MUSEUM
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Nr. 33 6,80 €
Sommer 2018
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406803
MAGAZIN M USEUM.DE
Königsschloss Koldinghus Dänemark
www.rob-light.com
In diesem Heft
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MUSEUMSTREFFEN 2018 Das Zeitalter der Kohle. Ruhr Museum und Deutsches Bergbau-Museum Bochum Schlesisches Museum zu Görlitz Das Beste aus unserem Blog: Schifffahrtsmuseum Fischhalle Kiel Schloss Braunfels Ausstellungen und Termine Josef Albers. Interaction. Villa Hügel Archäologisches Museum der Stadt Kelheim Willem van Oranje. Nationales Militärmuseum der Niederlande Meeresrauschen und Tiefseeforschung Deutsches Historisches Museum Die Welt hinter Glas, museumstechnik Juwelen der Macht, Koldinghus, Dänemark Deutsche Uhrmacherschule Glashütte Legende Queen Elizabeth II. – Sa. Luciano Pelizzari. Weltkulturerbe Völklinger Hütte Titelseite: Königin Margrethe II. von Dänemark Foto: © Lasse Lagoni
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chloss Braunfels.
Die Baugeschichte der ursprünglichen Burg Braunfels reicht auf das Jahr 1246 zurück. Damit verbunden ist auch die Familiengeschichte der Solmser, die auf den 1129 erstmalig urkundlich erwähnten Adeligen Marquardus de Sulmese zurückgeht. Mit dem Besuch in Braunfels erfülle ich mir den langgehegten Wunsch, eine echte Märchenburg zu erkunden. Sehr freundlich empfangen werde ich dabei von Graf und Gräfin v. Oppersdorff Solms-Braunfels. Wer medienaffinen Adel erwartet, dürfte enttäuscht werden. Der Familie liegt in erster Linie der Erhalt der Burg am Herzen – bei dem sie ein Team aus ebenso begeisterten Mitarbeitern unterstützt. Obwohl man rein rechnerisch auf die Idee kommt, dass jede der 21 Generationen die Burg um einen Turm bereichert hat, steht jetzt der Erhalt im Vordergrund. Ein Gemälde von Wilhelm Tischbein in den Gesellschaftsräumen zeigt die kaum
einjährige Prinzessin Auguste Louise zu Solms-Braunfels im Jahr 1765 mit einem Helm. Er schützte insbesondere die Kinder vor herabfallenden Steinen der Burg. „Lebendige Steine?“ frage ich mich... Auch die Blumenpracht im Schlossgarten ist ein Zeugnis für Leben auf der Burg. Man spürt, dass auch der Sinn für Ästhetik über Jahrhunderte überliefert wurde. Die Exponate im Rittersaal und in den Gesellschaftsräumen wirken nicht museal, sondern authentisch, da sie mit der Architektur ein harmonisches Ganzes bilden. So wirken auch bauliche Erweiterungen aus Stilrichtungen verschiedener Epochen nie aufgesetzt, sondern bereichernd. Und ja, diese Burg lebt. Sie lebt, weil sich die Familie persönlich für den Erhalt einsetzt und ein Teil ihrer Geschichte ist – eine Passion und Verpflichtung zugleich. Der Besuch von Schloss Braunfels macht deutlich: die digitale Bilderflut aus dem Internet verblasst, wenn man sich auf die Reise zur Burg begibt und die letzten Meter bergauf durch das Kleppertor geht, um von einer ganz anderen Welt verzaubert zu werden. Herzlichst, Ihr Uwe Strauch
Uwe Strauch (Gründer museum.de) mit Graf und Gräfin v. Oppersdorff Solms-Braunfels Foto: © Fürstl. Rentkammer, Braunfels
Ausgabe Nr. 33
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Sommer 2018
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Das Motto vom MUSEUMSTREFFEN 2018: „Die Ausstellungsobjekte – sie sind die Stars der Museen“
Bis zum 11. November 2018 zeigen das Ruhr Museum und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum die Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ in der Mischanlage der Kokerei auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen. Bild: Ein Blick in die Ausstellung. Versinterte Schaufel und im Hintergrund eine versinterte Schachtfahrte. Die in den Grubenwässern enthaltenen Mineralien und Schwebstoffe stellen den Bergbau vor besondere Herausforderungen. Problematisch sind vor allem so genannte Versinterungen, also Gesteine, die durch allmähliche mineralische Ablagerungen aus den zufließenden Wässern entstehen. Welche Auswirkungen diese Sinterbildungen unter Tage haben können, lässt die mit dicken Verkrustungen überzogene Leiter erahnen. Die so genannte Schachtfahrte ist im Jahr 1951 aus dem Bergwerk Sachsen in Hamm geborgen worden. Nach 13 Jahren unter Tage war die hölzerne Leiter kaum mehr unter den dicken Kalkstein- und Schwerspat-Umkrustungen zu erahnen. Ihr Gewicht war auf 341 Kilogramm angewachsen. Foto: © Uwe Strauch
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im Ruhr Museum in Essen EINLADUNG
MUSEUMSTREFFEN 2018 Motto: „Die Ausstellungsobjekte – sie sind die Stars der Museen“ am 27. September 2018 im Ruhr Museum, UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen
Oben: Außenansicht Ruhr Museum, © Ruhr Museum, Foto: Brigida Gonzaléz Rechts: Blick in die Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“. Foto: © Uwe Strauch
Das MUSEUMSTREFFEN 2018 findet am 27. September 2018 im Ruhr Museum in Essen statt. Sie sind zu einem inspirierenden Tag eingeladen, an dem sich Museumsfreunde in entspannter Atmosphäre austauschen können. Einen stimmungsvollen Rahmen für das Museumstreffen bietet das Areal vom UNESCO- Welterbe Zollverein. Wie in den vergangenen Jahren referieren wieder acht Museumsdirektoren. Die Redner schildern ihre eigenen Erfahrungen, Visionen und Pläne bezugnehmend auf das
Tagungsmotto „Die Ausstellungsobjekte – sie sind die Stars der Museen“. Unmittelbar nach den halbstündigen Beiträgen sind Fragen aus dem Publikum möglich und erwünscht. Während der Pausen gibt es für die Tagungsteilnehmer Gelegenheit zum „networken“. Als letzten und außergewöhnlichen Programmpunkt erwartet die Tagungsgäste ein gemeinsamer Besuch der Sonderausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ mit Get Together bei einem „Bergmannsmenü“.
Die Einladung zum MUSEUMSTREFFEN richtet sich an Museumsmitarbeiter (mit Festanstellung, Zeitverträgen, Ehrenamtler), Mitglieder der Freundes- und Fördervereine von Museen, Volontäre und Studenten. Ebenso können auch interessierte Gäste teilnehmen, die beruflich oder privat in Verbindung mit Museen stehen. Die Tagungspauschale beträgt einheitlich für jeden Gast 69 Euro. Darin enthalten ist die ganztägige Verpflegung. Weitere Infos und die Anmeldung zur Veranstaltung finden Sie unter www.museum.de/museumstreffen
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REFERENTEN MUSEUMSTREFFEN 2018 Das MUSEUMSTREFFEN 2018 findet am 27. September im Ruhr Museum in Essen statt. Motto: „Die Ausstellungsobjekte - sie sind die Stars der Museen“. Anmeldung unter www.museum.de/museumstreffen 09:40 - 10:10 08:15 Einlass Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern Dr. Dirk Blübaum Leiter Abt. Staatliches Museum Schwerin
08:30 - 09:00 Frühstück
09:00 - 09:10
„Sie haben die Uhr – wir die Zeit“
Uwe Strauch Gründer museum.de, Xanten 10:10 - 11:00 Kaffeepause 50 Minuten
Begrüßung : „Die Ausstellungsobjekte – sie sind die Stars der Museen“
11:00 - 11:30 Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss Direktor Archäologisches Museum Hamburg „Das Exponat im Boden – Hamburgs Ursprünge in situ präsentiert“
Foto: © AMH
11:30 - 12:00 Dr. Annette Ludwig Direktorin Gutenberg-Museum, Mainz „Bibliophile Kronjuwelen – Die Gutenberg-Bibeln im Gutenberg-Museum“
Foto: © Ruhr Museum, Rothenberg
09:10 - 9:40
12:00 - 13:15 Mittagsbuffet 75 Minuten
Dr. Frank Kerner Stellvertretender Direktor Ruhr Museum
13:15 - 13:45
„Natur. Kultur. Geschichte.
Dr. Denise Roth Leitung Faust-Museum/Faust-Archiv in Knittlingen
Die Dauerausstellung des Ruhr Museums“ „Giftschrank, Zauberformel und Erstausgabe – Orbit der Exponate um einen Mythos: Faust“
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MUSEUMSTREFFEN 2018
13:45 - 14:15 Prof. Dr. Beate Reifenscheid Direktorin Ludwig Museum im Deutschherrenhaus, Koblenz Präsidentin ICOM Deutschland „Objekt – Kontext – Inszenierung zeitgenössischer Kunst“
Moderation: Petra Albrecht WDR Düsseldorf
Foto: © Ludwig Museum 2018
14:15 - 15:00 Kaffeepause 45 Minuten
15:00 - 15:30 Prof. Dr. Lars-Christian Koch Sammlungsdirektor der Staatlichen Museen im Humboldt Forum, Berlin Direktor Ethnologisches Museum „Flüchtige Objekte – immaterielle Kultur im Museum“ Foto: © K-Photographie
15:30 - 16:00 Dr. Michael Farrenkopf Leitung Montanhistorisches Dokumentationszentrum und Mitglied des Direktoriums des Deutschen Bergbau-Museums Bochum
Foto: © Seda Karaoglu
„... ein helles Licht bei der Nacht“. Faszination und Herausforderungen der materiellen Überlieferung des Bergbaus.
16:00 - ca. 18:00 l Gemeinsame Besichtigung der Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ in der Kokerei / Mischanlage, UNESCO-Welterbe Zollverein
Blick in die Trichterebene. Foto: © museum.de
l Get together mit Bergmanns-Menü In Kombination mit der Ausstellungsbesichtigung erwartet die Teilnehmer das Get Together in der Trichterebene der Kokerei mit „Bergmannsmenü“ und Pils vom Faß
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Das Zeitalter der Kohle Das Ruhr Museum und das Deutsches Bergbau-Museum Bochum zeigen die große Sonderausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ auf der Kokerei Zollverein
Kein anderer Stoff hat die Geschichte Europas in den vergangenen 200 Jahren so sehr geprägt wie die Steinkohle. Sie brachte mit dem Bergbau eine mächtige Industrie hervor und beschäftigte auf ihrem Höhepunkt in den verschiedenen europäischen Revieren fast drei Millionen Bergleute. Steinkohle ermöglichte die Industrialisierung und begründete die Vormachtstellung Europas gegen Ende des 19. Jahrhunderts, lieferte aber auch die Energie für beide Weltkriege und war zentrales Thema der anschließenden Friedensverhandlungen. Sie führte zu erbitterten Klassenkämpfen und erschwerte politische Reformen, um nach
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dem Zweiten Weltkrieg die Basis sowohl für die Einigung Europas als auch die Zusammenarbeit von Unternehmern und Gewerkschaften zu bilden. Ausgehend von Kohle und ihren Nebenprodukten entstand die moderne chemische Industrie mit ihren Medikamenten, Kunststoffen und bunten Farben, während zugleich ihre Gewinnung und Nutzung zu erheblichen Eingriffen in Natur und Umwelt führten. Nach 150 Jahren Erfolgsgeschichte folgten ab den späten 1950er Jahren jedoch 50 Jahre, als der Bergbau in eine anhaltende Krise geriet, als Zechen schlossen und Bergleute um ihre und die Zukunft ihrer Familien bangten. Das machte einen
Strukturwandel besonders im Ruhrgebiet, aber auch in den Saarländischen, Ibbenbürener und Aachener Steinkohlenrevieren und in Europa unvermeidlich. Der Steinkohlenbergbau in Deutschland und in Europa ist aber viel mehr als Krise und Kampf um die Kohle. Er ist ein wichtiger Teil des europäischen Kulturerbes. Die Kohle hat nicht nur die Bergleute und ihre Familien geprägt, sondern ganze Regionen. Das Selbstverständnis der Bergleute unter Tage schuf eine einzigartige Vielfalt und viele Gemeinsamkeiten, die Regionen und Menschen in Europa verbinden.
Die Ausstellung Vom April bis zum 11. November 2018 zeigen das Ruhr Museum und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum die Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ in der Mischanlage der Kokerei auf dem UNESCO-Welt- erbe Zollverein in Essen. Sie ist die erste europäische Ausstellung, die zum Abschied von der Kohle gezeigt wird. 2018 schließen mit Prosper-Haniel in Bottrop und Anthrazit Ibbenbüren die beiden letzten aktiven Bergwerke in Deutschland. Damit
zeichnet sich nach 200 Jahren ein Ende des Zeitalters der Kohle in Deutschland ab, das in ganz Europa Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt entscheidend beeinflusste. Besonders im Ruhrgebiet, der ehemals größten Bergbauregion Europas, hat Kohle die Arbeit, den Alltag und die Mentalität der Menschen stark geprägt. 2018 kommt der lange Abschied von der Kohle zum Abschluss, der Ende der 1950er Jahre mit der Kohlekrise und dem Zechensterben begann und über zwei Generationen die Region begleitet und geprägt hat.
Das Ruhr Museum, Regionalmuseum des Ruhrgebiets, und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum, Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen, präsentieren mit „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ ihre erste Gemeinschaftsausstellung. Beide Ausstellungshäuser, die unter anderem über große Sammlungen zur Bergbau-
SchachtZeichen-Ballon, 2010 Im Jahr 2006 wurde Essen, stellvertretend für das gesamte Ruhrgebiet, von der Europäischen Union zur Europäischen Kulturhauptstadt 2010 ernannt. Die Eröffnung fand auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein statt. Ein Leitprojekt im Rahmen des Programms RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas waren die so genannten SchachtZeichen. Große, von innen beleuchtete,
mit Helium gefüllte gelbe Ballons hingen vom 22. bis zum 30. Mai an über 311 Standorten. Sie stellten eine Auswahl der über 3.300 ehemaligen Zechen und Bergbauschächte dar. Sie erinnerten damit an die wichtige Rolle des Bergbaus im Ruhrgebiet und machten den Strukturwandel deutlich, der sich nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus vollzogen hat und der bis heute andauert. © Stiftung Zollverein; Foto: Frank Vinken.
Links: Außenansicht Mischanlage Mitte: Fahrt mit der Standseilbahn in die Ausstellung Fotos: © Ruhr Museum; Foto: Rainer Rothenberg Rechts: Das größte, je im Ruhrgebiet zutage geförderte Kohlestück. Foto: © Uwe Strauch
geschichte verfügen, zeigen in den beeindruckenden Räumen der Mischanlage der Kokerei Zollverein die vielschichtige und faszinierende Geschichte der Kohle in Europa: ihre Förderung und Nutzung und die vielfältigen Auswirkungen bis in den Alltag hinein. Doch Kohle war nicht nur der Treibstoff der Moderne und des Fortschritts, sie war auch Teil der Schattenseiten der Industrialisierung, die ebenfalls beleuchtet werden. Der Parcours der Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ folgt dem ehemaligen Weg der Kohle von der Zeche Zollverein hinüber zur Mischanlage der Kokerei. Die Besucher gelangen mit einer Standseilbahn in die Kopfstation des Gebäudes. Die Ausstellung zeigt in der Abteilung Kohlewelten die Entstehung der Kohle vor mehr als 300 Millionen Jahren in der Karbonzeit, einschließlich des größten je im Ruhrgebiet zutage geförderten Kohlestücks, sowie die weltweiten Lagerstätten der Kohle. Auf der darunterliegenden weitläufigen Verteilerebene geht es um den Bergbau, um die Welt unter Tage. Anhand der vier Elemente Erde, Luft, Feuer und Wasser werden nicht nur die technische Entwicklung, sondern auch die körperliche Anstrengung und die ständige Gefahr der Bergarbeit gezeigt. Durch das Treppenhaus geht es dann bergab in die Tiefe des Gebäudes und symbolisch in die eines Bergwerks.
Links: Blicke in die Ausstellung. Fotos: © Uwe Strauch Rechts: Holger Graf, Antriebshauer auf Prosper IV, Schacht 9, Bottrop, 6. März 2017. © Michael Bader
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In den fensterlosen Räumen der Bunkerebene wird die Entfesselung des Stoffes Kohle thematisiert. Die gespeicherte Sonnenenergie des „schwarzen Goldes“ befeuerte nicht nur das Industriezeitalter, sondern machte in Form der Kohlechemie die Nachahmung der Natur in der Chemie und Pharmazie möglich. Kohle brachte auch eine spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse. Sie war ein Garant für bessere Infrastruktur, Fortschritt, Arbeit und Wohlstand. Aber auch bei der Entstehung von Klassengegensätzen und der Führung von Kriegen kam der Kohle eine Schlüsselrolle zu. Die Trichterebene der Mischanlage ist mit dem Thema Höhepunkt und Abschied der Hochphase und den Folgen der Kohle gewidmet. Sie reichen von der Schlüsselfunktion der Kohle für den Wiederaufbau und den europäischen Einigungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg über die Ablösung der Kohle durch neue Energieträger mit dem nachfolgenden Strukturwandel bis hin zu den immensen ökologischen Folgen, die sich aus dem Abbau und der Verbrennung des Rohstoffs ergeben. Den Abschluss bilden die Menschen und Maschinen des Bergbaus. Im Rollenlager kommen Menschen zu Wort, deren Leben von der Kohle geprägt war und die in Interviews ihren persönlichen Abschied vom Zeitalter der Kohle nehmen. Ergänzt wird die Ausstellung von einem Skulpturenpark vor dem Ausstellungsgebäude mit gigantischen Maschinen, die die Dimensionen des modernen Bergbaus verdeutlichen. Die Exponate Präsentiert werden rund 1.200 Exponate, vor allem aus den Beständen der beiden Museen sowie von über 100 regionalen, nationalen und internationalen Leihgebern. Das Spektrum der Ausstellungsstücke ist vielschichtig. Es reicht von Gemälden und Büsten der europäischen Zechenbesitzer, Bergbaurelikten und schweren Maschinen, Fahnen der Bergarbeitervereine und -bewegungen bis hin zu historischen Plakaten, Fotografien und Filmen. Zu sehen ist eine Wandtapete mit einer der frühesten Eisenbahndarstellungen aus den Musées Gadagne in Lyon, eine Originalprobe des ersten synthetischen Farbstoffes aus Kohle und der Gründungsvertrag der Montanunion, der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“, aus dem Nationalarchiv Luxemburg sowie die Kunstinstallation
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„Dark Star“ des britischen Künstlers Jonathan Anderson. Der Ausstellungsort Ausstellungsort ist die Mischanlage der ehemaligen Kokerei Zollverein, eines der spektakulärsten Gebäude auf dem Welterbe Zollverein. Die gewaltigen Bunkeranlagen des ehemaligen Kohlespeichers, die der Ausstellungsparcours auf drei Ebenen erschließt, versinnbildlichen schon durch ihre Materialität und Monumentalität die visionären technischen Potentiale, aber auch die Gewalttätigkeit der industriellen Moderne. Ihre ursprüngliche Funktion bestand darin, die für die Kokerei bestimmten Kohlen zu sortieren, in riesigen Bunkern zu speichern und sie im gewünschten Mischungsverhältnis den Koksöfen zuzuführen. Sie war somit das Bindeglied zwischen der Kohleförderung auf der Zeche und der Kohleverarbeitung auf der Kokerei und ist damit ein besonders symbolträchtiger Ort. Nach ihrer Stilllegung 1993 wurde sie für die Abschlusspräsentation der Internationalen Bauausstellung Emscherpark zur Ausstellungshalle umgebaut. In ihr wurden spektakuläre Ausstellungen wie „Sonne, Mond und Sterne. Natur und Kultur der Energie“ oder „1914 – Mitten in Europa“ gezeigt. Nun wird der ehemalige Kohlespeicher zum Ort von „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“. Das Begleitprogramm Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Kultur- und Veranstaltungsprogramm. Dazu gehört eine interdisziplinär besetzte, siebenteilige Vortragsreihe zum Steinkohlenbergbau aus europäischer Perspektive, die im Deutschen Bergbau-Museum Bochum ab dem 13. September 2018 stattfinden wird. Ergänzt wird das Programm durch eine 13-teilige Reihe zum Steinkohlenbergbau im europäischen Film in Kooperation mit der Kinemathek im Ruhrgebiet und dem
4.000 historische Farbstoffflaschen Leuchtgas war ein erster Schritt bei der Veredelung von Kohle. Anschließend machte die organische Chemie aus dem Heizmaterial ihre wichtigste Rohstoffquelle und verwandelte sie zu einer scheinbar unerschöpflichen Ressource. Die schnell wachsende Kohlechemie baute zunächst natürliche Stoffe nach, bis sie später teil- und schließlich vollsynthetische Produkte erzeugte. Zu nennen sind Farben, Medikamente und Kunststoffe wie Perlon. Nur ein Jahrzehnt nach 1856, nachdem der erste synthetische Farbstoff aus Steinkohlenteer herge-
stellt worden war, gab es schon über 10.000 verschiedenen Farbnuancen. Die 4.000 Original-Farbgläser unterstreichen die Goldgräberstimmung in der Teerfarbenindustrie. Insbesondere der deutschen chemischen Industrie war es sprichwörtlich gelungen, aus Dreck, dem stinkenden Steinkohlenteer, Geld zu machen. Die mühsame und aufwendige Herstellung von Farben aus Pflanzen oder anderen Naturstoffen war zu teuer. Jetzt wurden gefärbte Stoffe für jedermann erschwinglich und zugänglich. Die Welt erfasste ein wahrer Farbenrausch. Fotos: © Uwe Strauch
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WDR. Die ersten fünf Termine ab dem 15. Juni 2018 finden zunächst im Kino im Walzenlager in Oberhausen statt. Die restlichen acht Termine der Filmreihe werden dann in Kooperation mit den Jungen Freunden Zollverein im Open-Air-Kino am Werksschwimmbad gezeigt und sind mit einer verlängerten Öffnungszeit der Ausstellung verbunden. Eine Rote-Erde-Matinee im Eulenspiegel am 7. Oktober 2018 rundet die Filmreihe ab. Hinzu kommt ein breites Exkursionsprogramm zu den Originalstätten des Steinkohlenbergbaus nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in den benachbarten Revieren, wie im Aachener Raum und im Saarland sowie zu den bergbaulichen Welterbestätten in Elsass-Lothringen, im Hennegau und in Nord-Pas-de-Calais. Die Busexkursionen starten in Essen und in Oberhausen. Das vielfältige Führungsprogramm verbindet in unterschiedlichen Führungsformaten die Qualitäten der beiden Häuser und ihrer Standorte. So bieten die Spezi-
gen und Workshops für Kinder sorgen für ein abwechslungsreiches Programm. Aber auch die Führungen für Lehrende und Schulklassen bieten Raum, um an einem außerschulischen Lernort gebührend Abschied von der Kohle nehmen zu können. Die Kooperation Die Sonderausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein bringt erstmals zwei bedeutende Museen der Region in einem Kooperationsprojekt zusammen. Dabei nutzen die beiden Museen Synergien und führen die Sammlung des Ruhr Museums zur Ruhrgebietsgeschichte mit den Beständen zur Bergbauund Technikgeschichte des Deutschen Bergbau-Museums Bochum in einer Sonderausstellung zusammen.
alführungen einen Rundgang durch die Ausstellung und Einblicke in die Kokerei. Die Führung „Über Tage und unter Tage – Der Steinkohlenbergbau“ kombiniert einen Rundgang durch die Ausstellung mit einem Besuch des Anschauungsbergwerks im Deutschen Bergbau-Museum Bochum. Die Öffentlichen Führungen finden täglich um 11 Uhr statt. Der Audioguide in Deutsch und Englisch mit 54 Stationen sowie das Kohle-Quiz für Familien mit Kindern ab sechs Jahren ist täglich von 10 bis 17 Uhr erhältlich. Monatliche Kuratorenführungen, Führungen für Senioren, Führungen in Gebärdensprache und szenische Führungen sowie Familienführun-
der Universität Freiburg hat er den Lehrstuhl für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte inne: „Kohle schuf die Welt, in der wir leben.“ Dr. Michael Farrenkopf ist Mitglied im Direktorium des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und leitet dort seit 2001 das Montanhistorische Dokumentationszentrum. Dort wird in Bergbau-Archiv Bochum, Musealen Sammlungen und Bibliothek/Fotothek das Gedächtnis des Steinkohlenbergbaus bewahrt. Als Archivar sowie Bergbau- und Technikhistoriker arbeitet er praktisch und wissenschaftlich an der Sicherung und Pflege des bergbaulichen Kulturerbes: „Die Ausstellung ‚Das Zeitalter der Kohle‘ zeigt mit ihrer europäischen Blickrichtung, dass die Geschichte der Kohle noch lange nicht zu Ende erzählt ist. Die Bewahrung des kulturellen Bergbauerbes ist eine Zukunftsaufgabe.“
Die Ausstellungsmacher Die Ausstellung wird geleitet vom Freiburger Historiker Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier, dem Leiter des Montanhistorischen Dokumentationszentrums am Deutschen Bergbau-Museum Bochum Dr. Michael Farrenkopf und dem Direktor des Ruhr Museums Prof. Heinrich Theodor Grütter.
Linke Seite und rechts: Blicke in die Ausstellung. Unten: Treppe zur Trichterebene. Fotos: © Uwe Strauch
Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier hat sich als Ausstellungsmacher von „Feuer und Flamme. 200 Jahre Ruhrgebiet“ bereits in den 1990er Jahren mit der musealen Vermittlung von Sozial-, Wirtschaftsund Technikgeschichte beschäftigt. An
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Trichterebene. Fotos: Š Uwe Strauch
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Prof. Heinrich Theodor Grütter ist Direktor des Ruhr Museums, Mitglied des Vorstand der Stiftung Zollverein und Honorarprofessor an der Universität Duisburg-Essen. Unter seine Verantwortung fallen viele international beachtete Ausstellungen über das Ruhrgebiet: „2018 stellt für das Ruhrgebiet eine wichtige Zäsur dar. Mit dem Ende der Kohle endet zumindest symbolisch auch der vor sechzig Jahren begonnene Strukturwandel.“ Die Förderung Die Ausstellung wird gefördert von der RAG-Stiftung im Rahmen der Initiative „Glückauf Zukunft!“. Mit „Glückauf Zukunft!“ würdigen die RAG-Stiftung, die RAG Aktiengesellschaft und die Evonik Industries AG zusammen mit dem Sozialpartner IG BCE die Errungenschaften und Leistungen des deutschen Steinkohlenbergbaus. Außerdem treiben sie mit neuen Impulsen die Zukunftsgestaltung in den Bergbauregionen voran. Links: v.l.n.r.: Henning Meyer (SPACE4), Dr. Michael Farrenkopf (Deutsches Bergbau-Museum Bochum), Bärbel Bergerhoff-Wodopia (Mitglied des Vorstands der RAG-Stiftung), Prof. Heinrich Theodor Grütter (Ruhr Museum) und Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier (Universität Freiburg). © Deutsches Bergbau-Museum Bochum; Foto: Lorenza Kaib. Oben: Trichterebene. Foto: Uwe Strauch
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Frau Bärbel Bergerhoff-Wodopia ist Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung und verantwortet in ihrer Funktion unter anderem die Förderaktivitäten der RAG-Stiftung sowie das Projekt „Glückauf Zukunft!“: „Mit dem deutschen Steinkohlenbergbau schließt auch ein besonderes Kapitel Europas. ‚Das Zeitalter der Kohle‘ rückt auch dies noch einmal ins Bewusstsein der Menschen und ist si-
cher ein Höhepunkt im Programm von ‚Glückauf Zukunft! ‘.“
UNESCO-Welterbe Zollverein Areal C [Kokerei], Mischanlage [C70], Eingang Wiegeturm [A29],Parkplatz C Arendahls Wiese 45141 Essen www.zeitalterderkohle.de
„Achtung Zug! 175 Jahre Eisenbahn in Schlesien“ Großer Bahnhof für alle Eisenbahnfreunde in Görlitz
Bei der aktuellen Sonderausstellung des Schlesischen Museums zu Görlitz dürften Modellbauer, Eisenbahnfans und sogar
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und vielleicht sogar der Heimatminister ins Schwärmen geraten: Hier gibt es Eisenbahnwelten pur! Auf knapp 300 m²
präsentiert das Museum die bewegte Geschichte der Schlesischen Eisenbahn, die vor gut 175 Jahren ihren Anfang nahm.
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Dr. Martin Kügler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schlesischen Museums zu Görlitz und Kurator der Ausstellung. MUSEUM.DE hat ihn getroffen und ist mit ihm durch seine Ausstellung gegangen.
MUSEUM.DE: Sechseinhalb Jahre nach der Eröffnung der ersten Bahnstrecke in Deutschland begann auch in Schlesien das Eisenbahnzeitalter. Seit Mai 1842 dampften die Lokomotiven zwischen Breslau (poln. Wrocław) und Ohlau (poln.
Oława) hin und her. Wie war es dazu gekommen? Dr. Martin Kügler: 1841 wurde die Gesellschaft „Oberschlesische Eisenbahn“ gegründet und erhielt noch im gleichen Jahr vom preußischen Staat die Erlaubnis zum Bau einer Strecke von Breslau nach Oberschlesien. Deren erstes Teilstück von Breslau nach Ohlau – und damit die erste Strecke in Schlesien überhaupt – wurde schon am 21. Mai 1842 feierlich eingeweiht. Damit rollten die ersten Züge durch
Schlesien. Und danach ging es gleich weiter: Die knapp 200 km lange Strecke von Breslau über Oppeln (poln. Opole), Cosel . (poln. Kozle), Zabrze/Hindenburg, Kattowitz (poln. Katowice) bis nach Myslowitz (poln. Mysłowice) war fünf Jahre später, im Oktober 1847 fertig.
Eingangssituation mit dem originalen Flügelrad der Reichsbahndirektion Breslau, das bis 1945 im Foyer des Verwaltunsgebäudes gestanden hat. Foto: © Gregor Dießner
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MUSEUM.DE: Seit dem Wiener Kongress 1815 gehörte Görlitz zu Schlesien und damit zu Preußen. Wie sah es mit der Verbindung nach Berlin, in die preußische Hauptstadt aus? Dr. Martin Kügler: Die 1842 gegründete „Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn“ (NME) engagierte sich für den Bau einer Verbindung von Breslau nach Berlin. Schon ab dem 1. September 1846 konnte man die 330 km lange Strecke von Breslau nach Berlin mit der Eisenbahn fahren. Genau ein Jahr später, am 1. September 1847, war dann auch die Verbindung zum Schienennetz in Sachsen mit der Fahrt über Görlitz hergestellt. Das Schienennetz wuchs und wuchs! MUSEUM.DE: Welche Bedeutung hatte die Eisenbahn in ihren frühen Jahren denn? Und welches Interesse hatte Schlesien am Ausbau der Strecken? Dr. Martin Kügler: Ein großes! Nach dem zügigen Ausbau dieser Hauptstrecke durch Schlesien begann man mit dem Bau vieler Nebenstrecken. Ziel war es, die zahlreichen Städte Schlesiens mit ih-
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ren Industrie- und Wirtschaftsbetrieben untereinander, vor allem aber mit den angrenzenden Ländern zu verbinden. Besonders die Kohlegruben bei Waldenburg und das oberschlesische Industrierevier hatten eine große wirtschaftliche Bedeutung. So war die direkte Anbindung der Fabriken an das Eisenbahnnetz, der eigene Gleisanschluss, ganz wichtig! Die Besucher unserer Ausstellung können dies anhand von historischen Fotos der Industrieanlagen und Karten nachvollziehen.
auch die oberirdischen Konstruktionen können sich sehen lassen! Die längsten Viadukte Schlesiens sind der 1846 eröffnete und 489 m lange Boberviadukt bei Bunzlau (poln. Bolesławiec) sowie der 1844 bis 1847 gebaute 475 m lange Neißeviadukt bei Görlitz.
MUSEUM.DE: Sudeten, Riesengebirge, Isergebirge. War es nicht schwierig, eine bergige Region ans Schienennetz anzuschließen?
Dr. Martin Kügler: Richtig. Die ersten Lokomotiven kamen 1842 noch aus England. Doch sie wurden bald durch deutsche Maschinen ersetzt.
Dr. Martin Kügler: Oh ja! Die topografischen Verhältnisse im schlesischen Gebirge waren eine echte Herausforderung für die Konstrukteure. Es mussten zahlreiche Viadukte und Tunnel gebaut werden. Verschlungene Streckenführungen und lange Bauzeiten waren die Folge. Der längste Tunnel Schlesiens ist über anderthalb Kilometer lang: der Ochsenkopftunnel bei Dittersbach (poln. Dzietrzychów). Aber
MUSEUM.DE: Schlesien war ja in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine echte Industrielandschaft. Und so profitierte auch die heimische Schwerindustrie von dem Eisenbahnboom…
1860 wurde in Schlesien die erste Lokomotive von der Maschinenbauanstalt G.H. von Ruffer hergestellt, die wir in der Ausstellung im Modell zeigen. Und auch in Görlitz entstand eine umfangreiche Industrie zum Bau von Lokomotiven und Waggons: Die WUMAG fertigte Güterwagen, Lazarettzüge, Speise- und Schlafwagen, vor allem aber den berühmten „Fliegenden Hamburger“. Dieser Verbrennungstriebwagen 877 (VT 04.0) war der erste Dieselschnelltriebwagen im regulären Verkehrsbetrieb. Mit ihm wurde ab 1933 zwischen Berlin und Hamburg
Linke Seite, oben: Ledermütze für das Lokomotivpersonal der Ranggruppe II bei der Deutschen Reichsbahn der DDR, 1965-1990. Foto: egmontmedien René E. Pech Unten: Bau der Eisenbahnbrücke an der Talsperre Mauer auf der Strecke Hirschberg – Löwenberg (Bobertalbahn), 1908-09. Das Foto ist eine Leihgabe des Muzeum Karkonoskie w Jeleniej Górze. Rechte Seite, oben: Der Neißeviadukt bei Görlitz, Teil des Architekturmodells der Görlitzer Bahnhofsanlage. Foto: © Gregor Dießner Mitte: Modell der ersten, 1860 von der Maschinenbauanstalt G.H. von Ruffer in Breslau gebauten schlesischen Lokomotive, Modell von Johannes Fischer, Maßstab 1:34. Foto: egmontmedien René E. Pech Unten: Waggonschild der WUMAG in Görlitz, heute zum Bombardier-Konzern gehörig, von 1928. Foto: egmontmedien René E. Pech
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die damals weltweit schnellste Zugverbindung hergestellt. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei sagenhaften 160 km/h. Eine andere besondere Entwicklung war 1936 der erste Doppelstockwagen. Dieser Waggontyp wird in Görlitz bis heute mit großem Erfolg produziert. Zahlreiche Modelle in verschiedenen Maßstäben, darunter zehn Waggonmodelle im Maßstab 1:10, historische Schilder und Filmdokumente zeigen den Besuchern die große Bedeutung des Lokomotiv- und Waggonbaus in Schlesien auf. Modellbau zum Staunen MUSEUM.DE: Und dann gibt es ja da noch das große Highlight Ihrer Ausstellung! Dr. Martin Kügler: Ja, „groß“ im wahrsten Sinne des Wortes! Den Höhepunkt der
Linke Seite, oben: Das Empfangsgebäude des ersten Görlitzer Bahnhofs von 1847; Modell von Ingo Wobst, Maßstab 1:87. Foto: egmontmedien René E. Pech Linke Seite, unten: Blick in die Abfahrtshalle des Görlitzer Bahnhofs von 1917; Architekturmodell von Ingo Wobst, Maßstab 1:87. Foto: egmontmedien René E. Pech Rechte Seite, oben: Antrieb für die heimische Schwerindustrie: Ausstellungsabschnitt „Waggonbau in Görlitz” mit Leuchtkasten und eingebundenen Vitrinen. Foto: © Gregor Dießner Rechte Seite, unten: Waggonschilder der Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagenbau, den späteren Linke-Hofmann Werken, 1880-1915, Leihgaben von Th. Grützemann und des Muzeum Regionalne w Lubaniu. Foto: egmontmedien René E. Pech
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Ausstellung bildet das erstmals vollständig präsentierte, 18 m lange und 2,5 m breite Architekturmodell der gesamten Görlitzer Bahnhofsanlage im Zustand von 1917, also 70 Jahre nach ihrer Eröffnung. Der Modellbauer Ingo Wobst hat es in jahrelanger Arbeit im Maßstab 1:87 erbaut. Er hielt sich dabei streng an Originalbaupläne, historische Fotografien und die heute noch vorhandene Bausubstanz. Das 45 m² große Modell zeigt über das eigentliche Bahnhofsgelände hinaus auch Gleisstrecken, Lokschuppen, den Jakobstunnel und den berühmten Neißeviadukt mit seinen sage und schreibe 30 Bögen. Das alles hat Herr Wobst in beeindruckender Genauigkeit abgebildet – bis hin zu Straßenlampen und Dachschindeln. Wir sind sehr glücklich, dieses Modell zeigen zu können. Und Sie können sich vorstellen, wie begeistert erst unsere kleinen und großen Besucher sind!
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MUSEUM.DE: Und wer vom vielen Schauen müde ist, der kann sich in einem echten Eisenbahnabteil ausruhen. Dr. Martin Kügler: So ist es. Wir bieten den begehbaren Nachbau eines historischen Zugabteils der 3. Klasse mit nachgebauten Holzbänken, Gepäcknetzen, Gardinen und allem drum und dran – eine Inszenierung, die von den
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Besuchern mit Begeisterung angenommen und genutzt wird. Jedermann kann Platz nehmen und auf der Medienstation Filme schlesischer Bahnstrecken an sich vorbeiziehen lassen. So haben wir Ausstellungsmacher es uns gewünscht! Hintergrund: Das nachgebildete Zugabteil, eingebettet in das Mila-Stellwandsystem. Foto: © Gregor Dießner
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Blick in die Ausstellung. Foto: © Gregor Dießner
MUSEUM.DE: Für die Ausstellungsgestaltung war das bestimmt eine Herausforderung? Dr. Martin Kügler: Als großer Vorteil erwies sich die Nachhaltigkeit der seit nunmehr zwölf Jahren eingesetzten Stellwandtechnik. Die modularen Elemente lassen sich perfekt mit individuellen Baulösungen verknüpfen, wie man bei der Gestaltung des Eisenbahnabteils sehen kann. Der vielseitige Einsatz unserer Ausstat-
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tung begeistert mich immer wieder: Zusammen mit René E. Pech, dem Gestalter der Ausstellung, haben wir ein großes raumteilendes Band aus Stellwänden errichtet. Der durchgehende Raumteiler wurde kombiniert mit kleinern kojenförmigen Abschnitten. Die Besucher können auf diese Art und Weise sanft durch die Ausstellung und von einer thematischen Insel zur nächsten gelenkt werden. Durch die versetzte Montage der Wände und rechtwinklige Abtrennungen war es zudem möglich, weitere Flächen zu ge-
winnen und auch Vitrinen für dreidimensionale Objekte einzubinden. So wurde genügend Fläche geschaffen, um die notwendigen Informationen aufzunehmen und zugleich der Gestaltung genügend Spielraum zu bieten. Und dies alles ohne den Besucher zu überlasten. Somit hat sich die bei uns im Museum vorhandene Mila-wall Technik der Firma MBA-Design & Display Produkt GmbH wieder voll und ganz bewährt. Und das war gar nicht so einfach. Denn die thematische Vielfalt und die sehr un-
terschiedlichen Objekte von historischen Fahrkarten bis hin zu der großen Modellanlage stellten eine große Herausforderung dar. Von Uniformen über Lokomotiven, Waggons, Fahrplänen, Abzeichen, Abteilklassen, Bahnhofsgastronomie, Signalen, Fahrkarten und historischen Postkarten, Grafiken und Bauplänen bis hin zur unrühmlichen Rolle der Bahn im Dritten Reich – wir haben es gemeinsam geschafft, dieses riesige Themenspektrum auf relativ kleinem Raum und in optisch ansprechender Form zu präsentieren. Darüber freue ich mich sehr.
MUSEUM.DE: Herr Dr. Kügler, wir danken Ihnen für das Gespräch. Die Ausstellung ist noch bis zum 2. September 2018 im Schlesischen Museum zu Görlitz zu sehen. Schlesisches Museum zu Görlitz Schönhof, Brüderstraße 8, 02826 Görlitz Tel. +49 3581 87 910 kontakt@schlesisches-museum.de www.schlesisches-museum.de
www.mila-wall.de
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November 1918 – Hohe Wellen im Reichskriegshafen Kiel Das Beste aus unserem Blog: www.museum.de/blog. redaktion@museum.de In dieser Ausgabe: Schifffahrtsmuseum Fischhalle Kiel. Autorin: Dr. Claudia Klein Frieden, Freiheit und Brot – nicht mehr und nicht weniger fordern die Matrosen der Schlachtschiffe „Thüringen“ und „Helgoland“ im Herbst 1918. Vier lange Kriegsjahre hat die Marine in Kiel und Wilhelmshaven auf Reede gelegen und auf ihre große Stunde gewartet. Jetzt, da die Friedensverhandlungen laufen, fürchtet die Admiralität, die Schiffe an England abgeben zu müssen, und plant einen letzten, ehrenvollen Coup: eine Entscheidungsschlacht gegen die übermächtige Royal Navy. Ein Himmelfahrtskommando! Zwischen dem sicheren Tod in der Schlacht und einer möglicherweise erfolgreichen Meuterei wählen die Matrosen der Schiffe Letzteres. Ende Oktober 1918 verweigern sie den Befehl zum Auslaufen. Um die Situation in Wilhelmshaven zu entspannen, werden die widerständigen Matrosen nach
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Kiel gebracht, einige von ihnen festgenommen. Doch die Kameraden auf Landgang wehren sich: Sie schließen sich zusammen und fordern die Freilassung der Inhaftierten. Teile der Kieler Arbeiterschaft und des Militärs schließen sich an und es kommt zum offenen Aufstand: dem Beginn der Revolution im Deutschen Kaiserreich. Ganz Kiel steht 2018 im Zeichen dieser folgenreichen Ereignisse vor 100 Jahren: Diskussionsveranstaltungen, Lesungen, Stadtrundgänge – Kiel nutzt das Jubiläum, um die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Das Thema heute wie damals: Demokratie, Frieden, Selbstbestimmung. Herzstück dieses Jubiläumsjahres ist eine Sonderausstellung im Kieler Schifffahrtsmuseum Fischhalle. Direkt an der Kieler Föhrde, gegenüber der alten HDW gelegen, ist die ehemalige Fischauktionshalle ohnehin einen Besuch wert. In der
sehenswerten Ausstellung 1918 – Die Stunde der Matrosen geht es natürlich um den Matrosenaufstand, aber auch um sehr viel mehr: Die Ausstellung spannt sich von der Vorkriegsgesellschaft im Kaiserreich über den nationalistischen Wahn im Ersten Weltkrieg, über Propaganda, Versorgungsmängel und politische Um-
brüche bis hin zu den Kieler Ereignissen zwischen dem 1. und dem 10. November 1918. Der Aufstand beschleunigte zwar das Ende des Ersten Weltkriegs und leitete die Räterepublik ein, bot in der Folge aber auch den Nährboden für die sogenannte Dolchstoßlegende. Konsequenterweise widmet sich die sorgfältig präsen-
tierte Ausstellung daher auch den Spuren, die der Kieler Matrosenaufstand im kollektiven Gedächtnis der Weimarer Republik, Nazi-Deutschlands und in der Bundesrepublik und der DDR hinterlassen hat.
Linke Seite: Blick in die Ausstellung und heroischer „Gruß aus Kiel“. Fotos: © Dr. Claudia Klein
Während Plakate und Propagandamittel in kleinen Kojen untergebracht sind,
Mitte, rechts: Schiffsmodell Foto: © Dr. Claudia Klein
Rechte Seite, oben: Sammlung Zimmer. Foto: Anton Busch, 5. November 1918 Mitte, links: Sammlung Schoppe
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durchziehen zwei große Keile die zentrale Ausstellungshalle. Hier lernt der Besucher die Protagonisten und die Chronologie der Ereignisse kennen: Sechs Matrosen beispielsweise, die feierlich vor einem selbstgemalten Schild posieren: „Hoch lebe die Freiheit. 5. Nov. 1918“ (Siehe Abb. S. 31 oben links). Gegenüber ein Schaukasten, der die typischen Mützenbänder der Matrosen zeigt. Im November 1918 hatten deren Träger allerdings die
Oben links: Propaganda-Postkarte „Freiheit zum 5. November 1918“. Oben rechts, unten: Blick in die Ausstellung. Fotos: © Matthias Friedemann Mitte rechts: Erich Krause: Zeichnung eines anonymen Matrosen, 5. November 1918
Buchstaben „S.M.“, also „Seiner Majestät“, aus den Bändern herausgetrennt. Man verstand sich nicht mehr als gehorsamer Untertan des Kaisers. Ein Matrose hat aus der „KAISERLICHEN MARINE“ gar die „…ERLICHE MARINE“ gemacht. Bewegende Alltagszeugnisse einer ganz und gar außergewöhnlichen Zeit. Doch wie blicken wir heute auf die damaligen Ereignisse? War es Verrat? Meuterei? Zivilcourage? Oder legitimer Kampf um Teilhabe und Grundrechte? Der Matrosenaufstand ist ein Schlüsselereignis deutscher Geschichte, das in Kiel nun unter die Lupe genommen wird. Ohne Hurra-Geschrei, doch mit berechtigtem Stolz präsentiert sich die Stadt als
Wiege der deutschen Demokratiebewegung – und verwickelt den Besucher unwillkürlich in eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den bis heute gefährdeten Errungenschaften unserer politischen Selbstbestimmung. Auf keinen Fall zu versäumen! Die Ausstellung ist noch bis 17. März 2019 im Kieler Schifffahrtsmuseum zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Schifffahrtsmuseum Fischhalle Wall 65 24103 Kiel https://www.kiel.de/de/kultur_freizeit/museum/schifffahrtsmuseum_fischhalle.php
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TOP 3 MODUL Dynamic Pricing ist ein Instrument des Managements, mit dem gleichzeitig die Auslastung wie die Ertragssituation verbessert werden kann. Die Praxis hat gezeigt, dass Besucher positiv auf Dynamic Pricing reagieren, weil sie die Freiheit verspüren, die jeweils für sie günstigste Kombination aus Datum und Preis zu wählen. Mit dem neuen Dynamic Pricing - Modul unserer Verwaltungssoftware TOP 3 können Museen, Science Center und Kulturstätten Eintrittspreise zeit- und nachfrageabhängig konfigurieren und ins System einsteuern. Die Besucherfrequenz gewinnt so an Kontinuität - ein wirtschaftlicher Vorteil. Zudem wirken sich höhere Preise in Stoßzeiten positiv auf die Erträge aus. Gern informieren wir Sie bei Ihnen vor Ort. Rufen Sie uns einfach an.
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Oben: Schloss Braunfels von Osten. Foto: © Sabine und Peter Seeger Mitte: Schlosshof. Foto: © Fürstl. Rentkammer, Braunfels Weitere Fotos: © Uwe Strauch. Texte: Entnommen aus der Broschüre „Schloss Braunfels“, zweite Auflage.
Schloss Braunfels Ein Märchenschloss, das seit 750 Jahren von 21 Generationen bewohnt wird 35
Dominiert wird der Schlosshof vom Neuen Bergfried, der mit 45 Metern Höhe alles überragt. Seine Fertigstellung im Jahr 1884 wurde durch eine kleine Kontoverse verzögert: unterschiedliche Auffassungen zwischen den einfacheren Entwürfen des deutschen Architekten Schorbach und den eleganteren Plänen des Franzosen Boeswillwalds entschied der Fürst schließlich zu Gunsten des Franzosen.
Schloss Braunfels thront wie ein Märchenschloss auf einem Basaltfelsen des Luftkurortes Braunfels im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis. Seit dem 13. Jahrhundert ist es Sitz der Grafen von Solms und befindet sich noch im 21. Jahrhundert im Familienbesitz der Grafen von Oppersdorff zu Solms-Braunfels. Wir laden Sie ein zu einem Rundgang durch die Schlossanlage ein: Schlosshof Der Hof steigt sanft an wie eine Arena, gepflastert zu einem Schachbrett aus gelbem Marmor und blauen Basalt, in dessen Mitte der Solmser Löwe prankt.
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Der vom Hof aus über die Trakte und Türme des Braunfelser Schlosshofs schweifende Blick lässt erkennen, dass die Baukunst des 19. Jh. mehr als nur Nachahmung ist. Der hier realisierte schöpfe-
rische Historismus zitiert verschiedene historische Stilelemente und komponiert sie kreativ zu einer neuen, märchenhaften Einheit. Rittersaal Schon vierzig Jahre vor dem letzten Umbau rückte die bis dahin fast vergessene alte Kernburg wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Fürst Ferdinand ließ dort im ursprünglichen Palas einen prunkvollen „mittelalterlichen“ Rittersaal errichten. Gesellschaftliche Umwälzungen in Folge der Französischen Revolution, technische Entwicklungen wie Dampfmaschinen und Eisenbahnbau, politische Unruhen im Vorfeld von 1848 und die durch wirtschaftliche Not bedingte massenhafte Auswanderung ließen vielerorts die Sehnsucht nach der vermeintlich heilen Welt des Mittelalters aufkommen. Am Abend des 29. Juli 1847 ist es dann soweit: Fürstin Ottilie, die Gemahlin Ferdinands, hat 40. Geburtstag und der Rittersaal wird feierlich eröffnet. Foto unten: © Fürstl. Rentkammer, Braunfels Alle weiteren Fotos: © Uwe Strauch
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Gesellschaftsräume In der Barockzeit entstand die vielleicht prominenteste Zimmerflucht des Schlosses. In dieser Etage des Entreebaus entfaltete sich das Leben des umfangreichen Hofstaates. Noch im 20. Jahrhundert dienten die Gesellschaftsräume dem letzten Fürstenpaar als Salons und Empfangsräume für festliche Anlässe. Jedes der sechs Zimmer hat seinen eigenen Reiz. In der Gemäldegalerie zeugen Bilder der Murillo-, Rembrand-, Rubens- und Tintoretto-Schulen von der großen Sammelfreude der Familie. Die flämischen Tapisserien im Gobelinzimmer stammen aus dem Solmser Residenzschloss in Hungen; sie waren Hochzeitsgeschenke der Brederodes an die Hungener Verwandtschaft. Den Abschluss der Zimmerflucht bildet das Tischbeinzimmer. Anton Wilhelm Tischbein, ein Onkel des berühmten „Goethe-Tischbeins“, war für den Solms-Laubacher Hof als Maler tätig. Die familiären Bande zwischen Solms-Laubach und Solms-Braunfels bringen eine Reihe bemerkenswerter Portraits in die Braunfelser Sammlung. Im Treppenzimmmer erinnern ein sehr großes Reiterportrait mit Hendrik von Brederode (J. v. Rossum) und zwei Ganzfigurenportraits mit Maria Stuart und Wilhelm II. von Oranien (G. v. Honthorst) an die niederländische Verwandtschaft.
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Auch ein Portrait von Amalie von Solms (1602 - 1675) ist hier zu sehen; die Gemahlin Friedrich Heinrichs von Oranien wird wegen ihres politischen Geschicks und Kunstsinns in den Niederlanden bis heute hoch geachtet.
der hinteren Soldatengasse errichten. Die Arbeiten am großer Saal, dem heutigen Rittersaal, standen kurz vor der Vollendung, als über Burg und Ort ein weiteres Unglück hereinbrach.
Ein großer Schlossbrand legte 1679 nochmals erhebliche Teile der Anlage nieder. Der erneute Wiederaufbau durch Heinrich Trajektin markiert den Übergang zur nächsten baugeschichtlichen Epoche.
Trajektinsaal: Der 30jährige Krieg mit mehrfachen kaiserlichen Besetzungen hinterließ deutliche Spuren. Unter Graf Heinrich Trajektin (reg. ab 1656) folgten umfangreiche Instandsetzungen; ferner ließ er Pferdestall, Kutschenhaus, Reitschule, neuen Marstall und die Schlosswache erbauen sowie 1672 Kasernen in
Linke Seite, oben: Bildergalerie in Schloss Braunfels Mitte: Treppenzimmer Unten: Trajektinsaal Rechte Seite, oben: Renaissancezimmer Unten: Blick in die Gesellschaftsräume Foto linke Seite, mitte: © Uwe Strauch Alle weiteren Fotos: © Fürstl. Rentkammer, Braunfels
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Linke Seite, oben: Deikergalerie, Hirschrudel Links: Fürst Georg zu Solms-Braunfels. Auch Prinz Georg war wirtschaftlich sehr aktiv; als Fürst initiierte er ab 1881 den letzten große Schlossumbau, den er wesentlich selbst mitgestaltete. Rechts: U. Eduard Schulz-Briesen (1887): Portrait Fürstin Emanuela Foto linke Seite: © Fürstl. Rentkammer, Braunfels. Rechts: Uwe Strauch
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Schlosskirche Die dreischiffige gotische Kirche wurde Ende des 15 Jh. von Graf Otto II über den Zwingern errichtet, die beidseitig den Aufgang zur Burg sicherten. Geweiht wurde die Kirche vermutlich 1501. Da alle drei Schiffe die gleiche Höhe haben, wird sie als „Hallenkirche“ bezeichnet. Die Sterngewölbe des Mittelschiffs und die Kreuzgewölbe der Seitenschiffe ruhen in der Mitte auf zwei Säulenpaaren. Im südlichen Seitenschiff befindet sich dieses große Renaissance-Sandsteinepitaph für Graf Conrad zu Solms-Braunfels (1540-1592) und seine Gemahlin Elisabeth, geb. 1542 als Gräfin von Nassau-Dillenburg. Diese familiäre Verbindung mit dem calvinis-tischen Haus Nassau-Dillenburg beeinflusst Graf Conrad, der 1582 auch in seiner Grafschaft den Calvinismus einführte.
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Münzen und Siegel, Textilien, Fächer und andere modische Accessoires, Hellebarden, Prunkbüchsen, Duellpistolen und Uniformen, prähistorische Keramik und Meißner Porzellan, gusseiserne Ofenplatten, Wetterfahnen der Burg Greifenstein und des Klosters Altenberg, Pfeifen-, Tabatièren- sowie Spazierstocksammlungen, Portraitminiaturen aus der Barockzeit, Urkunden, Frühwerke der Buchkunst und der Photographie ...
Kanonenplatz Im 16. Jh. machte die Entwicklung der Feuerwaffen eine Modernisierung der Burganlage erforderlich. Rund um die Burg wurden Bastionen wie dieser „Kanonenplatz“ aufgeschüttet, um den Schutz der Anlage zu verbessern und Platz für die nun viel größeren Geschütze zu schaffen. Von den ursprünglich etwa 30 Kanonen sind heute noch vier vorhanden, die übrigen wurden im 30jährigen Krieg von einer kaiserlichen Besatzung abtransportiert. Foto oben links: © Fürstl. Rentkammer, Braunfels. Alle weiteren Fotos: © Uwe Strauch
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Die jetzt noch existenten Geschütze ließ Graf Bernhard zwischen 1518 und 1539 in Frankfurt gießen. Das älteste zeigt noch gotische Ornamente, das jüngste typische Renaissancemotive, u. a. ein Portraitmedaillon Kaiser Karl V.
Sammelleidenschaft und Kunstsinn, denen man ohnehin vielerorts im Schloss begegnet, manifestieren sich hier in besonderer Weise. Seit einiger Zeit ist das ehemals private Familienmuseum auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Führungen sonn- u. feiertags ab 10.00 Uhr, sonst ab 11.00 Uhr jeweils zur vollen Stunde bis 17 Uhr.
Fürstliches Familienmuseum Das Familienmuseum beherbergt eine Vielzahl teils sehr persönlicher Exponate und Sammlungen verschiedener Familienmit-glieder. Hier kann man zeittypischen Strömungen ebenso nachspüren wie den Liebhabereien verschiedener Landesherren.
Fürst zu Solms-Braunfels‘sche Rentkammer Belzgasse 1 35619 Braunfels Telefon: 06442/ 5002 info@schloss-braunfels.de www.schloss-braunfels.de
Ausstellungen und Termine Kelheim – Archäologisches Museum der Stadt Kelheim Lost Places - Fotografien von Peter Untermaierhofer 21. März – 4. November 2018 Wie Relikte aus einer anderen Zeit, so wirken die „Lost Places“, verlassene und sich selbst überlassene Orte, dem Verfall ausgesetzt. Der Fotograf Peter Untermaierhofer besucht diese aufgegebenen Gebäude wie Hotels, Villen, Fabriken, Krankenhäuser und Kirchen, um die Spuren der Vergänglichkeit vor dem allmählichen Verschwinden festzuhalten. Zu sehen sind Fotos, auf denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Eine Staubschicht, bröckelnder Putz und in den Gebäuden wachsendes Unkraut und Buschwerk trennen das Vergangene von der Gegenwart. Was bleibt, ist der Charme der Vergänglichkeit, Schönheit des Verfalls, wenn sich die Natur diese Plätze zurückerobert. Archäologisches Museum der Stadt Kelheim, Lederergasse 11, 93309 Kelheim, Tel.: 09441/10409, www.archaeologisches-museum-kelheim.de, Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag, 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr, Links: „Lost Places: Schlafsaal in einem verlassenen Kinderheim“. Foto: © Peter Untermaierhofer)
Kelheim – Archäologisches Museum der Stadt Kelheim Vorzügliche Betten zu billigsten Preisen 21. März – 4. November 2018 Unter diesem Titel wird die Geschichte des Tourismus in Kelheim beleuchtet. Die Ausstellungsmacher haben dafür Archivmaterial, Plakate und Prospekte, Gästebücher und Werbeanzeigen und historisches Filmmaterial unter die Lupe genommen. Und dabei kamen viele Überraschungen zum Vorschein. Gezeigt wird u.a. zur Schifffahrt, Naturschönheit oder der „Bildungsreise“ aber nicht nur alte Werbung. Vom historischen Fotoapparat, Koffer, Souvenirs und Liegestühlen bis hin zu einer geheimnisvollen Keule ist alles zu sehen, was die Sommerfrischler brauchten und was nebst „Aufmerksamer Bedienung“ noch getan wurde, um ihnen „Vorzügliche Betten zu billigsten Preisen“ anzubieten. Archäologisches Museum der Stadt Kelheim, Lederergasse 11, 93309 Kelheim, Tel.: 09441/10409, www.archaeologisches-museum-kelheim.de, Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag, 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr, Links: „Junge Schönheiten bei der Sommerfrische im Donaudurchbruch um 1900.“
Essen – Ruhr Museum MUSEUMSTREFFEN 2018 27. September 2018 Traditionell referieren wieder acht Museumsdirektoren. Die Redner schildern ihre eigenen Erfahrungen, Visionen und Pläne bezugnehmend auf das Tagungsmotto „Die Ausstellungsobjekte – sie sind die Stars der Museen“. Unmittelbar nach den halbstündigen Beiträgen sind Fragen aus dem Publikum möglich und erwünscht. Während der Pausen gibt es die Gelegenheit zum „networken“. Der Einlass für die ganztägige Veranstaltung ist ab 8:15 Uhr. Die Teilnahmegebühr beträgt 69 Euro inklusive Verpflegung. Weitere Infos zur Veranstaltung und die Möglichkeit zur Anmeldung befinden sich unter www.museum.de/museumstreffen Veranstaltungsort: Ruhr Museum UNESCO-Welterbe Zollverein Areal A [Schacht XII], Lesebandhalle [A 12], Gelsenkirchener Straße 181, 45309 Essen Veranstalter ist museum.de. contact@museum.de, Tel. 02801-9882072 www.museum.de/museumstreffen
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Huldigung der Form und Feier der Farbe Josef Albers. Interaction – Ausstellung in der Villa Hügel, Essen.
Josef Albers. Interaction (16.6. bis 7.10.2018) ist die erste große Werkschau des in Bottrop geborenen Künstlers seit 30 Jahren. Die Wirkung der Farbe in den Werken von Josef Albers ist kraftvoll und unverwechselbar. Linie, Farbe, Fläche und Raum interagieren miteinander, fordern die Wahrnehmung des Betrachters heraus. Albers‘ Serie Homage to the Square umfasst mehr als 2.000 Bilder und wurde zum Markenzeichen des wegweisenden Künstlers, Lehrers, Kunsttheoretikers und Impulsgebers. Albers erforschte die Farbe in ihrer künstlerischen Dimension. Er wollte Farbe denken, suchte nach ihrem Gewicht, diskutierte mit seinen Student/ innen über ihr sich immer wieder veränderndes Gesicht und den Verlust aller
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Gewissheit: „Nur der Schein trügt nicht“, schrieb er. Der einflussreiche Lehrer steht für eine Kunst, die neu zu sehen lehrt. Gut 170 Arbeiten – der Hauptteil davon aus bedeutenden amerikanischen Sammlungen und dem Josef Albers Museum – werden in der Villa Hügel, dem einstigen Wohnhaus der Industriellenfamilie Krupp gezeigt. Die außergewöhnliche Ausstellung ist eine Kooperation der Kulturstiftung Ruhr mit dem Josef Albers Museum Quadrat Bottrop. Loslösung vom Gegenständlichen Die zwölf Kapitel der Ausstellung beginnen mit Albers‘ Jugend und Ausbildung,
seiner Zeit am Bauhaus in Weimar und Dessau, zunächst als Schüler, dann als Bauhausmeister. Josef Albers. Interaction zeigt Albers’ frühe Glasarbeiten, die für die Loslösung von der gegenständlichen
Bildwelt stehen, die seine früheren Werke kennzeichnete. „1921“, so Albers, „war alles was ich besaß ein Hammer und ein Rucksack. Damit ging ich zur Müllhalde, um nach Flaschen zu schauen, sie zu zerschlagen und daraus Bilder zu machen ... Das war eine Kunst.“ “I want to open eyes” Die Ausstellung thematisiert Albers‘ Emigration nach Amerika und den Ruf an das Black Mountain College in North
Carolina 1933. Dort steht Albers für neue Lehrmethoden, sein Unterricht in Kunst und Gestaltung sollte alle weiteren Fächer ergänzen. Nach seiner Mission als Lehrer gefragt, antwortet Josef Albers mit dem legendär gewordenen Satz: „I want to open eyes.“ Er richtet Kunstkurse als zentrales Ausbildungselement ein: Werklehre, Zeichnen und Farbenlehre. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Ästhetik sollen einer Persönlichkeitsbildung dienen, die sich der Freiheit und Demokratie verpflichtet weiß.
Linke Seite, oben: Model ti244 Armlehnstuhl, um 1929, Buchenschichtholz, Stahlrohr u. Leinenpolsterung, The Josef and Anni Albers Foundation, © The Josef and Anni Albers Foundation / VG BildKunst, Bonn 2018 Unten: Josef Albers, „Paul Klee, Dessau XI 1929“, 1929, Silbergelatineabzug auf Karton, The Josef and Anni Albers Foundation © The Josef and Anni Albers Foundation / VG BildKunst, Bonn 2018 Rechte Seite, oben: Josef Albers, „Kaiserlich“, um 1923, Glass-Assemblage, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop © The Josef and Anni Albers Founda
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die Adobe-Serie, die in Essen mit wesentlichen Beispielen in diesem Kontext zu sehen ist. Homage to the Square Die Ausstellung präsentiert hervorragende Beispiele der Serie Homage to the Square – von sehr frühen bis zu späten Arbeiten. Die Auswahl ist so strukturiert, das erstmals die Entwicklungslinien von den 1950er bis in die 1970er-Jahre nachvollziehbar werden. Diese erschließen sich hier auf den ersten Blick.
Gelobtes Land der Abstraktion Albers‘ reiches Werk aus dieser Zeit ist zu Unrecht weniger bekannt als die Gemälde der Werkgruppe Homage to the Square, die jedoch ohne seine neuerliche Beschäftigung mit der Malerei in den USA nicht denkbar ist. Zum Auslöser wird 1934 eine
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Reise nach Kuba, es folgt 1935 der erste Aufenthalt in Mexiko, dem 13 weitere in den südamerikanischen Raum folgen. Josef und Anni Albers besuchen präkolumbische Stätten und begeistern sich für die Volkskunst des Landes. Schließlich entwickelt Josef Albers ab 1947 in direkter Anlehnung an mexikanische Architektur
Anders als der Titel suggeriert, ist Homage to the Square nicht nur Huldigung einer geometrischen Form, sondern Feier der Farbe. Albers wählt das feststehende quadratische Bildschema wegen seiner kompakten Frontalität. Es ist eine vertraute Form, die sich nicht in den Vordergrund unserer Wahrnehmung spielt und deshalb der Farbe die Bühne überlässt. 1950 entsteht das erste Bild der Reihe, deren kleinste Vertreter 40 x 40 cm messen, die größten 120 x 120 cm. „Farbe ist das relativste Medium in der Kunst“, hat Albers einmal festgestellt, und es ist der Betrachter, der die Farben offenen Auges
in Bewegung versetzt. So einfach die Bilder gebaut sind, so komplex ist doch ihre Wirkung. Der spirituelle Künstler Auch wird in „Josef Albers. Interaction“ ausdrücklich die spirituelle Qualität im Werk des Künstlers thematisiert. Albers‘ Bilder treffen auf Werke religiöser Kunst: Ikonen der orthodoxen Kirche, ein Kruzi-
fix, eine Madonna aus dem 15. Jahrhundert. Ihnen zur Seite stehen fotografische Montagen von Albers, mit denen er sich ausdrücklich einem religiösen Themenkreis zuwendet. Sie entstehen, als er sich nach 20 Jahren des Exils wieder in seiner Heimat aufhält und in Süddeutschland zahlreiche Kirchen und Klöster besucht. Die Architektur und die sakralen Bildfiguren ziehen ihn in ihren Bann.
Linke Seite, oben: Josef Albers, „Familiar Front“, 1948– 1952, Öl auf Masonit, 33 x 53,3 cm, The Josef and Anni Albers Foundation, © The Josef and Anni Albers Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Unten: Josef Albers, „Kloster Maulbronn – Details von Architektur, Malerei + Plastik“, o.J., Seiten einer Broschüre auf Karton montiert, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, © The Josef and Anni Albers Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Rechte Seite: Josef Albers, „In Open Air“, 1936, Öl auf Masonit, Josef Albers Museum Quadrat © The Josef and Anni Albers Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018
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Josef Albers Josef Albers (1888-1976) – geboren und aufgewachsen im Ruhrgebiet – war zunächst Volksschullehrer, besuchte später die Kunstgewerbeschule Essen und kam über die Kunstakademie in München an das neugegründete Bauhaus, wo er zum Meister und stellvertretenden Direktor wurde. Lehre und künstlerisches Arbeiten waren für ihn untrennbar miteinander verknüpft. Als das Bauhaus unter dem Druck der Nationalsozialisten geschlossen wurde, gingen Albers und seine Frau Anni Albers 1933, auf Einladung des heute legendären Black Mountain College, in die USA. Ab 1950 leitete er die Design Abteilung an der Yale University in New Haven. Albers gilt als einflussreichster Kunstpädagoge seiner Zeit. Mit seiner Lehre hat er u. a. John Cage, Robert Rauschenberg, Donald Judd und Merce Cunningham beeinflusst.
Amerikanische Resonanzen In einem weiteren Kapitel der Ausstellung wird deutlich, dass Josef Albers als Lehrer genauso bedeutend war wie als Künstler. Er hat insbesondere auf die amerikanische Kunst gewirkt, die um 1960 als Minimalund Konzeptkunst bekannt wurde. Donald Judd, Agnes Martin, Robert Ryman, Ad Reinhardt und andere wurden damals durch sein Beispiel angeregt. Ihre Arbeiten werden hier in diesem thematischen Zusammenhang gezeigt. Sie alle wandten sich vom damals dominierenden Abstrakten Expressionismus und seinen emotional betonten Gesten ab. Was sie anzog, war Albers’ Klarheit und Zurückhaltung, wie er mit wenigen Elementen eine unmittelbare sinnliche Wirkung schafft und auch sein handwerklicher Geist, eine Ehrlichkeit ohne Allüren: Albers nimmt die Farbe als Stoff und verstreicht sie regelmäßig mit dem Messer auf Hartfaserplatten. Es geht in der Serie Homage to the Square um eine einfache Ganzheit, die aus der Beziehung zwischen Quadrat und Farbe resultiert.
- kuratiert von Heinz Liesbrock und Ulrike Growe - eröffnet das Zusammenspiel von Malerei, Druckgrafik, Möbel, Gebrauchsgegenständen, Arbeiten in Glas und Fotografie gemeinsam mit präkolumbischen Skulpturen aus der Sammlung von Anni und Josef Albers, die Gelegenheit den Künstler und sein Gesamtwerk mit seinen Bezügen und Kontexten kennenzulernen. Zum Gelingen der Ausstellung hat die Josef and Anni Albers Foundation, Connecticut, mit ihrer Unterstützung maßgeblich beigetragen. Ermöglicht wird sie von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens.
Katalog Josef Albers. Interaction, herausgegeben von Heinz Liesbrock unter Mitarbeit von Ulrike Growe für die Kulturstiftung Ruhr, Villa Hügel, erscheint im Verlag Buchhandlung Walther König, 312 Seiten, ca. 200 farbige Abbildungen; 39,80 Euro, in der Ausstellung 28,00 Euro; ISBN 978-396098-358-3
Der Künstler im Kontext In der Ausstellung Josef Albers. Interaction
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Informationen zur Ausstellung: www.josefalbers.villahuegel.de
Oben: Josef Albers, „Homage to the Square: Luminant“, 1959, Öl auf Masonit, Josef Albers Museum Quadrat © The Josef and Anni Albers Foundation / Foto: Werner J. Hannappel / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Unten: Josef Albers, Homage to the Square, 1976, The Josef and Anni Albers Foundation, © The Josef and Anni Albers Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018
villa villa hügel hügel interaction interaction josef josef albers albers
essen essen
Retrospektive anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Alfried Krupp von Retrospektive anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung www.josefalbers.villahuegel.de Bohlen und Halbach-Stiftung www.josefalbers.villahuegel.de
–—— 7 16 16.. 6 6.. –—— 7..10 10.. 2018 2018 Abb.: Josef Albers, Study for Homage to the Square, 1972 © 2018 The Josef and Anni Albers Foundation / VG Bild-Kunst Abb.: Josef Albers, Study for Homage to the Square, 1972 © 2018 The Josef and Anni Albers Foundation / VG Bild-Kunst
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Das Archäologische Museum der Stadt Kelheim Ein spannender Spaziergang durch die Geschichte des Kelheimer Raumes. Autor: Dr. Bernd Sorcan
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Bild Hintergrund: Vom Europarat prämiert: Die Ausstellung zur Vor- und Frühgeschichte im Erdgeschoss. Rechts: Das Archäologische Museum der Stadt Kelheim ist im spätgotischen Herzogkasten in mitten der Altstadt beheimatet Fotos: © Archäologisches Museum der Stadt Kelheim
Neben Befreiungshalle und Donaudurchbruch gilt das Archäologische Museum im spätgotischen Herzogkasten mit seinem idyllischen Hof in der Altstadt als besonderer Anziehungspunkt Kelheims. Die vom Europarat ausgezeichnete Ausstellung zeigt eine lückenlose Besiedlung der Kelheimer Gegend während der letzten 100 000 Jahre. Einzigartige Originalfunde, wie eine ein Meter lange Bronzenadel, ein mysteriöses Brotlaibidol,
prunkvolle keltische und bajuwarische Grabbeigaben oder der Silberschatz von Eining werden mit Rekonstruktionen, Illustrationen und detaillierten Modellen erklärt. Die Ausstellung erzählt von den Neandertalern und den ersten Künstlern in der letzten Eiszeit und wie die ersten Ackerbauern den begehrten Feuerstein in Bergwerken abbauten. In der Bronzezeit rückte die Region entlang Donau und Altmühl ins Zentrum des Handels zwischen Ost und
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West, Nord und Süd: Kupfer und Zinn, Bernstein und Gold. Schließlich gründeten die Kelten hier das Oppidum Alkimoennis – eine riesige Stadt, befestigt mit einer fast 10 km langen Mauer. Mit der römischen Eroberung gerät die Region ins Spannungsfeld: zahlreiche Funde veranschaulichen das zivile und militärische Leben an Donau und Limes. Mit Siedlungen und Gräbern legten die ersten Bajuwaren schon im frühen 6. Jahrhundert die Keimzellen der späteren Stadt Kelheim. Hier leitet die Ausstellung über zur stadtgeschichtlichen Abteilung im ersten Stock des Museums. Sie steht unter dem Motto „Kelheim – Stadt am Fluss“. Direkt ins Hochwassergebiet hinein gebaut, bestimmte die strategisch günstige Lage zwischen Michelsberg, Donau und Altmühlmündung stets das Leben der Bewohner dieser Stadt. Im 12. und frühen 13. Jahrhundert ist sie Herrschaftssitz der ersten Wittelsbacher Herzöge. Fischer und Schiffsleute werden bereits um 1300 urkundlich erwähnt. Im 14./15. Jahrhundert dürfte in Kelheim eine große Schopperwerkstatt - eine Werft - bestanden haben. Der Name der Stadt wurde sogar auf einen bestimmten Schiffstyp übertragen; unter einem „Kelheimer“ verstand man immer das größte Schiff eines Schiffszuges auf der Donau. Die stadtgeschichtliche Abteilung zeigt außerdem, wo, wie und wovon die Kelheimer lebten: welche Handwerke man ausübte, wie z.B. Wein und Bier das Stadtbild prägten und was Kelheims Exportschlager waren. Im idyllischen Hof des imposanten spätgotischen Herzogkastens, der für die Abgaben des Zehnts im 15. Jahrhundert aus den Spolien der ehemaligen Burg Kelheim erbaut wurde, sind 13 m Originalreste der ursprünglich über 7 km langen Altmühlmauer des keltischen Oppidums Alkimoennis wieder aufgebaut, sowie eine Rekonstruktion ihrer ursprünglichen Höhe. Der Hörpunkt des Archäologieparks Altmühltal, dessen Ausgangspunkt
Linke Seite, oben: Bronzener Kopf eines Geiers aus der keltischen Stadt Alkimoennis. 2./1. Jh. v. Chr.“ Unten: Blick in die Ausstellung zur Stadtgeschichte: eine der für Kelheim typischen Donau-Fischerzillen Rechte Seite, oben: Jungsteinzeitliches Haus: Detaillierte Modelle geben Einblicke in die Vorzeit. Fotos: © Archäologisches Museum der Stadt Kelheim
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das Museum ist, informiert hier über die Ausgrabungen am Main-Donau-Kanal. Neben den beiden Dauerausstellungen zeigt das Museum wechselnde Sonderausstellungen zu archäologisch-historischen Themen und zeitgenössischer Kunst und bietet ein umfängliches Programm für Jung und Alt: museumspädagogische Angebote für Kinder, Führungen, geführte Wanderungen und Exkursionen, Vortragsabende, Experimentalärchäologie und Mitmachaktionen für alle sowie die beliebten Museumsfeste.
Archäologisches Museum der Stadt Kelheim Lederergasse 11 93309 Kelheim Telefon: 09441/10409 und 10492 Fax: 09441/176000 info@archaeologisches-museum-kelheim. de www.archaeologisches-museum-kelheim.de
Öffnungszeiten: Beginn der bayer. Osterferien - Ende der bayer. Herbstferien Dienstag – Sonntag von 10 – 17 Uhr,
montags geschlossen, jedoch nicht an Feiertagen. Andere Termine für Gruppen nach Vereinbarung möglich!
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Eröffnung der Ausstellung mit Willem-Alexander, König der Niederlande. Fotos: © NMMNL, Anne Reitsma F.
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Willem van Oranje Ausstellung im Nationalen Militärmuseum der Niederlande bis zum 28. Oktober 2018. Autor: Dr. Louis Ph. Sloos 55
Im Nationalen Militärmuseum in Soesterberg ist bis einschl. 28. Oktober die Ausstellung „Wilhelm“ zu sehen, eine Ausstellung über Wilhelm von Oranien, in der seine Jugend und sein militärisches Leben im Mittelpunkt stehen. Zurzeit ist die älteste bekannte Version der Wilhelmus, die niederländische Nationalhymne, in deutscher Sprache. Wilhelm von Oranien, geboren als Wilhelm von Nassau, war also in erster Linie ein Deutscher. Als er auf Schloss Dillenburg aufwuchs, konnte er nicht ahnen, dass er einst als Vater des Vaterlandes der Niederlande berühmt werden sollte. Es wurde 1567 der Anführer eines Aufstands in den Niederlanden, nachdem er in jungen Jahren wichtige Besitztümer geerbt hatte und in den Dienst von Kaiser Karl V. trat, Landesfürst der Niederlande und unter anderem Kaiser des Deutschen Reiches. Aber er rebellierte, auch im Namen des Volkes, gegen seinen Nachfolger, dessen Sohn Philip II. Zuerst nahm das Leben des jungen deutschen Grafen durch sein Erbe eine ganz andere Wendung und anschließend wurde er auch noch zum Anführer eines Aufstands in einem Nachbarland.
Foto rechte Seite, unten: Pulverhorn Niederlande (1570.1600) mit Handfeuerwaffen (Deutschland, 1580-1600) . © NMMNL Weitere Fotos: Impressionen von der Ausstellung Fotos: © Uwe Strauch
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Wegen Wilhelms Herkunft und aufgrund der Tatsache, dass auch die protestantischen deutschen Fürsten in Konflikt mit dem römischen Kaiser standen, hat die Ausstellung „Wilhelm“ im Nationalen Militärmuseum einen klaren deutschen Bezug. Außerdem heiratete Wilhelm in zweiter Ehe natürlich eine Deutsche, Anna von Sachsen. Wilhelms Leben hatte viele Phasen und Gesichter. So war der Vater von Wilhelms erster Frau, der angesehene Edelmann Maximilian von Egmond, Graf von Buren, ein wichtiger Heerführer von Karl V. Er kämpfte in dessen Auftrag während des Schmalkaldischen Kriegs gegen die deutschen protestantischen Landesfürsten. Von Egmond erwarb dadurch großen Ruhm, vor allem durch seinen Erfolg bei der Schlacht von Mühlberg. Zum Dank schenkte ihm der Kaiser einen großen vergoldeten Prunkbecher, der in der Ausstellung als eines der wichtigsten Stücke zu sehen ist. Von Egmond war ein treuer Diener von Kaiser Karl V., genauso wie Wilhelm es anfangs auch sein würde. Wilhelm kämpfte in den Jahren 1551-1559 während seines Dienstes für Kaiser Karl V. in Frankreich, wo er umfangreiche militärische Erfahrungen sammelte. Er führte dort auch die deutschen Truppen an, die für Karl V. kämpften. Später, zu Beginn des niederländischen Aufstands, flüchteten niederländische Protestanten ausgerechnet nach Deutschland, genauer nach Emden, wo sie mit offenen Armen empfangen wurden. Wilhelm, katholisch in Dillenburg getauft,
aber lutherisch erzogen, entschied sich dann auch für ihre Seite, unter anderem wegen der Ketzerverfolgungen in den Niederlanden. Seinen vom Kaiser auferlegten katholischen Glauben hatte er mittlerweile aufgegeben. Anschließend plante Wilhelm von Oranien auch seine militärischen Operationen aus Deutschland und überfiel von dort aus unter anderem die Niederlande. Die Kämpfe wurden teilweise entlang der deutsch-niederländischen Grenze geführt. Wilhelm wurde dabei von einigen protestantischen deutschen Fürsten unterstützt. Er hatte auf mehr Unterstützung gehofft, aber die deutschen Fürsten fürchteten sich vor Repressalien des spanischen Königs. Nicht ganz zu Unrecht,
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wie sich zeigte, als die niederländischen Aufständischen aus Emden abgezogen waren. Wilhelms treuester Verbündeter war Graf Friedrich III. der Fromme, der kalvinistische Kurfürst der Pfalz.
Linke Seite, oben: Willem van Oranje mit Anna von Sachsen (ca. 1565). © Privatbesitz. Mitte: Halfharnas, Deutschland, (1540-1550), 18 kg Unten: Multimediaguide in der Ausstellung Beide Fotos: © Uwe Strauch Rechte Seite, unten: Lanzen, Deutschland (1601, 1600) Fotos rechte Seite: © NMMNL
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Ein interessantes Objekt in der Ausstellung ist ein deutsches Kassenbuch von 1567, das auf der Dillenburg verfasst sein musste. Es beinhaltet eine Art Kostenplan für Wilhelms ersten Kriegszug, den er 1568 unter anderem von Deutschland aus unternimmt. Seine große Stütze und Zuflucht bei drei Operationen, die Wilhelm in den Jahren 1568, 1572 und 1574 unternahm, war sein Bruder Ludwig von Nassau.
geflohen sein. Die angebliche Rüstung Ludwigs ist in der Ausstellung zu sehen, eine Leihgabe aus Emden. Später, im Jahr 1574, fand Ludwig trotzdem auf dem Schlachtfeld den Tod. Sein Mitanführer Christoph von der Pfalz, der Sohn des genannten Kurfürsten Friedrich III. fiel ebenfalls in dieser Schlacht.
Nach der berühmten Schlacht von Heiligerlee im Jahr 1568, die er gewann, begab sich Ludwig zum deutschen Jemgum, wo er dennoch geschlagen wurde. 5000 Tote gab es bei den Aufständischen zu beklagen. Ludwig soll dort seine Rüstung ausgezogen haben und über die Ems
Links: Schießpulver-Horn für die Leibwächter des sächsischen Kurfürsten, Deutschland (1550-1600)
Linke Seite, oben: Kassenbuch (1567)
Rechts: Schießpulver-Flasche für die Waffen des sächsischen Kurfürsten, Deutschland (1575-1625) Rechte Seite: Spielscheiben (1550-1587), Rüstkammer, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Alle Fotos: © NMMNL
So hat die Ausstellung „Wilhelm“ im Nationalen Militärmuseum viele deutsche Bezüge. Die Ausstellungstexte und Objektbeschreibungen wurden ins Deutsche übersetzt und werden deutschen Besuchern in einer handlichen Broschüre kostenlos zur Verfügung gestellt. „Wilhelm“ bis einschl. 28. Oktober 2018.
Nationales Militärmuseum der Niederlande Verlengde Paltzerweg 1 3768 MX Soest, NL http://www.nmm.nl info@nmm.nl
Wer kennt nicht die Sehnsucht nach den unendlichen Weiten des Ozeans? Nach der ungebändigten Macht der Elemente oder dem Glitzern und Kräuseln der sanften Wogen? Und wer würde Gottfried Benn nicht aus tiefster Seele zustimmen, wenn er schreibt: Was schlimm ist – nachts auf Reisen Wellen schlagen hören und sich sagen, dass sie das immer tun. Fast zwei Drittel der Europäer teilen die Sehnsucht nach dem Meer und verbringen ihren Urlaub an der Küste. Kein Wunder, denn Europa ist ein maritimer Kontinent. Mit seinen fast 70.000 Kilometern Küstenlänge hat er im Verhältnis zur Landfläche einen größeren Meeresanteil als jeder andere Erdteil. Von den ersten seefahrenden Völkern der Antike bis zu den heutigen Migrationswellen, von Herrschaft und Handelswegen bis zur Nutzung der Meeresressourcen: Die Menschen leben an und mit und von den Weiten des Meeres. Nun geht das Deutsche Historische Museum dieser immensen Bedeutung des Meeres nach und betritt damit Neuland: Bislang hat noch keine Sonderausstellung den Versuch unternommen, die Geschichte und Kultur Europas vom Meer aus zu denken. Doch es gelingt wunderbar! Konsequenterweise wird der Besucher schon im Eingangsbereich mit Wellenrauschen begrüßt, das ein Archipel aus vielen kleinen Themeninseln umspielt. Die einzelnen Inseln stellen jeweils einen Aspekt in den Vordergrund und eine exemplarische Hafenstadt ins Zentrum: So beginnt der Rundgang bei Odysseus, den Mythen der Antike und dem Hafen Piräus. Über Venedig und die Beherrschung der
Rechts: Nordsee © Jochen Hein Oben: Europa auf dem Stier, 500–475 v. Chr. © bpk / Antikensammlung, SMB / Johannes Laurentius Mitte: Kopf des Odysseus, Kopie nach hellenistischem Original, um 250 n. Chr. © Kunst- und Kulturzentrum
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(KuK) der StädteRegion Aachen, Monschau Unten: Idol von Tara, vorspanische Zeit © El Museo Canario, Las Palmas Links: Blick in die Ausstellung. Foto: Dr. Claudia Klein
Meeresrauschen und Tiefseeforschung Im Deutschen Historischen Museum dreht sich derzeit alles ums Meer. Autorin: Dr. Claudia Klein
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Meere geht es weiter zu Handel (Danzig), Schiffbau (Amsterdam), Sklavenhandel (Nantes), Auswanderung (Bremerhaven) bis hin zur Meeresforschung (Kiel) und dem Seebädertourismus (Brighton). Wie auf einer Seereise landet der Besucher immer wieder an neuen Gestaden an und erlebt das Ausstellungsthema aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Man kann sich mit Genuss treiben lassen und entdeckt immer wieder atemberaubende Exponate und sorgfältig aufbereitete Informationen:
So die Ladung eines im 15. Jahrhundert in der Danziger Bucht gesunkenen Schiffes. Die Fässer, Kupferplatten und Holzplanken wurden beim Brand des Schiffes von Teer umschlossen und haben sich über die Jahrhunderte im Wasser erhalten. Erstaunlich alt ist auch ein handtellergroßer Schiffszwieback, den sich im 18. Jahrhundert ein Matrose vom Mund absparte, mit einer eingeritzten Inschrift versah und seiner Liebsten widmete. Die Kuratoren der Ausstellung behaupten gar, man könnte
den Zwieback heute noch einweichen und verzehren. Auf einen Versuch sollte man es aber nicht ankommen lassen! In der frühen Neuzeit ging die Eroberung neuer Welten von den Häfen Spaniens und Portugals aus. Hier wird sie aus erfrischend ungewohnter Perspektive geschildert: Knapp 200 Jahre vor Christoph Kolumbus‘ Aufbruch nach Westen waren schon die Kanarischen Inseln (wieder) entdeckt, bereist und schließlich blutig erobert worden. Eine wunderschöne Venusfigur berichtet als stilles Zeugnis von der untergegangenen Kultur der Guanchen auf Teneriffa. Dass die maritimen Unternehmungen der Europäer jahrhundertelang mit Tod und
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Verderben verbunden waren, bezeugt eine weitere Themeninsel, die sich einfühlsam der Geschichte der Sklaverei widmet. Mehr als 13 Millionen Menschen wurden von europäischen Kaufleuten von der afrikanischen Küste auf die Zuckerrohr- und Baumwollplantagen Nordamerikas gebracht. Und da die Schiffe von Europa aus mit Handelswaren starteten, an der Küste Westafrikas diese Waren gegen Sklaven eintauschten, die Sklaven nach Amerika verbrachten und von dort mit Handelswaren zurückkamen, geschah dieser gigantische Menschenhandel weitgehend außerhalb des Gesichtsfelds der europäischen Profiteure! Die Hafenstadt Nantes beispielsweise ist in diesem Dreieckshandel zu Reichtum gelangt und stellt sich heute ihrer schwierigen Vergangenheit. Eindrücklich kann der Besucher nachvollziehen, wie sich Europa von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungskontinent wandelte. Denn sowohl die Emigrationswellen des 19. Jahrhunderts als auch die heutige Einwanderung vollzieht sich weitgehend über den Meerweg. Doch während die Auswanderer große Holzschalenkoffer mit sich führten, besitzen die heutigen Flüchtlinge oft nur das, was sie am Leibe tragen. In kurzen, bewegenden Videosequenzen kommen vier Geflüchtete aus Afghanistan, Kamerun, Syrien und dem Iran zu Wort. Sie sprechen über den Gegenstand, der ihnen auf der Flucht übers Meer am meisten geholfen hat: ein Handy, eine
wasserdichte Bauchtasche oder einen Rosenkranz. Nur zu verständlich, dass sie dem Meer keine romantischen Gefühle abgewinnen können. Heutzutage sind aber nicht mehr nur die seereisenden Menschen in Gefahr. Auch das Meer selbst steht kurz vor dem Kollaps: Exzessive Ausbeutung und Vermüllung haben die Weltmeere an den Rand des Abgrunds gebracht. Fisch, Öl, Seltene Erden, Manganknollen… einst schienen die Reichtümer des Meeres unerschöpflich. Doch heute prangt eine mannshohe Säule, gefüllt mit Meeresmüll, in der Mitte der Themeninsel, die sich den maritimen Ressourcen widmet. Plastikmüll und Geisternetze sind tödliche Fallen für die Meeresbewohner. Ein trauriger Anblick!
Gleich nebenan keimt allerdings Hoffnung auf: Die Meeresforschung, wie sie beispielsweise am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel betrieben wird, untersucht die Rolle der Meere Linke Seite, oben: Blick in die Ausstellung mit Antonie Volkmar, Abschied der Auswanderer, 1860. © Deutsches Historisches Museum, Berlin. Foto: © Dr. C. Klein Mitte: Schiffszwieback (Hartkeks), 13. April 1784 © National Maritime Museum, Greenwich, London Unten: Richard Fleischhut, Auswanderer an Bord des Hochseepassagierdampfers Bremen II, 1909 © Deutsches Historisches Museum, Berlin Rechte Seite, oben: Grundriss, Seitenansicht und Transaktionen des Sklavenschiffes Marie-Séraphique, um 1770 © Château des ducs de Bretagne – Musée d’histoire de Nantes Unten: Pierre Bontier und Jean le Verrier, Chronik »Conquête et les Conquérants des Iles Canaries« (dt. Die Eroberung und die Eroberer der Kanarischen Inseln), um 1405 © The British Library Board, Egerton 2709, f.2.
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in den Zeiten des Klimawandels und den Einfluss des Menschen auf die maritimen Ökosysteme. Von präparierten Tiefseefischen bis zu futuristischen Unterwasser-Observatorien und raketenförmigen Tiefsee-Sonaren hat die Meeresforschung viel Aufregendes zu bieten! Vor allem verbindet sich mit ihr die Hoffnung auf ein besseres Verständnis der Meereswelten und einen respektvolleren Umgang mit diesem so wichtigen Lebensraum. Denn nicht nur für die Meeresbewohner, auch für die gesamte Menschheit ist die Gesundheit der Meere überlebenswichtig. Das Meer hat also viele Facetten: Nachdem es jahrhundertelang ein unberechenbares und gefürchtetes Element gewesen ist, wandelte es sich am Ende des 19. Linke Seite, oben: Säule Meeresmüll. Foto: Dr. C. Klein Mitte I: Tiefsee-Seitensichtsonar zum Einsatz in bis zu 6.000 m Wassertiefe, nach 1980. © GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Foto: Linda Plagmann Mitte II: Modell Ozean-Observatorium Foto: Dr. C. Klein Unten: Max Liebermann, Badende Knaben, 1902 © Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr Rechte Seite: Tiefseefischchen. Foto: Dr. Claudia Klein
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Jahrhunderts zu dem Sehnsuchts- und Urlaubsort, den wir heute kennen. Jetzt, im 21. Jahrhundert, wissen wir, dass das Meer uns mitreißen kann in den Strudel der Vernichtung, wenn wir nicht achtsamer mit ihm umgehen. So endet die Ausstellung mit dem Triptychon „Nordsee“ des zeitgenössischen Künstlers Jochen Hein (Siehe Eingangsbild, S. 62/63). Es zeigt die brodelnde See mit ihrer schäumenden Brandung oder, in den Worten des Künstlers, „die Sturmflut, die sich das Land zurückholt.“ Ein Menetekel zwischen Faszination und ehrfurchtgebietender Urgewalt. Die Ausstellung „Europa und das Meer“ ist noch bis zum 6. Januar 2019 im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen. Sie wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm aus Vorträgen und Podiumsdiskussionen begleitet. Deutsches Historisches Museum Unter den Linden 2 10117 Berlin www.dhm.de
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Die Welt hinter Glas Autorin: Barbara Hallmann
Keine Aufgabe zu knifflig, kein Exponat zu groß, kein Szenario zu ungewöhnlich: In 30 Jahren hat sich museumstechnik berlin zu einem etablierten Partner von Museen weltweit entwickelt, wenn es darum geht, ganz besonderes Ausstellungsgut perfekt geschützt zu präsentieren Es gibt Projekte, an denen man in der Museumswelt einfach nicht vorbeikommt: Die mehr als vier Meter hohe Vitrine der Nofretete-Büste mit integriertem schwingungsentkoppelten Exponatsockel ist so eines. Dieser Sonderbau war nur einer von 30 Sonderbauten, die museumstechnik berlin 2009 für das Neue Museum in Berlin realisierte. Darüber hinaus umfasste die Ersteinrichtung der Ausstellungsebenen 0-2, die fast 9000 Objekte aus den Sammlungen des Museums für Vor- und Frühgeschichte, des Ägyptischen Museums und der Papyrus- und Antikensammlung beherbergen, die Konstruktion, Produktion und Montage von mehr als 200 Vitrinen, 150 Tischen und Sockeln sowie 60 Infotafeln. Dieses Projekt war der Auftakt einer Serie von außergewöhnlichen museumstechnik-Projekten, die sich mittlerweile über viele Länder Europas und sogar weltweit erstrecken. Entstanden war museumstechnik berlin in den späten 1980er Jahren - sozusagen als Kind der neuen szenografischen Bewegung in der Museumswelt. Damals gründete ein interdisziplinäres Team aus Architekten, Designern und Handwerkern in Berlin-Schöneberg eine Werkbund-ähnliche Struktur, die durch den Zusammenschluss von gestalterischer und technischer Kompetenz in gemeinsamen Büros und Werkstätten schnell von sich reden machte. Bis heute ist diese außergewöhnliche Allianz die Grundlage für die erfolgreiche Arbeit von museumstechnik berlin.
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Neues Museum Berlin Linke Seite, oben: Mythologischer Saal mit hohen und flachen Tischvitrinen, im Hintergrund die Stand-Schreibfigur des Amenemhet III. (um 1850 v. Chr.). Foto: © Maria Spieth Unten: Mittelalterlicher Saal mit hohen Tischvitrinen und Hochvitrine light. Foto: © Mischa Heintze
Rechte Seite, oben: Die hier gezeigten Exponate sind Fundstücke aus der Bronzezeit; im Hintergrund ist das Highlight der Ausstellung zu sehen: Der Berliner Goldhut. Unten: Im Bereich der Jungsteinzeit geben detaillierte Modelle Einblicke in die Vorzeit. Fotos: © 16elements GmbH
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Renommierte Museen und Ausstellungsmacher aus ganz Europa, aber auch darüber hinaus, setzen auf die langjährige Erfahrung der Berliner Spezialisten. Die Liste der Referenzprojekte ist lang, aber besonders gern berichtet das Team um die Geschäftsführer Uwe Kolb, Dominique Kluxen und Martin Jönsson über Aufträge, die dem Team wirklich alles abverlangt haben. So planten und realisierten die Berliner zum Beispiel für das Archäologische Nationalmuseum Madrid im Jahre 2013 insgesamt 250 Stand- und Tischvitrinen mit höchsten konservatorischen Anforderungen sowie unterschiedliche Sonderbauten mit eigens entwickelten Einheiten der aktiven Schadstofffilterung. Für museumstechnik berlin war es das erste Projekt dieser Größenordnung im Ausland. Zwei Jahre später dann ein weiteres Projekt, für das völlig neue Lösungen entwickelt werden mussten: Die Ausstellung „Das Netz“ im Deutschen Technikmuseum Berlin, die sich inhaltlich und architektonisch in drei Hauptbereiche und neun Themeninseln gliedert. „Das Projekt war aufgrund der gestalterischen Ansätze eine spannende Herausforderung für unsere Planer und Monteure“, erinnert sich Martin Jönsson, einer der drei Geschäftsführer.
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Und dann kehrte das Team von museumstechnik berlin auch ins Neue Museum in Berlin zurück: Als 2013/14 auch die dritte Ebene für eine neue Dauerausstellung der Vor- und Frühgeschichte in Qualität und Materialität angepasst werden sollte, erhielt museumstechnik berlin den Auftrag für Planung, Produktion und Montage. Kurz und gut: Es verwundert nicht, dass die Qualität des Ausstellungsmobilars von museumstechnik längst kein Geheimtipp mehr ist. „Insbesondere in Skandinavien hat sich in den vergangenen Jahren die Überzeugung durchgesetzt, dass wir ein
Oben: Museo Arqueológico Nacional in Madrid: Das Museum beherbergt mit einer Fläche von 10.000m2 historische Funde der iberischen Halbinsel. Zudem gibt es eine ägyptische, griechische, römische und islamische Sammlung. Foto: © Empty SL Rechte Seite, oben: Deutsches Technikmuseum: Die Galerie der Endgeräte zu sehen im Bereich C - Backbone der Ausstellung „Das Netz“ Unten: Deutsches Technikmuseum: Die neun Themeninseln der Ausstellung „Das Netz“ beleuchten die zunehmende Vernetzung in unterschiedlichen Lebensbereichen anhand von Netztechnologien. Die Themeninseln sind: Maps, Music, Office, Shopping, Snapshot, Games, Home, News und Weather. Fotos: © 16elements GmbH
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kompetenter Partner für komplexe und komplizierte Ausstellungsprojekte sind“, berichtet Martin Jönsson. So finden sich auf der Liste der Referenzprojekte unter anderem eine Hochsicherheitsvitrine für die Schwedische Reichsbank sowie die vor wenigen Monaten eröffnete Kunstkammer im Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen. Sie zeigt die von Reisen
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mitgebrachten Kuriositäten und Artefakte der privaten Sammlung von König Frederick III aus dem 17. Jahrhundert. Als Schatzkammer inszeniert kommen Stilmittel wie Ton- und Filmeffekte, dimmbare Beleuchtung und Spiegel zum Einsatz. Interaktive Elemente, wie die eigens entworfene Bibliotheksleiter oder fahrbare Vergrößerungsgläser laden zum inten-
siven Studieren der Kostbarkeiten ein. Gleichzeitig entspricht die Sicherheitsklasse der Vitrinen den höchsten Anforderungen im Ausstellungsbau. Doch wie gelingt eine solche Erfolgsgeschichte? Vor zwei Jahren entschied sich museumstechnik für den Umzug in neue Räumlichkeiten – und damit für eine drei
Links: Nationalmuseum Kopenhagen: Die hier gezeigten Kuriositäten und Kostbarkeiten, darunter Artefakte aus Gold, Silber, Elfenbein wie beispielsweise ein Skelett aus Elfenbein stammen aus König Frederick III privater Sammlung. Der als Schatzkammer inszenierte Raum wird mit einer dimmbaren Beleuchtung durch den Lieferanten Roblon perfekt in Szene gesetzt. Foto: © Henning Tag Oben: 2016 bezog museumstechnik neue Räumlichkeiten in Berlin Schöneberg, um Planungs- und Produktionskapazitäten zu erhöhen. Hier gezeigt wird die Abteilung für Vormontage. Foto: © museumstechnik GmbH Unten: Martin Jönsson, Geschäftsführer museumstechnik GmbH. Foto: © museumstechnik GmbH
Mal so große Produktionsfläche wie bisher. So gelang es leichter, mehrere Projekte parallel zu steuern oder Großprojekte zu realisieren. „Durch den Umzug konnten wir unsere Planungs- und Produktionskapazitäten erhöhen und erledigen nun mehr Arbeiten inhouse“, resümiert Martin Jönsson. „Das hat für unsere Kunden viele Vorteile, denn so können wir
die Qualitätskontrolle lückenlos gestalten, können Projekte schneller umsetzen und haben kürze Reaktionszeiten.“ Auch das Jahr 2018 wird, das weiß das Team der museumstechnik, von interessanten Herausforderungen geprägt sein: Das neue Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel, die James-Simon-Galerie,
bekommt als Vitrinenersteinrichtung das von museumstechnik entwickelte Vitrinensystem MEXS. Ein schlauer Schachzug der Museumsdirektion, lässt sich das modulare und mobile Präsentationssystem doch immer wieder neu zusammensetzen – und zwar ohne Spezialwerkzeug oder Expertenwissen. MEXS empfiehlt sich damit als nachhaltige Lösung, ganz besonders, wenn man nicht weiß, welche Ausstellungsszenarien die Zukunft bringen wird. Ein weiteres Großprojekt für 2018 entsteht genau nebenan: museumstechnik berlin wurde ebenfalls mit dem Bau der Schaumagazine für den Ausstellungsbereich des Humboldtforums beauftragt; dort werden künftig unter anderem das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst beheimatet sein. Dafür konzipiert und produziert museumstechnik derzeit insgesamt 200 Vitrinen mit vielen mechanischen Besonderheiten wie Auszugsbegrenzung, Zentralverriegelung oder Selbsteinzug. Martin Jönsson freuen diese beiden Projekte ganz besonders: „Wir dürfen erneut im Herzen der Stadt unser Können zeigen, in der das Unternehmen museumstechnik vor mehr als 30 Jahren gegründet wurde.“
museumstechnik GmbH Kärntener Straße 21 10827 Berlin Tel. +49·30·78 79 29 70 mail@museumstechnik.com www.museumstechnik.com
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Juwelen der Macht Sonderausstellung vom Mai 2018 bis 21. Oktober 2018 im alten Königsschloss Koldinghus in Dänemark
Das alte Königsschloss Koldinghus feiert in diesem Jahr seinen 750. Geburtstag. Anlässlich dieses Ehrentags ist die Jubiläumsausstellung „Juwelen der Macht“ zu sehen, die die 750-jährige Geschichte anhand von königlichen Schmuckstücken, Medaillen und Orden aus dem Zentrum der Macht nacherzählt. Rang, Reichtum und Ideale lassen sich an den Juwelen ablesen, die von den mächtigsten Männern und Frauen der Gesellschaft getragen wurden. Damit ist Schmuck in der Lage, die wechselnden Regierungsformen, Machtverhältnisse, Stilausdrücke sowie Körperund Geschlechterideale der Geschichte zu
dokumentieren. Die Jubiläumsausstellung auf Koldinghus vermittelt die Geschichte der Macht im Laufe von 750 Jahren anhand einer breiten Auswahl an Schmuckstücken, Orden und Medaillen - Leihgaben u. a. vom dänischen, britischen und schwedischen Königshaus, Tiffany in New York, Cartier in Paris, Shamballa Jewels, dem Napoleonmuseum in der Schweiz, der Königlich Dänischen Sammlung auf Schloss Rosenborg, dem Designmuseum Danmark und anderen dänischen und europäischen Museen, Unternehmen und privaten Sammlern.
Hintergrundbild: Hintergrundbild: Großkommandeur des Dannebrogordens. Weiß emailliertes lateinisches Kreuz mit Brillanten und mit Edelsteinen besetztem Bruststern. Foto: © Iben Kaufmann. Foto oben: Koldinghus. © Jesper Noer Rechts: Koldinghus. Foto: © Preben Matthiesen
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Oben: Königin Margrethe II. von Dänemark Fotos: © Lasse Lagoni
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Die ausgestellten Schmuckstücke bieten dem Besucher die Möglichkeit, vielen der mächtigsten Menschen Dänemarks und Europas ganz nahe zu kommen. Die Exponate und die Personen, denen sie gehörten oder gehören, sind direkt oder indirekt von Bedeutung für die 750-jährige Geschichte von Koldinghus und für die nationalen und internationalen Erzählun-
gen, mit denen das Schloss verknüpft ist. Im Mittelalter und in der Renaissance benutzte man häufig sogenannte Siegelringe, um wichtige Dokumente zu besiegeln. Im Rahmen der Ausstellung ist ein kleiner Siegelstein zu sehen, der 1863 im Grab von Erik Glipping (1249-1268), dem Gründer von Koldinghus, im Viborger
Dom gefunden wurde und der vielleicht am Siegelring des Königs saß und zur Besiegelung der Landesgesetze verwendet wurde. Die übrigen Schmuckstücke jener Zeit sollten in erster Linie Macht und Status ausdrücken. Diesen Zweck erfüllte großer, auffälliger Goldschmuck mit kostbaren Edelsteinen am besten, wie beispielsweise der Brautschmuck von Königin Dorothea aus dem Jahre 1557. Hintergrund für die Einführung der königlichen Orden während des Absolutismus war auch das Schmieden von Allianzen und Treuebünden. Das Vorweisen eines der Ritterorden, die in der Ausstellung zu sehen sind, war schon ein deutliches Zeichen für die Gunst des Königs. Mit der Abschaffung
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Nazi-Orden der Ausstellung gehört das sogenannte „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“, das deutschen Frauen verliehen wurde, die vier, sechs, acht oder noch mehr nachweislich rein arische Kinder zur Welt gebracht hatten. Die Ausstellung umfasst auch dänische und internationale Gegenreaktionen gegen die deutsche Besatzungsmacht - von kleinen Königsabzeichen, die dänische Männer und Frauen als Broschen oder Manschettenknöpfe trugen, bis hin zu luxuriöseren Schmuckstücken aus Edelmetall mit Schmucksteinen von einigen der führenden Juwelierfirmen Europas, wie z. B. die kleinen Broschen mit Vögeln im Käfig, die Cartier in Paris herstellte, ausstellte und verkaufte. Linke Seite: Königin Margrethe II. von Dänemark bei der Eröffnungsfeier mit dem Museumsdirektor Thomas C. Thulstrup. Fotos: © Lasse Lagoni, Kleines Foto: Anne Mette Rahbek, Roblon Lighting Rechte Seite, oben: Rundgang durch die Ausstellung. Foto: © Lasse Lagoni Mitte links: Erik Klippings Siegelstein. Erik Klipping gründete Koldinghus im Jahre 1268. Der Siegelstein war vermutlich in einen Ring eingefasst und diente zur Besiegelung wichtiger Dokumente, z. B. neuer Gesetze. Eigentümer: Nationalmuseum, Foto: Lennart Larsen.
des Absolutismus und der Einführung der Demokratie verschwand die politische Macht des Königshauses und die königlichen Juwelen sollten eher die lange und glorreiche Geschichte der Königsfamilie widerspiegeln. Ein gutes Beispiel dafür ist die Halskette mit einer Kopie des Dagmarkreuzes, die König Frederik VII. Prinzessin Alexandra schenkte, als sie 1863
den britischen Kronprinzen, den späteren König Edward VII. heiraten sollte. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war von den beiden Weltkriegen geprägt, und insbesondere das Nazi-Regime in Deutschland verwendete Orden und Medaillen in seinem Versuch, eine neue Weltordnung zu schaffen. Zu den
Mitte: Königsabzeichen aus den Besatzungsjahren 1940-45 als Brosche und Manschettenknöpfe. Während der deutschen Besatzung wurden die Königsabzeichen zu einem nationalen Symbol und gleichzeitig zum stillen Protest gegen die Besatzungsmacht. Eigentümer: Museet på Koldinghus, Foto: Iben Kaufmann. Unten: Nasuut, das grönländische Diadem, angefertigt von Nicolai Appel. Geschenk der Autonomen Regierung Grönlands an Königin Margrethe II. anlässlich ihres 40-jährigen Regierungsjubiläums 2012. Foto: © Per Johansen
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Linke Seite: Blick in die Ausstellung. Fotos: © Kenneth Stjernegaard Rechte Seite: Renaissance-Halskette, angefertigt ca. 1540-1580, vermutlich in Deutschland. Die vornehme und äußerst kostbare Halskette wurde von einer Frau aus der „vornehmen Gesellschaft“ getragen. Eigentümer: Designmuseum Danmark, Foto: © Iben Kaufmann.
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Leihgeber der Ausstellung „Juwelen der Macht“
I.M. Königin Margrethe II.
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S.K.H. Prinz Henrik
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I.K.H. Kronprinzessin Mary
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I.K.H. Prinzessin Marie
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I.K.H. Prinzessin Benedikte
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I.M. Königin Anne Marie
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S.E. Graf Ingolf und I.E. Gräfin Sussie von Rosenborg
S.M. Carl XVI. Gustav, das schwedische Königshaus
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I.M. Queen Elisabeth II., Royal Collection
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De Kgl. Ridderordners Kapitel
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Det Kgl. Løsørefideikommis
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Der Astronaut Andreas Mogensen
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Der Bürgermeister von Kolding
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Cartier, Paris
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Napoleonmuseum Thurgau
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Designmuseum Danmark
Königlich Dänische Sammlung, Rosenborg
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Kunstindustriemuseum, Prag
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Museum von Kopenhagen
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Nationalmuseum
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Ole Lynggaard Copenhagen
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Private Sammler
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Shamballa Jewels
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Tiffany, New York US Diplomacy Center, Sec. Madeleine Albright
Das Hochzeitsdiadem. Angefertigt 1904 von Cartier. Geschenk an die Mutter von Königin Ingrid 1905. Königin Ingrid, ihre Töchter sowie die Töchter von Prinzessin Benedikte und Königin Anne-Marie trugen dieses Diadem zu ihrer Hochzeit. Eigentümer: Königin Anne-Marie. Foto: © Iben Kaufmann
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Oben: DER RITTERSCHLAGSDEGEN CHRISTIANS IV. Vermutlich angefertigt um 1616 anlässlich des Ritterschlags durch Christian IV. auf Koldinghus. Der Degen wurde nicht für den eigentlichen Ritterschlag verwendet, erinnert aber in Stil und Pracht an den Orden des Bewaffneten Arms, den Christian IV. bei dieser Gelegenheit zum ersten und letzten Mal verlieh. Eigentümer: Königlich Dänische Sammlung, Rosenborg. Links: Linke Seite: Königin Dorotheas Brautschmuck. 1557 schenkte Königin Dorothea den großen Brautschmuck dem Kopenhagener Rathaus, damit die Töchter der Bürgermeister und Ratsleute der Stadt diesen zu ihrer Hochzeit tragen konnten. Durch den Schmuck war Dorothea bei allen bedeutsamen Hochzeiten in Kopenhagen symbolisch anwesend. Der Schmuck ist aus wiederverwendeten Edelsteinen und Schmuckteilen zusammengesetzt. Eigentümer: Museum von Kopenhagen, Fotos: © Iben Kaufmann Mitte: GEWANDSCHLIEßE EINES CHORGEWANDES, CA. 1400. Mit der vergoldeten Schließe wurde das Gewand des Priesters oder Bischofs während der kirchlichen Zeremonien gehalten. Vor der Reformation hatte die katholische Kirche enormen politischen und wirtschaftlichen Einfluss in ganz Europa und damit auch in Dänemark. Der Reichtum der Kirche kam durch das Kircheninventar sowie durch die Gewänder und den Schmuck der Geistlichkeit zum Ausdruck. Eigentümer: © Nationalmuseum, Foto: Roberto Fortuna.
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Herzförmiges Reliquiar, ca. 1500. Ein Reliquiar war ein kleiner tragbarer Schrein für Reliquien. Reliquien sind Gegenstände oder Reste von Gegenständen, die mit Heiligen oder Christus verknüpft waren. In der katholischen Tradition glaubt man, dass Reliquien die geistliche Kraft der betreffenden Heiligen in sich bergen. Eigentümer: © Nationalmuseum, Foto: Roberto Fortuna
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Theaters im August sowie die Präsentation von Skizzen zu 17 Koldinghus-Gobelins von Bjørn Nørgaard, Tal R, Kirstine Roepstorff und Alexander Tovborg. JUBILÄUMSKATALOG Der Jubiläumskatalog, der anlässlich der Ausstellung erscheint, umfasst ein Vor-
Oben: „DOES THE CARPET MATCH THE DRAPES“. Das Werk der Künstlerin Laura Jacks aus dem Jahre 2017 ist ein geschlechterpolitischer Kommentar zu den gesellschaftlichen Vorstellungen, wie insbesondere eine weiblicher Körper 2017 aussehen kann. Eigentümer: Laura Jack Jewellery. Foto: © Laura Jack Mitte: Rolex Date 40 Uhr, hergestellt aus 18 Karat Gold und Platin mit eisblauem Zifferblatt. Die teuerste und exklusivste Uhr von Rolex. Ein diskreter Ausdruck für finanzielle Macht. Eigentümer: Privater Leihgeber.
aus kostbarstem Platin handelt. Auch diese Uhr ist im Rahmen der Ausstellung zu sehen als modernes Beispiel für finanzielle Macht. Im Dienste des Königs – Aktivität für Kinder im Rahmen der Ausstellung
In unserer heutigen globalisierten Welt sind die Machtstrukturen sehr viel komplexer als früher, was ebenfalls in den Schmuckstücken zum Ausdruck kommt. Starke finanzielle und politische Macht gehört nicht zwangsläufig zu den Dingen, die man offen zur Schau stellt. Heute demonstriert der mächtige Finanzier seine Macht nicht mit Goldketten an der Kleidung, wie es mächtige Könige und Adlige im Mittelalter und in der Renaissance taten, sondern wählt stattdessen die Rolex mit dem eisblauen Zifferblatt, von der nur Kenner wissen, dass es sich nicht um eine „normale“ Rolex, sondern um ein Modell
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Das Museum lädt die Kinder ein, dem dänischen König Christian IV. dabei zu helfen, die feindlichen Soldaten zu besiegen und das 750 Jahre alte Königsschloss zu verteidigen. Lösen die Kinder die anspruchsvollen Ritteraufgaben, werden sie ins königliche Heer aufgenommen und mit einem Ritternamen, Wappen und Ritterbrief belohnt. Schließlich gewährt der König ihnen eine Audienz und schlägt sie zum Ritter des Bewaffneten Arms - diesen Orden verlieh Christian IV. nur ein einziges Mal und zwar am 2. Dezember 1616 im Rittersaal von Koldinghus. Diese Aktivität für Kinder ist Teil der Ausstellung „Juwelen der Macht“. Jubiläumsaktivitäten Koldinghus feiert 2018 sein 750-jähriges Jubiläum. Zu den Höhepunkten des Jubiläumsprogramms gehören das Haunted Castle in den Winterferien, die Jubiläumsausstellung „Juwelen der Macht“ mit Leihgaben mehrerer europäischer Königshäuser, das Festspiel mit Stig Rossen im Schlosshof, eine große digitale Lichtshow mit Livemusik mit Musikern und Sängern des Sønderjyllands Sinfonieorchesters und des Opernensembles des Königlichen
Unten: Power Flower Brosche. Die Brosche von 2008 besteht aus Hundertkronenscheinen, die wie eine Margerite gefaltet und an einer Knospe aus kurzen Silberröhrchen befestigt sind. Die Brosche ist ein Versuch der Künstlerin Kathrine Borup, zu provozieren sowie zum Nachdenken und zu Gesprächen anzuregen über die sozial akzeptablen Symbole für Wohlstand in unserer heutigen Gesellschaft sowie über die Wahl und den Gebrauch der Werte, die uns zur Verfügung stehen. Eigentümer: Museet på Koldinghus. Beide Fotos: © Iben Kaufmann Rechte Seite: Oben: Kuldinghus. Foto: © Jesper Noer Unten: Blick in die Ausstellung „Juwelen der Macht“. Foto: © Kenneth Stjernegaard Vitrinen: 15 Vitrinen von museumstechnik, Berlin. Geliefert für frühere Ausstellungen und wieder verwendet. 12 neue Sicherheits-Vitrinen 1 x 1m von System Standex, Odense, Denmark. Licht für die Vitrinen von Roblon Lighting: 45 Ara 3 M, 3000K dimmbare Spots mit leicht montierbarer Magnethalterung 65 Ara 5 3000K track spot, individually dimmable.
wort des Museumsdirektors von Koldinghus, Thomas Thulstrup, sowie in erster Linie Beschreibungen und Fotos aller Exponate. Darüber hinaus enthält er 12 Artikel verschiedener Experten, die hauptsächlich mit den Leihgebern und Koldinghus in Beziehung stehen. Die Artikel bieten interessante Erkenntnisse über ausgewählte Schmuckstücke, Personen und Ereignisse mit Verbindung zu den Exponaten und Koldinghus. So erfährt man beispielsweise im einleitenden Artikel der Ausstellungskuratorin Anni Nørskov Mørch mehr über den Hintergrund der Ausstellung und die Auswahl der Schmuckstücke. Die dänische Königin Margrethe erzählt auf faszinierende Weise von mehreren der königlichen Juwelen und Kulturerbe-Chef Steen Rosenvinge Lundbye schreibt über die 750 Jahre lange Geschichte von Koldinghus. Hinzu kommen Artikel über diverse Themen von Renaissanceschmuck und Ritterorden über die Napoleonischen Kriege und den Verkauf der französischen Kronjuwelen nach der französischen Revolution bis hin zu patriotischem Schmuck während des Zweiten Weltkriegs u. a. m. Das letzte Königsschloss Jütlands Hoch über der jütländische Stadt Kolding erhebt sich das letzte Königsschloss Jütlands, Koldinghus. Es wurde 1268 als mittelalterliche Grenzburg errichtet und diente mehrfach als Residenz für dänische Könige und Königinnen. Jeder der hier residierenden Monarchen hat dem Schloss seinen persönlichen Stempel aufgedrückt. Christian III. wandelte es u. a. in ein Renaissanceschloss um und ließ hier um 1550 die erste protestantische Fürstenkapelle in den nordischen Ländern errichten. 1808 brannte das Schloss nieder und war fast 100 Jahre lang eine romantische Ruine, bevor Anfang des 20. Jahrhunderts der historische Wiederaufbau begann. Der Brand veränderte den Status des Schlosses erheblich, doch seine Funktion als Sammlungspunkt für Menschen blieb unverändert. Heute ist Koldinghus ein Museum, das Jahr für Jahr mehr als 100.000 Besucher anlockt, die sich für die Geschichte oder eine der großen internationalen Sonderausstellungen interessieren. Weitere Highlights sind die größte Sammlung dänischen Silbers in Dänemark und die einzigartige und preisgekrönte Restaurierung des Schlosses durch das Architektenpaar Inger und Johannes Exner.
Thomas Thulstrup, CEO Koldinghus: ”Mit der Ausstellung Juwelen der Macht feiern wir im Museum das 750-jährige Jubiläum des Schlosses Koldinghus. Als Leiter des Hauses freue ich mich natürlich besonders, dass die vielen Anstrengungen bei der Ausstellungsplanung durch ein so positives Presseecho belohnt wurden. Es ist in der Tat ein Höhepunkt einer langen Reise, die vor über 4 Jahren mit der Neuausrichtung des Museums startete und international Impulse geben kann. Wir haben die Ausstellungsthemen näher mit der Schlossgeschichte verknüpft und massiv in die Sicherheit investiert. Die Einhaltung höchster Sicherheitsstandards war insbesondere eine Voraussetzung, um die wertvollen Leihgaben für
die Ausstellung Juwelen der Macht zeigen zu können. Hilfreich waren in diesem Zusammenhang beispielsweise die Sicherheitsbeschläge von museumstechnik aus Berlin und die Beleuchtung von Roblon Lighting. Aber auch die neue Klimaanlage, Verbesserung der Mitarbeiterqualifikation, ein neues grafisches Konzept, Serviceorientierung, Umzug und Erweiterung des Museumsshops, Engagement von Ehrenamtlern und viele andere Faktoren haben dazu geführt, dass wir im Museum über die letzten Jahre einen erfolgreichen Turn-around hatten“. MUSEET PÅ KOLDINGHUS Koldinghus 1, 6000 Kolding, Denmark Tel. +45 7633 8100 museum@koldinghus.dk www.koldinghus.dk
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Mehr als Theorie und Praxis Sonderausstellung zur Geschichte der Deutsche Uhrmacherschule Glashütte
Seit 2008 präsentiert das Deutsche Uhrenmuseum Glashütte eine einzigartige Sammlung der Glashütter Uhrmacherkunst im Gebäude der ehemaligen Deutschen Uhrmacherschule Glashütte. Unter dem Motto „Faszination Zeit – Zeit erleben“ inszeniert das Museum nicht nur die lange Tradition des mechanischen Uhrenbaus, sondern verschafft auch einen emotionalen Zugang zum Phänomen Zeit. Im Jubiläumsjahr schaut das Uhrenmuseum nicht nur auf die eigene, noch kurze Vergangenheit zurück, sondern widmet auch der Uhrmacherschule als Gebäude und Institution eine Sonderausstellung.
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Historischer Hintergrund Im Deutschen Kaiserreich entstehen nach 1871 zahlreiche gesamtdeutsche Institutionen. Die Gründung einer zentralen Uhrmacherschule ist auch auf der 1. Tagung des Verbandes Deutscher Uhrmacher 1876 oberstes Thema. Der Uhrenfabrikant Moritz Großmann schlägt Glashütte vor. Eine sächsische Kleinstadt im Erzgebirge, welche sich bereits seit 1845 als Produktions- und Ausbildungsort für präzises Uhrmacherhandwerk etabliert hat. Neben der fachlichen Kompetenz werden auch die geografischen wie soziale Vorteile bei der Entscheidung einbezogen. Am 1. Mai 1878 wird die Deutsche Uhrmacherschule Glashütte als Institution feierlich eingeweiht.
Bereits 1881 erhält die Uhrmacherschule aufgrund der stetig steigenden Schülerzahlen ein eigenes Schulgebäude. Mehrfache bauliche Erweiterungen werden in den kommenden Jahrzehnten folgen, um den wechselnden Bedingungen der Ausbildung und der Schülerschaft gerecht zu werden. Ein Meilenstein in der Architekturgeschichte ist der Erweiterungsbau von 1923, der bis heute als eindrucksvoller Eingang zum Gebäude dient.
Linke Seite, oben: Lehrer und Schüler am Henleinstein im Jahr 1910 Unten: Vielfalt der Schülerarbeiten. Foto: René Gaens Rechte Seite, oben: Deutsche Uhrmacherschule Glashütte im Jahr 1905 Mitte: Erste Arbeiten und Werke. Foto: René Gaens Unten: Schulgründer Moritz Großmann begrüßt die Gäste. Foto: René Gaens Fotos © Stiftung Deutsches Uhrenmuseum Glashütte
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In den 73 Unterrichtsjahren erhalten 2.549 Schüler aus 37 Nationen an der Schule eine Aus- oder Weiterbildung in der Uhrmacherkunst und Feinmechanik. Die ausgezeichnete Ausbildung bietet den Schülern zahlreiche Perspektiven: Ob als einfacher Uhrmacher oder in leitender Position bei weltbekannten Uhrenherstellern, Firmengründer, Konzessionär oder Lehrer, mit ihnen geht der Name „Glashütte“ in die Welt und trägt nachhaltig zum Erfolg und zur Bekanntheit des säch-
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sischen Kompetenzzentrums für mechanischen Uhrenbau bei.
rentechnik“ endet die Ära der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte 1951.
Nach der Teilung Deutschland liegt der Fokus der Planwirtschaft in der DDR im Aufbau leistungsfähiger Industriestandorte; Ingenieure werden benötigt. Die Ausbildung von Uhrmachern wird nun betrieblich in Glashütte organisiert. Mit der Wandlung des pädagogischen Konzeptes und der Umbenennung der Schule in „Fachschule für Feinmechanik und Uh-
Im Jahr 2008 findet das Gebäude zu seinen historischen Wurzeln zurück. Neben dem Deutschen Uhrenmuseum Glashütte bezieht die „Uhrmacherschule Alfred Helwig“ der Manufaktur Glashütte Original ihre Räumlichkeiten und bringt die Lehrausbildung zurück.
Linke Seite, oben: Titelmotiv der Ausstellung Rechte Seite, oben: Schüler am Uhrmachertisch Mitte: Schüler in der Studierstube Unten: Schüleruhr K. Redl, 1929
Fotos: © Stiftung Deutsches Uhrenmuseum Glashütte, Fotograf außer zwei Fotos oben rechts: René Gaens
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Zur Ausstellung Im Mittelpunkt der Ausstellung „Mehr als Theorie und Praxis“ stehen das Leben der Schüler, Lehrer und Direktoren an der Uhrmacherschule im Wandel der Zeit. Wie sah eine Ausbildung zum Uhrmacher vor mehr als 100 Jahren aus? Wie erlernte man diesen Beruf ohne Strom, Maschinen und Computer; in einem weit abgelegenen Tal? Wie empfanden die Schüler ihre Zeit an der Uhrmacherschule in Glashütte? Mit welchem Gedanken schauten sie auf ihr „Musenstädtchen“ zurück? Ausgestattet mit einem eigenen „Stundenplan“ absolviert der Besucher den theoretischen und praktischen Unterricht an der Uhrmacherschule. Nach eingehendem Studium der Baugeschichte, begrüßt Moritz Grossmann den neuen Schüler und macht ihn mit den Lehrern bekannt. Darunter Alfred Helwig, Uhrmachermeister, Lehrer und Erfinder des „Fliegenden Tourbillons“, sowie Namensgeber der heute im Gebäude beheimateten Uhrmacherschule. Vorbei am Direktorenzimmer, lernt man einige der über 2500 Schüler näher kennen. Ihre Schülerarbeiten, wie Taschen-, Pendel- und Armbanduhren, Marine-Chronometer, Gangmodellen,
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feinmechanischen Instrumente oder Zeichnungen zeigen die Vielfalt ihrer praktischen Arbeiten auf. Fotografien und Dokumente verweisen auf Herkunft und beruflichen Werdegang der internationalen Schülerschaft. Denn auch durch sie wurde der Name Glashütte in die Welt getragen und die präzise mechanische Uhrenbauweise weltbekannt. Einblick in den Alltag an der Schule findet der Besucher in den Schubladen der Uhrmacherschränke, ob lustige Schülerstreich oder berührender Brief an die Eltern in der Heimat. Eine Vielzahl von handschriftlichen Aufzeichnungen, Bildern und Skizzen spiegeln das Leben und Denken der Schüler. Natürlich darf ein originaler Uhrmachertisch nicht fehlen. Der Arbeitsplatz von Lore Freytag, eine von nur 44 Uhrmacherschülerinnen. Der Besucher wird eingeladen, in die Zeit an der Uhrmacherschule einzutauchen und darf selbst entdecken, was das Leben an dieser Schule zu so viel mehr gemacht hat, als nur das Erlernen von Theorie und Praxis. Oben: Im Direktorenzimmer Unten: Deutsches Uhrenmuseum Glashütte Fotos: © Stiftung Deutsches Uhrenmuseum Glashütte Fotograf: René Gaens
Täglich 10 bis 17 Uhr geöffnet. Deutsches Uhrenmuseum Glashütte Schillerstraße 3a 01768 Glashütte/Sachsen Tel. 035053 – 46 12 102 info@uhrenmuseum-glashuette.com www.uhrenmuseum-glashuette.com
Seminare/Workshops zur MUTEC 2018 - Kurse Depotplanung der Prevart GmbH - 5. Internationale Tagung des SiLK - Sicherheitsleitfaden Kulturgut - Fundraising-Seminare „Spenden für Kulturgut“ des Fundraiser-Magazins - Fortbildungstagung Sächsischer Museumsbund - Jahrestagung des Bundesverbandes freiberuflicher Kulturwissenschaftler (BfK) - Kurse zur Bergung von Kulturgut
Neu: Workshop „Assessing Risks to Your Collections“, Dr. Robert Waller (Kanada)
Gemeinsam stark Als Verbund rund um den Erhalt, die Bewahrung und Vermittlung des Kulturerbes übernimmt das internationale Messeduo MUTEC und denkmal eine Vorreiterrolle.
Parallel: Europäische Leitmesse für Denkmalpflege Restaurierung und Altbausanierung
KULTURGUT VERBINDET www.mutec.de
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Legende Queen Elizabeth II. – Sammlung Luciano Pelizzari Ausstellung bis 6. Januar 2019. Weltkulturerbe Völklinger Hütte - Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur. Autor: Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig
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Passend zur Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle öffnete die Ausstellung „Legende Queen Elizabeth II. - Sammlung Luciano Pelizzari“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte ihre Pforten. Der Ansturm war bereits in der ersten Woche sehr hoch, mehr als 5.000 Menschen besuchten die Ausstellung. Die Ausstellung ist in Deutschland die erste zu Queen Elizabeth II. und 2018 die einzige in Europa, die Queen Elizabeth II. ins Zentrum stellt. Gerade in Zeiten des Brexit verkörpert nichts so sehr die Kultur Großbritanniens und des Commonwealths wie Queen Elizabeth II. Die Queen ist wahrscheinlich die letzte Ikone unserer
Zeit. In ihrem Leben spiegelt sich eine ganze Epoche. Die englischen Premierminister von Winston Churchill bis Theresa May hat sie fast wöchentlich empfangen. Alle deutschen Bundeskanzler hat Queen Elizabeth II. als Königin erlebt. Queen Elizabeth II. ist die am meisten dargestellte Person des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Ausstellung entführt uns mit ihren 1.500 Exponaten auf 6.000 Quadratmetern in die Welt G roßbri tanni ens und seiner Queen. Sie lässt - wie kein anderes Thema unsere Zeit, das moderne Europa und die vielfältigen Wege und Abwege der Zeitgeschichte lebendig werden. Das Bild der Queen reflektiert
Rechte Seite, oben: Queen Elizabeth II by Dorothy Wilding, 26. Februar 1952. © William Hustler and Georgina Hustler / National Portrait Gallery, London Hintergrundbild: Die Ausstellung “Legende Queen Elizabeth II. Sammlung Luciano Pelizzari“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Foto: © Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Hans-Georg Merkel
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fast 100 Jahre unserer gegenwärtigen Zeit fokussiert in einer einzigen Persönlichkeit. Wie keine andere Person der Zeitgeschichte ist die Queen präsent, Teil der Geschichte und trotzdem distanziert. Wir konfrontieren in der Ausstellung „Legende Queen Elizabeth II.“ unsere Auswahl aus der Sammlung Luciano Pelizzari mit dem legendären Projekt von BBC London „92 Jahre Queen Elizabeth II. in Pictures“, das in herausragenden Jahresfotos das Leben der Queen während der letzten 92 Jahre nachzeichnet. Diese Bilder werden ergänzt durch Leihgaben aus der bedeutenden Porzellansammlung von Marina Minelli, Pescara, zu der uns Luciano Pelizzari den Zugang ermöglicht hat. Weitere Leihgaben aus der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Bonn, und The Postal Museum, London, ergänzen das Ausstellungsprojekt, das Meilensteine der europäischen Kultur- und Briefmarkengeschichte von der Penny Black, der ersten Briefmarke der Welt, über die Blaue und Rote Mauritius bis zur Gegenwart vereint. Luciano Pelizzari besuchte als Meisterschüler das Atelier des berühmten Portraitmalers der Queen, Pietro Annigoni (1910 – 1988). Dadurch entstand seine Liebe zu Queen Elizabeth II. Diese Begegnung war auch der Beginn der Sammlung, die heute zu den größten ihrer Art in der Welt gehört. Das Porträt der Queen von Pietro Annigoni ist das zentrale Bild zu Queen Elizabeth II., von dem aus andere mediale Bilder, Briefmarken, Münzen und Medaillen ihren Bezugspunkt nehmen. In der Ausstellung begegnen sich so drei große Bild-Stränge: Erstens, die 92 eigenständigen Reportage-Bilder, die das Leben der Queen im Jahresrhythmus erleben lassen und die Persönlichkeit Queen Elizabeths II. umfassen. Zweitens, die im Laufe ihres Lebens entstandenen Bildkonstanten der Queen, etwa das Porträt von Pietro Annigoni, die sich wiederholend über die Jahrzehnte weltweit in Briefmarken, Münzen und Medaillen manifestieren. Der Bogen spannt sich dabei von den ersten
Fotos linke Seite: Die Ausstellung “Legende Queen Elizabeth II. Sammlung Luciano Pelizzari“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. © Weltkulturerbe Völklinger Hütte/ Hans-Georg Merkel Rechte Seite: Ihre Majestät Queen Elizabeth II. Pietro Annigoni 1910 – 1988 1954 / 1955 © picture alliance / dpa
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lung porträtiert Queen Elizabeth II. als Monarchin, Akteurin, Familienoberhaupt und als Traumfigur für die Briten und eine weltweite Fangemeinde. Queen Elizabeth II. ist die Stil-Ikone, Mode und Schmuck der Queen sind legendär. Sie ist ein Motiv und Emblem der Pop-Kultur und der UrbanArt. 2018 liegt im Weltkulturerbe Völklinger Hütte der Ausstellungs-Schwerpunkt auf Großbritannien. Den Gegenpol zu „Queen Elizabeth“ bildet „Banksy - Dismaland & Others - Fotografien von Barry Cawston“. Die Ausstellung „Legende Queen Elizabeth II. Sammlung Luciano Pelizzari“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte wird von einem umfänglichen Rahmenprogramm begleitet, mit Führungen, Ringvorlesungen und weiteren Begleitveranstaltungen. Zur Ausstellung ist ein Besucherservice eingerichtet, über den Gruppenführungen gebucht werden können. Zur Ausstellung erscheint ein vierfarbiges Katalogbuch zum Sonderpreis von 27,50 Euro. Weltkulturerbe Völklinger Hütte, bis 6. Januar 2019 täglich (außer Heilig Abend, 1. Weihnachtstag und Silvester) ab 10 Uhr
Briefmarken überhaupt hin zu einer Kollektion, die den gesamten Erdball umfasst und immer wieder das Porträt von Queen Elizabeth zeigt. Und, drittens, die Erinnerungsstücke zu den wichtigen Ereignissen der Queen und ihrer Familie. Das Bild Queen Elizabeths II. von Pietro Annigoni zieht sich wie ein roter Faden durch alle offiziellen Darstellungen der englischen Regentin. Dieses Porträt wird so auch zum Koordinatensystem des „Medien-Ereignisses“ Queen Elizabeth II. Die Ausstellung zeigt aber auch deutlich, dass Queen Elizabeth II. die erste Persönlichkeit im Fokus der Öffentlichkeit ist, die umfassend als Medienereignis begriffen werden kann und deren Vermittlung und Vorstellung wesentlich durch die Bilder geprägt wird, die sie darstellen und die auf sie verweisen. Die Queen ist die am längsten regierende Monarchin Großbritanniens und eine der am längsten regierenden Monarchen der Welt. Sie feiert 2018 ihr 65-jähriges Krönungsjubiläum. Während ihres Lebens war sie medial und real Bezugspunkt der Weltgeschichte, ohne die Weltereignisse „operativ“ zu beeinflussen. Für Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen ist „die Queen
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meine Tante“. Theodor Heuss sagte: „Die Begegnung mit Eurer Majestät werde ich nie vergessen. Es hat mich stark berührt, dass auch Sie in meinem Besuch ein Zeichen für die Vertiefung der Freundschaft zwischen unseren Ländern sehen.“ Manche bezeichnen sie als „cool“, andere sehen in der Queen den „Prototyp für eine weibliche Herrscherin des 20. Jahrhunderts“. Wieder andere, wie Neil MacGregor, verweisen darauf, dass beispielsweise der Duden bei dem Begriff Queen anmerkt, dass es keinen Plural gibt. Queen Elizabeth ist wahrscheinlich die letzte Ikone unserer Zeitgeschichte. All dies zeigt die Ausstellung und lässt damit ein großes Stück Zeitgeschichte aus einer besonderen Perspektive lebendig werden. Die Ausstel-
Oben: Die Queen bei einer Gartenparty im königlichen Krankenhaus in Chelsea zum 50-jährigen Bestehen des Women-in-Active-Service, 1967 Unten: Die Queen bei einem Besuch der Royal Albert Hall, die nach langer Restaurationszeit wiedereröffnet worden ist, 2004 Beide Fotos: BBC London | 92 Jahre Queen Elizabeth II in pictures © picture alliance / dpa
Weltkulturerbe Völklinger Hütte Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur CEO | Generaldirektor Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig 66302 Völklingen / Saarbrücken Tel.: +49 (0)6898 / 9 100 100 E-Mail: mail@voelklinger-huette.org
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