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Renate Dölling blickt zurück – und nach vorne
Jahrzehnte lang war Renate Dölling für die Gastronomie im Münsterland aktiv. Jetzt geht die Geschäftsführerin des Dehoga (Deutscher Hotel und Gaststättenverband) Münster und Münsterland nach 45 Jahren Arbeitsleben in den wohlverdienten Ruhestand – nicht ohne uns einen Blick zurück und einen letzten nach vorn zu gönnen.
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Wie sind Sie eigentlich zur Gastronomie und zum Dehoga gekommen?
Meine Eltern führten in Glandorf einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Gastwirtschaft und Kolonialwarengeschäft. Dort wurden Schützenfeste und Hochzeiten ausgerichtet. Nach meiner Ausbildung zur Hotelkauffrau war ich in Hannover bei einem Verein, der Fort – und Weiterbildungsmaßnahmen für das Hotel- und Gaststättengewerbe ausrichtete, beschäftigt. Doch dann kehrte ich der Liebe wegen zurück ins Münsterland – und leite hier seit 1987 zunächst die Geschäftsstelle Münster und seit 6 Jahren die Geschäftsstelle Münsterland des DEHOGA Westfalen e.V.
In der Zeit hat sich viel getan in der Gastronomie … Allerdings. Die Lokale und Betriebe und das Ausgehverhalten waren früher ganz anders. Es gab noch viele Landgasthöfe mit angeschlossenen Lebensmittelgeschäften oder Bäckereien oder dergl.. Über durchdachte gastronomische Konzepte hat sich damals niemand Gedanken gemacht. Dafür wurde noch am Tisch flambiert, Fisch filetiert etc.
Dafür wurde damals auch in der „gutbürgerlichen Küche“ noch viel mit Fertigprodukten gesündigt. Das ist heute besser, oder? Auf jeden Fall, das Spektrum ist ja auch viel breiter geworden, allein durch den vegetarischen Trend. Auch das Bewusstsein für Regionalität tut der Küche gut.
Gefeiert wird immer – denkste!
Sie mussten den Verband durch nicht wenige Krisen steuern… Ja schon, zum Beispiel das Rauchverbot mit seinen bekannten Folgen, wie vermehrter Lärmbelästigung. Aber eine Krise solchen Ausmaßes, wie Corona und die damit verbundenen Lockdowns hätte ich nie erwartet. „Gefeiert wird immer!“, habe ich früher immer gesagt – jetzt haben wir sehr schmerzhaft erfahren, dass das nicht so sicher ist.
Konnte die Gastronomie aus der Coronakrise auch etwas mitnehmen?
… vor allem die Erkenntnis, wie wichtig das Gastronomieangebot für die Attraktivität einer Stadt ist. Shoppen macht keinen Spaß, wenn ich nirgends einen Kaffee trinken kann, dass konnten wir einige Wochen lang erleben. Münsters Gastronomie ist verhältnismäßig unbeschadet aus der Krise hervorgegangen. Neben Kaffeetrinken gibt es ja, zumindest gefühlt, mehr gastronomische Angebote denn je in der Innenstadt. Oder täuscht das?
Da ist Münster, nach meinem Eindruck, schon eine Insel der Glückseligen. Der touristische Wert ist sehr hoch. Trotzdem muss die Stadt aufpassen, im Vergleich zu anderen Städten auch attraktiv zu bleiben und damit spiele ich auf die Erreichbarkeit an. Münster ist zwar eine Stadt der kurzen Wege, aber das Auto völlig zu verdammen, halte ich für einen falschen Weg. Außerdem sollten wir uns bemühen, bei Tagungen und Kongressen wieder auf den Stand vor Corona aufzuschließen. Die Kongressinitiative Münster, in der sich neben Münster Marketing 9 übergeordnete Institutionen zusammengeschlossen haben, ist da auf einem guten Weg.
Gastronachwuchs: Studienabbrecher!
Was würden Sie jungen Existenzgründern in der Gastronomie heute raten?
Man sollte sich über eines im Klaren sein: Gastronom zu werden ist nicht schwer, aber Gastronom zu bleiben dagegen schon. Früher verbrachte man
20 Prozent der Arbeitszeit im Büro und 80 Prozent bei den Gästen – heute ist es umgekehrt! Die Bürokratie ufert aus, beispielsweise durch umfangreiche Dokumentationspflichten. Aber: Mit einem guten Konzept, einem guten Standort und guter Qualität wird man heute auch Erfolg haben.
Und mit gutem Personal – aber da liegt aktuell wohl ein Kernproblem.
Es ist heute nicht mehr leicht, gute Mitarbeiter zu finden. Aus diesem Grund haben wir unsere Berufsausbildungsgänge neu geordnet, aktualisiert und attraktiver gemacht. Neue Ernährungstrends, technische Entwicklungen, Eventplanung bis hin zu social media marketing – das alles findet sich in unseren Gastro-Berufen wieder. Die dualen Ausbildungsmodelle sind auch für Studienabbrecher interessant, die sich für eine Ausbildung entscheiden. Das spielt natürlich gerade in Münster eine große Rolle. Aber wir brauchen ebenso die geringfügig Beschäftigten, denn in unserer Branche brauchen wir Flexibilität, um Spitzenzeiten abzufedern. Darum haben wir uns als Verband so vehement für die Anhebung der Minijob-Verdienstgrenze auf 520 Euro eingesetzt.
Sie erwähnten vorhin die Lärmbeschwerden durch das Rauchverbot, aber auch durch mehr Außengastronomie, Kioskkultur, etc. Glauben Sie, dass Münsters neue Nachtbürgermeister dagegen wirklich etwas bewirken können?
Münster ist eine junge Stadt, da ist draußen viel los. Die Nachtbürgermeister können zumindest vermitteln. Vielleicht bringen sie auch neue Ideen ein, wie man Konflikte entschärft, indem man Menschenströme lenkt und die Kommunikation verbessert. Aber das sind sicher langfristige Prozesse, das geht nicht von heute auf morgen.
„After-Work in Kattenvenne“
Corona, Energiekrise, Inflation, Personalnotstand, Bürokratie –blicken Sie trotzdem wehmütig zurück?
Nein, aber ich erinnere mich natürlich gerne an unsere tollen Lossprechungsfeiern, an die Feier zum 100jährigen Jubiläum des Verbandes in einem Zirkuszelt vor dem Schloss und an das Bürgermahl auf dem Prinzipalmarkt zum Stadtjubiläum 1200 Jahre Münster im Jahr 1993. Das waren schon großartige Höhepunkte.
Was geben Sie ihrem Nachfolger mit auf den Weg?
Wir wünschen uns noch viele Verbesserungen, zum Beispiel die Beibehaltung des verminderten MwSt-Satzes von 7 % für zubereitete Speisen auch über das Jahresende hinaus. Wichtig ist es vor allem, dass unsere Branche sichtbar vertreten bleibt durch Hauptamtliche, aber auch ehrenamtliche Interessensvertreter. Die Kräfte an der Basis wissen am besten, wo in den Betrieben der Schuh drückt.
Was planen Sie jetzt?
Ich werde mich zuhause in Kattenvenne ehrenamtlich für das Ortsmarketing engagieren. Ein großer Erfolg ist zum Beispiel unser Feierabendmarkt, das ist wie After-Work-Party, bei der alle zusammenkommen und natürlich möchte ich noch neue Orte und auch Kulturen kennenlernen.