher im statistischen Mittel, zur Hochsaison mehr. Es ist Hochsaison. Und alle müssen, alle wollen sie aufs Boot, in diesem Moment scheinbar nur auf dieses, auf Danielas, auf das Vaporetto Nr. 96. Die Schaffnerin ist auch Matrosin, schon wieder bereit, die Leinen loszumachen. Die Julisonne knallt ihr ins Gesicht, La Serenissima, ganz Venedig schwitzt, bereits jetzt, morgens um neun. Vorn auf der Brücke steht Giuliana, die Kapitänin: Ray-Ban-Sonnenbrille in die Stirn geschoben, blaue Uniform, weiße Handschuhe wie ein Taxifahrer in Tokio. Neben den Japanern steigt die halbe Welt mit ein: Russen mit melancholischem Pokerface, kichernde Highschoolgirls aus Gods own country, zwei Inderinnen in Saris sowie ein Anzugträger, womöglich Venezianer, den seine graublaue Eleganz hier zur exotischen Erscheinung macht. Und da: ein Neugeborenes in pompöser Kinderkarosse, von gleich drei Frauen umsorgt. Daraus wird was werden. Tempo, andiamo! Giuliana, korrekter Titel: capitano donna. Die Frau mit dem Kapitänspatent. Sie sucht Danielas Blick, trommelt mit den Fingern ans Fenster, streckt den Daumen hoch, va bene, länger als eine Minute halten sie nie. Dies ist Vaporetto Nr. 96 auf Linie 82, die von Touristen bevorzugte „Fast Line“ vom Bahnhof zum Lido, mit einem halben Dutzend Stopps entlang dem Canal Grande. Der Boulevard aller Boulevards. Nur eben aus Wasser. Fragt ein Americano den anderen: Wann wird hier eigentlich die Straße mal trocken? Venezianischer Witz. Okay, er riecht schon etwas, wie Venedigs Kanäle, wenn‘s heiß ist. Daniela freut sich: Wer auf dem Vaporetto arbeitet, will auch mal lachen. Vaporetti. Die „Dampfschiffchen“, heute von Dieselmotoren angetrieben, verbinden Venedig mit den Laguneninseln, dem berühmten Lido und dem Festland. Für Giuliana und Daniela heißt das: zwölfmal am Tag dieselTRAVEL go sixt 19


GO Travel „Mittendrin sein im ewigen Schlamassel. Sehen, wie Venezia verblutet, in Schönheit vergeht und täglich wieder aufersteht.“ be Strecke, an jeder Haltestelle das ewig gleiche Ritual. Insaaiide, and watch your step. Andiamo dentro. Rein in den dröhnenden Bauch des Schiffs. Keiner will, aber alle müssen, sonst: Stopp. Keine Weiterfahrt. Also doch lieber la cabina, das klaustrophobische Chaos von Menschen, Koffern, Kinderwagen. Mit Glück ergattert man einen Sitzplatz – aber: Umfallen kann auch keiner. Erst ganz hinten ist wieder Luft: sechs Sitzplätze am Heck, darüber der blaue Himmel und ein Blick! Cinemascope. Kino pur. Ach, Venedig! Schwebende Stadt, Zauberei auf Wasser, auf Holzpfähle gebaut. Fata Morgana über der Lagune! Sicher ist: Venedig, tausendmal totgesagt, lebt. Trotz Bevölkerungsexodus, Hochwasser und verseuchter Lagune. Venedig lebt. Wenn auch nur noch von den Touristen, die wirklich seine letzte Rettung sind. Deshalb kann kein Venezianer böse sein, dass halb Wisconsin in der Stadt ist und halb Paderborn, dass alle herumschippern wollen auf dem grandiosen Canal Grande und seinen schummrigen Seitenkanälen, zwischen luxusrestaurierten Palazzi und schimmelnden Fundamenten, mittendrin sein im romantischen Notstand von Venedig, seinem ewigen, fantastischen Schlamassel. Dass sie Venezia sehen wollen, wie es verrottet, verblutet, in Schönheit vergeht und täglich wieder aufersteht. Sie können eigentlich nicht böse sein. Sind sie aber gern mal, die veneziani, und verfluchen dann lautstark die maledetti touristi, wenn volle Boote nicht loskommen und schon wieder Stau ist vor Rialto. Venezianer sein heißt mit dem Vaporetto geboren werden. Für die Einheimischen – jene 60.000, die wenigstens im Sommer noch zeitweise in Venedig leben – sind die rostigen Rumpelkästen kein Vehikel fürs Sightseeing, sondern ein Teil ihrer selbst.

„Alle Vaporetto-Besatzungen wohnen auf dem Festland. Venedig kann sich kein Venezianer mehr leisten“, erklärt Giuliana, während sie Nr. 96 routiniert durch die vormittägliche Rushhour, die Armada von anderen Vaporetti, Wassertaxis und Privatbooten manövriert. Nicht mal sie, die Chefin an Bord mit dem Nobeltitel capitano donna und der Macht, bei Nacht und Nebel loszufahren, wann es ihr passt, oder Passagiere mit Übergepäck einfach stehen zu lassen. Ein Lastkahn kreuzt, sie erkennt den Mann darauf, kurz lässt sie das Horn ertönen, über dem Steuerrad schwebt die weiße Hand zum Gruß. Ciao, ciao, buon lavoro!

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ür Tausende Pendler wie Giuliana, die nur noch zum Arbeiten in ihre schöne Stadt kommen, beginnt der Tag an der Piaz­zale Roma. Da, wo die Autobrücke zur Terra firma endet und die Autobusse ihre Ladung ausspucken. Frühmorgens, wenn die Calli leer sind und die Touristen noch schlafen, wenn nur ein paar verlorene Flaneure sich herantreiben lassen auf der Duftspur von Espresso und frischer Brioche: Dann kommen sie an, die pendolari aus ihren Wohnorten im Hinterland, nehmen den schnellen caffè in der Bar, ciao, ciao, und – rauf aufs Boot! Sie tragen keine bunten Hüte, Taschen, Koffer, Rucksäcke, zeigen kein Interesse an Palästen oder Monumenten. Allenfalls an der „Gazzetta dello Sport“. Morgens ist die vorherrschende Farbe an Bord rosa. Italien ist Weltmeister! Trotzdem: Schnell muss es gehen. Wenn dann später am Morgen das Boot wieder voller Chinesen und fliegender Händler, der extracomunitari aus Marokko mit ihrem Geraffel ist, beten manche Venezianer wieder den vulgären Rosenkranz: Porca Madonna. Che bordello! Che grande putanada. Nein, diese Schimpfkanonade wollen wir nicht verstehen. Die multikulturelle Welt der Vaporetti: hart, aber herzlich. Die Touristen hören wenigstens hin, wenn man ihnen was sagt, erzählt Daniela, die Schaffnerin. „Venezianer fühlen sich alle selbst wie Kapitäne des Vaporetto. Okay, auch sie bezahlen für ihr biglietto. Aber vor allem: Sie glauben, sie haben ein Recht transportiert zu werden.“ Und zwar mit Stil. Deshalb bleiben die kleinen Unzulänglichkeiten im Vaporetto-Betrieb

„Alle wollen herumschippern zwischen luxus­ restaurierten Palazzi und schimmelnden Fundamenten, im romantischen Notstand.“ 20 go sixt TRAVEL



GO Travel selten unbeachtet. An Bord hält einer den „Gazzettino“ hoch, Venedigs Tageszeitung. Da, bitteschön, ein Unfall ist passiert, ein Vaporetto am Arsenale auf einen Schwimmponton gebrummt. Am hellichten Tag! Kein Wunder, die Besatzungen sind zu oft abgelenkt, kommentiert der Mann. Maledetti turisti! Dann kracht es eben mal: Rechte Faust trifft linke Handfläche, sein Gesichtsausdruck kann sich nicht entscheiden zwischen Amusement und müder Empörung. Vaporetto Nr. 96 mit Kapitänin Giuliana erreicht sicher die Accademia-Brücke. Die ist eigentlich ein Provisorium, 1933 extra hoch für die damals neueste, eine größere Vaporetto-Generation gebaut. Dann fanden die Venezianer sie unerwartet bella, sogar superbella, deshalb steht sie bis heute. Oben dran hängt das Werbeplakat für eine Kunstausstellung. „Where are we going?“ (siehe S. 80). Und vor allem: Wohin fahren sie, vielmehr: Fahren sie überhaupt noch, wenn der für nachmittags angekündigte Streik der Vaporetti beginnt? Der italienische Klassiker, alle Nase lang auf dem Programm. Auch bei den Vaporetti. Für Venezianer eine Beleidigung. Stillstand. Albtraum in der Stadt ohne Auto. Was nun, will einer wissen: Fährt die 82 dann zur Giudecca? Und wie lange? Kaum zu glauben, doch der Pendelverkehr auf dem Canal Grande der Touristen kennt auch Passagiere mit echtem Fahrziel. Warten Sie, aspetti, signore, ich sage Ihnen noch Bescheid. Giuliana, immer freundlich, verbindlich. Am Ende, sagt sie, werde in Venedig keiner hängengelassen.

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Giuliana, capitano donna auf Vaporetto Nr. 96: „Wir wohnen auf dem Festland. Kein Venezianer kann sich Venedig mehr leisten.“ 22 go sixt TRAVEL

icht mal die Schöngeister: Die ahnungsvoll Ruhelosen unter den Besuchern, Venedig-Liebhaber ohne festen Seelenwohnsitz. Unberührt vom Chaos stehen sie da: Paare, einander traulich zugetan; Alleinreisende, die Arme vor dem Herzen gekreuzt, den Blick auf vorbeiziehende Palazzi gerichtet wie auf eine Passage der Träume. Vaporetto Nr. 96 auf Schlingerkurs ins Surreale: In der Scheibe spiegelt sich das Wasser, füllt das Bild eines Japaners zur Hälfte mit glitzernden Wellen. Unmittelbar, wie sie entstand, verblasst die Vision. Ein Kreuzfahrtriese schiebt sich ins Bild, „The Queen of the Caribbean“. Als wenn es nicht schon genug wäre mit dem ganz normalen venezianischen Cityverkehr, also mit dem heillosen Getümmel von Vaporetti und Transportern, von Gemüse-, Sport- und Carabinieribooten, von kleinen Kähnen und größeren Pötten wie den Müllschiffen oder Autofähren, die zum Lido unterwegs sind. Umweltschützer schlagen schon lange Alarm: Viel zu viele Wellen, viel zu viel moto ondoso, der die morschen Fundamente angreift – trotz der zeitweise gültigen Geschwindigkeitsbegrenzung von fünf Stundenkilometern. Seit Jahrzehnten reden alle vom Untergang Venedigs. Und wenn er tatsächlich doch noch stattfindet? Dann retten sich nur die Gondeln. Die aber bestimmt, in all ihrer sinistren Herrlichkeit. Gondolieri halten sich für die Krone der Schöpfung, findet Giuliana: schon seit 1881 das erste Vaporetto über den Canal Grande tuckerte. Damals schlugen die Gondelkapitäne Krach, sie fürchteten die Konkurrenz der Dampfboote. Nicht Schriftsteller Marinetti, der bald darauf im „Futuristischen Manifest“ von 1909 rauchende Fabrikschlote an


Station San Samuele, Palazzo Grassi: 1909 träumte Schriftsteller Marinetti von Stahlbrücken über dem asphaltierten Canal Grande.

1881 tuckerte das erste Vaporetto über den Canal Grande*. Die Gondolieri fürchteten schon damals die Konkurrenz der Dampfboote. *Es heißt übrigens nicht „Canale Grande!“

die Lagune und Stahlbrücken über einem asphaltierten Canal Grande phantasierte. Heute hat sich das mit der Konkurrenz erledigt. Zwar kassiert die Betreibergesellschaft ACTV auf ihren 152 Vaporetti satte fünf Euro fürs Einzelticket – größere Koffer extra, noch mal fünf. Si, si, è caro. Nicht wundern. Die ACTV gehört zur Hälfte der Stadt, die mit den Vaporetti ihren Haushalt saniert. Und es ändert nichts daran, dass Gondeln und Wassertaxis beim Hauptwirtschaftszweig Venedigs, der hemmungslosen, mafiamäßig organisierten Touristenausbeutung, gegenüber den Vaporetti den Bug weit vorn haben. Aber hallo! „We are the Champions“, singt der Gondoliere, während er Giulianas Kurs beim Anlegen vor Salute kreuzt. Vorsicht beim Einsteigen, ruft Daniela auf dem Vaporetto. Und weiter geht es: Andiamo? Fahren wir? Giuliana gibt Zeichen. Sie sind spät dran. Daniela macht die Leinen los, das Gitter am Boot knallt ins Schloss, während von der Kirche noch einer gelaufen kommt, gestikulierend, in der Hoffnung, es zu schaffen. Elton John ist es jedenfalls nicht. Der Popstar hat hier ein Haus, gleich da vorne, erzählt Giuliana, oder ist es ein Loft? Aber Elton John fährt nie Vaporetto. Schade eigentlich. Und was ist mit dem Mann? Zu spät, Nr. 96 ist weg. Der Zurückbleibende outet sich als Venezianer. Diesmal gelten die Flüche dem Boot – merda, soll es untergehen! – und der Schaffnerin: mortacci suoi! Unübersetzbar. Richtig fies. Giuliana schüttelt den Kopf, doch Daniela steht in prima linea, alles kriegt sie ab: Den Unmut über die Fahrpreise, die Verwünschungen, und natürlich ist sie auch schuld an den Verspätungen. „Männliche Kollegen halten das nur zwei Stunden lang aus“, lächelt sie, „dann sind sie fertig.“ Sie nicht. Ihr gefällt das Abenteuer Vaporettofahren, auch wenn es zwischendurch turbulent wird. Vorher arbeitete sie in der Fabrik. Kein Vergleich, sowieso nicht. Und nie haben ihr alte Frauen, le mie vecchiette, da Pralinen mitgebracht. Aus Dankbarkeit, weil sie ihnen an Bord hilft. Attenzione! Hart backbord geht es jetzt, auf die andere Seite des Kanals. Der Diesel stöhnt, das Vaporetto vibriert, wie von unsichtbarer Hand geschüttelt, bäumt sich auf, stampft los, kracht quer auf die Heckwellen einer Fähre. Drinnen: Daniela allein gegen die Masse Mensch, wenigstens von Ein- und Aus-

stieg müssen sie weg. Nur ein Mann mit Leinenanzug und Borsalino, ohne Zweifel ein Vaporetto-Purist und wahrer Genießer, bleibt einfach stehen, pendelt die Bewegung des Boots mit seinem Körper aus, ganz hingegeben an das wunderbare Schlingern und Schleudern. Traumschüssel Vaporetto: Aber Zeit muss man schon mitbringen. Selbst mit der „Fast Line“ ist man die sechs Kilometer vom Bahnhof bis zum Lido vierzig Minuten unterwegs. Um auch Venedig, dieses Reich des Unwirklichen, endlich mit Effizienz und funktionierender Mobilität zu beglücken, hatten Verkehrsexperten die famose Idee der Sublagunare, einer UBahnlinie unter dem Canal Grande. Marinetti lässt grüßen, aber der Plan ist Makulatur, wie auch all die anderen: den Zugang zur Stadt zu beschränken, Touristen auf eigenen, für sie reservierten Linien zu befördern, den Canal Grande den Venezianern zurückzugeben: „Wasserkapitale Venezia“. Daniela tippt sich an die Stirn. Discorsi di salotto, Salongeschwätz der Politiker, gefolgt von vielfach erprobter Untätigkeit.

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ation San Marco. Venedigs Herz, mit der legendären Piazza, städteplanerisches Juwel. Alle Vaporetti, fast alle, halten an San Marco, auch Giuliana und Daniela mit ihrem 96er. Der Wind trägt Salonmusik vom Platz herüber. Da, im Halbdunkel unter den Bögen des Dogenpalastes, irrlichterte einst Klaus Kinski als Paganini: unvergesslicher Trash, nicht zu toppen. Jetzt begegnet man dem Papst – auf Postkarten. Und noch mehr Touristen vor der Seufzerbrücke. An der Haltestelle San Zaccaria stehen auch die Vaporetti Schlange, wechseln Besatzungen. Aber Danielas Kollegen da – worauf warten die? Männer. Celentano-Typen. Streichen sich durchs frisch gegelte Haar, schlackern mit Kettchen oder Sonnenbrillen und halten Palaver auf schwankenden Pontons. Dienstbeginn um drei, die Jungs müssen bald wieder ran, meint Daniela. Auch in Venedig dauert das Dolcefarniente nicht ewig. Es ist Sonntagnachmittag, die Touristen sind am Ziel, San Marco. Unbeeindruckt von der sie umgebenden Pracht warten ganze Familien auf Mitnahme, genervte Mütter, Väter in demonstrativer Freizeitlaune, Kinder, die entschlossen ihre Badeenten umklammern. Allesamt wollen sie zum Lido, nach S. Nicolo, in die Sommerfrische, an den Strand der Venezianer. TRAVEL go sixt 23


GO Travel Vor dem Badevergnügen kommt, fahrplantechnisch, noch die Kunst. Vaporetto Nr. 96 macht an den Giardini fest, in Biennale-Jahren das Ziel Hunderttausender. Jetzt steigt niemand aus, nur wenige zu. Ein junges Mädchen mit klassischem Profil und seltsam entrücktem Blick; drei kregele alte Damen: Sie tanzen an Bord, hintereinander, in ausgelassener Polonaise. Nur noch eine Haltestelle vor dem Lido, S. Elena, umstellt von protzigen Privatyachten und Stretch-Fähren aus Kroatien. Jetzt endlich biegt das Vaporetto ab in die Weite der Lagune. Nr. 96 nimmt Fahrt auf, treibt Wellen vor sich her. Guarda! Giuliana, la capitana, jetzt mit deutlich entspanntem Blick. Links liegen Burano und Murano; noch davor das FriedhofsEiland San Michele. Zypressen stehen Spalier für diejenigen, die ihre letzte Fahrt hinter sich haben. Rechts die Mini-Insel San Servolo: einst Venedigs Irrenanstalt, jetzt Sitz der Internationalen Universität und Vaporetto-Anlegestelle. Irgendwo am Horizont liegen namenlose Landflecken, wartet die Rückseite des venezianischen Postkartenidylls: Niemandsland, wilde Müllkippen, verrottende Fischerboote, eine abgewrackte Fabrik, natura morte mit rostigen Kränen.

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s ist Sommer, aber plötzlich kann man zwischen den elegischen Inselchen den Herbst ahnen; die Zeit, wenn selbst die Gondeln Trauer tragen, wenn Nebel alles in Watte wickelt, die Vaporetti zu Geisterbooten macht und sogar das Gerumpel der Dieselmotoren verschluckt. Was macht Giuliana dann? Erst mal lächelt sie. Und dann: „Ich fahre.“ Heute gibt es Radar, die Funkverbindung zur Leitstelle am Tronchetto. „Wir fahren“, sagt Giuliana, „um niemanden zu enttäuschen. Vor allem nicht uns selbst.“ Was wäre Venedig ohne seine Vaporetti? Das kann man ab November erleben. Dann kommt das Hochwasser, und dann wird es eng. Ab 1,25 Meter über Normal kommen sie nicht mehr durch unter den

Brücken. Dann muss Giuliana Umwege fahren oder anlegen und den Motor abstellen. Das ist der Gau. Fine corsa. End of journey. Feierabend. Krachend legt das Vaporetto am Lido an. In kürzester Zeit sind alle von Bord, auf dem Weg zum Strand wie zu einer Wallfahrt. Für Giuliana und Daniela war es heute die letzte Reise. La capitana zieht die Handschuhe aus. Mit der neuen Crew – Männer! – fahren die beiden Frauen zurück nach Venedig, an die Piazzale Roma, wo der Bus wartet, der sie nach Hause ins Hinterland bringt. Am Himmel über Venedig veranstaltet der hereinbrechende Abend jetzt seinen Prunkaufzug. Mamma mia. Kurz vor zwölf. Das Spätboot zum Lido rauscht los in die Nacht. An Deck mehr oder weniger schrille Vögel in Abendgarderobe, das popolo della notte unterwegs ins Casinò, an die Roulettetische, zu einarmigen Banditen. In der Kabine drücken bleich aussehende junge Leute – auf dem Weg in die Lido-Diskos – an ihren telefonini herum. Canal Grande um Mitternacht: Auch die Geister werden wieder wach. Alles Kino! Alles Theater! Zum zweiten Mal heute zieht San Marco vorbei, jetzt eine verlassene, aber noch immer illuminierte Bühne. Die Walzer der Kaffeehaus-Pianisten und auch alle Flüche: verstummt. Leere Gondeln tanzen an Pfählen, draußen auf der Lagune blinken Bojen traulich buona notte. Im Vaporetto-Depot an den Fondamente Nove liegt Nr. 96 ordentlich aufgereiht mit anderen unterm Silberlicht des Monds. Metall schlägt auf Metall, Taue knirschen, Wasser murmelt, irgendwo zirpen Grillen. Für einmal heute hat der Diesel Ruh’. Aber in ein paar Stunden, noch bevor Venedig aus Träumen erwacht, wird das erste Vaporetto wieder unterwegs sein. Insaaide! Andiamo, Venezia! VAPORETTO-TICKETS, Karten-Automaten an jeder größeren Station. Einzelfahrkarten sind extrem teuer (5 Euro). Am günstigsten sind Tagesticket (12 Euro), 3-Tagesticket (25 Euro) oder 7-Tagesticket (52 Euro); www.venicecard.com

Vaporetto-Depot an den Fondamente Nove: „Nr. 96 liegt ordentlich aufgereiht mit anderen unterm Silberlicht des Mondes.“

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GO Cruising

Donna Leon auf dem Lesesofa in ihrer Wohnung in Venedigs Stadtteil Cannaregio, in dem sie seit 17 Jahren zuhause ist.

»Die lesen meine bücher nicht« Exklusiv für GO SIXT: Bestseller-Autorin Donna Leon über ihr ganz persönliches Venedig – Tatort ihrer 15 Lagunen-Krimis mit Commissario Brunetti Von LEONARD PRINZ

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er mit dem Vaporetto bis Station Ca d’Oro fährt, kann sie vielleicht sehen. Wie sie schnellen Schrittes ihre Einkäufe vom Rialto-Markt nach Hause trägt. Aus ihrem Jutebeutel ragen Lauchzwiebeln hervor, Fleischtomaten und saftige sizilianische Orangen beulen den beigefarbenen Stoff aus. Es ist ein Ritual für sie, der Einkauf auf dem Markt. Der Plausch mit den Händlern, die Köpfe zusammenzustecken und die neuesten Gerüchte aus der Lagunenstadt auszutauschen. Vielleicht liest man ja im nächsten Roman, was sie gerade vom bärtigen Gemüsehändler aus Padua oder dem glatzköpfigen Käseverkäufer aus Treviso erfahren hat. Donna Leon kann sich in Venedig bewegen wie eine Einheimische. Die Leute auf dem Markt, die Menschen in ihrem Viertel, vermutlich nicht mal die Nachbarn aus dem ocker getünchten Mietshaus, in dem die Schriftstellerin wohnt, wissen, wer die alleinstehende Dame mit den anthrazitgrauen Haaren ist. „Die lesen meine Bücher nicht“, sagt Donna Leon, und es klingt mehr nach Stolz denn nach Enttäuschung. Ihre Bücher werden in Italien nicht verkauft, auf ihren eigenen Wunsch: „Ich möchte hier meine Privatsphäre wahren.“ Und sie möchte weiter in ihren Büchern Kritik an der venezianischen Gesellschaft und ihrem verantwortungslosen Umgang mit der langsam versinkenden Stadt üben können, ohne in den Gassen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Sätze wie „Die ganze Stadt ist ein Verbrechensopfer“ machen Donna Leon nicht bei jedem beliebt. Das Haus, in dem sie vor neun Jahren nach monatelanger Suche, „am Ende Gott sei Dank auf Empfehlung italienischer

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Freunde“, eine Dreizimmerwohnung zur Miete fand, sieht nicht gerade aus, wie man sich das Heim einer Bestseller-Autorin vorstellt. Es liegt in einer schmalen Gasse an einer steinernen Brücke, der Putz der Fassade bröckelt hier und da und hat durch die permanente Feuchtigkeit im Fundament Beulen gebildet; die schiefen, schwarzen Fensterläden könnten mal wieder etwas Farbe vertragen. Wäscheleinen mit Unterhemden, Handtüchern und Hosen sind von Haus zu Haus gespannt, eine schwarzweiße Katze hat im Schatten des Hausflures alle Viere von sich gestreckt. Wenn der kleine Kanal vor Donna Leons Küchenfenster im heißen Sommer austrocknet, riecht es moderig und der bräunlich grüne Schlamm gibt frei, was die Nachbarn achtlos fortgeworfen haben – ein altes Dreirad, einen Kleiderständer oder einen Vogelkäfig. In Donna Leons Büchern freilich würde jetzt eine Leiche zum Vorschein kommen, und Commissario Brunetti müsste ermitteln. Donna Leons Viertel ist Cannaregio, im Norden, der mit über 30.000 Einwohnern am dichtesten besiedelte Stadtteil Venedigs. Hier wohnen überwiegend Arbeiter und Angestellte. Der Bahnhof liegt in Cannaregio und spült jeden Tag neue Leute in die Stadt, nicht alle führen Gutes im Schilde, was wiederum die Fantasie der 64-jährigen Amerikanerin beflügelt. „Es ist der Teil der Stadt, der noch am wenigsten touristisch erschlossen ist“, sagt Donna Leon: „Es gibt viele kleine Geschäfte, Handwerksbetriebe und Bars.“ In Cannaregio entstehen ihre Geschichten, hier leben ihre Helden – und ihre Opfer. Bis heute schrieb Donna Leon Commissario Brunetti fünfzehn Romane auf den Leib. Zu ihrem Erstling kam sie über ihre


GO Travel Leidenschaft für die Oper. Während des Besuchs einer Probe im Opernhaus „La Fenice“ schimpfte ihr Begleiter: „Ich könnte den Dirigenten umbringen!“ – „Ich mach’s für dich, aber in einem Roman“, beruhigte sie ihn. So wurde Brunetti geboren, und das „Venezianische Finale“ wurde für die ehemalige Lehrerin der Beginn einer Weltkarriere. Nachdem Donna Leon morgens die Läden ihrer Wohnung geöffnet hat, gießt sie die Geranien auf der Fensterbank. Sie kocht sich, wie jeder richtige Italiener, einen Espresso in der typischen achteckigen Metallkanne von Bialetti, isst dazu ein Stück Kuchen aus der Bäckerei „Ballarin“ (Calle de l‘Oca No. 4323) oder einen klebrig süßen Krapfen aus der über 130 Jahre alten „Pasticceria Rosa Salva“ (Calle Fiubera, San Marco 951). Auf dem weißen Sofa liest sie die Tageszeitung „Il Gazzettino“, vor allem der Polizeibericht ist dabei Quell ihrer Inspiration. Und wenn sich Donna Leon dann zum Schreiben an ihren Laptop setzt, läuft im Hintergrund meist leise eine CD mit einem Konzert ihres Lieblingskomponisten Georg Friedrich Händel, und ein Standventilator aus weißem Plastik bläst im Sommer kühle Luft ins Zimmer. „Ich beschreibe eine Stadt, die jeder liebt“, erklärt sie. „Und in meinen Büchern lernt man etwas über die schönen und die düsteren Seiten Venedigs. Ein Autor muss wissen, wovon er schreibt“, sagt Donna Leon. Seit siebzehn Jahren lebt sie dauerhaft in der Stadt ihrer Träume. Zuvor war sie Reiseleiterin in Rom, schrieb Werbetexte und war Lehrerin an der Amerikanischen Schule in China, Saudi-Arabien und Persien. „Ich besitze einen kleinen Garten in den Bergen“, sagt Donna Leon. Dahin

Ciao Lido, addio Campari! Seit Jahren war es angedroht. Jetzt ist es passiert. Das „Campari“-Schild ist ab. Das Erste, was man vom berühmten Lido sah, der legendäre Werbeschriftzug auf dem Riviera-Hotel direkt am Landeplatz der Vaporetti. Campari. Sieben gelbe Buchstaben, bei Nacht beleuchtet, hoch aufragend, unbeweglich, geduldig. Man sah sie schon von weitem und wusste: Gleich ist man da. Das Wahrzeichen, das alle Ankommenden wie eine Mamma empfing. Campari hatte schon lange schon nicht mehr bezahlt. Kein Geld, hieß es lapidar. Das Hotel Riviera ließ das Logo trotzdem noch lange auf dem Dach, weil es wie ein Wahrzeichen war, ein Bezugs- und Orientierungspunkt, wenn das Vaporetto bei Nacht oder Nebel auf die Insel zustampfte. Oder bei

zieht sie sich zurück, wenn ihr mal wieder zu viele Touristen in der Stadt sind. „Die verstopfen die schmalen Wege, stellen lästige Fragen“, sagt sie. Darum meidet sie touristische Orte. So würde Donna Leon auch nie auf der Piazza San Marco einen Espresso trinken, sie huscht höchstens durch die dunklen Gassen dahinter in ihr Lieblingsmuseum, das „Museo Correr“ (Städtisches Museum), das sich im napoleonischen Flügel der Prokuratien befindet. Mittags, nach dem Einkauf auf dem Rialto-Markt, schaut Donna Leon gern ins „Caffè Saraceno“ direkt am Canal Grande rein, Treffpunkt der Gondolieri. Für Informationen unter der Hand ist auch die „Cantina Do Mori“ (Calle do Mori 429) gut, eine der ältesten Steh-Weinstuben der Stadt: Von der Decke hängen alte Kessel, aus einem Holzkästchen leuchtet der Heiligenschein einer Madonna. Hier trifft man Manager und Handwerker. Donna Leon sitzt am Fenster, zwei Maler kommen rein, grüßen, bestellen einen „Schatten“, ein kleines Glas Rotwein, dazu Cicceti, die venezianische Variante der spanischen Tapas. Donna Leon vermisst kein Stadtleben mit festen Straßen und Autos: „Um Himmels willen, ich bete dafür, dass ich nie wieder in so einer Stadt leben muss. Wenn ich schnell irgendwo hinmuss, nehme ich ein Wassertaxi oder eine Gondel“, sagt sie. „Für alle anderen Fahrten reicht mir das Vaporetto.“ Die Millionärin Donna Leon hat eine Monatskarte.

Schriftstellerin Donna Leon findet viele Anregungen im „Caffè Saraceno“ am Canal Grande, Treffpunkt der Gondolieri.

Vollmond, wenn einem das Herz überfloss und der rote Bitter besonders leicht durch die Kehle rutschte. Campari, das versprach Leichtsinn, schöne, ausgelassene Momente am Lido, kein „Tod in Venedig“. Der Schauplatz von Thomas Manns Novelle, das großartige Grandhotel de Bains, thront noch immer dort. Als es in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet wurde, schlug die Geburtsstunde des Nobeltourismus am Lido. Das war einmal. Der Strand und sein Grandhotel, wo Dekadenz und morbide Eleganz einen Mythos begründeten und Manns Gustav von Aschenbach sich nach dem schönen Knaben Tadzio verzehrte. Im Sommer bleibt wenig von der schwelgerischen Schwermut, die erst Thomas Mann und dann Regisseur Luchino Visconti von dieser Immoblie aus dem Publikum servierten. Die blaublütigen Gäste, die unglücklichen Künstler, der Kult des Untergangs? Ach was: am Strand Getümmel. Badebuden. Signorinas im Bikini! Die ganz großen Tage des Lido sind vorbei, die Bewohner bleiben abseits der Saison weitgehend unter sich. Nur im September nicht, dann sorgt das Filmfestival für überschaubaren Tumult und einen Schuss Stimmung aus vergangenen Zeiten. Dann geht man in die Lion’s Bar und stellt fest, dass Campari der Leib- und Magenbitter vieler Festivalbesucher, vor allem der weiblichen, ist. Cin Cin! Bis nach

dem Filmfestival der Lungomare erneut verlassen daliegt. Es gibt am Lido ja noch andere, herrlich unspektakuläre Orte wie das friedliche Inseldorf Malamocco oder die kleine Bretterbudenbar in der Via Morosini, gleich hinter dem Festivalkomplex, wo sie den Campari-Soda noch wasserglasweise ausschenken. Und wenn im Ferienmonat August Eisdielen und Pizzerien die Gran Viale Santa Maria Elisabetta in ein Shopping- und Schnellfressen-Inferno verwandeln, eignet sich als letzte Zuflucht das Halbdunkel des jüdischen Friedhofs. Rostige Eisengitter schützen den Eingang, verwitterte Grabsteine stehen schief unter uralten Zypressen: Der Antico cimitero ebraico, eingerichtet 1389 und heute einer der ältesten jüdischen Friedhöfe Europas, atmet Stille – und eine hier unerwartete Heiterkeit. Der Lido bleibt ein Ort für die Lebenden. Drei Dinge hat der Lido, die Venedig nicht hat: Autos, zwölf Kilometer Sandstrand und, es hatte, Campari, das Schild, und was es seinen Fans bedeutete. Seit es ab ist, hagelt es Proteste, Gäste stornieren ihre Zimmer. Nicolò, Empfangschef im „Riviera“, kann sie verstehen. Addio Campari! Da darf man mal sentimental werden. Haben wir jetzt unbezahlte Werbung gemacht? Verdient hat es die Mailänder Marke nicht, aber wir sind’s einer hübschen Erinnerung schuldig. Andreas Lueg TRAVEL go sixt 27


Eröffnungsausstellung „Where we are going?“: die Installation „Pink Curtain“ von Mike Kelley.

»macht voll spass hier« Venedigs neuer Musentempel, das Museum Pinault im altehrwürdigen Palazzo Grassi, präsentiert teuerste zeitgenössische Kunst V o n A ndrea s l u e g

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ohin gehen wir? „Where are we going?“ So fragt das Kunstereignis, das sich in Venedig in diesem biennalefreien Sommer niemand entgehen lässt. Zur Eröffnung Ende April erschien illustres Publikum: Die Schauspielerinnen Isabelle Huppert, Isabelle Adjani und Charlotte Gainsbourg, außerdem Farah Diba, persische Ex-Kaiserin sowie die Modemacher Miuccia Prada und Pierre Cardin. Dann kam einer der Matadoren der Ausstellung, Jeff Koons höchstselbst – mit dem Vaporetto. Das lag nah: Des Künstlers pinkfarbener „Ballon Dog“ wedelt am Bootsanleger vor dem Palazzo Grassi für Herrchen mit dem Schwanz. Aber auch Aus-

stellungsbesucher ohne exklusiven Palazzo-Zugang können das drei Meter hohe Wursthündchen kaum übersehen. Und drinnen, im Foyer des Kunsttempels, erwartet einen schon wieder Koons – in Form seines gigantischen, gigantisch kitschigen „Hanging Heart“. Schlägt hier, mitten in Venedig am Canal Grande, neuerdings das Herz der modernen Kunst? So jedenfalls hätte er es gern: François Pinault. Herr des Hauses und Herrscher über die Welt des Luxus und der Moden, Multimilliardär und Modemagnat, Chef von Gucci und Yves Saint Laurent, der auch noch das Londoner Auktionshaus Christie’s als Sahnestückchen in seinem Imperium hat (praktisch, wenn es um Kunstwerke geht). Und außerdem verfügt er noch über allerhand Kleinkram, so etwas Profanes wie Kaufhausketten und Versandhandelsunternehmen. Na? Und? Kann so einer Kunstverstand haben? Warum nicht? Ansonsten: Kunstverstand ist Luxus. Braucht dieser Pinault gar nicht. Sein Motto ist nämlich: Kunst kommt von Kaufen, seine bescheidene Sammlung umfasst so um die 2.500 hochkarätigen Werke von Impressionismus bis Moderne. Die genaue Zahl kennt er selbst nicht. Die meisten Bilder hat François Pinault nicht mal mit eigenen Augen gesehen, sondern eben

Vaporetto-Kunst-Haltestelle San Samuele mit Jeff Koons’ pinkfarbenem „Ballon Dog“: Sammler Pinault kapituliert in Paris vor Nörglern und zieht an den Canal Grande. Venedig lacht. 28 go sixt TRAVEL



ständlich, Cy Twombly und Raymond Pettibon. Der Italiener Maurizio Cattelan präsentiert HIM, einen knieende, brav betende Führerpuppe, Adolf Hitler aus Wachs. Gerhard Richter, der weltteuerste Künstler der Gegenwart, ist mit seiner kapitalismuskritischen „Personengruppe“ da. Das hat was, hier in der Luxushöhle des Pinault. Wie das titelgebende Werk des Briten Damien Hirst, der die von Gauguin in der Morgenröte der Moderne formulierte, metaphysisch wuchtige Gretchenfrage ironisch weiterspinnt: „Where are we going? Where do we come from? Is there a reason?“ Ach so, wie bitte, das Werk? In Scheiben geschnittene Kuhkadaver hinter Glas. Einige Großkritiker halten die Auswahl für beliebig. Pinault, heißt es, sammele bei der Kunst eben nur, was einen Namen hat und teuer ist. Und wenn schon! Wir wollen Avantgarde für alle: Dem durchschnittlichen Kunstbanausen bereitet das bunte Tuttifrutti, der Crashkurs in Agitpop, Arte povera, Minimalismus und Postminimalismus Vergnügen. Mit den Worten einer jungen Ausstellungsbesucherin: „Es macht voll Spaß hier!“

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Jeff-Koons-Objekt „Moon/Light Blue“, davor seine Skulptur „Bourgeois Best – Jeff and Ilona“: ein Piratenschatz für Venedig.

nur gekauft: Pinault über Pinault. Der Mann kann sich alles leisten, sogar Ehrlichkeit. Und natürlich den Palazzo Grassi. Zwanzig Jahre lang gehörte die Prestige-Immobilie am Canal Grande dem Fiat-Clan. Agnelli und Co. zelebrierten in dem klassizistischen Riesenpalast großartige Kunst- und kulturhistorische Ausstellungen. Es war – meistens – die geglückte Verbindung von Kohle und Kunst: Phönizier, Pharaonen, Kelten, Dalì oder Leonardo, sie alle kamen mal dran. Dann starb der alte Agnelli, die Familie verkaufte. Und Pinault schlug zu, zum Schnäppchenpreis von 29 Millionen Euro. Nun hat er seinen Privattempel, auch gleich hübsch minimalistisch umgebaut vom japanischen Stararchitekten Tadao Ando. Von italienischen Autos zu französischem Luxus, und alles im Namen der Kunst: Finden wir klasse. Venedig bekommt, schräg gegenüber von der Collezione Peggy Guggenheim ein neues Mekka für die moderne Avantgarde, für Künstler und ihre Verehrer. Sonntagnachmittag in der Serenissima. Man muss mal nicht zum Lido, Sightseeing auf Campi und Calli hat man hinter sich, Kunstbiennale in den Giardini ist dieses Jahr nicht. Also: Mal gucken, was der Pinault da hat. Die bis Oktober laufende Eröffnungsausstellung versammelt nahezu alle Stars der zeitgenössischen Kunstszene. Neben Koons zum Beispiel Paul ­McCarthy mit seinem mechanisch zuckenden, zitzenzeigenden „Mecanical Pic”; Warhol selbstver-

ie der rosarote Gipstropfen-Regen mit dem kryptischen Titel „Vintage Violence“ vom Schweizer Künstler Urs Fischer. Zwischendurch geht man in der Cafeteria einen Cappu trinken: draußen der Canal Grande, das muntere Ballett der Vaporetti und Gondeln, das Wunder weichen mediterranen Lichts, das durch riesige Fenster in den Palazzo strömt. Pinault selbst lässt sich im Foyer von einem gewissen Pjotr Uklanski als Pirat porträtieren. Nach allem, was man hört: Das trifft es wohl. Pinaults Gipfelsturm, das ist eine dieser Geschichten: Kleiner Holzhändler in der bretonischen Provinz kämpft sich als Radikalsanierer und gnadenloser Aufkäufer nach ganz oben, weiß nicht, wohin mit dem Geld, und entdeckt – die Kunst. Mit eigenen Worten: die Leidenschaft für die Kunst! Es kann schlimmer kommen. Und wäre es beinah. Eigentlich wollte der Selfmademan nämlich zu Hause in Paris, auf der Seine-Insel Seguin sein Kunstmuseum der Superlative bauen. Nörgelige Umweltschützer bevorzugten eine Grünfläche. Pinault zog seine Sammlung aus Frankreich ab. Das haben sie jetzt davon, die an der Seine. Venedig lacht. Und Venedig soll ja auch nur der Anfang sein. Pinault will ein Pinault-Netzwerk mit Museen in ganz Europa aufbauen, am Ende sollen Pinault-Dependencen in der ganzen Welt das andere große Kunstmuseums-Imperium wanken lassen. Wenn Pinault wahr macht, was er an Plänen durchblicken lässt, kann Guggenheim sich warm anziehen. Nicht die arme Peggy, gegenüber im alten Palazzo Venier dei Leoni. Denn erstens ist die große Kunstfreundin und Sammlerin seit 1949 tot, und zweitens bleibt ihre Venedig posthum vermachte Collezione einzigartig – vielleicht das Feinste, was Venedig jenseits der alten Meister zu bieten hat. Doch Pinaults weiß Gott nicht uneigennützige Idee, die Lagunenstadt zum wichtigsten italienischen Zentrum für moderne Kunst zu machen, am Canal Grande eine Art Nationalgalerie zu etablieren, ist bestechend. Venedigs Bürgermeister, der gelernte Philosoph Massimo Cacciari, hat die Chance erkannt: Im alten Hauptzollamt an der Punta della Dogana, nicht weit vom Palazzo Grassi, soll Pinault demnächst noch mal 6.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche beschicken dürfen. Kann sein, dass Francois Pinault dann doch mal die eigene Sammlung kennenlernt. Venedig und seine kunstinteressierten Besucher hat er mit seinem Piratenschatz schon allemal bereichert.

MUSEUM PINAULT, Mo.–So., 10–19 Uhr; Vaporetto-Stationen San Samuele und Sant Angelo, Linien 1 + 82; Tel. +39 (0) 41 523 16 80, www.palazzograssi.it 30 go sixt TRAVEL



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Exclusive Exclu

Venedigs RubelliDynastie: Für handgewebte Rubelli-Stoffe zahlt man bis zu 2.000 Euro pro Meter.

Venezianische Paläste und alte Dynastien

Nathalie Gütermann für GO SIXT

Top 3 Bars Harry’s Bar San Marco 1323; 30124 Venezia. Tel. +39 (0) 41 528 57 77; Fax: +39 (0) 41 520 88 22; www.cipriani.com Hier spülte schon Ernest Hemingway seinen Hummer mit Whisky runter und verewigte seine Stammbar sogar in einem seiner Romane. Hier entstanden auch die berühmten „BelliniCocktails“ aus frisch 32 go sixt TRAVEL

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ur eine Stadt auf der Welt hat zu jeder Jahreszeit ihre Reize. Ob Sonne, Regen, Nebel oder ­Schnee: Venedig mit seinen 480 Gondeln ist immer eine Reise wert. Die Entdeckung Venedigs beginnt damit, dass man Vergessen lernt: die Autos und das städtische Verkehrschaos, den rechten Winkel und auch Pünktlichkeit. Es gibt Wichtigeres in diesem Labyrinth auf Stelzen, das schon Thomas Mann so liebte: „Von tiefem Traum besiegt, vom Tode eingewiegt, schläft hier die Zeit. Und alles Leben scheint so weit, so weit ...!“ Ich betrete den Palazzo des venezianischen Seidenkönigs Alessandro Favaretto Rubelli. In einem Marmorpalast am Canal Grande befindet sich seine Firmenzentrale, die weltweit die schönsten Möbel- und Dekorationsstoffe vertreibt: edlen Seidendamast, schwere Gold- und Samtgewebe, schimmernde Baumwolle und feinsten Brokat. Aber auch duftige naturfarbene Stoffe aus hauseigenen Webereien findet man im renommierten Showroom im Palazzo Corner Spinelli. 60 Webstühle produzieren jährlich rund 700.000 Meter Stoff – der Endpreis liegt bei ca. 30 bis 150 Euro€pro Meter. Wer handgewebte Rubelli-Stoffe (Soprarizzi) schätzt, legt bis zu 2.000 Euro hin. Mein Gourmet-Trip beginnt in der Nähe der Markthallen. Dort treffe ich den Spross der traditionsreichsten Gastronomiefamilie Venedigs: Arrigo Cipriani, einen liebenswürdigen Italiener, Mitte 60. In einem kleinen Motorboot kommt er mir gut gelaunt entgegengefahren, umarmt mich lächelnd: „Ciao, Bella!“ Arrigo Cipriani ist der größte Arbeitgeber der Lagunenstadt. Auf der In-

püriertem Pfirsichsaft und eiskaltem Prosecco. Dieser Drink gehört zu Venedig wie die Tauben und die Gondeln. Die legendäre Harry’s Bar aus dem 20. Jahrhundert liegt gleich am Markusplatz und wer Glück hat, trifft hier den „Patrone“ Arrigo Cipriani höchstpersönlich hinter dem Tresen. Deshalb unbedingt reinschauen, auch wenn die Bar nicht preiswert ist und inzwischen hauptsächlich von der Legende lebt. Enoteca Mascareta Calle lunga Santa Maria Formosa, Castello 5183. Tel./ Fax: +39 (0) 41 523 07 44 In einer kleinen Gasse mit der Nummer 5183 befindet sich diese reizende rustikale Weinbar mit ein paar schlichten Holztischen. Die

Enoteca ist auch ein sehr gutes Lokal, um traditionelle „Ciccheti“ zu probieren – leckere Appetithappen mit Käse und Wurst, die es an der Bar zu bestellen gibt. Dem einfachen, aber köstlichen Mahl sollte eine Verkostug von Weinen aus dem Venneto folgen. Die Kneipe ist von 18 bis 1 Uhr geöffnet. Aber Vorsicht: Um Mitternacht ist es hier richtig voll! Vino Vino San Marco 2007/A (zwischen La Fenice Opera House and via XXII Marzo). Tel. +39 (0) 41 241 76 88; Fax: +39 (0) 41 528 98 57. Diese Enothek ist deshalb so berühmt, weil sie angeblich die Lieblingsbar von Woody Allen sein soll. Aber wie so

sel Giudecca führt er mich zunächst in seine Pasta-Fabrik. Die goldgelben Nudeln finden sich heute in den besten italienischen Restaurants der Welt. Die weltberühmte „Harry’s Bar“ wurde 1931 von Arrigos Vater, dem Kellner Giuseppe Cipriani, gegründet. Papa Giuseppe eröffnete auf Torcello das Restaurant „Locanda Cipriani“ und Arrigo erzählt, wie sein Vater das Carpaccio erfunden hat. Ich nehme an einem der sechs Tische mit den Ciprianis Platz. Schneeweiß gekleidete Kellner servieren ein himmlisches Gemüserisotto sowie hauchdünn geschnittene Rindfleisch­ scheiben mit Olivenöl, Parmesan-Flakes und einer weißen Soße: die Legende, das „Filetto al Carpaccio“. Im Jahr 1950 erfand Giuseppe Cipriani diese Speise für seine Stammkundin Contessa Amalia Nani Mocenigo. Wegen ihrer Blutarmut musste sie strenge Diät halten: kein gekochtes Fleisch! Cipriani kam mit einem großen Teller aus der Küche zurück, auf dem rohes Rindfleisch mit einer hellen Soße angerichtet war. Als sie nach dem Namen fragte, nannte er ihr den soeben erfundenen Namen „Carpaccio“, benannt nach dem berühmten venezianischen Renaissance-Maler Vittore Carpaccio (1456-1526). Er war für seine opulenten Gemälde in charakteristischen Rot- und Weißtönen bekannt ... Ciao!

vieles in Venedig kann dies auch nur ein Gerücht sein! Sicher ist: Die Vinothek ist bezaubernd und verwöhnt ihre Gäste mit einer großen Auswahl an schmackhaften venezianischen Leckerbissen und einem reichen Angebot an Weinen, das mehr als 350 Sorten regionaler, italieni­ scher und ausländischer Weine umfasst. Hier treffen Rucksacktouristen auf Adelige, Gondoliere auf Golfer. Die Mischung stimmt, und man wird für wenig Geld satt. Die Tageskarte wird auf eine Tafel geschrieben und die Weine gibt’s auch zum Mitnehmen. In vino veritas! Nathalies Special Tip: einheimische BàcariWeinkneipen Die traditionellen Weinschän­

NATHALIE GÜTERMANN, TV-Filmemacherin und Lifestyle-Expertin, verrät ihre persönlichen VenedigGeheimnisse

ken in der Lagunenstadt heißen Bàcari. Jede Weinstube hat ihre eigenen Geschichten, Geheimnisse und Spezialitäten. Fest sind sie im Alltag der Bewohner verwurzelt. Hier kehrt man mit Kollegen ein, tratscht über die Nachbarn, schließt Freundschaften. Und trinkt dazu eine „Ombra“ – ein Gläschen Wein. Das Ambiente ist schlicht, aber sehr gesellig. Leider sind die Bàcari nicht immer einfach zu finden. Die besten Adressen: Da Lele, Campo dei Tolentini 183 Cantina Do Mori, Calle do Mori 429 (Steh-Weinstube) Al Volto, Calle Cavalli di San Marco 4081 (Decke voller Weinetiketten)


Top 5 RESTAURANTS la terrazza im Danieli: meisterhaft.

LA TERRAZZA HOTELRESTAURANT IM DANIELI Riva degli Schiavoni 4196. Tel. +39 (0) 41 522 64 80; Fax: +39 (0) 41 520 02 08 www.luxurycollection.com/ danieli Ich liebe das Danieli – nahe Dogenpalast. Es befindet sich in einem meisterhaft restauriertem Palazzo aus dem 14. Jhdt. und beherbergt die schönste Hotelhalle Europas im gotischen Stil, ausgestattet mit rosa Marmor, Säulen mit vergoldeten Arabesken, antiken Kandelabern aus Muranoglas und anderen Antiquitäten. Warum liste ich es unter meinen TopRestaurants? ‚La Terrazza’, das renommierte Restaurant auf der Dachterasse des

Hotels Danieli, bietet eine köstliche mediterrane und regionale Küche. Wer jemanden beeindrucken will, liegt mit dem opulenten Ambiente und perfekten Service goldrichtig. Die Tagliatelle mit Trüffeln, gebackene Meerbrasse und Tiramisu sind sehr zu empfehlen. Vor allem aber der sensationelle Blick auf den Canal Grande mit dem Lido und dem adriatischen Meer im Hintergrund. LOCANDA CIPRIANI Piazza S. Fosca, 29 – 30012 Torcello. Tel. +39 (0) 41 73 01 50; Fax: +39 (0) 41 73 54 33 www.locandacipriani.com Dieses auf der Insel Torcello gelegene Restaurant erlangte

Top 5 HOTELS

Hotel Cipriani:

olympische Ausmaße. HOTEL CIPRIANI & PALAZZO VENDRAMIN Fondamenta San Giovanni, Giudecca 10. Tel. +39 (0) 41 520 77 44; Fax: +39 (0) 41 520 39 30 www.hotelcipriani.com Es gehört zu den teuersten und schicksten Hotels in Venedig, aber es ist jeden Penny wert! Weil ich Arrigo Cipriani kenne, steige ich meistens hier ab. Aber auch Hollywoodstars, die während der Filmfestspiele ihren Paparazzi entfliehen wollen, checken hier ein, denn das Hotel liegt strategisch ideal auf einer Insel. Original venezianisches Mobiliar in

Traumsuiten, das romanti­ sche Dinner auf der Strand­terrasse, ein Schwimmbad mit olympischen Ausmaßen und der kostenlose Motorboot-Shuttle machen den Aufenthalt hier äußerst angenehm. Die Depen­ dancen „Palazzo Vendramin“ und der „Palazzetto Nani Barbaro“ bieten sogar 24 Stunden privaten Butlerser­ vice. Einziger Wermutstrop­ fen: astronomische Preise ... PALAZZO GRITTI Campo Santa Maria del Giglio, San Marco 2467. Tel. +39 (0) 41 79 46 11 Fax: +39 (0) 41 520 09 42

durch Ernest Hemingway Berühmtheit und war lange Zeit sehr beliebt beim englischen Hochadel (u. a. der Queen) und bei Hollywoodstars (u. a. bei Orson Welles). Das höfliche Personal, die hervorragende Küche und idyllische Gegend machen dieses Lokal mit nur 7 Tischen zum idealen Ort für Geschäftsessen oder romantische Dinner. Der Gemüserisotto ist einfach himmlisch. Mein Lieblings­ gericht ist natürlich die Spezialität des Hauses: Rindcarpaccio – erfunden von Arrigo Ciprianis Vater Giuseppe (siehe mein Feature). Reservierungen sind notwendig. Dienstags geschlossen. HARRY’S DOLCI Isola della Giudecca 773. Tel. +39 (0) 41 522 48 44 Fax: +39 (0) 41 522 23 22 www.cipriani.com Für ein romantisches Dinner bei Kerzenlicht empfehle ich oft und gerne das Restaurant im Luxushotel Cipriani (probieren Sie unbedingt die hausgemachten schwarzen Nudeln mit Trüffelsoße). Für den kleinen Hunger (Snacks) und natürlich DessertLiebhaber ist mein Tipp

www.hotelgrittivenice.com Der prächtige venezianische Palast liegt mitten in der Innenstadt mit einem traumhaften Blick auf den Canal Grande. 1525 logierte hier Andrea Gritti – der „Doge von Venedig“. Später wurde der Palast die offizielle Residenz für die Botschafter des Vatikans. Heute gehört der opulente Gritti-Palast zur renommierten StarwoodHotel-Gruppe. 82 Zimmer und 9 Suiten, allesamt hochherrschaftlich eingerich­ tet – plus: hauseigene Edelrestaurant! NH LAGUNA PALACE Viale Ancona 2, 30172  Venezia Mestre. Tel. +39 (0) 41 829 61 11 Fax: +39 (0) 41 829 61 12 www.nh-hotels.com Sehr modern, sehr cool! Das 4-Sterne-Laguna Palace erin­ nert an einen amerikanischen Stahl- und Glaspalast und wird auch gerne als Tagungsund Kongresshotel genutzt, denn es befindet sich in einer privilegierten Zone: 15 Minuten vom Flughafen, 5 Minuten vom Bahnhof und 10 Minuten von Venedig entfernt. Europas größtes Glasdach verbindet 2 Gebäu­ de, in dessen Mitte ein

jedoch Harry’s SüßspeisenBistro auf der gleichen Insel! Von Arrigo Cipriani gegründet, wird es heute unter dem mächtigen Dach der Cipriani-Gruppe geleitet. Die „Al fresco“-Terrasse ist einfach ideal zum Relaxen – an heißen Sommertagen oder zur Happy Hour. Nirgends lässt sich der Sonnenuntergang über Venedigs Silhouette besser beobachten als von hier. OSTERIA ALLA TESTIERE Calle del Mondo Novo, Castello 5801. Tel. +39 (0) 41 522 72 20 Fax: +39 (0) 41 522 72 20 Fragen Sie nach Luca! Er ist der charmante Chef dieses winzigen, sehr romantischen Lokals, das abends mit unzähligen Kerzen beleuchtet ist. Die Osteria ist ein Kleinod unter den venezianischen Restaurants. Die Spezialität sind Meeresfrüchte und garantiert fangfrische Fische. Ich persönlich mag die frittierte Fischplatte (misto fritto) und den Schwertfisch mit Oliven. Mein Mann bestellt gerne Steinbutt mit Radicchio, aber am besten fragt man nach dem Gericht des Tages, das Bruno in der winzigen Küche kocht! Nur wenige Tische, daher ist eine Reservierung unerlässlich. Die Preise sind moderat. So. + Mo. Ruhetag.

eigener Hafen errichtet wurde, der mit allen Kanälen verbunden ist und perfekten Zugang nach Venedig gewährt. Die Designzimmer sind geräumig, die Preise erschwinglich. LOCANDA NOVECENTO Calle del Dose, campo San Maurizio, San Marco 2683/4. Tel: +39 (0) 41 241 37 65; Fax: +39 (0) 41 521 21 45 www.novecento.biz Klein, aber oho! Das Novecento Boutiquehotel liegt am Platz Campo San Maurizio, zwischen dem Markusplatz und den Galerien der Akademie. Das elegante und abgeschiedene Hotel bietet seinen Gästen einen Aufenthalt in einer heimeligen Atmosphäre. Das Haus ist ausgestattet mit Mo­ biliar aus dem 19. Jahrhundert mit kostbaren Acces­­soires, orientalischen Stoffen. ART DECO HOTEL Calle delle Botteghe, 2966 – San Marco. Tel. +39 (0) 41 277 05 58; Fax. +39 (0) 41 270 28 91 www.locandaartdeco.com Sehr einfach, aber für den kleinen Geldbeutel ideal. Die familiär und herzlich geführte Herberge liegt mitten im

BISTROT DE VENISE Calle dei Fabbri, San Marco 4685. Tel. +39 (0) 41 523 66 51; Fax: +39 (0) 41 520 22 44. www.bistrotdevenise.com Der Name sagt eigentlich schon alles! Bistro, Weinbar und Trend-Treff von Venezianern, Künstlern und Intellektuellen zugleich, ist das kleine Restaurant in der Nähe von Rialto-Brücke und Markusplatz der ideale Ort, um klassische venezianische Gerichte zu probieren und einfach das Geschehen wie auf einer Bühne zu beobachten. „Restaurant & Wein & Kunst & Kultur ...“ steht auf der Homepage. Na also! Besonders hervorzuhe­ ben ist die hervorragende Auswahl italienischer Weine ab 20 Euro. NATHALIES SPECIAL TIPP: FISCHERINSEL „PELLESTRINA“ Sie ist winzig und einzigartig. Mitunter auch schmutzig. Die Insel der Muschelfischer, die über 2 Strände verfügt und über bunte Häuser – so groß wie Puppenstuben, scheint es. Das „Celeste“ (Sestier Vianelli 625, Tel. +39 (0) 41 96 73 55, Mi. geschlossen) ist ein nettes Restaurant mit einer in hellblau getünchten einfachen Terrasse, die besonders bei Einheimischen beliebt ist. Spezialität sind erstklassige Meeresfrüchte.

historischen Stadtzentrum von Venedig, nur 5 Geh­minu­ten von der Piazza San Marco entfernt. NATHALIES SPECIAL TIP: PALAZZO & ZIMMER ZUR MIETE Viele Palazzobesitzer bieten private Unterkünfte an – vom Studentenzimmer bis zur Ver­ mietung ihres Palastes, ­­z. B.­ den Palazzetto Accademia aus dem 16. Jhdt. (Info: Lanza & Baucina; Tel. 020 7738 2222; www.lanzabauci na.com) oder Ca’ Salvioni (Info: Bellini Travel, 020 7437 8918; www.bellinitravel.com). Mehr über den Palazzo Grandiben erfährt man über www.venice-rentals.com. Sehr billig: Apartments in der Casa Tre Archi oder Casa Battello, die ihre englischen Besitzer direkt privat vermieten Info: 07952 000 599; www.visitvenice.co.uk

Venedig Flughafen Marco Polo Sala Arrivi 30030 Venezia Tel. +39 041 5415 032 Fax: +39 041 5415 570 TRAVEL go sixt 33




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Cruising Cru

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HOLLYWOODOFFROAD-

Businessmann Ralf Moeller auf Offroad-Tour in den Malibu-Mountains: „Ich bin schon als 24-Jähriger Porsche gefahren. Nicht erst als Rentner.“


MÖGEN’S HaRT

STAR ralf moeller FÄHRT FÜR GO SIXT den BOLIDEN hummer h3. EIN REPORT VOM SET

Von Wolfgang Timpe und gabor ekecs (Fotos)

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GO Cruising

„ich kaufe mir, waS ich möchte. Von meinem Haus aus schaue ich auf den Pazifik. i’m fine!“ Lust auf Lieblingszigarre: Ralf Moeller mit seiner Cohiba, Torpedo-Size. 38 go sixt Rubrik


GO Cruising „ich sage immer direkt, was ich denke. so enttAusche ich menschen spAter nicht.“ Cruisen in California: Ralf Moeller mit dem H3 in den Bergen von Los Angeles, den Malibu-Mountains.

Zeigen Sie Ihrem Nachbarn, wo der Hummer hängt!

wollen: Die Wenn auch Sie mal einen H3 bändigen in Deutschland Sie wo e, gern n Ihne t verrä SIXT-Hotline en: könn en miet und Spanien das Kultauto

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ie Bridgestone-Gummis wühlen den grauweißen Pazifiksand auf. Der Feinstaub ist für ihr gewaltiges Offroad-Profil kein Problem. Sicher zieht der knallrote Hummer H3 seine Kreise. Farblabel: „Victory Red”, das Make-up für Sieger. Am Steuer: Hollywoodstar Ralf Moeller, ein großer Bengel aus Recklinghausen. Ja, der Mister Universum, Deutschlands Bobybuilding-Weltmeister. Ja, genau, der germanische Mr. „Gladiator“, Deutschlands Extrem-Exportartikel. Die Action­ kampfmaschine mit ihrer eigenen Duft- und Pflegeserie „Gladiator“. Der Modeltyp Supersize, der mit Heidi Klum, Boris Becker und Michael Schumacher dieselbe Direktvermarktungsagentur LR nutzt, mit der er jetzt rund um den Globus Nahrungsergänzungsmittel vertreiben wird. Für das Wertvollste im und am Mann: Fitness. Ralf Moeller ist ein SelfmadeMillionär in eigener Körpersache. Später kam die erfolgreiche Schauspielerei hinzu. Genre: Action- und Comedystreifen plus die erfolgreiche US-TV-Serie „Conan: The Adventurer“. Ralf Moeller ist ein lachender Blockbuster. Lässig liegen die mächtigen Bizepsberge im kompakten Seitenfenster des Hummer H3. „Der fährt sich ja total weich“, staunt Ralf Moeller über die Fahrwerksabstimmung seines H3. „Das fühlt sich an wie Schifffahren an Land“, lacht er, und pflügt durch den Sandstrand von Los Angeles, dem Santa Monica Beach. Das szenige Kultcar, dessen militärisches Urformat H1 der US-Held im ersten Golfkrieg war, und der H2, den sein Freund und heutige Gouverneur Kaliforniens, Arnold Schwarzenegger, in Actionfilmen salonfähig machte, wird mit Blick auf seine martialischen Brüder gerne „Baby-Hummer“ genannt. Nun ja, Ansichtssache. Mit 4,74 Metern Länge und dem

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knarzenden Sound aus der 3,5-Liter-Vortec-Maschine mit fünf Zylindern und 20 Ventilen sowie den bulligen Seitenschwellern wirkt der H3 nicht gerade wie ein flachbrüstiger MiniOffroader aus Japan. „Das ist keine Kiste fürs Understatement“, brüllt der 1,97 Meter große Actionator mit 120 Kilo Kampfgewicht in den blauen Himmel Kaliforniens. Das H3-Cruisen mache gute Laune. „Der eignet sich prima zum Beeindrucken der Freundin oder des Golfpartners“, setzt Moeller nach. Und das Luxusausstattungspaket mit dem hochglänzenden Hummer-Markenzeichen, dem 7-speichigen Chrom-Grill über die gesamte Breite der bulligen Schnauze, und den wulstigen Einstiegsschwellern in superblitzblankem Picobello-Chrom signalisieren Auto-Ego: Hallo, ich bin der Star. Privat hält es Ralf Moeller bei seinem Fuhrpark eher mit straffer Abstimmung. Sein VW-Touareg und sein Mercedes 500 GE lägen „wie ein Brett“. In denen spüre er „zum Glück“ jede Bodenwelle. Der Mann liebt es halt hart. „Ich bin schon als 24Jähriger ein bordeauxrotes Porsche-Cabrio gefahren und nicht erst im Vorruhestand wie so viele andere.“ Die BodybuildingVermarktung machte es damals möglich. Ein Anhänger von Minderwertigkeitskomplexen ist Ralf Moeller nun wirklich nicht. „Ich bin Schauspieler“, sagt der kumpelige Kraftprotz ohne jeden Anflug von Trotz. Und warum? „Weil ich damit mein Geld verdiene. Es ist mein Beruf. That’s my job!“ Tja, bei all seiner Bewunderung für Stars wie Robert De Niro oder Al Pacino und trotz seines eigenen Traums vom ernsthaften Rollenangebot insistiert der Muskelmann glaubwürdig: „Ich bin zufrieden. Ich habe im vergangenen Jahr drei Filme gedreht und zwei davon kommen jetzt und Anfang 2007 ins Kino. Das schaffen hier nur wenige.“ cruising go sixt 39


GO Cruising Schnauze als Markenzeichen: der 7-speichige Chrom-Grill über die volle Fahrzeugbreite.

„Der h3 ist keine kiste fürs Understatement, sondern zum beeindrucken der freundin.“

Sagt’s, zieht an der inzwischen angezündeten Zigarre. Marke: Cohiba, Torpedo-Size. Er sei „in the mood“, in Stimmung. Cooles Fotoshooting. Und er legt noch einen nach. Klar, er bekomme keine 20-Millionen-Dollar-Gage pro Film wie Tom Cruise. Aber mit bis zu zwei Millionen Dollar pro Film kann der Deutsche im Comedy- und Actionfach in Hollywood schon rechnen. „Das ist doch auch nicht von schlechten Eltern, oder?“, schmunzelt der Tough Guy in seinen Drei-Tage-Bart.

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nd fair findet er den Lohn allemal. Schließlich haben allein seine bisherigen Filme zwei Milliarden Dollar eingespielt, 700 Millionen davon der Blockbuster „Gladiator“. Mit Ralf Moeller würde sich für Produzenten halt immer eine Win-win-Situation ergeben. „Meine Filme kosten nicht viel, aber sie spielen viel Geld ein. Darauf bin ich stolz“, sagt er. Ralf Moeller ist das lebendige Klischee vom American Way of Life: Think positive. Guck nach vorne. Mach das Beste aus deinem Leben. Du bist selbst für dich verantwortlich. Die Lektion hat der Arbeitersohn aus Recklinghausen – Vater gelernter Schlosser und Schweißer, Mutter Schuhverkäuferin – von der Pike auf in den Boxstudios und auf den Bodybuildingbühnen im Ruhrpott und draußen in der Welt gelernt. „Ich musste mich mein ganzes Leben immer selbst antreiben. Aber das macht mir Spaß. Ich gehe sehr gerne an meine Grenzen.“ Glaubwürdige Stille. Zärtlich drehen seine kräftigen Finger die Edel-Cohiba und seine grünblauen Augen blitzen vor Stolz und Genuss. Er fühlt sich einfach wohl. Kann denn Wohlstand Sünde sein? Nein, natürlich nicht. Aber die „selbstverständliche Verpflichtung“, an die zu denken, denen es nicht gut gehe, vertritt er mit Inbrunst. „Niemals vergesse ich meine Wurzeln“, beharrt er energisch. „Ich weiß, wozu es führt, wenn jemand keine Arbeit und auch keine Ziele hat.“ Man sei frustriert. Das erzeuge Langeweile. Langeweile bringe Stress. Stress provoziere Gewalt. „So einfach ist das Leben“, bricht es aus ihm heraus. „Und so einfach kann man es eben auch ändern.“ Er, den der Sport „alle wichtigen Regeln des Überlebens und des Zusammenlebens“ gelehrt habe: „Disziplin, Gemeinschaftssinn und die Motivation, mich und andere zu fordern.“ Auch deshalb sei er „mit vollstem Herzen“ bei der aktuellen Aktion von Familienministerin Ursula von der Leyen dabei. 40 go sixt cruising

die marke Der Hummer H3, der „Baby-Hummer“, stammt von seinen großen Brüdern H1 und H2 ab. Der H1 war USWüstenheld im ersten Golfkrieg. Dann machte Arnold Schwarzenegger in seinen Actionfilmen den mächtigen H2 (325 Offroad-PS, 5,15 m) salonfähig. Mit dem H3 kommt jetzt die Machokarosse nach Europa. Gestrafft. Straßen sind hier halt schmaler als in der US-Prärie.

die DATEN Der H3 wird von einer 3,5-Liter-Vortec-Maschine mit 5Zylinder und 20 Ventilen angetrieben, hat 220 PS und ein Drehmoment von 305 Nm. Er ist 4,74 Meter lang und bietet die Kultausstattung: runde Scheinwerfer im eckigen, 7-speichigen Chrom-Grill über Fahrzeugbreite, steil stehende Frontscheibe und Kotflügelschweller plus Luxuspaket. Grundpreis: 49.990 Euro.


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RALF MoeLLER wird 1959 in Recklinghausen geboren. Er ist gelernter Schwimmmeister und Handelskaufmann. Mit neun beginnt er das Boxen, mit 27 Jahren wird er Body‑ building-Weltmeister. Bodyindex: 1,97 m, 120 kg, 47 cm Bizepsumfang. Drei Jahre später geht er in die USA und erzielt mit dem Blockbuster „Gladiator“ im Jahr 2000 seinen Durchbruch als Schauspieler in Hollywood. Der 47-Jährige lebt seit 14 Jahren mit Frau Annette und den Töchtern Jacqueline (16) und Laura (8) im Nobelstadtteil Brentwood, Los Angeles.

„ich muss mich immer selbst antreiben, gehe gerne an grenzen.“ Showprofi am Strand von Los Angeles: Ralf Moeller liebt Schlagsahne und Käsekuchen.

Prominente stellen sich als Vorbilder und Mittler zur Verfügung, um in Haupt- und Gesamtschulen von sozialen Brennpunkten in Duisburg, Bremen, Berlin und Leipzig den Kontakt zwischen den Jugendlichen, Unternehmern aus dem Einzugsgebiet der Schulen und den jeweiligen Sportvereinen herzustellen. „Nur wenn wir Gesunden und Erfolgreichen uns für Schwache stark machen, kommen alle voran.“

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eine Sonntagsrede des Hollywoodstars. Der authentisch gebliebene Junge aus dem Ruhrpott läuft nicht Gefahr, auf dem schmierigen Boulevardparkett der so genannten Society-Gutmenschen auszurutschen. „Ich möchte intensiv an die Schüler ran, von ihnen lernen, wissen, was sie umtreibt.“ Deshalb habe er auch keine „honorigen Eventveranstaltungen“ auf Marktplätzen und in Jugendzentren gewollt, sondern sich selbst, die Unternehmer und die Sportvereinsmacher in die Schule „gelotst“. Die müssten doch live erleben, wo die Jungs und Mädels herkommen, denen sie Arbeit geben oder die sie mit Sport fit fürs Leben machen sollen. „Die haben doch alle keine Ahnung“, ereifert sich Ralf Moeller, „was es heißt, aus einem Straßenzug wie in Duisburg-Marxlo mit 60 Prozent Arbeitslosigkeit zu kommen und in einer Klasse mit 42 Schülern die Lektionen des Lebens zu lernen.“ Da gehe häufig nix mehr. „Die Jugendlichen sind hart und verschlossen.“ Der Mann nimmt seine Aufgaben ernst. Das Ministerium muss ihn mit Hintergründen und Fakten versorgen. SozialChichi geht ihm an der Gap-Cap vorbei. Und was will der Sonnyboy in maßgeschneidertem Baldessarini-Anzug, Guess-TShirt und Timberland-Slippern aus dem Gute-Laune-Land Kalifornien den Schülern mitgeben? „Ich sage immer ganz direkt, was ich denke. So enttäusche ich Menschen später nicht.“ Und kämpferisch: „Die Jugendlichen müssen ganz einfach Gas geben, sich auf den Hintern setzen, Sprachen lernen und ab in den Sportclub gehen. Das will ich vermitteln.“ Zack. Und wa42 go sixt cruising

rum sollten die zynischen Jugendlichen auf ihn hören? „Weil ich glaubwürdig bin. Ich lebe, was ich sage.“ Und die Unternehmer will er nach einem Jahr zur Rede stellen, ob sie Ausbildungs- und Arbeitsplätze angeboten haben. „I don’t take no for an answer“, diktiert er. Das kalifornische Kraftpaket akzeptiert kein Nein. Nicht für sich und deshalb auch nicht von anderen. Wozu quält er sich denn noch heute vor jedem Frühstück die 280 Stufen zum Santa-Monica-Beach hinunter und wieder herauf? An guten Tagen auch mit einer 35-Kilo-Bleiweste am Astralkörper. Selbstdisziplin! Los Angeles, Santa Monica – ohne Kalifornien und das ganze Sunset-Boulevard-Tamtam mit rotem Teppich bei seinen Filmpremieren („Ich brauche im Schnitt eine halbe Stunde mit Autogrammgeben und Quatschen, um an meinen Fans vorbeizukommen“) würde der ewige Mr. Gladiator auch versauern. Hat er nicht Angst, zur ewigen Muskelmaschine zu mutieren? „Wieso, ist doch mein Markenzeichen.“ Lächelt vielsagend und fragt zurück: „Nennen Sie mir einen deutschen Schauspieler, der einen weltweiten Blockbuster-Film gehabt hat! Na?“ Schweigen. Das nutzt er und bekennt locker: „Ich kaufe mir, was ich möchte. Von meinem Haus aus sehe ich auf den Pazifik. I’m fine!“ No comment. Ralf Moeller fährt mit dem Baby-Hummer nach Hause in den Nobelstadtteil Brentwood. Drehbuchlesen, Dialoge lernen. Nächste Woche Aufnahmen in Kanada. Für den neuen Film „Seed“, ein Horrormovie, in dem er den Gefängnischef von Alcatraz spielt. Dann, Mitte September, die Ursula-vonder-Leyen-Schultour auf dem Alten Kontinent starten. Über der Bucht von Los Angeles zieht langsam der typische Nachmittagsnebel auf. Während der Vergnügungs-Pier von Santa Monica mit seinem Riesenrad noch in der Sonne flimmert, verschwinden im Nordwesten der Bucht schon die Malibu-Mountains langsam im zarten Dunst der Bucht von Los Angeles. Ralf Moeller. Eine deutsche Karriere in der Neuen Welt.



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BlackMagic Black is back: Nachdem die Designer alle Farbspiele ausgespielt haben, hat Schwarz wieder seine Saison. Ob vesteckt als Lingerie oder als sichtbares Accessoire –es passt immer. Ansonsten gilt es jetzt, den Kleiderschrank mit ein paar neuen Musts zu ergänzen. Erste Wahl: ein neuer Anzug. Seine Sakkos sind wieder androgyn, die Hosen sind gern schmal und werden entweder zu Plateauschuhen oder Stiefeln kombiniert. Kleine Seidenschals setzen als „Schluppe“ neue Akzente, weiße Hemden machen jeden Suit adrett. Handschuhe gehören zu jedem eleganten Outfit, ebenso wie Collierund Schmuckgürtel. Große Sonnenbrillen gehen in ihre x-te Saison – auch im Winter scheint die Sonne. So macht es Spaß, Schwarz zu sehen!

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INSIDE OUT Das Innenleben einer Uhr stand Pate beim Design der Manschettenknöpfe aus Weißgold mit Brillanten. WWW.MILUS.com



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»DAS LEBEN MUSS LEIDENSCHAFT SEIN« WERNER BALDESSARINI Das Herren-Luxuslabel BALDESSARINI wurde 1993 von der Hugo Boss AG gegründet, benannt nach seinem Lizenzgeber und Designer Werner Baldessarini. Inzwischen ist es eine breit angelegte Lifestyle-Marke mit Mode, Accessoires und Düften. „Mode und Lifestyle sind für mich eine Leidenschaft, die ich in meinen Kollektionen immer neu definiere. Das Zusammenspiel zwischen luxuriösen, ausgefallenen Materialien, ausgefeilter, handwerklicher Verarbeitung und schnitttechnischer Perfektion entsprechen nicht nur meinem persönlichen Anspruch, sondern auch dem meiner Kunden. Sie leben in und mit meiner Mode. Fühlen sich darin wohl und souverän, werden nicht konventionell eingezwängt in klassische Suits, sondern können alles, je nach Anlass und Laune mit- und untereinander mixen. Luxus rangiert jenseits gewöhnlicher Vernunft, muss Spaß machen und der persönlichen Kreativität Raum lassen!“


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Italienische Männer haben zu Recht den Ruf, immer hervorragend angezogen zu sein. Sie trauen sich einiges an Farbe und Kombination, von dem der Mann nördlich der Alpen lernen könnte. Den Unterschied machen die Details: Sneakers zum Anzug, Gürtel oder Krawatte im Trendton Flieder, ein Schal oder Seidentuch. Für Fort­geschrittene: Hüte sind im Kommen!

54 go sixt Rubrik Style Man

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»I c h b i n k e i n e

Heuschrecke« der mann hat hummeln im hintern. unternehmer hans rudolf wöhrl führt erfolgreich modehäuser, gründet den flugdienst nfd, saniert die Airline dba und kauft sich den carrier ltu. Eine Nahaufnahme

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W o l f g a n g

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ie Anekdote darf nicht fehlen. Terminal 1 des Münchner Flughafens. Wo heute die Check-inSchalter und das Management des Billigfliegers dba ihren Dienst tun, residierte früher die Lufthansa-Lounge. Auf der gleichen Fläche, wo früher die Kranich-Linie ihren handverlesenen Firstclass-Kunden großzügig Kaltgetränke und Knabberkram reichte, bewegt heute der dba-Carrier 29 Boeing-Maschinen, rund fünf Millionen Fluggäste und setzt mit seinen 720 Mitarbeitern in diesem Jahr zirka 500 Millionen Euro um. Vom gepflegten Lufthansa-Barbetrieb zur brummenden BusinessAirline: Das ist die dynamische Welt des Unternehmers und

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( F o t o s )

Hans Rudolf Wöhrl, der im Gespräch schon mal zackig von sich in der dritten Person als „HRW“ spricht. Kein Wunder: Zeit ist wertvoll. Die Großen ärgern, selber schlanke Unternehmen zimmern und dann schön gewinnbringend veräußern. Das lässt Hans Rudolf Wöhrl leise schmunzeln; das ist nach dem Geschmack des cleveren, bodenständigen Entrepreneurs. Im Sauseschritt hat er die marode dba saniert und zugleich kräftig in Flugzeuge und Mitarbeiter investiert (500 neue Arbeitsplätze bis 2010). Seit Frühjahr 2006 schreibt der Carrier schwarze Zahlen. Und als jetzt die Chance winkt, verkauft der smarte Inhaber kurz­ entschlossen im August an den Wettbewerber Air Berlin. Den dba-Alibikaufpreis von damals einem Euro hat der quirlige Macher laut „Focus“ in nur drei Jahren auf einen Verkaufspreis von rund 120 Millionen Euro hochgejazzt. Da werden my way go sixt 57


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sogar renditescharfe Börsianer blass. Während Deutschland über den fehlenden Wirtschaftsaufschwung räsonnierte, hat der Nürnberger Unternehmer und Profipilot angepackt und eine Traumrendite erzielt. Mit seinen 59,9 Prozent an der dba könnte er sich gelassen zurücklehnen. Doch zur Ruhe setzen zählt für den 58-Jährigen nicht. Schließlich gehören ihm ja auch noch 55 Prozent des Feriencarriers LTU, und sein eher knapp bemessenes Generalziel hat er ja noch nicht geschafft: „Wenn ich sechzig werde, möchte ich die Lufthansa als Nummer eins bei innerdeutschen Städte-Direktflügen abgelöst haben.“ Da bleiben nur noch zwei Jahre. Unrealistisch? Schillernde Träume eines übermütigen Herausforderers der blau-gelben Großairline? Für Wöhrl nicht. Im kollegialen Verbund „mit unabhängigen Flugunternehmen“ wie Air Berlin und dba möchte er ein schlagkräftiges kostenorientiertes Netzwerk aufbauen und der Lufthansa zeigen, wo Barthel den Most holt. Hans Rudolf Wöhrl hat noch Großes vor. Schließlich hatte schon der Heranwachsende mit unternehmerischen Visionen kein Problem. 1966 gründet der gelernte Einzelhandelskaufmann mit 19 Jahren seine erste eigene Firma: die Modeboutiquen „Carnaby-Shops“. Andere gehen in jenen Tagen der jungen Bundesrepublik Deutschland auf die

„MEIN gott, ruft mich doch an, dann ist es in drei minuten entschieden. ich weiss doch, wie es geht.“ Straße. Studentenproteste prägen den Zeitgeist und Willy Brandt wird bald seine Ostpolitik verwirklichen. „Es war eine sehr schöne, unbeschwerte Zeit zum Aufwachsen“, sagt er dankbar. Und fügt gleich selbstironisch an, dass schließlich damals doch gegolten habe: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“ Und lächelt vielsagend. Straßenprotest war nicht die Sache des Hans Rudolf Wöhrl, der Unternehmersein als Berufung erlebt.

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abei protestiert er auf seine Weise. Mit junger Mode, mit seinen Carnaby-Shops, wollte der zweite Sohn des Nürnberger Textilunternehmers Rudolf Wöhrl („Modehaus Wöhrl“) auf seine Weise schon früh gegen den Patron „rebellieren“, gegen die gutsherrliche Art seines Vaters, Unternehmen und Mitarbeiter zu führen. „Mein Vater ging mir damals unheimlich auf den Senkel“, erinnert er sich burschikos in der für ihn typischen, offenen und direkten Art. „Ich wollte eben nicht wie mein Vater sein“, sagt er mit seufzendem Blick auf seine zweite Unternehmensgründung, den Nürnberger Flugdienst NFD. „Doch ich habe auch meine Firma ganz nach Gutsherrenart aufgebaut und klar auf mich fokussiert.“ Man nehme dann eben doch „zwangsläufig viel vom Vater an“, meint er warmherzig im Rückblick aufs Familienoberhaupt. Und entwickelt sich letztlich anders als der Papa. Das Beharren auf Prinzipien, das Festhalten an nur einer klassischen Branche, nur einem gültigen Geschäftsmodell erweist sich

58 go sixt Rubrik



GO My Way Vor rund drei Jahren hat Hans Rudolf Wöhrl die marode dba für 1 Euro erworben. Jetzt verkauft er sie für

12O Millionen euro

an die fluglinie Air Berlin. Eine weitere Etappe auf seinem Ziel, dem Platzhirsch Lufthansa zu zeigen, wo die Luft dünn wird.

nicht als Sache des vorwärtsdrängenden Existenzgründers. Nur vier Jahre nach Start seiner Carnaby-Shops übernimmt er die Wöhrl-Modehäuser des Vaters und führt diese über 30 Jahre lang bis 2002 als geschäftsführender Gesellschafter mit seinem Bruder Gerhard zusammen. So sehr dieser lange Atem klassische Unternehmerkontinuität signalisiert, so hibbelig ist der Inhaber mit sich selbst. An Hobbys wie Segeln oder Golfspielen ist er bis heute „nicht interessiert“, aber ausgelastet fühlt sich der Modehausmanager auch nur kurze Zeit. Schon 1974, nur vier Jahre nach Übernahme der elterlichen Betriebe, macht er seinen Berufspilotenschein und gründet die Airline NFD. Für den damals 27-Jährigen war „Fliegen einfach faszinierend“. Frühes Segelfliegen und der Pilotenschein lassen ihn herrliche Schwerelosigkeit erleben: „Es ist halt einfach Freiheit! Nicht mehr und nicht weniger.“ Basta. Er will das Klischee weder erklären noch sich dafür rechtfertigen. „Ich wollte einfach fliegen.“ Man spürt im Nacherzählen noch den energischen Impetus, mit dem der im gutsherrlich-bürgerlichen Milieu aufgewachsene Bub seine Interessen verfolgt – und wie er aus den Fehlern der Gründergeneration der Republik seine eigenen Lehren gezogen hat. „Schauen Sie sich die Liste der Unternehmen an, die ihren Zenit erreicht haben oder wieder vom Markt verschwunden sind oder von den Erben verkauft wurden.“ Grundig & Co. lassen grüßen. Es ist zu spüren, wie den Unternehmer Wöhrl umtreibt, rechtzeitig auf Schwieriges zu reagieren und andere ans Ruder zu lassen, wenn man sich in seiner fachkompetenten patriarchalischen Art zu führen eingeschränkt fühlt. So habe er seit dem erfolgreichen Verkauf seiner NFD, der späteren Eurowings, „den Prozess des Trennens verinnerlicht“. Das Loslassen, auch das Verkaufen von Firmen, wenn sie zu groß werden, ist dem Spross der beharrenden Gründerpersönlichkeit Wöhrl zum Prinzip geworden. Es prägt sein Selbstverständnis als moderner Firmenmanager. „Klassische Gründungsunternehmer sind nur gut für den Aufbau und die Sanierung einer Firma. Man muss sich selbst eingestehen, dass es für inhabergeführte Unternehmen Grenzen im Wachstum gibt.“ Das sitzt. Man müsse akzeptieren, so Wöhrl streng mit sich selbst, dass „ab einer bestimmten Größe Betriebe einen anderen, einen hierarchischen Führungsstil“

brauchen. Dann müsse man verkaufen, nur noch im Aufsichtsrat lenken oder die pure Gesellschafterrolle, die operativ nicht eingreift, wahrnehmen. Das klingt abgeklärt, aber man hört die Überwindung heraus, die Hans Rudolf Wöhrl diese Lehre des modernen Unternehmerlebens gekostet hat. So sei es ihm „wahnsinnig schwergefallen“, nachdem er die Geschäftsführung der WöhrlModehäuser an Manager abgegeben hatte, nicht in das Tagesgeschäft einzugreifen. „Mein Gott“, habe er noch Wochen nach der Übergabe der Geschäfte an seine manchmal zögerlichen Führungskräfte gedacht, „ruft mich doch an! In drei Minuten ist es entschieden. Ich weiß doch, wie es geht.“ Ja, da klingt sie an, die negative Alleskönnerenergie, die es nachwachsenden Führungskräften in inhabergeführten Unternehmen so schwer macht, Mut und eigenes Format zu entwickeln. Noch heute, vier Jahre danach, spürt man seine Erleichterung, sich damals nicht eingemischt zu haben. Er möchte eigentlich von seinem menschlichen Gutsherrenstil nicht lassen. Aber Wöhrl ist Realist. „Spätestens wenn man an den Leidensmienen der Mitarbeiter erkennt, dass der Führungsstil für das Unternehmen nicht mehr ganz der richtige ist, muss man das in jungen Jahren ändern.“ Denn mit 70 Jahren sei es zu spät, da sei man eh „unfehlbar“, pflegt er seine sympathische Ironie.

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ieso Ironie? Kaufmännischer Instinkt! Schließlich hat ihn auch gerade das Sich-trennen-Können zum erfolgreichen Unternehmer werden lassen. Ob der NFD-Verkauf, die rechtzeitige Übergabe der Wöhrl-Familienbetriebe an einen Vorstand oder wie jetzt der schnelle Millionen-Eurodba-Deal mit Air Berlin zum richtigen Zeitpunkt. Kasse machen kann er. Ist er womöglich gar eine so genannte Heuschrecke im konservativen Unternehmergewand? Wöhrl lächelt kurz und zackig kommt sein Bekenntnis: „Ich bin Händler.“ Pause. Der Luftfahrtdealer und Sanierungstausendsassa hält inne. „Ich bin keine Heuschrecke.“ Die dba sei in den vergan-

hans rudolf WÖHRL führt mit Bruder Gerhard über 30 Jahre lang die Familien-Modehäuser Wöhrl. Mit 19 Jahren gründet der gelernte Einzelhandelskaufmann aus Nürnberg die Modeboutiquen „Carnaby-Shops“, macht mit 24 Jahren seinen Privatpilotenschein und gründet 1974 die Fluglinie Nürnberger Flugdienst (NFD). 1992 verkauft er sie erfolgreich und steigt, nachdem er 2002 die Geschäftsführung seiner Modehäuser abgibt, ins große Luftfahrtbusiness ein. Er kauft die Fluglinie dba und wird Anfang 2006 Gesellschafter des Ferienfliegers LTU (55 Prozent). Hans Rudolf Wöhrl (58) ist mit der CSU-Bundestagsabgeordneten Dagmar Wöhrl verheiratet. Sie haben vier Kinder. 60 go sixt my way



GO Cruising

„Ein gärtner macht in einem tag aus chaos einen schönen garten. das macht

stolz.

fliegen, organisieren, kaufen, verkaufen – ich sehe niemals, was ich erreicht habe.“

genen Jahren eine der weltweit am schnellsten wachsenden Airlines in den vergangenen Jahren gewesen. Klar, auch ein Kraftakt für die Mitarbeiter, die zeitlich begrenzt anteilig auf Lohn verzichten mussten. Aber die Arbeitsplätze blieben, seien nun sicher, viele neue sind hinzugekommen, und 2010 würden stolze 40 Maschinen für die dba im Einsatz sein. Verkaufen ja. Aber bitte nur gesunde Firmen. Und auch bei dem Sanierungsfall LTU sei klar, dass er sich nicht eingekauft habe, um „die Beteiligung auf Dauer“ zu halten. Wenn’s passt, wird verkauft. „Ich rede mit jedem, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“

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r unterscheide sich von reinen Finanzinvestoren, denn „es macht mir Freude, mit Menschen im Team zu arbeiten“. Und dass er keine „Heuschrecke“ sei, könne man schon daran sehen, dass er bei der LTU die Mitarbeiter befristet um einen Verzicht auf das 13. Monatsgehalt bitte. Dafür gebe es dann keinen Jobabbau. Auch an Deutlichkeit lässt der smarte Herr Wöhrl keinen Zweifel, wenn’s denn wichtig wird. Sein Angebot an die LTU-Mitarbeiter sei für einen Betrieb, „wo die Mitarbeiter aus dem Fenster quellen, weil es einfach zu viele sind“, eine „moderate Einbuße“. Denn wenn bei der LTU eine „Heuschrecke“ das Renditekommando übernehmen würde, wären „innerhalb kürzester Zeit 1.000 Jobs weg“. Der Sanierungsspezialist mit menschlichem Antlitz hat gesprochen. Und was ist nun sein Geheimnis, der Wöhrl-Trick, mit dem er Unternehmen fit macht und Mitarbeiter motiviert? Das sei ganz einfach: „Ich betreibe keine Schönfärberei.“ Die Mitarbeiter müssten immer genau wissen, woran sie im Schlechten wie im Guten seien. „Das funktioniert aber nur, wenn sie am Ende

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des Tages feststellen, dass es stimmt, was ich ihnen gesagt habe.“ Offene Kommunikation und Glaubwürdigkeit seien sein Handwerkszeug für den Turnaround eines Unternehmens wie zum Beispiel die LTU, die eine satte „Midlife-Crisis“ habe. Viel Zeit gibt der 58-Jährige sich dafür nicht. Ratzfatz muss der Umschwung gelingen. Da ist es dienlich, dass die über zwölf Jahre gewachsene, freundschaftliche Partnerschaft mit Air-Berlin-Chef Joachim Hunold seinen Traum von einer nachhaltigen Attacke auf Lufthansa befeuert. Der dba-Verkauf an Air Berlin war nur eine Etappe auf Wöhrls Ziel, dem Platzhirsch Lufthansa zu zeigen, wo die Luft dünn wird. Den 58-Jährigen schreckt auch nicht der sich nähernde 60. Geburtstag. „Das Golfspielen fange ich bestimmt nicht mehr an“, schmunzelt der agile Entrepreneur, „denn dann betreibe ich nach zwei Jahren meinen eigenen Golfplatz.“ Er plant, sich „mit mehr Gelassenheit“ und intensiver um die Immobiliengeschäfte seiner Intro-Holding zu kümmern. Doch der Mann mit den Hummeln im Hintern traut sich selber nicht. „Wissen Sie“, sagt er, „ein Gärtner macht in einem Tag aus Chaos einen wunderschönen Garten. Das macht stolz. Bei mir ging es bislang immer nur um fliegen, organisieren, kaufen, verkaufen – ich sehe niemals, was ich erreicht habe.“ Erlöse sind halt vergänglich. „Ich beneide Handwerker. Der Maurer, der morgens auf die Baustelle kommt, sieht abends seine Mauer, die er errichtet hat.“ Leise Melancholie. LTU scheint am Ende des Gesprächs schon saniert. Der Händler Wöhrl könnte sich im beruflichen Herbst vorstellen, „einmal einen Industriebetrieb“ zu führen, sich am Ende „vielleicht noch mal auf die Herstellung von Produkten fokussieren“. Fokussieren. Sein Lieblingswort. Konzentrieren aufs Kerngeschäft. „Das muss künftig auch für mich persönlich gelten.“ Sagt’s. Steht auf. Lächelt süffisant. So ganz traut er sich immer noch nicht.



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Donaubogen bei Spitz mit Blick auf das Weingut Hirtzberger: „als Winzer zum richtigen Zeitpunkt das Falsche unterlassen“.

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„Grüner Veltliner war das Stiefmütterchen unter den österreichischen Weinen, jetzt ist er zum Star geworden. Und unser Riesling ist dem deutschen überlegen.“ Klaus Wagner, Gastronom des Nobel-Restaurants „Landhaus Bacher“

Die Wachau sehen und genießen! Vor den Toren Wiens reifen an den Donauhängen die edelsten Trauben. Eine romantische Entdeckungsreise

In bester Lage Von JOHANNES SCHWEIKLE und EROL GURIAN (Fotos)


GO Travelmuss dem Wein „Man Zeit geben. Das kontrollierte Nichtstun macht ihn gut.“ In 20.000-Liter-Fässern reift der Riesling der Genossenschaft Freie Weingärtner Wachau zur Weltmarktqualität


„Wenn wir zu viele Blätter wegnehmen, kriegen die Reben Sonnenbrand.“ Laubarbeit in den Weinbergen des Weinguts Hirtzberger oberhalb des Dorfs Spitz an der Donau


GO Travel

A

ls Franz Hirtzberger die Feinheiten der Laubarbeit erklärt, rinnt ihm der Schweiß in Strömen in den blonden Bart. Der junge Winzer ist 26 Jahre alt und körperliche Arbeit durchaus gewohnt: Heute Morgen hat er um sieben Uhr mit dem Laubschneiden begonnen, heute Abend will er noch mit dem Rennruderboot auf der Donau trainieren. Aber die Lage Singerriedel ist so steil, dass auch Hirtzberger nach 500 Metern keuchen muss. Er greift in die Rebzeile und hebt ein Blatt Weinlaub hoch. Darunter kommt eine Dolde Rieslingtrauben zum Vorschein, prall und klein und rund. Das Blatt bildet einen perfekten Schirm, der die Rebe vor Sonne und Regen schützt. Ließe der Winzer aber das Laub einfach wachsen, würde es im Weinstock zu feucht und den Trauben drohte Fäulnis. „Und wenn wir zu viele Blätter wegnehmen, kriegen die Reben Sonnenbrand“, erklärt Hirtzberger. Deshalb braucht die Laubarbeit Erfahrung und Gefühl. Aus der Mitte eines jeden Weinstocks müssen so viele Blätter gezupft werden, dass der Wind die Reben bis zur Ernte gut durchlüften kann. Zu dieser Arbeit taugt keine Maschine, das muss von Hand gemacht werden. Und die Steillage Singerriedel ist zweieinhalb Hektar groß. „Als Winzer musst du zum richtigen Zeitpunkt das Falsche unterlassen“, sagt Franz Hirtzberger. Er redet selbstbewusst, manchmal kantig, aber nicht überheblich. Mit sechs Jahren hat er bei der Weinlese zum ersten Mal die Butte, das Traubenfass, umgehängt bekommen. Wenn er sich umschaut, überblickt er Jahrhunderte romantischer Tradition: Das Weingut der Hirtzbergers liegt am Fuß der Steillage Singerriedel, ist 650 Jahre alt und eines der ältesten in der Wachau. An der Fassade klettern Reben bis zur Dachrinne, ein zweiflügliges Holztor führt in den Hof, in dem ein Feigenbaum gedeiht. Der Keller geht in den Berg, und fast alle 20 Hektar Anbaufläche ziehen sich wie die Ränge eines Amphitheaters rings um das Gut. Unten fließt die Donau breit und grün, ein Ausflugsdampfer fährt gemächlich Richtung Wien, am anderen Ufer begrenzen die Hänge des Dunkelsteiner Walds das Panorama. Die UNESCO hat keine

Fehlentscheidung getroffen, als sie die Wachau im Jahre 2000 ins Weltkulturerbe aufnahm. Das Dörfchen Spitz, dessen rotziegelige Dächer sich vom Weingut Hirtzberger bis hoch zur Kirche ans Donau-Ufer glucken, bildet den mittelalterlichen Kern dieser einzigartigen Weinlandschaft. Die Wachau liegt 80 Kilometer westlich von Wien und erstreckt sich zwischen Melk und Krems die Donau entlang. Der Fluss durchbricht hier die so genannte Böhmische Masse. Dieser Gebirgsstock ist rund 1000 Meter hoch, 800 Meter tief hat sich der Fluss ein breites Tal gegraben. Der Weinbau profitiert seit der Römerzeit von einem einzigartigen Mikroklima: Von Osten kommt die Hitze des panonischen Tieflands, von Westen das gemäßigte Kontinentalklima. Von Norden wehen kühle Winde aus dem Waldviertel, und der Fluss wirkt im Winter als Wärmespeicher. In den flachen Lagen am Ufer wächst der Grüne Veltliner. Den Grauburgunder baut Franz Hirtzberger neben der Skiwiese an. Die heißt so, weil an diesem Hang im Winter am meisten Schnee liegen bleibt und die Dorfjugend hier von jeher das Skifahren lernt. Und der Riesling gedeiht an den steilen Terrassen, die den ganzen Tag von der Sonne beschienen sind. In diesen Weinbergen reift die Erfahrung von Generationen. Der Riesling braucht den kargen Boden der Steilhänge, und die Mauern der Terrassen verhindern nicht nur das Abrutschen nach Regengüssen, sie speichern auch die Wärme. Traditionell werden die Steine ohne Mörtel kunstvoll aufeinandergeschichtet, und diese Technik ist am Steilhang jeder Betonmauer überlegen. Letztere würde bei Wolkenbrüchen dem Druck nicht standhalten. Wenn der Weinhauer, wie der Winzer hier seit alters genannt wird, neue Terrassen mauert, verwendet er heute zwar etwas Mörtel, aber die Faustregel bleibt: „Wenn man hinter der Mauer einen Kübel Wasser hineinleert, muss vorne wieder einer herauskommen.“ Der Weinberg ist in jeder Hinsicht ein lebendiges Gebilde. In den Ritzen der Trockenmauern lebt die Smaragdeidechse, von der noch zu reden sein wird. Und weil der Hang übers Jahr

Terrasse im Hotel Schloss Dürnstein über der Donau: „Der breite Strom fließt als Symbol der Verlässlichkeit unter uns.“

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Wenn im gemüt‑ lichen Gasthaus Jamek alle Tische voll sind, wird Topfen­ haluschka serviert, angebratene Nudeln mit Quark und Grieben. Vielfalt mit Niveau: Den größten Familienbetrieb an der Wachau führen die Jameks und ihre Nachfahren.

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Mit der Rollfähre über die Donau: „Vier Autos sind auf das Holzdeck gefahren, mit einer Kurbel schließt der Fährmann die Schranke am Anleger. Los geht‘s.“

Wachauer Weinlexikon Riesling Die edelste weiße Rebe, in der Wachau mit harmonischer Säure Grüner Veltliner Fruchtiger Weißwein mit einer leicht pfeffrigen Note Steinfeder Leichtwein bis 10,7 % Alkohol Federspiel Kabinettwein, bis 12 % Alkohol Smaragd Spätlese Gespritzter Schorle Kaisergespritzer Schorle mit einem Schuss Holunderblütensirup

dem Wechselspiel von Frost und Hitze ausgesetzt ist, muss der Winzer jedes Frühjahr die Rahmen neu richten, an denen die Reben wachsen. Die Holzpfähle müssen wieder fest im Boden verankert und die Drähte straff gespannt werden. Wenn Franz Hirtzberger dann noch erzählt, wie sie beim Spritzen mit einem 30-Liter-Tank auf dem Rücken am Steilhang schnaufen, erscheint der Preis von 33 Euro für eine Flasche Riesling aus der Lage Singerriedel fast wie ein Schnäppchen. Für Geld ist dieser Wein gar nicht mehr zu haben – er ist ausverkauft. Weinkenner zwischen Sydney und San Francisco reißen den Hirtzbergers die Flaschen förmlich aus den Händen. Bei internationalen Vergleichsproben belegen ihre trockenen Weißweine regelmäßig Spitzenplätze. Für Rotweine ist die Wachau weniger geeignet, Hirtzberger baut keine an. „Davon bekommt man nur dreckige Finger“, sagt er.

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m Anleger von Spitz kommt Levi Newcomb an Bord der MS Prinz Eugen. Das Namensschild auf seinem Hemd besagt, dass er aus Kalifornien stammt und an einem Kongress der Zeugen Jehovas teilnimmt. Auf dem Oberdeck stellt er seine Frau Sarah vor und erzählt, dass sie mit dem Bus von Wien gekommen sind und er nicht weiß, wohin die Reise geht. Er beklagt den Mangel an Klimaanlagen in Europa und staunt über die alten Dörfer rechts und links der Donau: „Sehr hübsch, nichts ist heruntergekommen, da haben die Leute einen guten Job gemacht.“ Die Eingeborenen sind dann auch noch so nett, über den Bordlautsprecher die Sehenswürdigkeiten am Ufer zu erklären: Der lang gestreckte Hügel in Spitz heißt Tausendeimerberg, weil er in guten Jahren diesen Ertrag an Wein erbracht hat. Und weil die traditionsreiche Do-

naudampfschifffahrtsgesellschaft vorbereitet ist auf internationales Publikum, gibt’s diese Erklärung auch noch auf Englisch, „thousand aimaar“, und Japanisch. Zum Glück sieht Levi Newcomb nicht, wie auf der Brücke der Prinz Eugen die Hierarchie aus dem Ruder läuft. Der dicke Kapitän (vier Streifen auf dem weißen Uniformhemd) sitzt auf einem Sofa, unterhält sich mit dem Steuermann (ein Streifen, Bauchansatz), und der Schiffsjunge (dünn, rotes Polohemd) steuert den Dampfer lässig mit einem Joystick. Erst kurz vor dem Anleger von Melk stellt der Kapitän die seemännische Ordnung wieder her. Das Stift Melk bildet den unübersehbaren Eingang der Wachau. Das Benediktinerkloster liegt auf der Anhöhe wie ein gestrandetes Schiff, das für die Donau viel zu groß ist. Die Bordwände sind in Weiß und Gelb gehalten, als Aufbauten ragen zwei Zwiebeltürme und eine grünspanbesetzte Kuppel über die roten Dächer. Diese barocke Titanic wurde im Zeitalter der Gegenreformation gebaut, um die Überlegenheit der katholischen Kirche für jedermann sichtbar zu machen. Zwischen 1702 und 1746 entstand diese 360 Meter lange Anlage aus einem Guss: 497 Räume, 1.365 Fenster, in der Kirche warf der Baumeister mit Gold nur so um sich, in der Bibliothek stapeln sich die lederbezogenen Folianten über die Galerie hinaus bis unter das Deckenfresko, die Regale sind mit Gold und Intarsien verziert. Beim Rundgang zeigen die heutigen Mönche die Geschichte ihrer Abtei nicht im Licht der Frömmelei: Während der Reformation lebten in Melk nur noch acht Brüder, „deren Rechtgläubigkeit sehr fragwürdig war“. Die Klöster betrieben den Weinbau in der Wachau. Nach der Säkularisation (der Überführung kirchlicher Besitztümer in

Am Ufer verschwinden die Häuser von Rossatz in der Dämmerung, mildes Licht strahlt den Kirchturm an. Keine Bausünde stört die romantische Landschaft. 70 go sixt travel



GO Travel weltliche Hände) wurden viele Weinberge nicht mehr bearbeitet, weil die Organisation der Mönche fehlte. Um 1900 schlugen sich manche Winzer als Essigsieder durch. Und die älteren Wachauer erzählen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Russen die Fässer zerschossen hatten, den Wein in Zisternen gefüllt haben. „Aber heute produziert die Wachau den besten Weißwein Österreichs“, sagt Klaus Wagner, „und die trockenen Rieslinge von hier sind den deutschen überlegen.“ Wagner ist der Gastgeber in einem der besten Restaurants von ganz Österreich. Das „Landhaus Bacher“ liegt am anderen Ende der Wachau, in Mautern. Seine Frau Lisl Wagner-Bacher steht seit 1978 am Herd, er kümmert sich um die Weine. Wer einmal im Schatten des Nussbaums im Gastgarten die Zeit vergessen hat, zwischen Reben und Zierhecken die Gänselebervariationen mit Wachauer Marillen (Aprikosen) probiert hat, der kann verstehen, warum der Hausherr diese barocke Fülle angesetzt hat.

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ür Klaus Wagner gibt es in der Wachau zwei große Rebsorten: den Riesling und den Grünen Veltliner. „Der Grüne Veltliner war das Stiefmütterchen unter den österreichischen Weinen. Aber jetzt ist er zum Star geworden.“ Während Riesling fast auf der ganzen Welt angebaut wird, steht dieser Wein für Österreich. Und die Wachauer Winzer produzieren ihn in Spitzenqualität. „Er ist genauso lagerfähig wie der Riesling“, urteilt Wagner, „und er bekommt im Gegensatz zu diesem im Alter keinen Petrolton.“ Mit knapp 1.400

einer Spätlese; die Bezeichnung spielt an auf die Smaragdeidechse, die in den Trockenmauern der Weinterrassen lebt. Mittags schauen romantikliebende Cabriofahrer vorbei, die die kurvenreichen Strecken lieben. Und regelmäßig sitzen Gäste mit Radlerhose und Trikot im Garten des Landhauses Bacher. Klaus Wagner hat damit kein Problem, solange die Männer keine schulterfreien Muskelshirts tragen. Der Donau-Radweg führt am Haus vorbei, und bis in den Herbst gehören die Radfahrer in der Wachau zum Landschaftsbild. Das macht durchaus Sinn, denn mit diesem Vehikel lässt sich die Romantik dieser Gegend am besten erleben. Der Fernradweg führt durch wild wuchernde Auwälder, vorbei an Altarmen, wo bleiche Baumgerippe im Wasser dümpeln, Schilder erklären Besonderheiten wie den Donaukammmolch. Und alle paar hundert Meter lockt ein Heuriger. Diese urigen Wirtschaften erkennt man an einem Strohkranz. Nur ist dieser herausgehängt, hat das Lokal geöffnet. Ursprünglich durfte der Winzer im Heurigen nur seine eigenen Produkte verkaufen, und den Charme des Deftig-Einfachen haben sich viele erhalten. Es gibt Käsebrot und saure Wurst, das Glas Wein kostet 1,50 Euro. Man sitzt auf Holzbänken, zwischen den Reben oder im gepflasterten Hof, Kinder spielen und die Bedienung lässt sich nicht hetzen. Mit der Rollfähre geht es auf „die drübere Seite“, wie der Wachauer das andere Ufer nennt. Sie verkehrt seit 1928 zwischen Arnsdorf und Spitz. Sie lässt sich von der Strömung treiben, ein quer über die Donau gespanntes Stahlseil verhindert, dass sie flussab getrieben wird. Vier Autos sind auf das Holzdeck

Weinverkostung: „Der Grüne Veltliner ist zum Star geworden. Er ist so lagerfähig wie Riesling, bekommt im Alter aber keinen Petrolton.“

Hektar Anbaufläche gehört die Wachau zu den kleinen Weinbaugebieten dieser Welt. Entsprechend begehrt sind die Erträge. Manchmal bereitet Klaus Wagner seine Gäste schonend auf eine Enttäuschung vor, wenn diese erwartungsfroh zu einer Weinprobe in einem der Spitzengüter aufbrechen: „Ich wünsch Ihnen viel Glück, aber Sie werden keine einzige Flasche kaufen können, höchstens ein Federspiel.“ Die Wachau hat eigene Kategorien geschaffen: Die leichten Weine mit maximal 10,7 Prozent Alkohol heißen Steinfeder, benannt nach dem Gras der Steilhänge über der Donau. Die mittlere Kategorie heißt Federspiel (bis 12 Prozent Alkohol), der Name erinnert an die einst in der Wachau beliebte Falkenjagd. Das Federspiel sind zusammengebundene Flügel einer weißen Taube, die vom Falkner in die Luft geworfen wurde, um einen entflogenen Falken wieder zurückzulocken. Die Bezeichnung soll die rassige Eleganz dieser trockenen Weißweine symbolisieren. Und die konzentrierten Smaragdweine schließlich sind vergleichbar mit 72 go sixt travel

gefahren, mit einer Kurbel schließt der Fährmann die Schranke am Anleger, dann legt er die dicke Eisenkette ab, und es geht los. Nur wenn die Donau im Winter gefriert, stellt die Rollfähre den Betrieb ein. „Sonst zwickt sie zwischen den Eisschollen fest“, sagt Paul Holzapfel. Er hat seit elf Jahren das Fährmannspatent. Er wohnt in Spitz, der Kapitän auf der anderen Seite, wechselweise vertäut einer die Fähre jeden Abend an seinem Ufer und holt am nächsten Morgen den Kollegen ab. In den 70er-Jahren war die Romantik der Wachau gefährdet. Zwischen Weißenkirchen und Dürnstein sollte ein Wasserkraftwerk gebaut werden. Die Dämme hätten nicht nur das Landschaftsbild zerstört, sondern auch Kältegräben am Ufer gebildet, und das wäre dem Grünen Veltliner gar nicht bekommen. Einige Winzer kämpften erfolgreich gegen das Großprojekt, unter ihnen der Franz Hirtzberger und Josef Jamek aus Joching. Sein Enkel Martin Mayrhofer führt uns durch die Kellerei des größten Familienbetriebs in der Wachau. An den Wän-



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„Nehmen Sie für den Gespritzten keinen billigen Wein, weil die Kohlensäure den Geschmack verstärkt – auch den schlechten.“ Wein-Workout: Panoramablick auf Wien vom Heurigen-Lokal „Am Reisenberg“.

den des Ziegelgewölbes hat sich schwarzer Schimmel gebildet. „Das ist ein Zeichen für ein gutes Kellerklima“, sagt Mayrhofer und zeigt stolz auf eine gruselige Kuriosität: die Kellerkatze. Diese Strohpuppe setzte man traditionell auf das Fass mit dem besten Wein, vom schwarzen Schimmel hat sie einen dicken Fledermauspelz angesetzt. Martin Mayrhofer ist 32 Jahre alt, groß und breitschultrig. Er hat in Wien Jura studiert und eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Aber wenn er heimgefahren ist in die Wachau, hat er gemerkt, was ihm fehlt: „Die Berge und das Grün“, sagt er, breitet befreit die Arme aus, wenn er wieder die Weite spürt. Jetzt ist er Marketingchef des Familienbetriebs, aber auch der muss mit in die „grüne Hölle“, wie sie betriebsintern die berühmte Steillage „Ried Klaus“ nennen – zur Lese und zum Mauerbau. Und wenn im gemütlichen Gasthaus Jamek und dem idyllischen Garten mal wieder alle Tische voll sind, serviert er Topfenhaluschka, eine Spezialität aus dem Kochbuch seiner Großmutter, angebratene Nudeln mit Quark und Grieben. Auf Weinproben erklärt Mayrhofer, dass der Grüne Veltliner eine pfeffrige Note hat. Er bevorzugt diesen Wein als Speisebegleiter, den Riesling trinkt er hinterher, wenn’s ans Philosophieren geht. Und für den Gespritzten (Schorle) gibt er einen Tipp: „Nehmen Sie dazu keinen billigen Wein, weil die Kohlensäure den Geschmack verstärkt – auch den schlechten.“ Tagsüber gibt’s für ihn nur gespritzten Apfelsaft. Er sagt: „Wenn ich alles getrunken hätte, was ich hätte trinken sollen, wäre ich mit meinen 32 Jahren schon Alkoholiker.“ An unserem letzten Abend in der Wachau sitzen wir auf der Terrasse des Schlosshotels Dürnstein. Seit annähernd 400 Jahren thront dieser Bau auf einem Felsen über der Donau. Der breite Strom fließt als Symbol der Verlässlichkeit unter uns, am gegenüberliegenden Ufer verschwinden die Häuser von Rossatz in der Dämmerung, mildes Licht strahlt den Kirchturm an. Keine Bausünde stört die romantische Landschaft. Die Preise auf der Weinkarte machen Freude, der Ober serviert getrüffelten Rehrücken. „Von meiner Arbeit kann ich noch in zehn Jahren kosten“, hat Franz Hirtzberger senior gesagt. Als sein Sohn wieder losmusste, um die Marillen für den Schnaps zu maischen, hat er uns weiter durch sein Weingut geführt. Stolz hat er den uralten Steinplattenboden gezeigt, den er wieder freigelegt hat, und seine Begeisterung war ansteckend. Wir haben einen Winzer kennengelernt, der wohl weiß, dass er zu den besten dieser Welt gehört. Aber er ist bodennah geblieben, weil er auch weiß, dass nicht alles machbar ist. „Man muss dem Wein Zeit geben“, hat er gesagt, „das kontrollierte Nichtstun macht ihn gut.“ 74 go sixt travel

Weinproben Weingut Jamek Von der kleinen Weinprobe (ab 4 Personen) bis zur großen Keller- und Weinbergführung (20 Euro pro Pers.); Voranmeldung erforderlich; Gasthaus mit bester regionaler Küche: A-3610 Joching 45, Tel. 0043-2715-2235, www.weingut-jamek.at Freie Weingärtner Wachau Genossenschaft mit hoher Qualität. Verkostung mit Führung Di., Do. und Sa. 14 Uhr (10 Euro pro Pers.), indiv. Termine für Gruppen nach Voranmeldung: A-3601 Dürnstein, Tel. 0043-2711-371, www.fww.at Franz Hirtzberger Spitzenwinzer mit idyllischem altem Weingut; Voranmeldung erforderlich: Kremser Str. 8, A-3620 Spitz, Tel. 0043-2713-2209, www.hirtzberger.com Hotel Schloss Dürnstein Der Renais­­sancebau aus dem Jahre 1630 ist das einzige Fünfsternehotel der Wachau. Ein Diner auf der Terrasse auf dem Felsen über der Donau gehört zu den bleibenden Erlebnissen, gute Auswahl an Wachauer Weinen zu fairen Preisen; DZ ab 195 Euro, A-3601 Dürnstein 2, Tel. 0043-2711-212, www.schloss.at Landhaus Bacher Gourmet-Restaurant der Spitzenklasse; moderne österreichische Küche mit mediterranem Einschlag; freundlicher Service, idyllischer Gast­garten, bestens sortierter Weinkeller; Mo./Di. geschlossen: A-3512 Mautern, Tel. 00432732-82937, www.landhaus-bacher.at



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W

olfgang Fellner ist ein Visionär mit geschlossenen Augen. Jedenfalls auf den zwei mal drei Meter großen Plakaten, die im Sommer an fast jeder Straßenkreuzung in Wien hingen. Da verschließt er vor schwarzem Hintergrund die Augen. Er zieht die linke Braue hoch, grinst verschmitzt, was ein Grübchen am Kinn betont. Neben ihm steht in weißer Schrift: „Ich habe einen Traum.“ Und: „Österreich wird neu.“ Mehr nicht. Kein Wort zu viel. Das ist typisch für Fellner, Österreichs innovativsten Zeitschriften-Erfinder und Chefredakteur. Kein anderer steht so für das moderne Österreich wie der 52-Jährige. Wolfgang Fellner ist ein Visionär. Schon mit 14 Jahren war er das. Damals gründete er die Schülerzeitung „RennbahnExpress“. Er verkaufte sie zunächst nur an seiner Schule, vier Jahre später wurde sie an alle Schulen des Landes geliefert. Auflage: 32.000 Exemplare! Was die „Bravo“ für Deutschland, war der „Rennbahn-Express“ für Österreich. Mit 29 führte er das schrille Gesellschaftsmagazin „Basta“ zum Erfolg. Mit 38 machte er „News“, die bis heute erfolgreichste Zeitschrift der Alpenrepublik. Und jetzt erfindet er die modernste Tageszeitung der Welt, wie er bescheiden anmerkt. Wolfgang Fellner wird gern für einen Fantasten gehalten. Weil die wirtschaftliche Lage düster ist. Weil vielen Besitzstandswahrung wichtiger ist als Investitionen in die Zukunft. Weil Verlagsstrategen von einer Medienkrise sprechen. Aber Fellner interessiert das alles nicht. Er hat eine Vision – und die lässt er Wirklichkeit werden. Als er „News“ auf den Markt brachte, hielten ihn die meisten Medienmanager schlicht für verrückt. Zeitschriften galten Anfang der 90er-Jahre als überholt, das Privatfernsehen machte ihnen Konkurrenz. Fellner dagegen entdeckte im Fernsehen Vorteile für gedruckte Magazine. Mit „News“ schuf er eine Zeitschrift zum Lesen und Sehen, mit vielen Fo-

tos, unterhaltsamen und informativen Texten. „News“ war vom Fleck weg ein Erfolg – und machte seinen Erfinder zum vielfachen Millionär. Auch jetzt ignoriert er wieder den Mainstream: Fachleute sprechen von einer Zeitungskrise, Tageszeitungen verlieren allerorten an Auflage. Das Internet sei schuld, heißt es. Es mache aus Zeitungslesern Nachrichtensurfer. Wer sich informieren wolle, klicke sich rund um die Uhr und kostenlos durch das vielfältige Newsangebot aus der ganzen Welt. Ausgerechnet in dieser Zeitungskrise kommt jetzt wieder der Fellner mit einer Vision daher – und macht eine Tageszeitung: „Ich bin der Meinung, dass die Zeiten spannend werden für ein Tagesmedium. Die Aktualität hat sich weitergedreht durch das Internet“, sagt Fellner. Während er spricht, stützt er sich auf seine Unterarme, beugt sich leicht nach vorne, als sei er auf dem Sprung. Seine Augen sind wachsam: Geht jemand an der blitzblank gewienerten Glaswand seines Büros vorbei, dann gehen Fellners Augen mit – und er ist trotzdem ganz bei der Sache: „Als ich ,News‘ gegründet habe, gab es noch kein Internet. Tageszeitungen haben damals aktuell berichtet über das, was über die Nachrichtenagenturen hereinkam. Das fällt jetzt weg, weil die Agenturmeldungen in Wahrheit ja von jedem Menschen im Internet gelesen werden können. Die Tageszeitung muss ihre Rolle neu definieren. Sie muss den Hintergrund dafür geben, was das Internet den Menschen auf den Laptop liefert.“ Wolfgang Fellners neue Tageszeitung ist in Österreich seit September zu kaufen. Die Startauflage beträgt 250.000 Exemplare. Die Tabloid-Zeitung („Handlichkeit eines XL-Kleinformats“) besteht aus vier Teilen: einem überregionalen Teil mit Politik, Wirtschaft und Sport. Einem Lokalteil mit

»ICH TRÄUME VON EINEM NEUEN ÖSTERREICH« Das Image der Alpenrepublik ist klar: hinterwäldlerisch. Verleger Wolfgang Fellner hat das noch nie geglaubt. Er startet einfach die modernste Zeitung der Welt. Bescheidener Titel: „Österreich“ Von LEONARD PRINZ

Wolfgang Fellner und sein neues Blatt auf dem Dach des Akademie-Hofes, Sitz der „Österreich“-Redaktion; rechts die Kuppel der Wiener Karlskirche 76 go sixt travel


GO Travel Berichten aus den Bundesländern. Im dritten Teil, den Fellners Frau Ursula verantwortet, geht es um Mode und Lifestyle. Im vierten Teil ist „Österreich“ eine TV-Zeitung. In seiner Redaktion in Wien, am Karlsplatz neben der Secession und nur einen Steinwurf vom Naschmarkt entfernt, arbeiten im „modernsten Newsroom Europas“ 150 Journalisten. Fellner thront auf einer Galerie über dem summenden Bienenstock. Sein Büro ist funktional eingerichtet: Flachbildschirm, Funkmaus, ein Sideboard auf dem Klarsichtmappen mit Dias liegen. Nur das Nötigste eben. Fellner wird sowieso kaum hier sein. Er wird unten im Newsroom zwischen seinen Leuten sitzen und sein Blatt machen. Auch auf anderem Gebiet ließ Fellner Träume Wirklichkeit werden: „Ich war der Meinung, dass drucktechnisch eine Innovation möglich ist. Eine Tageszeitung wie ein Magazin auf Glanzpapier zu drucken, war meine Idee.“ Mit Erfolg: „Die Konkurrenten stehen inzwischen Schlange, vom ,Philadelphia Enquirer‘ bis zu ,El Periodico‘ in Spanien. Alle Verleger wollen vorbeikommen und sich das hier anschauen.“ Auch Verleger Hubert Burda („Bunte“, „Focus“) ist neugierig. „Er hat mir einen Brief geschrieben und weiterhin Glück

gewünscht“, sagt Fellner, grinst dabei so bübisch wie in der Werbung. Diesmal lachen seine Augen mit.

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ie schönste Vision jedoch verpufft, wenn man nicht mit beiden Beinen im Leben steht. Sein Boden für den Erfolg ist die Familie. Als der Sohn eines Geschichtsprofessors und einer Bibliothekarin 1968 den „Rennbahn-Express“ erfand, war sein Bruder Helmuth, damals zwölf Jahre alt, an seiner Seite. „HeFe“ war stets der nüchterne Kaufmann, „WoFe“ das kreative Schlitzohr. Auch bei der Gründung von „Basta“, „News“ und allen anderen Projekten trat das Bruderpaar gemeinsam auf: Wolfgang Fellner sprüht dabei vor Ideen, er krempelt die Ärmel seines blauen OxfordHemds hoch, lockert den Knoten der gestreiften Armani-Krawatte, deren Spitze im Hosenbund steckt. Dann legt er los: Er redet auf Geschäftspartner und Kunden ein. Während Bruder Helmuth im Hintergrund die Stirn runzelt und Kosten und Risiken kalkuliert. „Mein Bruder ist mein wichtigster Berater“, sagt Wolfgang Fellner, „wir sprechen jeden Tag mehrmals miteinander.“ Ähnlich eng ist Wolfgang Fellners berufliche Bindung zu seiner Frau: Die blonde Ursula mit den blauen Augen und dem Engelsgesicht war Redakteurin beim „Rennbahn-Express“, sie folgte ihm zu „Basta“, dann zu „News“. Heute ist die 44-Jährige Herausgeberin von „Österreich“: „Meine Frau arbeitet nicht unter mir, sondern neben mir“, sagt er und fügt hinzu: „Das ist ein Unterschied.“ Auf diese Feststellung legt Fellner wert. Und auch darauf, hinzuweisen, wie wichtig ihm seine vier Kinder sind: „Alles, was an Zeit übrig bleibt, verwende ich für sie.“ Sohn Niki wird er bald öfter sehen: Der 22-Jährige fängt im Herbst bei „Papi“ an, „als ganz normaler Redakteur“. Für seine Leidenschaften, Skifahren in Kitzbühel oder Lech, die Motoryacht „Desiree-Marie“ vom Typ Fairline Targa 38, und seine schneeweiße Villa mit dem Infinity-Pool auf einem Hochplateau über den Buchten von Ibiza, hat Fellner jetzt erst mal keine Zeit. Er muss am neuen Österreich arbeiten.

Wolfgang fellner, 52, startet schon als Jugendlicher als Verleger. Mit 14 Jahren gibt er den „Rennbahn-Express“ heraus, die „Bravo“ Österreichs, gründet die Szene-Postille „Basta“ und das Hochglanzmagazin „News“. Am 1. September 2006 geht die neue österreichische Tageszeitung „Österreich“ an den Markt. Fellner ist mit Ursula Fellner, 44, verheiratet, und sie haben vier Kinder. travel go sixt 77


GO Travel Nachtschwärmer: Wiens Hotspot 2006 ist das „Badeschiff“ mit Lounge am Donaukanal. Schwimmende

wien: ein mekka der moderne Schluss mit Plüsch: Wenn die Sonne versunken ist, blüht das coole und hippe Wien auf. Eine Geschmacksprobe Von johannes schweikle

Bar-Geflüster in der Disco „Volksgarten“: tagsüber populäres Ausflugscafé, nachts Wiens heißester Hip-Hop-Schuppen.

Restaurant im Hotel „The Levante Parliament“: schrilles Designambiente mit Geschmack und Stil. 78 go sixt travel


Wildes Abhotten im

Konzertante

Techno-Club „Flex“.

Mozart-Führungen mit Audio-Guide: „Meine StraußProgramme laufen heuer schlecht.“

B

oschko Marcic, Student der Betriebswirtschaft aus Bosnien, trägt heute Rokoko: goldene Brokatweste, weißes Spitzentüchlein, rotsamtene Kniebundhose. Lediglich die braunen Bequemschuhe und die blaugetönte Sonnenbrille fallen aus der Zeit. In der Fußgängerzone vor der Oper verkauft Boschko die Wiener Klassiker: Mozart und Strauß, Karten für die Konzerte in der Orangerie von Schönbrunn, auf dem Programm stehen die Gassenhauer der Hochkultur, FigaroOuvertüre und Radetzky-Marsch, das Orchester glänzt mit einem Bratschisten der Wiener Philharmoniker. Wien ist so: Manner-Schnitten im erzbischöflichen Palais, Mostly-Mozart-Shops in der Kärntner Straße, Spanische Hofreitschule. Aber man kann dieses Alles-Walzer-Wien auch spielend leicht umgehen, es gibt genug Auswege aus dem Klischee. Sie führen in eine Stadt, die alte Tradition virtuos mit neuem modernen Leben füllt. „Viele Gäste fahren erst einmal am Haus vorbei“, sagt Roland Hamberger, „und das ist gut so.“ Die Fassade des Hotels „Triest“ wirkt etwas betagt, und das ist kein Wunder. Dieses Haus ist älter als das Hotel Sacher, wie der Marketingdirektor Hamberger nicht ohne Stolz bemerkt. Im 17. Jahrhundert waren in den Kreuzgewölben die Pferde für die Kutschen nach Triest untergebracht. In den 90er-Jahren kaufte ein Bauunternehmer das abgewohnte Palais. Weil er der Meinung war, dass es in Wien schon genug Plüsch- und Biedermeierhotels gibt, beauftragte er den Engländer Terence Conran, in den alten Mauern das erste Designhotel der Stadt einzurichten. In der „Silverbar“ sitzen Paare so intim wie in einer alten Postkutsche, auf der Dachterrasse gibt’s montags „Urban Yoga“ mit Blick auf den Stephansdom, und Kylie Minogue wohnt am liebsten in der „Garten-Suite“, wo der Popstar im alten Gewölbe keine Klimaanlage braucht und mitten in der Stadt bei offenem Fenster schlafen kann. Roland Hamberger, 28, sitzt zum Frühstück im Innenhof, einer Oase mit Olivenbäumchen, Rasen und frisch gepresstem

Saft. Er trägt ein recht individuelles T-Shirt, das er in Barcelona gekauft hat, einen Dreitagebart, und sein blasses Gesicht hinter der schmalen Brille lässt ahnen, dass er weiß, wovon er spricht, wenn er Adressen der Wiener Ausgeh-Avantgarde verrät. „Vor fünf Jahren hat es in dieser Stadt einen Impuls gegeben“, urteilt Hamberger und berichtet vom „Emm-Kju“. Das Kürzel MQ steht für das Museumsquartier, das den ehemaligen Stallungen des kaiserlichen Hofs aus dem 18. Jahrhundert eine neue Funktion gegeben hat: Zwei Monolithen ragen kantig über die schönbrunnergelben Barockbauten, hier ist bildende Kunst vom 19. Jahrhundert bis zur Moderne ausgestellt. In der Reithalle wird Theater gespielt, in den Höfen räkelt sich junges Volk auf Liegestühlen, Kneipen haben ihre Sonnenschirme aufgespannt, der MQ-Man kämpft für kulturelle Vielfalt. Diese hat sich auch in den Stadtbahnbögen eingenistet. In den Kasematten unter der Hochbahntrasse am Gürtel stemmte man die Mauern aus dem 19. Jahrhundert auf und schuf Raum für Musikclubs wie das „Rhiz“ am Bahnhof Josefstädter Straße, wo der DJ Drum’n’base auflegt. Hier entwickelt sich ein bunter Mix von Clubs und Kneipen, es gibt noch jede Menge Platz unter den Gleisen der U6, auch für den „Total-Abverkauf balinesischer Masken“. „Und jetzt entwickelt sich der vierte Bezirk zum Hip-Viertel“, freut sich Roland Hamberger, weil das Hotel Triest mittendrin liegt. Gepflasterte Gassen und Straßenbahnschienen führen zwischen Palais mit angegrautem Stuck hindurch. Hier gibt es kleine Läden wie das Fachgeschäft für Klarinettenblätter, der Edel-Imbiss hat im Fenster Landschaften aus Wiener Wurst-Attrappen gebaut, auf denen Modelleisenbahn-Figürchen spazieren. Und das „Gasthaus Ubl“ ist ein originalgetreu erhaltenes Beisel: dunkles Holztäferl, ein Emailleschild verspricht „Frische Hauswürste“, im schmalen Garten sitzt man zwischen Rosen und gusseisernen Leuchten. Lediglich beim Fett macht die Inhaberin, die selbst am Herd steht, Zugeständnisse an den Zeitgeist: „Früher haben wir das Wiener Schnitzel in Schweinetravel go sixt 79


Das hippe Relaxen: Blick von der Sky-Lounge „Wolke 19“ auf die Donau.

Das coole Abhängen: karibische LoungeZone in der nächtlichen Disco „Volksgarten“ hinter der Hofburg.

schmalz frittiert“, sagt Monika Weissteiner, „aber das mögen die Leut nicht mehr. Jetzt nehmen wir Öl und Butterschmalz.“ Ein paar Schritte weiter, am Naschmarkt, sitzen Wiener und essen ihr „Jausen-Ciabatta“. Die Auslagen der Lebensmittelgeschäfte lassen das Wasser im Mund zusammenlaufen: Obst und Gemüse in allen Farben, Geselchtes neben Thai-Gewürzen, Mehlspeisen und Burgenländer Wein. Um das Jahr 1775 bildete sich hier der Milchmarkt, die Buden sind bis heute niedrig geblieben, nur der Wienfluss ist längst überbaut.

H

ier taucht Mozart wieder auf. In Gestalt einer roten Plastikstele. „Calling Mozart“ steht auf 50 Säulen, die über die Innenstadt verteilt sind. Wer sich an der Oper einen Audio-Guide geliehen hat, der erfährt an Säule 42 in der Operngasse, dass hier im Jahre 1791 die „Zauberflöte“ uraufgeführt wurde. Sie feierte Triumphe beim einfachen Volk, vergleichbar mit heutigen Musicals. Vom Freihaus-Theater ist kein Stein erhalten geblieben, und so hat die Fantasie Raum für den verspielten Geist Papagenos, der auch heute noch zu diesem

Viertel zwischen Karlskirche und Hofburg passt, das doch so weit weg ist von den Palästen. „Der Wiener versteht zu genießen. Dabei schlagen zwei Herzen in seiner Brust“, sagt Helmut Österreicher: „Ständig will er Neues vorgesetzt bekommen. Aber er ist auch ein Wiederholungstäter, der seinen Erdäpfelsalat und sein Schnitzel will.“ Helmut Österreicher heißt tatsächlich Helmut Österreicher, auch wenn es wie die Erfindung eines ganz schwachen Romanciers klingt, dass dieser Mann einer der besten Köche des Landes ist. Im Gourmet-Restaurant „Steirereck“ war er eine Institution am Herd, im Februar hat er ein neues Lokal eröffnet. Es liegt am Stadtpark, im ehrwürdigen Museum für angewandte Kunst (MAK). Eine reich verzierte Kassettendecke schließt den bahnhofshallenhohen Speisesaal ab, doch durch diese Kaiser-Franz-Josephs-Herrlichkeit zuckt ein silberner Blitz aus Licht und Stahl und Gewebe. Dieses Designerelement schafft einen Kontrast, es endet an dem Kronleuchter über der Bar, der aus Glasflaschen besteht. Die Wienerinnen an den Tischen tragen Schwarz als Modefarbe. Helmut Österreicher versteht dieses Lokal als Neuinterpretation des Wiener Gasthauses: Auf der Karte gibt es Klassiker wie Krautfleckerln und Tafelspitz, daneben steht die moderne Wiener Küche mit Welsfilet auf geschmortem Paprikagemüse. „Die Wiener Küche ist ein kulinarischer Schmelztiegel“, erklärt der Koch, „sie hat sich aus den Kronländern das Beste genommen, aus Böhmen, Ungarn und vom Mittelmeer. Das hat ihr Freiheit in der Wahl der Zutaten beschert.“ Der Chef steht nur noch zeitweise selbst am Herd, oft sitzt er am Computer, er plant eine Kette von Österreicher-Lokalen in den Metropolen anderer Länder. Was seine Köche auf den Teller bringen, ist präzise und schnörkellos gekocht. Die Portionen sind nicht zu groß, die Preise erfreulich, der Spanferkelbraten kostet lächerliche 12,80 Euro. Dass unter dem Lungenbraten Starkoch Österreicher: „Der Wiener will ständig was Neues, aber mit Erdäpfelsalat und Schnitzel ist er auch Wiederholungstäter.“

80 go sixt travel


Der gotische Klassiker: die Votiv-Kirche im 1. Bezirk.

Der unverzichtbare Klassiker: Das Nachtleben beginnt, wenn an Wiens Würstelbuden die Lichter angehen.

ein Schweinslendchen zu verstehen ist, muss man wissen. Der Ober war dabei keine große Hilfe, zum Glück haben wir uns rechtzeitig an die Warnung von Roland Hamberger erinnert: „Die Bedienung muss in Wien unfreundlich sein.“

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m Café Karlsplatz holt man sich die Getränke selbst am Tresen. Mit einem Wiener Kaffeehaus hat dieses Lokal so wenig gemein wie Mozart mit den Spice Girls. Ursprünglich war dieser Pavillon aus weißem Marmor mit goldenen Jugendstil-Ornamenten ein Stationsgebäude der Stadtbahn, erbaut 1894 von dem Architekten Otto Wagner, der in Wien stilbildend gewirkt hat. In den 70er-Jahren war dieses Juwel den Straßenplanern im Weg, eine Initiative „Rettet Otto Wagner“ verhinderte in letzter Minute den Abriss. Der Pavillon wurde eineinhalb Meter höher neu aufgestellt. In den Keller kam eine Bar, die im unverfälschten Seventies-Stil erhalten ist, inklusive Discokugel. Oben hängt eine quietschbunte Lichterkette vor Otto Wagners Sonnenblumenornamenten, die Sonnenschirme stehen schief, sporadisch räumt ein Student leere Bierflaschen ab. So leger geht man mit Architekturdenkmälern nur in einer Stadt um, die davon mehr als genug hat. Auch in der Börse, einem pompösen Palast an der Ringstraße, kannte man keine Berührungsängste mit neuen Ideen: Zwei alte Spezln haben gemeinsam den Keller gemietet. Der Lederleitner hat in dem hohen weißen Gewölbe ein exquisites Blumengeschäft eröffnet, in der anderen Hälfte des Raums betreibt Leo Doppler das Restaurant „Hansen“, benannt nach dem Erbauer der Börse. Hier kommen hervorragende Auberginenknödel mit Kerbelschaum auf den Tisch. Wer von hier zum Stephansdom geht, sieht noch Züge des alten Wien, wie es vor der imperialen Bauwut des 19. Jahrhunderts war. Am Tiefen Graben nahm Leopold Mozart 1762 eine Wohnung, als er mit seinen beiden Wunderkindern zum ersten

Mal nach Wien reiste. Man darf sich das nicht romantisch vorstellen, sondern grau: „Nun sind wir schon 8 täge hier und wissen noch nicht wo die Sonne in Wienn aufgehet“, klagte der Vater, „denn bis diese Stunde hat es nichts als geregnet.“ Und eng war es auch: „Das Zimmer ist 1000 Schritt lang und 1 Schritt breit.“ Auch heute ist der Tiefe Graben noch eine düstere Straßenschlucht. Das Hotel „Orient“ hat sich hier etabliert, ein Stundenhotel, das mittlerweile Kultstatus erlangt hat. Und selbst über diese schmucklose Straße spannt sich eine Brücke mit Jugendstil-Ornamenten, um die man andernorts großen Wirbel machen würde. Den hat der Architekt Hans Hollein 1990 verursacht, als er gegenüber dem Stephansdom das Haas-Haus gebaut hat. Die Wiener fühlten sich provoziert von diesem postmodernen Mix aus Steinwürfeln und Glaszylindern, in denen sich die Maßwerkgiebel ihres gotischen Heiligtums spiegeln. In den oberen Stockwerken hat kürzlich das spektakulärste Designhotel Wiens eröffnet, das Do & Co. Dieses Kürzel steht für den quirligen Gastronomen Attila Dogudan, der mit seinem Catering-

Feinkosthändler Meinl, Mozart-Klage: „Nun sind wir schon 8 täge hier und wissen noch nicht wo die Sonne in Wienn aufgehet.“ travel go sixt 81


GO Travel Service promihaltige Events zwischen Kitzbühel und Schanghai bedient oder die Formel I. Beim jüngsten Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten hat die First Lady im neunten Stock des Do & Co diniert. Dort finden in einem Glaskubus maximal zwölf Personen Platz, der Blick geht über die Dächer von Wien. Dort tut sich eine vielfältige Landschaft an Kuppeln und Dachgärten auf, die von unten nicht zu erahnen ist. Das Panorama der Onyx-Lounge, drei Stockwerke tiefer, ist immer noch spektakulär genug. Die Scheiben ziehen sich zwei Stockwerke hoch, man sitzt auf Höhe der bunten Ziegelornamente des Stephansdoms in weißen Ledersofas oder roten Plüschsesseln. Der Tresen aus hellem Onyx ist dezent beleuchtet, der Barkeeper mixt exzellente Cocktails, die Lounge-Musik ist gerade so laut, dass man sich unbeschwert unterhalten kann. Diese Orgie der Postmoderne wirkt nur deshalb nicht lächerlich, weil sie ihren Kontrast in den bleichen Bogen der gotischen Baumeister findet. Und an lauen Abenden gibt es

nur noch einen besseren Ort in diesem Hotel: Zimmer 301 mit seinem kleinen Balkon, zu dem das Gewusel des Stephansplatzes gedämpft heraufdringt. Junge Osteuropäer legen einen athletischen Breakdance aufs Pflaster, an den Würstlständen gehen langsam die Lichter an. Am anderen Ende dieser Fußgängerzone hat gegen 18 Uhr der Bosnier Boschko Marcic sein Rokoko-Gewand ausgezogen. Jetzt trägt er weißes T-Shirt. Das Mozartjahr mit seiner Hysterie um den Superstar der Wiener Klassik passt ihm nicht recht ins Geschäft. Er klagt, mit slawischem Akzent: „Meine Strauß-Programme laufen heuer schlecht.“

Kein Schnickschnack im Hotel „Triest“: Stil vom Designer Terence Conran.

Heller Marmor, dunkles Glas im Hotel „Levante Parliament“: klassische Moderne im Innenhof.

Wiener Hotels jenseits von Plüsch Das Triest Terence Conran baute 1995 eine ehemalige Postkutschenstation zum ersten Designerhotel Wiens um. Eine individuelle Oase im vierten Bezirk, freundlicher Service, gute Küche; DZ ab 258 Euro: Wiedner Hauptstr. 12, A-1040 Wien, Tel. 0043-1-589180, www.dastriest.at

Coole Blicke auf den Stephansdom: Onyx-Bar im Hotel „Do & Co“.

Do & Co Spektakuläre Postmoderne direkt am Stephansdom, zentraler kann man in Wien nicht wohnen; Restaurant mit Dachterrasse, DZ ab 350 Euro: Stephansplatz 12, A-1010 Wien, Tel. 0043-1-24188, www.doco.com The Levante Parliament 1908 im Stil der klassischen Moderne erbaut, im Mai als cooles Designhotel eröffnet: Bäder in hellem Marmor, viel Glas und dunkles Holz; Burgtheater und Museumsquartier bequem zu Fuß zu erreichen, DZ ab 260 Euro: Auerspergstr. 9, A-1080 Wien, Tel. 0043-1-228280, www.thelevante.com Bar & Lounge Planter’s Club Klassische Bar im Kolonialstil, der Ventilator kreist über Tropenholz, unter der Galerie Fotos von Stanley & Livingston, die Getränkekarte reicht bis zum japanischen Whisky: Zelinkagasse 4, A1010 Wien, Tel. 0043-1-533339315, plantersclub.com Onyx-Lounge Coole Eleganz, lebhaftes Publikum, erstklassige Drinks vis-à-vis vom Stephansdom: im Hotel Do & Co, Stephansplatz 12, A-1010 Wien, Tel. 0043-1-24188, www.doco.com Essen & Trinken Österreicher im MAk Wiener Küche, auf hohem Niveau zeitgemäß interpretiert: Stubenring 5, A-1010 Wien, Tel. 0043-17140121, www.oesterreicherimmak.at

Gasthaus Ubl Traditionshaus im 4. Bezirk, bodenständige Wiener Küche: Pressgasse 26, A-1040 Wien, Tel. 0043-1-5876437 Weingut am Reisenberg Uriger Heuriger in den Weinbergen mit spektakulärem Blick über Wien; mit Pkw oder Linie 38 bis Grinzing, von dort Anstieg zu Fuß: Oberer Reisenbergweg 15, A-1190 Wien, Tel. 0043-1-3209393, www.weingutamreisenberg.at Calling Mozart An 50 Orten gibt diese Führung brillante Erklärungen zu Mozarts Wirken in Wien. Mit einem Audio-Guide kann jeder Tempo und Länge seines Stadtspaziergangs bestimmen: Leihgebühr 5 Euro, Ausgabe täglich 10 bis 19 Uhr vor der Oper; www.callingmozart.at 82 go sixt travel



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Exclusive Exclu Wien: Avantgarde trifft K.u.k.

Nathalie Gütermann für GO SIXT

Bild und Vorbild: Prof. Ernst Fuchs malt Muse Nathalie Gütermann 1986 in den Bergen der Côte d’Azur (re.); links das Gemälde, aus dem Privatmuseum des Künstlers.

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Prof. Ernst Fuchs, Nathalie Gütermann*

im Atelier von Malerfürst Prof. Ernst Fuchs: „Papst der Fantasten und Visionäre“.

*TV-Filmemacherin und Lifestyle-Expertin, verrät ihre persönlichen Wien-Geheimnisse

ien, Wien – nur du allein sollst stets die Stadt meiner Träume sein“, heißt es in einem Lied. Ich schließe mich gerne an. Wien ist mehr als nur die Hauptstadt Österreichs. In der alten K.u.k.-Metropole an der Donau ist man immer noch im Fin-de-Siècle-Fieber. Während anderswo Glaspaläste in den Himmel wachsen und Büro-Burgen entstehen, blüht im 1. Bezirk der Stadt Wien noch immer barocke Lebensart. Die Melange des Wiener Lebensgefühls bindet den aristokratischen Glanz der Vergangenheit ganz selbstverständlich in die moderne Gegenwart ein. Wien hat viel mehr zu bieten als Walzer-Seligkeit, Sissi-Nostalgie, Prater-Romantik und Sacher-Torte. Neue Kultur-, Mode- und Architekturströmungen machen aus der charmanten Küss-die-Hand-Metropole auch ein Zentrum der europäischen Avantgarde. Neben den berühmten Großtheatern Burg oder Oper haben sich experimentelle Kleinkunstbühnen, couragierte Kabaretts und Varietés etabliert, denen der subventionierte Theateralltag nicht mehr genügte. Und der letzte modische Schrei sindlängst nicht mehr die Tracht und der Lodenmantel mit Jagdhut. Fashion-Designer Helmut Lang, Birgit Bogusch oder Atil Kutoglu haben mit ihren Kreationen made in Austria den internationalen Durchbruch geschafft. Die Wiener Moderne mit ihrem österreichischen Objektdesign wurde durch spektakuläre Ideen weltweit bekannt. Die Palette der Stil-Ikonen reicht vom Thonet-Sessel über den

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KAFFEEHÄUSER In Wien geht man vor allem in ein Kaffeehaus oder zum Heurigen. 84 go sixt travel

Café Demel Kohlmarkt 14, Tel. +43 1 535 17 17-39 200 Jahre alte K.u.kHofbäckerei. Mehlspeisen, Kaffee-Spezialitäten und Zuckerbäckerei vom Feinsten. Der Schlagrahm wird hier noch von Hand geschlagen! Zwar sehr touristisch, aber einmal sollt’s unbedingt sein!

legendären Nierentisch bis hin zum Porsche-Auto und Porsche-Design. Zu meinem Wiener Freundeskreis gehört neben Mitgliedern einiger großer Adelsfamilien auch Cosima Aichholzer, eine der besten Eventmanagerinnen und hochkarätige Partyorganisatorin der Stadt. Wer also ein Incentive oder eine glanzvolle Veranstaltung in Wien plant, sollte sich bei ihr melden. Sehr ans Herz gewachsen ist mir auch Prof. Ernst Fuchs – Maler, Designer, Liedermacher, Poet und Bühnenbildner. Prof. Ernst Fuchs ist Mitbegründer der Wiener Schule und ging als Urvater des „Fantastischen Realismus” in die Kunstgeschichte ein. Hinter dem weltweit geachteten Kunstgenie verbirgt sich eine der schillerndsten Künstlerpersönlichkeiten Europas. Die meisten kennen den Sohn jüdischer Eltern als „den Mann mit dem Käppi“ und als Besitzer von mehreren Rolls-Royces und Villen in Wien und Monaco. Doch das ist nur ein kleiner, unbedeutender Teil seines Lebens. Prof. Fuchs, geboren am 13. Februar 1930 in Wien, hat 16 Kinder von sieben Frauen. Seine Familie und vor allem seine Schaffenskraft gehen ihm über alles. Zu seinen weltberühmten Werken zählen „Kreuzigung” oder „Untergang von Sodom&Gomorrha”. Ernst Fuchs bannte aber auch Stars wie Claudia Schiffer auf die Leinwand, entwarf Porzellan für Rosenthal, baute Klöster und Kirchen. Und als was möchte er in Erinnerung bleiben? Prof. Fuchs: „Als der Papst der Fantasten und Visionäre.“

Café Central Herrengasse 17 , Tel. +43 1 535 99 05 Einst Stammcafé von Wiens großen Literaten der Jahrhundertwende. Spezialität: „Imperial-Torte“. Und wenn man sie einmal genascht hat, kann man nicht anders: Es gibt die Imperial auch als „King Size“.

Café Sacher Philharmonikerstr. 4 (Hotel Sacher). Tel. +43 1 514 56-0 Natürlich kommt man wegen der berühmten Torte hierher und wegen des imperialen Ambientes – was allerdings manchmal erschlägt! In vielen traditionellen Cafés gibt’s auch das Sonntagsfrüh­stück zur Kaffeehausmusik.

kleines Glossar Melange: Kaffee mit Milchschaumhaube Kleiner oder großer Brauner: Kaffee mit Schlagsahne Einspänner: Mokka mit Schlagsahne im Glas Fiaker: Mokka mit Cognac im Glas


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RESTAURANTS

legende schwarzes kameel:

Unbedingt die „Steh-Brötchen“ probieren. STEIRERECK „Relais & Châteaux“, Rasumofskygasse 2. Tel. +43 1 713 31 68 www.steirereck.at Wenige Schritte vom Prater, warmes Ambiente mit gutem Service. Kometenhafte Entwicklung vom gutbürgerlichen Lokal zum Renommierbetrieb der Gastroszene. Wiener Spezialitäten und „Steirische leichte Küche“. Tipp: frische Salate vom Naschmarkt, Rindfleischsülze mit Tafelspitz. Der Käsewagen ist ein Traum, ebenso die ausgesuchten Weine aus der Wachau und der Steiermark. SCHWARZENBERG Hotel-Restaurant im „Palais Schwarzenberg“, Schwarzenbergplatz 9. Tel. +43 1 798 45 15-600 palais-schwarzenberg.com Unbedingt am Fenster mit Blick auf den Schlosspark reservieren, im Sommer auf

„Europas schönster Gartenterrasse“. Stimmungsvoller wird nirgends aufgetischt ... KORSO BEI DER OPER Mahlerstr. 2. Tel. +43 1 51 51 65 46 www.sheraton.com Das Restaurant des Hotels Bristol wurde vom „Gault Millau“ mehrfach als eines der besten Österreichs aus­gezeichnet. Hier gehe ich vor allem nach der Oper schön gestylt zum Dinner. Mein Leibgericht: Tafelspitz und Zander mit Paprikasahnesoße. Der Weinkeller des Restaurants gilt als einer der besten Europas. Das Korso ist auch zum Mittagstisch ein Glanzlicht! ZUM SCHWARZEN KAMEEL Bognergasse 5, Tel. +43 1 533 89 67 www.kameel.at Ein echter Klassiker und Szenetreff zugleich. Den

Top 5 HOTELS „Rote Bar“ im Hotel Sacher: hier

dinierte Kaiser Franz Joseph.

HOTEL SACHER Philharmonikerstraße 4. Tel. +43 1 514 56-0 www.sacher.com Superelegantes Haus mit Wiener Flair gegenüber der Oper. Weltberühmt – nicht nur wegen seiner Torte! Hier dinierte Kaiser Franz Joseph

fast täglich, unzählige Filme wurden hier gedreht und ebenso viele Romane geschrieben. Prunkvollbarockes Interieur, Seidentapeten, wertvolle Teppiche und Antiqui­täten. Mehrere Gourmetrestaurants, Bars und natürlich „Café Sacher”.

Namen hat das Lokal von seinem Gründervater Johan Kameel, der hier 1618 eine Gewürzkrämerei eröffnete. Unbedingt probieren: die „Steh-Brötchen“, den Eiaufstrich und den Beinschinken. Mit dabei: eine feine Weinhandlung plus Delikatessenladen, die wie das Restaurant bis 24 Uhr geöffnet haben. ZU EBENER ERDE UND ERSTER STOCK Burggasse 13. Tel. +43 1 523 62 54 www.zu-ebener-erde-underster-stock.at In Wiens kleinstem Restaurant in entzückendem Biedermeier-Ambiente speist man im ersten Stock auf winzigem Raum. Zu ausgezeichneten Wiener Spezialitäten gibt es eine große Auswahl an vorwiegend österreichischen Weinen. Die Küche in der Kneipe „zu ebener Erde“ ist einfache Beiselküche (preiswert & gut). NATHALIES LIFESTYLE-TIPP: Feinschmeckertour durch die Wiener Küche Buchen Sie eine originelle „Führung“ zu Fuß und erleben Sie einen genußvollen kulinarischen Abend, bei dem Sie über Herkunft und Zubereitung typischer Speisen (z.B. Wiener Schnitzel, Tafelspitz) informiert werden. 7 Speisen, 3 Getränke, fachkundige Führung und 1 Überraschungsgeschenk. Per-Pedes-Führungen, Tel. / Fax: +43 1 544 96 68 www.perpedes.at/vienna.html Andere originellen Führungen im Angebot!

PALAIS SCHWARZENBERG, Schwarzenbergplatz 9. Tel. +43 1 798 45 15; www. palais-schwarzenberg.com Imperiales Wien – ein Märchenschloss, wie für Cindarella erbaut. 600 Jahre lang im Besitz der Habsburger, heutiger Inhaber ist Fürst Karl von Scharzenberg. Exzellente Küche im Palastrestaurant. HOTEL ORIENT Tiefer Graben 30. Tel. +43 1 533 73 07 www.hotelorient.com Das verspielt-plüschige Ambiente dieses einzig „echten“ Stundenhotels mitten in Wien hat es mir angetan; Schauspieler und Künstler steigen mit Vorliebe hier ab. Ein Traum ist die „Kaiser­ suite“, dekoriert mit roten Seidentapeten, großen Spiegeln und einem wahrhaft königlichen Himmelbett. Straßenmädchen gibt’s hier

Top 3

HEURIGEN Was den Münchnern ihr Biergarten, ist den Wienern ihr Heuriger (Weinschenke). Wien ist die einzige Weltstadt, in der Weinbau betrieben wird. Die alten Winzerhöfe haben alle romantische Gärten und meist vorzügliche deftige Speisen. Zu meinen Lieblings­gerichten gehört ein gebackenes Huhn („Backhendl“), pikanter Streichkäse („Liptauer“), eine Fleischsülze („Presskopf“) oder ausnahmsweise auch mal eine gegrillte Schweinshaxe („Stelze“). Meine Heurigen-Auswahl: Reinprecht Grinzing, Cobenzlgasse 22. Im 300 Jahre alten ehemaligen Kloster befindet sich ein wahres „Heurigen-Mekka“ mit 15 Stuben in allen Größen. Großer Garten! Mix aus Wienern und vielen Touristen. Zimmermann Neustift, Mitterwurzergasse 20 Weitläufiger Garten u. herrlicher Blick über die Weingärten. Kleintierzoo und Spielplatz machen diesen Heurigen besonders familienfreundlich Mayer am Pfarrplatz Heiligenstadt, Pfarrplatz 2 Franz Mayer, eine Wiener Heurigen-Größe, erfreut seine Gäste mit einem reichhaltigen Buffet, exzellenten Weinen aus besten Wiener Lagen und Heurigenmusik. Hier hat schon Beethoven komponiert. NATHALIES LIFESTYLE-TIPP

Einkehr bei den Weinbauern

Schleifmühlgasse 14 Mehr als 1.000 Weinsorten aus dem ganzen Land, direkt vom Bauern. Jeden Tag im Sommer bietet ein anderer seine flüssigen Schätze zum Verkosten an.

natürlich nicht. Seit 1896 ein Traum in Plüsch! IMPERIAL HOTEL VIENNA Kärntner Ring 16. Tel. +43 1 50 11 00 www.imperial.viennahotels.it Decken­fresken, kostbare Teppiche, Gemälde alter Meister und erlesene Anti­quitäten. Die prachtvolle marmorierte Fürstenstiege führt zu 128 Suiten. Mein Tipp: die „Fürsten-Suite“ mit 150 Quadratmetern, Himmelbett u. Louis-XI-Antiquitäten. HILTON VIENNA Am Stadtpark. Telefon: +43 1 71 700 0 Fax: +43 1 71 30 691 www.hilton.de/wien Das Hilton Vienna ist Österreichs größtes Konferenzhotel. Es befindet sich gleich neben dem populären Wiener Stadtpark mit einem herrlichen Blick über die Stadt. Es verfügt über 579 luxuriöse

Gästezimmer und bietet 17 Tagungsräume für Veranstaltungen mit bis zu 1.800 Teilnehmern an. Es besteht eine direkte Flughafenanbindung durch den City-AirportTrain-Terminal.

Wien SIXT Wien-Airport Ankunftshalle Objekt 105 A-1300 Wien-Schwechat Tel. +43 1 700736517 SIXT Wien-Zentrum Wiedner Guertel 1a Südbhf. A-1040 Wien Tel. +43 1 5036616 SIXT Wien-Kagran Wagramer Str. 177 A-1220 Wien Tel. +43 1 2593454 SIXT Wien-Liesing Liesinger Flurgasse 2b A-1230 Wien Tel. +43 1 6995585 travel go sixt 85


GO

Lifestyle Life


Bulgari-Boutique im Terminal 2: In München verfügt der Fluggast durchschnittlich über 3.650 Euro Nettoeinkommen.

AIRPORT

OASEN

Flughäfen mausern sich zu Luxus-Kaufhäusern und Feng-Shui-Tempeln. Die mobile Lounge- und Wellness-Gesellschaft verlangt nach stilvollen Orten der Entspannung. Von leonard prinz und EROL GURIAN (Fotos)

lifestyle go sixt 87


München-Airport-Plaza vor dem Terminal 2: Mehr als 130 Geschäfte präsentieren sich, 25.000 Mitarbeiter des Flughafens kaufen ein.

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er Auftritt knallt. Katja Röder trägt ihre cremefarbene Bluse mit breiten braunen Streifen, knallenge Designerjeans röhren in weißen Lackleder-Cowboystiefeln mit orangetürkisgelbem Blütenmuster. Die Frau wirkt, das Styling sitzt. Katja Röder ist Deutsche, arbeitet in Hollywood und verkauft hochwertige Inszenierungen – sie produziert Filme. Ihr Büro liegt nahe der Luxus-Shoppingmeile Rodeo Drive. Wenn sie ihr Office verlässt, buhlen Designlabels um ihre Kauflust. Linksrum bettelt Gucci um ihre Aufmerksamkeit, rechtsrum wetteifern Chanel und Dior um die Businessfrau. Los Angeles bietet alles, was das Designerherz begehrt und der Zeitgeist trendig setzt. Das ist angenehm, aber längst nicht alles, findet Katja Röder. Anfang August, Flughafen München, 8.15 Uhr, Terminal 2, Abflugstation nach Los Angeles. Katja Röder steuert schnurstracks auf den Boss-Laden hinter der Sicherheitskontrolle zu. Hier in der Abfertigungshalle duftet es nach Leder, das Licht ist gedämpft, helle Farben umspielen die Kunden, markanter Background-Jazz überspielt das monotone Rollen der Hartschalenkoffer draußen auf dem polierten Granitboden. Die Produzentin probiert Lederjacken an, Ehemann Georg, Komponist für Filmmusik, hat sich in ein Paar beige Sneaker mit Leucht88 go sixt lifestyle

Allianz-Arena-Shop in München: „Wir schaffen Erlebniswelten für unsere Kunden.“


GO Lifestyle

»Leider sind die Flächen für eine H&M-Filiale am Münchner Flughafen derzeit zu klein für uns.« H&M-Mann Henrik Alpen

streifen verguckt, die von 160 auf 110 Euro reduziert sind. Am Ende verlässt das Ehepaar den Laden mit einer Krawatte, einem Paar Herrenhalbschuhe. „Ich kaufe gern am Flughafen ein“, sagt Katja Röder, während ihr Blick auf das Schaufenster von La Perla fällt: „Weil es hier so viele schicke Sachen gibt.“ Georg Röder zieht seine Frau derweil Richtung Aigner: „Und günstiger ist es hier auch noch“, assistiert er. Um 11.05 Uhr fliegen die Röders nach L. A., ins Paradies der Shopper. Seit Airport-Manager auf der ganzen Welt entdeckt haben, dass ein Flughafen mehr als ein funktionales Verkehrsdrehkreuz sein kann, rüsten sie auf und um: Shopping, Gourmandise, Wellness und Erlebnis vor, nach und zwischen den Flügen lassen ihre Kassen klingeln – besonders auf den internationalen Vorbildflughäfen von Singapur oder Dubai (siehe Kasten S. 90). Doch der Lifestyle- und Kaufhausservice der Flughäfen hat auch handfeste ökonomische Gründe. Ihre wichtigsten Einnahmequellen versiegen: Start- und Landegebühren sind in den letzten Jahren immer mehr zurückgegangen. Der Wettbewerb bei den Bodendiensten und das Einfordern der Airlines von geringeren Abfertigungskosten an den Gates beginnen die früher durchaus üppigen Gewinnmargen aufzuzehren. Low-Cost-Carrier wie Air Berlin, dba oder Ryanair drücken die Preise, um noch wirtschaftlicher und günstiger sein zu können. Aber auch die Big Player erhöhen den Kostendruck für die

Airportbetreiber. Lufthansa setzte zum Beispiel vergangenes Jahr allein in Frankfurt jährliche Preissenkungen von rund 40 Millionen Euro durch. Hinzu kommt, dass viele Flughäfen privatisiert oder, wie im Falle Frankfurt, an der Börse notiert sind – und die Investoren erwarten ordentliche Renditen. Daher ist plötzlich der so genannte Bereich „Non Aviation“ – im Businessjargon auch „Retail“ genannt – so attraktiv. Umsätze, die mit Parkgebühren, Mieten von Geschäften, Umsatzbeteiligungen und Restaurants gemacht werden, lassen die Gewinne abheben. Gerade hat die Beratungsgesellschaft A.T. Kearney die Wirtschaftlichkeit europäischer Flughäfen untersucht. Danach lassen sich „Umsatz- und Ergebniszuwächse in Zukunft nur noch über Non Aviation erzielen“. Und einer Studie von Boston Consulting zufolge werden die reinen Flugumsätze bereits in fünf Jahren unter denen des Non Aviation liegen. Spitzenreiter in Deutschland ist München: Von 654 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr, entfielen rund 45 Prozent auf den Bereich Retail – Tendenz steigend, trotz kalkulierter Einbußen wie bei Terrorwarnungen jüngst in London oder durch verschärfte Sicherheitsvorkehrungen wie dem aktuellen Flüssigkeitsverbot im Handgepäck. Fluggäste – im vergangenen Jahr waren es europaweit 500 Millionen – zählen zu den attraktivsten Käuferschichten. In München verfügt ein Fluggast über ein durchschnittliches Netlifestyle go sixt 89


GO Lifestyle Kaufhaus-Fluchten am Singapur-

»Der Boss-Shop am ­Airport verkauft mehr Anzüge als die­ Filialen in der Münchner Innenstadt.« toeinkommen von 3.650 Euro. Besonders im Visier sind Reisende aus dem Ausland. Allein Terminal 2 durchlaufen 46 Prozent Umsteigepassagiere. Und gängige Klischees werden von der Shoppingwirklichkeit rasant bestätigt. Nordamerikaner kaufen dabei doppelt so viel wie Europäer, Asiaten bringen es auf viermal und Russen bringen es gar auf sechsmal so viel Umsatz. „Da werden bei Hermès gleich zehn Seidentücher à 250 Euro auf einmal gekauft oder bei Nike vier Paar Turnschuhe“, weiß Simone Lápossy vom Münchner Center-Management. „Einmal wurde“, erinnert sie sich, „ein Juwelier in nur einer Stunde komplett leergekauft. Der machte seinen Jahresumsatz an nur einem Vormittag.“ Anfangs fragte man sich beim Management, ob man im Boss-Sortiment überhaupt Anzüge anbieten sollte. Die Antwort gibt der Markt: Im Jahr werden hier rund 3.600 Anzüge verkauft, mehr als in den Innenstadt-Filialen von Boss. Leute auf Geschäftsreise erledigen am Flughafen gezielt ihre Einkäufe.

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ie haben keine Lust, ihre geringe Freizeit zu Hause mit Einkäufen zu vergeuden. Oder sie haben eben Zeit, weil sich ihr Weiterflug verzögert. Und dann wären da noch die vielen Touristen, die extra lange vor dem Abflug kommen, um in Ruhe shoppen zu können. Sie bringen sich schon mal mit einer neuen Sonnenbrille in Urlaubslaune. Dabei glauben immer noch viele Kunden, das Einkaufen am Flughafen sei teurer. Einer Untersuchung des TÜVs Rheinland zufolge werden an Flughäfen jedoch 90 Prozent der Produkte aus den Bereichen Parfum, Kosmetika und Spirituosen billiger angeboten als im inländischen Einzelhandel. Selbst die „Travel Value“Shops, die seit 1999 anstelle der Duty-free-Läden eröffnet wurden, sind günstiger. Die Preisnachlässe beruhen aber nicht mehr auf Steuerbefreiungen im zollfreien Handel, sondern auf einem Abkommen zwischen Herstellern, Händlern und Flughafenbetreibern. Alle drei verzichten auf einen Teil ihrer Gewinne und geben den Preisvorteil an ihre Kunden weiter. „Weil an Flughäfen Waren in großen Mengen verkauft werden, funktioniert diese Kooperation“, erläutert Christian Breitzke vom Deutschen Travel-Retail-Verband. „Das Geheimnis des Erfolges ist“, so Center-Managerin Inge Vogt in München, „dass es Spaß macht, hier einzukaufen. Weil wir Erlebniswelten für unsere Kunden schaffen.“ Das Münchner Modell findet inzwischen in Deutschland Nachahmer. Um den Düsseldorfer Flughafen werden bis 2015 auf 23 Hektar in direkter Anbindung an die Terminals ein Büro- und Businesspark, Einkaufscenter, 90 go sixt lifestyle

Airport Changi: „Frische Luft an Sauerstoffbars tanken.“

supermärkte zum relaxen Internationale Flughäfen wie Amsterdam, Dubai oder Singapur machen es vor: Airports werden zu Minicitys mit Museen, Beauty-Spas sowie Kauf- und Krankenhäusern Lounge-Club am Dubai-Airport: acht Dollar pro Stunde für Workout, Dampfbad und Massagen.


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angstreckenflüge sind eine Tortur: Man sitzt lange eingeklemmt auf engstem Raum, die Beine sind steif, der Rücken schmerzt. Der sehnlichste Wunsch: an­ kommen, eine heiße Dusche nehmen und auf einem Bett ausstrecken. Aber vor dem Ankommen in Australien, Süd­ ostasien und Lateinamerika kommt noch der mehrstündi­ ge Zwischenstopp auf einem ungemütlichen Flughafen. Doch damit ist es immer öfter vorbei. Internationale Flughafenbe­ treiber haben inzwischen auf­ gerüstet. Frequent Traveller freuen sich auf Zwischen­ stopps in Dubai, Singapur, Amsterdam oder Madrid. Die­ se vier Airports warten mit lu­ xuriösen Annehmlichkeiten auf: Kinos, Theater, Museum, Shoppingpassagen, Oasen der Ruhe und Entspannung an Pools und in Gärten sowie Restaurants, in denen Delikatessen des Landes kredenzt werden. Einer Umfrage der Internationalen Flug-Transport-Verei­ nigung Iata zufolge, ist der Changi-Airport in Singapur der beliebteste Flughafen der Welt. Gut zu wissen, wenn man dort nach gut zwölf Stunden Flug aus Frankfurt ankommt. Bereits an der Passkontrolle wird man in Changi mit Gra­ tisfruchtbonbons und einem zauberhaften Lächeln be­ grüßt. Frische Luft kann man an einer der unzähligen Sau­ erstoffbars tanken. Man entspannt im Massagesalon. In einem der drei Open-Air-Pools auf dem Dach von Terminal 1 kann man seine Bahnen ziehen oder mit einem Cocktail in der Hand im Whirlpool relaxen. Danach wandelt man er­ holt durch Bambus-, Kaktus- oder Orchideengärten oder lauscht einem Violinkonzert im Abflugbereich. In Ruhezo­ nen kann man in einem zur Liege ausklappbaren Lederses­ sel namens Snooze Chair schlafen und dabei über Kopfhö­ rer Sphärenklängen oder Wasserplätschern lauschen. In die Changi-Airport-Malls locken unter anderem die Mar­ ken Bally, Dunhill, Ferragamo, Boss und Gucci. Ein täglich aktualisierter News­letter informiert Reisende über AirportSchnäppchen. Der Orient liebt es noch üppiger. Palmen aus echtem Gold säumen den Weg in das Shopping-Paradies von Du­ bai International Airport. Allein die über 5.400 Quadratme­ ter großen Duty-free-Shops sind eine Reise in das Emirat wert: Im letzten Jahr wurden hier über 500 Millionen USDollar Umsatz gemacht, nun peilt man die Milliardengrenze an. Diamanten, Gold, Juwelen – am Flughafen in Dubai gibt es alles zu kaufen. Auch Autos wie einen S500 von Merce­ des oder einen Porsche Carrera. Vielflieger schätzen das Sportangebot im „G-Force Health Club“ im Sheikh-RashidTerminal. Für den Fitnessraum, die Pools, Jacuzzis, Sauna,

Dampfbad und Massagen zahlt man acht Dollar Eintritt pro Stunde. Für das leibliche Wohl sorgen 25 verschiedene Re­ staurants mit chinesischer, indischer, mongolischer und französischer Küche plus Irish Pub und McDonald’s. Die Mischung macht‘s. Die Berliner Eventmanagerin Petra Winter schwärmt von Madrid. Sie legt ihre Südamerika-Flüge grundsätzlich so, dass sie auf dem Rückweg nach elf Stunden Flug in Madrid Zwischenstopp machen kann. Über den Flughafen Barajas wird ein Viertel aller transatlantischen Flüge abgefertigt, mit den gerade fertiggestellten Terminals T4 und T4S soll Madrid zu Europas größtem Sprungbrett nach Lateiname­ rika werden. 6,2 Milliarden Euro kostete der Neubau, viel Geld floss in den ein Kilometer langen Terminal 4 mit seinen Luxusboutiquen und einem Beauty-Spa. Man wandelt un­ ter einer luftigen Deckenkonstruktion aus Bambuslamel­ len, Sonnenlicht flutet durch haushohe Glasflächen. Die Geschäfte von Mango und Zara sind so groß wie Kaufhäu­ ser. „Früher nutzte ich meine Zwischenlandung für eine Stadttour, heute brauche ich vier Stunden, um alle schi­ cken Geschäfte im Terminal gesehen zu haben“, sagt ­Pe­­tra Winter. Vorbild für deutsche Flughafen-Visionen in Düsseldorf und Berlin-Schönefeld ist Amsterdam Schiphol. Hier wurde erstmals in Europa das Konzept einer Airport City verwirk­ licht. Um den Flughafen herum ist eine kleine Stadt ent­ standen mit Büros, Wohnungen, Hotels und einem Kran­ kenhaus. Es gibt ein eigenes Museum mit Rembrandt -Werken. Der Flughafenchef firmiert als „Herr Bürger­ meister“. Die Shoppingpassagen sind 365 Tage im Jahr von 7 bis 22 Uhr geöffnet. Esprit, Mexx oder H&M (ihr ein­ ziger Airport-Shop der Welt) locken täglich tausende Kun­ den an – auch viele aus Amsterdam und Umgebung. Holland ist dem Traum vom lebendigen Flughafen als urbaner Le­ bensmittelpunkt, eben einer Airport-City, schon sehr nahe LEONHARD PRINZ gekommen.

Changi-Airport Singapur: in einem der drei Open-Air-Pools auf dem Dach von Terminal 1 relaxen.


Internationaler Kaufrausch: „Da werden bei Hermès gleich zehn Seidentücher à 250 Euro gekauft.“

ein Kongresszentrum sowie ein Luxushotel entstehen. In Flugsteig B sollen demnächst Golfer auf einer Driving-Range ihr Handicap verbessern können. Auch um den Flughafen Berlin-Schönefeld, der bis 2011 vor den Toren der Hauptstadt neu gebaut wird, soll eine eigene Shopping- und Erlebniswelt entstehen.

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lughäfen, die schon jetzt an ihre natürlichen (baulichen) Grenzen stoßen, müssen durch geschickte Neu- und Umbauten auf alter Fläche den neuen Bedürfnissen und Trends ihrer Passagiere gerecht werden. Wie das funktionieren kann, zeigt Frankfurt: Kürzlich wurde ein 1.240 Quadratmeter großer „Shopping-Boulevard“ eingeweiht. Dunkler Holzfußboden und polierte Steinwände sorgen für eine gediegene Anmutung. Die Herrenausstatter SØR und Boss zum Beispiel sowie die Lederwarenmarke Tumi statten hier überwiegend Frequent Traveller aus. In der „Shopping-Avenue“ locken Nike und Starbucks eher die jungen Käufer. Insgesamt kann Frankfurt derzeit mit 14.500 Quadratmetern Einzelhandelsfläche aufwarten, 2012 sollen es 27.000 sein, mit dem neuen Terminal 3 könnten es leicht 42.000 Quadratmeter werden (Euro-

pas größtes Kaufhaus, das KaDeWe in Berlin, bringt es auf 60.000). „Wir sind ein kleines, aber hochwertiges Einkaufszentrum“, sagt ein Frankfurter Fraport-Manager: „Pro Quadratmeter setzen wir mehr um als die Goethestraße, Frankfurts teuerste Einkaufsmeile.“ Den anderen, vom Platz her kleineren Flughäfen in Deutschland, bleibt da nur die Möglichkeit, mit Entertainment-Programmen und kulinarischen Köstlichkeiten den Innenstädten im Kampf um kaufkräftige Kunden Konkurrenz zu machen. Da gibt es so ausgefallene Sachen wie afrikanische Trommelseminare, Christkindlmärkte, Beachvolleyball-Turniere, StabhochsprungWettbewerbe, Modenschauen oder ein Dixieland-Festival, im Hamburger Flughafen kann man ein ausgedientes Charterterminal für Veranstaltungen mieten. Aus dem Vollen schöpfen kann dagegen München mit dem gläsernen Terminal 2. „Die Architekten haben hier von Anfang an großzügige Flächen für Shopping-Zonen eingeplant und sie nicht erst hinterher schaffen müssen“, sagt Inge Vogt. Die 42-Jährige leitet am Münchner Flughafen das Center-Management. Sie ist dafür verantwortlich, welche Geschäfte in München eröffnen dürfen und wo sie liegen. Denn die Mischung macht’s: Escada möchte nicht neben Beate Uhse liegen, das Luxuslabel Hermès nicht neben der Dessousmarke La Perla. Wer über den Flughafen flaniert, soll sich fühlen wie auf einer mondänen Einkaufsmeile in Paris oder London. Dabei mischt sich Inge Vogt auch schon mal bei der Gestaltung der Schaufenster ein. Als Testkundin prüft sie Preise und Freundlichkeit des Personals. Mitunter soll es vorgekommen sein, dass ein Geschäft wieder schließen musste, weil es ihren Anforderungen nicht genügte – immerhin ist das CenterManagement bis zu 25 Prozent am Umsatz beteiligt. Mehr als 130 Geschäfte gibt es am Münchner Flughafen: Bogner, Bvlgari, Boss, Escada, Hermès, René Lezard, La Perla, Esprit,

Edelshop-Management: Luxuslabel Hermès möchte nicht neben der Bade- und Dessousmode La Perla liegen.



GO Lifestyle

Top5

Meistverkaufte Artikel: Das „Gucci II“, Eau de Parfum, 30 Euro, ist der Hit am Airport München. Seine Note: asiatische Eleganz, blumigfruchtiger Duft.

1. Gucci II Eau-de-Parfum 2. Versace Krawatten 3. Dallmayr Rostbratwürste 4. Milka Vollmilch 5. Haribo Goldbären EdP 50 ml [53.676 Flakons]

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Teuerste Artikel: Das Vertu-Handy ist aus 18 Karat Gelbgold und mit Diamanten besetzt. Die Telefonminute kostet nicht mehr.

1. Vertu Handy 2. Rolex Uhr 3. Remy Martin Cognac 4. Bvlgari Bzero Ring 5. Hermès Damenblouson [26.200 Euro]

Lady Datejust Pearlmaster, 18 Kt [24.200 Euro]

Louis XIII mit 1,35 Ct Diamant [6.400 Euro]

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94 go sixt lifestyle

Marc O‘Polo, Goertz, Timberland, Benetton und, und, und – die Liste liest sich wie das Who is who der Luxusmarkenartikler. Die meisten Geschäfte schicken ihren Kunden die Waren sogar nach Hause, weil die oft keine Lust haben, ihre Shoppingtüten zu schleppen – oder weil jüngst geänderte Sicherheitsbestimmungen zu großes Handgepäck verbieten. Das Beste aber: Alle Läden sind an sieben Tagen der Woche zwischen 7.30 und 21 Uhr für die Kunden geöffnet – damit ist Shopping am Flughafen nicht nur für Reisende attraktiv. Auch die rund 25.000 Angestellten sowie Anwohner aus dem Umland nutzen den Flughafen für ihre Einkäufe. Und wenn erst mal der Transrapid ab 2009 die Menschen aus der Innenstadt binnen zehn Minuten zum Einkaufs- und Erlebnispark Flughafen bringt, gibt‘s kein Halten mehr. Dann verwirklicht sich vielleicht auch ein langgehegter Traum der emsigen Center-Managerin Inge Vogt: „Ich hätte gern eine Marke wie H&M am Flughafen.“ Und auch das schwedische Bekleidungshaus hätte gern eine Filiale dort: „Doch leider sind die Flächen, die es zurzeit gibt, zu klein für uns“, sagt Henrik Alpen von H&M: „Zwischen 500 und 3.000 Quadratmeter müssten es für uns schon sein.“

»Ab 2009 bringt der ­Transrapid die Münchner ­­ in zehn Minuten von der ­­City zum Einkaufs- und­ ­Erlebnis­park Flughafen.« Nicht nur nach einem langen Einkaufsbummel hat man sich am Flughafen München Erholung verdient. Für 22 Euro Eintritt kann man den Wellnessbereich des 5-SterneKempinski-Hotels mit Schwimmbad, Sauna und Fitnessoase nutzen. Gediegene Speisen in teilweise funktionalem Airport-Ambiente bietet das „Hofbräuhaus“ mit bayerischen Schmankerln. Feiner geht es bei „Feinkost-Käfer“ zu. Das Asia-Restaurant „Mangostin“ mit Sushi-Box und WokNoodle-Bar ist über Münchens Grenzen hinaus bekannt. Speisen werden mit einem Lotosblatt und Stäbchen serviert. Im „Airbräu“ gibt es selbst gebrautes Bier, man sitzt unter echten Bäumen wie in einem Originalbiergarten. An der Döner-Bude im Ankunftsbereich von Terminal 2 speisen Manager neben Vorfeldloadern. Viele Umsteiger mit vier Stunden Aufenthalt fahren gar nicht erst mit der SBahn in die Münchner Innenstadt – weil es am Flughafen doch viel schöner ist und das Angebot billiger und vielfältiger. Die Airport-Zukunft mit Kaufhaus- und Erlebniswelten hat schon begonnen. Die Drehscheiben der Airliner werden sich künftig noch stärker zu Lifestyle-Happenings der Wellness- und Lounge-Gesellschaft entwickeln. Direkt am Gate für Amerikaflüge, befindet sich die Bäckerei „Aran“. Zwischen Texanern mit Tirolerhüten und Kalifornierinnen im Dirndl freut sich Filmkomponist ­Georg Röder über seine neuen Wildlederschuhe von Boss, während Ehefrau Katja in eine Scheibe Graubrot beißt, ihre vorerst letzte Erinnerung an Good old German bread, bevor die beiden dann um 11.05 Uhr an Bord eines Airbus A340 das Shopping- und Erlebniscenter München über die angeschlossene Startbahn verlassen. Der Abgang sitzt.



GO

grandiose verklemmungen

audible

Jan Josef Liefers

„Dr. Sex“ von T. C. Boyle. 4 CDs, Spielzeit 325 Minuten. Der Hörverlag, 19,95 EURO

D V d -T i pp

Daniel kehlmann: so schön kann warten sein

Ringelnatz: einfach hören und schmunzeln

ie viel Zeit man sinnlos vergeudet, wird einem bewusst, wenn Bestseller-Autor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) von David Mahler erzählt: Der Physiker glaubt, die Formel für Zeit gefunden zu haben. Er will Kollege Valentinov davon berichten, seltsame Zufälle aber verhindern alle Treffen. Mahler wird von dunklen Mächten verfolgt, die Zeit zu seinem Feind. Das richtige Hörbuch für Stopand-go-Strecken. Man wünscht, dass die Fahrt erst endet, wenn auch Mahlers Zeit abgelaufen ist.

ar einmal ein Bumerang / War ein wenig zu lang / Bumerang flog ein Stück / Aber kam nicht mehr zurück / Publikum, noch stundenlang, / Wartete auf Bumerang.“ Dies ist eines von tausenden Gedichten, mit denen Joachim Ringelnatz die Welt verzückt. Und wenn Satiriker Robert Gernhardt (†) sie mit seiner pointierten Stimme vorliest, hört man jede Spitzfindigkeit auf das Köstlichste heraus. Ein herrlicher Hörtrip mit allen Ringelnatz-Klassikern (z. B. „Vom Seemann Kuttel Daddeldu“).

W

W

„Mahlers Zeit“ geschrieben

„Warten auf den Bumerang“ von

und gelesen von Daniel

Joachim Ringelnatz, 1 CD,

Kehlmann, 3 CDs, Spielzeit 4

Spielzeit 74 Minuten. Deutsche

Stunden. Roof Music, 19,90 EURO

Grammophon, 11,49 EURO

96 go sixt audible

„Match Point“, Spielzeit 119 Minuten, Paramount Collection, 17,99 EURO

londoner neurosen

T

enniscoach Chris hat in einem englischen Nobelclub nur die Reichsten der Reichen als Kunden. Als er sich mit Millionärssohn Tom anfreundet, wird er Teil dieser Glamourwelt. Tom stellt ihm seine Schwester Chloe vor, sie werden ein Paar. Chloe liebt Chris, der aber hat schon ein Auge auf Toms Verlobte geworfen ... Mit „Match Point“ hat Woody Allen fortgesetzt, was er einst mit seinem New Yorker „Stadtneurotiker“ begonnen hatte: eine Story über die Irrungen und Wirrungen der Liebe und schwarze Komödie in einem. Tatort: London – mit einer atemberaubend anmutigen Scarlett Johansson („Lost in Translation“).

Foto: PR

E

r schreibt poetisch wie ein Engel und zynisch wie der Teufel“, urteilt die Süddeutsche Zeitung über T. C. Boyle, Amerikas besten Schriftsteller der Gegenwart. Er und Jan Josef Liefers, der Amerikaner und der „Tatort“-Pathologe aus Münster, lieben schwarzen Humor und sprechen genauso detailverliebt wie überspitzt – und sehen sich dank Bart und intensivem Blick auch noch verdammt ähnlich. Egal, „Dr. Sex“ ist ein Fest für die Ohren. Ein fanatischer und skrupelloser Professor der Zoologie erforscht die „sexuellen Gepflogenheiten des menschlichen Säugetiers“ und animiert einen Studenten zu Sexperimenten. Der beginnt zunächst damit, bei sich selbst Maß zu nehmen, später bezieht er in fremden Schlafzimmerschränken Stellung und will – streng im Dienste der Wissenschaft, versteht sich – seine Frau für ein Experiment eintauschen. Das Vorbild, der wahre Dr. Kinsey, verfasste in den 40er Jahren den berühmten Kinsey-Report über das sexuelle Verhalten von Mann und Frau und löste damit im prüden Amerika einen Jahrhundert-Skandal aus. Boyle schuf aus der Geschichte einen grandiosen Sittenspiegel sexueller Verklemmungen und Neurosen. Liefers setzt dem ganzen die akustische Krone auf: Er trifft genau die Stimmung dieser äußerst spannenden Zeit, die mit einer sexuellen Revolution und der Befreiung des Protagonisten endet. ljp



GO Audible

nahe am göttlichen

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nter seiner blauen Jacke wölbt sich ein Bäuchlein; gestützt auf einen Hirtenstock guckt der Held unterm Schlapphut schmunzelnd aus der Wäsche: Wanderer und Tagebuch-Autor Hape Kerkeling. Doch diesmal veralbert der Komödiant nicht Tausende von Pilgern, die sich jedes Jahr 800 Kilometer durch Frankreich und Spanien zum Grab des Heiligen Jacob in Santiago de Compostela aufmachen. Der einzige, der hier auf die Schippe genommen wird, ist Kerkeling selbst. Nach einem Hörsturz 2001 hatte ihm sein Arzt Bewegung und frische Luft verordnet. „Ich bin dann mal weg. Viel mehr habe ich meinen Freunden nicht gesagt.“ So geht es los, das Hörbuch. Und so geht es weiter mit flockig vorgetragenen Wander-Einsichten, die ironisch und komisch daherkommen, aber immer auch nachhaltige Gedanken über Spiritualität und Seinsfragen sind. Und so geht es weiter, mit Einsichten, die zunächst als ironisch und komisch klingen, aber doch einen ernsten Hintergrund haben: „Auf meinem Rücken leuchtet ein elf Kilo schwerer, knallroter Rucksack: Damit man mich aus der Luft orten kann, wenn ich bäuchlings neben der Strecke liege.“ So schleppt sich der Comedian über Berge und durch ausgetrocknete Flußbecken. Am Ende findet er, was er suchte: „Es sind viele Erkenntnisse, die mich mir und dem Göttlichen näher gebracht haben.“ Ein abenteuerlustiges Pilgertagebuch. ljp Hape Kerkeling

„Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling, spielzeit 448 Minuten. Roof Music, 24,90 EURO

D V D -T i pp

„Inside Man“, Spielzeit 124 Minuten, Universal, 21,95 EURO

Enzensberger: matheNachhilfe beim fahren

or über 120 Jahren bereiste Mark Twain Europa. Die Gestalten, denen er damals begegnete, wirken wie aus heutigen Tagen. Twains Anekdoten aus Italien und der Schweiz provozieren atemloses Auflachen am Steuer. Twain macht sich über Gletscherwanderungen, jodelnde Eidgenossen oder verlauste Pensionsbetten lustig. „Ich bin überzeugt, dass ein begabter Mensch Englisch in 30 Stunden, Französisch in 30 Tagen und Deutsch in 30 Jahren lernen kann,“ nimmt er unsere Sprache aufs Korn.

m Stadtverkehr Wurzeln ziehen, Brüche über Brücken rechnen und dabei mit Kind und Kegel die Kilometer auf dem Weg in die Ferien hinter sich lassen – lange Autofahrten mit Kindern und Mathe-Nachhilfe lassen sich verbinden, wenn der „Zahlenteufel“ mitfährt. In neun Kapiteln beweist er dem kleinen Robert, dass die Welt der Zahlen aus Experimenten, Rätseln und Zaubertricks besteht. Er erzählt von dreieckigen Zahlen oder wie man mit ihnen hopst. Und keiner zählt mehr die Kilometer bis zum Ziel.

„Bummel durch Europa“ von

„Der Zahlenteufel“ von Hans

Mark Twain, gelesen von Rufus

Magnus Enzensberger, 2 CDs,

Beck. 2 CDs, Spielzeit 166 Minu-

Spielzeit 160 Minuten, ab 10 Jah-

ten. Der Hörverlag, 19,95 EURO

ren. Der Hörverlag, 12,95 EURO

V

98 go sixt audible

I

Ein genialer Coup

R

egisseur Spike Lee erzielte mit „Inside Man“ seinen größten Hit: Der New Yorker Detective Keith Frazier wird zu einem Bankraub in die Wall Street gerufen. Kein normaler Überfall: Die Räuber stellen keine Forderungen. Geiseln wie Geiselnehmer sind vermummt, nicht voneinander zu unterscheiden – inklusive mysteriöser Vermittlerin. Nach und nach entpuppt sich die Geiselnahme als persönlicher Kreuzzug. Ziel der Gangster ist nicht etwa Geld, sondern ... Bitte zuhören! Der Thriller liefert mit Denzel Washington, Clive Owen und Jodie Foster allerfeinstes Hollywood-Personal. Ein schnörkelloser Krimi. Spannung pur.

Foto: Picture-Alliance

mark twain: Atemloses auflachen am steuer



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11.08.2006

17:12 Uhr

Seite 1

Stell dir vor: Mit MP3reedom teilst du deine Beats. Es ist so weit. Erlebe den ersten MP3-Player mit integrierten Slide-out-Lautsprechern. Lasse die gesamte Welt an dem überragenden Sound teilhaben – egal wo du bist. Mit dem Samsung MP3-Player YP-K5 ist eben alles vorstellbar. imagine www.samsung.de

Motiv: Anz. MP3 K5

Träger: Go Sixt

Format: 200x 280

DU: 14.08

ET:


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