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Dorfmuseum Markersdorf
Reinlichkeit ist eine Zier
Sonderausstellung im Dorfmuseum Markersdorf vom 1. März 2020 bis 1. August 2021. Autorin: Anja Köhler
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Elektrische Zahnbürste, Lockenstab und elektrischer Rasierapparat – sie alle gehören zu unserem Alltag und machen ihn angenehmer. Das Angebot an Hautpflegemitteln, Zahnpasta und Haar-Styling-Produkten ist schier endlos.
Jährlich gibt es neue Trends in Sachen Haarmode und Barttracht. Keine Haarfarbe scheint zu verrückt, kein Bart zu ausgefallen. In Zeiten von Desinfektionsmitteln im Handtaschenformat und Feuchttüchern für jede Lebenslage scheinen der Hygiene keine Grenzen gesetzt zu sein. Tägliche Hygiene ist fester Bestandteil unseres Lebens. Wasserklosetts und weibliche Hygieneartikel möchten wir nicht mehr missen. Dabei vergessen wir oft, dass die Menschheit den Großteil ihres Daseins ohne all diese Hilfsmittel verbrachte. Die Sonderausstellung „Reinlichkeit ist eine Zier“ gibt einen kleinen Einblick in die Welt der persönlichen Hygiene des 19. und 20. Jahrhunderts. Begeben Sie sich mit uns auf eine teilweise zum Schmunzeln einladende Reise in die Welt von Seife, Zahnpasta und Co.
Die unendliche Frische
Die Körperpflege diente und dient in erster Linie der Reinigung des Körpers und der Vermeidung von Krankheiten. Je nach Kulturkreis kommt eine weitere Aufgabe hinzu: die Vermeidung von unangemessenen Körpergerüchen.
In Griechenland und Rom wurde vorwiegend warm gebadet, um den Körper zu reinigen, jedoch verlor sich diese Tradition in Europa nach dem Untergang des Römischen Reiches und endete schließlich im 17. und 18. Jahrhundert gar in einer regelrechten „Wasserscheu“. Dies änderte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, als wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer Rückbesinnung auf das Waschen mit Wasser führten. Die industrielle Herstellung von Seife sowie weitere Entwicklungen sorgten schließlich dafür, dass unsere heutige tägliche Hygiene von Flüssigseife, Deoroller und Desinfektionsmitteln gekennzeichnet ist.
Oben: Vor allem ehemaligen DDR-Bürgern sicherlich noch bekannt, verschiedene Seifen des Seifenwerks Riesa und des VEB Florena, 1950 – 1990.
Alberna „Kölnisch Wasser“ in der Geschenkverpackung, 1950er Jahre, und zwei Flohfallen aus Bein, 19. Jahrhundert. Fotos: © Anja Köhler
Bereits in der Steinzeit säuberten sich die Menschen ihre Zähne mit Weidenstöckchen. Die Römer vertrauten zur Desinfektion des Mundraumes gar auf ein kostenloses „Mundwasser“: Urin. Erste Zahnbürsten kamen um 1500 in China auf und waren pinselförmig. Kaufleute brachten die Zahnpinsel mit nach Europa, wo die Reinigung der Zähne mit Hilfe von Schwämmen oder Tüchern verbreitet war. 1780 entstand in England die erste Zahnbürstenfabrik. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch die elektrische Zahnbürste erfunden, allerdings war ihre Herstellung viel zu kostspielig.
Die weltweit erste Zahnpasta wurde 1850 in den USA hergestellt, führend auf dem europäischen Markt wurde allerdings eine Marke aus Dresden: Chlorodont. Und eine weitere bekannte Marke kommt aus Dresden: Odol. Karl August Lingner bekam 1892 ein neues Antiseptikum zur Vermarktung angeboten. Er stand vor der Wahl daraus eine antibakterielle Seife oder ein Gesundheits-Haarwasser zu machen, entschied sich dann aber für ein Mundwasser. Diese Entscheidung machte ihn schließlich zu einem der reisten Männer des Kaiserreichs. Chlorodont und Odol hatten etwas gemeinsam: Beide wurden durch ausgeklügelte Marketingkampagnen bekannt gemacht, die auch Künstler wie Giaccomo Puccini einbezogen, der extra eine „Ode an Odol“ komponierte.
„Die kritischen Tage“
Die Hygiene der Frau hat schon immer besondere Ansprüche gestellt. Bis in das 19. Jahrhundert hinein, fertigten Frauen ihre Hygieneprodukte selbst an. Diese bestanden aus Altkleidern, Moos, Wolle, Leinen oder ähnlichem und wurden größtenteils gewaschen und wiederverwendet. Erst Ende des 19. Jahrhunderts, mit der zunehmenden gesundheitlichen Aufklärung und damit einhergehenden Verbreitung von Hygienevorschriften, begann die industrielle Herstellung von Damenhygieneartikeln, die oft jedoch sehr teuer waren. Der 1. Weltkrieg stellte einen Meilenstein für die Entwicklung preiswerterer Erzeugnisse dar, die zu den uns heute bekannten Hygieneprodukten führte.
Der Zopf ist ab
Bereits im Alten Ägypten und bei den Griechen und Römern wurde viel Zeit und Geld für die Gestaltung und Pflege des Haupthaares aufgewendet. Im Laufe der Jahrhunderte gab es eine Vielzahl verschiedener Haarmoden, die mal kürzere, mal längere Haare verlangten. Dabei wurde das Haar gewöhnlich nur mit Wasser und Seife oder seifenähnlichen Substanzen gewaschen. Duftöle parfümierten die Frisur und Schmuck wie Kämme oder Nadeln waren Ausdruck von Reichtum. Erste Haarwaschmittel im heutigen Sinne wurden im 19. Jahrhundert in England hergestellt. Diese reinigten und parfümierten das Haar gleichzeitig und verliehen im Glanz. 1898 eröffnete Hans Schwarzkopf in Berlin eine Farben-, Drogen- und Parfümeriehandlung. Das „Shampoon mit dem schwarzen Kopf“ wurde zum ersten Markenartikel der Branche in Deutschland. Um das Haar nach dem Waschen auch Trocknen zu können, brachte AEG Anfang des 20. Jahrhunderts einen Haartrockner auf den Markt. wie Ondulierstab, Glätteisen und Co. machten die Behandlung des Haupthaares in den folgenden Jahren grenzenlos. War bei den Griechen Körperbehaarung bei Frauen und Männern gleichermaßen unbeliebt, wandelte sich dies in den folgenden Jahrhunderten, vor allem in der Männermode. Vollbärte wechselten mit glattrasierten Gesichtern, Schnurrbärte verdrängten volle Koteletten. Die Nassrasur wurde traditionell beim Barbier mit dem Rasiermesser durchgeführt. Dies änderte sich erst mit der Erfindung des mechanischen Rasierapparates im Jahre 1901 durch King Camp Gillette. Er wurde vor allem während des 1. Weltkrieges von amerikanischen Soldaten verwendet, um die erstmals in Gebrauch befindlichen Gasmasken luftdicht am Gesicht abschließen zu lassen.
Linke Seite, oben: Set „Putzi“ mit Zahnputzbecher, Zahnbürste, Zahncreme und Mundwasser des VEB Florena, 1980er Jahre Unten: Werbeanzeige für „Marwede’s Moos-Binden“ aus „Das Blatt der Hausfrau“, 1895. Rechte Seite: Verschiedene Frisiereisen mit Preisliste, erste Hälfte 20. Jahrhundert. Fotos: © Anja Köhler
Das stille Örtchen
Donnerbalken, Lokus, Abort, heimliches Gemach, Abtritt, stilles Örtchen – viele Namen für einen elementar wichtigen Bestandteil der täglichen Hygiene: die Toilette. Der heute verwendete Name stammt aus dem Französischen und meinte ursprünglich den gesamten Vorgang des sich für den Tag Vorbereitens. Da die Damen des französischen Hofes für ihre „toilette“ spezielle Ankleidezimmer besaßen, die auch den Leibstuhl beheimateten, ging der Begriff schließlich im 19. Jahrhundert im Deutschen allein auf das Klosett über. Bereits in Mesopotamien, Griechenland und Rom gab es öffentliche
Oben: Da die Aborte oft außerhalb des Hauses anzutreffen waren, wurde für die Nacht ein Topf unter das Bett gestellt. Dieser konnte aus Keramik, Metall oder sogar Glas sein. Foto: © Anja Köhler
Toilettenanlagen, die sogar über Wasserspülung verfügten. Die Technologie ging allerdings mit dem Ende des Römischen Reiches verloren. Das Mittelalter kannte in Burgen und Klöstern den sogenannten Aborterker, der direkt ins Freie führte. Schlossanlagen des Barock und Rokoko verfügten eher selten über Toiletten, so dass oft Korridore, Raumecken, Hauseingänge, Durchfahrten und Gärten als Abtritt benutzt wurden. Bereits 1596 hatte Sir John Harington das Wasserklosett im Auftrag von Königin Elizabeth I. erfunden. Er erntete mit dieser Erfindung allerdings nur Unverständnis und so dauerte es noch bis 1755 ehe der Schotte Alexander Cummings ein Patent auf ein Wasserklosett anmeldete. Toiletten mit Wasserspülung setzten sich in deutschen Städten erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch, als es sowohl Wasseranschlüsse in den Häusern als auch eine entsprechende Kanalisation gab. Auf dem Land waren Plumpsklos bis weit in das 20. Jahrhundert verbreitet. Die Sonderausstellung „Reinlichkeit ist eine Zier“ ist in diesem Jahr besonders aktuell, spielt Hygiene derzeit doch eine zentrale Rolle in unser aller Leben. Die Ausstellung wird ergänzt durch Leihgaben aus dem Stadtmuseum Neustadt i. Sa. und dem Heimatmuseum Herrnhut.
Öffnungszeiten: Mi – Fr 10.00 – 16.00 Uhr Sa/ So/ Feiertags 13.00 – 17.00 Uhr
Dorfmuseum Markersdorf Kirchstraße 2 02829 Markersdorf Tel.: 035829/60329 Fax: 035829/60408 www.museum-oberlausitz.de