Re-Ruptur des vorderen Kreuzbandes und Ruptur des VKB auf der kontra-lateralen Seite
Autor: Pieter Keulen
MTC Pieter Keulen AG Seetalstrasse 11, 6020 EmmenbrĂźcke Schweiz Tel. 0041 +41 260 68 68 info@mtc.ch www.mtc.ch
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Re-Ruptur des vorderen Kreuzbandes und Ruptur des VKB auf der kontra-lateralen Seite Ein vorderer Kreuzbandriss ist für jede davon betroffene Person, insbesondere für Sportler, eine langwierige Verletzung. Eine eventuelle Operation, die lange Rehabilitation und die mentale Belastung verlangen den Betroffenen einiges ab. Es kommt aber auch vor, dass das Kreuzband erneut reisst – und das nicht nur am frisch operierten Knie, sondern auch das andere Knie, die kontra-laterale Seite kann betroffen sein. Dies kommt sogar häufiger vor als man denkt. Ich bin auf die Suche danach gegangen, wie oft ein erneuter Kreuzbandriss nun wirklich stattfindet. Das Ergebnis hat mich selber auch überrascht. In meinen Nachforschungen habe ich versucht herauszufinden: A. Wie oft findet ein erneuter Riss des VKB, eine Re-Ruptur statt? B. Was sind die Ursachen dafür? C. Gibt es Lösungen? Zuerst möchte ich gerne an einigen Studien analysieren und diese entsprechend zusammenfassen, um eine Antwort darauf zu bekommen, wie regelmässig nun eine Re-Ruptur oder eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) auf der kontra-lateralen Seite passiert.
Studie 1. Quelle: Link:
http://www.howardluksmd.com http://www.howardluksmd.com/knee-common-injuries/acl-knee/how-long-does-it-take-torecover-from-acl-surgery/ Autor: Howard J.LUKS. MD Zusammenfassung: - VKB-Rupturen finden meistens ohne gegnerische Einwirkung statt. - VKB-Rupturen finden meistens mit einer Rotationsbewegung im Kniegelenk statt. - Es ist noch unklar, welche Auswirkung eine solche Verletzung auf der mentalen und emotionalen Ebene hat.
Studie 2. Quelle: Link: Titel:
British Journal of Sports Medicine http://bjsm.bmj.com/content/early/2017/02/22/bjsports-2016-096836 Eighty-three per cent of elite athletes return to preinjury sport after anterior cruciate ligament reconstruction: a systematic review with meta-analysis of return to sport rates, graft rupture rates and performance outcomes. Autoren: Courtney C H Lai, Clare L. Ardern, Julian A Feller, Kate E Webster Zusammenfassung: - Bei Top Sportlern liegt die „Return to Sports“-Rate (RTS; dies bedeutet, wieder auf das Niveau vor der Operation zurück gekommen zu sein) im Durchschnitt bei 83% (Bandbreite 77% - 88%). - Bei Breiten- und Hobbysportlern liegt die Rate des RTS bei 60%.
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Zeit, die Top Sportler benötigen, um wieder voll wettkampffähig zu sein, liegt zwischen 6 und 12 Monaten. Die körperlichen Voraussetzungen (bessere Propriozeption, ausgeprägtere motorische Fähigkeiten wie Kraft usw.), die psychologischen und sozialen Unterschiede sind Ursachen dafür, dass Top Sportler aller Wahrscheinlichkeit nach schneller wieder wettkampffähig sind als Breiten- und Hobbysportler. In 15 Studien sind die Zeitpunkte betr. RTS untersucht worden. Es waren sehr unterschiedliche Angaben: In einer Studie lag der RTS-Zeitpunkt innerhalb der ersten 6 Monate, in sechs Studien lag er zwischen 6 und 9 Monaten, weitere sechs Studien gaben ihn zwischen 9 und 12 Monaten an und zwei Studien zwischen 12 und 13 Monaten. 1/5 der Top Sportler kommt nach der Operation nicht wieder auf das Niveau vor der Operation zurück. Es ist noch nicht bekannt, ob ein schneller RTS bei Top Sportlern auch wirklich besser ist, als ein langsamer Einstieg.
Studie 3. Quelle: Link: Titel:
The American Journal of Sport Medicine http://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0363546513517540 Younger Patients Are at Increased Risk for Graft Rupture and Contralateral Injury After Anterior Cruciate Ligament Reconstruction. First Published January 22, 2014 Autoren: Kate E. Webster, Julian A. Feller, Warren B. Leigh, Anneka K. Richmond Zusammenfassung: - 750 junge Patienten (jünger als 20 Jahre) wurden während eines Zeitraumes von minimal 3 Jahren untersucht; Feedback von 561 Patienten (=75%) während einer durchschnittlichen Zeit von 4 Jahren: - 25 Patienten erlitten eine Re-Ruptur (4,5 %). - 42 Patienten erlitten eine kontra-laterale VKB-Ruptur (7,5 %). - Patienten, die am Tag der Operation jünger als 20 Jahre waren, erlitten in 29% der Fälle eine Re-Ruptur in einem der beiden Kniegelenke. - Sportler, jünger als 20 Jahre, haben also ein klares erhöhtes Risiko für eine Re-Ruptur.
Studie 4. Quelle:
Australian Institute of Musculoskeletal Research and the School of Physiotherapy, University of Sydney (K.R.), Sydney, Australia Link: http://www.arthroscopyjournal.org/article/S0749-8063(05)00554-2/abstract?cc=y= Titel: Incidence and Risk Factors for Graft Rupture and Contralateral Rupture after Anterior Cruciate Ligament Reconstruction. Autoren: Lucy Salmon, Vivianne Russell, Tim Musgrove, Leo Pinczewski, Kathryn Refshauge Zusammenfassung: Ziel ihrer Studie war es, während eines Zeitraumes von 5 Jahren zu sehen, wie gross die Chance auf eine Re-Ruptur bei bestehendem VKB-Transplantat sowie die Risikogefahr für eine VKB- Ruptur auf der kontra-lateralen Seite ist: 316 Patienten mit einer Patellarsehnen-Operationstechnik wurden untersucht. 427 Patienten mit einem Transplantat der Hamstringssehne wurden untersucht. - Bei 39 Patienten (6%) fand eine Re-Ruptur im operierten Knie statt. - Bei 35 Patienten (5%) fand eine Ruptur auf der kontra-lateralen Seite statt. - Das grösste Re-Ruptur-Risiko fand innerhalb von 12 Monaten nach der ersten Operation statt.
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Die durchschnittliche Zeit, eine Re-Ruptur des VKB zu erleiden, liegt bei der PatellarsehnenOperationstechnik bei 24.1 Monaten. Die durchschnittliche Zeit, eine Re-Ruptur des VKB zu erleiden, liegt mit einem Transplantat der Hamstringssehne bei 19.3 Monaten. Die durchschnittliche Zeit, eine Ruptur des VKB auf der kontra-lateralen Seite zu erleiden, liegt bei der Patellarsehnen-Operationstechnik bei 34.5 Monaten. Die durchschnittliche Zeit, eine Ruptur des VKB auf der kontra-lateralen Seite zu erleiden, liegt mit einem Transplantat der Hamstringssehne bei 28.2 Monaten. Wiederholte VKB-Rupturen fanden bei 12 % der Patienten während eines Zeitraumes von 5 Jahren statt.
Studie 5. Quelle: http://www.drdavidgeier.com Link: http://www.drdavidgeier.com/reinjury-more-likely-among-athletes-after-acl-surgery/ Titel: Reinjury more likely among athletes after ACL surgery. July 11, 2013 Zusammenfassung: - Die Chance einer Re-Ruptur ist über eine Periode von 24 Monaten gesehen, sechs Mal höher bei bereits operiertem VKB, als ohne Operation. - Weibliche Sportler haben eine 2x grössere Chance, eine VKB-Verletzung auf der kontra-lateralen Seite zu erleiden, als auf der bereits operierten Seite. - 30.4 % erlitten eine erneute VKB-Verletzung nach weniger als nach 20 Wettkampfeinsätzen. - 52.2% erlitten eine erneute VKB-Verletzung nach weniger als nach 72 Wettkampfeinsätzen. - Weibliche Sportler haben nach einer VKB-Operation ein 4x höheres Risiko gegenüber ihren Kolleginnen innerhalb von 24 Monaten eine erneute VKB-Verletzung zu erleiden.
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Studie 6. Quelle: Link: Titel:
Sports Medicine, Arthroscopy, Rehabilitation, Therapy & Technology 2012 http://www.biomedcentral.com/1758-2555/4/46 Contralateral anterior cruciate ligament injury after anterior cruciate ligament reconstruction: a case controlled study. Autoren: Junsuke Nakase, Hiroyuki Tsuchiya and Katsuhiko Kitaoka Zusammenfassung: - Die Autoren haben 24 Patienten mit kontra-lateralen VKB-Verletzungen nach vorbestehender VKBOperation analysiert. - VKB-Verletzungen kommen in 1.5 – 1.7% im Sport vor. - 70% der Patienten haben sich in ähnlichen (Sport)-Situationen verletzt wie beim bereits operierten Knie. - Die durchschnittliche Zeit von der ersten Rekonstruktion bis zur kontra-lateralen Verletzung betrug 22.5 Monaten. Diverse Autoren stellten Folgendes fest: Souryal: Stellte fest, dass 4.1% der untersuchten Personen nach vorbestehender VKB-Operation eine Verletzung des VKB im kontra-lateralen Knie erlitten. Salmon: In einer Untersuchung während 5 Jahren stellte man fest, dass nach vorbestehender VKBOperation 5.7% eine VKB-Ruptur im kontra-lateralen Knie erlitten. Wright: 2 Jahre nach vorbestehender VKB-Operation erlitten 3% eine VKB-Ruptur auf der kontralateralen Seite. Der gleiche Autor stellte fest, dass nach 5 Jahren das Risiko auf eine VKB-Ruptur auf der kontra-lateralen Seite bei 11.8% liegt. - Junge Sportler haben nach einer ersten VKB-Operation eine grössere Chance zum RTS als ältere Sportler. - Jüngere Sportler haben aber ein grösseres Risiko auf eine Re-Ruptur des VKB als ältere Sportler. - Betreffend den Operationsmethoden konnte man feststellen, dass mehr kontra-laterale Verletzungen bei der Patientengruppe mit Patellarsehne-Ersatz vorkamen, als bei denen nach VKB-Ersatz mit Hamstringssehne. - Es konnten bei Re-Rupturen und kontra-lateralen Rupturen keine Muskeldefizite und Laxität als Ursache festgestellt werden. Im Moment von RTS waren keine Defizite zu erkennen.
Studie 7. Quelle: Link: Titel:
J Bone Joint Surg 2011 Juni 15 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3110421/ Ipsilateral Graft and Contralateral ACL Rupture at Five Years or More Following ACL Reconstruction Autoren: Rick W.Wright, Robert A.Magnussen, Warren R.Dunn, Kurt P.Spindler Zusammenfassung: - Re-Rupturen im bereits operierte Knie kommen bei 5.8% (Bandbreite 1.8% bis 10.4%) vor. - Ruptur des VKB auf der kontra-lateralen Seite nach vorbestehender VKB-Operation auf einer Seite liegt bei 11.8%.
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Studie 8. Quelle: http://www.sgsm.ch Link: http://www.sgsm.ch/fileadmin/user_upload/Zeitschrift/60-2012-2/LCA_Vavken.pdf Titel: Nachbehandlungsschema und Return to Sports nach Kreuzbandplastik Autoren: Patrick Vavken, Patrick Sadoghi, Victor Valderrabano, Geert Pagenstert Zusammenfassung: - Die Autoren stellten fest, dass auf Grund einer 10-jährigen Langzeitstudie 25% der Sportler eine ReRuptur erlitten! - Die Autoren sind der Meinung, dass es wenig Raum für operative Verbesserungen gibt, dafür sehen sie viel Potential in der Rehabilitationsphase.
Gründe einer Re-Ruptur des VKB Die Zahlen aus diesen Studien sind ernüchternd und enttäuschend. Auffallend war bei der Recherchierung aus diesen Unterlagen, dass praktisch keine Studien Auskunft über die Ursachen einer Re-Rupturierung und der Ruptur des VKB auf der kontra-lateralen Seite geben können. Auf Grund meiner langjährigen persönlichen Erfahrungen, was die Rehabilitation nach VKB-Verletzungen betrifft, möchte ich diese Erkenntnisse betreffend einer oder mehrere Ursachen mit Ihnen teilen, wieso es zu einer erneuten Ruptur oder einer Verletzung auf der kontra-lateralen Seite kommen kann. Die unten erwähnten Faktoren sind „Practiced Evidenced Based“.
VKB-Operation – (Un)sinn? Orthopäden müssen sich überlegen, ob eine VKBOperation wirklich immer Sinn macht: Dekonditionierte, 35+ Personen, motorisch schwach geschulte und ängstliche Personen haben ein deutlich grösseres Risiko für eine Re-Rupturierung des VKB. Die erste Frage sollte deshalb lauten: „Ist eine Operation unumgänglich“ oder sollte man vorerst abwarten? Patienten und Sportler, die 3-4 Monate nach einer VKBVerletzung im Reha-Training sind und dort eine gute, aktive Stabilität ohne „Giving Way“ (Wegknicken des Kniegelenks) zeigen, bräuchte man nicht sofort zu operieren. Auch bei Personen, die „Low Intensity“-Sportarten ausüben (oder auch die, die gar keinen Sport ausüben!), also Sportarten ohne Sprints, Sprünge, Rotations-Bewegungsmustern und „Stop&Go“-Belastungen, sollte man sich gut überlegen, ob eine Operation wirklich notwendig ist.
Spezialist oder „Multi-Talent“ Immer noch gibt es Orthopäden, die neben Knien auch Schultern, Hüften oder andere Gelenke „mitoperieren“. Ich möchte nicht behaupten, dass die Operationen in der Orthopädie, die auch verschiedene andere Gelenken operiert, schlechter verlaufen, aber ein Orthopäde, der sich auf ein Gelenk spezialisiert hat oder der sogar nurauf die Operation von VKB konzentriert ist, ist aller Wahrscheinlichkeit nach die bessere Wahl für jeden Patienten.
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Überweisung zum Physiotherapeuten In der Schweiz, aber wahrscheinlich auch in vielen anderen Ländern weltweit, verläuft die Überweisung von Patienten/Sportlern über den Arzt. Dabei haben diese Personen dann die freie Wahl, welchen Physiotherapeuten sie sich aussuchen. Um einen VKB-Patienten optimal betreuen zu können, braucht es in der betreffende PhysiotherapiePraxis das nötige Know-How und die dazu notwendige Infrastruktur. Da, wo anfangs abschwellende Massnahmen und die Beweglichkeit im Fokus stehen, sollte in späteren Phasen das funktionelle Aufbautraining im Zentrum stehen. Viele Patienten aber landen in Physiotherapiepraxen, die für diese Therapie und Rehabilitation nicht eingerichtet sind oder den behandelnden PhysiotherapeutInnen fehlt schlichtweg die Erfahrung. Ärzte und Orthopäden sollten Patienten empfehlen dürfen, welche Therapie-Zentren sie für das optimale Aufbautraining vorschlagen. Und dies sollte von den Versicherungsgesellschaften mit unterstützt werden.
Testing „Return to Sports“ (RTS) Es gibt einige gute, funktionelle Tests um festzustellen, ob ein Sportler wieder wettkampffähig ist. Single leg jumps, „8er-Figur“ Sprungcircuit und diverse Schnelligkeitsparcours sind einige gute Tests. Der verletzte Sportler/Patient sollte dabei in Punkto Kraft, Sprunghöhe und Schnelligkeit nicht mehr als 10% Defizit vom operierten zum nicht operierten Kniegelenk haben, bevor diese Person wieder dann Wettkämpfe bestreitet. Wenn funktionelle Tests durchgeführt werden, sollten diese nachdem der Sportler bereits intensiv trainiert hat, stattfinden. Genau in dieser, „vor“ermüdeteten Situation kann der Physiotherapeut oder der Reha-Trainer schneller Defizite feststellen. Häufig werden Sportler direkt nach einer Aufwärmphase getestet, was wenig Sinn macht, da der Sportler nicht ermüdet ist und er eventuelle Defizite zu diesem Zeitpunkt meist noch richtig gut kompensieren kann. Wenn Sie also testen, dann tun Sie dies immer nach einem intensiven Training! Möchten Sie dazu mehr erfahren, dann lade ich Sie gerne ein, folgenden Artikel zu lesen, inklusive den dazugehörenden Videos: Sportverletzungen – Return to Sports – 5 wichtige Kriterien http://www.mtc.ch/blog/2015/04/sportverletzungen-return-to-sports-5-wichtige-kriterien/
Zeitpunkt RTS Leider werden von vielen Physiotherapeuten noch Behandlungsprotokolle und Nachbehandlungsschemen verwendet, in denen Zeitvorgaben stehen, wenn man was durchführen darf. Dies kann sicher als Unterstützung genutzt werden, jedoch ist dies, und sollte dies auch unbedingt, total abhängig vom jeweiligen Sportler/Patienten sein. Ob Sie es nun mit einem ängstlichen Patienten oder dem Gegenteil, einem übermotivierten Sportler zu tun haben, jede Situation ist und wird wieder anders sein. Manchmal braucht es einfach mehr Zeit, um optimal zu rehabilitieren. Deswegen sind diese allgemeinen Zeitangaben, nach 6-8 oder
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vielleicht nach 12 Monaten wieder einzusteigen, im Einzelfall wenig sinnvoll. Entscheidend ist, dass der Sportler/Patient alle möglichen Tests bestanden hat und sich 100% sicher fühlt, sodass der Wiedereinstieg wieder verantwortbar und möglich ist. Bemerkung Leistungssportler sind häufiger schneller wieder im Wettkampf zurück, Sie haben das in dieser Publikation lesen können. Was oft vergessen wird, ist der äussere Druck und der Einfluss diverser Interessen, die auf den Schultern der Sportler lasten können: Sponsoren, Verein, Fans und weitere Beteiligte im Umfeld des verletzten Sportlers können einen immens grossen Druck erzeugen, der den Sportler quasi dazu „zwingt“, wieder schneller auf dem Platz zu stehen.
Fortsetzung Kraft- und Konditionstraining Patienten erlernen in der Rehabilitation erneut, ihr Knie wieder funktionell zu belasten. Es wird mit dem methodischen Aufbau in den Bereichen Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer gezielt daran gearbeitet, wieder wettkampf- und/oder sportfähig zu sein. Sehr oft habe ich beobachtet, dass Breiten- und Hobbysportler, nachdem die Rehabilitation beendet ist, auch damit aufhören, weiterhin im Kraft-, Schnelligkeit- und Explosivbereich zu trainieren. Nach dem Ende der Rehabilitation passt sich der Körper und die Muskulatur entsprechend wieder an einen reduziert aktiven Alltag an, nach dem Prinzip „Use it, or lose it“. In den meisten Fällen bedeutet das dann eine Atrophie der Oberschenkel-Muskulatur und den Verlust der Explosivität und somit auch des so wichtigen Reaktions- und Antizipierungsvermögens. Meine Empfehlung für Patienten ist deshalb, das Training mindestens ein Jahr gezielt fortzusetzen. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass dies auch eine klare Reduzierung von Re-Rupturen und Rupturen auf der kontralateralen Seite geben wird. Bemerkung: Insbesondere intensives Krafttraining, plyometrische Trainingsformen (Sprungkrafttraining), neuromuskuläres Training sowie Schnelligkeits- und Reaktionstraining sind weiterhin gefragt.
Eisberg-Prinzip Das „Eisberg-Prinzip“ sagt etwas über den verletzten Sportler in seiner Totalität aus. Bei einem Eisberg sieht man auch oberhalb des Wassers einen kleinen Teil des Berges herausragen – der grösste Teil aber ist unterhalb des Wassers und ist nicht sofort erkennbar. Das was beim Sportler schnell zu sehen ist, sind die „tastbaren“ Dinge wie das Kniegelenk, die Reha, das Testing usw. Was man nicht sofort erkennen kann, ist „Wie geht der Sportler/Patient mit seinen Problem mental um!“ Regelmässig habe ich erlebt, dass nach einer Verletzung nicht das Knie das grosse Problem ist, sondern der Kopf…. Die vielen beteiligten Spezialisten kennen sich gut mit dem orthopädischen Teil der Rehabilitation aus, betreffend der Psychologie, dem Coachen eines Patienten und dem „mentalen Wiederheranführen“ des
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Sportlers, wieder volles Vertrauen in sein verletztes / operiertes Kniegelenk zu haben, wird in der Ausbildung kaum bis überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser Teil der Rehabilitation funktioniert mehr nach dem Prinzip „learning by doing“. Bemerkung - Patienten Zufriedenheit: In einer Studie von Clare L. Ardern, Annika Österberg, Sofi Sonesson,, Håkan Gauffin, Kate E. Webster, Joanna Kvist, ging es um die Frage “Wie zufrieden sind Patienten in der Altersgruppe zwischen 18 und 45 Jahren 12 Monate nach einer vordere Kreuzband-Operation?“ Das Resultat war unter den 177 teilnehmenden Personen so, dass 44% zufrieden waren, 28% waren meistens zufrieden und 28% der Teilnehmer waren unzufrieden. Man konnte feststellen, dass diese Personen, die den Einstieg in den Sport wieder auf ihrem präoperativem Niveau fanden, zufriedener waren, als diejenigen, die mit dem Einstieg in den Sport Mühe hatten. Möchten Sie zu dieser interessanten Studie mehr erfahren? Studien-Titel: “Satisfaction With Knee Function After Primary Anterior Cruciate Ligament Reconstruction Is Associated With Self-Efficacy, Quality of Life, and Returning to the Preinjury Physical Activity” Link: http://www.arthroscopyjournal.org/article/S0749-8063(16)00065-7/pdf
Leiter- oder Dreiecks-Prinzip Es gibt verschiedene Spezialisten, die sich am Reha-Prozess des Patienten beteiligen (Orthopäde, Hausarzt, Physiotherapeut). Mitentscheidend ist, wie diese Spezialisten miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation kann mittels des Leiter- oder dem Dreiecks-Prinzip stattfinden. Beim Leiter-Prinzip ist es so, dass alle beteiligten Spezialisten auf einer Leiter stehen. Das Problem durch das man auf einer Leiter steht ist, dass die Kommunikation nicht optimal laufen kann, da der oben Stehende nicht weiss was unten passiert und umgekehrt… Der Überblick fehlt. Der Patient selber klettert diese Leiter hoch und runter, und im schlimmsten Fall bekommt er von jeder beteiligten Person andere Informationen…. Im Dreiecks-Prinzip befindet sich der Patient in der Mitte und lässt sich von allen drei Spezialisten, die perfekt miteinander (auf Augenhöhe) kommunizieren können, optimal beraten. So sollte es sein. Die Ärzte sollten sich für das, was der Physiotherapeut macht, interessieren und der Physiotherapeut sollte wissen, welche Operationstechnik der Orthopäde verwendet hat und wie belastbar das operierte Knie wann ist. Glücklicherweise gibt es immer mehr Workshops und Symposien, bei denen Ärzte und Physiotherapeuten versuchen, ihre Erfahrungen gemeinsam zu besprechen und von denen der Patient profitieren könnte. Ich bin jedoch der Meinung, dass Physiotherapeuten in diesen Workshops und Symposien eine noch zu untergeordnete Rolle spielen.
Zum Schluss Die Zahlen aus diesen Studien sollten zu denken geben. Es gibt noch sehr viel Handlungsbedarf, was die optimale Behandlung nach einer Verletzung des vorderen Kreuzbands angeht. Ich habe versucht, Sie als Leser auf einige Defizite hinzuweisen und Ihnen zu vermitteln, welche einfachen und zielgerichteten Massnahmen für eine deutliche Besserung sorgen würden, um die Risikogefahr einer Re-Rupturierung des VKB zu reduzieren.
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Mein Tipp Mรถchten Sie betreffend des methodischen Aufbaus in der Rehabilitation aus Sicht der Sport-Physiotherapie mehr erfahren, dann empfehle ich Ihnen gerne die folgende Publikation: Rehabilitation bei Status nach vorderer Kreuzband-Operation. http://www.mtc.ch/publikationen.html
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Der Autor Pieter Keulen ist Inhaber des MTC (Medical Training Centers) in Emmenbrücke und Hochdorf. Als dipl. Sportlehrer hat er sich auf der Sportschule in Holland, Heerenveen, (CIOS) im Bereich Leichtathletik, Kraftund Konditionstraining sowie Volleyball spezialisiert. Daneben hat er die Fachhochschule für Physiotherapie in Groningen, Holland, absolviert und als dipl. Physiotherapeut abgeschlossen. Ein wesentlicher Schritt in seinem Lebenslauf war die Ausbildung an der „International Academy for Sportscience“ (IAS) und „International Institute for Training“, Holland. Praktische Erfahrungen als Sportphysiotherapeut, Kraftund Konditionstrainer hat er beim BTV Luzern NLA Frauenvolleyball, Schweizer Nationalmannschaft Herren Volleyball, Schweizer Nationalmannschaft Hallenhockey Frauen, Spono Nottwil Frauen NLA Handball gesammelt sowie durch die Betreuung diverser (Top)-Sportler (National und International) Daneben veröffentlichte er diverse Publikationen zum Thema Medizin, Fitness & Gesundheit im MTC-Blog (www.mtc.ch/blog) und er hat eine Kolumne „Gesundheits-Ratgeber“ in der Zeitung Sempacherwoche. National und international referiert er vor Physiotherapeuten, Trainern und Ärzten zu verschiedenen Themen im medizinischen Rehabilitations- und Gesundheitsbereich.
Kontakt MTC Pieter Keulen AG Seetalstrasse 11, 6020 Emmenbrücke Schweiz Tel. 0041 +41 260 68 68 info@mtc.ch www.mtc.ch
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