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AUTOFREIE INNENSTADT

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IMPRESSUM

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AUTOFREIE INNENSTADT! Fluch oder Segen für Münsters Einzelhandel?

Die „autofreie Innenstadt“ – Sargnagel für Münsters inhabergeführten Einzelhandel oder zusätzlicher Anziehungsfaktor für auswärtige Besucher? Droht Münsters City ohne Autos das Schicksal von Gelsenkirchen oder winkt ein Imageplus wie in Amsterdam? Münsters OB Markus Lewe hat angemahnt, die Debatte darüber ideologiefrei zu führen, aber das klappt nicht immer so ganz. Im Wahlkampf wurde das Thema emotional diskutiert. Wir fragten drei Mitinhaber von traditionellen Altstadt-Geschäften und erhielten drei unterschiedliche Antworten…

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Autos runter von den Straßen – aber nur mit funktionierendem Konzept.

ANDREAS WEITKAMP Geschäftsführer im Modehaus Schnitzler am Prinzipalmarkt „Ja, ich bin für deutlich weniger Autos in Münsters Innenstadt, vor allem in der Altstadt. Am liebsten wäre mir die Altstadt autofrei. Der Kernpunkt meiner Ansicht: Wir haben als Händler in Zukunft nur eine Chance im globalen Markt, wenn wir eine tolle Aufenthaltsqualität in

der Stadt haben. Die haben wir momentan zumindest nicht überall. Und wenn Münster weiterhin als attraktive Einkaufsstadt gesehen werden soll, brauchen wir eine Menge inhabergeführter Läden, in denen Inhaber Ihren Traum verwirklichen. Dafür brauchen wir vernünftige Mieten und vor allem auch Lagen abseits von Prinzipalmarkt und Co., die sich entwickeln können. Dort müssen die Autos von den Straßen runter, damit man die Stadt als Stadt und nicht als Parkplatz erleben kann! Aber: Natürlich haben wir Sorge, dass Menschen aus dem Umland – Sauerland, Ruhrgebiet, Emsland, Ostwestfalen etc. – sich dann überlegen, woanders hinzufahren! Und wir leben von den Besuchern von außerhalb. Münsters Vitalität, die wir alle so lieben, ist maßgeblich von Gästen abhängig. Die MÜSSEN weiterhin nach Münster kommen und sich hier wohl und willkommen fühlen. Deswegen brauchen wir ein Konzept mit Alternativangeboten, die funktionieren! Das Beispiel von Stadt und Initiative starke Innenstadt (ISI) am Coesfelder Kreuz zeigt, wie wir uns das vorstellen. Moderne Möglichkeiten, die Kunden annehmen. Die Menschen müssen in Zukunft so schnell und komfortabel in die Stadt kommen, wie nur möglich! Der Anspruch daran muss höher sein, als je zuvor! Wir wollen uns da engagieren und uns der Verantwortung stellen, die wir als Händler und als Stadt haben!“ Wir dürfen den Auswärtigen nicht vorschreiben, wie sie nach Münster zu kommen haben. JÖRG LAMSKEMPER Messerschmiedemeister im Messerhaus Herlitzius am Spiekerhof „Alles spricht in Münster vom ‚Verkehrskollaps‘. Meine Meinung ist: Man sollte doch erstmal prüfen, ob der Verkehr überhaupt tatsächlich kollabiert. Ich sehe das nicht so. Viele Probleme sind zudem hausgemacht, zum Beispiel bei der Neugestaltung der Kanalstraße. Unbegreiflich, weshalb eine Hauptader für Pendlerströme so verengt wird. Wir müssen in Münster darauf achten, wie so etwas nach außen wirkt. Neulich sagte ein junger Kandidat in einer Fernsehshow, er würde mit seinem Gewinn gerne mal Münster besuchen. Darauf riet ihm Horst Lichter: ‚Fahren Sie da aber nicht mit dem Auto hin, das mögen die dort nicht.‘ Das sind negative Signale, die Leute aus dem Umland bewegen, zum Shoppen lieber nach Osnabrück oder Düsseldorf zu fahren. Doch Münsters Kaufleute sind auf auswärtige Kunden angewiesen, nur von den Kreuzviertelbewohnern können die nicht leben. Darum können wir aus Münster keinen geschlossenen Club machen, in den keiner reinkommt. Ohne starken Handel gibt es auch kein Museum und keine Gastronomie, die hängen zusammen. Übrigens kommen die Leute aus den vielgepriesenen holländischen Städten mit verkehrsberuhigter City wie Hengelo etc. zu uns, weil unsere Innenstadt im Gegensatz zu ihren nicht nur noch aus 1-Euro-Shops besteht. Deshalb sage ich, wir dürfen den Menschen nicht vorschreiben, wie sie nach Münster zu kommen haben – dann bleiben sie nämlich einfach weg. Ein Verteilungskampf um die Straßen nach dem Motto ‚Fahrrad gegen Auto, ÖPNV gegen Individualverkehr‘ ist der falsche Weg.“

Autofreie Innenstadt wäre ein Traum, aber erst muss es

Alternativen geben.

JÜRGEN SALAMON Salamon - Bücher.Kalender.Geschenke an der Windhorststraße, Ecke Stubengasse „Wir hier am altstadtnahen Ende der Windthorststraße würden ganz klar deutlich von einer autofreien City profitieren. Es gäbe weniger Lärm, weniger Abgase – keine Frage. Aber: Pauschal zu fordern ‚Autos raus!‘ ist zu kurz gegriffen. Erst muss eine funktionierende Verkehrsalternative her. Dazu müssen Konzepte entwickelt werden. Einzelne Bausteine wie Velorouten etc. sind ja gut und schön, aber diese Maßnahmen muss man zusammenführen und das dauert in Deutschland bekanntlich sehr, sehr lange. In Münster wird dabei meines Erachtens immer nur an Symptomen herumgedoktert, andererseits ist es aber leider tatsächlich so, dass die mittelalterliche Straßenstruktur innerhalb der Promenade keine großen Veränderungen zulässt. Wenn es aber gelänge, die Innenstädte allgemein durch mehr Grün, durch bezahlbaren Wohnraum, durch Gastronomie und nicht zuletzt durch Autofreiheit wieder attraktiver zu machen, glaube ich, dass auch wieder mehr Leute Lust hätten in die Innenstädte zu gehen. Wir in Münster haben ja noch den Vorteil, viele inhabergeführte Läden zu haben und nicht nur dieselben Ketten wie überall. Also – eine autofreie City wäre traumhaft, aber das ist nicht durch kategorische Verbote zu erreichen, sondern nur durch überzeugende, funktionierende und bezahlbare Alternativen.“

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