Magazin14

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Ausgabe 14

9 | 2013

http://www.museum.de

MAGAZIN M USEUM.DE

CREDO-Austellung in Paderborn 1



S In diesem Heft: Kunstmuseum Ravensburg

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AD SANCTOS

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Festung Königstein

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Mittelrhein Museum Koblenz

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MOOR EXTREM

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Das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité

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Heimatmuseum 2.0

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DASA Szenografie in Ausstellungen und Museen

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Ein Museumsgestalter inszeniert Berge

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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

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Empfehlung EXPONATEC

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Gedenkstätte Berliner Mauer

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Schlossmuseum Malbork

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Die Keltenwelt am Glauberg

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ie fragen sich vielleicht, worin die enge Bindung zwischen museum.de und Xanten besteht? Es liegt am St.- Viktor- Dom.

Der Dom ist nicht nur geographischer Mittelpunkt von Xanten, sondern auch ein ganz spirituelles und lebendiges Zentrum unserer Gemeinde. Ihm angeschlossen ist das StiftsMuseum Xanten. Dem Märtyrer Viktor verdanken wir letztlich nicht nur unseren sehenswerten Dom, sondern auch den Ortsnamen. Welche Bedeutung der Begriff „AD SANCTOS“ dabei hat, lesen Sie ab Seite 12. Vor der Dom-Kulisse sehen Sie unseren talentierten Software- Entwickler Torben Erz von AppsSolution und mich als werdende Väter. Es ist jetzt vermutlich wie beim Einsetzen der Wehen: „Die App kommt. Hauptsache gesund und munter !“ Es ist mir eine große Freude anzukündigen, daß die App vorraussichtlich ab Mitte Oktober verfügbar sein wird. Die Verzögerung entstand durch einige tech-

nische Herausforderungen, die u.a. durch das neue Betriebssystem iOS7 von Apple bedingt war. Die App befindet sich mittlerweile in der Prüfung bei Apple. Zunächst wird sie für das iPhone, iPod und iPad im App- Store kostenlos zum Download bereit stehen. Circa einen Monat später werden wir die Android- Version über Google-Play anbieten. Das besondere ist, daß wir einen Audioguide integrieren, der für alle Museen und Besucher kostenlos ist. Die vorhandene Hardware der Besucher ermöglicht es, Ihre Audioführung inclusive zeitgesteuerter Diaserie und Texten zu jeder Tonspur immer und überall verfügbar zu machen. Nutzen Sie bis dahin die Zeit für eigene Vorbereitungen! Falls Sie sich mit Ihrem Museum an diesem kostenlosen Angebot beteiligen möchten, sollten Sie die Nutzungsrechte für die Tonspuren klären. Museen mit integrierten Audioguide werden innerhalb der App besonders erwähnt und hervorgehoben. Freundliche Grüße aus Xanten Ihr Uwe Strauch

ISB`13 – Biennale der Szenografie 204 CREDO 210

Kunstkammer Wien

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Blutige Romantik, MHM

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Leitfaden für Hörführungen

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Foto: Olaf Ostermann

Jahrestagung ICOM Deutschland 250

Torben Erz (appssolution.de) und Uwe Strauch (museum.de) bei der Präsentation vom kostenlosen Audioguide MAGAZIN MUSEUM.DE

Ausgabe Nr. 14

Herausgeber

Kurfürstenstr. 9

Telefon 02801-9882072

museum@mailmuseum.de

Download:

September 2013

Uwe Strauch, Dipl.-Inf TU

46509 Xanten

Telefax 02801-9882072

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Kunstmuseum Ravensburg von Wolfgang Roddewig und Ingo Schmitt, ERCO Leuchten GmbH

Anfang März 2013 wurde in Ravensburg in der Burgstraße ein neues Kunstmuseum seiner Bestimmung übergeben – einer der seltenen Fälle, bei denen es sich nicht nur um einen Um- oder Erweiterungsbau, sondern um einen tatsächlichen Neubau handelt. Dieser neu errichtete Baukörper fügt sich virtuos in den städtebaulichen Kontext ein: Er liegt nahe dem Obertor und zu Füßen des Mehlsacks, eines weißen runden Turms – dem Wahrzeichen der Stadt – an der höchsten Stelle der Stadtbefestigung.

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Es hat den Anschein, dass das Museum schon immer hier steht, was wohl auch daran liegen mag, dass es mit wiederverwendeten und gereinigten Altziegeln aus einer Klosteranlage nahe der belgischen Grenze verkleidet wurde. Für den Neubau verlieh man den verantwortlichen Architekten vom Stuttgarter Büro LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei den Deutschen Architekturpreis 2013.


Die unweit des Bodensees gelegene ehemalige freie Reichstadt Ravensburg verfügte bislang über drei Museen: das Museum Ravensburger, das Museum Humpis-Quartier und das Wirtschaftsmuseum der Stiftung Kreissparkasse Ravensburg. Nun ist sie um einen vierten Ausstellungsbau reicher. Doch wie kam es dazu? Schon 2007 hatten die Stadtväter den Bau eines Museums beschlossen, denn sie sahen sich als Erben einer jahrhundertealten Tradition als Kulturträger dieses Landes. Durch eine glückliche Fügung suchten damals auch die in Ravensburg ansässigen Eheleute Selinka ein geeignetes Domizil für ihre private Kunstsammlung. Der ehemalige Werbeberater Peter Selinka hatte mit seiner Frau Gudrun in vier Jahrzehnten mit sicherer Hand ein hochkarätiges Konvolut zusammengetragen. Die Interessen der Stadt und der Privatleute vereinte schließlich der Bauunternehmer Reisch durch das Angebot, ein Ausstellungsgebäude auf eigene Kosten errichten zu lassen. Und da sich dessen Unter-

nehmen ökologischen und nachhaltigen Projekten verschrieben hat, wurde das Ausstellungsgebäude als weltweit erstes Museum in Passivhaus-Standard erbaut. Die Museumshülle wurde als zweischalige Konstruktion ausgeführt. Zwischen die Betonwand und die Ziegelverkleidung wurde eine 24 Zentimeter dicke Dämmung eingebracht. Durch den verwendeten Backstein fiel die Wahl auf ein wartungsfreundliches und sehr dauerhaftes Baumaterial mit hervorragenden bauphysikalischen Eigenschaften. Die Rahmenbedingungen für einen minimalen Energieverbrauch im Gebäude sind somit geschaffen. Die Sammlung, deren Leihgabe zunächst auf 30 Jahre befristet wurde, umfasst etwa 230 Werke des Expressionismus und dessen Varianten im 20. Jahrhundert. Arbeiten Ernst Ludwig Kirchners, Erich Heckels oder Otto Dix finden sich hier ebenso wie jene Alexej Jawlenskys oder Wassily Kandinskys. Schwerpunkte sind jedoch dem deutsche Expressionismus, den Arbeiten der

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Künstlergruppe CoBrA (Copenhagen, Brüssel, Amsterdam) und der Münchner Künstlergruppe SPUR gewidmet. Teile der Sammlung werden im ersten Obergeschoss präsentiert. Sie werden hier in thematisch gewählte Zusammenhänge gebracht oder auch durch Leihgaben zu Themenausstellungen ergänzt. Das zweite Obergeschoss mit den beeindruckenden, scheinbar schwingenden Gewölben ist Wechselausstellungen vorbehalten. Kleinformatiges kann im Foyer präsentiert werden, weckt es hier schon auch die Vorfreude des Besuchers auf das Erleben der Kunst in den oberen Geschossen. Die Ausstellungsräume sind bewusst zurückhaltend gestaltet, doch hat man diese Reduktion nicht bis zum Extrem des White Cube getrieben. In der Ausstellung dominieren die farbenfroh gestalteten Werke der Künstler. Im Museum wird viel Hängefläche benötigt; daher weist es auch kaum Fenster auf, zumal diese aus konservatorischen und inszenatorischen Gründen auch wenig gewünscht waren. In den beiden Ausstellungsbereichen der Hauptgeschosse wird gänzlich auf Fenster verzichtet. Die Vorgabe, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen, hatte auch Auswirkungen auf die Wahl des Beleuchtungssystems. Die Architekten gestalteten eine formal ansprechende lineare Leuchte mit sichtbarer und freistrahlender Leuchtstofflampe für die Grundbeleuchtung der Räume im Erd- und im ersten Obergeschoss. Dies ist ein Detail, das bei Bauten des Büros LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei wiederholt vorkommt und als Signet und Wiedererkennungsmerkmal der architektonischen Gestaltung angesehen werden kann. Die Anforderungen an die Beleuchtung der Exponate gingen jedoch über formal-gestalterische Gesichtspunkte hinaus. Dies war weniger eine Frage der Leuchtenform, sondern eine der Lichttechnik. Die Kunstwerke sollten durch künstliches LED-Licht optimal inszeniert werden, idealer Weise sollten die Lichtpunkte positionsveränderlich sein. Darüber hinaus sollten die Leuch-

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ten den gehobenen Anforderungen der Präsentation unter Berücksichtigung konservatorischer Aspekte genügen. Diesen Parametern Rechnung tragend, wurde ein der Exponat- und Raumgeometrie entsprechendes energetisch hocheffizientes Beleuchtungskonzept unter Verwendung optoelektronischer Lichtwerkzeuge geschaffen. Zentrale Bedeutung maßen die Architekten dem Deckenspiegel des Erd- und des ersten Obergeschosses zu. In harmonischer Anordnung wurden hier die eigens entworfenen linearen Leuchten mit den Leuchtstofflampen eingebracht. Trotz der linearen Form sind die Enden der flächenbündig in die Decken eingebauten Leuchten gerundet. Diese formale Besonderheit hatte Auswirkungen auf die Gestaltung weiterer Einbauten in die Decken. Diese mussten ebenso gerundet sein, wie die Enden der von den Architekten entworfenen Leuchten. Es war eine formale Entsprechung gewünscht, wodurch sich die Verwendung linearer Stromschienen ausschloss. Daher wurden zahlreiche Punktauslässe in die Decke eingebracht. Diese reihen sich in Linien gleich den Perlen an einer Schnur an der Decke und sind eigentlich nichts weiter als „Deckensteckdosen“ für das positionsvariable LED-Strahlersystem.

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Letztlich wurde für die Beleuchtung der empfindlichen Exponate eine energetisch hocheffiziente LED-Beleuchtung mit warmweißer Lichtfarbe gewählt. Diese bietet – verglichen mit konventionellen Halogenlampen – bei der gewünschten Farbtemperatur von 3000 Kelvin einen deutlich höheren Schutz, vor allem auch, weil im LED-Spektrum keine UV-Strahlung vorhanden ist. Darüber hinaus darf die Farbwiedergabe dieser LEDs als exzellent bezeichnet werden. In den hocheffizienten, verlustarmen Strahlern der ERCO-Modellreihe Lightboard kommen optoelektronische Komponenten zum Einsatz. Die Präzision der Ausleuchtung wird durch eine Folge dreier Linsen erreicht, durch die das Licht in der Leuchte geführt wird. Mit Hilfe von sechs verschiedenen, werkzeuglos wechselbaren Linsen können nicht nur rotationssymmetrische Lichtverteilungen von Spot bis Flood, sondern auch ovale Lichtverteilungen und gleichmäßige Wandflutungen erzeugt werden. Zur Beleuchtung einiger Highlights der Sammlung stehen Strahler der ERCO-Modellreihe Optec mit Konturenschieber und Kaschierung zur Verfügung. Bei der Eröffnungsausstellung „Appassionata“ wurde eindrucksvoll Jawlenskys „Spanisches Mädchen“ mit Hilfe dieser Strahler so beleuchtet, dass das Licht ausschließlich auf die Leinwand, nicht aber auf den Bilderrahmen fiel. Es wurde hier für den Betrachter kaum wahrnehmbar eine Dramaturgie geschaffen, die es gestattet, künstlerisch äußerst Gelungenes hervorzuheben.

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Da die Strahler im zweiten Obergeschoss nicht am Gewölbe befestigt werden konnten, wurde entlang der diese Gewölbe stützenden Stahlträger eine Stromschiene angebracht. Die Architekten befürworteten dies an dieser Stelle ausdrücklich, verschmolz doch hier in den Augen des Betrachters die lineare Form der Schiene mit der des Trägers zu einer Einheit. Genutzt wurde die Stromschiene an dieser Stelle auch, um eine Notbeleuchtung zu integrieren. Die alternierend angeordneten Gewölbefelder werden mittels ERCO-Deckenfluter der Modellreihe Parscoop beleuchtet. Die Leuchten sind mit leistungsfähigen Entladungslampen bestückt und ermöglichen selbst bei den geringen Reflexionswerten der Altziegelverkleidung die gewünschte Grundbeleuchtung.

Weitere Informationen zum Projekt und zu den eingesetzten Produkten sind unter www.erco.com oder der nachfolgenden Adresse erhältlich. Dr.-Ing. Wolfgang Roddewig Leiter Segment Museum Reichenberger Str. 113a 10999 Berlin Tel. 030 – 769 967 14 email w.roddewig@erco.com


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Optec Projektionsstrahler mit LED Premiere für den ersten Optec Projektionsstrahler mit LED: Seine kompakte und hocheffiziente Projektionsoptik mit Konturenschiebern erzeugt randscharfe Lichtkegel für eindrucksvolle Lichteffekte. Er ist das technische Glanzstück

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der Strahlerserie Optec, die Lichtkonzepte mit 100% LED in Shops, Galerien oder Museen bringt. Die neue Optec LEDGeneration bietet mehr Output aus kompakteren Gehäusen. Das warmweiße oder neutralweiße Licht der HochleistungsLEDs ist frei von IR- oder UV-Anteilen. Nur bei ERCO gibt

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750 Jahre Gotischer Dom Auf einer Handschrift auf Pergament ist das genaue Datum für die Nachwelt festgehalten: Am 22. August 1263 wurde der Grundstein für den Xantener Dom gelegt. Ein großes Werk konnte beginnen, doch wie bei Projekten dieser Größenordnung damals so üblich, waren die Bauarbeiten immer wieder über einen längeren Zeitraum unterbrochen. Geldmangel führte vorübergehend zu einer zwangsweisen Stilllegung. Erst Mitte des 16. Jahrhunderts gilt der Dom mit der Weihe der Heilig-Geist-Kapelle als fertig gestellt. In diesem Jahr erinnert die Propsteigemeinde St. Viktor an die Grundsteinlegung vor 750 Jahren für den Neubau der Stiftskirche, dem heutigen Dom. „Bei Baubeginn war der Zeitpunkt der Fertigstellung nicht von Bedeutung. Propst Friedrich von Hochstaden wollte mit dem Neubau deutlich machen, dass das Xantener Viktorstift zeitgemäß war und finanziell prosperierte“, erklärt Elisabeth Maas, stellv. Leiterin des angeschlossenen Stiftsmuseums. Dabei ist ein Wetteifern mit dem Bau des Kölner Doms, wo Bruder Konrad Erzbischof residierte, durchaus zu erkennen. Bei der Beschaffung des Baumaterials bedienten sich die Menschen in den steinernen Überresten des nahegelegenen römischen Lagers. Nach und nach wurden der östliche Teil bis zum Lettner, dann zwischen 1483 und 1519 der westliche Teil mit Anschluss an den Westchor errichtet. Der Dom symbolisierte auch eine Eigenständigkeit des Archidiakonat gegenüber dem Erzbistum Köln. Der Stift verwaltete sein Vermögen selbst, und auf die Wahl des Xantener Propstes hatte das Bistum nur begrenzt Einfluss. Die Immunität rund um den Dom führte dazu, dass der Propst innerhalb dieses Bereichs die Gerichtsbarkeit ausüben konnte - jenseits des sich allmählich weiter entwickelnden weltlichen Teil Xantens. Nach seiner Vollendung galt der Dom als Mittelpunkt des Archidiakonates mit dem gesamten unteren Niederrhein als Einflußsphäre; spätestens jetzt hatte Xanten seine sakrale Bedeutung am Niederrhein auch architektonisch manifestiert: Bis weit ins Land hinein verkündete der Bau das Wort Gottes und die Macht der Kirche. An seiner Ausstrahlungskraft hat er bis heute nichts eingebüßt. „Mit seiner Ausstattung an Altären, Teppichen und Skulpturen gehört der Xantener Dom heute zu den bedeutend. sten Kirchen in Deutschland“, betont Elisabeth Maas.

Jubiläumsfeier mit Propst Klaus Wittke, zweite Bank: Bürgermeister Strunk, Ministerpräsid

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SANCTOS

m Xanten. Die Jubiläumsferier zur Grundsteinlegung

dentin Hannelore Kraft, Vorne: Bischof Dr. Felix Genn, Weihbischof Wilfried Theising, Weihbischof Franz Vorrath (Essen), Weihbischof Everardus Johannes de Jong (Roermond) Foto: © H. Boele

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Uwe Strauch, Gründer museum.de und Elisabeth Maas M.A., stellv. Leiterin StiftsMuseum Xanten in der Stiftsbibliothek. Foto:Stephan Kube

aus „ad sanctos“ lat. „zu den heiligen“ entstand der ortsname „xanten“ Vieles von dem, was im Kirchenschiff des Xantener Doms zu sehen ist, kann – unter materiellem Gesichtspunkt – durchaus als äußerst wertvoll bezeichnet werden. Die liebevoll und mit vielen Details geschnitzten Altäre, die Wandteppiche im Lettner, das alte Chorgestühl, in dem einst die Stiftsherren die Messen verfolgten. Hier wie auch in dem angeschlossenen Stiftsmuseum mit den goldbestickten Talaren und den schweren Kelchen aus Gold atmet Kunst- und Kirchengeschichte. Doch der wahre Schatz liegt – für die Gläubigen weitgehend verborgen - hinter dem Hochaltar. Seit dem 12. Jahrhundert haben dort die Gebeine des Heiligen Viktor ihre letzte Ruhestätte gefunden. Damit ist für Xanten und den Dom „AD SANCTOS“ mehr als eine bloße Bezeichnung. Der Heilige wirkt über seinen Tod hinaus und verkündet seine Botschaft von christlicher Glaubensstärke und Bekennermut.

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Ave miles invictissime, Ave martyr sanctissime, Ave pie protector sancte Victor. Hymnis tuam devotis observantibus Clementiam obtine precibus, Piis ut adsit omnipotentis gratia.


SANCTOS

3D-Rekonstruktion: Š Puppeteers GmbH, Schwerte

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AD Der Legende nach gehörte Viktor einer Kohorte der Thebäischen Legion an. Die Männer wurden im 4. Jahrhundert hingerichtet, da sie sich geweigert hatten, den römischen Göttern zu opfern. Viktor selbst wurde im niederrheinischen Xanten aufgegriffen und erlitt ebenfalls das Martyrium. Sein Leichnam soll daraufhin gemeinsam mit toten Kameraden in einem römisch-fränkischen Gräberfeld bestattet worden sein, bis die Kaiserin von Konstantinopel die Gebeine bergen und ihnen zu Ehren eine Kapelle errichten ließ. Somit reichen die Ursprünge des heutigen Doms in die christliche Vergangenheit Xantens zurück. 1933 stieß der Archäologe und Denkmalschützer Walter Bader auf ein unberührtes Grab von zwei Männern, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, das heute in der Krypta zu sehen ist. Er vermutete, dass es sich um christliche Märtyrer handeln müsse. Vielleicht war dies die Keimzelle des heutigen Doms, vielleicht aber auch die erste Kirche aus karolingischer Zeit, die sich für 752 belegen lässt. Damals entstand um die Kirche herum ein Stift der Kanoniker, das mit Bezug auf die Grabstätten Viktors und seiner Gefährten ad Sanctos (= zu den Heiligen) genannt wurde. Nach dessen Gründung entwickelte sich der weitere Stadtkern, auf den die Bezeichnung ad Sanctos überging. Nach und nach entwickelte sich der Name weiter zum heutigen Xanten. Der Dom ist ein Ort der Besinnung und Einkehr Das Jubiläumjahr 2013 anlässlich der Grundsteinlegung des Doms steht unter dem Motto „Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein“. Treffender kann ein solcher Leitspruch nicht sein, denn der Dom ist zwar aus Stein erbaut, doch diese unerschütterliche Ruhe, die er mit seinen mächtigen Mauern ausstrahlt, das Kreuz Christi und auch die letzte Ruhestatt des Heiligen Viktor vermögen den Besuchern Freude und Trost zu spenden. Der Dom ist ein Ort der Besinnung und Einkehr. Das ist sein wahrer Wert, der materiell nicht zu fassen ist. „Er ist gerade kein Museum, vielmehr ein Gotteshaus, in dem sich bis heute die Gläubigen versammeln, um zu beten und Gott zu ehren“, mahnt Propst Klaus Wittke. Es lohnt sich also, ihn beim Gang durch die Stadt auch unter diesem Gesichtswinkel zu betrachten, vielleicht noch verbunden mit einem anschließenden Besuch im StiftsMuseum und seinen kunsthistorischen Schätzen.

Links: Der Hl. Viktor, 1468 von Heinrich Blankebiel aus Wesel, auf einem staufischen Ranken-Kapitell an der Ostseite der Stiftsgebäude (Bannita). Das Foto entstand vor der Restarurierung. Rechts: Lichterdom in der Adventszeit

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SANCTOS

Fotos: © Uwe Strauch

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Festung Kรถnigstein

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Festung Kรถnigstein an der Elbe


Eingebettet in die bizarre Felslandschaft der Sächsischen Schweiz thront weithin sichtbar auf einem Tafelberg die Festung Königstein. Einst eine unbezwingbare Wehranlage, lädt sie heute zum „Abenteuer Festung“ ein. Auf einer Fläche von 13 Fußballfeldern gibt es mehr als 50 ober- und unterirdische imposante Bauwerke sowie ausgedehnte Grünanlagen zu entdecken. Die 247 Meter hoch über dem Elbtal gelegene Bergfestung bietet einen fantastischen Rundumblick auf die Sächsisch-Böhmische Schweiz, die Ausläufer des Osterzgebirges und Dresden.

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SACHSEN UND NAPOLEON – EIN PAKT MIT DEM TEUFEL? Die Sonderausstellung ist noch bis zum 3. November auf der Festung Königstein zu sehen. Ein Hut Napoleons aus dem Armeemuseum in Paris ist das große Highlight der Ausstellung. Der Feldherr trug den Zweispitz während seiner letzten Schlachten im Jahr 1814 in Frankreich. Ein weiterer Höhepunkt ist eine 4 x 4 vier Meter große, begehbare Landkarte Sachsens, welche die Landesgrenzen von 1806 und 1815 sowie zahlreiche Schlachten dokumentiert. Daneben präsentiert die Ausstellung hervorragende Schlachtenbilder und Portraitdarstellungen prägender Persönlichkeiten aus jener Zeit sowie eine große Zahl historischer Waffen wie den Degen des Marschalls Bessières.

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BURG – KLOSTER – FESTUNG – MUSEUM Die Geschichte des Königsteins lässt sich über 750 Jahre zurückverfolgen. • In einer Urkunde König Wenzels I. von Böhmen wird 1233 ein »Burggraf Gebhard vom Stein« genannt (älteste schriftliche Er- wähnung einer Burg auf dem Königstein). • Die erste vollständige Bezeichnung als »lapis regis« (Stein des Königs) findet sich in der Oberlausitzer Grenzurkunde Wenzels I. im Jahr 1241. • Damals existiert auf dem Felsplateau eine mittelalterliche Burg, die zum böhmischen Königreich gehört. • Anfang des 15. Jahrhunderts gelangt die Anlage in den Besitz der Wettiner. • Cölestinermönche gründen 1516 das »Kloster des Lobes der Wunder Mariae«, das bis 1524 besteht. • Von 1563 bis 1569 teufen Bergleute den mit 152,5 Metern tiefsten Brunnen in Sachsen ab. • Der sächsische Kurfürst Christian I. befiehlt schließlich 1589 den Ausbau zur Landesfestung. Seither werden die Verteidigungs anlagen immer wieder auf den neuesten Stand gebracht, so dass kein Feind wagt, die Festung anzugreifen. • Aufgrund der militärischen Uneinnehmbarkeit suchen die sächsischen Landesherren in unruhigen Zeiten hinter den dicken

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Baerenloch- Kasematten

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Mauern Zuflucht und bewahren hier Kunstschätze und den Staatsschatz auf. Wegen seiner landschaftlich reizvollen Lage zählt der Königstein zu den beliebtesten Ausflugszielen des Hofes. Auf Befehl Augusts des Starken wird 1725 nach Entwürfen Pöppelmanns das größte Königsteiner Weinfass (238.600 Liter) fertig gestellt, das bis 1819 in der Magdalenenburg steht (heute moderner Nachbau des Riesenfasses). Seit 1591 gefürchtetes Staatsgefängnis (auch als „Sächsische Bastille“ bezeichnet), fungiert die Festung während des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71), des 1. und 2. Weltkrieges auch als Kriegsgefangenenlager. 1945 übergibt die Besatzung das Kommando den französischen Kriegsgefangenen. Später wird das Gefangenenlager von einer amerikanischen Sondereinheit evakuiert und die Festung von der Roten Armee besetzt, die auf dem Königstein ein Lazarett einrichtet. Von 1949 bis 1955 dient die Anlage als Jugendwerkhof. Hier werden politisch unbequeme und infolge der Nachkriegswirren straffällig gewordene Jugendliche erzogen und ausgebildet. Am 29. Mai 1955 öffnen sich die Tore für den Museumsbetrieb. 1991 geht die Festung Königstein in das Eigentum des Freistaates Sachsen über und wird seit 2000 als GmbH geführt.

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SÄCHSISCHE GESCHICHTE Kurfürst Christian I. befiehlt 1589 den Ausbau zur Landesfestung. Seither wurden die Verteidigungsanlagen immer wieder auf den neuesten Stand gebracht, so dass kein Feind wagte, die Festung anzugreifen. Aufgrund der militärischen Uneinnehmbarkeit suchten die sächsischen Landesherren in unruhigen Zeiten hinter den dicken Mauern Zuflucht und bewahrten hier Kunstschätze und den Staatsschatz auf. Wegen seiner landschaftlich reizvollen Lage zählte der Königstein zu den beliebtesten Ausflugszielen des Hofes. Seit 1591 gefürchtetes Staatsgefängnis (auch als „Sächsische Bastille“ bezeichnet), fungiert die Festung während des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71), des 1. und 2. Weltkrieges auch als Kriegsgefangenenlager. Tiefster Brunnen in Sachsen 152,5 m

BÖHMISCHE GESCHICHTE IN SACHSEN Im Mittelalter gehörte die Burg auf dem Königstein dem böhmischen König, der ihm auch seinen Namen gab. In einer Urkunde von 1233 wird ein „Burggraf Gebhard vom Stein“ genannt – die älteste schriftliche Erwähnung. Die erste vollständige Bezeichnung als „Stein des Königs“ findet sich in der Oberlausitzer Grenzurkunde 1241. Spuren böhmischer Vergangenheit gibt es noch heute in der Garnisonskirche. Erst 1408 gelangt der Königstein in den Besitz der Wettiner und im Vertrag zu Eger 1459 wurde seine endgültige Zugehörigkeit zu Sachsen fixiert. MALERWEG Die landschaftlich idyllisch gelegene Festung Königstein inspiriert noch heute viele Künstler. An ihr führt der Malerweg vorbei – einer der wildromantischsten und beliebtesten Wanderrouten Deutschlands. Auf einer Strecke von 112 Kilometern kann man einmalige Wanderromantik erleben und sich von einer Landschaft verzaubern lassen, die schon vor mehr als 200 Jahren viele Maler in ihren Kupferstich von Canaletto Bann zog (www.malerweg.de).

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KÖNIGSTEINER RIESENWEINFASS Ein weiteres Highlight ist seit 2011 das Königsteiner Riesenweinfass. Die moderne Installation aus 12.227 grünen Weinflaschen zeigt im Maßstab 1:1 die gigantischen Dimensionen des legendären Weinfasses Augusts des Starken (238.600 Liter).

Matthäus Daniel Pöppelmann: Riesenweinfass Augusts des Starken

Riesenfass

Alle Fotos: © Festung Königstein Festung Königstein gGmbH D-01824 KönigsteinW Telefon +49 (0)35021 64-607 info@festung-koenigstein.de www.festung-koenigstein.de

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Das grüne Museum

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Risikomanagement und Notfallplanung in Museen 24. September 2013 in Zürich | 8. Oktober 2013 in Wien | 15. Oktober 2013 in Berlin

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Mittelrhein Museum Koblenz Das Museum hat im Juni sein neues Domizil bezogen

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Fotos: © frey

Ende Juni 2013 wurde das Forum Confluentes auf dem Koblenzer Zentralplatz feierlich eröffnet. Gemeinsam mit den beiden anderen Nutzern, der StadtBibliothek Koblenz und der Koblenz-Touristik, findet auch das Mittelrhein-Museum in dem ambitionierten, von dem renommierten Architekturbüro Benthem Crouwel entworfenen Gebäude ein spektakuläres Domizil. Das neue Mittelrhein-Museum wird mit seiner umfangreichen Dauerausstellung, die sich über das gesamte erste Geschoss verteilt, einer Wechselausstellungsfläche im Untergeschoss, eigenen Räumen für die Grafische Sammlung und die Museumsbibliothek, klimatisierten Depot- und Magazinräumen sowie modernen Büroräumen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine deutliche, längst überfällige Aufwertung erfahren. Damit verfügt das Museum nun über all jene Standards, die von einer musealen Einrichtung im 21. Jahrhundert zu erwarten sind.

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Sämtliche Ausstellungsräume sind mit dem Aufzug oder zu Fuß zu erreichen und mit modernster Museumstechnik ausgestattet. Die Besucher haben die Möglichkeit, mittels Audioguides Informationen zur Sammlung und zu einzelnen Exponaten abzurufen. Weiterhin können interessierte Besucher die Bestände der Grafischen Sammlung und der Museumsbibliothek einsehen. Die museumspädagogische Vermittlungsarbeit findet nicht nur in den Ausstellungssälen, sondern auch in den eigens dafür konzipierten Räumlichkeiten im Erdgeschoss – einem Mal- und Bastelraum sowie einem Vortragsraum – statt. Das Mittelrhein-Museum vereint über 2.000 Jahre Kunst- und Kulturgeschichte. Der Gesamtbestand setzt sich zusammen aus ca. 1.200 Gemälden, über 8.000 Grafiken (darunter zahlreiche Handzeichnungen und Aquarelle), ca. 250 künstlerischen Fotografien, 230 Skulpturen und ca. 1.000 grafischen Objekten zum Thema „Reisen“ und „Mittelrhein“. Hinzu kommen ca. 700 Objekte aus Stein, Holz und Metall, über 500 historische Münzen und Medaillen sowie 345 Keramiken.

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Weiterhin ist auf den ausnehmend umfangreichen Bestand kulturhistorischer und volkskundlicher Objekte zu verweisen, der unterschiedlichste Materialgruppen umfasst: Glasmalerei, Porzellan, Möbel, Kleinkunst, Textilien, Maße und Gewichte, Militaria, Eisenguss, Leuchter und Lampen, Gusseiserne Öfen, Blechwaren, Messing- und Zinnobjekte, Metallikonen sowie Uhren. Der Schwerpunkt der großzügig dimensionierten, rund 1900 m2 umfassenden Dauerausstellung liegt im neuen Mittelrhein-Museum auf der Gemäldesammlung sowie den skulpturalen und kunstgewerblichen Beständen. In chronologischer Abfolge spannt sich der Bogen der Epochensäle von der mittelalterlichen Skulptur über die Malerei des Mittelalters, des Barock, des Klassizismus und der Romantik über die Vertreter der Düsseldorfer Schule bis hin zur Klassischen Moderne und Positionen zeitgenössischer Kunst, wobei insbesondere die Werkkomplexe von K. O. Götz, Rissa und Heijo Hangen hervorzuheben sind. Parallel zu diesen Kunstsälen haben die Besucher die Gelegenheit, sich auf dem inneren Parcours über regionale kunst- und


Dauerausstellung. Januarius Zick, 18 JH. kulturhistorische Aspekte zu informieren. 400 Gem채lde, 50 Skulpturen, 60 Graphiken und diverse kunstgewerbliche Objekte warten auf die Besucher.

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Die erste Sonderausstellung „Jochen Hein – Die Natur des Menschen“ wurde Anfang Juli eröffnet und läuft noch bis zum Sonntag

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den 6. Oktober 2013. Nichts Geringeres als die Erhabenheit der Natur ist das Thema des 1960 in Husum geborenen Jochen Hein.


Mittelrhein-Museum Koblenz Zentralplatz 1 D-56068 Koblenz http://www.mittelrhein-museum.de

Museumsteam mit Direktor Dr. Markus Bertsch Fotos: © Juraschek-Lifestyle

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MOOR EXTREM Naturschutzzentrum Wurzacher Ried An was denken Sie intuitiv, wenn von Mooren die Rede ist? Nebelschwaden und sumpfiges Moos? Moorleichen und heidnische Rituale? Lauernde Gefahren? Sehr wahrscheinlich. Zumindest eher als an Wollgras und Widderchen. Moosbeere oder Scheckenfalter. Auch wir mussten uns mit den langläufigen Moorassoziationen auseinandersetzten, als wir die Konzeption für eine Dauerausstellung im Wurzacher Ried in Angriff nahmen. Es galt, eine „Geisterbahn“ zu vermei-

Durch die Außenhülle ist das Gebäude am Tag blickdicht verkleidet. Sie setzt optisch die Struktur der Torfmoospflanzen fort. In der Nacht wird sie durch die Innenbeleuchtung transparent.

den und trotzdem die geheimnisvolle Spannung, die Mooren innewohnt, zu nutzen. Wir wollten eine Ausstellung konzipieren, die sich mit allen Facetten, natürlichen und menschlichen Aspekten, des Wurzacher Rieds auseinandersetzt. Eine intensive Recherche und interne Workshops über diese besondere Naturlandschaft ergab folgendes Fazit: Es ist ein „Land der EXTREME“! Nicht etwa weil das „Wurzacher Ried“ eines der


größten und bedeutendsten Moorgebiete in Süddeutschland ist oder auch die größte intakte Hochmoorfläche in Mitteleuropa ist. Sondern vielmehr weil Moore EXTREM kraftvoll und vielgestaltig, EXTREM trickreich, spannend und gefährlich oder auch EXTREM kostbar, erholsam und EXTREM langsam sind. Die Leitidee war gefunden. Und die Themenbereiche ließen sich wunderbar nach diesem Ordnungsprinzip gliedern. Die thematische Klammer war schlüssig.

Insbesondere bot dieses Konzept die Möglichkeit, die Besucher auf emotionale Weise anzusprechen. Es konnten komplexe natürliche und geologische Zusammenhänge mithilfe spannender Geschichten und überraschender Präsentationsformen erklärt werden. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausstellung waren geschaffen. Das Konzept sprach die Besucher gleichermaßen inhaltlich und emotional an.


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Allerdings betraten wir völliges Neuland – ein Neuland der EXTREME. Die gestalterische Planung musste konsequent der inhaltlichen Gliederung folgen. Die Themeninhalte mussten schlüssig präsentiert werden. Die Eigenschaften des Moores deutlich hervortreten. Die Besucher sollten überrascht und fasziniert werden! … Die Planer hatten eine anspruchsvolle Aufgabe. Wie lassen sich die Sinnesebenen der Besucher „anders“ ansprechen, als sie es erwarten? Und vor allem, wie lassen sich auch wirklich alle Besucher ansprechen? Denn auch Kinder und Jugendliche sollten auf ihre Kosten kommen.

Wir fanden uns schließlich in diesem Neuland zurecht. Und gingen EXTREM neue Wege. Das Ziel: die Besucher sollten sich selbst als Teil der Ausstellung wahrnehmen, sich emotional in die Ausstellung einbinden lassen. Jedoch ohne Manipulation, sondern intuitiv. Die Kraft der Neugier, die in jedem Menschen steckt, wollten wir aktivieren. Wir mussten die Besucher in Zeiten moderner medialer Angebote „hinter dem Ofen hervorlocken“.

Die kleinen Gäste führt die Moorhexe „Calluna“ durch die Themen. Über Kopfhörer begleitet sie die Kleinen durch das große Abenteuer Moor – humorvoll, fröhlich und mitunter auch etwas tapsig - auch den erwachsenen Besuchern zu empfehlen. Und wer es nicht glauben mag, den holen die Moorleichen!

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Die räumliche Gestaltung der Ausstellung sollte die Besucher förmlich „ins Moor eintauchen“ lassen. Sie sollten körperlich spüren, dass sie sich hier in einer vollkommen unbekannten Welt befinden. Es entstanden geschwungene Formen, organische und interaktive Elemente, wabernde Farbwelten, transparente Stoffe, ein tiefer gelegter Projektionsraum, der an den Abbau von Torf erinnert, Simulationen von Sonnenstrahlen im Moor und eine Soundwelt, die alles zusammenfügt. Dies alles erforderte gründliche Planungen, nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch bezogen auf den begrenzten finanziellen Rahmen des Budgets. Ein schwebendes, farbig leuchtendes Ausstellungssystem mit wechselnden Farbstimmungen. Es symbolisiert die Zellenstruktur der Torfmoospflanzen. In das Netz aus „Tubes“ sind alle Medien und interaktiven Exponate integriert..

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In der Folge floss nicht nur EXTREM viel Hirnschmalz, sondern auch EXTREM viel Zeit in die weitere Planung des Projekts. Denn nicht nur das Moor war EXTREM langsam, sondern auch das Fundraising. Die Eröffnung der Ausstellung verzögerte sich um ein ganzes Jahr. Doch diese Verzögerung bedeutete nicht etwa Stillstand. Ganz im Gegenteil. Es wurde auf Hochtouren weiter gearbeitet. Über ein Jahr lang wurde das Wurzacher Ried aus allen Blickwinkeln und zu jeder Jahreszeit und Wetterlage gefilmt und fotografiert. Zwei ansässige Kameraleute verbrachten Tage

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und Nächte im Ried. Für die EXTREME erfolgten aber auch Einsätze mit Highspeed-Kamera und ferngesteuerte Oktokopterflüge über das Ried. Extrem anstrengend wurde es auf Kahnfahrten im Riedsee, wenn der Regisseur forderte, man solle doch „gefälligst das Boot ruhig halten, wenn das noch etwas werden soll“. EXTREM leiden musste der Sound-, Geräusche- und Musik-Designer, bis eine Mischung hergestellt war, die sowohl biologisch / naturkundlich korrekt als auch ansprechend für die Besucher war.


Bild Oben: Der inszenierte zentrale Projektionsraum ist in den Boden eingelassen. Eine spiegelnde schwarze Wasserfl채che unterst체tzt die multimediale Show. Durch die eindrucksvollen Bilder vom Moor aus wechselnden Perspektiven, zu unterschiedlichen Wetterlagen, Tages- und Jahreszeiten tauchen die Besucher ein in Moor.

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Die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Fachingenieuren war zwar anfangs EXTREM reserviert - „die Innenarchitekten und Ausstellungdesigner pfuschen einem ja immer in’s Handwerk und fordern sogar noch Löcher in der Bodenplatte…“. Aber wie im Moor so hat auch im Projekt die EXTREM lange Zeit der Zusammenarbeit zu einem eingespielten Team von Spezialisten geführt. Alle Ideen wurden schließlich mit großem gemeinsamem Engagement verwirklicht. Die Gestaltung der Außenfassade, die tagsüber blickdicht und nachts transparent wird, ist beispielsweise ein Ergebnis dieser EXTREM guten Kooperation. Am 17. April 2013 wurde die Ausstellung in einem feierlichen Rahmen eröffnet. Die Besucher- und Presse-Resonanz war seither überwältigend. Was bleibt also von den EXTREMEN Anstrengungen? Eine außergewöhnliche Ausstellung. Sie bietet (fast) alles, was im Jahr 2009 konzipiert wurde. Eine gelungene Mischung aus Spannung und Spiel, Fakten und Fiktion, Lernen und Erleben.

MOOR EXTREM Naturschutzzentrum Wurzacher Ried Rosengarten 1, 88410 Bad Wurzach www.moorextrem.de Impuls-Design GmbH & Co. KG Gerberei 19, 91054 Erlangen www.impuls-design.de info@impuls-design.de

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Das Berliner Medizinhistorische Museum der CharitĂŠ

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Reise unter die Haut. Das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité

Das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité gibt es seit 1998. Es leitet sich ab aus einer berühmten Vorgängerinstitution, dem 1899 durch Rudolf Virchow, einem weit über Berlin hinaus bekannten Zellforscher, Pathologen und Politiker, gegründeten Pathologischen Museum der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Nach verheerenden Bombentreffern gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war das Haus in seinen Kernbeständen drastisch dezimiert worden. Zunächst konnte es nicht mehr weitergeführt werden. Allerdings verfolgten die leitenden Charité-Pathologen zur Zeit der DDR stets das Ziel, es dereinst wieder zu eröffnen. Seitens der Charité-Leitung entschloss man sich nach dem Fall der Mauer, an gleicher Stätte zwar wieder auf ein Museum hinzuarbeiten, jedoch sollte die neue Einrichtung nicht mehr exklusiv der Präsentation pathologischer Körperverhältnisse und diesen zugrunde liegender Krankheitsprozesse, sondern vielmehr der Vermittlung zentraler Entwicklungsschritte in der Geschichte der Medizin gewidmet sein. Daher auch der neue Name: Berliner Medizinhistorisches Museum (BMM) der Charité.

schen Pfaden, aber auch mit Blick auf aktuelle Fragestellungen greift es Zusammenhänge aus den Themenbereichen Körper und Geist, Gesundheit und Krankheit auf. Pro Jahr erreicht es damit inzwischen rund 80.000 Besucherinnen und Besucher aus allen Bevölkerungsschichten. Inzwischen ist das BMM durch seine auf medizinische und medizinhistorische Themen profilierte Präsenz zu einer festen und außerordentlich stark nachgefragten Größe in der Kultur- und Wissenschaftslandschaft Berlins geworden. Zahlreiche Einzelbesucher, aber auch viele Gruppen (insbesondere Schulklassen höherer Jahrgangsstufen, Medizinstudenten sowie Teilnehmer medizinischer Aus-, Fort- und Weiterbildungskurse) suchen das Haus gezielt auf.

Das BMM ist eine zentrale Einrichtung der Charité. Als ein Schaufenster der Medizin trägt es vor allem durch seine zahlreichen Ausstellungen (Dauer- und Wechselpräsentationen) wesentliche Inhalte der Medizin aus der Charité in eine breite interessierte Öffentlichkeit. Auf medizin-, wissenschafts- und kulturhistori-

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Die Geschichte des Museums - Das pathologische Museum Seit über 100 Jahren gibt es an der Charité ein Museum. Es hieß zunächst „Pathologisches Museum“. Sein Gründer, der weltberühmte Pathologe Rudolf Virchow, eröffnete es im Jahre 1899 und bestückte es bis Ende 1901 mit 23.066 Präparaten. In großen gläsernen Schauvitrinen auf fünf Etagen waren beinahe alle damals bekannten Erkrankungsformen zu sehen. Serien verschiedener Krankheitsbilder verdeutlichten unterschiedliche Ausprägungen bestimmter Leiden. Krankheitsverläufe traten deutlich vor Augen. Erkrankungen wie die Tuberkulose wiederum ließen sich an diversen Organen nachvollziehen. Ein beeindruckendes dreidimensionales Lehrbuch der Pathologie war entstanden. Für sein Museum hatte Rudolf Virchow lange Zeit gekämpft. Als er 1856 an die Charité berufen wurde, umfasste die Sammlung etwa 1.500 Präparate, die seine Vorgänger zusammengetragen hatten. Durch Übernahme anderer Präparatebestände, vor allem aber durch die ausgedehnte Sektions- und Präparationstätigkeit an seinem eigenen Institut, schuf er eine Sammlung, die keinen Vergleich zu scheuen brauchte. Virchows Motto lautete: „Kein

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Tag ohne Präparat.“ Rasch zeigte sich, dass das 1856 eigens für ihn errichtete Institutsgebäude die wachsende Sammlung auf absehbare Zeit nicht mehr aufnehmen konnte. Statische Probleme kamen hinzu. Im Jahre 1896 begann schließlich die groß angelegte Umbauphase der Charité mit dem Neubau der Pathologie. Den Anfang machte das Museumsgebäude mit insgesamt 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Virchow wollte sein Museum in dreifacher Hinsicht nutzen. In den drei oberen Stockwerken plante er eine Lehr- und Studiensammlung; hier sollten Studenten und Kollegen die Präparate im Eigenstudium betrachten können. In den unteren beiden Etagen, der so genannten Schausammlung, hatte die interessierte Öffentlichkeit Zutritt. Im Hörsaal erläuterte Virchow seinen Studenten Präparate aus allen Museumsebenen, um seine Hörer, wie er sagte, medizinisch sehen zu lehren.


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Virchows Präparate Rudolf Virchow maß seiner Sammlung pathologisch-anatomischer Präparate die höchste Bedeutung bei. Er nannte sie sein „liebstes Kind“. Die Fülle der hierin versammelten Krankheitsbilder dokumentierte für ihn den erreichten Wissensstand auf seinem Fachgebiet, der Pathologie, und verwies damit in eindrucksvoller Weise auf sein eigenes Lebenswerk. Die Präparate boten ihm „wirkliche Bilder“, mit denen er sein Wissen durch eine „unmittelbare Anschauung“ anderen vermitteln konnte. An seinen Präparaten unterrichtete er zum einen seine Studenten, zum anderen machte er große Teile seiner Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich. Das Präparat ist das Urobjekt allen medizinischen Sammelns. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurden vor allem an den anatomischen Forschungs- und Lehreinrichtungen der Universitäten, den anatomischen Theatern, Präparate gefertigt und aufbewahrt. Sie verdeutlichten zunächst vor allem die Strukturen des normalen Körperbaus. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Perspektive. Medizinische Forscher interessierten sich zunehmend für den kranken Körper. Vor allem an etlichen neu gegründeten englischen Medizinschulen entstanden kleinere Präparatesammlungen, die zumeist das wissenschaftliche Arbeitsgebiet eines Pathologen dokumentierten. Rudolf Virchow ließ sich vom britischen Vorbild für den Aufbau einer eigenen, allerdings umfassenderen Sammlung inspirieren. Mit seiner öffentlich zugänglichen Schausammlung wollte Virchow das Wissen um Gesundheit und Krankheit in der Bevölkerung mehren. Er zeigte in dieser Abteilung des Museums Präparate mit besonders eindrucksvollen Krankheitszeichen und präsentierte seltene Krankheitsformen – so etwa die Fehlbildungen – in größeren Reihen. An manchen Stellen fügte er in seine Vitrinen auch ergänzende Nachbildungen aus Gips oder Wachs ein und erläuterte bestimmte Sachverhalte durch beigestellte Texttafeln.

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Das pathologische Museum im 20. Jahrhundert In seinem öffentlichen Teil war das Pathologische Museum über Virchows Tod 1902 hinaus bis 1914 für interessierte Laien zugänglich. Der Erste Weltkrieg und die wirtschaftlich schwierige Nachkriegszeit setzten hier ein Ende. Fortan fungierte das Museum für mehrere Jahrzehnte ausschließlich als Lehr- und Studiensammlung für den medizinischen Unterricht. Alle Nachfolger Virchows fühlten sich jedoch dem Sammlungsauftrag des Instituts für Pathologie verpflichtet. Schließlich standen zu Beginn der Zweiten Weltkriegs rund 35.000 Präparate im Museum ein. Die Kriegsereignisse trafen Menschen und Einrichtung hart. Lediglich etwa 1.800 Präparate überstanden das Inferno relativ unbeschädigt. Nach Kriegsende war eine Nutzung des Gebäudes als Museum für längere Zeit nicht mehr möglich. Die verantwortlichen Charité-Pathologen setzten jedoch alles daran, die Präparatesammlung wieder aufzubauen. Mit dem Fall der Mauer nahmen die Vorstellungen, an gleicher Stelle wieder ein Museum einzurichten, konkrete Formen an. Allerdings entschieden sich die Verantwortlichen der Charité dazu, nicht mehr ein reines Pathologisches Museum im Zuschnitt Virchows anzustreben. Schließlich gelang es 1998, ein viel weiter gefasstes „Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité“ zu eröffnen.

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Dem Leben auf der Spur Herzstück des BMM ist seine Dauerausstellung, die mit seinen rund 1.400 historischen Objekten unter dem Titel „Dem Leben auf der Spur“ einen Gang durch die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin in den letzten 300 Jahren ermöglicht. Dabei betreten die Museumsbesucher nicht nur die zentralen Räume der Medizin – etwa das Anatomische Theater, den Seziersaal des Pathologen, das Labor, die Lehrmittelsammlung und den Krankensaal –, sondern sie begegnen auch zentralen Ak-

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teuren, wie beispielsweise Rudolf Virchow, Robert Koch, Emil du Bois-Reymond und Albrecht von Graefe. Sie wechseln wiederholt die Perspektive; so schlüpfen sie zum einen in die Rolle der engagierten Forscher und Kliniker, zum anderen in die Rolle des Patienten und seiner Angehörigen. Und sie erfahren etwa in einer eigenen Abteilung zur „Medizin im Nationalsozialismus“, wie anfällig eine biologistisch ausgerichtete Medizin für das „rasseideologische“ Gedankengut der Nationalsozialisten war.


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Ermöglicht wurde der Auf- und Ausbau des BMM über die letzten 15 Jahre hinweg neben dem Engagement durch die Charité vor allem auch durch die Einwerbung von Drittmitteln. Damit konnten nicht nur eine Reihe hochrangiger Sonderausstellungen, wie etwa „Leben mit Ersatzteilen“ (2006-2007), „Schmerz. Kunst und Wissenschaft“ (2007), „Vom Tatort ins Labor. Rechtsmediziner decken auf“ (2009), oder „WHO CARES? Geschichte und Alltag der Krankenpflege“ (2011) realisiert, sondern auch drei große Baumaßnahmen umgesetzt werden. Grundlage für alle Ausstellungsaktivitäten, aber auch für die am BMM etablierte medizin- und wissenschaftsgeschichtliche Forschung sind die historischen Objekte, die das universitäre Museum in seinen Sammlungen pflegt und bearbeitet. Mit rund 10.000 Stücken umfasst der Bestand an makroskopisch-pathologischen Präparaten das größte Einzelkontingent. Hinzu kommen zahlreiche historische Apparaturen und Instrumente aus unterschiedlichen Bereichen der medizinischen Grundlagenforschung und klinischen Anwendung, Lehrmodelle aus diversen Materialien wie etwa Wachs oder Gips, Lehrtafeln, Medaillen sowie Grafiken, Handschriften und ältere Druckwerke. Teils in Verknüpfung mit seinen Sonderausstellungen, teils auf der Basis einer fortge-setzten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit seinen eigenen Sammlungsbeständen realisiert das BMM ein umfangreiches Führungs- und Veranstaltungsprogramm. Zudem tritt es auf verschiedenen Wegen publizistisch in Erscheinung. Überdies betreibt es mit der so genannten Hör-

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saalruine einen Veranstaltungsort, der für sehr unterschiedliche Veranstaltungsformate – von der wissenschaftlichen key-note lecture im Rahmen wissenschaftlich hochkarätiger Meetings bis zu festlichen Empfängen am Rande von Kon-gressen – gebucht werden kann.

Alle Fotos: © Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité
 Charitéplatz 1 (ehemals: Schumannstraße 20/21) 10117 Berlin Tel +49 30 450-536156
 Fax +49 30 450-536905 bmm@charite.de www.bmm-charite.de


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Heimatmuseum Upgrade 2.0 Ein positiver Aufstieg für die Besucher Nach der Eröffnung: älter als zuvor. Ein Arbeitsbericht von MUSEUMSREIF! Jörg Werner

Das Auge Gottes, das Ohr des Elefanten. Wenn sich ein kleines Museum in einer kleinen Stadt eine „neue“ Dauerausstellung wünscht und von mehr Besuchern träumt, dann kommt dabei normalerweise –wenn der Traum wahr wird- ein „neues“ Heimatmuseum heraus. Das Museum in Hirschhorn am Neckar hatte aber drei Wünsche frei. Es wollte außerdem das Vermächtnis des Sammlers Carl Langbein bewahren und würdigen, dabei aber bloß „kein Heimatmuseum herkömmlicher Art“ werden. Deshalb ist dem kleinen Museum ein Wunder widerfahren: nach seiner Neueröffnung sieht das Alterthümer-Kabinett jetzt älter aus als vorher.

MUSEUMSREIF! hat dem Museum Hirschhorn am Neckar einen neuen „Anstrich gegeben“. und doch: heute älter als zuvor

Zugang zum Museum Links: Treppenhaus Alt Rechts: Treppenhaus Neu

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Nimmt man es genau, sieht die Dauerausstellung im Museum der Stadt Hirschhorn am Neckar jetzt so alt aus, wie es die dort gezeigte Sammlung des Gastwirtes und Multitalents Carl Langbein (1816-1881), eines wirklich außergewöhnlichen Sohnes der Stadt, tatsächlich ist. Der hat sich selbst als „Naturalist“ und als „warmer Teilnehmer alles Schönen und Religiösen, der Kunst und Wissenschaftsangehörigen“ bezeichnet, seinen Gasthof konsequenterweise „Zum Naturalisten“ genannt und dort alle seine Sammlerstücke unter gebracht. Zwar steht die weiße Eule, die ausgerechnet Mark Twain den Schlaf geraubt hat, heute wieder genau so da wie vor 130 Jahren. Wie aber damals die gesamte Sammlung im „Naturalisten“ präsentiert war, was sich Langbein dabei gedacht hat und welche Ziele er damit verfolgte, das weiß niemand genau. Nicht einmal Dr. Ulrich Spiegelberg, der das unbestrittene kollektive Gedächtnis der Stadt ist, die Langbein- Sammlung seit Jahrzehnten betreut und umfassend beforscht und im kongenialen Dialog mit MUSEUMSREIF die Erneuerung kuratiert hat.

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Während die Fachliteratur derzeit mutmaßt, dass sich „... Ausstellungsmacher vor die Frage gestellt (sehen), ob als geschlossene Werke inszenierte Ausstellungen noch zeitgemäß sind.“ (Angela Jannelli), hat sich MUSEUMSREIF an dieser Stelle bei Mark Twain Rat geholt. Der ist nämlich auf seiner Europareise hier im Gasthof „Zum Naturalisten“ abgestiegen und Carl Langbein leibhaftig begegnet. In seinem „Bummel durch Europa“ schreibt er darüber, dichtet aber wohl das Eine oder Andere noch hinzu, so dass fraglich ist, ob zum Beispiel die dramatische Floßfahrt auf dem Neckar wirklich statt gefunden hat. Aber nur wenige Seiten nach der Beschreibung des „Naturalisten“ nimmt sich Twain –selbst ein Sammler wie Langbein- das Thema „Sammel-Wahn“ vor und spricht über das damals gerade erschienene Buch eines englischen Sammlers, „The Bric-a-Brac Hunter“. Prinzip Wunderkammer Genau diese Spur haben die Ausstellungmacher von MUSEUMSREIF aufgenommen, recherchierten und ersteigerten dieses Buch. Tatsächlich zeigt dessen Frontispiz den englischen Sammler Major Byng Hall inmitten seiner „Wunderkammer“ im Jahre 1865 – zu einer Zeit, in der diese Art des Sammelns und Präsentierens eigentlich längst aus der Mode war und die ersten großen Museen gerade ihre Tore öffneten! Dass sein Hirschhorner Kollege ähnlich „gestrickt“ war, dafür spricht, dass auch Carl Langbein einen Traum hatte: mitten in der kleinen Stadt Hirschhorn hatte er begonnen, seinen Traum von einem Privatmuseum wahr zu machen und dort den Grundstein für eine Art Ritterburg im Kleinformat gelegt.



Wie in einem Museum strukturiert und geordnet wollte Langbein seine Sammlung also wohl nicht zeigen. „Wir fanden den Gedanken zunehmend plausibel, bei der Neukonzipierung der Langbein-Sammlung an das „Prinzip Wunderkammer“ zu denken“, sagt Jörg Werner von MUSEUMSREIF. Und deshalb klingt auch am Beginn der neuen Dauerausstellung das Thema „Sammeln“ an und stellt damit Dinge in Aussicht, „... die jenseits ihres materiellen Werts Bedeutungsträger und Zeichen sind, die auf etwas anderes verweisen, auf die Vergangenheit, der sie entstammen, auf eine fremdartige Existenzweise, deren einzige Zeugen sie sind, auf die Welt des Unsichtbaren.“ (Umberto Eco) So hat das Buch von Major Byng Hall hat seinen Platz in einer kleinen Vitrine direkt am Eingang gefunden, in einer Inszenierung zum Thema „Zeit“. Hier beginnt auch die Inventarliste der Sammlung, die als Tapete groß ausgedruckt ist und den Besucher als eine „begehbare Liste“ über zwei Etagen begleitet bis hin zum Eingang in die Ausstellung. Auch die Szenografie lässt von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, dass ein Abstecher in die Vergangenheit bevor steht, der den Besucher auch emotional charmieren will. Dazu tragen die großen Spiegel am Ende der Raumachsen ebenso bei wie die samtenen Volants und das Dekor auf den farbigen Wandflächen. Die MUSEUMSREIFEN Ausstellungsgestalter haben es sich nicht nehmen lassen, dies eigenhändig mit einer historischen Farbwalze aufzubringen. Sie glauben, dass aber letztlich ein farblicher Fehlgriff bei der Lasur der Fenstervitrinen ursächlich ist dafür, dass der schmale Grat zwischen alt und neu nicht ganz gehalten


wurde und jetzt schon einmal die Frage auftaucht, was genau denn eigentlich „neu“ sei an dieser Ausstellung. MUSEUMSREIF ist darüber aber nicht unglücklich: „Ein richtig altes Museum hat für Besucher sicherlich die wirkungsvollste Alleinstellung“. So konsequent wie der türkische Nobelpreisträger Orhan Pamuk, der in seinem Museum der Unschuld „... wie die Augenblicke durch die Linie der Zeit, ... die Gegenstände durch die Linie einer Geschichte verbunden...“ hat (Orhan Pamuk) , so konnte und sollte das in Hirschhorn nicht unternommen werden. Immerhin wird hier aber weniger Geschichte gelehrt als Geschichten hinter ausgewählten Objekten erzählt – aus fünf unterschiedlichen Perspektiven und per Audioguide. Eine Organisation der Erinnerung Aber eigentlich ist daran gedacht, es den Besuchern zu überlassen, welche Exponate sie beim „Bummel“ durch die Ausstellung für sich entdecken, auf welche Gedanken sie bei dem zum Teil überraschenden Nebeneinander der Dinge kommen. Das Ziel dieses Ansatzes ist insgesamt hoch gesteckt, befindet sich aber in guter Gesellschaft: Es geht den Gestaltern von MUSEUMSREIF hier eher um eine „Organisation der Erinnerung“ (Angela Janelli). Eine Ausstellung entsteht letztlich im Kopf des Besuchers Wie es auch im legendären Museum of Jurassic Technologie zu sehen ist, versuchen sie, auf das „metaphorische Potenzial der Objekte“ (Patrick Mauries) zu setzen. Dazu arrangieren sie auch





gern einmal „Objekte, die nicht zusammen gehören“ (Patrick Mauries). Ob Elefantenohr oder das Auge Gottes - dies entspricht dem Credo von MUSEUMSREIF, dass „... eine Ausstellung letztlich im Kopf des Besuchers entsteht“. Dem Dialog der Dinge folgen – mit den Augen und jenseits der Sprache Auch wenn neuere Literatur eine Renaissance der Wunderkammer feststellt und sich der Reiz von Wundern und Wunderkam-

mern zunehmend auf museale und künstlerische Präsentationen auswirkt - es gibt natürlich weiterhin die Erwartung, dass -wie gewohnt- Antworten gegeben werden zu Fragen, welche die Besucher selbst in der Regel nicht gestellt haben. Dass „Alle Besucher (sollen) auf ihre Weise dem Dialog der Dinge folgen können, mit den Augen und jenseits der Sprache“ (Orhan Pamuk), das erweist sich dann erst einmal als heeres Ziel. Auch deshalb endet der Rundgang an einer 4,80 m langen „Zeitleiste“, der einzigen interaktiven Lernstation, wo einerseits die Begebenheiten im Leben Langbeins und andererseits die


großen, seinen Horizont prägenden Ereignisse „draußen“ in der Welt gegenüber gestellt werden. Und wer hier darauf Wert legt, dass ein bestimmtes anderes, für ihn wichtiges Ereignis aufgeführt wird, der kann diese Liste ergänzen. Er kann aber auch sein privates Exponat in eine der leer stehenden Vitrinen einbringen und so für neue gedankliche Zusammenhänge zwischen den ausgestellten Dingen sorgen. Am liebsten wäre es den Ausstellungsmachern von MUSEUMSREIF, wenn es den Besuchern des Alterthümer-Kabinetts im Carl Langbein Museum Hirschhorn ginge wie Orhan Pamuk. Dem wurde bei einem seiner zahlreichen Museumsbesuche bewusst, „... dass die Vergangenheit den Dingen wie eine

Seele innewohnt und ich in jenen kleinen, stillen Museen eine Schönheit und einen Trost fand, die mich wieder ans Leben banden“ (Orhan Pamuk). Dass sie damit die Frage provozieren, ob dies der Institution Museum gerecht würde, ist den Ausstellungsmachern bewusst: „Ausstellung ist eben ein ganz besonderes Medium, das weit mehr vermag als zu informieren“. Quellen: - Pamuk, Orhan: Das Museum der Unschuld, München 2008 - Eco, Umberto: Die unendliche Liste, München 2011 - Janelli, Angela: Wilde Museen, Bielefeld 2012 - Mauries, Patrick: Das Kuriositätenkabinett, Köln 2001

Museumsreif GmbH Breite Strasse 37- 39 33692 Bielefeld info@museumsreif.com www.museumsreif.com Fotos: MUSEUMSREIF!

Museum der Stadt Hirschhorn Alleeweg 2 69272 Hirschhorn / Neckar Tel 06272-1742


Veranstaltung

szenografie in aus­ stellungen und Museen Zur Topologie des Immateriellen 22. – 24.01.2014 www.dasa­dortmund.de

Foto: Harald Hoffmann


Ein Kamerateam – unterwegs vor 300 Mio. Jahren

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Dies ist die digitale Rekonstruktion eines Quastenflossers, der vor 300 Mio. Jahren lebte. Die Versteinerung wurde in einem KohleflĂśz in der Dortmunder Zeche Zollern entdeckt und diente als Vorlage. Die Rekonstruktion bewegt sich lebensecht und kann in Zukunft fĂźr dokumentarische Visualisierungen verwendet werden.

Eine kaum vorstellbare Zeit ist inzwischen vergangen. Endlich sehen Sie den Film unter http://www.puppeteers.de/de/specials

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Ein Museumsgestalter inszeniert Berge Erfahrungs- und Erkenntnisbericht Otto Jolias Steiner

Die Anfrage kam unerwartet: „Würden sie auch auf dem Gornergrat einige kleine Inszenierungen machen?“ Wir waren mit der Entwicklung des Alpinen Museum in Zermatt beschäftigt und natürlich sehr interessiert, auf dem berühmten Ausflugsberg Gornergrat eine sichtbare Spur zu hinterlassen. Aus der Anfrage wurde ein eigentliches Arbeitsgebiet: Die Bespielung der Berge mit den Mitteln der Erzählkunst im hochalpinen Raum. Und durch das neue Arbeitsgebiet stellte sich die grundlegende Frage, die sich bei Museen nicht stellt: Braucht es in dieser grossartigen Natur Inszenierungen? Ist das überhaupt möglich?

Fotos: © Gornergrat Bahn

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Blick aus dem Hotelzimmer: „Mit dieser grossartigen Natur kann die beste Inszenierung nicht mithalten. Sie muss sich unterordnen.“

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Gornergrat Zermatt – Beginn der Berginszenierung Der Gornergrat liegt fantastisch. Der Berg ist seit mehr als hundert Jahren mit einer Zahnradbahn erschlossen. Sie kriecht doppelspurig durch Wälder und Alpwiesen in dreissig Minuten von Zermatt - einem der berühmtesten Wintersportorte der Alpen - hinauf Richtung Gornergrat. Auf rund 3‘100 Meter über Meer steht ein historisches Hotel mit einem grandiosen Blick auf das Matterhorn und weitere 27 Viertausender. Rund 20 neu sanierte Zimmer erlauben ein Übernachten in hochalpiner Umgebung. Jedes Zimmerfenster rahmt sein „Bild“ schöner als jede Postkarte. Weil Schlafen auf dieser Höhe nicht jedermanns Sache ist, habe ich das absterbende Licht am Abend, den aufgehenden Vollmond und die Geburt in den neuen Tag vom Bett aus erlebt. Diesmal diente die Sitzstütze im Bett nicht für das Lesen eines

Krimis, sondern für das Beobachten eines der eindrücklichsten Naturphänomene. Diese Bilder sind in meinem Gedächtnis eingebrannt. Es ist zum Weinen schön. Okay – wir wurden nicht engagiert, um zu sagen, dass alles gut sei, sondern um Ideen zu entwickeln, die den unterschiedlichen Kundenbedürfnissen entsprechen. Aber diese eine schlaflose Nacht hat die Suche nach einer adäquaten Lösung mit einer Masseinheit versehen: Mit dieser grossartigen Natur kann die beste Inszenierung nicht mithalten. Sie muss sich unterordnen. Wir mussten schmerzhaft lernen, dass wir hier einem ganz anderen Phänomen begegnen als etwa in einem Museum, das als Ausstellungsmaschine gebaut wird. Mit dem Gornergrat begann eine spannende Auseinandersetzung mit der Thematisierung und Inszenierung der Natur.

Fotos: © Gornergrat Bahn

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Erste Gehversuche

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Foto: © Gornergrat Bahn

Braucht es auf dem Berg Inszenierungen ?

Erste Gehversuche Zuerst entwickelten wir am Gornergrat in einem ersten Versuch Lesehilfen und Experimentierstationen, die am Weg von der Bergstation bis zum Hotel und von dort auf dem Pfad auf den eigentlichen Peak entstehen sollten. Diese Wege messen insgesamt einen halben Kilometer und haben einen Höhenunterschied von 50 Metern. Scheinbar nichts – aber auf dieser Höhe kommt mancher Flachländler ganz schön ins Schnaufen. Der Wunsch des Kunden: Helft uns die spezielle Situation der Höhe, der Geologie, der Botanik und der Tourismusgeschichte zu erklären. Bitte macht daraus interaktive, mehrsprachige Stationen für die rund 300.000 Besucher, welche jedes Jahr aus aller Welt anreisen. Die Stationen wurden weder gebaut noch aufgestellt: Wir haben gemerkt, dass unser Know-how im Bereich der Experimentierstationen dort oben nicht gefragt war. Irgendwie störten bereits auf den Illustrationen die Eingriffe in der Natur und sie reihten sich in die nicht unbeträchtlichen Kleininszenierungen unserer Vorgänger. Nachdem wir gesehen hatten, dass die erste Idee

nicht funktioniert, haben wir ein Ideenfeuerwerk gestartet und ganz unterschiedliche Inszenierungen angedacht. Vom UFO, das auf dem Bergspitz gelandet ist und für die Exterritorialen alles Mögliche aus den Bergdörfern des Wallis eingesammelt haben bis zur Drehtribüne als Panoramagenuss. Aber auch Kleininszenierungen am Wegesrand. Von all diesen klassisch angedachten „Museumsinszenierungen“ wurde nichts gebaut. Wir betrachteten unsere Vorschläge alle als zwar schönes Ideenmaterial, aber es überzeugte uns nicht endgültig. Wir konnten die Frage „Braucht es auf dem Berg Inszenierungen?“ nicht wirklich überzeugend beantworten. Eine Frage, die man sich so im Museum kaum stellt. Denn ohne Exponate und Inszenierungen ist ein Museum kein Museum, sondern höchstens ein wertvolles Baudenkmal. Es entstand für uns als erfahrene Inszenierer keine einfache Situation: Einerseits erwartete der Kunde eine schnelle und nachvollziehbare Problemlösung. Andererseits drängte unsere Geschäftsführung auf das Generieren eines schönen Auftrags.

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Aufräumarbeiten Unser Ziel und schwerste Hürde war, an einem der schönsten Plätze im Hochgebirge - am Gornergrat - ein markantes und stimmiges Statement abzugeben und eine Arbeit zurückzulassen, die das Publikum berührt und die sich optimal in die Landschaft integriert. Wir begannen, zuerst den Berg aufzuräumen. Wir haben die vielen kleinen Unzulänglichkeiten wegräumen lassen. Haben das zufällig Stehengebliebene entrümpelt, kleine landschaftliche Verluderungen geheilt. Nichts spektakuläres, ganz Alltägliches war unser Job. Eine Mauer wurde ergänzt. Die Grundmauern des ersten Berghauses bis zur Sitzhöhe korrigiert und mit einem bequemen Abschluss zum Hinsitzen versehen. Beim Aufräumen sind wir auch zu einem Gebäude gekommen, das klar erkennbar eine Kapelle war, aber aus Sicherheitsgründen so mit Spritzbeton behandelt wurde, dass auch der letzte Charme des Gotteshauses verloren gegangen war. Deshalb war die Kapelle auch geschlossen. Seit vielen Jahren. Sitzbänke waren kaputt, der Raum eine Rumpelkammer. Aber im Innern war es immer noch ein Ort der Stille und der Melancholie. Wir haben den Raum aufräumen lassen. Als kleine Intervention bauten wir einen Kerzenaltar, wie er in vielen katholischen Gotteshäusern steht. Ein Franken für ein Licht der Hoffnung. Und siehe da: Genau das suchen sehr viele Leute, verneigen sich, zünden eine Kerze an, denken an eine ihnen wichtige Person und bezahlen gerne diesen einen Franken. Über achttausend Kerzen werden monatlich hier angezündet und jede davon steht für eine Hoffnung. Den Erlös erhält der Pfarrer von Zermatt und setzt es für karitative Zwecke ein.

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Masterplan Gornergrat Für den Gornergrat haben wir anschliessend ans Aufräumen einen Masterplan entwickelt. Etappen sind die Talstation, sämtliche Zwischen- sowie die Bergstation. Darin wird eines der grossen Schweizer Themen durchdeklariert: Zeit und Vergänglichkeit. Zeit, die sich dehnt, schrumpft, davonläuft. Die grossen Dimensionen der Zeit wie ewig schmelzendes Eis oder der über alles gespannte Sternenhimmel. Und natürlich die konkreten Symbole der Zeitmessung: Die Uhr. Das Messwerk der Zeit. Der Taktgeber für die Unerbittlichkeit unseres Daseins. Rund um den Gipfel spannten wir eine Kreisbrücke mit 365 Metern Umfang. Die Brücke soll 600 Meter über dem Abgrund schweben und an zwei Stellen auf dem Berggrat aufliegen. Denn eines haben wir gelernt: Tourismus lebt von grossen Bildern mit Fernwirkung. Ein Bild, in das man sich verliebt und das man als Reisemotiv nutzt. Ein Bild, das sich einprägt, sofort wieder erkannt wird und im Bilderkanon einen festen Platz einnimmt. Es braucht in gewissen Abständen neue grosse Bilder. Sie ersetzen die Alten und Angestaubten, die schon von den Augen unserer Eltern angestaubt wurden und in tausend Nippsachen in den Wohnungen herumstehen. Zur Zeit entstehen in den Alpen ganz viele solche Kleinarchitekturen, die wie Schmuckstücke die Natur edeln und überhöhen. Und die das Publikum als eine Einladung zu einem Besuch versteht. Diese Eingriffe sind äusserst heikel. Und da wo sie funktionieren, werden sie zu Landart und Kultplätzen. Und da wo sie unsensibel und bloss als Marketingtool aufgebaut werden, beginnen sie schnell zu stören. Leider war die Zeit irgendwie nicht reif. Das Projekt Zeit und Vergänglichkeit wurde nicht ausgeführt, war aber für uns das Startsignal zu einem neuen Berufsfeld: Das Inszenieren der Berge.

Foto: © Gornergrat Bahn

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Zweite Erfahrung – Masterplan Pilatus Für den Pilatus, den Hausberg von Luzern, haben wir einen Masterplan entwickelt, der zum grossen Teil umgesetzt ist. Gebaut wurde unter anderem die Panoramagalerie auf dem Kulm. Sie verbindet die beiden Hotels mit den Bergstationen. Seither kann man auch bei Regen, Schnee und Sturm trockenen Fusses von einem Hotel zum anderen gehen. Die Gallerie erweitert das wettergeschützte Aussichtsangebot und erlaubt eine ganz vielfältige Bespielung des Peaks mit Veranstaltungen aller Art. Der Pilatus ist inzwischen aufgeräumt. Die Hotels wunderbar saniert. Das 19. Jahrhundertwendehotel Kulm lädt mit schlichten, schönen Zimmer zum Übernachten ein. Das Bellevue, als rundes Hotel aus den sechziger Jahren, konnte seinen Charakter behalten. Im Masterplan behaupteten wir, dass wir den Pilatus am Tag für die Masse und in der Nacht mit viel Klasse ausbauen wollen. Das ist gelungen. Wenn die letzten Besuchermassen den Berg um halb sechs Uhr verlassen haben, ist wie der Schalter umgelegt und wo bis vor kurzem Rummel war ist nun Ruhe und Genuss eingekehrt. Es ist so idyllisch, dass sogar die Steinböcke ganz nahe ans Hotel heranspazieren. Der Pilatus wird als Drachenberg bezeichnet. Diese Positionierung beruht auf historischen Sagen. Die Geschichten erzählen, hier sei die unruhige Seele des Pontius Pilatus beerdigt. Und Drachen hätten immer wieder die Stadt Luzern bedroht. Das

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Drachensymbol wurde zeitgleich mit dem aufkommenden Asientourismusstrom aufgebaut. Es ist zwar marketingrelevant in Print und Web, auf T-Shirts und Schirmen umgesetzt, vor Ort ist aber die Drachengeschichte nicht spürbar. Inszenierungen im engeren Sinne fehlen. Das spürt man spätesten, wenn man mit Kindern unterwegs ist. Da ist die schönste Aussicht schnell gesehen und es würden Spiel und Spass interessieren. Das möchten wir gerne bieten, auch wenn uns Hüpfburgen und Grossrutschen noch nie wirklich fasziniert haben. Ebensowenig Themenwege mit erklärenden Texten. Gefragt sind neue Lösungen jenseits der erfundenen Aussichtsplattformen und Seilparks. In unserem Masterplan haben wir einige Ansätze aufgezeigt. Sie sind aber den teuren Grundsanierungen und Neubauten sowie der Aussichtsgalerie vorerst zum Opfer gefallen.


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Dritte Erfahrung – Jungfraujoch Eine ganz andere Aufgabe stellte sich uns auf dem Jungfraujoch. Die Touristenattraktion Nummer eins in der Schweiz. Rund 800‘000 Gäste, zum grossen Teil aus fernen Ländern wie China, Korea, Brasilien und Indien, fahren pro Jahr durch den Eiger und Mönch zum Jungfraujoch. Dort oben im Schnee und Eis ist die Umgebung lebensbedrohend. Der touristische Betreiber muss alles mit höchster Sicherheit anbieten. Darum sind alle Verbindungswege und die Tunnels im Berg aus Sicherheitsgründen grösstenteils ausgespritzt. Die Aufenthaltsflächen sind klein und nur bedingt ausbaubar. Der Kostenfaktor auf 3‘500 Meter ist bei drei. Alles kostet drei Mal so viel wie auf dem schweizer Talboden. Der Masterplan sah vor, wie beim Gornergrat, zuerst aufzuräumen. Auf dem Joch bedeutete das zum Beispiel das Entfernen von 257 Schildern, die alles so deutlich beschrieben haben, dass der Besucher trotzdem nichts gefunden und immer noch gefragt hat. Wir haben den Schilderwald auf 25 Tafeln reduziert. Aber damit erlitten wir ebenfalls Schiffbruch. Wir mussten einige Schilder nachliefern und trotzdem laufen die Menschen manchmal falsch. Wir haben die Farbenvielfalt im Bahnhof reduziert auf jene Flächen, die für die Besucher wichtig sind und haben die unwichtigen in anthrazitgrau streichen lassen. Wir haben alle Abfalleimer vereinheitlicht.

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Der grosse Fortschritt brachte aber ein neuer Tunnel, der die zwei Hauptattraktionen Sphinx-Aussichtsterrasse und Eispalast verbindet. Mit diesem neuen Tunnel konnte verhindert werden, dass die Gäste drei Mal durch die Eingangshalle müssen. Dadurch zirkulierten die Gäste fast alle in die selbe Richtung. Das beruhigt sehr. Ein dreihundert Meter langer Tunnel auf dieser Höhe kostet sehr viel Geld. Er bringt an sich eine wesentliche Verbesserung der Logistik und des Besucherflusses, aber für den Einmalbesucher sind die langen Röhren nur unangenehme Orte. Vom schönen Gestein sieht man wegen dem Spritzbeton nichts. Also war die klare Forderung: Macht etwas Sinnvolles daraus. Wir haben uns an dieser Aufgabe ganz schön die Zähne ausgebissen. Entstanden ist die „Alpine Sensation“, in der die Eroberung der Alpen thematisiert wird. Angefangen bei den ersten Malern, die die Alpen aus der Ferne darstellten bis hin zu den ersten Alpinisten, die die Berge eroberten. Die ganzen Tunnels bemalt und mit Bildern belegt Weiter wird die Geschichte vom Bau der Jungfraubahn, von der genialen Idee des Pioniers Adolf Guyer Zeller bis zum gefährlichen Bau in dieser unwirtlichen Umgebung erzählt. 30 Bauarbeiter haben dieses Risiko mit dem Tod bezahlt. Ihnen haben wir ein eindrückliches Denkmal gewidmet. In einer Kaverne inszenieren wir den heutigen Rummel im Tourismus mit einer mechanischen Schneekugel, die im Zweiminutentakt ein Kaleidoskop von Bewegungen und Stimmungen im Massentourismus darstellt. Dieses Bild ist uns gelungen. Mit über 200 traumhaften Lampen in Form von Edelweissen schaffen wir einen Gesamtraum, der die trostlose Tunnelröhre vergessen lässt. Hier, beim mechanischen Theater, bleiben auch die schnellsten Gäste stehen, sodass die Guides gerne das eine oder andere Schäfchen verlieren. Zwei lange aufsteigende Strecken mussten wir mit Rollbändern bestücken, weil auf dieser Höhe jede Anstrengung sehr ermüdend ist. Wir haben die ganzen Röhren bemalt und mit Bildern belegt. Es ist eine unglaubliche Herausforderung, in diesem schnellen Wahrnehmungsgeschäft die Aufmerksamkeit zu gewinnen und zu behalten. Es verlangt eine unglaubliche Raumpräsenz. Wir kämpfen gegen den engen Zeitplan der Besucher und den Willen des Guides, seinen Gästen genügend Zeit in den Shops zu geben. Fotos: © Milan Rohrer, Zürich

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In einer grossen Eingangshalle zeigen wir einen atemberaubenden 360 Grad-Panoramafilm. Er wurde von einem Kamerateam aus Los Angelos mit einem Helikopter aufw채ndig gedreht. Der Film dauert drei Minuten und zeigt spektakul채re Bilder aus der Gletscherwelt rings um das Joch. Die Reaktion der Besucher ist bescheiden. Sie nehmen es zur Kenntnis und gehen weiter. Ausser man stoppt sie, erz채hlt was und dann beginnt das Bestaunen und Bewundern. Man muss also die Inszenierung inszenieren. Ein weisser Punkt am Boden, als Markierung der besten Sichtachse, hat die Resonanz wesentlich verbessert. Die Besucher wollen gerne an der Hand genommen werden.

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Foto: © Milan Rohrer, Zürich

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Vierte Erfahrung – Leuchtturm in den Bergen Aus einem unserer vielen Projekte für diverse Berggemeinden entstand der Leuchtturm auf dem Oberalppass. Mit diesem Projekt eröffnet sich ein weiteres Feld der Inszenierung im Dienste einer touristischen Entwicklung. Ein Leuchtturm auf 2‘100 Meter über Meer. Der höchstgelegene Leuchtturm der Welt. Klein und schelmisch steht er in einer einsamen Gegend. Warum? Wir hatten den Auftrag von der Gemeinde Tujetsch, eine Positionierung zu entwickeln, die dem Dorf eine touristische Zukunft gibt und den Sommertourismus ankurbelt. Wir sollten ein starkes Bild schaffen, mit dem die Region auf dem Markt auftreten kann. Die Rheinquelle liegt auf dem Gemeindegebiet. Aber abgelegen in einem Seitental, nur zu Fuss zu erreichen. Der Quellensee ist eine Idylle, die man vor einem grossen Besucherstrom schützen muss. In der Nähe der Quelle liegt die Oberalppasshöhe und dort ist an schönen Tagen im Sommer die Hölle los. In diesem Rummel wollten wir ein massives Zeichen für die Rheinquelle setzen.

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Foto: © Milan Rohrer, Zürich

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Entstanden ist die Idee, sich in Rotterdam ein hundert Meter langes Rheinfrachtshiff schenken zu lassen. Der Frachter würde mit grossem Tamtam den Rhein bis Basel hochfahren. Dort würde das Schiff zersägt und per Laster auf den Oberalp geführt. Mit dreissig Lastern. Oben auf dem Pass soll das Schiff wieder zusammengesetzt werden. Die Idee begeisterte fast alle, nur bei der Finanzierung haperte es. Wir wollten aber sofort ein sichtbares Zeichen setzen und entschlossen uns, dem zukünftigen Schiff bereits jetzt den Weg zu weisen. Wir bauten jenen Leuchtturm nach, der an der Rheinmündung in Rotterdam steht. Er wartet auf das Schiff und macht die Reisenden auf die Rheinquelle aufmerksam. Die Idee mit dem Schiff haben wir umformuliert: Anstatt den Frachter auf den Berg zu transportieren, formen wir ihn oben im nächsten Winter aus Schnee und Eis. Und im Frühling wird er sich ohne grossen Aufwand verflüssigen und den Berg hinunterfliessen. Rotterdam entgegen. Foto: © Milan Rohrer, Zürich

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Der Gipfel der Erkenntnis

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Inszenierung ist nötig, um die Augen der Gäste zu lenken

Man kann nicht nicht inszenieren

Erkenntnis 1:

Erkenntnis 2:

Seit rund zehn Jahren sammeln wir Erfahrung im Bereich der Berginszenierung. Wir sind schlauer geworden und haben einige Erkenntnisse gewonnen. Schon zu Beginn des Gornergrat-Auftrags sind wir viel herumgereist und haben verschiedene Ausgangslagen studiert. Überall das ähnliche Problem. Kein einziges begeisterndes Beispiel. Die Inszenierungen scheinen überall nicht wirklich nötig und überzeugend. Zudem ist das Verhalten der Besucher vorerst ein Rätsel, so z.B. auf dem Jungfraujoch. Es ist ein Extrempunkt. Obwohl kaum einer der 800‘000 Besucher fähig wäre, an diesen Ort zu Fuss zu gelangen, nehmen es alle Gäste fast als Selbstverständlichkeit wahr, in dieser Höhe die Natur zu bestaunen. Das rare Gut dieser Aussicht wird zur Verbrauchsware. Da kann noch so spannendes Wetter sein – nach drei Minuten haben alle Besucher auch das verrückteste Panorama gesehen. Genau dasselbe haben wir bei praktisch allen Bergdestinationen beobachtet. In diesem Rahmen hat die Inszenierung eine tragende und hinweisende Aufgabe. Sie muss die Augen der Gäste lenken, die Natur in Stücke fassbarer machen, Spannung aufbauen und Genuss ermöglichen. Wir beherrschen diese Kunst noch nicht wirklich und experimentieren an verschiedenen Orten weiter auf der Suche nach dem respektvollen Umgang mit dem Erlebnis Berg.

Eine zweite wichtige Erkenntnis: Es gibt keine nicht inszenierte Natur. Man kann nicht nicht inszenieren. Jeder Eingriff, wie klein er auch ist und wie unbewusst er gemacht ist, trägt in sich ganz viele Botschaften. Er ist Ausdruck einer Haltung und Meinung. Auch der Bau eines Wanderweges beinhaltet tausend kleine Entscheide, die in Summe zu einer grossen Aussage werden. Diese aus der Museumsgestaltung übertragenen Erkenntnisse hat unsere Arbeit entscheidend verändert. Im Museum weiss jedermann, dass die Vitrinen, die Bühnen, die Effekte bewusst gesetzt sind. In der Natur hat man eher das Gefühl, dass die Möblierungen wie Bänke, Zäune, Wege, Brücken, Ställe, usw. „gewachsen sind“. Aber wir mussten ganz klar erkennen, dass zum Beispiel die Wegeführung eine dramaturgische Gestaltung ist. Ja, dass das sogar die stärksten Impulse setzt. Wo startet ein Weg? Wie führt er durch die Landschaft, wo setzt er Höhepunkte? Erholungsfläche? Aussichtspunkte? Noch besser: Wie schafft man Sichtachsen und Betrachtungshilfen, damit die vorhandenen Qualitäten in eine optimale Betrachtung kommen? Wege sind Menschenwerk. Und als solches nicht einfach zwingend. Ein einfaches Beispiel: Bei einem Wanderweg auf dem Gornergrat zweigt ein Weg ab zu einem Wasserfall. 15 Minuten Aufstieg zu einem Ereignis. Niemand nutzt den Weg nach einer sechsstündigen Wanderung. Man ist zu müde – verpasst dafür aber eine der schönsten Attraktionen: ein wassersprühendes Ungeheuer. Wir haben den Wanderweg umgelegt und starten nun einen Kilometer vor dem Wasserfall mit einem sanften Aufstieg. Den alten Weg haben wir geschlossen. Auf den letzten 100 Metern vor dem Wasserfall sinkt der Weg ganz leicht und die Besucher fliegen praktisch in das Naturszenarium rein. Führung oder Verführung? Ich würde es bewusste Inszenierung nennen. Eine Inszenierung, die alle geniessen, aber niemand als solche wahrnimmt.


Aufräumen – Positionieren – Inszenieren

Das Inszenierte muss in seinem Kern die Besucher berühren

Erkenntnis 3:

Erkenntnis 4:

Das Projekt am Gornergrat zeigte uns zum ersten Mal deutlich, dass den Arbeiten eine Gesamtstrategie zu Grunde liegen musste. Eine Strategie für den ganzen Berg: von der Talstation bis zum Gipfel. Heute entwickeln wir Masterpläne nach dem Prinzip: Aufräumen – Positionieren – Inszenieren. Damals konnten wir diese Abfolge noch nicht benennen. Heute wissen wir um die Wichtigkeit, zuerst eine saubere Grundlage zu schaffen und darauf dann eine ortsverbindliche Positionierung zu definieren, die als Basis für die Inszenierung dienen kann.

Weiter haben wir festgestellt, dass das, was wir in den Bergen inszenieren, für die Besucher eine grosse Bedeutung und Wichtigkeit haben muss. Dies ist für mich die Voraussetzung, dass eine Inszenierung mit der grossartigen Natur mithalten kann. Speziell die „Kerzenkapelle“ auf dem Gornergrat hat uns beeindruckt. Das war unsere Aufgabe: neue Formen der Gnade, der Hoffnung und neue Formen für vergebende Gesten zu schaffen. Ausserhalb der Kirche, ohne Vereinnahmung durch Religionen, ganz auf den einzelnen Menschen zugeschnitten. Gerade auf den Bergen sind solche Plätze und Angebote gefragt. Dort oben, wo wir Menschen um ein Vielfaches besser spüren, wie klein und vergänglich wir sind. Dieser innerliche Prozess ist eine der möglichen Inszenierungen. Die Suche nach neuen und überraschenden Fragen, die an diesem exklusiven Ort gestellt werden, ist eröffnet. Es wird die Aufgabe vieler Gestalter sein, Alternativen dazu zu entwickeln.

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Steiner Sarnen Schweiz plant und realisiert Ausstellungen, Erlebniswelten und touristische Attraktionen vor allem im deutschsprachigen Europa. Bekannt sind in der Schweiz die Installationen im Besucherzentrum Maison Cailler in Broc, im Matterhornmuseum in Zermatt und in der Glasi Hergiswil. Auf dem Jungfraujoch, auf 3‘454 Metern Höhe, inszenierte das Zentralschweizer Unternehmen den Rundgang „Alpine Sensation“ sowie den 360°-Film „Jungfrau Panorama“. Im Rahmen der Weltausstellung 2012 in Südkorea konzipierte das Kreativatelier auch den Schweizer Pavillon.

Erst diesen Frühling feierte das 18-köpfige Team von Steiner Sarnen Schweiz die Eröffnung der Pre-Show „Archaeorama“ im Pfahlbaumuseum am Bodensee.

Otto Jolias Steiner www.steinersarnen.ch


symmetrisch fokussierend asymmetrisch fokussierend projizierend

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Wir geben den Dingen Raum Neugestaltung der Dauerausstellung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Mit Herz, Kompetenz und langjähriger Erfahrung ... entwickeln wir Ausstellungen, die Besuchern Geschichte nahe bringen. Unser Ziel ist es, den authentischen Ort, historische Quellen und individuelle Perspektiven respektvoll zu präsentieren und miteinander in einen lebhaften Dialog zu bringen. Von der Idee bis zur Ausführung sind wir mit kreativen Lösungen und Sorgfalt dabei. Ein Netzwerk kompetenter Mitarbeiter aus Grafik und Medien unterstützt uns bei der detailgenauen Umsetzung.

Vielschichtige Präsentationsmedien sprechen alle Sinne an und machen Geschichten zugänglich.

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Sorgfalt in allen Details bestimmen Planung und Aufbau.

und den Erinnerungen Gestalt

Individuelle Zeugnisse erhalten einen würdigen Rahmen.

graphische werkstätten feldstraße Konzept | Gestaltung | Ausstellung Feldstraße 48 20357 Hamburg info@gw-feldstrasse.de www.gw-feldstrasse.de

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„Unscheinbare Objekte zum Sprechen Die neue Dauerausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück Autor: Tim Tolsdorff Fotografin: Ute Freund

Die Szenerie könnte einem Roman von Theodor Fontane entstammen: Die Sonne schickt ihre Strahlen von einem kobaltblauen Himmel auf die märkische Landschaft hinab. Der sommerlich warme Westwind schüttelt das Schilf am Ufer des Schwedtsees und treibt kräuselnde Wellen über die Wasserfläche. Eine ländliche Idylle - ragte nicht nahe dem Ufer eine meterhohe Mauer auf, duckte sich nicht daneben ein Haus unter einen großen Schornstein. Die Bauten wecken beunruhigende Assoziationen, verweisen auf die dunkle Geschichte des Ortes. Von 1939 bis 1945 betrieb die SS hier, nahe dem Luftkurort Fürstenberg an der Havel, mit dem KZ Ravensbrück das größte Frauenlager auf

Ehemalige Kommandatur

Reichsgebiet. Hinter der Mauer waren Hunderttausende interniert. In einem 1943 errichteten Krematorium wurden die Leichen der im Lager an den katastrophalen Existenzbedingungen gestorbenen oder ermordeten Häftlinge verbrannt, bevor man ihre Asche in Massengräbern verscharrte. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Lagergelände die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Nach rund dreijähriger Vorbereitungszeit wurde am 21. April 2013 anlässlich des 68. Jahrestages der Befreiung in der ehemaligen KZ-Kommandantur eine neue Hauptausstellung eröffnet. Auf zwei Geschossen

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und rund 900 Quadratmetern Fläche beleuchtet die Ausstellung mit dem Titel „Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück – Geschichte und Erinnerung“ die Geschichte des KZ-Komplexes in allen Facetten. Zuvor musste die denkmalgerechte Sanierung des SS-Verwaltungsgebäudes abgeschlossen werden. Nach den Dauerausstellungen über das weibliche (2004) und das männliche SS-Personal (2010) sowie über den Zellenbau (2006) verfügt die Gedenkstätte Ravensbrück mit der Hauptausstellung nun über ein museales Zentrum, das vor allem den Frauen, Männern und Kindern aus ganz Europa gewidmet ist, die im KZ Ravensbrück inhaftiert waren. „Seit den beiden Dauerausstellungen von 1994/95 hat die Ravensbrück-Forschung enorme Fortschritte gemacht“, sagt die Gedenkstättenleiterin Dr. Insa Eschebach. „Es ist eine große Herausforderung und Chance, diese neuen Erkenntnisse in einer Ausstellung umsetzen zu dürfen.“ Die Gedenkstätte verfüge heute über mehr Quellen als je zuvor. Außerdem seien die Stimmen der Überlebenden ausführlich in der neuen Ausstellung präsent. „So zahlreich waren die Erinnerungen ehemaliger Häftlinge in der Gedenkstätte bislang nicht zu hören“, so Eschebach. Mit der 2011 vollzogenen Verlagerung von Archiv, Depot, Bibliothek und Verwaltung in neue Räumlichkeiten in den ehemaligen SS-Garagen hatte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten die Voraussetzungen geschaffen, um in einem weithin original erhaltenem Gebäude eine gegenüber den früheren Präsentationen wesentlich größere Dauerausstellung einzurichten. In insgesamt 13 Abschnitten thematisiert die Ausstellung nicht nur die Geschichte des Frauen-KZ Ravensbrück, sondern auch die Geschichte des ab 1941 eingerichteten Männerlagers, des „Jugendschutzlagers“ Uckermark sowie der zwischen 1942 und 1945 hinzugekommenen zahlreichen Außenlager, welche für die Einbindung Ravensbrücks in die NS-Rüstungsindustrie, für Zwangsarbeit und Ausbeutung stehen. Besucher erfahren De-


bringen“

tails über den Lageralltag und die Häftlingsgesellschaft, über die bewegenden Schicksale von Kindern und Jugendlichen. Auch die wohl düstersten Kapitel in der Geschichte des Ortes - Mord, Massensterben und die im Krankenrevier vorgenommenen medizinischen Experimente - werden detailliert dokumentiert. Zudem werden sowohl die Befreiung als auch die Nachgeschichte von Ravensbrück als Ort des Gedenkens und der Erinnerung beleuchtet. Eine große Herausforderung stellte die Planung der neuen Ausstellung für das von Alyn Beßmann geleitete Ausstellungsteam dar. Koordiniert werden musste die Arbeit von Historikern, Architekten, Kommunikationsdesignern, Illustratoren und Technikern. Die Ausstellungsgestaltung erfolgte durch das Hamburger Büro „graphische werkstätten feldstraße“. Die dort tätige Kommunikationsdesignerin Ika Gerrard beschreibt die Arbeit in Ravensbrück als Balanceakt, da man eine Ausstellung, die primär an die Opfer des Konzentrationslagers erinnern sollte, in einem Tätergebäude realisieren musste. Am Kommandantengebäude als „erstem Exponat“ hätten sie und ihre Kollegen sich bei der Gestaltung der Ausstellung durchaus gerieben. Unter der Brutalität und Menschenverachtung der SS und ihres Gefolges litten insgesamt rund 120.000 im KZ Ravensbrück inhaftierte Frauen. Sie waren aus unterschiedlichen Gründen festgenommen worden und zumeist ohne Gerichtsurteil in Haft. In den Baracken des Lagers drängten sich Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten aus über 30 Ländern. Viele hatten Widerstand gegen das NS-Regime im Deutschen Reich geleistet oder gegen die deutschen Besetzer ihres Landes revoltiert. Jüdinnen sowie Roma und Sinti wurden aus rassistischen Gründen verfolgt, gesellschaftliche Außenseiter als „asozial“ oder „kriminell“ stigmatisiert und ins KZ eingeliefert. Zu den Häftlingen zählten auch mehr als 800 Kinder und Jugendliche; sogar Säuglinge wurden mit ihren Müttern eingeliefert. Ab April 1941 gehörte zum KZ Ravensbrück auch ein Männerlager mit insgesamt 20.000 Häftlingen. Mehr als 1.500 Exponate werden im Rahmen der Ausstellung gezeigt, darunter sind Gegenstände, Berichte, Dokumente und Häftlingszeichnungen. Der Umfang dieser Sammlung ist ein Beleg dafür, dass den Erinnerungen der Verfolgten und ihren unterschiedlichen Perspektiven eine zentrale Bedeutung zukommt. Viele originale Objekte entstammen dem Besitz von Überlebenden aus aller Welt, wie zum Beispiel die Nagelschere der Luxemburger Kommunistin Yvonne Useldinger, die sie mit ihren Mithäftlingen teilte. Viele Exponate wurden der Gedenkstätte eigens für die neue Hauptausstellung zur Verfügung gestellt, wie zum Beispiel ein Kissen, das die 1943 nach Ravensbrück

verschleppte Luxemburgerin Leonie Schammel aus Ihrer Häftlingsjacke und Häftlingsnummer genäht hat. Hinzu kommen zahlreiche Fotos und Dokumente, die aus privaten Sammlungen und öffentlichen Archiven in aller Welt zusammengetragen wurden. Darunter befinden sich auch kürzlich entdeckte Fotos, die unmittelbar nach der Befreiung des Lagers im Sommer 1945 aufgenommen wurden und erstmals öffentlich gezeigt werden. Unterstützt wird die Darstellung von zahlreichen Medienstationen, wo vor allem Überlebende in Wort und Bild von ihren Erfahrungen und Erinnerungen berichten. Die Tatsache, dass in der Ausstellung viele Exponate unterschiedlichster Dimensionen zu sehen sind, beschreibt Ika Gerrard als „konservatorische Herausforderung“. Die Aufgabe, zahlreiche Vitrinen in unterschiedlichen Größen und Formen herzustellen, übernahm das Unternehmen Frerichs Glas mit seiner Marke creaspace. „Der große Anspruch bei diesem Projekt bestand darin, zum Schutz der Exponate spezielle Gläser mit UV-Schutz und speziellem Lichtschutz einzubauen“, sagt Jörg Lensch, bei Frerichs Glas als Produktmanager für die Ravensbrück-Ausstellung zuständig. „Denn Licht kann die Exponate zerstören.“ Aus diesem Grund habe man laminiertes Glas verwendet, bei dem zwischen zwei Glasschichten eine spezielle Schutzfolie verklebt wird. Dabei musste aus Gründen der Qualitätssicherung unbedingt vermieden werden, Luftblasen zu erzeugen. Eine Herausforderung, erst recht unter den gegebenen Umständen. „Wir mussten dieses Projekt in kurzer Zeit realisieren“, sagt Lensch. Der Aufwand, die Exponate sprichwörtlich ins richtige Licht zu rücken, hat sich gelohnt. Die Lichtplanerin Frau Zolghadri hat wesentlich dazu beigetragen. Mehr und mehr Besucher finden heute den Weg zur gut 80 Kilometer nördlich von Berlin gelegenen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Ihre Gesichter geben Auskunft über die Wirkung der neuen Dauerausstellung. Betroffenheit, Erstaunen und Verwunderung sind nur einige der Gemütslagen, die sich in den Mienen der Menschen widerspiegeln - etwa wenn sie vor der Vitrine stehen, die einen winzigen Lippenstift birgt. Das Schminkutensil, im Alltag vieler Frauen Teil der kosmetischen Grundausstattung, konnte im KZ den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Die Insassinnen nutzten es, um sich vor den gefürchteten Selektionen die Wangen zu röten. Auf diese Weise zauberten sie ein wenig Leben in ihre grauen und eingefallenen Gesichter - und erweckten den Anschein vorhandener Arbeitskraft. „Wir wollten zunächst unscheinbare Objekte zum Sprechen bringen“, sagt Gedenkstättenleiterin Insa Eschebach. Dieses Ziel hat man in Ravensbrück erreicht.

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Schamottemarken und Urnendeckel aus dem KZ Ravensbrück Diese Urnendeckel (im Hintergrund) wurden 1989 auf dem Fürstenberger Friedhof entdeckt, wo Häftlinge eingeäschert wurden, die im KZ gestorben waren. Eingeprägt sind die Namen der Toten, ihre Geburtsund Todesdaten sowie die Nummer einer Schamottemarke. Mindestens 20 der eingeprägten Namen gehören zu Polinnen, die in Ravensbrück hingerichtet worden waren. Nach dem Feuerbestattungsgesetz mussten den Leichen bei der Einäscherung nummerierte Schamottemarken beigegeben werden, um später eine eindeutige Zuordnung der Asche sicherzustellen. In den Krematorien der KZ wurden die Urnen jedoch, bevor sie an die Angehörigen verschickt wurden, wahllos mit Asche und einer beliebigen Schamottemarke gefüllt.

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„Szczasny Novy Rok – Docteur Zdenka“ (Frohes Neues Jahr, Doktor Zdenka) Dieses Leporello fertigte die französische Krankenschwester Violette Rougier-Lecoq am 1. Januar 1944 für die tschechische Häft` lingsärztin Zdenka Nedvédová-Nejedlá. Neben Szenen aus dem Arbeitsalltag im Revier sind auf der Rückseite eine Häftlingsärztin bei der Krankenversorgung und der SS-Arzt Treite dargestellt, der auf einem Tisch sitzt, während vor ihm Frauen zur Untersuchung antreten.

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Koffer von Cölestine Hübner, undatiert Mit diesem Koffer kehrte Cölestine Hübner am 20. Juli 1945 in ihre Heimatstadt Wien zurück. 1941 war die Hilfsarbeiterin wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt worden, 1942 wurde sie in das KZ Ravensbrück eingewiesen. Der Koffer stammte möglicherweise aus der Effektenkammer des Lagers.

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Babyhemd von Sylvia van Otten, vor 1945 Conny van Otten-Snijders brachte am 29. Januar 1945 im KZ Ravensbr체ck ihre Tochter Sylvia zur Welt. Mith채ftlinge beschafften dieses Hemd vermutlich aus der Effektenkammer. Sylvia van Otten wurde nur vier Wochen alt. Ihre Mutter nahm das Hemd ihres verstorbenen Kindes mit in die Freiheit und h체tete es jahrzehntelang als eine Kostbarkeit.

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Ordenskreuz von Schwester Marcelle Baverez, vor 1923 Dieses Kreuz wurde der Nonne Marcelle Baverez bei ihrer Ankunft im KZ Ravensbrück abgenommen und später durch eine andere Schwester ins Lager geschmuggelt. Mit diesem Kreuz legte Sr. Felixina Armbruster am 16. März 1944 heimlich die ewigen Gelübde ab. Sie bekräftigte damit ihre Bindung an Gott und den Orden der „Schwestern vom göttlichen Erlöser“.

Schachspiel von Doris Maase, um 1940 Das Schachspiel mit einem Spielfeld und einem Etui aus Kunstleder für die Steckfiguren fertigte die Ärztin und Kommunistin Doris Maase an. Sie war von Mai 1939 bis Juni 1941 im KZ Ravensbrück inhaftiert. Sie stiftete das Schachspiel 1959 der Gedenkstätte für das erste Lagermuseum.

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Ring von Rosa Jochmann, nach 1945 (Reproduktion) Der Ring symbolisiert die enge Verbundenheit zwischen Cilly Helten und Rosa Jochmann, die ihn nach dem Krieg anfertigen ließ. Er trägt die Haftnummern der beiden Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück und den roten Winkel der politischen Häftlinge. Der aus einem Zahnbürstenstiel geschnitzte Elefant war das Geschenk einer polnischen Gefangenen im Lager.

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Tote im befreiten KZ Ravensbrück, April 1945 Diese Fotos stammen aus den Akten zu dem französischen Prozess gegen den Lagerkommandanten Fritz Suhren und den Arbeitseinsatzführer Hans Pflaum; das Verfahren fand 1950 in Rastatt statt. Die Befreier machten Fotos von Leichen männlicher und weiblicher Häftlinge, die sie im Lager vorfanden. Auf der Rückseite der Stele finden sich die übersetzten Abschriften der Bildrückseiten.

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Gefäß, in dem polnische Kriegsgefangene Nachrichten von Häftlingen aus dem KZ Ravensbrück vergruben, 1943 1943 gelang es polnischen Frauen, Kontakt zu polnischen Kriegsgefangenen aus einem Lager in Neubrandenburg aufzunehmen. In Briefen schilderten sie ihre Haftbedingungen und berichteten von Menschenversuchen und Erschießungen im KZ Ravensbrück. Die Kriegsgefangenen vergruben dieses Glas mit den geheimen Mitteilungen. 1975 wurden es wieder aufgefunden. Das Original befindet sich in der Gedenkstätte Auschwitz, die der Gedenkstätte Ravensbrück aber die Reproduktion der Exponate erlaubte.

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Radiosender, um 1943 Viele Angehörige des norwegischen Widerstands hielten per Funk Kontakt untereinander und zur Exil-Regierung in London. Im Herbst 1941 beschlagnahmten die deutschen Besatzer alle Radios. Meldungen des britischen Rundfunks wurden daraufhin durch illegale Zeitungen verbreitet – eine Form des Widerstands, in der viele Frauen aktiv waren.

Bibel von Gertrud Pötzinger, herausgegeben in Elberfeld 1920 Die Häftlinge durften im Lager keine Bibel besitzen. Um 1942 entdeckten einige Zeuginnen Jehovas im Altpapier für die Heizungsanlage eine Bibelausgabe. „Wir zerteilten sie. Jede erhielt zwei oder drei Seiten, die dann immer wieder weitergegeben wurden“, berichtete Gertrud Pötzinger über das heimliche Bibelstudium mit ihren Glaubensschwestern.

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Entstehung und Entwicklung des KZ Ravensbrück Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler begann im Januar 1933 die nationalsozialistische Diktatur. Politische Gegner wurden in Gefängnissen und eilig errichteten Lagern inhaftiert. Zunehmend verfolgten die Nationalsozialisten auch Menschen, die sie aus der rassenideologisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgrenzten. Bereits 1933 entstanden erste „Frauen-Schutzhaftlager“. Die vorhandenen Haftstätten reichten bald nicht mehr aus. Im Mai 1939 wurde nahe der Stadt Fürstenberg das KZ Ravensbrück als zentrales Frauen-Konzentrationslager des NS-Regimes eröffnet. Nach Kriegsbeginn ließ die SS das Lager stetig vergrößern, da nun zahlreiche Frauen aus den besetzten Ländern eingewiesen wurden. Ab 1942 wurden über 40 Außenlager errichtet, viele für Zwecke der Kriegswirtschaft. Der erste Raum der Ausstellung beherbergt unter anderem dieses Lagermodell. Eine digitale Fotoschau visualisiert die Entwicklung des Lagers bis 1945 und die Umwandlung in eine Gedenkstätte ab 1959.

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Zahnbürsten, vor 1945 Manche Häftlinge durften ihre Zahnbürsten bei der Einlieferung behalten, andere konnten sich eine von Verwandten schicken lassen oder in der Lagerkantine kaufen. Nicht nur für die Körperpflege, auch als Tauschobjekte waren Zahnbürsten von Bedeutung. Aus den bunten Kunststoffstielen schnitzten Häftlinge kleine Kunstobjekte.

Lebensmittelpaket des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), um 1944 Das Rote Kreuz schickte Kriegsgefangenen Fleisch- und Gemüsekonserven, Kekse und Zigaretten. 1943 genehmigte die SS zunächst Paketlieferungen an namentlich bekannte KZ-Häftlinge, später auch Sammellieferungen. Die SS hortete und plünderte viele Pakete. Bei der Räumung des Lagers erhielten zahlreiche Häftlinge ein Rot-Kreuz-Paket als Wegzehrung.

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Die SS im KZ Ravensbrück Der Kommandanturstab des KZ Ravensbrück war in sechs Abteilungen gegliedert: An der Spitze stand der Kommandant. Bis zu 90 SS-Angehörige waren in der Verwaltung tätig. Die Zahl der SS-Aufseherinnen und der SS-Wachmänner wuchs mit der dramatischen Zunahme der Inhaftierungen. 1939 waren 55 Aufseherinnen in Ravensbrück angestellt, von denen einige bereits im KZ Lichtenburg gearbeitet hatten. Im Januar 1945 bewachten mehr als 500 Aufseherinnen die weiblichen Häftlinge im KZ Ravensbrück und seinen Außenlagern. Von 1942 bis Herbst 1944 diente Ravensbrück als zentrale Ausbildungsstätte für Aufseherinnen, von denen die meisten nach kurzer Zeit in Außenlager versetzt wurden. Für die Bewachung der weiblichen Häftlinge wurden bereits 1939 abgerichtete Hunde eingesetzt, im Männerlager erst ab 1942. Die Wachmannschaft wuchs von zunächst 250 auf rund 1.000 Männer im Jahr 1945 an.

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Nummernbuch des Männerlagers Ravensbrück, 1941–45 In dieses Nummernbuch ließ die SS 13.490 Gefangene mit Haftart, Namen und Geburtsdatum eintragen. In der Spalte „Bemerkungen” sind Überstellungen in andere Lager oder Todesfälle verzeichnet. In zusätzlichen Listen finden sich weitere 6.519 Namen. Dem Lagerschreiber Józef Kwietniewski gelang es bei der Räumung, die Hefte aus dem KZ zu schmuggeln.



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Gedenkst채tte Berliner Mauer

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Foto: Š Stiftung Berliner Mauer, Jßrgen Hohmuth, zeitort

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Entlang der Bernauer Straße verlief bis 1989 die Berliner Mauer. Die Folgen der Abriegelung wurden hier, an der Grenze zwischen den Stadtteilen Wedding und Mitte, besonders dramatisch sichtbar: Die Fassaden der Wohnhäuser auf der Ost-Berliner Straßenseite bildeten die Grenzlinie, der davor liegende Gehweg gehörte bereits zu West-Berlin. Freunde und Nachbarschaften wurden auseinandergerissen, ganze Familien wagten den Sprung aus dem Fenster in die Freiheit. An diesem historischen Ort befindet sich heute die Gedenkstätte Berliner Mauer. Sie verläuft entlang des ehemaligen Grenzstreifens zwischen Ost- und Westberlin. 220 Meter der Berliner Mauer, die einst auf einer Länge von 155 Kilometern West-Berlin umfasste, sind hier noch erhalten. Die Gedenkstätte gehört zur Stiftung Berliner Mauer und wurde im September 2008 als Teil des Gedenkstättenkonzepts des Berliner Senats und des Bundes geründet. Das nationale Denkmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft, die Kapelle der Versöhnung, das Fenster des Gedenkens sowie die erhaltenen Grenzanlagen bilden den Kernbereich der Open-Air-Ausstellung, die sich auf 1,4 Kilometern Länge erstreckt und von einem Aussichtsturm aus einsehbar ist. Mit Stäben und Platten aus rostendem Stahl werden der Verlauf der Vorderlandmauer und des Postenwegs nachgezeichnet, abgerissene Grenzhäuser und Fluchttunnel markiert. Hörstationen und Infotafeln auf dem Gelände berichten von Menschen, die durch die Mauer Freunde, Familie oder sogar ihr Leben verloren. Anhand von QRCodes können sich die Besucher über die mobile Website www. berliner-mauer.mobi von drei verschiedenen Touren durch die Open-Air-Ausstellung leiten lassen. Die Gedenkstätte Berliner Mauer bietet regelmäßig Veranstaltungen wie Lesungen, Diskussionen, Konzerte und Ausstellungen an, im Bereich der politischen Bildung darüber hinaus Seminare, Projekttage und Zeitzeugengespräche. Zu den Jahrestagen des Mauerbaus am 13. August sowie dem Fall der Mauer am 9. November finden an der Bernauer Straße die zentralen Gedenkveranstaltungen statt. „Unsere Chance – am Beispiel der nun glücklicherweise historischen Mauer – ist die Thematisierung der Grundthemen von Freiheit und Demokratie“, erklärt Prof. Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer.

Foto: © Stiftung Berliner Mauer, Jürgen Hohmuth, zeitort

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Foto: © Stiftung Berliner Mauer

Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde Zur Stiftung Berliner Mauer gehört auch die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde im Berliner Süden. Das Notaufnahmelager Marienfelde wurde 1953 eröffnet. Es diente knapp vierzig Jahre lang in West-Berlin als erste und zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR. In dieser Zeit passierten 1,35 Millionen Menschen dieses schmale „Tor zur Freiheit“. 2005 wurde die ständige Ausstellung zur Flucht im geteilten Deutschland eröffnet. Sie dokumentiert auf rund 450

Quadratmetern die Geschichte der deutsch-deutschen Fluchtbewegung. Über 900 Exponate – zahlreiche Originaldokumente, Fotografien, Gegenstände aus Marienfelde und von Flüchtlingen bieten Einblicke in dieses Kapitel der jüngeren deutschen Zeitgeschichte. In Marienfelde finden regelmäßig Vorträge, Zeitzeugengespräche, Filmpräsentationen und Lesungen statt, außerdem gibt es spezielle Führungen und Bildungsangebote für Schulklassen und Lehrer. Darüber hinaus besitzt die Erinnerungsstätte ein Archiv mit Geschichten und Erinnerungen von DDR-Flüchtlingen und Übersiedlern.

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Angebote für Besucher und Besucherzahlen ZIn den ersten acht Monaten dieses Jahres besuchten bereits mehr als eine halbe Million Menschen die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße. Das entspricht durchschnittlich 2057 Besuchern am Tag. Mit diesen Zahlen gehört die Gedenkstätte Berliner Mauer zu den meistbesuchten Gedenkstätten der Hauptstadt. Seit der Eröffnung des Dokumentationszentrums im Jahr 1999 kamen bereits mehr als 3,5 Millionen Gäste, viele davon aus dem Ausland. Parallel zu den steigenden Besucherzahlen hat sich auch die Anzahl der Führungen, Seminarangebote und Projekttage stetig vergrößert, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich. „Wir arbeiten daran, unsere Seminare, Sonderführungen und Veranstaltungen kontinuierlich und generationsgerecht an neueste Forschungsergebnisse anzupassen und dabei touristische Anforderungen zu berücksichtigen. Denn uns geht es nicht nur um die Quantität an Besuchern, sondern gerade auch um die Qualität unserer Informationsangebote“, betont Prof. Klausmeier. Die Besucherinnen und Besucher kamen in den vergangenen Jahren nicht nur immer zahlreicher in die Bernauer Straße – sie verbrachten auf dem Gedenkstättengelände auch mehr Zeit. Dauerte der durchschnittliche Aufenthalt 2009 noch 25 Minuten, sind es 2013 bereits 1 ¼ Stunden, wie Prof. Klausmeier berichtet: „Das heißt, die Leute setzen sich damit auseinander.“ Übersiedlern. Fotos: © Stiftung Berliner Mauer, Jürgen Hohmuth, zeitort

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Worldcafé und historisch-politische Bildung Im Konzept des „Worldcafés“ fließen zwei zentrale Schwerpunkte der Stiftungsarbeit zusammen: Politische Bildung und Zeitzeugenarbeit. Der Arbeitsbereich historisch-politische Bildung organisiert seit 2012 die Veranstaltung in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, bei der zwischen 100 und 150 Schüler mit Zeitzeugen und Experten ins Gespräch kommen. Das Worldcafé ist mittlerweile ein integraler Bestandteil der Gedenkveranstaltung zum 13. August. In den Gesprächen in Kleingruppen werden nicht nur die Ereignisse rund um den Tag des Mauerbaus beleuchtet, sondern die Jugendlichen erhalten auch einen Einblick in das Leben in der geteilten Stadt und die Folgen des Mauerbaus für die einzelnen Bürger und ihre Familien. Damit schlägt das Format eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart und lässt Schüler anhand der Zeitzeugenberichte an der Lebenswelt in der DDR teilnehmen. „Wie können wir der nächsten Generation die Geschichte vermitteln?“ lautet für Stiftungsdirektor Prof. Axel Klausmeier die zentrale Frage der historisch-politischen Bildungsarbeit. „Die Generation, die jetzt heranwächst, kennt die Mauer nicht mehr. Ich denke, das prägt auch unsere Arbeit“.

Foto: © Stiftung Berliner Mauer, Gesa Simons

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Besuch Michele Obama mit TĂśchtern am 19. Juni 2013

Fotos: Š Stiftung Berliner Mauer

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John-F.-Kennedy-Ausstellung im Dokumentationszentrum Anlässlich des 50. Jahrestages des Besuchs des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy in Berlin, bei dem er die berühmten Worte „Ich bin ein Berliner“ sagte, zeigt die Stiftung Berliner Mauer eine Ausstellung historischer Fotos. Entstanden sind die Bilder, als der Hobby-Fotograf und damalige Student Michael-Reiner Ernst den Besuch mit seiner Kamera begleitete. Er gehörte zu den fast zwei Millionen Berlinern, die sich an diesem 26. Juni 1963 an den Straßen und Plätzen West-Berlins drängten. Mit seiner Kamera reiste der damals 23-jährige dem Präsidenten fast durch die ganze Stadt hinterher und drückte mehr als 100 Mal auf den Auslöser. Resultat ist die eindrucksvolle Foto-Dokumentation « John F. Kennedy 1963 in Berlin », die noch bis November 2013 kostenlos im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Berliner Mauer zu sehen ist.

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Michael-Reiner Ernst wurde 1939 geboren und wuchs in Rangsdorf im damaligen Kreis Teltow auf. 1951 zog er nach West-Berlin. Er schenkt der Stiftung Berliner Mauer seinen zeithistorischen Fotonachlass von insgesamt rund 1500 Bildern. Originalmaterialien wie diese sind eine wichtige Unterstützung für die Dokumentation der deutschen Teilungsgeschichte und werden Bestandteil der Gesamtdatenbank beider Stiftungsstandorte, welche die Abteilung Sammlungen und Archiv der Stiftung derzeit aufbaut. Diese wird die einzigartigen Bestände sicher aufbewahren und sie künftig sowohl für die Wissenschaft, als auch für die historische Bildungsarbeit nutzbar machen. Damit ist die Möglichkeit eines archiv-pädagogischen Angebots für nachfolgende Generationen ebenso gegeben, wie die spätere Einbindung der digitalisierten Bestände in nationale und internationale Kulturportale.


Foto: © Michael-Reiner Ernst

Foto: © Michael-Reiner Ernst Foto: © Stiftung Berliner Mauer

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Foto: Š Michael-Reiner Ernst

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Foto: © Michael-Reiner Ernst

Gedenkstätte Berliner Mauer Besucherzentrum Bernauer Straße 119 13355 Berlin http://www.berliner-mauer-gedenkstaette.de info@stiftung-berliner-mauer.de

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Die 800 Jahre alte teutonische Festung ist seit 15 Jahren UNESCO- Weltkulturerbe

Schlossmuseum Malbork, Polen Im dreizehnjährigen Krieg wurde die Marienburg im Juni 1457 von polnischen Truppen besetzt. Die Verwaltung des Schlosses oblag nun dem königlichen Landvogt und dem ihm unterstellten Burgvogt. Aus den von Hofbeamten im 16. und 17 Jahrhundert durchgeführten Sichtungen der Marienburg geht hervor, dass die Bestimmung der einzelnen Teile geändert wurde. Das Hochschloss war nunmehr kein Kloster mehr, sondern diente Beschaffungszwecken und der Lagerung von Festungsvorräten. Es lagerten dort Teer, Pech sowie Salz, Bier, Hopfen und sonstige Nahrungsgüter. Die Festungsmannschaft und die Beamten wohnten im Mittelschloss. Die Vorburg blieb strikt militärischen Zielen untergeordnet. Im Karwan wurden Kanonen, Kugeln und sonstige Feuerwaffen gelagert, in den Basteien und Türmen Pulverfässer sowie Fässer mit Salpeter. Die Burganlage, von den Ordensrittern errichtet und modernisiert, wurde zu polnischen Zeiten vernachlässigt. Die Instandhaltung der großen Burganlage war sehr kostspielig, stets mangelte es an Mitteln für diesen Zweck. In den Sichtungsurkunden lesen wir immer wieder darüber. Bereits in einer der ersten wird von einem Riss in der Nordwand des Großen Remters berichtet. Dieser Schaden beschwor ein Problem herauf, das erst heutzutage gelöst werden konnte. Zu Beginn des 17. Jh. wurden einige der Räumlichkeiten des Hochmeisterpalasts zu Königsgemächern umgewandelt. Die

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Die Kuratorin Anna Sobecka setzt auf traditionelle Ausstellungskonzepte und Technologie, um Geschichte, Kunst und Bernstein im Kontext zu zeigen.


Schwedenkriege richteten im Hauptteil der Festung keine ernstzunehmenden Schäden an. Schwerwiegend war indessen der zufällige Dachbrand des Hochschlosses im Mai 1644. Zerstört wurden damals auch die mittelalterlichen Kreuzgänge, die anschließend ganz anders, und zwar im Barockstil, wiederaufgebaut wurden. Im Jahre 1647 erhielt die Kirche ein neues Dach. Die Renovierung der übrigen Teile zog sich dahin. So stürzten 1675 die Gewölbe des Südflügels und des Kapitelsaals ein. Erst Mitte des 18. Jh. wurde das Hochschloss auf Weisung König Augusts II. des Starken neugedeckt. Der Hauptturm gewann einen Turmhelm mit Laterne hinzu. In den Jahren 1756-1767 wurde zwischen der Liebfrauenkirche und dem Mittelschloss, dort, wo früher der Pfaffenturm gestanden hatte, der große Bau des Jesuitenkollegs errichtet. Der Jesuitenorden sorgte in den Jahren 1652-1772 für die Schlosskirche. Die Bauarbeiten am Mittelschloss beschränkten sich Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jh. auf die laufende Instandsetzung von Räumlichkeiten des Nordflügels, die für die Vogtei bestimmt wurden, sowie des Ostflügels für Zwecke des Marienburger Geschäftslebens

Roblon LED Serie Corvus im Einsatz beim Schlossmuseim in Malbork

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Bernsteinsammlung Schon kurz nach seiner Gründung im Jahre 1961 begann man im Schlossmuseum, Kunstgegenstände aus Bernstein zu sammeln. Von Anfang an war man bemüht, Objekte dreier Kategorien zu erwerben: Naturexponate, historische Kunstgegenstände sowie zeitgenössische Kunst. Die Natursammlung zählt über 700 Naturbernstein-Exponate unterschiedlicher Größe, Form und Farbe, wobei einen großen Teil von ihnen organische Inklusionen tierischer und pflanzlicher Herkunft auszeichnen. Den wichtigsten Teil der Sammlung bilden Sehenswürdigkeiten aus Bernstein, die im Zeitraum von der Jungsteinzeit bis zur Zwischenkriegszeit entstanden sind. Die wertvollsten Ausstellungsstücke stellen zweifellos die neuzeitlichen Objekte, wie: die weibliche und männliche Halskette aus dem 17. Jahrhundert, der Altar aus dem Jahre 1687, Schatullen und Skulpturen aus 17. Und 18. Jahrhundert, sowie ein Kabinett der damals dem König Stanislaus II August Poniatowski gehörte. Die zeitgenössischen Erzeugnisse in der Museumssammlung lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Arbeiten von zumeist anonymen Künstlern aus den sechziger Jahren des 20. Jh., die in den Anfangsjahren erworben wurden sowie Goldschmiedekunst aus Werkstätten bekannter polnischer Künstler (Piro-Gruppe, Janusz und Waldemar Góralscy Maria und Paweł Fietkiewiczowie, Wanda und Bogdan Frydrychowiczowie, Mariusz Drapikowski und Paulina Binek). Multimedia-Präsentationen, ein virtueller Wald und eine Laser-Zeitlinie lassen die Besucher zusammen mit dem Bernstein auf seiner geologischen, historischen und kulturellen Reise in die Gegenwart reisen. Die physische Sammlung bleibt im Vordergrund durchgehend beleuchtet. Hierzu werden Roblon LED Leuchten Pyxis, Corvus und Libra eingesetzt.

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Fotos von der Beleuchtung | Roblon Agentur Polen Alfa-Zeta www.swiatlowody.com Mit freundlicher Genehmigung des Malbork Castle Muzeum www.zamek.malbork.pl Weitere Fotos | www.roblonlighting.com

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Eine extrem leise, kompakte, vielseitige und extrem energieeffiziente Lichtgeneratorserie von Roblon. Reduziert den Energieverbrauch um mindestens 63% im direkten Vergleich mit Halogen-Generatoren bei gleicher Lichtleistung. Diese Produktserie ist bereits in vielen internationalen und bedeutenden nationalen Museen zum Einsatz gekommen.

• Dimmbar. Warm weißes Licht • Hohe LED-Qualität mit 90+ CRI • Austauschbares LED Modul • Extrem lange Lebensdauer • Einfache Handhabung • 1:1 anwendbar bei existierenden Glasfaserreferenzen. • Ideal für viele funktionelle Lichtlösungen z.B. in Vitrinen.

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„Wir lieben die Beschäftigung mit winzig kleinen Details. Der Gesamtentwurf muss absolt zuverlässig sein, dann bringen die kleinsten Details das Ganze zum Lächeln“ Steffen Schmelling | Schmelling Industriel Design

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Kontakt: Stefan Lendzian Telefon: +45 9620 3360


Die Bedeutung guter Verpackung Museum Art Foam Verpackungen erfüllen hohe Ansprüche Museum Art Foam Verpackungen erfüllen hohe Ansprüche Die diversen MAF Produkte, Museum Art Foam, erfüllen höchste Ansprüche, die beim Verpacken oder Lagern von wertvoller Kunst gestellt werden. Das heißt, daß säurefreie Materialien auch absolut säurefrei sein müssen. Daher sind diese Materialien geprüft und werden den Nutzern Testergebnisse und Datenblätter zur Verfügung gestellt. Säurehaltige Materialien können im Laufe der Zeit, abhängig vom Material des Kunstgegenstandes, Schäden an diesen Objekten verursachen. Trotz eines säurefreien Grundmaterials, müssen bei der Verarbeitung Handschuhe getragen werden, um dieses auch säurefrei zu halten. Die Entscheidung für ein bestimmtes Material (meistens PE) ist von der Empfindlichkeit und dem Gewicht des Kunstobjektes abhängig. Auch die Art des eventuellen Transportes und das Transportmittel sind bei der Materialwahl entscheidend, wobei crosslinked und non-crosslinked durch seine Zellstruktur zu unterscheiden sind. Zudem ist oft die Densität des Materials auschlaggebend (15 – 50 kg/m³). Das Material wird von Innosell auf das gewünschte Maβ zugeschnitten, wobei Toleranzen des jeweiligen Materials mit einkalkuliert werden. Die meist verwendeten Materialien sind: grobzelliges PE MAF 301, auch als ITEF oder Ethafoam Platten bekannt, Plastazote und Evazote Materialien, Polyether und recycletes PU. Polyether und recycletes PU sind normalerweise nicht säurefrei, wobei das Polyether von Innosell mit einem PH-Wert von ± 6,5 nahezu säurefrei ist. Nicht säurefreie Materialien dürfen nur kurzzeitig mit Kunstgegenständen in Berührung kommen, jedoch ist zu empfehlen, immer eine extra Schutzschicht zwischen Kunstobjekt und Polyether zu verwenden, wie zum Beispiel Museum Tyvek oder MAF 020 von Innosell. Die MAF-Materialien sind meist PAT- oder Oddy getestet. Verwendungsbeispiele sind unter anderem die Bekleidung von Fachböden und Schubläden im Depot, Transportverpackungen, Schubladenteiler, Münzenschaum, Buchunterstützungen und andere spezielle Verwendungen.

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Damit der Kunde ein besseres “Feeling” mit den verschiedenen Arten der Verpackungen bekommen kann, stellt Innosell Musterkoffer (MAF Foamboxen) zur Verfügung, in denen sich Muster der meist genutzten Materialien befinden. Das Verpackungsmaterial von Innosell wird in vielen Ländern in West-Europa verwendet. Durch Verträge und Vereinbarungen mit europäischen Transportfirmen, bleiben die Transportkosten minimal. Zudem wird ein Großteil mit eigenem Transport geliefert.

Im Rahmen der Nachhaltigkeit hat Innosell ein Projekt gestartet, wobei Abfallmaterial zurückgeholt und feingemahlen wird, damit es dann wieder für andere Verwendungen genutzt werden kann. Innosell liefert einen Container, in dem der Foam-Abfall gesammelt und der regelmäßig wieder abgeholt wird. Sowohl große als auch kleine Museen und Transportfirmen haben bereits den Vorteil einer Zussammenarbeit mit Innosell entdeckt und schätzen diese sehr.

www.innosell.com info@innosell.com

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Die Keltenwelt am Glauberg Autor: Thomas Lessig-Weller

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Foto: Š kadawittfeldarchitektur, Werner Huthmacher

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Wie ein überdimensionierter Fundkarton aus Stahl schiebt sich das 2011 eröffnete Museum aus dem Südhang des Glaubergs. 2500 Jahre früher war die fruchtbare Region am Ostrand der Wetterau, 30 km nordöstlich von Frankfurt am Main, Schauplatz eines kulturellen Lebens, das heute gemeinhin als „keltisch“ bezeichnet wird. Und hier war es auch, wo ab 1994 die Gräber von drei eisenzeitlichen Aristokraten geborgen wurden. Zur überregionalen Bedeutung des Ortes Glauberg führte jedoch schließlich die Entdeckung einer lebensgroßen Statue aus Stein, die als detailreiches Abbild eines adeligen Kriegers des 5. vorchristlichen Jahrhunderts interpretiert werden kann. Zusammen mit den Funden aus den drei Gräbern aus der Zeit der Kelten bildet die Skulptur das Herzstück der auf einer Fläche von 500 Quadratmetern präsentierten Ausstellung.

Foto: © R. Abduhl-Nour

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Foto: Š Keltenwelt am Glauberg, H. Goll

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Die Reduktion auf das Wesentliche, Natürliche, findet sich nicht nur bei der Fassade des Gebäudes. Sie wird auch von den in den Räumen verwendeten Materialen aufgenommen. Stahl und Beton in ihrer Ursprünglichkeit bilden das tragende Element des architektonischen Konzepts. Die anthrazitfarbene Beschichtung der Ausstellungskörper unterstreicht diesen Ansatz und schafft den würdigen Rahmen für die Exponate, die noch heute von der Wertschätzung für die Verstorbenen künden, denen sie einst ins Grab folgten. Die Raum- und Lichtgestaltung in der Ausstellung lässt etwas vom Wesen der Altertumswissenschaft erahnen, aus der sich das Museumskonzept nährt: Die Dunkelheit der Vergangenheit und des Nichtwissens wird durch Erkenntnisse wie Schlaglichter erhellt. So leuchten etwa dem Besucher im Eingangsbereich der Ausstellung Zitate antiker Autoren entgegen, die von den „Kelten“ und „Galliern“ berichten. Propaganda, Gerüchte oder authentische Tatsachenberichte? Die ebenfalls an den Wänden zu lesenden Zitate unserer Zeitgenossen belegen, dass die antiken Quellen die Sichtweise auf jene Menschen der Eisenzeit weit mehr prägten, als die archäologischen Funde aus der Zeit des 8. bis 1. Jahrhundert, dem Zeitalter der „Kelten“.

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Foto oben: Š Keltenwelt am Glauberg, H. Goll, unten W. Fuhrmannek

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Der Bedeutung der Exponate, die vom Leben und Sterben vor 2500 Jahren an der Peripherie der keltischen Kultur zeugen, wird durch eine ansprechende Präsentation gebührend Rechnung getragen. Die den Relikten innewohnende besondere Faszination soll frei wirken können. Daher stört keine Replik oder zu plakative Didaktik den Zugang zum einst von Menschenhand geschaffenen Gegenstand, nicht selten einem Kunstwerk erster Güte. Manche Gegenstände scheinen frei im Raum zu schweben, andere drehen sich auf Tellern und ermöglichen so die Betrachtung von allen Seiten. Den Ausstellungsmachern ist es wichtig, die Würde der Funde zu erhalten und dennoch den „Elfenbeinturm“ der Wissenschaft zu öffnen und die Besucher aller Altersklassen am Erkenntnisgewinn teilhaben zu lassen.

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Und so geben die hinter Guckis versteckten Stereoskopien von Rekonstruktionsversuchen der Grabbeigaben den Blick auf eine mögliche vergangene Realität frei. Es ist der „Zahn der Zeit“, der als unerbittlicher Filter nur Teilbereiche des einstigen Lebens bis in unsere Zeit nachwirken lässt - und dies mit reichlich Interpretationsspielraum. Ausgehend vom archäologischen Fund als Keimzelle der Erkenntnis, bietet das Ausstellungskonzept Möglichkeiten an, assoziativ der Frage nachzugehen, wer jene „Kelten“ letztlich wirklich waren. Die Beantwortung der Frage beginnt mit der Analyse der Fundstücke und ihrer Einordnung in einen kulturellen Kontext. Weiterführende Informationen zu ausgewählten Fundstücken und Themen findet der Besucher in Schubladen unterhalb der Vitrinen. Es ist dieses Wechselspiel aus Faszination für das Original und der Versuch, die eisenzeitlichen Relikte vom Glauberg zum Sprechen zu bringen, das sich als roter Faden durch die Ausstellung zieht.

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Foto: Š Keltenwelt am Glauberg, H. Goll

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Foto: © kadawittfeldarchitektur, Werner Huthmacher

Es waren Luftbildaufnahmen von 1987, die am Südwesthang des Glaubergs auffällige, kreisförmige Strukturen zeigten. Geomagnetischer Prospektionen zwischen 1994 und 1999 ließen umfangreiche Befunde im Boden erkennen. Und tatsächlich entdeckten die Archäologen einen Grabhügel mit drei keltischen „Fürstengräbern“ mit reichhaltigen, vollständig erhaltenen außergewöhnlichen Grabbeigaben, einem „Kultbezirk“ mit Relikten von vier Sandsteinstatuen – eine davon fast komplett erhalten – sowie der zugehörigen Siedlung und förderten so eine archäologische Sensation europäischen Ranges zu Tage. Die besondere Atmosphäre des ca. 30ha großen archäologischen Areals inmitten von Feldern, Wiesen und Wäldern würdigen kadawittfeldarchitektur mit einem Entwurf, der einen klar konturierter Baukörper zurückhaltend in die sanfte Topographie fügt. Halb im Hang verborgen richtet sich das Museum wie ein Fernrohr zum Keltenhügel aus und lässt dabei bewusst den Grabhügel Hauptakteur sein. Einem Findling ähnlich liegt das Gebäude in der Landschaft, verzichtet dabei auf große Gesten und agiert trotzdem als selbstbewusste Landmarke.

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Über einem gläsernen Sockel scheint ein scharf umrissener von Corten-Stahl rostbraun gefärbter Quader zu schweben. Das Material stellt den Bezug zu den darin ausgestellten Objekten aus der frühen Eisenzeit her. Der geschützte Freiraum unter der mächtigen Auskragung dient als Start- und Endpunkt für den Rundgang auf dem archäologischen Lehrpfad und für die Erkundung des Museums. Eine breite Treppenrampe im Inneren des Gebäudes nimmt die topografischen Gegebenheiten des Ortes auf und leitet den Besucher langsam in die Ausstellung. Der geschlossene Körper gewährt eine Ausstellungssituation, die dem Schutz der fragilen Exponate gerecht wird und den Besucher ganz in die kontemplative Atmosphäre der Keltenwelt eintauchen lässt. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist das große Panoramafenster, das einen beeindruckenden Ausblick auf den Grabhügel ermöglicht, der so zum eigentlichen Ausstellungsstück wird. Das Dach als Aussichtsplattform ermöglicht den Rundblick in die eindrucksvolle Landschaft und gibt den ‚Himmel’ zum Entdecken frei.


ARCHITEKT: kadawittfeldarchitektur BAUHERR: Land Hessen vertreten durch das HMWK und das HBM REALISIERUNG: 2008-2011, Wettbewerb 2006, 1. Preis BAUVOLUMEN: BGF 2190 m2, BRI 9500 m3 PREISE: Auszeichnung vorbildlicher Bauten in Hessen 2011

Das Prinzip der Schichtung dient als Leitmotiv der Ausstellungsarchitektur. Ausgehend von den Abläufen einer archäologischen Grabung wird die Geschichte und Kultur der Kelten in einzelnen Schichten freigelegt. Unterschiedlich geformte, horizontal verlaufende und vertikal geschichtete Bänder, die vor- und zurückspringen, bilden wandlungsfähige Ausstellungskörper und modellieren in einem neutralen Raum differenzierte Zonen und Übergänge. Vorsprünge, Tische, Ablagen, Nischen und Sitzstufen bieten unterschiedliche Präsentationsmöglichkeiten für die vielseitigen Aspekte der Keltenwelt und erlauben die Integration von flachen Schaukästen, über Medienstationen bis hin zu Ausstellungsvitrinen. Um die berühmte Sandsteinstatue des keltischen Herrschers vom Glauberg gruppieren sich 500 m² Festausstellung und 100 m² Sonderausstellung in einem offen miteinander verzahnten Keltenkosmos. Eine Erlebniswelt in der Architektur, Keltenwelt und Landschaft miteinander verschmelzen. Der Besucher wird zum ‚Mitforscher‘, der in einem offenen Raumkontinuum ohne vorgegebenen Parcours immer wieder Neues entdecken kann. Foto: © Keltenwelt am Glauberg, U. Seitz-Gray

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Fotos: Š Keltenwelt am Glauberg, U. Seitz-Gray

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Ein besonderes Augenmerk richten die Ausstellungsgestalter auf die wissenschaftlichen Methoden, die eine wichtige Rolle bei der Enträtselung der Geheimnisse vom Glauberg spielen. Mittels interaktiver Stationen zu Themen wie Paläobotanik und geomagnetische Prospektion wird gezeigt, dass sich Archäologie zu einer hochkomplexen und interdisziplinär arbeitenden Wissenschaft entwickelt hat. Doch auch die geisteswissenschaftliche Betrachtung des Phänomens „Kelten“ kommt nicht zu kurz. Hörnischen, in die sich die Besucher zurückziehen können, warten mit Texten auf, die einen ganz eigenen Zugang zum Thema „Kelten“ ermöglichen. Ihren Anteil daran haben sicherlich auch die Spiele zu Kleidung und Gebäuden, die sich nicht nur an junge Museumsbesucher richten. Ergänzend zur Ausstellung bilden spezielle Angebote den Einstieg in eine intensivere Auseinandersetzung mit der Materie „Keltenforschung“. So steht wissbegierigen Familien mit dem Expeditionskoffer museumsdidaktisches Lehrmaterial zur Verfügung, um die Ausstellung auf eigenen Faust zu erkunden und Forschung im Wortsinn zu „begreifen“. Auch das reichhaltige Führungs- und Workshop-Programm für unterschiedliche Zielgruppen lässt die Besucher tiefer in die Welt der Kelten (und ihrer Erforschung) vordringen. Foto: © Keltenwelt am Glauberg, T. Lessig-Weller

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Fotos: Š Keltenwelt am Glauberg, U. Seitz-Gray

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Foto: Š Keltenwelt am Glauberg, W. Fuhrmannek

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Fotos: Š Keltenwelt am Glauberg, H. Goll

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Foto: Š Keltenwelt am Glauberg, H. Goll

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Zu den Stärken des Konzepts der Keltenwelt am Glauberg zählt zweifellos die enge Verbindung zwischen Exponat und Fundort. Nur wenige hundert Meter liegen zwischen der Ausstellung und der einstigen Siedlung, die im 5. vorchristlichen Jahrhundert auf dem nahezu flachen Bergplateau des Glaubergs lag und heute im 30 Hektar großen Archäologischen Park beheimatet ist. An die Grablege des „Keltenfürsten“ erinnert heute ein gewaltiger rekonstruierter Grabhügel mit daran anschließendem Grabensystem, der eine unmittelbare optische Beziehung zum Museum aufbaut. Am Glauberg ausgegraben, am Glauberg erforscht und am Glauberg der Öffentlichkeit präsentiert – so lautet das zukünftige Credo der Keltenwelt am Glauberg, einer Einrichtung der hessenARCHÄOLOGIE im Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Wesentlichen Anteil daran hat das eigens dafür eingerichtete Forschungszentrum der Keltenwelt am Glauberg, als Garant für neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Und so liegt mit der Keltenwelt am Glauberg ein innovatives Konzept vor, das die Basis schafft, um Vergangenheit zu erforschen, Ergebnisse zu vermitteln und so eine der archäologisch interessantesten Fundstätten Deutschlands stets attraktiv zu gestalten.

Keltenwelt am Glauberg Am Glauberg 1 63695 Glauburg Telefon: 06041 – 82 33 00 anfragen@keltenwelt-glauberg.de www.keltenwelt-glauberg.de

Keltenwelt

am Glauberg

Foto: © Keltenwelt am Glauberg, P. Odvody

Museum . Archäologischer Park . Forschungszentrum

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ISB`13 – Biennale der Szenografie 7.-10. November in Ludwigsburg

Eric Gauthier, CELEBRATION POPPEA POPPEA Foto: © Regina Brocke

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Der Begriff Szenografie hat sich in der deutschen Kulturlandschaft seit der Expo Hannover 2000 für eine Disziplin etabliert, die sich dem Raum widmet. Szenografie will Objekte zugänglich und Inhalte lesbar, erfahrbar und interpretierbar machen – sie vermag diese begehbar zu inszenieren. Szenografie bedient sich dabei der Gestaltungspotenziale aus Architektur, Interior Design, Theater, Oper, Film, Kunstinstallationen und Performances. Der gemeinsame Nenner all dieser Disziplinen ist der Raum. Der szenografische Raum ist ein choreografierte Raum bzw. eine Choreografie von Raumabfolgen. Dabei berücksichtigt gute Szenografie Raum und Inhalt gleichermaßen; sie intendiert ein Gesamtkunstwert im Wagnerschen Sinn und ermöglicht die Darstellung von Content im Kontext mittels Zusammenspiel verschiedener Disziplinen und Kombination unterschiedlicher Medien. „Gute Szenografie informiert und fasziniert – sie vereint Logik und Magie.“ (Prof. Uwe R. Brückner)

Szenografie wird zunehmend als Universaldisziplin der Raumgestaltung wahrgenommen. Mit der Internationalen Szenografie Biennale (ISB), veranstaltet von der Film- und Medienfestival gGmbH und kuratiert von Prof. Uwe R. Brückner und Céline Kruska, wird ein Forum für Repräsentanten dieser noch jungen, aufstrebenden Disziplin in der Kreativregion Stuttgart etabliert. Die ISB’13 findet vom 7. bis 10. November 2013 in der Barockund Medienstadt Ludwigsburg statt – wobei Ludwigsburg selbst mit dem Residenzschloss und dem original erhaltenen, barocken Schlosstheater zwei historische Referenzorte der Szenografie bietet. Kooperationspartner der ISB’13 sind die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, die Filmakademie Baden-Württemberg sowie die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Partner der Veranstaltung ist die Zumtobel Group.

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THE ART OF HOLISTIC DESIGN Die diesjährige Internationale Szenografie Biennale widmet sich der ganzheitlichen szenografischen Gestaltung von Räumen. Im Sinne einer zeitgemäßen und disziplinübergreifenden Gestaltungsphilosophie werden Szenografen, Architekten, Designer, Kunstschaffende ebenso wie Wissenschaftler, Museumsfachleute und Entrepreneurs in Lectures und Performances ihre Philosophie vom gestalteten Raum und ihren Umgang damit vorstellen. Der szenografierte Raum ist ein dynamisch gedachter Raum, der in unterschiedlichen Ausprägungen auftritt und wahrgenommen wird. Die Biennale nimmt den architektonischen, medialen, skulpturalen und performativen Raum in den Blick und zeigt damit das breite Spektrum szenografischen Gestaltens auf. Aus rund 10 verschiedenen Ländern konnten namhafte Referenten gewonnen werden, darunter der österreichische Multimediakünstler Peter Kogler, der schweizer Animationskünstler François Chalet, die italienische Architektin Doriana Fuksas, Christopher Bauder - Gründer des Berliner Büros WHITEvoid, der dänische Architekt Kim Herforth Nielsen - Mitbegründer des international erfolgreichen Architekturbüros 3XN, der chinesische Papierkünstler Li Hongbo, der Kreativdirektor des weltbekannten Cirque du Soleil Welby Altidor, die dänische Inszenierungsikone Kirsten Dehlholm und die französische Raumkünstlerin Odile Decq.

Academic Meeting Ein eintägiges Hochschulsymposium rundet das dreitägige Programm ab. Herausragende studentische Arbeiten werden vorgestellt und aktuelle Forschungsfragen der Szenografie und Gestaltung diskutiert. Im Anschluss an das Konferenzprogramm gastiert die Gauthier Dance Company und eine anlässlich der diesjährigen Biennale entwickelte Produktion des türkischen Künstlerkollektivs Nerdworking feiert Premiere. Szenografie, Performance, innovative Medientechnik und genreübergreifende Tanzkunst fusionieren so in diesen Tagen zu einem neuen Format. Im Vorfeld der Biennale findet am 7. November im Reithaus Ludwigsburg das Partnerevent RAUMWELTEN – Businessplattform für räumliche und mediale Kommunikation statt. Veranstalter sind die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) und die Film- und Medienfestival gGmbH; kuratiert wird die Konferenz von PLOT – Plattform für Inszenierungen im Raum. Thematisch im Mittelpunkt stehen Messestände, Unternehmensausstellungen und die Inszenierung von Produkten oder Firmenevents. Agenturen aus der Region Stuttgart – und darüber hinaus – präsentieren gemeinsam mit ihren Auftraggebern erfolgreiche Projekte räumlicher Kommunikationsmaßnahmen. Neben Vorträgen und einem moderierten Austausch zwischen namhaften Branchenvertretern wird es eine Reihe von Gesprächsrunden geben, bei denen die Teilnehmer mit Experten direkt in den Dialog treten und über konkrete Fragestellungen diskutieren. Die Konferenz richtet sich an Unternehmer, Entscheider und Marketingexperten kleiner, mittelständischer und großer Unternehmen der regionalen und überregionalen Wirtschaft.

www.sceno-biennale.com www.raum-welten.com

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Peter Kogler 2011 Dirimart Gallery, Istanbul Foto: © Manuel Gorkiewicz


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ISB`13 – Biennale der Szenografie 7.-10. November in Ludwigsburg

Vita Prof. Uwe R. Brückner, Architekt und Bühnenbildner, leitet das ATELIER BRÜCKNER als Kreativdirektor. National wie international wird er als Protagonist der Szenografie geschätzt. Als einer der Gründungsdirektoren etablierte er im Jahr 2006 das biennale International Scenographers’ Festival in Basel. 2012 folgte das International Scenographers’ Meeting in Stuttgart, aus dem heraus die Internationale Szenografie Biennale (ISB) als konsistente Plattform für die internationale Gestalterbranche entwickelt wurde. Uwe R. Brückner lehrt an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel und der Tongji Universität, Shanghai. Gemäß sei-

ner Philosophie „form follows content“ setzt er auf die individuelle, inhaltsgenerierte Gestaltung von Rauminszenierungen. Dabei verfolgt er einen integrativen, holistischen Gestaltungsansatz: Mittels Architektur, Grafik-, Medien- und Lichtgestaltung werden Objekte inszeniert und Inhalte auf sinnfällige Art und Weise in begehbare Raumsujets übersetzt. Uwe R. Brückner versteht sich als Autorengestalter; er überrascht mit ungewöhnlichen Raumchoreographien, dynamischen, innovativen Architekturen und narrativen Rauminstallation. National wie international setzt er sich für eine Rezipienten-orientierte, zeitgemäße Gestaltung von Ausstellungen ein.

www.atelier-brueckner.com

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Prof. Uwe R. Brückner – Das Interview Herr Brückner, mit der Internationalen Szenografie Biennale initiieren Sie ein Gestalterforum in der Kreativregion Stuttgart. Was ist die Idee dahinter, was ist Ihr Ansporn? Die Szenografie entwickelt sich zunehmend zur Universaldisziplin der Raumgestaltung. Vor dem Hintergund dieser Entwicklung wächst der Bedarf an einer Diskussions- und Austauschplattform über Szenografie und ihrer Potentiale. Was bedeutet die zunehmende Überschreitung, Auflösung und Neuformierung traditioneller Grenzen zwischen den verschiedenen Gestaltungsdisziplinen? Was macht die Faszination von inszenierten Räumen aus? Wo liegen die Gefahren einer gestalterischen Kakophonie? Und welche Bedeutung hat der narrative Raum? Von diesen und ähnlichen Fragen werde ich geleitet. Erste Impulse konnten wir mit dem International Scenographers’ Meeting im November 2012 in Stuttgart setzen – ein erfolgreicher und wirksamer Startschuss, dem nun die Internationale Szenografie Biennale in Ludwigsburg folgt. Wie unterscheidet sich Szenografie aus Ihrer Sicht von herkömmlicher Ausstellungsarchitektur? Im Gegensatz zur herkömmlichen Ausstellungsarchitektur, die eher eine Distanz zwischen dem Objekt und dem Adressaten erzeugt, sucht die Szenografie eine möglichst große Nähe zum Betrachter zu erwirken – ein partizipativer Ansatz. Als mündiger Besucher entscheide ich selbst, wann ich welche Information abrufen möchte. Dabei ist auch die Dramaturgie wichtig: Wir im ATELIER BRÜCKNER überlegen z.B. ganz genau, wie man in einen Raum hinein kommt und wie man aus ihm herausgeht, mit welchen Objekten und Inhalten die Besucher angesprochen werden. Beim dynamischen Gestalten geht es darum, dass alles, was man wahrnimmt, eine Vorgeschichte, aber auch eine Perspektive in die Zukunft hat. Die Inhalte werden über die Gestaltung transportiert und sind durch das „Storytelling“ gefasst – es geht um „narratives Gestalten“. Wie sieht das aus? ... Ich erzähle nicht von oder über Inhalte, sondern lasse die Inhalte selbst zum Raum werden. Botschaften, aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse oder historischer Kontext können über Rauminstallationen transportiert werden. „Start thinking from The End“ bedeutet, vom Ergebnis her zu denken, Gestaltung antizipatorisch zu verwenden und von vornherein zu überlegen, in welcher Weise die transportierten Botschaften den Rezipienten erreichen.

Welche Voraussetzungen bietet die Kreativregion Stuttgart für die Internationale Szenografie Biennale? Die Region Stuttgart besticht durch ein bemerkenswertes Potential an hochkarätigen Gestaltungshochschulen: an der ISB13 beteiligen sich die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, die Filmakademie Baden-Württemberg sowie die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Darüber hinaus sind in Stuttgart und Umgebung zahlreiche international renommierte Architekten, Designer, Grafiker, Künstler und Szenografen angesiedelt. Ich bin der Meinung, dass die Region damit beste Voraussetzungen für das Gelingen eines unverwechselbaren und hochkarätigen Gestalterforums hat. Welches Ziel verfolgen Sie mit der Internationalen Szenografie Biennale? Unser Ziel ist es, die ISB als bedeutende Plattform für den Diskurs über Szenografie, Architektur und Gestaltung national wie international zu etablieren; die Architektur- und Medienregion Stuttgart damit zu stärken, weiter zu vernetzen und das diesbezügliche Knowhow international zu platzieren. Die Biennale richtet sich an nationale und internationale Gestalter sowie an Professoren und Studierende der Gestaltungshochschulen im In- und Ausland. Durch die Kooperation mit den drei Gestaltungshochschulen in Stuttgart-Ludwigsburg entsteht eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis und die einzigartige Möglichkeit, die verschiedenen Disziplinen in ihrem Zusammenwirken sichtbar zu machen. Das Motto der diesjährige Biennale lautet: THE ART OF HOLISTIC DESIGN. Was ist unter diesem Titel zu verstehen? Mit dem Motto THE ART OF HOLISTIC DESIGN richten wir den Blick auf die ganzheitliche, szenografische Gestaltung von Räumen. Keine Kreativdisziplin verfügt über ein so vielfältiges Instrumentarium zur Gestaltung von Raum wie die Szenografie. Um unverwechselbare Raumdramaturgien zu schaffen, bedient sie sich der Gestaltungspotentiale aus Architektur, Design, Theater, Oper, Film und Bildender Kunst – aus Kunstinstallationen und Performances. Diesen integrativen, holistischen Gestaltungsansatz der Szenografie gilt es bei der diesjährigen Biennale zu entdecken. Thematisch stehen vier verschiedene räumliche Aggregatzustände im Blickpunkt: der architektonische, der mediale, der skulpturale und der performative Raum. Hier wird das breite Spektrum szenografischer Arbeit wirkungsvoll deutlich.

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CREDO Christianisierung Europas im Mittelalter

Goldscheibe von Limons, Ende 5. Jh. Paris , Bibliothèque Nationale - Cabinet des Médailles Die Goldscheibe ist ein kostbares Zeugnis für den in christlichem Umfeld verwendeten germanischen Tierstil: Neben der Darstellung des Christusbildes im Kreuznimbus und dem mit Gemmen geschmückten Siegeskranz findet sich auch ein aus Tierleibern gebildeter Strahlenkranz. Foto: © Bibliothèque Nationale – Cabinet des Médailles, Paris

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CREDO Christianisierung Europas im Mittelalter

„Wir sind seit langem der Ansicht, dass Freiheit des Glaubens nicht verweigert werden sollte. […] Darum haben wir befohlen, dass es jedermann erlaubt ist, seinen Glauben zu haben und zu praktizieren, wie er will.“ Vereinbarung von Mailand aus dem Jahre 313 1700 Jahre nachdem die römischen Kaiser Konstantin und Licinius das Christentum mit der sogenannten „Mailänder Vereinbarung“ erstmals als Religion tolerierten, widmen drei Paderborner Museen den Anfängen und der Verbreitung des Christentums in Europa die große kunst- und kulturhistorische Ausstellung „CREDO – Christianisierung Europas im Mittelalter“ Sie wurde am 26. Juli von Bundespräsident Joachim Gauck als Schirmherr eröffnet und erfreut sich ferner der besonderen Wertschätzung durch den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Kultur (Pontificium Consilium de Cultura) Gianfranco Kardinal Ravasi. Noch bis zum 3. November sind die kostbaren Leihgaben im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn, im Museum in der Kaiserpfalz und in der Städtischen Galerie Am Abdinghof zu sehen. Wie wurde Europa christlich? Was wissen wir über die Glaubensvorstellungen der Menschen, bevor sie mit dem Christentum in Kontakt kamen? Mit rund 800 teils noch nie gezeigten Exponaten und archäologischen Neufunden dokumentiert die Ausstellung, wie das Christentum nach Europa kam und sich in den verschiedenen Ländern, insbesondere in Nord- und Osteuropa, ausbreitete. Auf den Spuren von Missionaren und Kaufleuten sowie mächtiger Herrscher werden wichtige Etappen dieses etwa 1000 Jahre umfassenden Prozesses thematisiert: von der Verbreitung des Christentums im Römischen Reich über die Christianisierung Galliens, Irlands und der Angelsachsen bis hin zur Bekehrung Skandinaviens, Polens und der Mission im Baltikum. Dabei wird die Christianisierung keineswegs als eindimensionaler Vorgang vor Augen geführt, sondern als dynamischer Prozess, der sich in den einzelnen Regionen Europas auf ganz unterschiedliche Weise vollzog – begleitet von Erfolgen, aber auch herben Rückschlägen für die Menschen, die den Glauben verbreiteten und empfingen. Der friedlichen Glaubensverbreitung zahlreicher Missionare stehen kriegerische Expansions- und Missionsinitiativen von Herrschern wie Karl dem Großen gegenüber. Zudem wirft die Ausstellung einen Blick auf die Neuzeit und fragt, welche Rolle die Geschichte der Christianisierung etwa zur Zeit der sich bildenden Nationalstaaten spielte. Realisiert wurde die Ausstellung vom Erzbistum Paderborn, vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sowie von der Stadt Paderborn, die sich in der Gemeinnützigen Ausstellungsgesellschaft Paderborn mbH zusammengeschlossen haben. Unterstützung erfuhr sie von zahlreichen öffentlichen Stiftungen und privaten Sponsoren.

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Der Prozess der Christianisierung wird in den drei Museen unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Das Diözesanmuseum bildet unter dem Titel Lux mundi – Licht der Welt – den Auftakt. Der Rundgang setzt ein mit der Ausbreitung des Christentums in der Antike. Ausgehend von Rom, das als Grablege der Apostel Petrus und Paulus seit dem 4. Jahrhundert zum Zentrum der lateinischen Christenheit wurde, zeichnet die Ausstellung die Wanderungen der Missionare „bis ans Ende der Welt“ nach. Persönlichkeiten wie der heilige Patrick in Irland, der heilige Bonifatius im fränkischen Reich oder der heilige Ansgar auf seinem Weg nach Skandinavien werden in den Blick genommen. Dabei verlief die Ausbreitung des neuen Glaubens keineswegs nur in eine Richtung, sondern war ein komplexer Prozess, in dem sich auch das Christentum durch den Kontakt mit den fremden Kulturen veränderte. Diesen lebendigen Kulturtransfer belegen kostbare Goldschmiedearbeiten ebenso wie Werke der Holzschnitzkunst und Buchmalerei. Heidnische Götterbilder sowie Darstellungen von Christus und den Aposteln, z.B. auf wertvollen Elfenbeintafeln aus dem British Museum in London, geben Einblicke in die Bilderwelt der frühen Christen. Weitere herausragende Zeugnisse sind der Brief des Apostels Paulus an die Römer aus der Zeit um 200 aus der Chester Beatty Library in Dublin, die „Goldscheibe von Limons“ aus der Bibliothèque Nationale in Paris oder das berühmte „Petersburger Evangeliar“, ein nur selten verliehenes Werk der insularen Buchkunst des 8. Jahrhunderts. Mittelalterliche Kirchenkunst aus Irland und Skandinavien bildet einen besonderen Schwerpunkt. Das Museum in der Kaiserpfalz widmet sich unter dem Titel In hoc signo – In diesem Zeichen – den herrscherlichen Maßnahmen zur Verbreitung des Christentums. Beginnend mit Karl dem Großen folgt der Besucher den mittelalterlichen Herrschern auf ihren Expansionszügen, die neben der Erweiterung ihrer Territorien der Ausbreitung des christlichen Glaubens dienten. Die Auseinandersetzung der ottonischen Könige mit den Slawen ist ebenso Thema, wie die mit großer Härte geführten Missionsvorstöße des Deutschen Ordens bis in das Baltikum hinein. Dem stehen friedliche Missionsinitiativen gegenüber, etwa durch die „Slawenapostel“ Kyrill und Method oder den „Pommernapostel“ Bischof Otto von Bamberg. Neben Urkunden werden wertvolle Handschriften wie das bedeutende „Aachener Karlsepos“ aus der Zentralbibliothek in Zürich (Dauerleihgabe in der Stiftsbibliothek St. Gallen) gezeigt. Kostbares liturgisches Gerät aus San Marco in Venedig oder Manuskripte in glagolitischer Schrift – der ältesten slawischen Schrift, die von Kyrill und Method eigens für die Mission entwickelt wurde – gewähren Einblicke in den byzantinischen Kulturkreis. Noch nie in Deutschland ausgestellte Exponate aus dem Historischen Nationalmuseum der Ukraine in Kiew illustrieren die Mission im Kiewer Rus und die Kultur der Ostkirche. Das Schloss und Museum Marienburg (Polen) hat bisher noch nie im westlichen Europa gezeigte Ausstattungsgegenstände der ehemaligen Hauptresidenz des Hochmeisters des Deutschen Ordens zur Verfügung gestellt, die sowohl in der Kaiserpfalz als auch in der Städtischen Galerie zu sehen sind. Die in der Galerie eingerichtete dritte Ausstellungseinheit Quo vadis? – Wohin gehst Du? – beleuchtet, wie spätere Jahrhunderte den mittelalterlichen Christianisierungsprozess wahrgenommen haben. Personen, Orte und Ereignisse, die für den Vorgang bedeutsam waren, wurden seit der Neuzeit gezielt zur Profilie-

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rung dynastischer, nationaler und konfessioneller Identitäten genutzt. Im 19. Jahrhundert, zur Zeit der Nationalstaaten, sah man das Christentum als Grundlage einer gemeinsamen kulturellen Identität. Heilige, Missionare und Könige des frühen Mittelalters wurden zu Botschaftern dieses neuen Nationalbewusstseins. Die Marienburg, der Hauptsitz des Deutschen Ordens, wurde gar zu einer nationalen Wallfahrtsstätte der Deutschen. Auch die völkisch-nationalsozialistische Deutung des Christentums wird thematisiert, etwa durch die Umdeutung des sächsischen Heerführers Widukind zu einem heroischen Widerstandskämpfer. Die Rezeption der Christianisierung wird anhand eindrucksvoller Gemälde, Druckgraphiken und Gegenstände herrschaftlicher Repräsentation verbildlicht. Der Rundgang schließt mit einem Blick auf unsere Zeit und mündet in die Frage nach der Identität Europas und dem Stellenwert seiner christlichen Wurzeln heute. 230 Museen, Bibliotheken und Sammlungen aus ganz Europa – von Island über Italien bis in die Ukraine – und den USA haben den Paderborner Museen ihre kostbaren Leihgaben zur Verfügung gestellt. Die Ausstellungskonzeption basiert auf den Ergebnissen neuster interdisziplinärer Forschungen; an seiner Erarbeitung waren neben Historikern, Archäologen und Kunsthistorikern auch Theologen, Bauhistoriker sowie Sprachwissenschaftler beteiligt. Diese fächerübergreifende Herangehensweise führt dazu, dass sich innerhalb des Ausstellungsrundganges Zonen, in denen geschichtliche Verläufe erzählt werden, mit Bereichen abwechseln, in denen einzelne Disziplinen im Vordergrund stehen. Hervorzuheben sind hier die in jüngerer Zeit entdeckten archäologischen Funde, die seltene Einblicke in die Glaubensvorstellungen der Menschen geben, bevor sie mit dem Christentum in Verbindung kamen. Einer der spektakulärsten Befunde und eine Fürstenbestattung, die wie keine andere am Scheidepunkt zwischen gentiler Glaubenspraxis und christlicher Religion steht, ist das Grab des Fürsten von Prittlewell: 2003 fanden Archäologen in Southend-on-Sea auf einem angelsächsischen Friedhof eine vollständige Grabkammer mit einer reich ausgestatteten Beisetzung der Zeit um 600. Erstmals werden die restaurierten Funde aus dem Museum in Southend-on-See (Essex) nun außerhalb Englands gezeigt und die Grabkammer rekonstruiert – eine Präsentation, die so bisher noch nie zu sehen war. Auch die Kultgefäße und -gerätschaften der jüngst ergrabenen skandinavischen Tempelanlage von Uppåkra (Lund University Historical Museum, Lund) wurden nie zuvor außerhalb ihres Heimatlandes gezeigt. Ohne professionelle Ausstellungsgestaltung ist die Umsetzung eines solch vielschichtigen Themas nicht möglich. Neben den Ausstellungsgestaltern, die für die Gesamtkonzeption verantwortlich zeichnen – im Diözesanmuseum die Kuratoren, unterstützt von Dipl.-Ing. Ludger Schwarze-Blanke Innenarchitektur + Design, Bad Lippspringe, sowie im Museum in der Kaiserpfalz und in der Städtischen Galerie Tido Brussig Szenerien, München – wurde auch bei dieser Ausstellung die Zusammenarbeit mit dem international renommierten Künstler und Kalligraphen Brody Neuenschwander aus Brügge fortgesetzt. Er hat nicht nur Wände gestaltet – z.B. mit einer Collage zur Berechnung des Ostertermins – oder Filme gedreht, in denen der Prozess des Schreibens und Illuminierens einer mittelalterlichen Handschrift veranschaulicht wird. Seine Abschlussinszenierung in der Kaiserpfalz rekapituliert das Gesehene und entlässt den Besucher mit der Aufforderung, selbst Stellung zu beziehen.


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Foto: Š The Trustees of the Chester Beatty Library, Dublin

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Foto: © The Trustees of the British Museum, London

Papyrus mit dem Brief des Apostels Paulus an die Römer, 180-200 n. Chr. Dublin, Chester Beatty Library

Elfenbeintafeln mit Szenen aus dem Leben des Petrus und Paulus, um 430 London, The British Museum

Der Brief des Apostels Paulus an die Römer ist einer der ältesten christlichen Texte und ein einzigartiges Zeugnis für die Ausbreitung der christlichen Glaubensinhalte. Das Blatt stammt aus einer Papyrus-Handschrift, einer der größten Schätze des frühen Christentums.

Die in Rom oder Oberitalien geschnitzten Elfenbeintafeln, die einst zu einem Kästchen gehörten, zeigen Episoden aus dem Leben der Apostel Petrus und Paulus. Die Darstellungen zählen zu den frühesten der beiden Apostel. Die ausgewählten Episoden stammen nicht aus der Bibel, sondern sind in sogenannten apokryphen Schriften überliefert. Diese nicht in den Kanon der Bibel aufgenommenen Texte und Episoden aus dem Leben Christi und der Apostel fanden durch Darstellungen in der Kunst eine weite Verbreitung.

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Foto: Š Kulturhistorisk Museum, Oslo


Cadmug-Evangeliar, 8. Jh. Fulda, Hochschul- und Landesbibliothek Das kleine und unverwechselbar ausgezierte Taschenevangeliar wurde einst in Irland hergestellt und von Wandermönchen auf ihren Missionsreisen mitgeführt. Das sog. Cadmug-Evangeliar befand sich möglicherweise sogar im Besitz des heiligen Bonifatius selbst. Foto: © Hessische Landesbibliothek Fulda

Stabkirchenportal von Vegusdal, Aust-Agder, um 1200 Oslo, Kulturhistorisk Museum In Skandinavien entwickelte sich im frühen Christentum ein ganz eigener romanischer Stil. Dies zeigen die Portalwangen der Kirche von Vegusdal, die kunstvoll geschnitzte Pflanzenornamentik, aber auch die Geschichte von Sigurd dem Drachentöter darstellen. Sigurd gilt dabei als eine Art Vorläufer Christi, der das Böse in Gestalt des Drachen besiegt. Die geschnitzten Szenen an der Außenseite der Kirche sollten die Gläubigen im Innern des Baus gegen das Böse schützen.

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„Virtual Reality muss dem Geist des Museums gerecht werden“ Für das Diözesanmuseum in Paderborn hat die Kölner Agentur rmh-media GmbH einen virtuellen Taufbrunnen entwickelt. Sina Mostafawy – rmh-Geschäftsführer, Virtual Reality-Experte und Professor für Computergrafik an der Fachhochschule Düsseldorf – reflektiert im Interview das Projekt und spricht über seine Leidenschaft, Zeitloses zu schaffen.

Beschreiben Sie uns mit Worten, was die Besucher des Paderborner Diözesanmuseums sehen, anfassen, erleben können – den virtuellen Taufbrunnen, den Sie mit Ihrem Team konzipiert und realisiert haben ... Prof. Dr. Sina Mostafawy: Betritt man den Eingangsbereich des Diözesanmuseums fallen sofort die Bilder ins Auge, die auf eine semi-transparente Scheibe über dem eigentlichen Taufbrunnen projiziert werden. Es handelt sich um sogenannte Kaustiken, scharf begrenzte, reflektierte Lichtflächen, wie man sie beispielsweise auf dem Meeresgrund sieht. Geht man näher ran, hört man Wassertropfen leise auf die Oberfläche plätschern, sieht verlaufende konzentrische Kreise auf dem Wasser. Minimale Effekte, die den Besucher leiten und ihm suggerieren: Hier passiert was!

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– Und es passiert etwas: Berührt man die Wasseroberfläche mit den Fingern, bewegt sich das virtuelle Wasser völlig natürlich, zieht einen Schweif und schlägt Wellen, die vom Rand des Brunnens weich reflektiert werden. Die Motive auf dem Grund des Brunnens werden nacheinander sanft eingeblendet – das „Chi-Rho“ wandelt sich in eine Darstellung der „Taufe im Jordan“. Zudem sieht der Besucher sein durch Wasserwellen verzerrtes Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Ein Gesamterlebnis, das alle Sinne berührt. Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung? Mostafawy: Einerseits natürlich die Programmierung der Software für den Multi-Touchscreen: Was passiert, wenn man die Oberfläche berührt? Was, wenn man die Finger darüber zieht?


Wie verzerrt sich das Bild am Grunde des Brunnens? Eine komplexe Aufgabe, bei der wir viel experimentieren mussten, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Gemeinsam mit der redPlant GmbH – ein Unternehmen meiner ehemaligen Studenten von der FH Düsseldorf – haben wir schließlich eine technisch anspruchsvolle Installation realisiert. Eine weitere Herausforderung war es, aus den ganzen Bits und Bytes und Algorithmen etwas Schönes zu schaffen; dem virtuellen Brunnen eine Seele einzuhauchen und eine Ästhetik und Anmutung zu kreieren, die dem Thema und dem Geist des Museums gerecht wird. Das war nicht nur eine technische, sondern vor allem eine künstlerische Aufgabe.

Der virtuelle Taufbrunnen, ein Publikumsmagnet? Mostafawy: Als Teil der Ausstellung „CREDO – Christianisierung Europas im Mittelalter“ – die seit dem 26. Juli in drei Paderborner Museen gezeigt wird und die von Bundespräsident Joachim Gauck eröffnet wurde – sind bereits tausende Besucher mit dem virtuellen Taufbrunnen in Berührung gekommen. Und soweit wir wissen, hat unsere Installation die Besucher ebenfalls berührt – das junge Publikum im Besonderen. Genau das war unserem Auftraggeber Herrn Prof. Dr. Christoph Stiegemann, Direktor des Diözesanmuseums, auch ein besonderes Anliegen. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Museums? Mostafawy: Am Anfang stand die Idee einer Videoinstallation. Nach ersten Gesprächen mit Herrn Prof. Dr. Christoph Stiegemann, bei denen er vom Museum und seinen Besuchern erzählte, entstand dann der Gedanke, etwas Interaktives zu kreieren. Keine Virtual Reality um ihrer selbst Willen, vielmehr ein virtuelles Erlebnis, das ins Gesamtkonzept des Museums passt. Nachdem wir dann einen ersten Prototypen programmiert und ein Storyboard entwickelt hatten, waren die Verantwortlichen des Museums vollends überzeugt. Die Zusammenarbeit war von Vertrauen geprägt und überaus konstruktiv – wofür wir sehr dankbar sind.

Die Arbeit für das Diözesanmuseum in Paderborn war ja nicht ihre erste Zusammenarbeit mit einem Museum ... Mostafawy: Wir als Agentur haben bereits einige Virtual Reality-Projekte für Museen realisiert – zum Beispiel für das Deutsche Röntgen-Museum in Remscheid oder das Kunstmuseum in Bonn. Zudem sind wir an vielen Forschungsprojekten beteiligt, die sich mit verschiedenen Aspekten interaktiver Medien befassen. Wir haben das Thema aus der Wissenschaft herausgeholt und für die Wirtschaft interessant gemacht – unter anderem für Projekte im musealen und kulturellen Bereich. Und gerade da stellt sich immer die Frage nach der inhaltlichen Qualität. Doch wie definiert man Qualität? Für mich hat der Begriff viele Dimensionen – eine davon ist die zeitliche Komponente: Chopins Préludes, ein Gemälde von Vélazquez oder eine Skulptur von Michelangelo haben eines gemein – sie überdauern die Zeit.

Prof. Dr. Sina Mostafawy ist seit 1997 Geschäftsführer der rmh-media GmbH. Die Agentur ist spezialisiert auf die Produktion digitaler Medien – von komplexen Virtual Reality-Anwendungen über 3D-Animation bis hin zur Unternehmenswebsite. Mostafawy lehrt seit 2005 an der FH Düsseldorf in den Bereichen Computergrafik und Computeranimation. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fraunhofer Gesellschaft in der Forschungsgruppe Scientific Visualization and Virtual Reality tätig. Kontakt Web: www.rmh.de E-Mail: s.mostafawy@rmh.de Telefon: 0221 2 72 25-0

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Römisches Reich ohne Rom – die Merowinger Nach dem Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert übernahm nördlich der Alpen der Stamm der Franken mit ihrem Herrscher, dem Merowinger Chlodwig, die Führungsrolle. Entscheidend für die weitere Entwicklung war die Taufe Chlodwigs um das Jahr 508: Als die Schlacht gegen die Alamannen beinahe verloren war, brachte der Schwur Chlodwigs, an Christus zu glauben, dem Herrscher den Sieg, und er ließ sich taufen. Die Auftraggeber der Schrankenplatten aus Metz sind im Umfeld der merowingischen Könige zu suchen. Ihr Formenrepertoire verbindet antike Motive (rechts der Kelch, aus dem Palmetten wachsen als Motiv des fons vitae als Verweis auf die Eucharistie) mit Elementen des germanischen Tierstils (links Flechtbänder mit Tierkopf).




Von den Göttern zu Gott - Der Fürst von Prittlewell Der Blick in die 2003 in Southend-on-Sea (Essex) gefundene und in der Ausstellung rekonstruierte Grabkammer aus der Zeit um 600 zeigt, dass der Tote mit Waffen, kostbarem Trinkgeschirr etc. ausgestattet war. Die Beigaben belegen seine Kontakte in das Nordseegebiet, ins Frankenreich und in den Mittelmeerraum bis nach Byzanz. Im Sarg fanden sich Reste der goldbesetzten Kleidung, zwei Münzen sowie zwei Goldblechkreuze direkt über den Augen. Dieser Befund gestattet einen Blick in die Vorstellungswelt der Eliten in der Zeit der Christianisierung: Der Tote wurde sowohl mit dem Fährgeld für die Überfahrt ins Totenreich ausgestattet, als auch mit zwei christlichen Kreuzen versehen, die ihn möglicherweise am Tag der Auferstehung als Christ ausweisen sollten.


Irische Kunst und Liturgie Die frühchristlichen irischen Kirchen waren aus Holz errichtet; erste Steinkirchen sind erst aus dem 9. Jahrhundert bekannt. Mit ihrer aufwendigen Ausstattung boten sie einen imposanten Rahmen für die Liturgie. So wird berichtet von bemalten Schranken, die die gold- und silberverzierten Gräber der Heiligen vom Rest der Kirche abgrenzten; darüber sollen juwelenbesetzte Kronen gehangen haben. Einen Eindruck von der Schönheit und eigenwilligen Formensprache der Altargeräte bekommen die Besucher in dieser Ausstellungseinheit.



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Der ehrwürdige Bischof Willibrord Die im Vordergrund zu sehende Lesetribüne (Ambo) aus der Klosterkirche des heiligen Willibrord in Echternach aus der Zeit um 700 (Luxemburg, Musée National d’Histoire et d’Art) verweist auf einen der bedeutendsten Missionare auf dem Kontinent. Willibrord wurde um 657 in Northumbria geboren und in Klöstern in England und Irland erzogen. 690 kam er mit dem Ziel der Friesenmission auf den Kontinent. Er gehörte zu einem neuen Missionarstypus, der die Mission mit Unterstützung der damaligen Herrscher – der Karolinger – vorantrieb. 695 gründete Willibrord das Bistum Utrecht. 739 wurde er in dem von ihm gegründeten Kloster Echternach beigesetzt. Der Schmuck der einst farbigen Ambonenbrüstungen zeigt die hohe Kunst der Bauskulptur dieser frühen Phase der angelsächsisch beeinflussten Mission auf dem Kontinent.

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Foto: © Historisches Museum der Universität Lund

Das Haus der Götter – Der Tempel von Uppåkra Einen Einblick in die Glaubensvorstellungen der paganen Religionen ermöglicht am ehesten die skandinavische Dichtung des 11./12. Jahrhunderts. Hier finden sich lebendige Darstellungen von Göttern, Riesen oder Drachen; allerdings stehen sie in einem zeitlichen Abstand von ca. 200 Jahren zu den tatsächlichen Geschehnissen. Einen der wenigen paganen mittelalterlichen Tempelbefunde in Nordeuropa haben Archäologen in Uppåkra in Schonen, wenige Kilometer südlich der Bischofsstadt Lund entdeckt. Der Tempel gehört zu einem politischen und religiösen Machtzentrum, das von etwa 100 v. Chr. bis 1000 n. Chr. bestand. Der in Stabbauweise errichtete Tempel war 13,5 m lang und 6 m breit. Im Inneren stützten vier gewaltige Pfosten das Dach. Nachweislich wurde das Gebäude zwischen dem 3. und 10. Jahrhundert siebenmal wieder aufgebaut. In den Fußbodenschichten der sieben Häuser fand man zahlreiche Gegenstände, darunter auch Objekte, die sich den paganen Religionen zuordnen lassen. Spektakulärste Funde waren die zwei abgebildeten Gefäße, die während der Nutzung des Gebäudes vor der Herdstelle vergraben worden waren und erstmals zusammen mit weiteren Opfer- und Votivgaben in einer Rekonstruktion des Kulthauses von Uppåkra in der Ausstellung zu sehen sind (Lund, Lund University Historical Museum).

Zur folgenden Seite: Entfernte Schwestern Die farbig gefasste Madonna aus Heda, die sich noch heute in der kleinen Landkirche Heda im Bistum Linköping, Gemeinde Ödeshög, befindet, steht in einer langen Reihe von Pfostenthronmadonnen des späteren 12. Jahrhunderts. Sie gleicht in Figurenaufbau und Gewandung aufs Engste einer Pfostenthronmadonna aus dem Erzbistum Paderborn, genauer aus Helmern oder Fölsen, die in Westfalen oder Niedersachsen entstand. Neueren Forschungen zufolge gelangten solche Madonnenbilder als Importware aus dem Rheinland bzw. Köln nach Schweden und wurden dort durch einheimische Künstler rezipiert.

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Romanik in Skandinavien Die Abschlussinszenierung im Diözesanmuseum präsentiert ausgewählte Kunstwerke der Romanik in Skandinavien. Neben Wandmalerei, liturgischem Gerät und Taufsteinen mit kunstvoll geschnitzten Deckeln entstanden insbesondere hölzerne Bildwerke des Gekreuzigten oder der Heiligenpatrone. Während anfangs für die Kirchenbauten und ihre Ausstattung fremde

Bauleute hinzugezogen und Ausstattungsstücke importiert wurden, ist bald die Aufnahme von Einflüssen aus europäischen Kunstzentren und die Aneignung von Motiven und Stilen durch lokale Werkstätten festzustellen. Daher bleibt oft unklar, ob ein niederrheinisch, westfälisch oder niedersächsisch geprägtes Bildwerk importiert oder von einem in Skandinavien ansässigen Atelier geschaffen wurde.



In hoc signo – Herrscherliche Missionsinitiativen Die repräsentative Aula der rekonstruierten, ottonisch-salischen Kaiserpfalz wird durch groĂ&#x;formatige Fahnen und Textstelen gegliedert, die jeweils die Objektinseln zu den einzelnen Themenbereichen kennzeichnen.


„Paderborner Epos“ – „Aachener Karlsepos“, 9. und 14./15. Jahrhundert Zürich, Zentralbibliothek Zürich (als Dauerleihgabe in der Stiftsbibliothek St. Gallen) Foto: © Zentralbibliothek Zürich / Dauerleihgabe Stiftsbibliothek St. Gallen

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Das „Paderborner Epos“ oder „Aachener Karlsepos“ ist ein zeitgenössischer Bericht eines unbekannten Autors über das wichtige Treffen zwischen Karl dem Großen und Papst Leo III. im Jahr 799 in der Paderborner Pfalz. Diese Zusammenkunft ging der Kaiserkrönung Karls im Dezember des Jahres 800 in Rom voraus. Das Dokument verdeutlicht die christliche und weltliche Bedeutung Paderborns im frühen Mittelalter.


Goldene Schale aus dem Schatz von Nagyszentmiklós (sog. Awarenschatz), 7./8. Jh. Wien, Kunsthistorisches Museum Die goldene Schale mit Siegeskreuz gehört zu dem bedeutenden Goldschatz von Nagyszentmiklós. Entdeckt wurde der aus 23 Stücken bestehende und ca. 10 kg wiegende Schatz im Jahre 1799 von einem Bauern. In der neueren Forschung wird die Arbeit awarischen Goldschmiedewerkstätten zugeschrieben. Auch wenn die Inschriften der Schale nicht endgültig entziffert werden können, deuten sie auf die Taufliturgie hin. Foto: © Kunsthistorisches Museum, Wien

Patene aus Byzanz, 10./11. Jh. Venedig , Tesoro della Basilica di San Marco Die Patene diente zur Aufnahme der Hostie während der Eucharistiefeier. Aus dieser besonderen Funktion erklärt sich das überaus kostbare Material der Schale. Die in Byzanz gefertigte Patene aus dem Kirchenschatz von San Marco zeichnet sich durch ihre Verarbeitung und ihr hochwertiges Material aus: Alabaster, vergoldetes Silber, Zellenschmelz mit Gold, Perlen und Bergkristall. Ein Medaillon in der Mitte der Schale zeigt das Brustbild Christi umrahmt von einer griechischen Umschrift mit den Wandlungsworten: „Nehmet hin und esset. Das ist mein Leib.“ Foto: © Procuratoria di San Marco Tesoro della Basilica, A 4044, Venedig

Anhänger mit Kreuzigungsgruppe Paderborn, Museum in der Kaiserpfalz

Steinkopf von Salaspils Riga , Dom- und Schifffahrtsmuseum

Der Anhänger aus Walrosselfenbein wurde in der Wüstung Balhorn bei Paderborn gefunden. Er zeigt eine Kreuzigungsgruppe mit Christus am Kreuz im Zentrum; links steht Maria, rechts wahrscheinlich der Apostel Johannes. Die stark stilisierte Darstellung und der ländliche Fundzusammenhang umreißen das Milieu, in dem solche Objekte getragen wurden. Das verwendete Material könnte auf eine Fertigung im anglo-irischen Bereich hindeuten und der Fund somit einen späten Beleg für die anglo-irische Missionstätigkeit in Westfalen darstellen. Foto: © LWL-Archäologie fuer Westfalen, Münster

Der Steinkopf von Salaspils wurde im Jahr 2000 während Ausgrabungen im Domgarten von Riga entdeckt. Die genaue Datierung und der Ursprung sind unbekannt, er wird aber als Kultobjekt aus Livland gedeutet. Noch vom 16. bis 18. Jahrhundert wird über die Herstellung und Verehrung solcher Kultobjekte berichtet. Der Kopf steht in der Ausstellung für das späte Nebeneinander christlicher und paganer Glaubensvorstellungen in Livland. Foto: © Riga, Museum of the History of Riga and Navigation (Foto: Ilgvars Gardovskis)

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Foto: Š Anne Gold, Aachen

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Alfred Rethel, Predigt des heiligen Bonifatius, 1835 Aachen, Suermondt-Ludwig-Museum Aspekte der Rezeption des Christianisierungsprozesses in der Städtischen Galerie: Auf der Suche nach einer gemeinsamen Identität der Deutschen wurde in der deutschen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts die kulturelle Einheit hervorgehoben. Der heilige Bonifatius wurde in dieser Phase als „Apostel der Deutschen“ dargestellt, der den Germanen die Kultur gebracht und sie dadurch erst zu Deutschen gemacht habe. Das eindrucksvolle Gemälde, an dem Rethel fast drei Jahre lang arbeitete, zeigt Bonifatius als Prediger.

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Foto: Š Museum Biberach

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Ludwig Fahrenkrog, Der Sieg des Lichtes über die Finsternis, undatiert [1896] Biberach, Museum Biberach Aspekte der Rezeption des Christianisierungsprozesses in der Städtischen Galerie: Das großformatige Bild (3 x 4 m) von Ludwig Fahrenkrog wurde zunächst unter dem Titel Höllenfahrt Christi gemalt. In der ersten Version befand sich die Figur Christi im großen Lichtkreis. Erst nachdem sich der Künstler einer völkisch-deutschen Glaubensströmung zugewendet hatte, veränderte er das Bild: Aus der Christusfigur wurde ein germanischer Sonnengott und an die Stelle des ursprünglich christlichen Bildtitels trat die heutige Bezeichnung. Texte und Bilder zusammengestellt von Petra Koch-Lütke Westhues, Ausstellungsgesellschaft Paderborn Fotos der Ausstellungsräume: © Wolfgang Noltenhans, Paderborn, und Ausstellungsgesellschaft Paderborn

CREDO – Christianisierung Europas im Mittelalter Paderborn, 26. Juli bis 3. November 2013 Erzbischöfliches Diözesanmuseum – Museum in der Kaiserpfalz – Städtische Galerie Am Abdinghof Veranstalter: Gemeinnützige Ausstellungsgesellschaft Paderborn mbH Am Abdinghof 11 33098 Paderborn Die Ausstellung ist täglich, außer montags, von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Das umfangreiche Begleitprogramm umfasst neben klassischen Führungen sowie Audioguides für Einzelbesucher auch spezielle Angebote für Familien, für blinde und seheingeschränkte Besucher sowie für Freunde der lateinischen Sprache. Eintrittspreise sowie aktuelle Infos und Termine sind zu finden unter: http://www.credo-ausstellung.de oder zu erfragen im: Servicebüro CREDO 2013 c/o Tourist Information Paderborn Marienplatz 2a 33098 Paderborn Tel: +49/5251/882002 Fax: +49/5251/882899 Email: credo@paderborn.de Zur Ausstellung sind ein reich bebilderter, zweibändiger Katalog (49,95 € in den Museen) sowie ein Kurzführer (5,00 €) im Michael Imhof Verlag erschienen.

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CREDO- Vitrinenbeleuchtung mit Glasfasertechnik von bedea Schont die Exponate.

Fragment eines Altarsteins und vergoldeter Bronzebeschlag; Lund, Lund University Historical Museum

Beleuchtung von 30 unterschiedlichen Vitrinen mit Glasfasertechnik Glasfaser-Beleuchtungssysteme bieten sich für viele Arten der Beleuchtung an. Im Bereich der musealen Beleuchtung und im speziellen in der Vitrinenbeleuchtung kann die Glasfasertechnik jedoch am besten all Ihre Vorteile gegenüber konventionellen Lichtsystemen geltend machen. Im Vorfeld der Ausstellung wurden seitens des Museums unterschiedliche Lichtkonzepte auf deren Eignung hinsichtlich der unterschiedlichen Vitrinen und der auszustellenden Exponate getestet. Es sollte ein Lichtsystem zur Anwendung kommen, welches variabel auf die sehr unterschiedlichen Anforderungen abgestimmt werden konnte. Da es sich bei der „CREDO“ Ausstellung um eine temporäre Ausstellung handelt, sollte das Lichtsystem so ausgelegt wer-

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den, dass es auch für zukünftige Ausstellungen flexibel eingesetzt werden kann. Die Wahl fiel auf das Glasfaser-Beleuchtungssystem „akzent“ der Fa. bedea aus Aßlar, welches den gesetzten Anforderungen entsprach. Die heutige Glasfasertechnologie bietet erhebliche technische Vorteile gegenüber konventionellen Lichtsystemen mit Niedervolt- Halogentechnik aber auch LED-Technik. Die Vorteile der Glasfasertechnik bieten gerade im musealen Bereich die Möglichkeit mit Licht zu gestalten und die unterschiedlichsten Exponate unauffällig „ins richtige Licht“ zu rücken.


Goldkreuze und Goldmünze aus dem Fürstengrab von Prittlewell; Southend-on-Sea, Southend Museums Service

Die grundsätzlichen Anforderungen an die Beleuchtungstechnik Nach ausführlichen Beleuchtungstests mit unterschiedlichen waren: Lichtprojektoren, Lichtleitkabelgrößen und Ein- bzw. Aufbaustrahler aus dem bedea akzent Programm wurden schließlich fol- Keine Übertragung von schädlicher UV- und Wärmestrahlung gende Komponenten eingebaut. - Hohe Lebensdauer des Gesamtsystems - Wirtschaftlichkeit / Stromverbrauch / Wartungsfreiheit Als Lichtprojektoren kamen in jeder Vitrine die neue Generation - Kleinste Einbaumaße / kaum wahrnehmbare Strahler LED-Lichtprojektoren mit 26 Watt Leistung und einem sehr gu- Einheitliche Oberfläche der eingesetzten Strahler ten Farbwiedergabeindex zum Einsatz. Die Farbtemperatur kann - Einfachste Handhabung, problemlose Verlegung mit 3200 Kelvin bis 5200 Kelvin vordefiniert werden. Nachträg- Flexible Verlegemöglichkeiten liche Korrekturen der Farbtemperatur können mit Korrekturfilter - Jederzeit veränderbare Lichtcharakteristik durch variable, jederzeit eingestellt werden. Die Lebensdauer der LED wird mit austauschbare Strahler 30000 Stunden angegeben. Die LED-Projektoren erzeugen eine - Anpassung der Farbtemperatur an die jeweiligen Exponate sehr geringe Eigenerwärmung und können problemlos in einem - Sehr guter Farbwiedergabeindex der Leuchtmittel Vitrinenschrank, auch unter engsten Platzverhältnissen einge- Dimmbarkeit der Lichtquellen baut werden, der nicht aufwendig belüftet werden muss.

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Capsella dei Santi Quirico e Giulitta; Ravenna, Museo Arcivescovile

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Die Geräuschentwicklung der Projektoren ist zu vernachlässigen. Die Projektoren können im geschlossenen Zustand der Vitrine von außen gedimmt werden. Je nach Größe der Vitrine kamen vom Hersteller anschlussfertig konfektionierte Glasfaser-Lichtleitkabel zur Anwendung. Die Anzahl der Lichtleitkabel pro Vitrine wurde so ausgelegt, dass Exponate unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Materialien immer optimal ausgeleuchtet wurden. Die Lichtleitkabel filtern jegliche schädliche UV- oder IR-Strahlung zuverlässig aus und gewährleisten so eine schonende Ausleuchtung der unersetzlichen Exponate. Die bedea akzent Glasfaser-Lichtleitkabel sind vollkommen wartungsfrei. Das über die Lichtleitkabel übertragene Licht wurde in Verbindung mit der bedea- akzent Vitrinen-Strahlerserie „VIT“ entweder direkt abgestrahlt oder mit optischen Vorsatzlinsen variabel auf die jeweilige Exponatgröße fokussiert. Teils wurde eine zurückhaltende, diffuse Beleuchtung gefordert, oder es sollte eine bewusst erzeugte Kontrastbeleuchtung gegenüber der allgemeinen Raumbeleuchtung das Exponat hervorheben. Dies wurde mit Einbaustrahlern, aber auch mit Aufbaustrahler realisiert, die einen außergewöhnlich großen Schwenk- und Fokussierbereich aufweisen. Wichtig war dem verantwortlichen Museumstechniker, dass die Glasfasertechnik vorinstalliert werden konnte und die Strahler im Nachhinein, wenn die Exponate aufgestellt waren, einfach justiert werden konnten. Hier konnte ganz individuell auf die Wünsche der Museumstechnik eingegangen werden. Mit dem bedea akzent Glasfaser-Beleuchtungssystem wurde ein modernes und ganzheitliches Beleuchtungskonzept angewendet, was dem ästhetischen und technischen Anspruch des Paderborner Diözesanmuseum und im speziellen der „CREDO“Ausstellung entspricht.

bedea Berkenhoff & Drebes GmbH Herborner Str. 100 35614 Aßlar Geschäftsbereich: bedea akzent Faserlichtdesign Projektleitung Hr. Jürgen Peusch 06441 / 801-174 www.bedea.com info@bedea.com


Jahrestagung 2013

17. bis 19. Oktober, Köln Rautenstrauch-Joest Museum – Kulturen der Welt

ZUR ETHIK DES BEW KONZEPTE, PRAXIS, 252

www.icom-deutschland.de/tagung


WAHRENS: PERSPEKTIVE

Foto: Š Kunstsammlungen der Veste Coburg

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Maske (vor 1922), Elema, Papua-Golf, Papua-Neuguinea, RJM 35751. Photo: Rheinisches Bildarchiv © Rautenstrauch-Joest-Museum Sonderausstellung Made in Oceania: Tapa – Kunst und Lebenswelten vom 12.10.2013 - 27.4.2014 Die Teilnehmer der Jahrestagung und Mitgliederversammlung von ICOM Deutschland haben u.a. Gelegenheit zum Besuch der Dauerausstellung und der Sonderausstellung „made in oceania“ im Rautenstrauch-Joest Museum

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www.icom-deutschland.de/tagung


ZUR Jahrestagung und Mitgliederversammlung von ICOM Deutschland

Die Tagung wird im 2010 neu eröffneten und mit dem Museumspreis des Europarates 2012 ausgezeichneten Rautenstrauch-Joest Museum – Kulturen der Welt stattfinden. Links: „Wahrzeichen: Reisspeicher“ Foto: Martin Claßen und Arno Jansen, Köln

Das Bewahren des Kultur- und Naturerbes ist eine Kernaufgabe der Museumsarbeit, die Verantwortung für dessen Weitergabe an künftige Generationen eine ethische Verpflichtung. Sie kann nur erfüllt werden, wenn die museologischen und konservatorischen, aber auch die rechtlichen Voraussetzungen dafür immer wieder neu überprüft werden. Das Interesse an der Präsentation von Sammlungen ist abzustimmen mit den Erfordernissen, sie zu schützen. Der Wunsch nach weltweiter Verfügbarkeit des gemeinsamen Erbes darf nicht seiner Zerstörung Vorschub leisten, Aufwendungen zu seinem Erhalt werden zunehmend auch ökologisch bilanziert. Das Gebot der Stunde ist Prävention, um unumkehrbaren Schädigungen vorzubeugen. Um diese Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können, müssen Museen die gesellschaftliche Notwendigkeit und den Wert der Bewahrung des Erbes herausarbeiten und offensiv vortragen. ICOM Deutschland wird vom 17. bis 19. Oktober 2013 in Köln seine Jahrestagung zum Thema „Zur Ethik des Bewahrens: Konzepte, Praxis, Perspektiven“ durchführen und die Frage nach ethischen Standards und Ansprüchen im Zusammenhang mit dem materiellen Erhalt unseres Kultur- und Naturerbes stellen. Alles was wir anfassen können, kann zum materiellen Kulturerbe erhoben werden. Wie kann es dazu kommen und welche Konsequenzen hat das für die Konservierung, lautet die Frage der ersten Sektion. Die zweite Sektion wendet sich Wertkonflikten zu, die sowohl interkulturell begründet sein können, als auch aus unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen von der Dauerhaftigkeit des kulturellen Erbes resultieren. In einer weiteren Sektion geht es Probleme von Nutzung und Abnutzung. Wo endet die Forderung nach der „öffentlichen Nutzung“ des kulturellen Erbes, die in Einklang zu bringen ist mit konservatorischen Maßnahmen in der Dauerausstellung, im Zusammenhang mit Leihverkehr, für museumspädagogische Vermittlungsansätze? Wie kann die Museumsaufgabe des Bewahrens stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden? Welche Maßstäbe sind an die Ziele der Restaurierungstätigkeit anzulegen, was sind die Leitlinien der aktuellen Debatte? Schließlich werden neue Herausforderungen erörtert, die beispielsweise mit Begriffen wie

„Präventive Konservierung“ oder „Grünes Museum“ in Verbindung stehen. Im Rahmen der „Open Box“, einem Forum für Kurzbeiträge aus den Reihen der Mitglieder, werden Beispiele aus der Museumspraxis vorgestellt. Weitere Informationen zur Tagung: http://www.icom-deutschland.de/tagung/ Johanna Westphal M.A. Geschäftsführerin ICOM Deutschland e. V. In der Halde 1 14195 Berlin Tel. +49 30 69504525 icom@icom-deutschland.de www.icom-deutschland.de

Der Internationale Museumsrat ICOM (International Council of Museums) ist die internationale Organisation für Museen und Museumsfachleute. Er ist dem Erhalt, der Pflege und der Vermittlung des kulturellen und natürlichen Welterbes verpflichtet. Die von ICOM entwickelten und weltweit anerkannten Ethischen Richtlinien für Museen (Code of Ethics for Museums) bilden die Grundlage der professionellen Arbeit von Museen und Museumsfachleuten. ICOM Deutschland e. V. ist das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Museumsrates ICOM und mit 5.000 Mitgliedern die größte Organisation von Museen und Museumsfachleuten in Deutschland.

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Kunsthistorisches Museum Wien Wiedererรถffnung der Kunstkammer Wien

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Die Kunstkammer Wien ist weltweit die bedeutendste ihrer Art und ab 1. März 2013 in neuer Pracht wieder für alle zugänglich. Die Wiedereröffnung der Kunstkammer Wien und die zeitgemäße Präsentation dieser einzigartigen Sammlung stellen eines der wichtigsten Kulturprojekte Österreichs dar und sind von großer historischer Bedeutung. Vom späten Mittelalter bis zur Barockzeit sammelten die Kaiser und Fürsten aus dem Hause Habsburg hier das Seltene und Außergewöhnliche und die Künstler schufen für sie virtuose Kunstkammerstücke aus kostbaren Materialien wie Elfenbein, Bronze und Gold. Als „Wiege des Kunsthistorischen Museums“ umfasst die Kunstkammer Wien in ihren kostbaren Höhepunkten herausragende Goldschmiedearbeiten wie die berühmte „Saliera“ von Benvenuto Cellini, Spitzenleistungen der Skulptur, darunter die „Krumauer Madonna“, sowie meisterhafte Bronzestatuetten, filigrane und bizarre Elfenbeinarbeiten, virtuose Steingefäße, aber auch komplizierte Automaten und vieles mehr. Die Kunstkammer Wien wurde im Frühjahr 2002 geschlossen, da die Präsentation der Werke im Hinblick auf die konservatorischen Rahmenbedingungen, die museale Technik und Präsentation sowie die didaktische Aufbereitung internationalen Standards nicht mehr gerecht wurde. Mit der Finanzierungszusage durch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur konnten ab Sommer 2010 die vollständige Sanierung der 20 Räume auf einer Fläche von rund 2.700 m2 sowie die Neuaufstellung der Sammlung, bestehend aus rund 2.200 ausgewählten Kunstkammerobjekten, in Angriff genommen werden. Die Gesamtkosten für die Neuaufstellung der Kunstkammer Wien betrugen insgesamt 18,56 Mio. Euro. Die Finanzierung erfolgte durch Mittel des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur in Höhe von 15,06 Mio. Euro sowie durch Eigenmittel in Höhe von 3,5 Mio. Euro. „Es ist soweit“, freut sich Generaldirektorin Sabine Haag, „mit der Wiedereröffnung der Kunstkammer Wien können wir nun endlich eine große Lücke in unserer Sammlungspräsentation schließen und somit dieser so bedeutenden Sammlung wieder den ihr gebührenden Platz zurückgeben. Wir eröffnen mit 1.3. sozusagen ein ‘Museum im Museum’ – ein großartiger Zugewinn für unser Haus und für all unsere zukünftigen Besucherinnen und Besucher. Die Neugierde, die Lust am Entdecken und das Begreifen der Welt durch Sammeln war ein zentraler Antrieb für die Errichtung frühneuzeitlicher Kunstkammern. Dieses lustvolle Lernen macht die Kunstkammer Wien für das heutige Publikum, insbesondere auch die junge Generation, besonders attraktiv. Ich bin stolz darauf, dass wir dieses kulturelle Großprojekt innerhalb des zeitlichen und budgetären Rahmens umgesetzt haben.“

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DIE KUNSTKAMMER WIEN KONZEPT ZUR NEUAUFSTELLUNG EINLEITUNG Die Wurzeln der Kunstkammer Wien gründen in den habsburgischen Schatzkammern und Kunstkammern des späten Mittelalters, der Renaissance und des Barock. Einzelne Sammlerpersönlichkeiten des Hauses trugen entscheidend zur Mehrung der Bestände bei. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie die Kunstkammer Erzherzog Ferdinands II. (gest. 1595) auf Schloss Ambras, jene von Kaiser Rudolf II. (gest. 1612) in Prag, die Kunstkammer Erzherzog Leopold Wilhelms (gest. 1662) in Brüssel und Wien sowie die kaiserliche Schatzkammer in Wien zu nennen. Erst die unter der Regierung Kaiser Franz Josephs in Angriff genommene große Reform der kaiserlichen Sammlungen vereinte diese unterschiedlichen Bestände im 1891 eröffneten Kunsthistorischen Museum, wo sie unter dem Namen „Sammlung kunstindustrieller Gegenstände“ der Öffentlichkeit präsentiert wurden. 1919 fand eine Umbenennung in „Sammlungen für Plastik und Kunstgewerbe“ statt, 1991 wurde schließlich der historische Begriff der „Kunstkammer“ dafür eingeführt. Damit sollte schon in der Benennung erkennbar gemacht werden, dass die hier vereinten Bestände der Goldschmiedekunst und des Steinschnitts, an Bronzestatuetten und Arbeiten aus Elfenbein in hohem Maße zweckfrei und allein für die Präsentation in einer fürstlichen Kunstkammer geschaffen wurden, während großformatige Skulpturen (Plastik) eine ebenso geringe Rolle spielten wie zweckgebundene Gegenstände einer kunsthandwerklichen Produktion. Eine Kunstkammer galt in ihrer Zeit als ein Spiegelbild des Kosmos und der Welt, das im Mikrokosmos der Sammlungsbestände erfahrbar werden sowie Wissen und Staunen darüber vermitteln sollte. Neben Kunstwerken im engeren Sinne, so genannten Artefakten, fanden sich in den Kunstkammern daher Naturalia, kuriose und staunenswerte Erscheinungsformen von Mensch, Tier, Pflanze und Mineralien, weiters Zeugnisse fremder Länder und Kulturen (Exotica), naturwissenschaftliche Instrumente zur Erfassung des Kosmos oder der Vermessung der Erde (Scientifica), Bücher und Antiken. Diese Vielfalt ist in der Kunstkammer Wien heute nur noch zum Teil erfahrbar. Systematisierungsbestrebungen haben die ehemaligen habsburgischen Sammlungen seit dem späteren 19. Jahrhundert stark verändert. Neue Museen wie das Naturhistorische Museum oder das Museum für Völkerkunde wurden gegründet, um Teile der Bestände der alten Kunstkammern aufzunehmen. Dennoch zählt die Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums heute immer noch zu den weltweit bedeutendsten Sammlungenihrer Art. Die Sammlerpersönlichkeiten, die diese Bestände formten, entstammten einer der politisch mächtigsten und einflussreichsten Dynastien Europas mit weitreichenden Kontakten und entsprechenden finanziellen Mitteln. Dieser Rang hatte sich im hohen Anspruch, im künstlerischen Niveau und in der Vielfalt der gesammelten Objekte widerzuspiegeln, ein Umstand, der den Bestand der Kunstkammer Wien so außergewöhnlich und kostbar werden ließ.

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AUFGABENSTELLUNG Seit dem Jahr 2002 ist die Kunstkammer geschlossen. Für die Neuaufstellung wurden rund 2.200 hochrangige Kunstobjekte ausgewählt, die im gegebenen finanziellen Kostenrahmen auf einer Fläche von rund 2.700 m² in zeitgemäßer inhaltlich-didaktischer Erschließung unter Berücksichtigung internationaler konservatorischer und sicherheitstechnischer Standards und im Rahmen einer die BesucherInnen ansprechenden Gestaltung zu präsentieren waren. Die Vermittlung ideen-und herrschaftsgeschichtlicher Hintergründe und handwerklicher Techniken war– unter Einbeziehung neuer Medien –ebenso zu gewährleisten wie die Erklärung kunstgeschichtlicher Entwicklungslinien und Zusammenhänge.

SAMMLUNGSSTRUKTUR Die Neuaufstellung der Kunstkammer Wien kreist in ihrem zentralen Kern um das Thema „Habsburgs Sammler und ihre Sammlungen“. Auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte ist diese Thematik den Beständen inhärent. Der Bogen spannt sich von der mittelalterlichen Schatzkammer als Ansammlung von Objekten mit oftmals symbolischer und mythischer Bedeutung über verschiedene das jeweilige Weltbild des Sammlers spiegelnde „Systematiken“ des Manierismus und Frühbarock bis hin zur Auflösung dieses Ordnungsgedankens im Rahmen primär dynastischen Repräsentationsstrebens und endet mit der Umwandlung in eine kunsthistorische Museumssammlung. Im Zentrum stehen somit die erhaltenen Bestände der Kunstkammern habsburgischer Kaiser und Erzherzöge des16. und 17. Jahrhunderts. Sie bilden das Herzstück der Neuaufstellung mit der Saliera und der Sammlung Kaiser Rudolfs II. als Höhepunkte. Durch ihren Standort in einem Museumsbau des 19. Jahrhundertsund ihre Sammlungsstruktur, die durch ihre Herkunft aus verschiedenen Epochen und dem Besitz unterschiedlicher Sammlerpersönlichkeiten vielfältig differenziert ist, unterscheidet sich die Kunstkammer Wien wesentlich vom Dresdner Grünen Gewölbe. Dessen Sammlung stammt im Wesentlichen aus einer einzigen Epoche, sie wurde von einer dominierenden Persönlichkeit zusammengetragenundbefindet sich vor allem nicht in einem Museumskontext, sondern an ihrem Originalschauplatz, imfürstlichen Schloss. Die Kunstkammer Wien beschränkt sich nicht primär auf eine prunkvolle Objektpräsentation. Das vorliegende Konzept entwickelt vielmehr einen auf form-und stilgeschichtlichen ebenso wie auf kultur-und herrschaftsgeschichtlichen Überlegungen aufgebauten Diskurs, der mit einem textlich und medial aufbereiteten Vermittlungskonzept verbunden ist. Die Neuaufstellung der Kunstkammer Wien bezieht daraus ihre unverwechselbare inhaltliche Identität.

ERZÄHLSTRUKTUR Von denKuratorinnen und Kuratoren der Kunstkammer Wien wurde das wissenschaftlich-inhaltliche Konzept der Themenschwerpunkte, Raumaufteilung und Objektzuordnung erarbeitet. In Zusammenarbeit mit dem Büro „bogner-cc“ wurde dieses Konzept unter dem spezifischen Fokus einer Schärfung didaktischer und vermittlungstechnischer Aspekte überarbeitet.


Aus dem inhaltlichen Potenzial von Objekten und Objektgruppen wurden drei Sektionen und drei parallel verlaufende kunst-und kulturhistorische sowie herrschafts-und sammlungsgeschichtliche Diskurse entwickelt. Indem diese Inhaltsschichten präzise aufeinander abgestimmt werden, bietet die Neuaufstellung den BesucherInnen je nach derenInteresseunterschiedliche Lesarten und Erfahrungshorizonte. Als ordnendes „Grundgewebe“ dient eine nach form-und stilgeschichtlichen Kriterien entwickelte chronologische Raumfolge.

ber der Barockzeit in Szene, deren primäre Sammlungsintention sich auf dynastische und politische Repräsentation konzentrierte und sich weniger mit der Weiterführung des Kunstkammer-Konzepts ihrer Vorfahren beschäftigte.

DREI SEKTIONEN

„Saalregenten“ vermitteln im zentralen Durchgangsbereich das jeweilige Saalthema. Es handelt sich dabei ausschließlich um inhaltlich und qualitativ herausragende Kunstwerke. Ihre Abfolge bietet eine spannende inhaltliche Dramaturgie und einen Leitfaden durch die gesamte Kunstkammer Wien. Ab der zweiten Sektion liegt der Schwerpunkt der „Saalregenten“ auf Vertretern des dynastischen Denkens der Habsburger, deren Sammlungsphilosophie in unterschiedlichster Art und Weise ihren Niederschlag in den Sammlungsobjekten findet.

Die insgesamt 20 Räume gliedern sich in drei große Sektionen. Der erste Teil behandelt eine Reihe wesentlicher kunst-und kulturgeschichtlicher Prämissen für die Entstehung der Kunstkammern der Habsburgerim 16. Jahrhundert: Es handelt sich um die ersten sechsSäle, die in ihrer stilgeschichtlich bestimmten Abfolge Einblick in die höfische Sammlungskultur vom Mittelalter bis zur Renaissancezeit gewähren, wobei in besonderem Maß auf spezifische Unterschiede und Wechselbeziehungen zwischen Nord und Süd eingegangen wird. Im Mittelteil treten die wichtigsten habsburgischen Erzherzöge und Kaiser des 16. und 17. Jahrhunderts durch Gemälde und/ oder Büsten inmitten ihrer durch individuelle Obsession zusammengetragenen Sammlungen in Erscheinung. Mit der Saliera, der Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. und der konzentrierten Aufstellung des großartigen Exotica-Komplexes der Kunstkammer Wien bietet dieser zentrale Bereich der Neuaufstellung eine dichte Abfolge außergewöhnlicher Höhepunkte. In der dritten Sektion setzen sich jene habsburgischen Auftragge-

DREI ERZÄHLSTRÄNGE Innerhalb der einzelnen Säle orientiert sich die Ordnung der Objekte an drei parallel geführten Erzählsträngen (Plan II).

Im Hauptteil der Säle ordnen sich die Kunstwerke zu form-und stilgeschichtlich sowie kulturgeschichtlich bestimmten Komplexen, die jeweils einem Thema gewidmet sind. Eine differenzierte Textstruktur und mediale Begleitinformationenvermitteln die Ideengeschichte der Sammlungskonzepte, berichten über Künstlerpersönlichkeiten, Produktionsbedingungen, Materialien und Herstellungsverfahren. In den Seitenkabinetten konzentriert sich ein dritter Erzählstrang auf fürstliche Sammlungskonzepte vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Durch eine aus dem jeweiligen Inhalt entwickelte gestalterisch-individuelle Atmosphäre unterscheiden sich die Kabinette untereinander, aber auch vom jeweiligen Saal. Zugleich

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■ Sektion I – Voraussetzungen ■ Sektion II – Kunstkammern der Habsburger ■ Sektion III – Barocke Repräsentation

Vestibül

■ Medienraum ■ Wechselausstellung/Shop

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wurdejedoch darauf geachtet, dass ihr Inhalt und der des benachbarten Saals aufeinander abgestimmt sind. Dieser inhaltlichen Ordnung ist im Detail eine Flexibilität eigen, die auch das vom Architekturbüro „hg merz“ entwickelte gestalterische Ordnungsschema auszeichnet. Indem sich dieses nicht an starren Architekturelementen orientiert,sondernan den durch die Gewölbefelder gebildeten Teilräumen, herrscht innerhalb der Einheiten ein elastisches Ordnungsprinzip. Diese sowohl dem inhaltlichen als auch dem gestalterischen Konzept eigene „Freiheit im System“ erlaubt durch bewusste Abweichungen punktuelle Hervorhebungen, Rhythmisierungen oder freie Verteilungen von Objektgruppen –Faktoren, die eine subtile Dramaturgie und mehrschichtige Rezeptionsweise gewährleisten.

VERMITTLUNGS-STRUKTUR Textstruktur Es wurde eine Texthierarchie entwickelt, die RaumtextesowieGruppen-und erweiterteObjekttexte ebenso einbezieht wie viele zusätzliche Informationen auf Computer-Tablets. Porträts Mittels derdurchgehendenIntegration von Porträtgemälden und -büsten erfahren die einzelnen Themenräume eine Personalisierung und „Verlebendigung“und nehmen damit auf den jeweiligen herrschafts-und sammlungsgeschichtlichen Kontext Bezug. Audioguide Der Einsatz eines Audioguide bietet gleichermaßen eine inhaltliche Vertiefung wie die Möglichkeit der Beschränkung gedruckter Texte auf ein Minimum. Medienkonzept Objekte bzw. Objektgruppen, die einer übergedruckte Texte und den Audioguide hinausgehenden visuellen Vermittlung bedürfen, erhalten integrierte interaktive Medienstationen. Zu deren Themen gehören Produktionstechniken bei Bronzeguss, Textilien und Steinschneidekunst, Objekte, deren Mechanismus vor Augen geführt werden soll (Automaten), ferner Objekte, die aus konservatorischen Gründen nicht dauerhaft gezeigt werden können (z. B. Spielkarten). Am Beginn des Abschnitts zu den „habsburgischen Kunstkammern“befindet sich ein Medienraum zur Vermittlung von Inhalten in audio-visueller Form. Auf Zeit und im Wechsel werden dort verschiedene, für die historischen Sammlungen wichtige Aspekte vorgestellt und es wird eine Art „virtuelle Kunstkammer“eingerichtet. Den Anfang macht die Präsentationeiniger Filme zu einer der wichtigsten Bestandsgruppen der Kunstkammern überhaupt: die Automaten. Erstmals in der Geschichte derKunstkammer Wien wird damit die Funktionsweise dieser Werke für ein breites Publikum nachvollziehbar und erlebbar gemacht. Besucherführung Durch die ausgefeilte inhaltliche und gestalterische Organisation in klaren räumlichen Zusammenhängen und Blickachsen und gelenkt durch die klare Abfolge der Saalregenten entstehen eine unaufdringliche Ordnung und einfache Lesbarkeit der Ausstellung.

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DIE SALIERA DES BENVENUTO CELLINI KUNST UND KULTUR AM HOF DER FRANZÖSISCHEN KÖNIGE IM 16. JAHRHUNDERT 1540 fertigt Cellini in Rom für seinen Förderer Ippolito d‘Este ein Wachsmodell für einen Salzbehälter, eine „Saliera“. Er entwirft eine so außergewöhnlich anspruchsvolle Goldschmiedearbeit, dass der Kardinal befindet, nur der König von Frankreich könne ein solches Werk in Auftrag geben. Bald darauf tritt Cellini in den Dienst des französischen Königs Franz I. (1494–1547), der ihm auch tatsächlich den Auftrag zur Ausführung erteilt. In Frankreich trifft Cellini auf weitere italienische Künstler, die der


König für die Arbeiten an der Neugestaltung seines Schlosses Fontainebleau bei Paris berufen hat. Die Könige von Frankreich fördern Kunst und Wissenschaft nicht zuletzt im Wettstreit mit dem Haus Habsburg, dem erbittertsten Gegner im Kampf um die Vorherrschaft in Europa. Franz I. sammelt Arbeiten so berühmter Maler wie Raffael, Tizian oder Leonardo da Vinci. Ebenso geben er und seine Nachfolger Goldschmiedearbeiten, Gefäße und Kameen aus edlen Steinen sowie Tapisserien in Auftrag und erwerben sie . Deren künstlerische Qualität, Raffinement und Eleganz sind charakteristisch für die hochstehende Kultur am Hof der französischen Könige.

Benvenuto Cellini (1500-1571) Saliera, Paris, 1540-1543 © Kunsthistorisches Museum Wien Die einzige erhaltene Goldschmiedearbeit des schon zu Lebzeiten berühmten Florentiner Künstlers ist weit mehr als ein kostbares Tischgerät für Salz und Pfeffer. Mit seinem Bildprogramm ist es ein Sinnbild des Kosmos, auf den die Gottheiten Neptun (Meer) und Tellus (Erde) ebenso verweisen wie die Motive der Tageszeiten und der Himmelsrichtungen am Sockel. Diesen Kosmos beherrscht der in Wappen und Emblemen präsente Auftraggeber: König Franz I. von Frankreich.

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VOM GOTTESHAUS ZUR LIEBESBURG KUNST FÜR KIRCHE UND HOF IM MITTELALTER (1200– 1500) (Saal 36)

Die Kunst des europäischen Mittelalters ist wesentlich von der christlichen Religion geprägt. Kirchliche Institutionen und Fürstenhöfe beschäftigen Bildhauer, Maler und Kunsthandwerker. Ab dem 13. Jahrhundert treten die Städte und das am Adel orientierte Bürgertum als Auftraggeber hinzu. Die damit steigenden Ansprüche an Repräsentation und Luxus decken städtische Handwerksbetriebe, die sich zunehmend spezialisieren und in Zünften organisieren. Altar- und Heiligenbilder aus Marmor, Alabaster, Holz und Elfenbein entstehen dort ebenso wie profanes Prunkgeschirr, Gefäße aus edlen Steinen, Schmuck oder Spielbretter. Neben Darstellungen mit christlichen Inhalten findet nun auch die Bilderwelt der weltlich- höfischen Minnedichtung ihren Platz.

Im 14. Jahrhundert tritt am französischen Königshof der Valois die Idee des Sammelns in Erscheinung, die nicht nur das materiell Wertvolle schätzt, sondern auch das Kunstvolle, Alte und Seltene. Die übrigen Herrscherdynastien Europas in dieser Zeit sehen die Werke der Schatzkunst hingegen weiterhin primär im Dienst der Inszenierung von Status, Reichtum und Frömmigkeit.

SAALREGENT Maria mit Kind, sog. Krumauer Madonna Prag (?), um 1390/1400 Kalksandstein, Reste der Farbfassung und der Vergoldung H. 112 cm, B. 45 cm (auf Höhe des Gehänges); Basis: 45 x 34 cm © Kunsthistorisches Museum Wien

In der Zeit um 1400 etablierte sich europaweit der Darstellungstypus der „Schönen Madonna“, der hier eine seiner berühmtesten Ausprägungen fand. Die Skulptur vereint das idealisierte Bild der Himmelskönigin mit dem der liebenden jungen Mutter und dem Realismus genauer Naturbeobachtung beim Knaben. Die nur in Resten erhaltene Farbfassung und die Vergoldung ließen das Madonnenbild einst noch reicher wirken. Entstanden ist es wohl im Umfeld der Prager Hofkunst.

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SAALREGENT Francesco Laurana (1430–1502) Weibliche Büste, Idealporträt der Laura (?) Mailand (?), um 1490 (?) Marmor, Wachs, teilweise bemalt H. 44 cm, B. 42,5 cm © Kunsthistorisches Museum Wien

Francesco Laurana schuf mehrere weibliche Büsten, deren strenge Stilisierung bis heute eine rätselhafte Anziehungskraft ausübt. Nur bei der Wiener Büste blieben Reste der originalen Fassung erhalten. Aufgrund der großen Ähnlichkeit der Büste mit einer überlieferten Darstellung der Laura, der legendären Geliebten des berühmten Gelehrten und Dichters Petrarca, könnte es sich hierbei um ihr Bildnis handeln.

ZWISCHEN TRADITION UND AUFBRUCH (Saal 34) DIE KUNST DES 15. JAHRHUNDERTS NÖRDLICH UND SÜDLICH DER ALPEN In der Zeit um 1430 gehen von Italien und von den Niederlanden zukunftsweisende Neuerungen in der Kunst aus. In Italien wird die Antike zum Vorbild für Formensprache und Themen. In den Niederlanden streben die Künstler nach einer möglichst realistischen Wiedergabe ihrer Umwelt. Damit etablieren sich auch neue Kunstgattungen. Das neue, humanistisch geprägte Weltbild rückt den Menschen und damit das Porträt in der Form von Gemälde, Relief und Büste ins Zentrum. In Italien entstehen die kleinformatige Bronzestatuette und die Plakette, welche die begehrten Vorbilder der Antike in Nachbildungen als Sammlerstücke verfügbar und „begreifbar“ machen. Die Idee des gezielten Sammelns etabliert sich in Italien zuerst am Hof der Medici in Florenz. Altar- und Andachtsbilder bleiben im 15. Jahrhundert wichtige Gestaltungsaufgaben. Dem Antikenbezug in Werken italienischer Bildhauer wie Donatello steht die Sichtweise nordischer Künstler wie Riemenschneider gegenüber. Deren Werke bleiben bis nach 1500 stark an mittelalterliche Konventionen gebunden. Das wird an der Darstellung des nackten Körpers besonders deutlich, die in Italien mit dem Rückgriff auf die Antike größere Freiheit genießt.

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SAALREGENT Michel Erhart (1440/45–nach 1522) Jörg Syrlin d. Ä. (1425-1491) Vanitas Ulm, um 1470/80 Lindenholz, bemalt H. 46,5 cm, Dm. 19 cm © Kunsthistorisches Museum Wien

Die drei Figuren, die aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt wurden, stellen die Schönheit der Jugend und ihre Vergänglichkeit dar. Der Verfall des Körpers im Alter wird durch den Realismus der meisterhaften Farbfassung drastisch betont. Es ist unklar, ob die Gruppe ursprünglich zu einem größeren Kontext, z. B. einem Uhrengehäuse, gehörte oder bereits als eigenständige Kleinskulptur geplant wurde.


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Drachenschale aus Lapislazuli Gasparo Miseroni um 1565/70, Mailand Š Kunsthistorisches Museum Wien

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KUNST FÜR KENNER UND SAMMLER (Saal 32) DIE HOCH- UND SPÄTRENAISSANCE IN ITALIEN (1500–1600) Italien besteht im 15. und 16. Jahrhundert aus zahlreichen unabhängigen Stadtstaaten und Fürstentümern. Florenz, Rom, Neapel, Venedig, Mailand, Mantua und Padua bilden die maßgeblichen Zentren dieser Zeit, die nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch künstlerisch miteinander im Wettstreit stehen. Hier entwickelt sich eine Kultur des Mäzenaten- und Sammlertums, die auf breiter Ebene von den politisch, geistig und wirtschaftlich bestimmenden Eliten getragen wird, und damit eng verbunden der Künstler im neuzeitlichen Sinn. Künstler, Kenner, Händler und Gelehrte stehen in direktem Austausch und bilden Netzwerke, welche die Produktion, Verbreitung und Rezeption von Kunst von nun an wesentlich bestimmen. An die Stelle der Bemühungen der Frührenaissance, antike Vorbilder möglichst genau nachzuahmen, tritt im 16. Jahrhundert der Wunsch, diese durch künstlerische Kreativität und Virtuosität zu übertreffen. Auf dem Gebiet der Bronzestatuetten erreicht diese Entwicklung mit den Werken des Bildhauers Giambologna ihren Höhepunkt. Seine allansichtigen Kompositionen scheinen die Gesetze der Schwerkraft zu überwinden.

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Apollo und Daphne Jakob Auer um 1688/90, Wien Š Wien, Kunsthistorisches Museum

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Das Architekturkonzept Eine Sammlung von außergewöhnlichen Objekten in einer Ikone des Museumsbaus auszustellen, ist wahrlich eine große Herausforderung für einen Architekten. Sowohl das Haus als auch die Sammlung, die jahrelang in einem Dornröschenschlaf lag, ist weltweit einzigartig. Das, so denkt man, wären doch genügend Garanten für einen Erfolg, wozu muss man da noch gestalten? Doch, man muss, denn Faktoren dieser Güte führen entweder zu einer Lähmung oder fordern zu einer Gestaltung auf, die sich zwischen Demut und Delikatesse bewegen muss. Die Neuaufstellung der Kunstkammer im Kunsthistorischen Museum in Wien hatte sich einerseits an der bedeutenden historischen Architektur von Carl von Hasenauer und Gottfried Semper auszurichten, die Inszenierung einer wie immer gearteten artifiziellen „Wunderkammer“ schloss sich aus – das Haus war für solche „circensischen“ Auftritte nicht entworfen worden. Andererseits musste eine Sammlung, die aus sehr vielen heterogenen Einzelstücken besteht, einem Publikum nahegebracht werden, das lieber das Spektakuläre und das eher schnelle Erlebnis sucht als sich kontemplativ auf ein Artefakt und dessen Nuancen einzulassen – magische Räume waren also vonnöten! Die Objekte, die wir hier ausstellen, haben ihr erstes Leben bereits hinter sich, sie sind aus ihrer Bedeutungssphäre gerissen und musealisiert worden. Ihre ursprüngliche Umgebung, in der sie benutzt und bewundert wurden, ist für sie nicht mehr vorhanden, sie sind in eine neue Beziehung mit vielen anderen Objekten einer Sammlung eingetreten. Dieses zweite Leben der Dinge in Vitrinen in einer Enfilade von Kabinetten des Kunsthistorischen Museums ließ diese Kunstkammer entstehen. In einer neuen Sortierung, in neuen Gefäßen, aber in den tradierten Räumen, überführen wir sie nun in ihr drittes Leben. Wir schaffen Konfigurationen, die aus Objekten, Texten, Materialien, Medien und der historischen Architektur eine Atmosphäre erzeugen, die dem Besucher die Magie der Sammlung nahe bringen soll. Dieses Beziehungsgeflecht setzt voraus, dass man sich mit dem Bestand der Architektur, den Oberflächen, dem Dekor, der Belichtung und vor allem mit dem Wesen der Sammlung und ihrer Geschichte auseinandersetzt. Auf die Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien konnte der Begriff der Wunderkammer im eigentlichen Sinne noch nie zutreffend angewendet werden. Vielmehr wurde die Sammlung immer in Vitrinen in einem Museum präsentiert. Unsere neue Ausstellung orientiert sich mit ihren Ausstellungsbehelfen an dieser tradierten Präsentationsform. Wir haben keine überinszenierten Räume geschaffen; die Architektur wurde so weit wie möglich erhalten und konserviert, ihr Charakter wurde gepflegt. Die Fensterebene musste allerdings aus konservatorischen Gründen (Lichtschutz) ergänzt werden, jedoch ohne das äußere und innere Erscheinungsbild zu verändern. Aus Gründen eines für die Exponate zuträglichen Klimas mussten Klimaschleusen an den Zugängen angebracht werden (Umbaumaßnahmen: b18-architekten zt gmbh). Alle anderen

Einbauten, wie Vitrinen, Hängeflächen für Tapisserien und Beleuchtung (Starbrick-Luster von Olafur Eliasson), sind als Möblierung zu verstehen, die die Architektur behutsam ergänzen. Nicht nur die Reminiszenz an die historische Präsentation hat uns dazu bewogen, die Ausstellungsgestaltung mit ihren Hilfsmitteln stark zurückzunehmen, sondern auch der Charakter der Objekte, die wir auszustellen hatten. Viele Exponate sind eine Inszenierung in sich, teilweise ein „Feuerwerk“ an Formen, Farben und Materialien, viele sind einfach großartige Kunstwerke aus einem Material, dessen Aura keine verstärkenden Maßnahmen verträgt. All dies kann man nicht in einem Bühnenbild untergehen lassen. Es handelt sich bei der Präsentation dieser herausragenden Artefakte in der Trias von Raum, Exponat und Besucher also eher um das Entbergen (im Heideggerschen Sinn) der Protagonisten und nicht um das Verbergen im Dekor. So haben wir denn nicht lauter kleine Lebenswelten geschaffen, deren artifizielle Ausprägung den Exponaten keinesfalls gerecht werden würde, sondern ein unprätentiöses Schaudepot, das im Gegensatz zu einem Sammlungsdepot jedem Exponat seinen Auftritt lässt und ihm genug Luft zum Atmen gibt. Die Ausstellungsmöbel sind so entworfen, dass sie sich zwar in ihrer Materialität und in ihrer Funktion zurücknehmen, aber trotz ihrer dienenden, sachlichen Ausprägung mit ihren Proportionen genügend Selbstbewusstsein gegenüber der Architektur aufweisen. Es gibt vier verschiedene Formen der Präsentationsmöbel – freistehende Vitrinen, Wandvitrinen, Tischvitrinen und überarbeitete historische Vitrinen – in unterschiedlichsten Ausmaßen, die durch ihre Stellung und Komposition eine Varianz erzeugen, die jeden Raum unterschiedlich erlebbar werden lässt. Das Prinzip der Reduktion und der Konzentration auf das Exponat schließt jedoch nicht die Interaktionen zwischen den Artefakten aus. So ermöglichen die Ausstellungsmöbel durch ihre Stellung und Dichte, wie in einer Wunderkammer, die gewünschten inhaltlichen Dialoge zwischen den Exponaten. Der Besucher wird zum Vergleichen aufgefordert. Es ist auch in Zukunft denkbar, dass der Besucher über eine App auf seinem Smartphone im Zusammenspiel mit RFID-tags an den Vitrinen in einen selbstbestimmten Dialog mit den Exponaten tritt und sich Geschichten erzählen lässt, die zu neuen Betrachtungsweisen führen. Die Kunstkammer ist nicht als episches Museum, sondern als Schausammlung gestaltet, die Objekte aller Gattungen, Raritäten, Exotisches und Kurioses als ein wundersames Ganzes zeigt und zum Entdecken anregt. Nicht eine Geschichtenerzählung, sondern das Erzählen von Geschichten war der Ansatz für unsere Gestaltung, und wir wollen erreichen, dass sowohl die Neugier als auch die Altgier (F. Nietzsche) der Besucher befriedigt wird. Prof. HG Merz HG Merz Architekten | Museumsgestalter Stuttgart | Berlin stuttgart@hgmerz.com ww.hgmerz.com

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SPIELE DER MACHT (Saal 31) HABSBURGISCHE KUNSTPOLITIK IM DIENST DYNASTISCHER PROPAGANDA Kaiser Maximilian I. (1459–1519) setzt als erster Habsburger konsequent auf die Wirkmacht von Bildern als Mittel politischer Propaganda. Seine Enkel und Nachfolger, Karl V. (1500– 1558) und Ferdinand I. (1503–1564), knüpfen daran an und instrumentalisieren ihrerseits die Erinnerung an den Großvater, um sich selbst und ihre Familie in einer Zeit der Umbrüche und Veränderungen als die legitimen Erben des „letzten Ritters“ an der Spitz e des Heiligen Römischen Reiches darzustellen. Solche Ideen und Ansprüche werden vielfach an den Schaustücken ins Bild gesetzt, die im 16. und 17. Jahrhundert in die Kunstkammern des Hauses Habsburg gelangen. Ihre Bestände sollen nicht nur Kunstverständnis, Gelehrsamkeit und materiellen Reichtum vor Augen führen, sondern immer auch Status und Rang dieser Familie unterstreichen und ihre politischen Vorstellungen visualisieren. Das Spielbrett, das im Zentrum dieses Raumes steht, ist ein besonders charakteristisches Beispiel eines solchen Kunstkammerobjekts, in dem sich Macht- und Repräsentationsanspruch mit höchster künstlerischer und technischer Meisterschaft verbindet.

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GENERATION DER GRÜNDER (Saal 30) DER BEGINN DER HABSBURGISCHEN KUNSTKAMMERN IM 16. JAHRHUNDERT Mit Maximilian I. (1459–1519) steigt das Haus Habsburg zur Weltmacht auf. Seine Kinder mit Maria von Burgund sichern der Dynastie einerseits die Herrschaft in den burgundischen Niederlanden und andererseits die spanische Krone mit den Gebieten in Übersee. Maximilians Enkel Karl V. (1500–1558) regiert daher ein Weltreich, in dem „die Sonne nicht untergeht“. Die Tochter Maximilians I., Margarete von Österreich (1480–1530), übernimmt 1507 die Regentschaft in den Niederlanden und macht ihre Residenz in Mechelen zu einem Zentrum für Künstler und Gelehrte. Dort verwahrt sie ihre Bibliothek und ihre Sammlung von Kunstwerken und Naturgegenständen in eigenen Räumen. Margarete steht am Beginn der Reihe jener Habsburger, deren Leidenschaft für die Kunst den Bestand der Wiener Kunstkamm er bis heute prägen. Unter ihrem Einfluss gründet ihr Neffe Ferdinand I. (1503–1564) in Wien seine „Kunsst Camer“.

Um 1520 etabliert sich in den großen Reichsstädten Nürnberg und Augsburg die erste Generation jener Meister, die bereits völlig im Banne des Vorbildes der italienischen Renaissance steht.

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KAISER RUDOLF II. (1552–1612) UND SEINE KUNSTKAMMER IN PRAG (Saal 27) Kaiser Rudolf II. ist der bedeutendste Sammler und Mäzen in der Geschichte des Hauses Habsburg. 1583 verlegt der an der Politik wenig interessierte Herrscher seine Residenz von Wien nach Prag und unterhält dort einen großen und repräsentativen Hofstaat. Seine Sammeltätigkeit spiegelt das mit seiner Stellung verbundene Rangbewusstsein wider und ist vom unbedingten Anspruch auf höchste Qualität und Exklusivität getragen. In der Prager Burg lässt er insgesamt neun Räume für die Unterbringung der Gemälde, der Bibliothek und der Kunstkammer adaptieren. Zur sogenannten „großen Kunstkammer“ hat sich ein zwischen 1607 und 1611 erstelltes Inventar erhalten. Von den zahlreichen Naturgegenständen, die das Inventar nennt –darunter Präparate seltener Tiere und Früchte, Korallen, Muscheln, Mineralien und Fossilien – hat sich nichts erhalten. Die ursprüngliche enzyklopädische Vielfalt der Sammlung geht durch die Zerstörungen und Plünderungen des 30-jährigen Krieges schon im 17. Jahrhundert verloren. Auch von den Kunstgegenständen wie Gold-und Steinschneidearbeiten, Tapisserien, Keramik, Waffen, Münzen, Automaten und Uhren blieben nur Teile erhalten. Der größte geschlossene Bestand davon befindet sich heute in Wien, aufgeteilt auf verschiedene Sammlungen des Kunsthistorischen Museums Wien. Die in Saal 27 ausgestellten Objekte stammen fast zur Gänze aus der Prager Kunstkammer. Es handelt sich um Werke der bedeutendsten Vertreter ihrer jeweiligen Gattung: Adriaen de Vries, Ottavio Miseroni oder Jan Vermeyen. Hofkünstler wie diese hatten stets Zugang zum Kaiser und zu seiner Sammlung; ein Privileg, das damals nur wenigen zuteil wurde.

SAALREGENT Adriaen de Vries (1556–1626) Kaiser Rudolf II. 1603 datiert Bronze H. 112 cm, B. 70 cm, T. 41 cm; Standfläche: 40x 27 cm; Gew. 200 kg © Kunsthistorisches Museum Wien Adriaen de Vries, der Kammerbildhauer des Kaisers, verstand es wie kein anderer, den scheuen Herrscher in seinen Bildnissen zu verherrlichen. Diese Büste orientiert sich direkt am Vorbild einer von Rudolf II. erworbenen Büste seines Großonkels, Kaiser Karls V., übertrifft diese aber an majestätischem Pathos. Die Symbole am Sockel beziehen sich auf Würde, Macht und Weisheit des Kaisers.

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KEXOTICA (Saal 25) DIE KUNSTKAMMERN DER HABSBURGER UND DAS ZEITALTER DER ENTDECKUNGEN (1500–1620) Schätze aus fernen Ländern und fremden Kulturen bilden einen wesentlichen Bestandteil fürstlicher Kunstkammern. Seit dem 15. Jahrhundert erschließen portugiesische und spanische Seefahrer neue Wege nach Afrika, Asien und Amerika. Zusammen mit bereits bekannten Handelsgütern bringen sie eine Fülle neuer und fremdartiger Natur- und Kunstgegenstände nach Eur opa. Elfenbeinschnitzereien aus Afrika und Ceylon, Perlmuttarbeiten aus Indien, Bezoare, Straußeneier und Gefäße aus Rhinozeroshorn faszinieren die europäischen Sammler, die sie häufig zu kunst- und phantasievollen Schaustücken umgestalten lassen. Die Überzeugung, dass diese unbekannten Materialien besondere magische und medizinische Wirkkräfte besitzen, steigert noch ihren Wert. Die Herrschaft und der Einfluss von Mitgliedern des Hauses Habsburg in Spanien und Portugal sichert der „Casa de Austria“ den direkten Zugriff auf die außergewöhnlichsten Raritäten aus der gesamten damals bekannten Welt. Dank der verwandtschaftlichen Beziehungen gelangen entsprechende Kostbarkeiten in großen Mengen auch in die habsburgischen Kunstkammern in Wien, Ambras und Prag.

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Junges Paar Dichter seiner Muse ein Liebeslied vorsingend (frßher: Bacchus und Ariadne) Tullio Lombardo, um 1505/10, Venedig Š Wien, Kunsthistorisches Museum

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GROSSE POLITIK IM KLEINEN FORMAT (Saal 20) DIE KUNSTBESTREBUNGEN KAISER LEOPOLDS I. (1660–1710)

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Unter Kaiser Leopold I. (1640–1705) findet das Zeitalter des Absolutismus und des Barock im Habsburgerreich seinen Höhepunkt. Vielfach lässt er sich selbst und seine Familie in Kunstwerken als Sieger über seine mächtigsten Gegner, Frankreich und die Osmanen, verherrlichen. Besonders eindrucksvoll gelingt dies in den Reiterstandbildern aus Elfenbein in diesem Raum. Der kleine Maßstab dieser speziell für die kaiserliche Schatzkammer geschaffenen Denkmale ist dabei Programm. Eine Umsetzu ng ins monumentale Format war nie geplant.

SAALREGENT

Zugleich entfaltet Leopold I. eine Hofhaltung, die den Vorstellungen der Zeit von Größe und Pracht kaiserlicher Repräsentation vollkommen entspricht. Dazu gehören Aufführungen italienischer Opern ebenso wie Aufträge für die Schatzkammer, darunter etwa die Reiterdenkmale. In einem noch nie dagewesenen Ausmaß bestimmen nun Kunstwerke aus Elfenbein das Erscheinungsbild der kaiserlichen Sammlung. Die persönliche Vorliebe Leopolds I. für dieses Material lässt Wien zu einem führenden Zentrum höfischer Elfenbeinkunst in dieser Zeit werden.

Hoch zu Ross sprengt Leopold I. über einen gestürzten osmanischen Krieger hinweg. Das imaginäre Schlachtfeld ist mit türkischen und französischen Trophäen übersät. Zusammen mit dem Gegenstück, einem Reiterbildnis Josephs I., ergibt dieses Werk ein propagandistisches Doppeldenkmal, das in der kaiserlichen Schatzkammer die Vorrangstellung des Hauses Habsburg als europäische Großmacht in Szene setzte.

Matthias Steinl, Mattsee/Salzburg ? 1643/44–1727) Kaiser Leopold I. als Sieger über die Türken Um 1690/93 H.(gesamt): 74 cm, H. (Statuette) : 50 cm, L. 52 cm, B. 30,5 cm; Sockel: L. 39,2 cm, B. 26,5 cm © Kunsthistorisches Museum Wien


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Vitrinen- und Glasbau REIER GmbH im Kunsthistorischen Museum Wien

... die Kunst zu bewahren ... the art of keeping art

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Innovative Museumseinrichtung in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien Die Neuaufstellung der Sammlung der Kunstkammer Wien nach 11 Jahren Schließzeit umfasst rund 2.200 hochrangige Kunstobjekte, die auf annähernd 2.700 qm Ausstellungsfläche in „zeitgemäßer inhaltlich-didaktischer Erschließung“ zu präsentieren waren. Die Einhaltung internationaler konservatorischer und sicherheitstechnischer Standards war gleichermaßen zu sichern, wie die Präsentation der Objekte im Rahmen einer überzeugenden

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Gestaltung. Und das alles in der gebotenen Komplexität wie im kleinsten Detail. Die Leistungen der Museumseinrichter und des Vitrinenherstellers stellen dabei einen wesentlichen Anteil bei „der Schaffung einer unverwechselbaren inhaltlichen Identität“ der neuen Kunstkammer dar, welche am 01.03.2013 der Öffentlichkeit zugängig gemacht wurde. Neben der klassischen Präsentation der Objekte und Objektgruppen werden über interaktive Medienstationen weiterge-


sicherheitstechnisch perfekter Aufbewahrung der hochwertvollen Exponate. REIER hat mit der Realisierung des Auftrages eines der größten und wohl auch vielschichtigsten Vorhaben in der 25-jährigen erfolgreichen Firmengeschichte bewältigt. Nach einem komplizierten Vergabeverfahren, in dessen Verlauf auch eine Mustervitrine vorzustellen war, umfasste der Auftrag an REIER vom 14.11.2011 letztendlich 296 Vitrinen der unterschiedlichsten Ausprägung und Dimension: Standvitrinen, Wandvitrinen, wandhängende Ganzglasvitrinen, Pultvitrinen, Einbauvitrinen und „historische“ Vitrinen, insgesamt in etwa 100 unterschiedlichen Ausführungstypen. In enger Zusammenarbeit mit den Firmen Zumtobel und DIE LICHTPLANER wuchsen maßgeschneiderte Lösungen für die optimale Beleuchtung des sensiblen Ausstellungsgutes; eigens für das Projekt entwickelte Vitrinenspots, LED-Flächenlichter und LED-Linienlichter; von Vitrine zu Vitrine in jeweils variierter Konfiguration. Jede Vitrine verfügt über ein Umluftsystem, ausgerüstet mit Aktivkohlefilter und passivem Klimamittel zur Regelung der Luftfeuchte. Eine besondere Erwähnung verdient die Schaffung einer weitgehend friktionsfreien, an die Vitrinengröße angepassten Klimaführung, welche in enger Zusammenarbeit zwischen KHM, Architekten, Vitrinenhersteller und der Technischen Universität Wien erarbeitet wurde. Für die Restauratoren der Kunstkammer hatte die Einhaltung der konservatorischen Anforderungen höchste Priorität. Für REIER selbstverständlich, da grundsätzlich mit zertifizierten, schadstoffemissionsarmen Vitrinenbaumaterialien gearbeitet wird. Neben standardmäßig eingesetzten geprüften Klebstoffen und Farben kamen im speziellen Auftragsfall zertifizierte Textilien, Aluminium-Verbundplatten, Mineralwerkstoffplatten sowie eloxierte Aluminiumprofile zum Einsatz. Um die hohen funktionellen und gestalterischen Anforderungen der Museumsarchitekten und Kuratoren zu erfüllen, wurden Speziallösungen entwickelt. Beispielhaft dafür steht der benutzerseitig per Touchfeld zu steuernde Öffnungsmechanismus der Abdeckung eines extrem lichtempfindlichen Exponates. Für die effektive Fertigung der komplizierten Einzelkomponenten mussten modernste Fertigungstechnologien eingesetzt oder gar erst entwickelt werden. Zur Komplexität der Fertigungstechnologie kam die logistische Herausforderung hinzu. Durchschnittlich besteht jede Vitrine aus 300 Teilen, womit in Summe im Rahmen des Projektes etwa 100.000 Einzelteile gefertigt, gefügt und montiert wurden. Und eben dieser Zusammenbau geschah, aufgrund von Größe und Gewicht der Einzelkomponenten, in nennenswertem Umfang am endgültigen Aufstellort, der Kunstkammer Wien. hende Inhalte vermittelt. Diese geben Informationen zu den ausgestellten Exponaten, demonstrieren deren Funktionsweisen und informieren über das nur zeitweilig oder gar nicht Ausstellbare. Die Ausstattung der Kunstkammer Wien mit hochmodernen REIER-Museumsvitrinen, das Schaffen von „magischen Räumen“ gar, wie es in einer Rezension heißt, gewährleistet die optimale Präsentation bei gleichzeitig konservatorisch und

Abgesehen vom immens großen Arbeitsumfang innerhalb des sehr engen Zeitrahmens für die Umsetzung der Projektidee stellte der hohe Individualisierungsgrad jeder einzelnen Vitrine bei gleichzeitiger Erfüllung der Forderung nach Integration in ein stimmiges Gesamtbild die eigentliche Herausforderung für den Vitrinenhersteller dar, welche er überzeugend verstand umzusetzen.

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Licht in der Kunstkammer Wien Zeitgenössische Lichtkunst von Zumtobel in der Kunstkammer Wien Die Kunstkammer Wien erstrahlt seit März 2013 in neuem Licht und ist nach vielen Jahren wieder öffentlich zugänglich. Es ist weltweit die bedeutendste Sammlung ihrer Art und ein „Museum im Museum“: In den 20 nach Themenschwerpunkten neu gestalteten Räumen eröffnet sich dem Besucher eine ganz eigene Welt des Schönen und Geistvollen, Kuriosen und Wunderbaren. Mit dem Ziel, die Geschichte der habsburgischen Sammlung und ihrer wichtigsten Persönlichkeiten einem breiten Publikum auf zeitgenössische Art und Weise nahezubringen, wurde die Kunstkammer am 1. März nach über 10 Jahren der Schließung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Höchste konservatori-

Foto: © Sawaya / Zumtobel

sche Anforderungen, inhaltlich-didaktische Kriterien, aber auch emotionale Faktoren spielten bei der Neugestaltung der Kunstkammer gleichermaßen eine wichtige Rolle. Einen wertvollen Beitrag im Rahmen der neuen Konzeption leistet das Licht, was auch Sabine Haag, Generaldirektorin des KHM betont: „Ein Museum ohne das richtige Licht ist undenkbar.“ Allerdings könnten die 2.200 Objekte der Sammlung in ihrer Beschaffenheit nicht unterschiedlicher sein, was bei der Beleuchtung viel Feingefühl erfordert. Zu den Höhepunkten der Sammlung zählen herausragende Goldschmiedearbeiten wie die berühmte Saliera von Benvenuto Cellini, ausgewählte Skulpturen wie die Krumauer Madonna, meisterhafte Bronzestatuetten, filigrane Elfenbeinarbeiten, aber auch wertvolle Uhren, Spiele und wissenschaftliche Instrumente.

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Auf der Suche nach einem neuen Luster, der einerseits in seiner Ästhetik in die historischen Räume passt und andererseits eine schonende Beleuchtung der wertvollen Objekte sicherstellt, kam der Starbrick ins Spiel. Das gemeinsam mit dem dänisch-isländischen Künstler Olafur Eliasson entwickelte Zumtobel Masterpiece überzeugte mit schlichter Eleganz und Multifunktionalität, vor allem trägt aber auch die leitende Idee der Kunstkammer in sich: So wie jedes der Objekte in der Kunstkammer seinerzeit ein Exemplar ausgezeichneter Handwerkskunst war, ist der Starbrick heute ein Vertreter zeitgenössischer Kunst, der gleichzeitig modernste Technologie repräsentiert. Insgesamt 51 Starbrick-Formationen bestehend aus je vier Starbrick-Modulen setzen die unterschiedlichen Kunstauffassungen aus Geschichte und Gegenwart in Szene, so dass ein beeindruckender Kontrast aus Historie und Moderne entsteht. Um den besonderen Anforderungen in den erstmals 1891 eröffneten Räumen der Kunstkammer gerecht zu werden, handelt es sich um eine Sonderanfertigung des Starbricks. Integrierte Supersystem Spots sorgen für zusätzliches Direktlicht, während ein Panos Infinity Modul das Indirektlicht unterstützt und eine nach unten strahlende Fläche des Starbricks gleichzeitig als Sicherheitsbeleuchtung dient. „Aufgrund der Deckenhöhe haben wir das Licht verstärkt, die ursprüngliche Form des Starbricks blieb aber erhalten. Abgestimmt auf die historischen Räumlichkeiten entsteht eine ganz individuelle Formation der Starbricks, wodurch sie wie ein Bild funktionieren, wie Sterne am Himmel“, erläutert Olafur Eliasson. Der Starbrick ist ein wesentlicher Teil einer ganzheitlichen Zumtobel Lichtlösung, die ganz auf die Bedürfnisse der Kunstkammer abgestimmt wurde. So kamen neben dem Starbrick LED-Supersystem Wandstrahler in den Vitrinen und Supersystem Einzelspots zum Einsatz. Gerade in den Vitrinen, jede ein hoch-sensibles geschlossenes System, machen sich die Vorzüge der LED-Technologie bemerkbar. So punkten die Leuchtdioden nicht nur mit einer hohen Lebensdauer und Energieeffizienz verbunden mit geringem Wartungsaufwand, sondern garantieren auch eine wirkungsvolle und gleichzeitig schonende Präsentation ohne Wärmeemission. Die minimalistischen Supersystem Spots, integriert in den Vitrinenplafonds, nehmen sich zurück und überlassen die Bühne den Statuetten, Prunkgefäßen und exotischen Handwerksarbeiten der letzten 1.000 Jahre Kunstgeschichte. Zudem lassen sich die Lichtfarben individuell auf Farbe und Materialität der Exponate abstimmen, so dass sie ihre ganze Magie entfalten können und für den Besucher authentisch erlebbar sind.


Foto: © Brigida Gonzalez / Zumtobel

„Es ging wortwörtlich darum, die Objekte im besten Licht darzustellen. Es sind alles Originale, jedes mit einer ganz speziellen Aura, und diese soll für den Besucher spürbar und erlebbar werden“, so Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums. Mit einer maßgeschneiderten LED-Lichtlösung ist es gelungen, eine fein differenzierte, schonende und effektvolle Beleuchtung der verschiedenen Exponate zu erzielen. Über den Starbrick Aus der engen Zusammenarbeit mit internationalen Architekten, Designern und Künstlern sind inzwischen vier individuelle Licht-Kunstwerke, die Masterpieces, entstanden. Der Starbrick ist ein vielseitig einsetzbares Lichtmodul. Seine geometrische Grundform besteht aus einem Würfel, auf dessen sechs Grund-

flächen jeweils weitere Kuben im Winkel von 45° aufgesetzt sind. Diese Kuben können als Verbindungselemente dienen, um mehrere Module miteinander zu kombinieren. Mehr Information zum Starbrick unter www.starbrick.info. Über Olafur Eliasson Olafur Eliasson wurde 1967 in Kopenhagen geboren, wo er an der Königlich-Dänischen Kunstakademie studierte. 1995 gründete er das Studio Olafur Eliasson in Berlin, ein Labor für räumliche Untersuchungen. Hier entwickelt und realisiert er mit einem Team von Architekten, Kunsthistorikern und Material- und Lichtexperten künstlerische Arbeiten wie raumgreifende Installationen, Fotoserien und Skulpturen.

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Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien Maria-Theresien-Platz 1010 Wien Tel: +43 1 525 24 - 0 info.kk@khm.at http://www.khm.at

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Kunstvermittlung Information & Buchung T +43 1 525 24- 5202 kunstvermittlung@khm.at Öffnungszeiten

Di – So, 10 – 18 Uhr Do, 10 – 21 Uhr


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Milit채rhistorisches Museum der Bundeswehr Dresden

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BLUTIGE ROMANTIK 200 Jahre Befreiungskriege gegen Napoleon



BLUTIGE ROMANTIK Die Sonderausstellung im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr

Vor zweihundert Jahren brachen die Heere der antifranzösischen Koalition die Vorherrschaft Napoleons über Mitteleuropa. Deutschland war einer der wichtigsten Schauplätze der Ereignisse des Jahres 1813. Entlang der Marschrouten der gegnerischen Heere und dort, wo diese in Kämpfen aufeinander stießen, haben sich zahlreiche Relikte aus dieser Epoche erhalten, aber auch Objekte, deren Bedeutung auf Legendenbildung und Verklärung basiert. Sie dokumentieren, wie schnell die brutale Kriegswirklichkeit von 1813 durch Romantisierung verschleiert und ihre Protagonisten idealisiert wurden. Die Ausstellung vereinigt in ihrem Hauptteil über 500 Objekte aus öffentlichen und privaten Sammlungen in Deutschland, Frankreich, Österreich und Belgien. Neben Uniformen, Feldzeichen, Waffen und Kuriositäten finden sich persönliche Zeugnisse von Menschen, die 1813 in den Strom der Ereignisse gerieten. Ein eigener Ausstellungsbereich setzt sich mit der miniaturisierten Darstellung der Soldaten und Schlachten der Napoleonischen Kriege auseinander. Die Besucher sehen dort rund 3000 Papiersoldaten in Uniformen der Großen Armee Napoleons, 35 Dioramen und weitere 30 Modelle und Einzelfiguren.

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Die Toten von 1813 sind unter uns Nichts bringt uns dem Grauen des Jahres 1813 so nahe wie die Überreste Gefallener der Schlachten dieser Zeit. In den Boden der Ausstellung ist eine Vitrine eingelassen, in der sich die in der Fundsituation wieder zusammengefügten Überreste eines Pferdes befinden, das in der Leipziger Völkerschlacht von einer Kanonenkugel getötet wurde. Schnell nach den Kampfhandlungen in unmarkierten Massengräbern verscharrt, liegen noch immer Tausende toter Menschen und Pferde im Boden der einstigen Schlachtfelder.

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„Unter den Augen des Meisters“ - Napoleons Präsenz Die Ausstellung soll zu einem guten Teil der Wahrnehmung der napoleonischen Epoche gewidmet sein und nicht ein weiteres Mal die Biografie Napoleons nacherzählen. Dennoch erwies es sich als unmöglich, auf sein Bild zu verzichten. Reproduktionen napoleonischer Staatsporträts werden im Rundgang kontrastiert mit großformatigen Darstellungen, gemalt von romantischen Malern wie Friedrich und Kersting. Sie dienen als Leitbilder. Napoleon erscheint auch in hundertfacher Vervielfältigung als

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Nippesfigur und Erinnerungsstück in einer im 19. Jahrhundert angelegten Sammlung, die das Museum Bautzen zur Verfügung stellt. Und sein Geist scheint durch die Gestaltung des Ausstellungsteils „Zinnfiguren bluten nicht - Die Napoleonischen Kriege en miniature“ zu wehen, welche Fred Berndt, der Ausstellungsgestalter, in Anlehnung an ein Stabszelt Napoleons schuf.


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Die kleine „Grande Armée“ Figuren aus der Sammlung Bernard Franck des Pariser Musée de l‘Armée eskortieren die Besucher im ersten Gang der Ausstellung. Sie vermitteln einen, wenn auch idealtypischen Eindruck von der Vielgestaltigkeit der napoleonischen Armeen. Grenadiere, Husaren, Kürassiere und Lanzenreiter, die Monturen trugen, deren Pracht in der Militärgeschichte ohne Beispiel war, repräsentierten das Selbstbewusstsein dieser Streitmacht, deren Uniformierung und Ausbildung vielen Rheinbundstaaten als Vorbild diente.

Die kleine „Grande Armée“ Figuren aus der Sammlung Bernard Franck des Pariser Musée de l‘Armée eskortieren die Besucher im ersten Gang der Ausstellung. Sie vermitteln einen, wenn auch idealtypischen Eindruck von der Vielgestaltigkeit der napoleonischen Armeen. Grenadiere, Husaren, Kürassiere und Lanzenreiter, die Monturen trugen, deren Pracht in der Militärgeschichte ohne Beispiel war, repräsentierten das Selbstbewusstsein dieser Streitmacht, deren Uniformierung und Ausbildung vielen Rheinbundstaaten als Vorbild diente.

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Mit blanker Waffe Waffengeklirr vermeint man zu vernehmen, wenn man diese Inszenierung mit authentischen Hieb- und Stichwaffen der gegnerischen Parteien betrachtet. Sie treffen aufeinander 체ber Objekten aus dem Umfeld des Generalstabs Napoleons. Eine kostbare Schriftenmappe des Kaiserlichen Hauptquartiers, heute Eigentum des Historischen Museums Hannover, fiel 1815 am Abend der Schlacht von Waterloo in die H채nde der Sieger als sie Napoleons Reisewagen pl체nderten.

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Uniformen: Prächtige „Sterbekittel“ In einem heereskundlichen Einführungsteil ebenso wie in einer biografischen Sektion sind Uniformen der Napoleonischen Kriege zu sehen. Sie zeugen von der Selbstdarstellung des Militärs in jener Epoche, die bis zur Extravaganz ging, aber auch von Abnutzung und Waffenwirkung. Dennoch haben sich vor allem Glanzstücke erhalten, während schlichte Feldmonturen längst entsorgt oder von Veteranen als Arbeitskleidung aufgebraucht wurden.

Mitte: Der Dolman des Husarenrittmeisters Peter von Colomb, bis heute aufbewahrt in Familienbesitz. Colomb, ein preußischer Berufsoffizier war 1813 ein erfolgreicher Streifkorpsführer. Sein nur 100 Mann starkes Detachement operierte im Hinterland der napoleonischen Armeen überaus geschickt und brachte bei Zwickau einen französischen Artilleriekonvoi auf.

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Links: Kostümierung und Rekonstruktion

Oben: Uniformen und Soldatenschicksale

Reenactment und „Lebendige Geschichte“ sind Schlagworte, die eine aktuelle Art der Annäherung an die Ereignisse der Befreiungskriege beschreiben. Sie reicht von Freizeitgestaltung in mehr oder minder vorbildgetreu geschneiderten Monturen bis hin zur akribischen Rekonstruktion historischer Uniformen. Die Uniform eines französischen Generals in der Bildmitte entstand in einem Zeitraum von 10 Jahren. Die Arbeit daran umfasste Archivrecherchen, Materialstudien, sowie das Erlernen und die Anwendung der Fertigungstechniken des 19. Jahrhunderts.

Leihgaben des Museums Bautzen: Helm und Kürass eines französischen Kürassiers, dessen Leichnam nach der Schlacht bei Bautzen-Wurschen im Mai 1813 in einem Schrank in Hartau gefunden wurde.

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Souvenirs des Reenactment Seit den 1970er Jahren hat sich in Europa eine Reenactment-Szene etabliert. Diese spezielle Form des Nacherlebens historischer Ereignisse hat mittlerweile eine eigenen Erinnerungskultur entwickelt. Es gibt Veteranen dieses Hobbies, die auf mehr Schlachten zurückblicken können als so mancher napoleonische Soldat. Eine mittlerweile unübersehbare Menge an Erinnerungsstücken verweist auf die Teilnahme ihrer Besitzer an Veranstaltungen an Schauplätzen der Napoleonischen Kriege in ganz Europa. Viele von ihnen schmücken sich darüber hinaus mit Auszeichnungen, seien es faksimilierte historische Dekorationen oder von Vereinen neu gestiftete Medaillen und Ordenszeichen.

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Die Banalität des Grauens Der Legende nach starben 1813 mehrere französische Soldaten, nachdem sie aus dieser Schüssel Erbsenbrei und Brotstücke gegessen hatten. Ein Mordanschlag deutschnational gesinnter Pirnaer Bürger? Oder nur die Folgen von Auszehrung und Krankheit, die 1813 zahllose Soldaten das Leben kosteten?

Die Schuhe von Marengo Nicht nur die Wahrnehmung der Vergangenheit, sondern auch deren Nachgestaltung produziert Legenden und Anekdoten. Dieses Paar Schuhe, wie die Fußbekleidung der Soldaten Napoleons über nur einen Leisten geschlagen, wurde von einem Reenactor auf zahlreichen Märschen und in nachgestellten Schlachten eingelaufen. Anlässlich des Reenactments der Schlacht bei Marengo im Jahr 2000 blieben diese Schuhe im Morast des Gefechtsfeldes stecken und wurden in diesem Zustand als Andenken aufbewahrt und schließlich dem MHM übergeben.

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Napoleon in Rheda? Seit dem 19. Jahrhundert befindet sich dieser Schlitten im Besitz der Fürsten von Bentheim-Tecklenburg und wird gewöhnlich in einer Remise des Rhedaer Schlosses gezeigt. Napoleon soll ihn 1812 auf seiner Flucht aus Russland benutzt haben, um seiner geschlagenen Großen Armee nach Paris voraus zu eilen. Tatsächlich benutzte er weder ein Gefährt dieser Art - es handelt sich hier um einen Lustschlitten des späten 18. Jahrhunderts noch kam er auf dem Weg von Russland nach Frankreich Rheda überhaupt nahe.


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Die Napoleonischen Kriege im Blick der Kunst Eine Gemäldegalerie, bestückt mit wertvollen Leihgaben u.a. aus dem Pariser Musée de l‘Armée illustriert die Chronologie der Napoleonischen Kriege von Jena 1806 bis Waterloo 1815. Bewußt wurden Historiengemälde des späteren 19. Jahrhunderts ausgewählt. Sie zeugen von einer fortschreitenden Romantisierung der Ereignisse ebenso wie von deren politischer Instrumentalisierung bis in die Zeit kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs.

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Gedenktafel aus der katholischen Pfarrkirche in Hirrlingen

Schützenscheibe von 1913 aus Bautzen

Auf dieser Tafel, die um 1820 gemalt wurde, wird der aus der Gemeinde stammenden Soldaten gedacht, die 1812-1814 mit württembergischen Kontingenten zuerst an der Seite der Großen Armee Napoleons kämpften und dann gegen sie. Diese Tafel ist kein museales Objekt, sondern sie hängt nach wie vor dort, wo sie nach dem Ende der Napoleonischen Kriege aufgehängt wurde. Sie bekundet, wie lange die Folgen der gewaltvollen Epoche in zahlreichen Dörfern und Kleinstädten lange spürbar blieben.

Anlässlich der Hundertjahrfeiern von 1813 wurde in Bautzen diese Scheibe für ein lokales Schützenfest gestiftet. Die Teilnehmer nahmen dabei Napoleon ins Visier. Warum als Motiv der Ausschnitt eines Historiengemäldes ausgewählt wurde, das kein Ereignis von 1813 würdigt, sondern den Brand von Moskau im Jahr 1812, wird ein Geheimnis der Urheber dieses Gegenstandes bleiben.

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“Papierkrieg“ 1813 Dieser Band aus dem Besitz des MHM erzählt, welche Lasten die Zivilbevölkerung des Leipziger Umlandes im März 1813 zu tragen hatte. Tausende von Belegen zeugen von Einquartierungen Angehöriger eines ganzen Korps der Großen Armee, das damals zwischen Leipzig und Gera operierte. Dazu zählten polnische, italienische und französische Verbände in einer Gesamtstärke von bis zu 30.000 Mann.

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Alle Fotos außer erstes: © MHM/ David Brandt www.david-brandt.de

ÖFFNUNGSZEITEN täglich 10.00 18.00 Uhr Montag 10.00 21.00 Uhr / ab 18.00 Uhr Eintritt frei Mittwoch geschlossen

EINTRITT Sonderausstellung 5,00 EUR / ermäßigt 3,00 EUR Dauer und Sonderausstellung 7,00 EUR / 5,00 EUR Eintritt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr frei

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MILITÄRHISTORISCHES MUSEUM DER BUNDESWEHR Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden Tel: 0351 8232803 Fax: 0351 8232894 MilHistMuseumBwEingang@bundeswehr.org www.mhmbw.de


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„Leitfaden für Hörführungen“

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Mehr sehen durch Hören.

Wie schreibt man eine Audioführung? Ein kleiner Leitfaden. EiniGE GEdankEn vorab: Zielgruppe

Als erstes sollten Sie überlegen, an wen sich die Audioführung richten soll. Schließlich ist es ein großer Unterschied, ob man für Kinder, Erwachsene oder ausländische Touristen eine Audioführung erstellen möchte. Vielleicht möchten Sie auch eine barrierefreie Führung für Sehbehinderte oder Hörgeschädigte anbieten. Bei fremdsprachigen Touren stellt sich die Frage, ob die deutsche Führung als Grundlage für eine Übersetzung dienen kann, oder ob Anpassungen an den kulturellen Hintergrund vorgenommen werden sollten.

Stil

Nun besteht die Möglichkeit, eine bestimmte Erzählweise für die Audioführung festzulegen. Unterhaltung und Information können in einer Audioführung unterschiedlich gewichtet werden. Soll der Besucher sachlich oder spielerisch, erlebnisreich oder dokumentarisch geführt werden? Wie viel Subjektivität darf einfließen, wie viel Persönlichkeit soll dem Text eingehaucht werden? Fragen, die auch von der Art Ihrer Ausstellung abhängen. Zielgruppe und Erzählweise werden Ihren Schreibstil maßgeblich beeinflussen. Eine Audioführung kann mehr bieten als monologisch gesprochene Texte. Je nach Stil werden Hintergrundmusik, O-Töne, Geräusche oder die Verteilung von Sprechrollen bis hin zum hörspielartigen Feature zu nützlichen Gestaltungsmitteln. Manchmal sagt ein originales Tondokument mehr als jede wissenschaftliche Ausführung. Doch kommt es darauf an, die richtige Dosis und die passenden Mittel zu finden. Manchmal ist weniger mehr!

Struktur

Linear oder frei? Führungen können linear angelegt werden, d.h. ein zusammenhängender Text führt den Besucher durch die Ausstellung. Alternativ dazu ermöglicht eine freie Führung dem Besucher, die Reihenfolge, in welcher er sich den Objekten widmet, selbst zu wählen. Die einzelnen Hörsegmente müssen dementsprechend auch unabhängig voneinander verständlich sein. Gegebenenfalls müssen wichtige Informationen in verschiedenen Texten wiederholt werden.

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Mehr sehen durch Hören.

Wandtext und audioguide: Es lohnt sich, die Erstellung des Audioguides in der Frühphase der Ausstellungsplanung mit zu bedenken. Wichtig ist, das Verhältnis von Wand- und Hörtext festzulegen. Ist der Wandtext Grundlage zum Verständnis des Hörtexts? Werden die Informationen in den Wandtexten auch im Audioguide aufgegriffen? Die Anbringung der Nummern sollte Ihnen ebenfalls einen Gedanken wert sein. Können sie nah am Exponat positioniert werden? Kann der Zuhörer die Nummern den Exponaten gut zuordnen? Oder muss sein Blick geführt werden? Falls Sie Texte zu ganzen Räumen, beispielsweise als Einführung schreiben möchten, ist es wichtig, einen passenden Ort für die entsprechende Nummer zu finden. vertiefungsebene: „Wenn Sie mehr über den politischen Hintergrund erfahren möchten, drücken Sie nun die i-Taste.“ Mit einer Vertiefungsebene können Informationen gegliedert werden. Sie kann genutzt werden, wenn ein Objekt/ Sachverhalt eine umfangreiche Erklärung verlangt oder wenn ein Aspekt für besonders interessierte Zuhörer vertieft werden soll. Der Besucher entscheidet dann nach dem Einführungstext, ob er noch mehr zum Objekt wissen will. Die Entscheidungsmöglichkeit schafft Übersichtlichkeit und verhindert, dass die – angenommenen - Besucher sich von Informationen überfrachtet fühlen. Alternativ kann eine Vertiefungsebene natürlich auch Raum für kleine Hörspiele, O-Töne usw. bieten. Oder für persönliche Stellungnahmen zu einem Thema. Auch hier gilt: Es geht nicht darum, alle Möglichkeiten auszureizen, sondern eine Ihrer Ausstellung angemessene Form zu finden.

Verständlichkeit und Vermittlung

audiotexte sind keine wissenschaftlichen Texte. Sie richten sich an den interessierten Laien, d.h. wissenschaftliche bzw. (ver-)wissenschaftlichte Texte müssen allgemeinverständlich aufbereitet werden. Trotzdem müssen Audiotexte auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Zusammenhänge zwischen den Exponaten herzustellen, grundlegende Fragen nicht aus den Augen zu verlieren, ist wichtig. Denn beim Schreiben der Einzeltexte zu den Exponaten kann es schnell passieren, dass man sich in den Details verliert. Im Gegensatz zu einer persönlichen Führung haben die Besucher nicht die Möglichkeit, einen Einwand vorzubringen. Besucher reagieren zum Teil empfindlich auf Erklärungen, die Ihnen völlig spekulativ erscheinen und fühlen sich bevormundet. Deshalb ist es ratsam, Interpretationen und Vermutungen als solche zu benennen.

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Länge

Audiotexte, die sich auf einzelne Objekte beziehen, sollten nach Möglichkeit den Umfang von je 1 min 30 sec nicht übersteigen. Einführungstexte, Überblickstexte oder Texte zu Objektgruppen sollten den Umfang von je 2 min 30 sec nicht übersteigen. Bei längeren Texten ist zu empfehlen, diese in mehrere Segmente zu unterteilen und eine Vertiefungstaste anzubieten. Die Länge der Audiotexte kann nach folgender Formel gemessen werden: 120 Wörter entsprechen etwa 1 min.

das scHrEibEn dEr FüHrunG: Denken Sie beim Schreiben daran, dass Ihre Sätze gesprochen und gehört, aber niemals gelesen werden. Versuchen Sie den Text deshalb in sprechbaren Gedankenschritten zu formulieren. Das fördert die Hörverständlichkeit. Sich knapp und klar auszudrücken, sollte die Maxime sein. Sie können die Qualität Ihres Audioführungstextes ganz einfach überprüfen: Lesen Sie ihn sich selbst oder einem Publikum laut vor, oder zeichnen Sie ihn akustisch auf. Das erleichtert das Schreiben. Die optimale Audioführung, die jeden Besucher begeistert, gibt es sicherlich nicht. Wer es sich nicht leisten kann, Führungen für unterschiedliche Zielgruppen anzubieten, was sicherlich zu einer großen Besucherzufriedenheit führen würde, sollte dennoch versuchen, einen Text zu schreiben, der möglichst viele Hörer anspricht. Nachfolgend einige Tipps:

Aufbau eines Hörsegments

Als Einstieg kann eine kurze Beschreibung des Exponats dienen. In jedem Fall sollten Sie einen Bezug zum Ausstellungsstück herstellen, um Irritationen („Hab´ ich nun wirklich die richtige Nummern gewählt?“) zu vermeiden. Wenn der Text anschließend in eine andere Richtung geht, als das Exponat auf den ersten Blick vermuten lässt, kann der Besucher gut folgen. Für die Hörverständlichkeit ist es wichtiger als bei Schrifttexten, keine Gedankensprünge zu machen. Hörtexte sollten linear angelegt sein – wie auch unsere mündliche Rede. Logische Verknüpfungen von Sätzen sind für den Besucher leichter verständlich. Anders als bei einem schriftlichen Text kann der Zuhörer nicht vor- oder zurückblättern, sondern ist auf den Textfluss angewiesen. Tipp: „Deshalb“ Wörter wie „also“, „trotzdem“, „weil“ an den Satzanfang setzen.

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Satzbau

Halten sie ihre sätze so kurz wie möglich (ideal: nicht mehr als 13 Wörter). Um das Hörverstehen zu erleichtern, sollten Sie Relativsätze nicht ineinander verschachteln. Satzbauvariationen beleben den Text, v.a. Wechsel zwischen längeren und kürzeren Sätzen. Häufen Sie keine Informationen in einem Satz! Besser ist eine Kerninformation im letzten Satzteil, die beim Vorlesen des Sprechers ganz automatisch betont wird. Auch von Besuchern wird das zuletzt Genannte am sichersten hörverstanden. „Beinahe vier Millionen Quadratkilometer begruben diese schnell fließenden Flutbasalte unter sich.“ versus „Die schnell fließenden Flutbasalte begruben beinahe vier Millionen Quadratkilometer unter sich.“ Es ist sinnvoll, Verben im Satzanfang zu verwenden, da sie das Verständnis eines Satzes leiten.

Wortwahl

vermeiden sie Fremdwörter! Wenn Sie nicht darauf verzichten wollen, ist zumindest eine Erläuterung erforderlich. („ein eschatologisches Signal, das auf das Weltende hindeutet.“) Mit vielsilbigen Wörtern sollten sie sparsam umgehen. Wortschlangen wie „nichtsdestotrotz“ mögen beeindrucken, erschweren aber das Hörverständnis. Durch kurze, einsilbige Wörter erreichen Sie mehr Klarheit. reihungen von adjektiven klingen im Sprachrhythmus unnatürlich. verwenden sie mehr verben als substantive! Das kommt einer natürlichen Sprache am nächsten („Er erzielte diese Reduzierung und Verknappung durch die Komprimierung der Formen in einer zusammenhängenden Flächigkeit.“ versus: „Indem er die Formen dicht aneinander setzte, entstand eine zusammen­ hängende Flächigkeit. So erzielte er eine reduzierte Bildsprache.“). aktive verben eignen sich besser als passive. („Dieser Farbholzschnitt wurde in einer besonderen Technik angefertigt.“ versus „Kandinsky fertigte den Farbholzschnitt in einer besonderen Technik an.“) Ziel ist, informationen präzise und verständlich zu vermitteln. Auf Füllwörter (sozusagen, eigentlich, nämlich, quasi) und blumige Ausschmückungen können Sie getrost verzichten. vermeiden sie redundanzen (ein helles, ausgebleichtes Tuch).

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Jahreszahlen sollten sie möglichst sparsam verwenden! Tipp: Veranschaulichen Sie ab und zu die Daten. „1792 erhielt Napoleon sein erstes militärisches Kommando. Nur elf Jahre später krönte er sich selbst zum Kaiser.“ Natürlich gilt auch für alle anderen Zahlenangaben, möglichst anschaulich zu schreiben, und lieber mal auf- oder abzurunden. vermeiden sie klangwiederholungen in aufeinanderfolgenden Wörtern: „Er verbietet ihr, ihr Brot zu essen.“

EiniGE sTiLMiTTEL Zitate aus schriften/korrespondenzen von Künstlern/Forschern/Zeitgenossen beleben den Text und lassen sich durch Sprecherwechsel besonders gut zur Geltung bringen. Achten Sie darauf, das Zitat einzuleiten, denn Anführungsstriche sind nicht zu hören. Wiederholungen werden anders als im Schriftlichen nicht als störend empfunden. Um Informationen zu verdeutlichen, können Sie sich deshalb auf Vorhergehendes beziehen. So können die zentralen Aussagen verfestigt werden – denn wer kann sich schon alles merken, was er in einem Audioguide an Information vermittelt bekommt? Achten Sie darauf, gleichbleibende Begriffe für Sachverhalte zu wählen (entweder Jugendstil oder Art Nouveau!) direkte ansprache: Versuchen Sie, den Besucher direkt anzusprechen. Damit wird der Bezug zum Objekt verstärkt und der Erkenntnisprozess erleichtert. Ein Mittel ist z.B. der Fragesatz, der zum Mitdenken auffordert. Geräusche und Musik schaffen Stimmung, unterstreichen eine Aussage oder werden selbst zum Informationsträger („Was Sie gerade gehört haben, ist die älteste Glocke Europas“). Einbindung von Experten: Neben den Sprechern lohnt es sich, auch Menschen aus dem Umfeld des Museums zu Wort kommen zu lassen – den Restaurator, den Mäzen, den Direktor, den Fachwissenschaftler. Sie gewähren einen besonderen Zugang zum Thema, stellen eine persönlichen Bezug her. situieren von informationen: Lohnenswert ist, mit den Ausführungen immer wieder an die Person der Besucher anzuknüpfen, lebensweltliche Bezüge zu schaffen, um Aufmerksamkeit zu erwecken. („Kaum eine andere archäologische Fundgruppe fasziniert uns mehr als Schatzfunde. Ob aus Gold oder Silber, nur wenige Münzen oder Berge von Edelmetall – man fragt sich doch stets, wer der Mensch war, der all sein Hab und Gut der Erde anvertraut hatte.“)

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ForMaLia verwenden sie keine runde klammern, es sind typische Schriftzeichen, die sich in einem Hörtext schwer umsetzen lassen. Auch Anführungsstriche sind schwer zu hören. dagegen sind eckige klammern für regieanweisungen unverzichtbar. Sie werden in den Fließtext so eingefügt: „Der Rundgang durch die Ausstellung möchte Ihnen ein vielfältiges Bild der beinahe [Betonung] vierhundertjährigen römischen Herrschaft vermitteln.“ Die Sprecher lesen grundsätzlich alle Texte, die nicht in eckigen Klammern stehen; dies gilt auch für Überschriften und dergleichen. im display des audioguides kann der Titel des Segmentes erscheinen. Aber Achtung: Der Titel sollte nicht länger als 21 Zeichen sein! ordnen sie den audiotext nach aufsteigenden Segment-Nummern. Jeder Audiotext sollte eine bis zu fünfstellige Segmentnummer erhalten. Tauschen sie alle Texte am besten auf dem Edv-Weg mit uns aus. Sie sind am besten im doc (Word-Dokument)- oder rtf (RichText Format)-Format abzuspeichern. Schicken Sie uns alle Audiotexte als einen zusammenhängenden Text! Alle anderen Möglichkeiten schaffen – erfahrungsgemäß- nur Durcheinander.

Wir sind ja auch noch da! Wenn Sie nicht weiter wissen, beraten wir Sie natürlich gerne oder übernehmen das Verfassen der Audioführung vom ersten bis zum letzten Schritt für Sie.

und nun viel spaß beim Texten! Ihr soundgarden­Team

soundgarden audioguidance® GmbH Lyonel-Feininger-Str. 28 80807 München www.audioguide.de info@audioguide.de Tel.: +49 (0) 89 317708-52 Fax: +49 (0) 89 317708-53

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